Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
sie in der Tiefe ihres Herzens groß gezogen, er sollte bei ihrer Wiederkehr nach ihrem stillen<br />
Dörfchen die erste große und bitterste Enttäuschung ihres Lebens werden.<br />
Sie war am Vorabende ihres Geburtstages, am Samstag nach dem Frohnleichnamsfeste,<br />
wiedergekehrt. Ihr Herz klopfte vor unendlicher Freude, als sie ihre Berge und Thäler, ihr<br />
Dörfchen und vor allem ihre Großmutter wieder erblickte. <strong>Die</strong>se konnte sich nicht satt sehen<br />
an der schönen Enkelin.<br />
Das war eine Freude! Und die Nachbarn kamen herbei und schlugen die Hände zusammen<br />
über das groß und schön gewordene und „so natürlich gebliebene Waberl.“ Sepp aber hatte an<br />
diesem Abende das Mädchen nicht begrüßt. Waberl wünschte wohl, im Vorbeifahren an<br />
seinem Hause ihn zu sehen, aber vergebens; doch hoffte sie sicher, ihm morgen beim<br />
„Drachenstiche“ in Furth zum ersten Male zu begegnen.<br />
Oft hatte Waberl die Frage auf der Zunge, wie es dem jungen Mirtl ginge; aber sie hoffte,<br />
daß die Großmutter selbst davon anfangen würde und es war ihr bald auffallend, daß dies<br />
nicht geschah und – wie es ihr vorkam – absichtlich unterblieb. Warum that die Ahnl das?<br />
Von allem erzählte sie, nur nicht von Sepp. So erzählte sie, wie liebevoll sie von dem<br />
böhmischen Mädchen gepflegt worden, wie brav und ordentlich dieses sei und daß vor<br />
wenigen Tagen der Bräumeister eines Oekonomiegutes, wo sie fast zwei Jahre gedient, um<br />
deren Hand angehalten habe. <strong>Die</strong> Böhmin war auch ganz überglücklich. <strong>Die</strong> Liebe hatte sie<br />
schön gemacht und aus der gefürchteten Hexe war in wenigen Jahren ein recht schmuckes<br />
Deandl geworden. Glaubte oder wußte auch niemand mehr von ihrer Hexerei, der erwähnte<br />
Bräumeister hatte doch die Ueberzeugung, daß sie ihn dermaßen verhext habe, daß er sie zu<br />
seinem Weibchen erwählen mußte.<br />
„Geh’n wir morg’n nach Furth zum Drachenstich?“ fragte jetzt Waberl, die es nicht länger<br />
über sich gewinnen konnte, das Gespräch auf Sepp zu bringen.<br />
„Wenn’s d’ dazua Lust hast, Waberl, herzli gern!“ erwiderte die Alte.<br />
„Wer macht denn die Prinzessin beim Drachenstich?“ fragte Waberl weiter.<br />
„Das Voglbäcker-Katherl,“ antwortete etwas verlegen die Alte.<br />
„Was?“ rief Waberl. „Das hochmütige Katherl? No’, da freu i mi, die zu seh’n! Ob’s wohl<br />
no’ so an’ groß’n Haß auf mi hat, wie früher, als wir zusamma in Furth in d’ Schul gangen<br />
sind? <strong>Die</strong> hat mir’s nie verziehn, daß i als arm’s Fuhrmannsmadl immer die erste und sie als<br />
reiche Bäckerstochter immer die letzte war. Ahnl denkst no’ dran, wie wir Deandln <strong>mit</strong><br />
einander g’rauft hab’n, weil i bei der Preisverteilung den ersten Preis kriegt hab? Es war a<br />
stark’s Regenwetter und am Nachhaus’weg is das boshafte Ding auf mi zu, reißt mir den Preis<br />
aus der Hand und wirft dös schöne blaue Buch in die nächst schmutzig Wasserlachn. I außer<br />
mir vor Entrüstung gieb nöt eher Ruh’, bis das schön kleid’te Katherl aa der Läng nach im<br />
Schmutz g’leg’n is. Da hat’s zappelt neben mein’ ruinierten Preis und die Leut hab’n g’lacht.<br />
Niemand hat si drum erbarmt – außer dir, Ahnl. Du hast es wieder raus aus dem Bad und i hab<br />
von dir an’ andern wohlverdienten Preis kriegt – du weißt schon, was i mein! – Seitdem is’s<br />
Katherl mei’ Todfeindin und die is’s mir g’lunga, sie zu versöhna. Und die sehg i morg’n als<br />
Prinzessin! Aber, wer macht denn ihren Ritter?“<br />
<strong>Die</strong> Alte kam bei dieser Frage abermals in Verlegenheit, doch die Böhmin antwortete rasch:<br />
„Den Ritter macht der Mirtl-Sepp!“<br />
„Der Mirtl-Sepp?“ rief Waberl und sie fühlte, wie das Blut in ihre Wangen und dann wieder<br />
zurückschoß und ihr ganzes Gesicht blaß wurde. „Der Mirtl-Sepp?“<br />
„Ja,“ entgegnete die Böhmin. „G’wiß is’s so.“<br />
„Is der Sepp der Hochzeiter vom Katherl?“ fragte Waberl <strong>mit</strong> klangloser Stimme.<br />
<strong>Die</strong> Alte wußte hierauf nicht zu antworten. Sie sah die Blässe auf Waberls Gesicht und<br />
fühlte lebhaft, was im Innern ihrer Enkelin vorging.<br />
<strong>Die</strong> Böhmin aber antwortete statt der Alten. „<strong>Die</strong> Leut sagen’s,“ erzählte sie. „<strong>Die</strong> Sach is<br />
plötzli entstanden. Der Sepp war ursprüngli nöt zum Ritter b’stimmt, sondern der Alexen-<br />
Baptistl, den ma <strong>mit</strong>’m Katherl lange Zeit ’rumtrag’n hat, daß ’s a Paar wär’n. Sie hab’n aa<br />
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