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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

Gesegnet von der alten Großmutter fuhr sie dann ab. Aber noch ein schwerer Moment des<br />

Abschiedes erwartete Waberl in Furth, wo sie, an Sepps Haus vorüberfahrend, ihrem treuen<br />

Jugendfreunde Lebewohl sagte.<br />

„Bleib mir guat, Waberl,“ sagte Sepp, „i werd’ di niemals vergessen – und komm g’sund<br />

wieder übers Jahr!“<br />

Der Wagen fuhr weiter. Waberl hielt ihr Tuch vor die Augen und weinte.<br />

„Ach,“ seufzte sie, „i wollt’, dös Jahr wär schon vorüber!“<br />

X.<br />

Waberls siebzehnter Geburtstag war herangekommen. <strong>Die</strong> Wochen und Monate waren ihr<br />

überaus schnell entschwunden – der frohe Sinn des Mädchens, welcher durch nichts getrübt<br />

wurde, hatte ihnen ja Flügel verliehen, auf denen sie sanft hinüberschwebten in das Reich der<br />

Vergangenheit. Aber nicht spurlos waren sie dahingeeilt diese Wochen und Monate, hatten sie<br />

doch gewetteifert, das junge Mädchen zu beschenken <strong>mit</strong> den köstlichen Reizen der Jugend<br />

und hatten gebaut und geschmückt an ihrem Körper, bis sie dastand, schön und lieblich wie<br />

ein Morgen im schönen Mai.<br />

Waberls glücklicher Humor war derselbe geblieben, wie früher. Wodurch hätte er auch<br />

gestört werden sollen? Im Hause des Staatsrates, wo Waberl Aufnahme gefunden, war sie<br />

bald der Liebling von jung und alt. Während der langen Winterabende ergötzte sie oft die<br />

ganze Familie durch Erzählungen ihrer heimatlichen Sagen und Märchen und alles freute sich<br />

über die schöne Waldlerin. Was die Arbeit anbelangte, war sie zu allem geschickt zu<br />

verwenden und die Frau Staatsrat war <strong>mit</strong> ihr so zufrieden, daß sie ihr zu Weihnachten eine<br />

silberne Halskette und ein silbernes Riegelhäubchen zum Geschenke machte.<br />

Ihre freien Sonntags-Nach<strong>mit</strong>tage brachte Waberl meistens im Hause von Sophiens Eltern<br />

zu, wo sie immer gut Nachrichten über Pauline erfuhr. Kein Tag verging, wo sie nicht<br />

dankbar ihrer liebendwürdigen Gönnerin gedachte, und der Gedanke an sie hatte etwas<br />

Erhebendes. Wie ein Gebet aber erfüllte sie die Erinnerung an ihre Großmutter, von der ihr<br />

das Neugedeiner Mädchen glücklicherweise immer das Erfreulichste <strong>mit</strong>teilte. Und noch<br />

jemand teilte sich in dieses schöne Herz und nahm nicht den schlechteren Teil davon in<br />

Anspruch: der Mirtl-Sepp, welches sie jedesmal recht schön grüßen ließ, so oft von der Ahnl<br />

Nachricht kam.<br />

Der junge Mann hatte seit Waberls Abwesenheit vieles ausgestanden. Seine Mutter war<br />

nach mehrmonatlicher Krankheit gestorben.<br />

Hatte Waberl auch gerade keine Ursache, diese Frau zu lieben, so war sie doch von der<br />

Nachricht ihres Todes aufs tiefste ergriffen. Sie war ja die Mutter des Sepp, dessen sie stets<br />

wie eines Bruders – wie eines recht lieben Bruders gedachte. Es war ihr eine süße<br />

Gewohnheit geworden, abends, bevor sie einschlief, auch ihn einzuschließen in ihr Gebet und<br />

den Himmelsvater zu bitten, daß er dem unbekannten Gläubiger ein menschliches Herz<br />

schenken möge, da<strong>mit</strong> ihr Freund Haus und Hof nicht verliere. Wie sehnlich wünschte sie den<br />

Tag heran, an welchem das Testament ihres Vaters eröffnet werden sollte! Sie wollte dann<br />

Sepp alles, was sie selbst erhalten würde, zur Verfügung stellen.<br />

Im Kopfe des Mädchens entstanden oft die buntesten Luftschlösser; sie war ja in einem<br />

Alter, wo man so leicht ein geübter Phantasie—Baumeister wird, Schloß an Schloß erstehen<br />

läßt, um sich dann einzulullen zum süßen, seligen Traume.<br />

Waberl hatte drei Hauptwünsche: daß die Ahnl noch recht lange und gesund lebe, daß das<br />

Testament ihres Vaters ihr soviel Vermögen bringe, um Sepp helfen zu können und – der<br />

dritte Wunsch war ihr noch unaussprechlich, aber er war über alle Maßen schön und in<br />

Gedanken hegte und pflegte sie denselben <strong>mit</strong> stiller Freude. Und gerade dieser Wunsch, den<br />

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