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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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gibt, andererseits erste Risse im überkommenen System nicht unterschlagen werden, sich<br />

Auswege folglich abzeichnen, scheint damit ein idealer Ansatz gefunden zu sein. Schultes’<br />

Zustandsbericht ist für die Vergangenheit zu entschlüsseln und für all das im Auge zu behalten,<br />

was auf die kommenden Generationen dieser Rhöndörfer zukommt. Dafür spricht nicht zuletzt,<br />

dass er sich von der älteren Kameralistik nicht voreilig löste, sein Erkenntnisinteresse bei allem<br />

Neuen immer noch auf die rechtlichen Voraussetzungen gerichtet war.<br />

Wie sollte es ausgangs des 18. Jahrhunderts auch anders sein, spricht ein<br />

Verwaltungsfachmann dieser Güte allerdings in erster Linie von der Demographie und den<br />

Besitzverhältnissen. Gleich daneben kommen die (land)wirtschaftlichen Probleme und die<br />

schwierige Wasserversorgung <strong>Frankenheim</strong>s zur Sprache. Erst werden also die physikalischen<br />

Grundgegebenheiten und ihr unmittelbarer Einfluß auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge<br />

abgehakt, geht es um das Land und damit um ein System ökonomischer Wechselwirkungen,<br />

dann wird der Raum als Rechtssystem begriffen. Hier ist die Rede von der tannischen<br />

Zivilgerichtsbarkeit unter Sachsen-<strong>Eisenach</strong>ischer Landeshoheit mit den daraus erwachsenden<br />

Steuerpflichten. Beim Landesherrn liege auch der „Pfarrsaz“, stellt Schultes lapidar fest. Er<br />

allein schlage den Pfarrer vor, während die Tanns den „Schuldiener“ bestimmen und zum Teil<br />

unterhalten, ein Vorrecht, das erst kürzlich auf den Herrn von Huflar, die von Boyneburgs,<br />

übergegangen sei. Schultes wusste auch, und insoweit sehen wir uns nur bestätigt, dass der<br />

Oberweider Pfarrer bestenfalls im Frühjahr und Herbst nach <strong>Frankenheim</strong> kommt, die Last der<br />

kirchlichen Versorgung mithin beim Schulmeister liegt. Und was das zuständige geistliche<br />

Untergericht angeht, residiere dieses in Kaltenordheim, so Schultes abschließend.<br />

Besonders zu Birx heißt es bei ihm, dass die Landeshoheit dem fürstlichen Hause Sachsen-<br />

Weimar zustehe. Die Vogteigerichtsbarkeit liege dagegen seit alters bei den Tanns, so wie die<br />

Cent beim Bischof von Würzburg und seinem Amte Fladungen. Wie schon bei <strong>Frankenheim</strong>, ist<br />

es Schultes gleichermaßen um die Bevölkerungsstatistik zu tun, um Viehzucht und Ackerbau etc.<br />

Angesprochen wird auch ein Rittergut, das jedoch die Herren von der Tann an die Einwohner<br />

verkauft haben sollen, wobei ein jährlicher Erbzins auferlegt worden sei. Für bemerkenswert<br />

hielt Schultes zu guter Letzt das ansehnliche Vermögen der Birxer Kirche, ohne zu übersehen,<br />

dass dem Schulmeister von Birx, ähnlich wie in <strong>Frankenheim</strong>, nur in einem noch höherem Maße,<br />

praktisch die kirchliche Führung dieser kleinen Gemeinde zufalle.<br />

Sollte aber in Zukunft tatsächlich von Schultes ausgegangen werden, dann wäre über diese<br />

Informationen hinaus festzuhalten, wie an gleicher Stelle nicht verschwiegen wird, dass die –<br />

profitbewußten – neuen Herren von Huflar dem <strong>Frankenheim</strong>er Lehrer das seit Jahrhunderten<br />

gewährte tannische Holzdeputat absprechen wollen. Aller Erwartung nach, so Schultes 1804,<br />

wird die Sachsen-<strong>Eisenach</strong>ische Regierung im Gegenzug den Boyneburgs das jus praesentandi<br />

des Rezesses von 1614 entziehen. Wenn auch überaus vorsichtig, Schultes wollte nicht in die<br />

herkömmlichen, juristisch fixierten Darstellungen zurückfallen, macht Schultes über den<br />

Einzelfall hinaus mit dieser Bemerkung darauf aufmerksam, wie prekär solche Rechte zu seiner<br />

Zeit geworden sind. Wir stehen an der Schwelle zum Jahrhundert der großen Ablösungen.<br />

Implizit wird sogar deutlich, worauf es im Grunde jeder versierten Beobachtung ankommt. Nur<br />

Wandel verspricht geschichtliche Einsicht. Jede weltlich-kirchliche Verfassung erklärt sich aus<br />

ihrer unablässigen Veränderung. Instabilität ist das Schlüsselwort. Wo historisch von<br />

Ordnungspolitik in Gestalt von Rechten und Pflichten gesprochen werden soll, dort geht es um<br />

eine spezifische Vermachtung letztlich unsicheren Ausgangs.<br />

In unserem Fall lassen sich derartige Konstellationen und die ihnen eigenen<br />

Auseinandersetzungen besonders gut anhand der Chronikseiten des ersten Kirchenbuches von<br />

<strong>Frankenheim</strong> und Birx studieren. 28 Offenbar war am zentralen Ort pfarrherrlicher<br />

28 Vgl. zum Folgenden das erste Kirchenbuch von <strong>Frankenheim</strong> und Birx, 1656-1756, fol. 339v-349r (Pfarrarchiv<br />

<strong>Frankenheim</strong>/Birx: K 034/664*).<br />

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