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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

besten anfangen sollte, ward ihr von anderer Seite, wenn auch nicht in erwünschter Weise,<br />

Vorschub geleistet.<br />

Einmal, es ging schon gegen das Frühjahr zu, blieb Sepp wider Erwarten über die Zeit aus<br />

und Waberl, darüber beunruhigt, ging arglos zur Frau Mirtl, und diese, schon lange über die<br />

Freundschaft der beiden aufgebracht, fand jetzt die beste Gelegenheit, ihrem Herzen Luft zu<br />

machen. „Erwart’st wieder, daß er dir was <strong>mit</strong>bringt?“ sagte sie in beißendem Tone. „Alles<br />

hat sein Maß und sein Ziel und i mein’, du könnt’st auch amal g’nuag hab’n und di nöt in alle<br />

Ewigkeit für denselbigen Deanst bezahl’n lass’n, um den di so koa’ Mensch ersucht hat.“<br />

Waberl hatte auf diese verletzenden Worte nichts zu erwidern. Schamröte bedeckte ihr<br />

Gesicht bei dem Gedanken, daß es möglich sei, ihr so niedrige Gesinnungen zuzumuten und<br />

daß gar Sepp die Ansicht seiner Mutter teilen und sie so unendlich falsch beurteilen könne.<br />

Das preßte ihr heiße Thränen aus und traurig, wie sie noch nie gewesen, kam sie nach Hause.<br />

Sie erzählte der Großmutter den Vorfall und die Alte säumte nun nicht länger, dem Mädchen<br />

angemessene Vorstellungen zu machen, sie zu erinnern, daß sie bald sechszehn Jahre alt, also<br />

kein Kind mehr sei und deshalb vieles und auch der allzu ungezwungene Verkehr <strong>mit</strong> Sepp<br />

aufhören müsse.<br />

Waberl hatte die Alte nicht sogleich verstanden, aber sie überdachte und überlegte und<br />

allmählich ward es ihr klar, was ihre Großmutter meinte.<br />

„I bin koa’ Kind mehr,“ sagte sie sich selber und <strong>mit</strong> diesem Bewußtsein trieb die erste<br />

keimende Knospe der Jungfräulichkeit empor in ihrem Herzen.<br />

Sie erwartete ferner Sepp nicht mehr am Teufelsfelsen, so schwer es ihr auch ankam, und<br />

als sie ihn eines Tages auf ihr Häuschen zugehen sah, eilte sie ihm nicht, wie gewöhnlich,<br />

entgegen; eine Röte überflog ihr Gesicht. Sie besah sich schnell im kleinen Spiegel, ob ihr<br />

Anzug in Ordnung, und als der junge Mann in die Stube trat, kam sie zum ersten Male in<br />

ihrem Leben in Verlegenheit.<br />

„Blitz noch a Mal!“ rief Sepp unter der Thür, als er des Mädchens ansichtig geworden.<br />

„Jetzt woaß i nimmer, därf i sag’n „Grüaß die Gott, Waberl!“ oder muaß i „Guat’n Abend,<br />

Jungfer Babett sag’n.“<br />

Das heitere und kindliche Naturell siegte bei dieser Frage über das noch unklare etwas, was<br />

sich über ihr ganzes Wesen ausgebreitet hatte. Sie lachte laut auf, eilte dem Sepp entgegen<br />

und rief: „Grüaß die Gott, Waberl! sollst sagen und i sag: Grüaß di Gott aa! – Warst g’sund?<br />

Warum bist so lang ausblieb’n? Konnt mir gar nit denka, was ’s is.“<br />

Sepp gab ihr befriedigende Auskunft und ein kleines Paketchen aus der Tasche nehmend,<br />

sagte er: „Sollst nöt glaub’n, daß i di in der Fremd vergessen hon. Hon dir was <strong>mit</strong>’bracht von<br />

Frankfurt, a kloane Nähschatulle, da<strong>mit</strong> d’ zu dein’ schön’ Arbeiten aa r an’ schön’<br />

Handwerkzeug hast.“<br />

Waberl, die sonst immer freudig solche Geschenke von Sepp entgegennahm, kam jetzt aufs<br />

neue in Verlegenheit. Schweigend blickte sie zu Boden.<br />

„No’,“ sagte Sepp, ihr das Körbchen hinreichend. „Du nimmst’s am End’ gar nöt an?“<br />

„Ach Sepp,“ entgegnete stotternd das Mädchen, „i dank dir recht schön – aber, aber b’halt’s<br />

lieber.“<br />

„Was?“ rief der junge Mann überrascht. „Ja, was soll denn das hoaß’n?“<br />

„Du hast mir jetzt schon so viel geb’n, Sepp,“ entgegnete Waberl, „und da kommt’s am End<br />

gar ’raus, oder man könnt’s glauben –“<br />

„Deandl, was könnt man glaub’n?“<br />

„No’, als i’s nöt anders erwarten thät und am End gar beanspruchet für – du woaßt schon,<br />

was i sag’n will!“<br />

„Ja, Deandl, wer hat dir denn den Ditschi Datschi (das dumme Zeug) in ’n Kopf g’setzt?“<br />

rief der Fuhrmann ärgerlich. „Is das in dein’n Kopf entstanden?“<br />

Waberl schwieg und schlug die Augen nieder. Nicht um alles in der Welt hätte sie dem<br />

Sepp die Roheiten <strong>mit</strong>teilen können, welche sie von seiner Mutter zu erdulden gehabt.<br />

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