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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

machte die allerschönsten Pläne, nicht ahnend, wie ganz anders das Schicksal es ihr bestimmt<br />

hatte.<br />

Endlich ward sie in das Haus abberufen, und <strong>mit</strong> diesem Gange begann der erste Akt ihres<br />

Verhängnisses.<br />

II.<br />

Waberl hoffte, Sepp würde ihr nunmehr das Mitgebrachte übergeben und sie sodann die<br />

Rückkehr in ihr Dörfchen antreten können. Es wurde ihr auch von dem jungen Manne ein<br />

prächtiges seidenes Halstuch überreicht. Kaum konnte sie es fassen, daß es ihr gehöre und daß<br />

ihr Sepp beides, das Tuch und das Christkind, zum Geschenke mache. Aber sie durfte sich<br />

nicht lange ihrer Freude überlassen. In der Ecke standen zwei Böhmen <strong>mit</strong> niederen,<br />

breitkrempigen, fest auf den Kopf gedrückten Hüten, unter denen zwei häßliche finstere<br />

Gesichter <strong>mit</strong> langen unreinen Bärten hervorschauten. Sie trugen lange schmutzige Mäntel<br />

von ungebleichter Leinwand, aus welchem Stoffe auch die übrige Kleidung, in Jacke, Weste<br />

und kurzer Hose bestehend, verfertigt war. Frau Mirtl stand bei ihnen, und als sich Waberl<br />

umwandte, bemerkte sie, daß aller Blicke auf sie gerichtet waren.<br />

Fragend blickte sie Sepp an.<br />

„Waberl,“ sagte jetzt dieser, „magst mir an’ G’fall’n thuan?“<br />

„An’ G’fall’n? I dir an’ G’fall’n? Sag nur, was ’s is.“<br />

„Du sollst heunt no’ nach Daberg eini gehn und a Botschaft thuan; im drinnern Daberg über<br />

der Grenz.“<br />

„Ins Böhmische?“ fragte überrascht das Mädchen.“<br />

„Woaßt d’ den Branzert?“ fragte jetzt Frau Mirtl.<br />

„Na’,“ entgegnete die Kleine, „aber i werd’ ’n scho’ erfrag’n.“<br />

„Nöt frag’n, nöt frag’n bei andern Mensch!“ fielen rasch die Böhmen ein.<br />

„Am besten,“ meinte Frau Mirtl, „könnt’s sein, wenn du ’s Christkindl ansinga thätst in den<br />

oanschichtigen Häusern drent’n. So oft d’ fortgehst, fragst nacha: „Wie hoaßt’s da am Haus?“<br />

Laut’t d’ Antwort: „Beim Branzert“ – so giebst dem Branzert dös Briaferl da. Verlier’s nöt, es<br />

handelt si um a bedeutende Sach’.“<br />

„Aber i hon no’ koane Bänder an der Wieg’n,“ sagte Waberl.<br />

„Di werd i glei’ b’sorg’n!“ entgegnete die Frau.<br />

„Und i woaß nöd, ob i ohne ’s Annamirl dös Liad werd singa könne.“<br />

„Probier’s halt amal!“ sagte Sepp.<br />

<strong>Die</strong> Bänder wurden sofort um die Wiege geschlungen, und nachdem alle in der Stube<br />

Anwesenden zum Tisch herangetreten waren, sang das Mädchen nicht ohne Herzklopfen zum<br />

ersten Male vor fremden Leuten ihr Christkindllied:<br />

Mitten in der Nacht<br />

Sind d’ Hirten erwacht.<br />

Sie können kaum schnaufen<br />

Vor Rennen und Laufen<br />

Dem Krippelein zu,<br />

Der Hirt und sein Bu.<br />

Gar lieblich und schön<br />

Am Kripplein thut stehn<br />

Maria, die Reine,<br />

Im Heiligenscheine<br />

Und will sich bemüh’n<br />

Vor’m Kindlein zu knie’n.<br />

7

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