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Neue Szene Augsburg 2018-08

Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung

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AUGSBÜRGER<br />

Eismacher<br />

„Enzo“<br />

Das Abenteuer Auswanderung beginnt mit einer Zugfahrt.<br />

Der Startpunkt: Marina di Camerota, ein kleiner italienischer Küstenort<br />

in der Region Kampanien. Das Ziel: Donauwörth. Nur mit<br />

einer Adresse in der Hand reist Vincenzo Belluccio, noch keine 17<br />

Jahre alt, in ein neues Leben. Schon nach einem Monat droht das<br />

Experiment zu scheitern: den Job in einer Pizzeria – an den Nagel<br />

gehängt, das Rückfahrtticket – gebucht, den Koffer – gepackt.<br />

Doch aus der Verabschiedung bei <strong>Augsburg</strong>er Freunden wird ein<br />

spontaner zweiter Neuanfang. Mehr als ein Vierteljahrhundert und<br />

diverse Gastrojobs später ist aus „Pistone“, „dem Kolben“, wie der<br />

passionierte Schrauber in seiner Heimat gerufen wurde, „Enzo“, der<br />

Eisdielenbesitzer, geworden.<br />

Den Weg zur Eismacherkarriere ebnet eine Anstellung bei<br />

„Santin“. Dort lernt er nicht nur die Vorzüge der Arbeit im Saisongeschäft<br />

zu schätzen, sondern erhält auch wertvolle Einblicke<br />

in Verkauf und Produktion der kalten Delikatesse. Inzwischen ist<br />

Enzo längst selbst Routinier: „Eismachen ist wie kochen. Die Mengen<br />

lernt man mit der Zeit und dann kann fast nichts mehr schiefgehen.<br />

Als Kind habe ich Erdbeereis geliebt, für 400 Lire die Kugel.<br />

Ich habe später versucht, diesen Geschmack aus meiner Kindheit<br />

exakt zu rekonstruieren. Erst jetzt weiß ich, wie gut das Eis damals<br />

wirklich war und dass alles aus frischen Zutaten bestand. Das habe<br />

ich so übernommen. Meine Gäste erwarten jede Saison Neuheiten!<br />

Letztes Jahr habe ich zum Beispiel ein Avocado-Eis kreiert, aktuell<br />

tüftle ich an einer Sorte mit Rhabarber.“ Die Stammkundschaft im<br />

Thelottviertel dankt es ihm und ist froh, dass „Pistone“ den Weg<br />

vom Tyrrhenischen Meer an die Wertach gefunden hat. Pizza, Eis<br />

und flotte Sprüche sorgen dafür, dass an der Pferseer Straße ein<br />

kleiner kulinarischer Magnet – und für manchen Quartiersbewohner<br />

ein zweites Wohnzimmer - entstanden ist. An Mann, Frau und<br />

vor allem Kind gebracht werden die hausgemachten Kreationen<br />

neuerdings auch in einer zum mobilen Verkaufsstand umfunktionierten<br />

Ape. Um neben zwei alten Vespas, einem Hochrad Marke<br />

Spezialanfertigung sowie zwei Motorrädern im Fuhrpark des 43-<br />

Jährigen zu landen, musste der dreirädrige Kleintransporter des<br />

jüngeren Bruders zunächst auf einem Anhänger die Reise von Süditalien<br />

nach <strong>Augsburg</strong> zurücklegen. In die Gegenrichtung braust<br />

Enzo einmal im Jahr auf seiner Ducati. Spätestens seit einem Familienunglück<br />

vor vier Jahren ist die Beziehung zur Heimat noch enger<br />

geworden. Auch wenn er aufgrund des Pizzeria-Betriebs nicht<br />

mehr wie früher vier Monate im Jahr frei hat, verordnet sich Enzo<br />

seine Pausen: „Man lebt schließlich nur einmal, plötzlich bis du<br />

nicht mehr da. Warum soll ich also so viel verdienen? Meine Devise<br />

ist jetzt: weniger arbeiten, mehr leben!“

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