15.12.2012 Aufrufe

Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

„O, g’wiß! Es war ja von jeher mei’ höchster Wunsch, einmal in d’ Welt naus uns besonders<br />

nach München z’ kemma! Ach, Ahnl, dö Freud’!“<br />

Als sich Waberl <strong>mit</strong> diesem Freudenausrufe nach der Alten wandte, bemerkte sie in deren<br />

Augen große Thränen. <strong>Die</strong> Heiterkeit des Mädchens war bei diesem Anblick plötzlich<br />

gewichen.<br />

„Ja, mei’ Ahnl,“ sagte sie auf diese zueilend, – „hon gar nöt dran denkt, daß i mi von dir<br />

trennen muß, wenn i fortgeh! Und di alloa lassen, – na’, dös kann i net – Ahnl, i bleib bei<br />

dir!“<br />

„Waberl,“ sagte die Alte gefaßt, „sei um mi außer Sorg; es handelt si um dei’ Glück und<br />

alles andere is jetzt Nebensach! Es is Zeit, daß d’ fortkommst. Du hast jetzt das schönst’ Alter<br />

und ein Jahr in der Fremd und no’ dazua in a so hoh’s Haus, wohin di das gnädi Fräul’n<br />

bringa wird, das bringt dir Nutzen fürs ganze Leben.“<br />

„Wenn du aber alloa’ bist, Ahnl – und dir was passiert?“<br />

„Sie wird nicht allein sein,“ fiel Pauline ein. „Das böhmische Mädchen, dessen Stelle du<br />

schon einmal vertreten, wird während deiner Abwesenheit deinen Platz einnehmen. Es ist ein<br />

braves Mädchen geworden, das <strong>mit</strong> aufrichtiger Dankbarkeit an deiner Großmutter hängt und<br />

sie wie eine Tochter pflegen wird. Sollte der Ahnl etwas begegnen, so wird sie dir’s gleich<br />

wissen und dich zurückkommen lassen.“<br />

Man besprach nun das weitere, und Waberl war schließlich einverstanden, dem Wunsche<br />

der Großmutter und Paulinens zu entsprechen. Der junge Mirtl, welcher <strong>mit</strong> einem ziemlich<br />

verdrießlichen Gesichte teilweise dem Gespräche gefolgt war und sich hier überflüssig<br />

glaubte, hatte sich etwas abseits gedrückt und war gerade im Begriffe, sich unbemerkt zu<br />

entfernen, als er von Pauline, die seine Absicht erkannte, zurückgerufen wurde.<br />

„Nicht durchgebrannt, Sepp!“ rief sie. „Sie blasen so hübsch die Harmonika, daß wir auch<br />

davon profitieren wollen, und wenn uns die gute Nandl Milch und Butterbrot vorgesetzt hat,<br />

werden Sie gewiß so artig sein, uns <strong>mit</strong> einer Tafelmusik zu erfreuen.“<br />

„Herrlich, herrlich!“ rief die junge Münchnerin. „Ein ländliches Mahl <strong>mit</strong><br />

Harmonikabegleitung!“<br />

Sepp zierte sich nicht lange und erklärte sich <strong>mit</strong> Freuden bereit, dem Wunsche der Damen<br />

nachzukommen.<br />

Alsbald saß man an dem Tischchen unter dem blühenden Apfelbaume und erquickte sich an<br />

Butter, Honig und Milch, welche Waberl und die Großmutter recht einladend vorgesetzt<br />

hatten. Paulinens Bäschen war überselig. <strong>Die</strong> schöne Lage des Dörfchens, der herrliche<br />

Maitag, die blühenden Bäume und das ländliche Mahl hatten für die Städterin einen<br />

unsagbaren Reiz.<br />

Sophie war ein frisches, junges Blut, <strong>mit</strong> einem lieblichen Gesichte und glücklichem<br />

Humor, der in Paulinens Verwandtschaft charakteristisch zu sein schien. Sie mochte etwas<br />

älter sein als Waberl und beide Mädchen waren schon in der ersten Stunde ihres<br />

Bekanntwerdens für einander eingenommen. Der schöne Maibaum in Mitte des Gärtchens<br />

gefiel der Fremden besonders und sie konnte nicht umhin auszurufen: „So ein Maibaum wäre<br />

mir lieber als das schönste Buch voll schmachtender Lieder!“<br />

Waberl sagte sich im stillen, daß er auch sie nicht verdrieße, und strich dem Sepp ein<br />

tüchtiges Stück Brot <strong>mit</strong> Butter und Honig, welches dieser vergnügt verzehrte, um dann <strong>mit</strong><br />

erneuten Kräften die Harmonika zu blasen. <strong>Die</strong> jungen Mädchen benützten die Gelegenheit,<br />

um einen Tanz um den Maibaum zu machen.<br />

Pauline lachte, wie nur eine glückliche Braut lachen kann, die in acht Tagen Hochzeit hält,<br />

und die alte Nandl vergaß über der Lust der Jungen die baldige Trennung von ihrer Enkelin,<br />

die sie selbst in ihrer mütterlichen Sorgfalt so bald herbeigeführt hatte. Der Maibaum, der ihr<br />

Mädchen so kindlich erfreute, hatte im Kopfe der Alten allerlei Gedanken hervorgerufen.<br />

<strong>Die</strong>ser Maibaum sagte ihr, daß die Neigung des jungen Mirtl zu Waberl allmählich anfange,<br />

einen ernsten Charakter anzunehmen. Sie bemerkte dies gerade nicht ungern, denn es war<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!