Neue Szene Augsburg 2018-08
Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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ZOOM<br />
Danke, <strong>Augsburg</strong>!<br />
Der AfD-Parteitag <strong>2018</strong><br />
Am 30. Juni fand ausgerechnet in der Friedensstadt <strong>Augsburg</strong> der Parteitag der AfD statt.<br />
Im Vorfeld wurden heftige Ausschreitungen erwartet und doch blieb es ruhig. Mehr noch, über 5.000 Menschen demonstrierten friedlich gegen die<br />
Rechtspopulisten. Wieso <strong>Augsburg</strong> ein gutes Beispiel für den Umgang mit der AfD bietet. Von Marcus Ertle<br />
Und wo sind jetzt das Chaos und die Ausschreitungen? Nicht, dass<br />
man dem entgegengefiebert hätte, aber die <strong>Augsburg</strong>er Innenstadt<br />
ist an diesem Samstag Ende Juni so friedlich, ja betulich, wie an<br />
einem beliebigen anderen Samstag im Jahr. Da ist kein Schwarzer<br />
Block, da ist kein rechter Mob, kein Tränengas und da sind auch<br />
keine klirrenden Fensterscheiben. Die Einzelhändler, die aus Angst vor Randale<br />
am Tag als die AfD nach <strong>Augsburg</strong> kam, geschlossen hatten, fürchteten<br />
sich umsonst. Allenfalls an der Messe, wo der Parteitag der <strong>Neue</strong>n Rechten<br />
stattfand, gab es kleinere Rangeleien zwischen Gegendemonstranten und der<br />
Polizei.<br />
Auf dem Rathausplatz demonstrieren 5.000 Menschen gegen rechts.<br />
Alles friedlich. Das ist überhaupt die Bestandsaufnahme, die an diesem Tag<br />
am häufigsten über die Ticker der Medien läuft. Alles friedlich. Das passt zur<br />
Friedensstadt <strong>Augsburg</strong> und man könnte sich zufrieden zurücklehnen. Aber<br />
natürlich ist es ein Frieden, der sich vom Frieden der Jahre vor der Flüchtlingskrise<br />
viel stärker unterscheidet, als es nach außen hin scheint.<br />
Vor der Flüchtlingskrise, diesem kollektiven Schock, der die Gesellschaft<br />
bis heute spaltet, sahen Demos gegen Rechts in der Regel so aus:<br />
Ein halbes Dutzend Rechtsradikale steht um einen Sonnenschirm herum,<br />
ein Redner stammelt wirre Parolen, die man allerdings kaum hört, weil er<br />
gegen die Pfiffe Hunderter Gegendemonstranten nicht ankommt. Sarkastische<br />
Leute, übrigens auch ich, nannten das alles ein wenig gratis-mutig. Hier<br />
die radikale Rechte, die intellektuell fast schon absurd schwach aufgestellt war,<br />
dort ihre leidenschaftlich demonstrierenden Gegner von links, die in ihrem<br />
Antifa-Pathos oft so nervig selbstgerecht wirkten. Aber diese Zeiten sind vorbei<br />
und wenn nicht alles täuscht, dann wird die Spaltung der Gesellschaft in<br />
rechts und links, liberal und national kein kleines Intermezzo bleiben, über<br />
das man in ein paar Jahren verwundert den Kopf schüttelt.<br />
Die <strong>Neue</strong> Rechte ist in <strong>Augsburg</strong> an diesem Junitag im Grunde unsichtbar,<br />
wenn man von ein paar verlorenen Seelen absieht, die auf dem Königsplatz,<br />
abgeschirmt durch eine Polizeihundertschaft, Schlager abspielen. Sie<br />
sitzt in der Messe und ist gut gekleidet. Würden die Damen und Herren der<br />
AfD jetzt in der Innenstadt auftauchen, man würde sie wohl für etwas spießige<br />
Angehörige des konservativ-liberalen Mittelstands halten. Ein bisschen<br />
Einstecktuch von der FDP, ein wenig Trachtenjanker von der CSU, dazu ein<br />
Glas Hugo und dann zum Shoppen.<br />
Eigentlich typisch deutsch, diese AfD. Deutsch auf eine karikaturenhafte<br />
Art. Diese Bürgerlichkeit, die eigentlich satt sein müsste und in Wahrheit voller<br />
Hass und unzufrieden ist, als würde sie seit Langem grausam unterdrückt.<br />
Aber dieses Gefühl scheint tatsächlich tief in den Herzen zu stecken. Etwa<br />
wenn der Bundessprecher der Partei, Jörg Meuthen, twittert, dass in <strong>Augsburg</strong><br />
der Mob wütet und Jagd auf Parteitagsdelegierte macht.<br />
Was von der Polizei, die <strong>Augsburg</strong> mit 2.000 Beamten absichert und damit<br />
zugleich eine Art Leistungsschau betreibt, von den Bürgern immer wieder mit<br />
aufmunternden Worten an die schwitzenden Bereitschaftspolizisten gewürdigt<br />
wird. Der Staat zeigt Stärke an diesem Tag. Dabei ist die AfD als Fraktion<br />
im Bundestag inzwischen ja auch ein Teil des Staates. Auch so eine Sache,<br />
die man sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen konnte. Im Bundestag<br />
darf es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben.<br />
Das hatte der CSU-Heilige Franz-Josef Strauß einmal gesagt und irgendwann<br />
schien dieser Satz so etwas wie ein Grundgesetzartikel oder ein Naturgesetz<br />
zu sein. Während in fast allen Ländern Europas die Rechtspopulisten in den<br />
Parlamenten saßen, blieb Deutschland seiner Geschichte wegen immun.<br />
Und dann kamen die Flüchtenden und es gab die Sozialen Medien, die<br />
all den Hassenden und Verbitterten plötzlich zeigten, dass sie gar nicht allein<br />
sind, dass es da draußen viele gibt, die so denken wie sie. Und das alles in einer<br />
Phase, in der Deutschland sich eingemümmelt hatte in eine biedermeierhafte<br />
Gemütlichkeit. Garantiert durch wirtschaftlichen Erfolg, verkörpert von einer