Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
<strong>Die</strong> Trabanten nehmen jetzt den Ritter und die Prinzessin in die Mitte und geleiten <strong>mit</strong> dem<br />
übrigen Hofstaate sie in die Herberge zum Rittertanze.<br />
<strong>Die</strong> Zuschauer zerstreuen sich nun auch in die Schenken und das Fest endet, wie die<br />
deutschen Volksfeste immer, <strong>mit</strong> einem allgemeinen Trinkgelage. Früherhin tauchten viele<br />
weiße Tücher in das Drachenblut, um <strong>mit</strong>tels derselben einen hohen Flachswuchs zu erzielen<br />
oder bösen Feldzauber da<strong>mit</strong> zu vernichten. 4<br />
So die Handlung des Drachenstiches, dessen Hauptheld diesmal der Mirtl-Sepp war,<br />
während das Voglbäcker-Katherl die Prinzessin spielte.<br />
Da in den meisten Fällen der Ritter und die Prinzessin Verlobte sind oder bei dem<br />
Rittertanze öfters solche werden, so nahm man als ziemlich gewiß an, daß auch der junge,<br />
hübsche Mirtl bei dieser Gelegenheit um Katherls Hand anhalten und sie erhalten würde.<br />
Freilich äußerte man sich nicht in der günstigsten Weise über die stolze Bäckerstochter, die<br />
aus Eitelkeit die Rolle der Prinzessin nicht wieder abtreten wollte, trotzdem ihr früher<br />
erklärter Liebhaber, der Alexen-Baptistl, sich bewogen gefühlt, Ritter- und Liebhaberrolle<br />
aufzugeben. Es gab sich auch anfangs kein Bürgerssohn dazu herbei, <strong>mit</strong> ihr zu spielen, bis<br />
sich endlich Sepp hierzu bereit erklärte, der aber seine eigene Ursache dazu hatte. Tausende<br />
von Schaulustigen waren von allen Seiten zu diesem Volksfeste herbeigekommen, das vom<br />
herrlichsten Wetter begünstigt war. –<br />
<strong>Die</strong> alte Nandl und ihre Enkelin hatte man in Eschlkam nach dem Hochamte in den Pfarrhof<br />
berufen, wo ihnen das in einem Kästchen aufbewahrte Testament von Waberls Vater<br />
ausgehändigt wurde.<br />
<strong>Die</strong> freudige Hoffnung, welche das Mädchen daran seit langem knüpfte, war nicht in<br />
gewünschter Weise in Erfüllung gegangen. <strong>Die</strong>se Testamentseröffnung konnte sie nicht froh<br />
machen. Das Testament enthielt eine Anweisung auf eine allerdings beträchtliche Summe auf<br />
das Haus Mirtl und bei Zahlungsunfähigkeit des Besitzers die Befugnis zur Besitzergreifung<br />
des ganzen Anwesens.<br />
Waberl selbst war also jener von Sepp so sehr gefürchtete, unbekannte Gläubiger, um den<br />
sie so oft zum Himmel gefleht, daß sein Herz erweicht werde, den jungen Mann nicht zu<br />
ruinieren. Wie glücklich hätte sie ihn jetzt machen können! Ach, wenn es noch so gewesen<br />
wäre wie früher! Aber jetzt – was sollte sie jetzt thun? Sie war unendlich betrübt, als sie <strong>mit</strong><br />
der Alten den Weg nach dem Dorfe eingeschlagen, und fest entschlossen, nicht zum<br />
Drachenstiche zu gehen. Auch die Nandl zeigte heute weniger Lust dazu und ging<br />
nachdenkend und kopfschüttelnd neben dem Mädchen her. So kamen sie traurig bei ihrem<br />
Häuschen an, wo sie zu ihrer Ueberraschung ein Wagen von Mirtl erwartete, um sie nach<br />
Furth zu fahren. Der Knecht richtete einen Gruß von seinem Herrn aus und berichtete, daß er<br />
den Auftrag habe, die beiden in ein Haus am Hauptplatze zu fahren, wo bereits ein Zimmer<br />
für sie bestellt sei, von dem aus das Fest am besten <strong>mit</strong> angesehen werden könne.<br />
In beiden tauchte ein und derselbe Gedanke auf, den sie sich zwar gegenseitig<br />
verschwiegen, der aber doch geeignet war, die gedrückte Stimmung, in der sie sich befanden,<br />
einigermaßen zu verscheuchen. <strong>Die</strong> Hoffnung regte sich wieder im Herzen des Mädchens.<br />
4 Über das Herkommen und den Sinn dieses Drachenkampfes weichen die Meinungen von einander ab. <strong>Die</strong><br />
Annahme, daß dieser Drachenstich aus dem Heidentume stamme, wird durch den Aberglauben motiviert, den<br />
das Volk der Heilsamkeit des Drachenblutes für das Gedeihen der Flachsäcker zuschreibt. Der Volksglaube<br />
haftet in der Regel nur an Gebräuchen, die aus dem alten Heidentume stammen und <strong>mit</strong> uralten<br />
Kultusgebräuchen, namentlich <strong>mit</strong> Festfeuern und Opfermahlen, in irgend einem Zusammenhange stehen. So<br />
hält man diesen Drachenstich für den Überrest eines alten Sommerfestes, wo der Sieg des Sommers über den<br />
Gewitterdrachen, der das junge, im Frühlingsschmucke prangende und glänzende Jahr – die Prinzessin – <strong>mit</strong><br />
seinen Schrecken und Verderben bisher bedroht hat, gefeiert wird. Nach anderen stellt die Handlung die<br />
Besiegung des Lindwurmes durch den St. Georg vor. Über das Herkommen dieses Festes lebt im Volke die<br />
Sage, daß einmal in Furth die Pest gehaust und viele Menschen dahingerafft habe. Niemand habe damals die<br />
Toten begraben wollen, da habe man den Drachenstich aufgeführt und dadurch das Herzuströmen Schaulustiger<br />
nach dem verpönten Orte bezweckt. Seit jener Zeit wird dieses Fest nun alljährlich wiederholt.<br />
50