Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
nöt zu verderb’n, hab i’s nöt weiter bitt, <strong>mit</strong> z’ därfen. Aber setz di nieder, Sepp, und erzähl<br />
mir, wie’s dir ganga hat auf deiner letzten Fahrt.“<br />
Beide setzten sich nun auf eine Bank, die nebst einem Tischchen unter dem breitästigen,<br />
blütenstrotzenden Apfelbaum angebracht war.<br />
„Du hast das rechte Wort errat’n,“ sagte Sepp. „Es war mei’ letzte Fahrt.“<br />
„Is was passiert?“ rief Waberl erschrocken.<br />
„Das just nöt,“ entgegnete Sepp, „aber es sind jetzt andere Zeiten kommen, wo fürs<br />
Fuhrwerk nix mehr rausschaut. <strong>Die</strong> Eisenbahnen, die jetzt überall baut wern, liefern die<br />
Frachten schneller und billiger als wir, und da heißt’s bei uns: Ausg’spannt und z’ Haus<br />
blieb’n!“<br />
„Was fangst aber dann <strong>mit</strong> deinen Rossen an?“<br />
„<strong>Die</strong> Ross’ verkauf i bis auf zwoa, die i zu meiner Oekonomie und zum Schrannenfahrn<br />
brauch’; so mach i’s aa <strong>mit</strong> den Wäg’n, und d’ Knecht müssen halt an’ andern Platz such’n.“<br />
„Aber den alten Zwetschgerl b’haltst do’?“ rief Waberl.<br />
„Der hat si scho’ an’ andern Platz g’suacht und is gar nöt mehr <strong>mit</strong> mir z’rückkemma,“<br />
entgegnete Sepp.<br />
„Wie soll i dös versteh’n?“ fragte Waberl.<br />
„Er is g’storb’n schon vor vier Wochen und liegt in München begrab’n. I hon eam alle Ehr<br />
erweis’n lass’n, die er verdeant hat.“<br />
„Der arme Zwetschgerl!“ rief Waberl <strong>mit</strong> Bedauern aus.<br />
„Er hat treu ausg’halt’n bis zur letzt’n Fahrt,“ fuhr Sepp fort. „Sei’ Tod is mir recht z’<br />
Herzen ganga. Wir san weit <strong>mit</strong>einander ’rumkemma in der Welt. Er hat weni Ruah g’habt in<br />
Leben.“<br />
„Der Herr gieb eam jetzt die ewi Ruah,“ betete Waberl.<br />
„Amen!“ sagte der junge Mann.<br />
Es folgte hierauf eine kleine Pause. Sie ward dem Andenken eines braven, treuen <strong>Die</strong>ners<br />
geweiht.<br />
<strong>Die</strong> Hinterlassenschaft des Alten nebst einem Geschenke von Sepp hatte dieser heute der<br />
Familie des Holzpitzlers in Großaigen zugestellt, die sich inzwischen wieder um einen Kopf<br />
vermehrt hatte. Aber das Geschäft ging jetzt gut, der Mann war fleißig im Schnitzeln und<br />
wenn man auch nicht gerade sagen konnte, daß er ein Feind des Bieres geworden, so hatte er<br />
doch seinen Bedarf auf vernünftige Weise geregelt. Vorkommende Ausnahmen wurden als<br />
solche angesehen und respektiert.<br />
„Was fangst aber jetzt du an?“ fragte nach einer Weile Waberl den jungen Mann.<br />
„Mei’ Muatta hat mir das G’schäft übergeb’n,“ sagte dieser. „Und – sie will, i soll heiraten.“<br />
Waberl errötete unwillkürlich und blickte schweigend zu Boden.<br />
„A vermöglich’s Deandl, will mei’ Muatta, soll i ins Haus bringa, und,“ setzte Sepp traurig<br />
hinzu, „so wird’s aa wohl sei’ müassen, wenn i nöt übers Jahr Haus und Hof verlier’n soll.“<br />
„Was?“ rief teilnahmsvoll das Mädchen. „Du von Haus und Hof? Wie sollt das kemma?<br />
Dei’ Haus is ja oans der wohlhabendsten im Stadtl.“<br />
„Ma’ glaubt’s,“ entgegnete Sepp, „aber es hat an’ Haken. I will dir’s anvertrau’n, Waberl.<br />
Wir san ja guate Freund und bei dir is jed’s G’heimnis sicher. – Mei’ braver Vater seli hat uns<br />
das Haus <strong>mit</strong> einer großen Schuld hinterlass’n. ’s nächste Jahr muaß i die Schuld einlös’n,<br />
oder von Haus und Hof zieh’n. Mei’ Vater hat wohl gmoant, wir könnten das Geld bis dahin<br />
zusammensparn, aber die Zeiten hab’n si, wie g’sagt, g’ändert. I hon mi sechs Jahr lang fast<br />
Tag und Nacht plagt und fürs G’schäft g’sorgt, aber die Ersparnis san kloa’. Wohl könnten’s<br />
mehr sein, wenn mei’ Muatta den Schleichhandel hätt’ aufgeb’n, denn was’s einmal dabei<br />
gwonna, hat’s durch die Schwindler und Unterhandler an’ anders Mal wieder verlorn. Unter<br />
solchen Umständen hon i’s G’schäft gestern an meinem vierundzwanzigsten Geburtstag<br />
übernomma. Du siehgst, Waberl, daß die Sach nöt am besten b’stellt is.“<br />
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