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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

„Deandl,“ sagte jetzt Sepp, „wenn du mir <strong>mit</strong> dene Faxen nöt aufhörst, so verschmacht’s mi.<br />

Sei halt so guat und nimm dös Kastl, da<strong>mit</strong> i’s nöt umsonst hertrag’n hon, für dösmal no’ an,<br />

und für die andern Mal versprech i dir, daß i dir nix mehr <strong>mit</strong>bring.“<br />

„Dann, Sepp, nimm i ’s für dös Mal no’!“ sagte das Mädchen.<br />

<strong>Die</strong> Unterhaltung beider bewegte sich nicht mehr in so herzlicher und ungezwungener<br />

Weise, wie sonst immer. Sepp ärgerte sich sichtlich darüber und konnte nicht umhin, beim<br />

Abschiede seinem Herzen Luft zu machen, indem er sagte: „Waberl, es bleibt dabei, du<br />

kriagst nix mehr von mir <strong>mit</strong>bracht, so viel ’s mi aa immer g’freut hat. Wenn du solche<br />

abg’schmackte Faxen bei der Pauline drinnen lernst, so wär’s besser, du bleibest dahoam,<br />

da<strong>mit</strong> d’ nöt so g’spreizt wärest. Mi aber hast g’sehgn, wenn du ’s nächste Mal wieder so sein<br />

thuast. B’hüat die Gott – oder wenn du ’s anders haben willst: B’fehl mich Ihnen, Fräulein<br />

Babett!“<br />

Der junge Mann ging. Waberl aber verbarg ihr Gesicht in der Schürze. Sepp hatte sie<br />

ausgezankt; das schmerzte sie tief. Aber sie hatte es verdient. Sie verwünschte ihr Benehmen.<br />

Warum war sie gegen ihn, nicht wir früher – warum konnte sie’s nicht sein? – Armes<br />

Mädchen, warum kann die Blüte nicht mehr zur Knospe, die Knospe nicht mehr zum Keime<br />

werden? Du wirst nie wieder das werden können, was du gewesen! Verwünsche sie nicht, die<br />

Poesie deiner Jungfräulichkeit! Ist sie auch dem rohen Begriffe des ungebildeten Mannes ein<br />

Rätsel: Dir sei sie klarer und heiliger als alles; sie ist des Mädchens einzig wahrer Zauber, des<br />

Weibes einzig blütentreibender Frühling.<br />

IX.<br />

<strong>Die</strong> Lerchen flogen in schwindelnden Höhen durch die Luft und jubilierten die Reveille für<br />

die schlafende Natur. Alsbald fing es an, sich überall zu regen. <strong>Die</strong> Bäume und Stauden, die<br />

Blumenstengel und Gräser guckten <strong>mit</strong> tausend noch halb verschlossenen Augen heraus und<br />

fragten nach der Zeit.<br />

Zum Morgengruße von den warmen Strahlen der Frühlingssonne, wie von den Lippen einer<br />

liebenden Mutter geküßt, öffneten sich <strong>mit</strong> einem Male fröhlich diese tausend Augen und<br />

sahen selig hinaus in die schöne, weite Welt, wo der Himmel <strong>mit</strong> freundlichem Blau und die<br />

Sonne <strong>mit</strong> goldenen Strahlen die jungen Knospen begrüßten. Zum Gegengruße kamen dann<br />

unzählige Blättchen hervor und winkten <strong>mit</strong> ihren grünen Händchen hinauf zum leuchtenden<br />

Gestirne, ähnlich den Aermchen des Kindes, die sich sehnsüchtig ausstreckten nach der<br />

liebenden Mutter. Und die Blättchen weckten die Blütenkeime und erzählten diesen, wie<br />

schön es da außen sei im freundlichen Lichte. Da kamen hervor die lachenden Blüten und<br />

saugten <strong>mit</strong> schmachtendem Verlangen die wohlthuenden Strahlen der Sonne ein, und<br />

aufgelöst in lauter Liebe ward ihre Sehnsucht nicht eher gestillt, als bis diese Strahlen<br />

hineingedrungen waren in das offene Herz, das sich hingebend erschlossen zum seligsten<br />

Genusse.<br />

Wenn dann die holden bunten Blüten sich ausgebreitet haben über Staude und Baum, über<br />

Wiese und Feld, und alles geschmückt ist <strong>mit</strong> reizenden Werken der Schöpfung, dann hält der<br />

goldlockige Mai seinen festlichen Einzug und alles jubelt <strong>mit</strong> freudig bewegten Herzen ihm<br />

entgegen.<br />

„Der Mai ist da!“ sangen die Vögelein schon in aller Frühe und flatterten auf den Bäumen<br />

freudig hin und her, die in Waberls Gärtchen standen. Weiße und rote Blüten hatten sich<br />

ausgebreitet über diese Bäume, als hätten sie ein neues Festtagskleid angelegt, um dem<br />

schönen Mai zu huldigen, und in lieblich reizender Scham standen sie da, sich ihres Frühlings<br />

erfreuend. Sie grüßten ihre junge Freundin, so oft sie nach ihnen blickte und strömten ihren<br />

reizenden Duft in ihre Nähe.<br />

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