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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

Der alte Mirl fuhr einmal ein Transitogut, aus mehreren Wagen Seidenwaren bestehend, die<br />

durch Bayern transportiert werden sollten, von Tirol nach Böhmen. <strong>Die</strong> Begierde nach<br />

großem Gewinne bewog ihn zu einem Unterschleife. Er nahm nämlich diesseits der Grenze<br />

die Waren, auf welche ein hoher Eingangszoll gelegt war, aus den Kisten, füllte sie <strong>mit</strong><br />

andern in Böhmen gesuchten Artikeln und legte hierauf falsche Schnüre und Bleie an. Der<br />

Unterschleif wurde verraten, das Fuhrwerk konfisziert und Mirtl überdies zu einer großen<br />

Geldstrafe verurteilt.<br />

Nach diesem Verluste war Mirtl ein ruinierter Mann. Fuhrwerk und Fracht, in denen fast<br />

sein ganzes Kapital steckte, war dahin, und schon hatte er den Gedanken gefaßt, sich ein Leid<br />

anzuthun, um der Schande zu entgehen, die er in der Heimat zu erdulden gehabt hätte, als ihm<br />

der Kleinmichl ein rettender Engel ward.<br />

„Herr,“ sagte er, „i hon mei’ Geld in Enkan Deanst z’sammg’spart. Wär’ i in a Not komma,<br />

hätt’s ma sicher g’holfen und weil’s Oes jetzt drin seid’s, will i Enk helfa. I hon in Straubing a<br />

Kapital liegen, dös nöd unbedeutend is, dös steht Enk zu Deansten. Wir tauschen Pferd und<br />

Wagen wieder ein, schau’n uns um a neue Ladung um und <strong>mit</strong> der Zeit habt’s Enk wieder so<br />

viel erspart, daß ’s mir mei’ Geld z’ruckgebn könnt’s. Mei’ Wei woaß nix von mein’<br />

Vermög’n; sie braucht aa nix z’wissen. Is mei’ Waberl siebzehn Jahr alt, so könnt’s ihr dös<br />

Geld <strong>mit</strong> die Zinsen auf oanmal zuakemma lassen, da<strong>mit</strong>’s an’ braven Burschen nach ihrer<br />

Wahl heirat’n kann. Oes stellt’s mir beim nächsten G’richt an’ Schuldschein aus und den<br />

hinterleg i beim Eschlkamer Pfarramt als mei’ Testament bis zu Waberls siebzehnten<br />

Geburtstag.“<br />

So geschah es denn auch. Mirtl konnte sein Fuhrgeschäft wieder betreiben und alles ging<br />

von nun an gut. Da hatte der Kleinmichl das Unglück, in Wälschland von einem Gaule<br />

erschlagen zu werden, und kurze Zeit darauf folgte auch der alte Mirtl seinem treuen<br />

Lebensgefährten nach ins Grab. Auf seinem Sterbebette sagte er noch zu Frau und Sohn:<br />

„Seid’s sparsam, i hinterlaß Enk leider a große Schuld. Könnt’s den Schuldschein, der Enk in<br />

acht Jahr am ersten Juni vorzoagt wird, nöt einlösen, so könnt’s leicht von Haus und Hof<br />

müassen. Spekuliert’s aber auf ehrliche Weis’, soll ’s Gottes Seg’n gedeihen lass’n!“<br />

<strong>Die</strong> Frau erschrak über diese unerwartete Nachricht mehr, als über den hierauf erfolgten<br />

Tod ihres Gatten.<br />

<strong>Die</strong> Witwe des Kleinmichl war <strong>mit</strong> ihrer Tochter zu ihrer Schwiegermutter nach Kleinaigen<br />

gezogen. Sie konnte es nicht fassen, daß ihr Mann außer den paar hundert Gulden, welche<br />

sich nach seinem Tode vorfanden, nichts erspart haben sollte, und raisonnierte auf das<br />

Mirtlsche Haus, indem sie die Behauptung aufstellte, ihr Mann hätte dort Geld liegen und<br />

man wolle dies ableugnen. Sie konnte dies freilich nicht beweisen, sondern hielt sich nur an<br />

eine unbedachte Aeußerung, die der Fuhrmann einmal in einem „lustigen“ Zustand gemacht<br />

hatte. Daher kam denn auch die Feindschaft der Frauen gegen einander. <strong>Die</strong> alte Großmutter<br />

wußte allein um das Geständnis; aber sie hatte es ihrem Sohne in die Hand gelobt, vor der<br />

Zeit gegen niemand davon etwas verlauten zu lassen.<br />

Waberls Mutter war zwar eine rechtschaffene Frau, aber sie hatte den Fehler, sich in<br />

finanziellen Dingen über ihren Stand emporheben zu wollen. Nebstdem hegte sie eine<br />

überschwengliche Liebe zu ihrem Kinde, das sie sicher verzogen haben würde, wenn nicht der<br />

Tod sie unvermutet abgerufen hätte.<br />

So hatte die Kleine niemand mehr auf der Welt, als ihre Großmutter, die alte Nandl; aber an<br />

dieser besaß sie die treueste Mutter, die <strong>mit</strong> Liebe und Vernunft das Mädchen heranzog und<br />

Geist und Herz in gleicher Weise zu bilden verstand.<br />

Als Waberl jetzt im Stalle so hin und her ging, ahnte sie nicht, daß all dieser Reichtum, den<br />

sie so anstaunte, aus ihrem Vermögen entsprossen sei; sie glaubte, der Frauenbildlthaler in<br />

ihrem Beutelchen umfasse all ihr Besitztum. Aber sie fühlte sich reich da<strong>mit</strong>, und dann hoffte<br />

und spekulierte sie ja auf den Gewinn ihres morgen zu beginnenden Christkindlansingens und<br />

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