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pedaliéro XXL 2018 Magazin für Geländeradsport

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UNTERWEGS º<br />

ir dröhnt der Kopf, als der Taxifahrer wildhupend<br />

in den Stadtverkehr einfädelt. Zwei Bikebags<br />

drücken von hinten in meinen Rücken.<br />

Ein Wunder, dass sie überhaupt reinpassen<br />

in den gelben Saipa. Wir stauen uns durch den Feierabendverkehr der<br />

Neun-Millionen-Metropole Teheran. Hier fährt man auf Kontakt. Es gibt<br />

drei Spuren – genutzt werden fünf. Im Hotel angekommen, treffen wir<br />

Michel, unseren Schweizer Guide. Er hat unseren Trip recherchiert und<br />

einen sehr präzisen Schweizer Zeitplan <strong>für</strong> uns erstellt. Andrew, Martin<br />

und ich fühlen uns sicher. Michels Plan hört sich gut an: ein paar Tage<br />

Teheran, dann in die Berge rund um Irans Hauptstadt, einen Abstecher<br />

ins Skigebiet, schließlich von dort nach Norden bis zum Kaspischen<br />

Meer und zum Abschluss in die Wüste.<br />

Entspannt schlürfen wir im Schneidersitz den letzten Tee mit Zucker<br />

aus dem Glas, als Michel uns offenbart, dass er am nächsten Tag abreisen<br />

muss. Hassan, unser lokaler Guide, übernimmt. Okay! Andere Länder,<br />

andere Sitten – wir sind gespannt. Es ist Freitag. Der Tag, der im Iran der<br />

Sonntag ist. Alle haben frei. Und anscheinend gehen alle biken. Zumindest<br />

alle, die ein eigenes Bike haben. Und gefühlt starren all diese Mountainbiker<br />

mich und meine Tubeless-Reifen, die nach dem Flug einfach nicht<br />

wieder ins Felgenbett springen wollen, an. Auf die Frage „Hello, how do you<br />

like Iran?“ fällt mir grad nicht viel ein, ich fühle, wie mir der Schweiß von<br />

der Stirn rinnt, während ich wie ein Blöder Luft in die Dinger pumpe.<br />

Dann erscheint unser Guide Hassan: etwa 1,70 Meter groß, durchtrainierte<br />

Waden, sportliche Frisur. Er ist iranischer MTB-Nationalcoach und<br />

spricht ein wenig Englisch. Unser Glück, denn wir sind der persischen<br />

Sprache nicht mächtig. Braungebrannt von der iranischen Sonne, erzählt<br />

er, dass er auch Mechaniker ist. ist. Aus seinem Saipa – so heißt eine<br />

iranische Automarke – holt er einen kleinen 12-V-Kompressor raus. Meine<br />

Rettung! Mittlerweile sind wir von etwa vierzig Mann und Frau umringt.<br />

Ja, auch Bikerinnen. Die Frauen hier fahren lang-lang, da der Staat ihnen<br />

Kopfbedeckung und lange Kleider vorschreibt, während wir uns den sommerlichen<br />

Temperaturen hingeben und mit Bikeshorts antreten.<br />

Leider kann auch Hassans Kompressor nicht helfen. Freerider<br />

Taja hat das Problem erkannt und spendiert mir zwei CO2-Kartuschen.<br />

Sofort hüpfen die widerspenstigen Gummiwalzen wieder<br />

in ihr Bett. Endlich können wir starten. Es geht durch den Teheraner<br />

Stadtpark am südlichen Stadtrand. Erst auf Asphalt, dann auf<br />

Schotter und ganz bald auf Singletrail bergauf. An großen Militäranlagen<br />

vorbei, klettern wir langsam Höhenmeter <strong>für</strong> Höhenmeter.<br />

Hassan sagt: „Better no photos please!“ Das Militär könne<br />

uns sonst als Spione verhaften. Das wollen wir lieber nicht. Die<br />

zusammengewürfelte Gruppe zieht sich auseinander. Alle hier sind<br />

sehr interessiert an unserer Meinung über ihr Land. Leider können<br />

wir noch nicht viel sagen, wir sind ja gestern erst gelandet. Außer,<br />

dass der Untergrund sandig und staubtrocken ist, aber die Traktion<br />

gut. An der ersten Rast können wir die Aussicht genießen. Um uns<br />

herum viele karge Hügel, mit einigen Trails und Wegen. So weit das<br />

Auge reicht, wüstenähnliche Landschaft; kein Grün weit und breit.<br />

Die Routenführung ist unklar, jetzt wird es steil. Wir keuchen dem<br />

Gipfel entgegen, bringen – oben angekommen – vor lauter Atemnot<br />

kein einziges Wort raus. Die Aussicht ist spektakulär. Von hier<br />

oben sieht man ganz Teheran. Verbaut bis zum Horizont, sieht die<br />

Stadt aus wie ein großer Siedlungsteppich, der über das Tal gelegt<br />

wurde, umrahmt von hohen Bergen. So liegt die Neun-Millionen-<br />

Stadt unter uns, heute sogar mal ohne Smog. „Very, very luck“, sagt<br />

Hassan. Normalerweise sei der Himmel nicht blau, sondern braun,<br />

erklärt unser Guide lächelnd.<br />

Hier oben teilt sich unsere Gruppe auf. Der Großteil nimmt die<br />

einfachere Variante ins Tal. Hassan schlägt uns die Trail-Version vor.<br />

Ein guter Tipp. Genau das richtige Gefälle zum Einrollen mit viel Panorama,<br />

dann wird der Schmalspurweg steiler, gespickt mit ein paar<br />

technischen Steinpassagen. Der Boden ist hart und staubig, aber<br />

bietet dem Stollen gute Traktion. In den Kurven sind ein paar kleine<br />

Anlieger, die Halt geben, sowie der ein oder andere Gegenanstieg<br />

<strong>für</strong>s Herzkreislaufsystem. So geht es <strong>für</strong> die nächste Stunde dahin,<br />

bis wir wieder im Verkehrschaos der großen Stadt landen.<br />

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