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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

Waberl setzte ihr nettes Riegelhäubchen auf, richtete ihre dunklen Locken zurecht und bald<br />

saß sie neben ihrer Großmutter auf Sepps Wagen, der sie zu dem bestimmten Hause nach<br />

Furth fuhr.<br />

<strong>Die</strong> Leute drängten sich unten auf dem Platze zu Tausenden herum und alles war froh und<br />

guter Dinge.<br />

Endlich kam die bestimmte Stunde.<br />

<strong>Die</strong> Prinzessin hatte sich bereits auf ihren Platz begeben und der greuliche Drache machte<br />

zum Ergötzen der Zuschauer seine Manöver.<br />

Jetzt ertönte ein Trompetensignal und der Ritter hoch zu Roß nahte <strong>mit</strong> seinen Trabanten.<br />

Stolz hielt sich der schöne hohe Mann und alles lobte die feine Art seines Benehmens. Er<br />

winkte nach rechts und links gnädig herab von seinem schön gezäumten Schimmel, bis er in<br />

die Nähe des Hauses kam, wo Waberl am Fenster stand. Als er sie erblickte, gab er dem<br />

Pferde die Sporen, daß es hoch aufbäumte, und sandte einen langen, langen Blick, begleitet<br />

von einem echt ritterlichen Gruße, hinauf zu dem lieben Mädchen, dessen Wangen sich<br />

wieder röteten bei dem Anblicke ihres Freundes, bei dem Gruße und dem vielsagenden<br />

Blicke.<br />

Sie nickte ihm lächelnd zu, und jetzt sprengte er mutig hin zu der bedrohten Prinzessin,<br />

sprach seine Rolle meisterlich herab, begann hierauf den Kampf <strong>mit</strong> dem Drachen, dem er so<br />

geschickt die Lanze in den Rachen stieß, daß ein Strom von Blut hervorquoll, worüber ein<br />

tausendstimmiges Bravo und Jauchzen der Menge erschallte. Mit dem Schwerte gab er<br />

sodann dem Ungeheuer einige Streiche, der Drache wälzte sich in seinem Blute am Boden<br />

und – verendete.<br />

Der kühne Reiter führte sodann unter einstimmigem Jubel die Prinzessin nach dem<br />

Gasthofe, wo der Rittertanz abgehalten werden sollte. Dort aber beurlaubte er sich möglichst<br />

galant von der Prinzessin aus einem Grunde, der das stolze Katherl so empörte, daß sie ihre<br />

anwesende Mutter ersuchte, sogleich nach Hause gehen zu dürfen.<br />

Sepp aber eilte in das Haus, wo Waberl weilte und ihn auch erwartete.<br />

„Waberl, grüß die Gott!“ rief er freudig aus, als er sie erblickte, und schon wollte er sich ihr<br />

in alter Weise nähern, als er sich plötzlich seiner ritterlichen Stellung erinnerte.<br />

Er setzte sich in Positur und eine komisch-ernste Miene annehmend, sagte er zu dem<br />

Mädchen, das jetzt in seiner ganzen Lieblichkeit vor ihm dastand:<br />

„Waberl, was hat dei’ selige Mutter prophezeit – wer wird amal kemma und um dei’ Hand<br />

inhalt’n?“<br />

„A Ritter!“ erwiderte rasch das Mädchen in freudigstem Tone, während ihr Gesicht eine<br />

tiefe Röte überflog.<br />

„Waberl, i hon di gern!“ sagte jetzt herzlich der junge Mann, dem Mädchen beide Hände<br />

hinreichend.<br />

„Mei’ liawa Bua!“ entgegnete Waberl, Sepps Hände <strong>mit</strong> den glücklichsten Gefühlen<br />

erfassend.<br />

„I hon zwar koa’ G’schloß,“ sagte nach einer kleinen Pause der Mann, „i hon vielleicht von<br />

heut an nöt amal mehr Haus und Hof; aber es wird mir so viel übrig bleib’n, daß wir uns a<br />

kloans Häusl kauf’n könna und meine fest’n Arm wern scho’ fürs andere sorgn.“<br />

<strong>Die</strong> Großmutter, welche daneben stand und weinte, zog jetzt aus ihrer Tasche das<br />

Testament, und dasselbe Sepp reichend, sagte sie:<br />

„Du brauchst koa’ kloans Häusl, Sepp, ’s Waberl bringt dir a groß’s <strong>mit</strong> und no’ dazua oans,<br />

dös dir’s allerliabste sei’ wird.“<br />

Sepp las die Schuldverschreibung seines verstorbenen Vaters und als er sie der Alten<br />

zurückgab, war es ihm, als wäre ein Stein von seinem Herzen genommen, und als er die<br />

Augen wieder auf sein Mädchen richtete, fielen große Thränen daraus; er konnte kein Wort<br />

hervorbringen. Schweigend zog er die Geliebte an sein Herz und dieses pochende Herz sagte<br />

Waberl alles beredter, als seine Zunge es vermocht hätte.<br />

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