Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
schon die Prob’n <strong>mit</strong> einand g’halten und hab’n si erst vor acht Tag so z’kriegt, daß der<br />
Baptist nimmer mög’n hat. Jetzt war alles in großer Verlegenheit, wer den Ritter macht und<br />
der Sepp hat si endli entschlossen, dafür einz’tret’n. Er hat selber g’sagt, am Sonntag wird sei’<br />
Verlobungstag sein und ma glaubt überall, daß er si nach dem Drachenstich <strong>mit</strong> der Prinzessin<br />
verlob’n wird.“<br />
„Is er in der letzten Zeit nimmer nach Kleinaig’n komma?“ fragte Waberl die Alte, welche<br />
sich im stillen über die geschwätzige Böhmin ärgerte.<br />
„Seit acht Tag hon i’n nimmer g’sehg’n,“ entgegnete diese. „Uebrigens, Waberl, is’s Zeit,<br />
daß wir jetzt schlafn geh’n. Du bist müd’ von der Reis’ und morg’n sprech’n wir über alles,<br />
was si ereignet hat, seit du fort warst.“<br />
* * *<br />
Waberl legte sich wohl zur Ruhe, aber sie ruhte nicht. Es war ihr so plötzlich der schönste<br />
Wunsch ihres Herzens gestorben; sie hatte ihn nie ausgesprochen diesen Wunsch, aber jetzt<br />
lag seine Leiche vor ihr und sie fand Worte, das Verlorene zu beklagen. Es war die<br />
verzehrende Flamme der verschmähten Liebe, die in des Mädchens Herzen aufzulodern<br />
begann. Blieb sie auch unausgesprochen, diese Liebe, sie ward doch in ihrem Herzen ein<br />
tiefer, klarer Brunnen, aus welchem sie all ihre Freuden, alle süßen Ahnungen für die Zukunft<br />
geschöpft.<br />
Und jetzt – wie ganz anders war es jetzt! Kein Schlaf sollte ihre müden Glieder die erste<br />
Nacht erquicken; den Kopf in das Kissen gehüllt benetzte sie dieses <strong>mit</strong> den bittersten<br />
Thränen, die je aus ihren Augen geflossen. Sie hörte nicht, wie sich die Thüre zu ihrer<br />
Kammer öffnete und die Großmutter sich an ihr Bett setzte. Erst als sie deren Hand auf ihren<br />
Kopf gelegt fühlte, blickte sie auf und sah beim Scheine eines Nachtlämpchens über sich das<br />
besorgte Antlitz der Matrone.<br />
„Waberl,“ sagte diese, „du bist krank!“<br />
„Ja, ja!“ entgegnete das Mädchen, „recht krank, Ahnl.“<br />
„Dei’ Stirn is hoaß, Waberl, i werd’ um den Doktor schicken!“<br />
„Mir kann koa’ Doktor helfen!“ entgegnete das Mädchen unter einem Strom von Thränen.<br />
„Sei ruhig,“ tröstete die Alte, „i woaß, was dir fehlt. Du hast den Sepp gern.“<br />
„Ja,“ lispelte kaum hörbar das Mädchen.<br />
„I kann di nöt schelten, deswegen,“ sagte die Alte; „lang hon i dös kommen sehgn und trag<br />
selbst die größte Schuld daran, daß i’s hab kommen lass’n. I hab den Sepp immer als an’<br />
braven Burschen g’schätzt und mir im stillen nix sehnlicher g’wünscht, als daß er di amal zu<br />
seiner Hausfrau wähl’n möcht. Du wirst morg’n erfahr’n, welch andern Grund i no’ g’habt<br />
hon, dös z’ wünschen, obwohl der Sepp niemals <strong>mit</strong> mir d’rüber g’sprochen hat; aber seit etli<br />
Wochen is er mir ganz verstimmt vorkomma. I hon eams ang’merkt, daß ’n was druckt und<br />
seit acht Tag erzählt ma sie überall, daß er si morg’n versprech’n wird.“<br />
„Es wird mei’ Tod sein!“ sagte das Mädchen im schmerzlichsten Tone.<br />
„Das woll der Himmel verhüten! Wenn der Sepp so schnell entschloss’n sein konnt, a<br />
Deandl z’ nehmen, die no’ vor acht Tag an’ andern Liebhaber g’habt hat, so zeigt das von<br />
koan g’setzten Charakter und um so an’ Mann därf dir’s nöt leid sein.“<br />
„O nei’, Ahnl!“ rief das Mädchen rasch. „Der Sepp hat an’ guten Charakter und i weiß wohl<br />
die Ursach, die ’n veranlaßt, das reiche Katherl als Frau z’ nehmen. Es is morgen am ersten<br />
Juni für ihn a verhängnisvoller Tag! Uebrigens hat er gegen mi gar kei’ Verpflichtung; er hat<br />
mir weder Lieb no’ Heirat versproch’n und es is nur a Dummheit von mir, daß i mir’s<br />
einbild’t hab. I bin an’ arm’s Deandl und <strong>mit</strong> mir wär ’n Sepp weni g’holfn!“<br />
„Gott wird’s scho’ richten, Kind, wie’s recht is. Wein’ dir deine Aug’n nöt rot oder werd’<br />
gar krank, sonst könnten wir morg’n früh gar nöt aufs Pfarramt zur Testamentseröffnung und<br />
no’ viel weniger nach Furth zum Drachenstich.“<br />
„I, Ahnl, geh nöt nach Furth!“<br />
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