IV - CCA Monatsblatt

Leute
manches Möbelstück hat sie selbst zusammengeleimt, hat recherchiert.
Ich habe ihr oft zugehört, wenn sie Führungen durch das Haus gemacht
hat. Im Esszimmer, den Tangotänzer hinter meinem Rücken, hat sie Tee
serviert und wieder ein anderes Mal saßen wir in „Cecilios Arbeitsraum“
und haben die Übersetzung besprochen.
WAS BLEIBT ist ein inzwischen aufgegangener Setzling,
abgeschnitten von dem riesigen Feigenbaum in ihrem „Garten“ für meinen
Sohn, Mitschüler ihrer Tochter in der Parallelklasse.
WAS BLEIBT sind unzählige Bilder, ob auf Fotopapier oder im
Kopf, Blitzaufnahmen. Gladys und Iván überreichen ihrer Tochter im
November 2006 während einer elterninternen Zeremonie das bolivianische
Abschlusszeugnis. Wie ich. Die Schüler durften nicht an der feierlichen
Zeugnisübergabe in der Schule teilnehmen. Auch meine Kinder nicht. …
Gladys auf ihrem Platz im Lehrerzimmer. Gladys in der Dienstversammlung.
Gladys als prüfende Lehrerin in der Sprachdiplomprüfung …
WAS BLEIBT ist ein leerer Stuhl in unserer Pasanaku-Runde, der
zweite – denn auch Lupe kommt nicht mehr. Dabei sind wir doch verabredet.
WAS BLEIBT ist ein Ring an meinem Finger – ein silberner, ein
langer, ovaler. Er hat ihr gefallen, sie hat sich auch einen gekauft und mir
stolz gezeigt. Ich habe meinen lange nicht getragen, jetzt wieder.
WAS BLEIBT ist ein Verlust. „Vorbei – ein dummes Wort“ lässt Johann
Wolfgang von Goethe seinen Faust sagen.
WAS BLEIBT ist eine unbeantwortete email in meinem Postfach.
Ich werde sie nicht löschen. Ich werde sie beantworten, bald, vielleicht
mañana. Wir sind verabredet und ich werde alles aufschreiben, was ich zu
sagen habe und ich werde diese email an ihr Grab tragen, wenn die Tränen
getrocknet sind. Aber es gibt keinen Trost.
Monatsblatt 4/2012
Heike Sell
Mit großer Betroffenheit und tiefer Trauer gilt unser ganzes Mitgefühl der
Familie.
Heike Sell Tino Sell Arno Hechler Jette Sell
95 Wohin mit dem Müll?