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Frankenheim - Landeskirchenarchiv Eisenach

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Lehnbuches zu erzwingen. Einmal in dessen Besitz, glaubt sich der Pfarrer von Oberweid<br />

erinnern zu können, sei es von ihnen kurzerhand verbrannt worden. 22<br />

In Anbetracht solcher Ereignisse, ihrer Komplexität, hilft die Geschichte des Henneberger<br />

Landes von Günther Wölfing nur bedingt weiter. 1992 für einen neuen Markt geschrieben,<br />

verallgemeinert seine Übersicht allzu stark, erdrückt die Masse der Daten. Viel versprechender<br />

ist da schon, jedenfalls für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert, die bereits zitierte Geschichte<br />

Thüringens von Ulrich Heß. 23 Ähnlich steht es um den wenig bekannten Text von Berthold<br />

Gerlach aus dem Jahre 1902. Seinen Andeutungen zur Reformation (1544) und<br />

Gegenreformation (1585), wobei das heute bayerische, ehemals würzburgische Fladungen<br />

vorangegangen sei, oder zu den ritterschaftlichen Dörfern <strong>Frankenheim</strong> und Birx und deren<br />

wechselhafter Geschichte zwischen den Ämtern Lichtenberg und Kaltennordheim wie ihrer<br />

Zugehörigkeit zu Sachsen, Sachsen-Weimar bzw. Sachsen-<strong>Eisenach</strong> wäre nachzugehen. 24 Und<br />

dennoch: In Erinnerung an die Erstürmung des Gutes Huflar, ein mikrogeschichtliches Ereignis<br />

von höchster Aussagekraft, erscheint es aussichtsreicher, für die soziokulturelle Gemengelage<br />

der letzten vierhundert Jahr dann gleich bei Johann Adolph von Schultes und demzufolge viel<br />

weiter vorn, ganz am Beginn der Moderne anzusetzen. 25<br />

Gut präparierte Verwaltungspraktiker, und der Amtmann von Themar gehörte zweifellos dazu,<br />

wußten Ende des 18. Jahrhunderts die Herrschaftsrechte und Abgabenpflichten mitsamt der<br />

Witterungs-, Boden- und demographischen Verhältnisse, damit aber in erster Linie die<br />

Produktionsbedingungen unter die Lupe zu nehmen, um sie räumlich angemessen und das hieß<br />

vorzugsweise topographisch und statistisch zu gewichten. An der seit den 1730er Jahren an<br />

Bedeutung gewinnenden Matrix gesellschaftstheoretischen Denkens geschult, sah Schultes sich<br />

im Kontext der Kameralwissenschaften 26 in der Lage, die Grundkonstellation zu erfassen, die<br />

<strong>Frankenheim</strong>ern wie Birxern über Jahrhunderte ihren Platz zugewiesen hatte. Dieses<br />

Machtgefüge sollte von Neuerern wie Schultes zunächst einmal wirtschaftlich, auf lange Sicht<br />

aber politisch umgestaltet, Schritt für Schritt – etwa unter dem Vorzeichen von der „guten<br />

Policey“ 27 – staatlich und gleicherweise raumwirksam konditioniert und so in eine grundlegend<br />

reformierte Gesellschaft überführt werden.<br />

Ausgangspunkt für eine geschichtliche Aufarbeitung der Dörfer Birx und <strong>Frankenheim</strong> wäre<br />

demzufolge eine historisch-statistische Beschreibung aus dem Jahre 1804, in deren Rahmen<br />

Schultes neben anderen Ämtern sich auch das Sachsen-<strong>Eisenach</strong>ische Amt Kaltennordheim<br />

genauer vornimmt. Wir befinden uns hier an einer Wendemarke, sind Zeugen jener historisch<br />

gesehen berühmten Sattelzeit um 1800. Insofern sich weltliche und kirchliche Sphäre bei<br />

Schultes immer noch mit einer Selbstverständlichkeit überschneiden, die umso mehr zu denken<br />

22 Kirchen-Chronik der Parochie Oberweid (Anm. 6), fol. 166v -167r.<br />

23 Ulrich Heß, Geschichte Thüringens (Anm. 18), S. 207-215 und 454.463.<br />

24 Berthold Gerlach, <strong>Frankenheim</strong> auf der Hohen Rhön, in: Thüringen in Wort und Bild. Herausgegeben von den<br />

Thüringer Pestalozzivereinen, Band II, Leipzig 1902, S. 369-375.<br />

25 Vgl. zum Folgenden Johann Adolph von Schultes, Historisch-statistische Beschreibung der gefürsteteten<br />

Grafschaft Henneberg. Mit Urkunden, Band II, Hildburghausen 1804, S. 90-118, insbesondere die Seiten 115-118.<br />

Zu Schultes (1744-1821), einem Schüler des Gymnasiums in Schleusingen und Studenten der Rechtswissenschaft in<br />

Jena, ab 1771 - wie sein Vater - Amtmann zu Themar mit verschiedenen hohen Auszeichungen, die ihn bis zum<br />

Hofrat und Geheimen Archivrat in Coburg führten, siehe die einseitig historiographische Beschreibung bei Wilhelm<br />

Engel, 400 Jahre Hennebergische Geschichtsschreibung, in: Sachsen und Anhalt. Jahrbuch der Historischen<br />

Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt, herausgegeben von Walter Möllenberg, Band 9, Magdeburg<br />

1933, S. 199-230 (227-228).<br />

26 Grundlegend hierzu Marcus Sandl, Ökonomie des Raumes. Der kameralswissenschaftliche Entwurf der<br />

Staatswirtschaft im 18. Jahrhundert, Köln-Weimar-Wien 1999, insbesondere S. 44, 77-78, 82, 99 und 104.<br />

27 Zu diesem Konzept neuzeitlicher Verstaatlichung im Übergang zur Moderne, exemplifiziert am durchaus<br />

vergleichbaren spanischen 17. und 18. Jahrhundert, vgl. Johannes-Michael Scholz, Policía. Zu Staat und<br />

Gesellschaft in der spanischen Neuzeit, in: Michael Stolleis et al. (Hg.), Policey im Europa der Frühen Neuzeit,<br />

Frankfurt am Main 1996, S. 213-297.<br />

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