UNTERWEGS º ir dröhnt der Kopf, als der Taxifahrer wildhupend in den Stadtverkehr einfädelt. Zwei Bikebags drücken von hinten in meinen Rücken. Ein Wunder, dass sie überhaupt reinpassen in den gelben Saipa. Wir stauen uns durch den Feierabendverkehr der Neun-Millionen-Metropole Teheran. Hier fährt man auf Kontakt. Es gibt drei Spuren – genutzt werden fünf. Im Hotel angekommen, treffen wir Michel, unseren Schweizer Guide. Er hat unseren Trip recherchiert und einen sehr präzisen Schweizer Zeitplan <strong>für</strong> uns erstellt. Andrew, Martin und ich fühlen uns sicher. Michels Plan hört sich gut an: ein paar Tage Teheran, dann in die Berge rund um Irans Hauptstadt, einen Abstecher ins Skigebiet, schließlich von dort nach Norden bis zum Kaspischen Meer und zum Abschluss in die Wüste. Entspannt schlürfen wir im Schneidersitz den letzten Tee mit Zucker aus dem Glas, als Michel uns offenbart, dass er am nächsten Tag abreisen muss. Hassan, unser lokaler Guide, übernimmt. Okay! Andere Länder, andere Sitten – wir sind gespannt. Es ist Freitag. Der Tag, der im Iran der Sonntag ist. Alle haben frei. Und anscheinend gehen alle biken. Zumindest alle, die ein eigenes Bike haben. Und gefühlt starren all diese Mountainbiker mich und meine Tubeless-Reifen, die nach dem Flug einfach nicht wieder ins Felgenbett springen wollen, an. Auf die Frage „Hello, how do you like Iran?“ fällt mir grad nicht viel ein, ich fühle, wie mir der Schweiß von der Stirn rinnt, während ich wie ein Blöder Luft in die Dinger pumpe. Dann erscheint unser Guide Hassan: etwa 1,70 Meter groß, durchtrainierte Waden, sportliche Frisur. Er ist iranischer MTB-Nationalcoach und spricht ein wenig Englisch. Unser Glück, denn wir sind der persischen Sprache nicht mächtig. Braungebrannt von der iranischen Sonne, erzählt er, dass er auch Mechaniker ist. ist. Aus seinem Saipa – so heißt eine iranische Automarke – holt er einen kleinen 12-V-Kompressor raus. Meine Rettung! Mittlerweile sind wir von etwa vierzig Mann und Frau umringt. Ja, auch Bikerinnen. Die Frauen hier fahren lang-lang, da der Staat ihnen Kopfbedeckung und lange Kleider vorschreibt, während wir uns den sommerlichen Temperaturen hingeben und mit Bikeshorts antreten. Leider kann auch Hassans Kompressor nicht helfen. Freerider Taja hat das Problem erkannt und spendiert mir zwei CO2-Kartuschen. Sofort hüpfen die widerspenstigen Gummiwalzen wieder in ihr Bett. Endlich können wir starten. Es geht durch den Teheraner Stadtpark am südlichen Stadtrand. Erst auf Asphalt, dann auf Schotter und ganz bald auf Singletrail bergauf. An großen Militäranlagen vorbei, klettern wir langsam Höhenmeter <strong>für</strong> Höhenmeter. Hassan sagt: „Better no photos please!“ Das Militär könne uns sonst als Spione verhaften. Das wollen wir lieber nicht. Die zusammengewürfelte Gruppe zieht sich auseinander. Alle hier sind sehr interessiert an unserer Meinung über ihr Land. Leider können wir noch nicht viel sagen, wir sind ja gestern erst gelandet. Außer, dass der Untergrund sandig und staubtrocken ist, aber die Traktion gut. An der ersten Rast können wir die Aussicht genießen. Um uns herum viele karge Hügel, mit einigen Trails und Wegen. So weit das Auge reicht, wüstenähnliche Landschaft; kein Grün weit und breit. Die Routenführung ist unklar, jetzt wird es steil. Wir keuchen dem Gipfel entgegen, bringen – oben angekommen – vor lauter Atemnot kein einziges Wort raus. Die Aussicht ist spektakulär. Von hier oben sieht man ganz Teheran. Verbaut bis zum Horizont, sieht die Stadt aus wie ein großer Siedlungsteppich, der über das Tal gelegt wurde, umrahmt von hohen Bergen. So liegt die Neun-Millionen- Stadt unter uns, heute sogar mal ohne Smog. „Very, very luck“, sagt Hassan. Normalerweise sei der Himmel nicht blau, sondern braun, erklärt unser Guide lächelnd. Hier oben teilt sich unsere Gruppe auf. Der Großteil nimmt die einfachere Variante ins Tal. Hassan schlägt uns die Trail-Version vor. Ein guter Tipp. Genau das richtige Gefälle zum Einrollen mit viel Panorama, dann wird der Schmalspurweg steiler, gespickt mit ein paar technischen Steinpassagen. Der Boden ist hart und staubig, aber bietet dem Stollen gute Traktion. In den Kurven sind ein paar kleine Anlieger, die Halt geben, sowie der ein oder andere Gegenanstieg <strong>für</strong>s Herzkreislaufsystem. So geht es <strong>für</strong> die nächste Stunde dahin, bis wir wieder im Verkehrschaos der großen Stadt landen. 34
Unbekanntes Iran: Biken wie in einer anderen Welt. ALLE HIER SIND SEHR INTERESSIERT AN UNSERER MEINUNG ÜBER IHR LAND. 35