Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach
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Erinnerungskultur genau der Platz, um errungene Gewinne als relativ sichere<br />
aufzuschreiben, dergestalt zu vergegenständlichen und hierüber vorhandene Positionen<br />
auszubauen. Jeder Vermerk kam zumindest einem Appell gleich, das Erkämpfte nicht aus den<br />
Augen zu lassen. Die Oberweider Pfarrer ließen sich, und das sei des Beweises genug, bis 1813,<br />
demzufolge ca. 160 Jahre, von Tanner Kaplänen oder Diakonen an dieser Stelle, im hiesigen<br />
Kirchenbuch, ein um das andere Mal bestätigen, dass 1653 der tannische Zentgraf mit Bravour<br />
zurückgeschlagen worden sei, die Pfarrechte für Unterweid demnach richtigerweise bei der<br />
Hauptpfarre Oberweid liegen.<br />
Die Serie der chronikalischen Einträge beginnt mit der Lehrerstelle. An diesem Fall wird<br />
offenbar, wie sich doch alles Fragen nach einem etwaigen Vorschlagsrecht, gar einem<br />
umfassenden jus patronatus oder den höchsten jura episcopalia, im Letzten am Streit zu<br />
orientieren hat, der jeweils latent vorhanden oder im entsprehenden Zeitpunkt offen<br />
ausgebrochen war. Laut dieses Eintrags hatte 1641, <strong>Frankenheim</strong> scheint immer noch völlig<br />
zerstört gewesen zu sein, der – Kaltenwestheimer – Pfarrer den Birxer „Nachbarn“ Melchior<br />
Städler zum Schulmeister gemacht. Wie lange das gut ging, wird nicht gesagt, wohl aber stieg<br />
der Ton. Der seit 1653 für Oberweid eingesetzte und ab 1656 für die Filialörfer <strong>Frankenheim</strong><br />
und Birx zuständige Pfarrherr Johannes Matthäus Sell ließ im fraglichen Vermerk seinem Groll<br />
freien Lauf. Sell ergriff für das Meininger Konsistorium Partei, als er schrieb, der tannische<br />
„Lehnsjucker habe sich unterstanden, einen andern nahmens Peter Bartholmes, Nachbarn zu<br />
Franckenheim, zu verordnen.“ Aus dieser Perspektive sah man sich im Recht, fand die Sache im<br />
Jahre 1655 nur ihr gerechtes Ende. Damals habe, erinnert Sell, das Meininger Konsistorium<br />
widersprochen, ja „obgedachten Melchior Städler hierzu confirmiret“, demnach im Amt<br />
bestätigt.<br />
Nicht weniger ist dem nächsten Eintrag die spannungsgeladene Ausgangssituation<br />
anzumerken. So habe 1657 ihr Amtmann und Dekan sämtliche Einwohner dieser zwei<br />
Rhöndörfer – bei Schnee und Eis, es war Ende Januar – ins fürstliche Amt nach Kaltennordheim<br />
zitiert, wo man sich auf Befehl desselben Konsistoriums dem neuen Oberweider Pfarrherrn „alß<br />
gehorsame(s) Pfarrkind an(zu)gelob(en)“ hatte. Untertanen hatten keine Wahl, sie mußten<br />
vorbehaltlos gehorchen. Von daher betrachtet schien jede Konfrontation von vornherein<br />
entschieden, zumal man auf Seiten der Untertanen auch profitierte, wird doch hierdurch die<br />
eigene Lebenssituation gestaltet. Aber wie dem auch sei: Imperatives Gebaren war jedenfalls<br />
nicht dazu angetan, die zugrunde liegenden Differenzen zu leugnen. Vielmehr waren auf dem<br />
Weg zu solch einem Gelöbnis anscheinend zwei Ereignisse besonders erinnerungswürdig.<br />
Gemeint ist der Machtwechsel zugunsten des ehemaligen Hauses Henneberg und die<br />
Hinwendung nach Oberweid. Von beidem handelt der dritte Eintrag dieser Serie, wenn man<br />
einmal davon absieht, dass der nachfolgende Bericht eine treffliche Vorstellung von einer Welt<br />
mit weitgehend mündlicher Überlieferung vermittelt, mehr auf dem flachen Land nicht zu<br />
erwarten war, nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges.<br />
Pfarrer Sell notierte, was er von den „alten Leuthen zu Franckenheim und Birx“ erfahren hatte,<br />
namentlich vom Birxer Schultheiß Valtin Abe. Beide Orte seien nach der erneuten<br />
Katholisierung des benachbarten Fladungen ins nahe Ulstertal gegangen, nach Wüstensachsen,<br />
bis eben „ihre Pfarr … ungefehr“ 1614 „hennebergisch worden“. Gesprochen wird von jenem<br />
Rezeß, den auch Schultes auf Seite 116 des zweiten Bandes seiner historisch-statistischen<br />
Beschreibung bei <strong>Frankenheim</strong> erwähnte. Dieser Vergleich, auf den verschiedentlich<br />
zurückzukommen ist, fixierte von heute aus betrachtet sehr wahrscheinlich nur eine sich ohnehin<br />
abzeichnende Kräfteverschiebung. Seinerzeit, im Augenblick des Rezesses, schien der zugrunde<br />
liegende Streit beigelegt werden zu können, vielleicht gar ein für alle Mal ausgestanden zu sein.<br />
Nicht mehr auf eine Pfarrei festgelegt, entscheiden sich nun jedenfalls die <strong>Frankenheim</strong>er und<br />
Birxer für Kaltenwestheim, um jede „Strittigkeit“ mit ihrem „Lehnsjuncker“ zu vermeiden, so<br />
Pfarrer Sell ausdrücklich.<br />
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