15.12.2012 Aufrufe

Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

„Dann komm i oft!“ entgegnete Waberl und schluchzend bestieg sie den Wagen, der sie<br />

wieder zurückbrachte in ihr stilles, trauliches Dörfchen.<br />

<strong>Die</strong> Leute, welche Waberls Verschwinden so sehr bedauert hatten, waren über die<br />

Nachricht, daß sie wieder aufgefunden und von ihrer Krankheit genesen sei, erfreut. Freilich<br />

gab die Verwechslung derselben <strong>mit</strong> der böhmischen Hexe und Waberls Anwesenheit im<br />

Stilzlhölzl <strong>mit</strong>ten in der Nacht allerlei zu reden. Man hatte wohl zu der Notlüge Zuflucht<br />

genommen, daß das Mädchen in jenem Hölzchen, das sie gegen Abend durchstreifte und<br />

darin ein wenig Rast gemacht, etwas aus ihrer Wiege hätte liegen lassen, worüber sie in so<br />

große Unruhe versetzt worden, daß sie insgeheim noch in später Stunde hinausgegangen<br />

wäre, das Verlorene zu suchen. Aber einzelne Leute munkelten sich bereits die wahre Ursache<br />

von Waberls nächtlichem Umherirren in die Ohren, ohne gerade ihrer Sache gewiß zu sein,<br />

denn sie hatten nur von einem Tuchböhmen gehört, daß durch ein kleines Mädchen in jener<br />

Nacht die Grenzjäger um einen guten Fang gekommen wären.<br />

Als einmal Waberl dem Aufseher begegnete, über den sie sich Sepp gegenüber so lustig<br />

gemacht hatte, hielt er sie an, drohte ihr <strong>mit</strong> dem Finger und sie scharf fixierend rief er:<br />

„Donnerwetter, Mädl! Es ist vorbei, du bist genug bestraft worden, mag mein Verdacht<br />

begründet sein oder nicht. Donnerwetter! nimm dich in acht! – sonst – Donnerwetter noch ein<br />

Mal!“<br />

Waberl machte ihm einen spöttischen Knix und sagte: „I woaß nöt, was ’s sag’n wollt’s und<br />

soll ’s a Rätsel sein, so kann i’s nöt auflösen. Aber i will Enk ein’s aufgeb’n, das’s gleich<br />

heraus haben werd’t’s:<br />

Wo donnert’s jahraus, jahrein,<br />

Wo donnert’s bei Tag und Nacht<br />

Und hat koa oanzigs Mal<br />

Bis itzund blitzt oder kracht?<br />

Der Aufseher strich seinen martialischen Schnurrbart und sagte dann: „Ein Donnerwetter<br />

ohne Blitz und ohne Krachen giebt’s in keinem Land.“<br />

„Aber in Enkern garstig’n Maul giebt’s solche!“ rief mutwillig das Mädchen und rannte<br />

über Stock und Stein davon.<br />

Der Aufseher machte ihr eine Faust nach und rief: „Wart, ich krieg dich noch!<br />

Donnerwetter!“<br />

Waberls erste Arbeit waren die roten wollenen Handstutzen, welche sie Sepp versprochen<br />

hatte und wo<strong>mit</strong> sie ihn bei seiner Wiederkehr erfreuen wollte. Doch diese verzögerte sich<br />

von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Erst zu Ostern kehrte er endlich von weiten<br />

Fahrten zurück.<br />

Waberl ging am Ostermontag nach Furth und da sah sie den Fuhrmann zum erstenmale<br />

wieder und dieser war nicht wenig über ihre Erzählung von den unangenehmen Folgen jenes<br />

Schleichhandels überrascht. Er bedauerte sie aufs herzlichste und es betrübte ihn, daß er es<br />

gewesen, welcher die Veranlassung zu so viel Leid gegeben hatte.<br />

Aber das Mädchen sah jetzt wieder frisch und gesund aus und hatte <strong>mit</strong> wenigen<br />

Unterbrechungen seinen frohen Humor wieder gewonnen. <strong>Die</strong> schönen Handstutzen konnte<br />

Sepp zu dieser Jahreszeit freilich nicht mehr gebrauchen, aber er versprach, sie bis zum<br />

nächsten Winter aufzuheben. Er selbst hatte Waberl wiederum von seiner Fahrt ein kleines<br />

Geschenk, in einem silbernen Kreuzchen bestehend, <strong>mit</strong>gebracht. Waberl versprach, dasselbe<br />

fortwährend um den Hals zu tragen. Sepp mußte ihr dann von seinen Fahrten, von den großen<br />

Städten und fremden Menschen und allem, was sie interessierte, erzählen, und der junge<br />

Mann that es auch gern; es machte ihm Vergnügen, sich <strong>mit</strong> dem klugen, wißbegierigen<br />

Mädchen, dessen Fragen ihn oft in Verlegenheit brachten, zu unterhalten. Seiner Mutter war<br />

dies nicht recht, aber er fühlte sich behaglich bei der Kleinen, und so oft ihn der Weg in die<br />

Nähe Kleinaigens führte, sprach er im Häuschen der alten Nandl vor. Er spielte dann immer<br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!