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We are Soulpunk: Forever

Eine Geschichte über Veränderungen, über Liebe und das Chaos eines Lebens. Paula hat es geschafft. Sie ist Bestsellerautorin. Doch bei einer Lesung taucht jener Mann wieder auf, der Inspiration ihres Bestsellers war und den sie aber längst aus ihrem Leben gestrichen hatte. Turbulente Zeiten brechen an und nichts bleibt, wie es war: Ihr Verleger entpuppt sich als doch nicht so guter Freund, wie gedacht und ihre beste Freundin ist alles andere als begeistert von der alten, neuen Liebe. Paula gerät wieder und wieder zwischen die Fronten und wird auf zahlreiche Zerreißproben gestellt. Wartet am Ende das Happyend oder der Untergang?

Eine Geschichte über Veränderungen, über Liebe und das Chaos eines Lebens. Paula hat es geschafft. Sie ist Bestsellerautorin. Doch bei einer Lesung taucht jener Mann wieder auf, der Inspiration ihres Bestsellers war und den sie aber längst aus ihrem Leben gestrichen hatte. Turbulente Zeiten brechen an und nichts bleibt, wie es war: Ihr Verleger entpuppt sich als doch nicht so guter Freund, wie gedacht und ihre beste Freundin ist alles andere als begeistert von der alten, neuen Liebe. Paula gerät wieder und wieder zwischen die Fronten und wird auf zahlreiche Zerreißproben gestellt. Wartet am Ende das Happyend oder der Untergang?

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Leseprobe


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Leseprobe<br />

ELVEA VERLAG<br />

Impressum<br />

Neuauflage<br />

Titel der Originalausgabe:<br />

<strong>We</strong> <strong>are</strong> <strong>Soulpunk</strong> …<br />

Besuchen Sie uns im Internet:<br />

www.elveaverlag.de<br />

Veröffentlicht im Elvea Verlag<br />

Chemnitz, Juni 2017<br />

© 2017 bei Elvea Verlag<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Das <strong>We</strong>rk darf – auch teilweise – nur mit<br />

Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.<br />

© ELVEA 2018<br />

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Leseprobe<br />

Peggy Axmann<br />

<strong>We</strong> <strong>are</strong> <strong>Soulpunk</strong><br />

-<br />

<strong>Forever</strong><br />

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Prolog<br />

Postausgang – Betreff: Ohne dich ...<br />

Seit zwei Wochen Leere. Kein Zeichen von dir,<br />

keine Zeile wie es dir geht ... War die Realität doch<br />

der Schock, den du brauchtest, um dich von mir<br />

zu lösen?<br />

Ich war nie das, was du aus mir gemacht hast.<br />

Göttin, hast du mich genannt. Mir Schönheit<br />

zugesprochen, die jeder Kamera und jedem<br />

anderen Menschen verborgen blieb. Ich war ich,<br />

in jedem Moment. In all unseren Gesprächen,<br />

unseren Telefonaten w<strong>are</strong>n es meine Gedanken,<br />

meine Gefühle, meine Stimme, die da sprachen.<br />

Und vor 14 Tagen eben dieses Mädchen, welches<br />

vor dir stand, neben dir saß und in deinen Armen<br />

einschlief.<br />

Du hast mich zurückgelassen ... Verstört,<br />

unsicher und glücklicher als so lange zuvor. Und<br />

nun sitze ich hier, schreibe diese Mail und weiß<br />

nicht, was ich falsch gemacht habe. Ob ich etwas<br />

falsch gemacht habe ...<br />

Ich fühle mich wie ein verliebter Teenager. Mag<br />

ohne dich weder lachen, noch essen oder schlafen.<br />

Wie hast du es nur angestellt, mich so voll Gefühl<br />

zurückzulassen und zugleich eine solche Leere zu<br />

schaffen?<br />

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Zumal brennt in mir zum ersten Mal die Wut.<br />

Flammenhoch lodernd. So lange habe ich mir<br />

eingeredet, ich könnte diese Frau nicht hassen, die<br />

an deiner Seite ist. <strong>We</strong>il sie vor mir da war. <strong>We</strong>il<br />

ich gut verstehen kann, warum sie dich liebt. Aber<br />

seitdem ich dich sehen durfte, fühlen ... Wünschte<br />

ich endgültig, sie würde ihre Worte aus den<br />

zahlreichen Streitereien die ihr hattet, endlich<br />

wahrmachen und verschwinden! ...<br />

Ich benehme mich vielleicht auch zu kindisch.<br />

<strong>We</strong>gen zwei Wochen – und dies nicht zum ersten<br />

Mal – bräuchte ich wahrscheinlich nicht in Sorge<br />

zu sein. Verzeih es mir. Jedoch werde ich mich<br />

auch diesmal nicht für die Wahrheit dessen, was<br />

ich fühle, entschuldigen.<br />

Diese drei kleinen Worte, so oft gedacht, so viel<br />

gefühlt und endlich ausgesprochen:<br />

Ich liebe dich.<br />

PS:<br />

Vieleicht freut es dich zu lesen, dass mein<br />

Skript tatsächlich von einem Verlag genommen<br />

wird ... Meine kleine, alberne Geschichte wird<br />

tatsächlich gedruckt und unter der<br />

Schirmherrschaft eines Verlags stehen. Ich habe<br />

keine Ahnung, wo diese Reise hingehen wird und<br />

bereits jetzt ist die Angst vor dem Unbekannten<br />

greifbar, die du so gut von mir kennst.<br />

***<br />

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Posteingang (zwei Tage später) – Betreff:<br />

AW: Ohne dich ...<br />

Du kleine, lächerliche Schlampe! Glaubst du<br />

ernsthaft, ich wäre so dumm gewesen, ihm zu<br />

glauben? Dass ich die scheinheilige Ausrede, er<br />

würde Verwandte besuchen, nicht durchschaut<br />

habe? Ich kenne all eure kleinen, niedlichen<br />

Emails, in zwei Tagen w<strong>are</strong>n sie schnell gelesen.<br />

Hübsche Bilder übrigens, ich habe mich köstlich<br />

amüsiert!<br />

Gott! Naives, hässliches, kleines Ding! Bildest<br />

du dir wirklich ein, er würde dich lieben? Sein<br />

Leben wegwerfen für so eine kleine Göre? Glaubst<br />

du, du wärst die Erste gewesen?<br />

Ich habe längst aufgehört zu zählen, an wie<br />

vielen Miststücken er sich versucht hat die Hörner<br />

abzustoßen! Aber eins lass dir gesagt sein: Sollte<br />

es endlich soweit sein, dass sein Schwanz zur<br />

Ruhe kommt und ihm eine Frau reicht, dann<br />

werde ich diejenige sein!<br />

Die Quittung für dich hat er schon bekommen!<br />

Und ich rate dir, halte dich zukünftig von ihm<br />

fern! Hässliches Entlein, such dir einen Erpel in<br />

deinem modrigen Teich!<br />

Jasmin<br />

PS: Damit es dir leichter fällt den Kontakt<br />

abzubrechen, habe ich seine Telefonkarte sperren<br />

lassen und sie nach seiner Heimkehr zerschnitten.<br />

Diese Mailadresse wird nach Sendung dieser<br />

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Worte ebenfalls nicht mehr präsent sein. Und<br />

keine Hoffnung, er wird es nicht wagen, sich noch<br />

einmal bei dir zu melden.<br />

***<br />

Postausgang – Betreff:<br />

AW:AW: Ohne dich ...<br />

Ich weiß, dass sie nicht lügt. In all ihrer Wut<br />

und ihrem Hass ist sie genau das, was ich all<br />

deinen Worten entnahm ... Kalt, bösartig.<br />

Und doch schreibe ich diese letzten Zeilen,<br />

auch wenn sie dich nicht erreichen werden.<br />

Ein letztes Mal schreie ich, posaune es heraus<br />

– egal, was alle denken mögen in ihrem Unwissen:<br />

ICH LIEBE DICH!!!<br />

Was auch immer sie dir angetan hat, wie sie<br />

dich auch straft, ich weiß, dein Kopf wird oben<br />

sein. Sie kann dich nicht brechen. Nicht mit<br />

Worten und auch nicht mit Taten. Ich wünschte,<br />

ich hätte deine Stärke. Die Kraft, es an mir<br />

abprallen zu lassen. Doch ich gebe die Hoffnung<br />

nicht auf, dass du einen <strong>We</strong>g zu mir findest –<br />

sofern dies überhaupt noch dein Wunsch ist ... Ich<br />

weiß es nicht, deine Antwort bleibt mir verwehrt<br />

... Doch wenn dies alles nicht nur ein Spiel war,<br />

nicht nur ein Kick zu diesem Albtraum, den du<br />

Beziehung schimpfst ...<br />

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Ich kann nicht mehr denken, will nicht mehr<br />

fühlen, es ist zu viel.<br />

Gib nicht auf. Niemals. Versprich es mir, so<br />

dass auch ich einen Grund habe weiterzumachen.<br />

***<br />

Posteingang – Delivered<br />

Ihre E-Mail konnte nicht versendet werden.<br />

Die angegebene Adresse existiert nicht oder ist<br />

fehlerhaft. Bitte prüfen Sie diese in der<br />

Empfängeradresse.<br />

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Von der Muse geküsst<br />

Ich platzte fast vor Aufregung. Meine Muskeln<br />

w<strong>are</strong>n angespannt, mein Herz kurz vorm Infarkt<br />

und mein Kiefer schmerzte. So fühlte sie sich an:<br />

Meine Angst, die Zähne beim Sprechen nicht<br />

auseinander zu bekommen und als nuschelnde<br />

Idiotin dazustehen. Matthias musterte mich<br />

eingehend, ihm entging meine Nervosität<br />

keineswegs. Zumal auch ihm am Erfolg dieser<br />

Lesung gelegen war. <strong>We</strong>r hätte schon gedacht,<br />

dass ich, klein und unbedeutend wie so viele<br />

andere Fische im Haifischbecken des<br />

Autorentums, einen Bestseller landen würde.<br />

Zwei Jahre war ich in Matthias' kleinem Verlag. Er<br />

hatte mir die Chance gegeben, meine Bücher<br />

professionell auf den Markt zu bringen. Nach<br />

einem erfolglosen Jahr als Selbstverleger ohne<br />

Budget und einer Hand voll Leser. Es war die wohl<br />

bisher erfolgreichste Begegnung im Social<br />

Network meines Lebens. Meine Trilogie kam<br />

unter Vertrag und lief langsam an, während ich<br />

weiterschrieb. Sie legte den Grundstein. Anfangs<br />

war der <strong>We</strong>g holprig. Probleme hoch wie<br />

Hinkelsteine stapelten sich zu einem Massiv, das<br />

nur mühsam und mit viel Geduld und Spucke aus<br />

der Spur geräumt werden konnte.<br />

Aber es lenkte mich wunderbar ab. Von<br />

Liebeskummer geplagt und innerlich gebrochen,<br />

gab mir die Arbeit neuen Antrieb. Plötzlich hatte<br />

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ich ein Ziel. Nein, nicht reich und berühmt<br />

werden. Ich glaubte schon immer, dass unter<br />

dieser Prämisse nur mittelmäßige oder gar<br />

schlechte Bücher das Tageslicht erblickten. Ich<br />

wollte <strong>We</strong>rke verfassen, die meinen persönlichen<br />

Ansprüchen gerecht wurden. Und dies gelang am<br />

Besten in den Momenten, in denen ich begann<br />

eine kleine, vielleicht alberne Idee zu verfolgen.<br />

Diese zu formen, sich entwickeln zu lassen und<br />

meinem Kopf die Freiheit geben, einfach zu<br />

spinnen. Das Resultat war nun ein viertes Buch.<br />

Ganz anders als die vorherigen. Nur der Stil, den<br />

ich seit Anbeginn durchzog und den ich mir nicht<br />

hatte verbieten lassen, war den anderen<br />

Schreibarbeiten ähnlich. Eben dieses vierte Buch,<br />

eine dramatische Liebesgeschichte fernab von<br />

meinen bis dahin geschaffenen, erotisch<br />

angehauchten, Fantasyergüssen, brachte den<br />

Erfolg. Und dieser wiederum führte dazu, dass ich<br />

mich in wenigen Minuten einer Schar Menschen<br />

stellen musste. Leute, die eine professionelle<br />

Lesung erwarteten. Im Anschluss sollte eine<br />

kleine Fragerunde stattfinden. Mir lief es jetzt<br />

schon den Rücken hinab, das kleine<br />

Spinnengetier. Das Tier, welches die Furcht in<br />

meinen Nacken injiziert hatte, giftig und Übelkeit<br />

erregend.<br />

»Du schaffst das schon.« Matthias wollte mich<br />

beruhigen, aber ich hörte die Bitte aus seinen<br />

Worten. Die Bitte, es nicht zu versauen. Ich hatte<br />

keinerlei Übung darin. Lesungen w<strong>are</strong>n bisher<br />

meine Achillesferse und daher war ich ihnen aus<br />

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dem <strong>We</strong>g gegangen. Doch jetzt konnte ich es nicht<br />

mehr. Die <strong>We</strong>lt, zumindest ein winziger Bruchteil<br />

davon, wollte die Autorin Susan Storm<br />

kennenlernen. Mein Pseudonym klang so viel<br />

stärker als ich. Ein kleines Windchen hätte besser<br />

gepasst. Ich schluckte und würgte Magensaft<br />

hinab, der mir bitter aufstieß.<br />

»Ich versuche mein Bestes ... Wie immer.«<br />

Meine Zunge fühlte sich geschwollen und belegt<br />

an. Der Mund war staubtrocken. Mein Verleger<br />

lächelte.<br />

»Paula,« er sprach leise, damit mein wahrer<br />

Name in keinen falschen Gehörgang geriet, »du,<br />

wir haben bisher Hürden gemeistert, vor denen<br />

andere kapituliert haben. Eben weil du dein<br />

Bestes gegeben hast. Ich setzte auf dich. Und ich<br />

vertraue dir.«<br />

Mir war es nicht möglich zu differenzieren, ob<br />

in diesem Moment der Verleger oder Freund – der<br />

er in den vergangenen Jahren geworden war –<br />

sprach. Aber ich wusste, dass ich ihn nicht<br />

enttäuschen wollte. Und mich auch nicht. Paula<br />

Wolzkey, alias Susan Storm, lebte derzeit ihren<br />

Traum. Und ich wollte mir selbst beweisen, dass<br />

ich ihn halten konnte. Zart und zugleich<br />

beschützend wie eine Seifenblase zwischen<br />

meinen Händen. Ich nickte, mehr zu meinem<br />

inneren Entschluss, denn aus Zustimmung. Dann<br />

straffte ich die Schultern, wandte mich um und<br />

erklomm die drei kleinen Stufen des Podestes.<br />

Mein Stuhl erwartete mich. Das Buch mit den<br />

leuchtend bunten Post-Its lag bereit,<br />

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aufgeschlagen auf Seite 29. Ich sah die<br />

Buchstaben vor mir, die Wörter und Sätze, die sie<br />

formten. Tagelang hatte ich sie gelesen. Mir<br />

eingeprägt und versucht Pausen zu setzen, um mir<br />

aufmunternd im Spiegel zuzulächeln. Mit<br />

geradem Oberkörper und pulsierendem Hirn<br />

nahm ich Platz, zog die Mundwinkel nach oben<br />

und begrüßte mein Publikum. Alle Stühle w<strong>are</strong>n<br />

besetzt, dahinter noch etwa zehn Personen<br />

stehend. Presseausweise baumelten um ihre<br />

Hälse und blitzten mir entgegen. Ich spürte, wie<br />

mein Lächeln breiter wurde. Wie oft und wie viele<br />

Zeitungen hatte ich angeschrieben? Ein Dutzend,<br />

zwei? Jede verdammte Publikation hatte ich<br />

versandt. Mit Pressemitteilung, Bildern,<br />

Auszügen, Autorenportrait und dem Hinweis,<br />

dass Presseexempl<strong>are</strong> der <strong>We</strong>rke gerne zur<br />

Verfügung gestellt würden. Nichts. Niemals. Auch<br />

bei Träne des Phönix – dem Buch das jetzt und<br />

hier wartete.<br />

Erst seit einigen Wochen, nachdem ein wahrer<br />

Hype um diese Geschichte mit dem brennenden<br />

Cover ausgebrochen war, wollten sie alle ein<br />

Interview oder meine Zusage, einen Artikel zu<br />

drucken. Und nun w<strong>are</strong>n einige dieser Aasgeier<br />

hier. Bereit, jeden noch so kleinen Fehler zu<br />

veröffentlichen. Nichts verkaufte sich so gut wie<br />

Schadenfreude. Eines der zahlreichen<br />

Krebsgeschwüre dieser Gesellschaft. Ich würde es<br />

ihnen nicht geben. Im Bruchteil einer Sekunde<br />

änderte sich mein Ziel von Ich will nur irgendwie<br />

hier durch zu: Ich werd es Euch allen zeigen! Ohne<br />

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langes Zögern stellte ich mich vor, berichtete kurz<br />

vom Buch und las drauf los. Meine Ohren<br />

schalteten in einen Modus, in dem ich meine<br />

Stimme nur noch gedämpft wahrnahm. Die Bilder<br />

in meinem Kopf hingegen w<strong>are</strong>n scharf und<br />

kontrastreich. Meine zwei Verliebten in zärtlicher<br />

Umarmung. Sie mit Tränen im Gesicht als er ging<br />

... Gemälde die mein Hirn fabrizierte. Eine<br />

Mischung aus Imagination und einer längst<br />

vergangenen Realität.<br />

Ich las die letzte Zeile, dann schlug ich<br />

theatralisch das Buch zu. Ende der Lesezeit.<br />

Meine Zuhörer zogen enttäuschte Mienen. Auch<br />

wenn sie alle, oder zumindest ein Großteil, die<br />

Story kannten – sie hätten gern mehr gehört. Ich<br />

richtete das Wort an sie und bemerkte ein leichtes<br />

Zittern in meiner Stimme. Ich hoffte aber, dass es<br />

außer mir niemand bemerkte. Selbst wenn, mir<br />

blieb keine Zeit darüber nachzudenken, denn der<br />

erste Presse-Heini schmiss mir eine Frage zu.<br />

»Frau Storm, wie schafft man es, die Menschen<br />

auf eine solche Art zu bewegen, wie Sie mit diesem<br />

<strong>We</strong>rk?« Der Typ schob seine Brille etwas nach<br />

oben und hielt dann sein Diktiergerät in meine<br />

Richtung. Ich umfasste mit einer Hand das kleine<br />

Mikrofon vor mir und antwortete:<br />

»Ich weiß es nicht. Es gibt kein Rezept, keine<br />

Anleitung für das Buch. Ich schrieb Träne des<br />

Phönix nicht mit der Erwartung, einen Bestseller<br />

zu landen. Ich hatte diese Geschichte im Kopf und<br />

fand sie wert genug, sie niederzuschreiben. Nicht<br />

mehr.«<br />

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Der Fragensteller kratzte sich am Kinn und<br />

schleuderte die nächste Frage: »Sie haben aber<br />

bereits vor diesem <strong>We</strong>rk eine Trilogie<br />

herausgebracht, die bis dato von eher<br />

mittelmäßigem Erfolg gekrönt ist. Was ist es also?<br />

Was ist die Besonderheit zu diesen drei anderen<br />

Büchern, die diesen Blitzerfolg hervorgerufen<br />

hat?« Schon allein wie dieser Typ seine<br />

Augenbraue über den rahmenlosen Rand seiner<br />

Brille hob, war mir zuwider. Klatschpresse. Er<br />

schrie es mit seiner gesamten Mimik und Gestik<br />

heraus. Sein Plan war, mir irgendetwas zu<br />

entlocken. Ein kleines, verstecktes Geheimnis, ein<br />

Wort, welches sich für eine Schlagzeile breittreten<br />

ließ. Matthias hatte mich vorgewarnt. Und ich war<br />

nicht dumm. Ich konterte einfach:<br />

»Das Besondere ist, dass nichts an diesem<br />

Buch besonders ist. Zwei einfache Leute, wie Sie<br />

und ich. Nicht besonders schön, nicht besonders<br />

reich und auch ohne besondere Fähigkeiten,<br />

lieben sich. Leben eine Liebe, wie viele sie kennen<br />

oder kannten. Höhen, Tiefen, Freude und Trauer.<br />

Ich denke, dies ist der Grund, warum so viele<br />

Leser dieses <strong>We</strong>rk mögen. <strong>We</strong>il sie sich damit<br />

identifizieren können. Am Ende ist dieses Buch<br />

das genaue Gegenteil dessen, was Sie und andere<br />

Kollegen ihrer Zunft, drucken: das einfache Leben<br />

ohne Effekthascherei.«<br />

Herr Reporter lief rot an und nahm verlegen<br />

den Finger vom Aufnahmeknopf seines Geräts.<br />

Von ihm war keine weitere Frage zu erwarten.<br />

Dafür kamen andere. Brennende Wissbegier, wo<br />

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die nächste Lesung stattfand, ob und was ich<br />

momentan schrieb und natürlich: würde eine<br />

Fortsetzung kommen? Ich gab brav wie geprobt<br />

die anstehenden Termine weiter, berichtete kurz<br />

von meinem derzeitigen Projekt – ein Thriller.<br />

Große Augen sahen mich ungläubig an. Daher<br />

fügte ich an, dass meine Kreativität am Besten zur<br />

Entfaltung kam, wenn ich sie nicht begrenzte.<br />

Warum bei Liebe und Herzschmerz bleiben oder<br />

zurück zur Fantastik gehen? Es gab noch so viel zu<br />

entdecken und zu probieren. Die <strong>We</strong>lt der<br />

Literatur stand offen. Die letzte Frage verneinte<br />

ich. Es würde keine Fortsetzung geben. Ein<br />

gerauntes Warum? ging durch die Gruppe der<br />

Leser und ich sagte:<br />

»Kim und Leon hatten ihre Geschichte und<br />

ihre Zeit. Nun kommt eine andere.«<br />

Schlussendlich merkte ich an, dass ich es nicht<br />

ausschloss, irgendwann eine andere<br />

Liebesgeschichte zu verfassen. Aber halt nicht<br />

jetzt.<br />

Dies schien alle zu beruhigen. Ich atmete auf<br />

und hoffte, somit entlassen zu sein. Meine letzte<br />

Frage – nämlich die, ob es noch Fragen gäbe –<br />

wurde mit Kopfschütteln und anschließendem<br />

Klatschen beantwortet. Doch plötzlich, ich wollte<br />

mich gerade dankend verabschieden, schallte<br />

doch noch eine Frage an mein Ohr:<br />

»Beruht diese Geschichte auf einer wahren<br />

Begebenheit?« Die Stimme war eindeutig<br />

männlich und ich suchte den Fragesteller<br />

zwischen den Zuhörern. Mir stockte der Atem.<br />

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Stahlblaue Augen funkelten mich an. Ein Grinsen<br />

lag auf seinem Gesicht, malte Grübchen auf die<br />

Wangen. Er war es. Warum? Warum hier? Warum<br />

jetzt? In meinem Kopf überschlugen sich die<br />

Gedanken, drehten Purzelbäume, sprangen wild<br />

durcheinander, tanzten Ringelreihe miteinander.<br />

Eine Antwort fiel mir schwer. Mein Mund war wie<br />

zugeklebt – der Kleister war der honigsüße<br />

Schmerz dieses Wiedersehens.<br />

»Träume. Träume verliebter Mädchen und<br />

Frauen. Hoffnungen und Sehnsüchte. Dies sind<br />

die echten Begebenheiten dieses Buches.« Wie<br />

hatte ich nur eine so halbwegs vernünftige<br />

Antwort zustande gebracht? Ich wollte hier weg!<br />

Wie gelähmt stand ich da und glotzte ihn an.<br />

Wollte noch immer nicht glauben, dass er es<br />

tatsächlich war. Als sich sein Körper einen <strong>We</strong>g<br />

durch die Massen bahnte, fühlte ich mich wie ein<br />

Reh bei Nacht auf der Landstraße. Ich sah das<br />

Licht auf mich zurasen, konnte aber nicht fliehen.<br />

Schockstarre. Niemand hielt ihn auf, als er zu mir<br />

aufs Podium trat. Warum hielt ihn niemand auf?<br />

Seine Augen, so nah. Ich verlor mich in ihnen. Die<br />

Paula, die seit zwei Jahren so mühsam gekämpft<br />

hatte, diesen Blick zu vergessen, schrie auf. Seine<br />

Hände griffen nach mir, zogen mich an ihn heran.<br />

Die Wärme und der Duft seines Körpers ... Als er<br />

mich küsste, drehte sich alles um mich. Ich schloss<br />

die Augen. Diese Lippen – weich und voll, warm<br />

und sinnlich. Zu schnell war es vorbei. Mein Herz<br />

krampfte. Nicht noch einmal! Sein Gesicht war an<br />

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meinem Ohr, geflüsterte Worte drangen zu mir<br />

durch:<br />

»Du hast mir gefehlt ... Ich ...« Er kam nicht<br />

dazu weiterzusprechen. Matthias zog ihn weg.<br />

<strong>We</strong>g von mir. Bevor er seinen Widerstand aufgab,<br />

ließ er ein zusammengefaltetes Papier neben mein<br />

Buch fallen und zwinkerte mir zu. Dann gab er<br />

nach und trabte, von meinem Verleger gefolgt,<br />

von der Erhöhung und ging. Ich sah ihm nach. Es<br />

war wieder da. Das Gefühl, im Stich gelassen<br />

worden zu sein. Sekunden verstrichen, bis mir<br />

mein Bewusstsein klarmachte, dass zahlreiche<br />

Augenpa<strong>are</strong> auf mir ruhten. Verwirrt, manche<br />

grinsend, warteten sie darauf, dass ich diesen<br />

Vorfall aufklärte. Ich rang um Fassung. Paula war<br />

nicht mehr fähig zu sprechen, aber Susan Storm<br />

war Profi.<br />

»Meine Damen und Herren, da hat scheinbar<br />

jemand die Floskel Von der Muse geküsst, zu ernst<br />

genommen.« Hier und da ein Lachen erntend,<br />

versuchte ich ebenfalls die Mundwinkel nach oben<br />

zu bekommen. Es fühlte sich schief und falsch an.<br />

Wahrscheinlich sah ich aus wie ein<br />

Schlaganfallopfer als eine scherzende Autorin.<br />

Matthias trat neben mich und übernahm das<br />

Mikrofon. Sich für den Zwischenfall<br />

entschuldigend und mich langsam, aber<br />

bestimmend von der Bühne leitend. Ich wehrte<br />

mich nicht. Meine Beine w<strong>are</strong>n zu Gummi<br />

geworden und die sichere Hand in meinem<br />

Rücken ließ mich zumindest nicht einbrechen.<br />

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Endlich abseits der Leute fauchte Matthias<br />

gereizt:<br />

»Kannst du mir bitte«, dieses Wort hörte sich<br />

mehr wie das Zischen einer wütenden Schlange<br />

an, denn menschliche Sprache, »erklären, was das<br />

war?«<br />

Ich schüttelte träge den Kopf. Ich wollte jetzt<br />

nichts sagen oder erklären. Noch immer lag sein<br />

Geschmack auf meinen Lippen.<br />

»Paula, dieser Kerl kann dich Kopf und Kragen<br />

kosten! Verdammt noch mal!« Und wie er das<br />

konnte. Mein Verleger und Freund konnte nicht<br />

einmal erahnen, was dieser Mann mich kosten<br />

könnte. Ich hatte schon einmal bitter bezahlt. Er<br />

redete weiter, aber ich bekam nur Fragmente mit.<br />

Ich wollte nach Hause. In meine Einsamkeit.<br />

Denken, Gefühle zähmen, allein sein. Urplötzlich<br />

nervte er mich. Ohne wirklich zu überlegen, was<br />

ich da von mir gab, schrie ich ihn an:<br />

»Du tust ja gerade so als hätte er dich geküsst<br />

vor all den Kameras und fremden Leuten! Freu<br />

dich doch! Du wolltest doch PR, jetzt bekommst<br />

du sie sicher!« Dann drehte ich mich auf den nicht<br />

vorhandenen Absätzen meiner Ballerinas um und<br />

ließ ihn mit hochrotem Kopf stehen. Hastig<br />

schnappte ich mir meine Tasche, rannte zurück<br />

um mein Buch hineinzubefördern und weg war<br />

ich.<br />

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Immer nur du<br />

Ich schleuderte den Rucksack auf den freien<br />

Platz neben mir und ließ mich auf den Sitz fallen.<br />

Bereits auf dem <strong>We</strong>g zur Haltestelle hatte ich<br />

meinen Pullover herausgekramt und dessen<br />

Kapuze weit ins Gesicht gezogen. <strong>We</strong>nn ich<br />

niemanden sah, so sah auch mich niemand. Und<br />

in Leipzig erst recht nicht. Hier draußen auf der<br />

Straße, in Bus und Bahn, war ich einfach Eine<br />

unter Vielen. Und mehr wollte ich momentan<br />

auch gar nicht sein.<br />

Die Straßenbahn fuhr los und brachte mich<br />

zum Hauptbahnhof. Ich suchte zwischen<br />

Schlüssel, Geldbörse, Buch und einer halbleeren<br />

Colaflasche – deren Inhalt kaum noch die<br />

Bezeichnung Getränk verdiente – nach meinem<br />

kleinen MP3-Player. Endlich gefunden<br />

verschwanden die winzigen Kopfhörer in meinen<br />

Ohren und füllten meinen Kopf mit Musik. Billy<br />

Idol. Ich hatte seine gesamte Diskografie auf dem<br />

winzigen Gerät. Ich wurde der Melodien, Texte<br />

und dieser Stimme nie satt. Das Intro zu Dancing<br />

with myself schwappte in meinen Gehörgang. Ich<br />

hatte immer nur mit mir selbst getanzt. Bisher<br />

hatte es keinen gegeben, der mich hätte führen<br />

können. Nur diesen einen, dem ich es zugetraut<br />

hätte ...<br />

Ich bildete mir ein seinen Geschmack auf den<br />

Lippen zu schmecken. Dass er an ihnen klebte wie<br />

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süßer Honig. Er hatte mich vermisst ... Die Worte<br />

sangen in meinem Kopf ein anderes Lied, welches<br />

sich mit dem Refrain des eigentlichen mischte. In<br />

der Scheibe der Straßenbahn sah ich mich selbst<br />

tanzend vorm Spiegel. Nur ich und diese wenigen<br />

Worte, die in meiner Realität solch enorme<br />

Wichtigkeit erlangten: Du hast mir gefehlt.<br />

Ich drückte das winzige Knöpfchen des Players.<br />

Ein anderer Song ging los. Mr. Idol schmetterte<br />

mir Postcard from the past entgegen – auch nicht<br />

besser! Zu mindestens momentan nicht ... Das<br />

Lied stellte genau die Fragen, auf die ich keine<br />

Antwort wusste: Kannst du es dir noch einmal<br />

vorstellen? Willst du meine Faszination noch<br />

einmal spüren? ... Bei der Stelle, die besang Für<br />

dich, meine Liebe: wir können noch einmal leben<br />

– stellte ich den Player ab und schleuderte ihn in<br />

den Rucksack zurück. Das war einer der Flüche,<br />

wenn man für sich selbst einen Künstler gefunden<br />

hatte, der zu wirklich jeder Lebenslage etwas parat<br />

zu haben schien. Und bei meinem Glück wäre<br />

noch White <strong>We</strong>dding gekommen ... Ich heulte<br />

jedes Mal, wenn ich es hörte. Diese Blöße wollte<br />

ich mir jedoch nicht geben. Nicht in einer<br />

Straßenbahn voll gescheiterter Existenzen, junger<br />

Liebe und geplatzter Träume.<br />

Genau diese Mischung fand sich in jedem<br />

verdammten öffentlichen Verkehrsmittel Leipzigs<br />

– und wahrscheinlich jeder anderen Großstadt.<br />

Angetrunkene schwankten mit glasigem Blick auf<br />

ihren Sitzen herum. Dazwischen gehetzte Frauen<br />

und Männer, immer zu spät, immer in Eile, immer<br />

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unzufrieden. Und irgendwo zwischen Arbeit, Suff<br />

und Traurigkeit fand man stets ein Pärchen,<br />

welches sich verliebt aneinander schmiegte. Da<br />

wurde zusammen gelacht, geschmust und der<br />

Rest der schmutzigen <strong>We</strong>lt vergessen. Und der<br />

vom System gezüchtete Abschaum blickte zu<br />

ihnen. In den Augen die Sehnsucht, tief aus dem<br />

einsamen Herz, selbst Teil eines solchen Pa<strong>are</strong>s<br />

sein zu wollen.<br />

Der Bahnhof kam in Sicht und um dies zu<br />

untermalen ertönte die monoton sonore Stimme,<br />

die jedem Fahrgast in drei Sprachen diese<br />

Information zukommen ließ. Ich schnappte<br />

meinen Rucksack. Dumpf fiel das Buch heraus<br />

und klaffte auf. Da war es. Ich hatte doch richtig<br />

gesehen und mir seine Handbewegung nicht<br />

eingebildet. Ein Zettel leuchtete mir entgegen,<br />

unsauber gefaltet. Ich nahm ihn heraus und<br />

verpackte mein geistiges Hab und Gut in<br />

Druckform. Das Papier steckte ich in die Känguru-<br />

Tasche meines Pullovers. Ich wusste, ich würde<br />

der Neugier niemals standhalten. Aber zumindest<br />

ungestört wollte ich sein. Und so eilte ich einmal<br />

quer übers Bahnhofsgelände, kam atemlos am<br />

Busdepot an und fuhr meiner kleinen Wohnung<br />

entgegen.<br />

Mich begrüßte mein gewohntes Chaos. Die<br />

Kaffeetasse stand noch auf dem hohen<br />

Fliesentisch, den ich als Couch- und Esstisch<br />

gleichermaßen nutze. Für eine Essecke war die<br />

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Wohnung zu klein. Zudem brauchte ich zum<br />

Essen die bunten, wenn auch größtenteils<br />

uninteressanten, Bilder meines Fernsehers. Sie<br />

übertünchten das Gefühl der Leere – zumindest<br />

kurzfristig. Auf dem Sofa lag noch die verdrehte<br />

Decke samt Kopfkissen in einem Knäul. Ich hatte<br />

zwar ein Schlafzimmer, nutze es aber so gut wie<br />

nie. Oft schlief ich über der Arbeit ein. Oder auf<br />

der Couch, wie gestern. Der Rucksack landete<br />

neben meinem Schlafzeug, die Tasse schleppte ich<br />

in die Küche. Die Arbeitsplatte wies orangerote<br />

Sprenkel auf, die vom Abendbrot stammten.<br />

Eigentlich nahm ich mir wieder und wieder vor,<br />

mich auf Diät zu setzen. Aber halt nur eigentlich.<br />

Statt Salat hatte es Spaghetti mit Tomaten-<br />

Hackfleisch-Soße geben. Die spärlichen Reste<br />

lungerten in einem kleinen Topf herum. Hunger<br />

hatte ich sowieso nicht. Mir war nach Kaffee,<br />

besser noch nach etwas Alkoholischem, aber dafür<br />

war es zu früh. Ich schob das schmutzige Geschirr<br />

in der Spüle hin und her bis genug Platz war, um<br />

die Thermoskanne der Maschine zu füllen. Wasser<br />

landete im dafür vorgesehenen Auffangbecken,<br />

braunes Pulver im Filter. Ich presste den<br />

Startknopf nach unten, das rote Lämpchen glomm<br />

auf und die Maschine erfüllte gluckernd und<br />

gurgelnd ihren Dienst.<br />

Ich ging ins Bad, auf dessen Boden sich Wäsche<br />

der letzten drei Tage sammelte. Ich stieß sie weg<br />

und trat an den Spiegel. Ich hasste dieses Gesicht,<br />

das mir dort entgegensah. Und mit Make-Up<br />

hasste ich es noch mehr. Eilig schrubbte ich das<br />

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Zeug ab. Es war nicht viel, doch immer fühlte es<br />

sich irgendwie klebrig und falsch an. Mit dem<br />

Waschen fertig, war meine Gesichtshaut gerötet<br />

und um die Augen lagen dunkle Schlieren der<br />

Mascara. Mit Wattepad und Reinigungsmilch<br />

rückte ich auch ihnen zu Leibe, nachdem die<br />

Kontaktlinsen entfernt w<strong>are</strong>n. Übrig blieb ... ich.<br />

Blass, mit Leberfleck über der Oberlippe und einer<br />

Haut, die man niemals unter feinporig im Lexikon<br />

finden würde. Ich schob meine gute alte Brille auf<br />

die Nase, band mein schulterlanges Haar zum<br />

einfachen Schwanz, den meine Mutter als<br />

Rattenschwanz bezeichnet hätte und war wieder<br />

einfach nur Paula.<br />

Dann streifte ich meine Sachen ab und ersetzte<br />

sie gegen Jogginghose und Tanktop. Ein<br />

sportliches Outfit an einem Körper, der Lichtjahre<br />

von Fitness entfernt war. Zu guter Letzt fischte ich<br />

den Zettel aus der Pullovertasche, warf ihn auf den<br />

Stubentisch und füllte meine Tasse vom Morgen<br />

mit Kaffee, reichlich Milch und zwei Stück Zucker.<br />

Ich war bereit – redete ich mir zumindest ein.<br />

Angekommen in meiner Wohlfühlzone, abseits<br />

vom plötzlich angeworfenen Scheinwerferlicht<br />

meines Autorenegos Susan Storm. In meinen<br />

kleinen vier Wänden, ungestört. Und doch wusste<br />

ich nicht, was überwog: meine Neugier oder die<br />

Angst vor dem, was vor mir lag. Dieser Zettel ... Er<br />

war von ihm. Der Beweis, dass dieser Kuss<br />

tatsächlich stattgefunden hatte. Dass er noch da<br />

war. Irgendwo. Mit zittrigen Fingern faltete ich<br />

das Papier auseinander, bis es auf die Größe einer<br />

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