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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

„Ach, i bin aa recht unglückli!“ entgegnete die Gefragte. „Mei’ Heimat is im Böhmischen,<br />

in der Näh von Neugedein. Meine Eltern san scho’ früh g’storb’n und i bin a Fabrikdeandl<br />

worn, wo i mir so viel derdeant hon, um mi g’wand’n und ernähr’n z’ könna. Da hat auf<br />

einmal d’ Fabrik ihre Arbeiten eing’stellt und i bin brotlos worn. Deshalb hon i mi um an’<br />

Deanst umg’sehgn, aber nirgends wollt’n ’s mi nehmen, weil i no’ so klein und jung bin, bis<br />

mi endli im Bayerischen herenten, in Warzenried, der Schaumichlbauer als Kindsmadl<br />

eindingt hat.“<br />

„Der Schaumichl in Warzenried?“ fragte die Alte überrascht und sich vom Stuhle erhebend.<br />

„Deandl, erzähl weiter.“<br />

„Ja, beim Schaumichl,“ entgegnete die Kleine. „Aber i bitt Enk um Gott’swillen, seid’s<br />

barmherzi <strong>mit</strong> mir und thut’s mir nöt aa so schmerzli unrecht wie die andern Leut!“<br />

„Was is’s weiter?“ fragte die Alte hastig.<br />

„I bin etliche Tag im Deanst gwen, da hat’s ums Mittagläuten a paar Mal alles in der Stub’n<br />

hin- und herg’worfen udn da kamen ’s auf den Einfall, i wär dran schuld und wär’ vom bösen<br />

Feind b’sessen, und sie hätten mi umbracht, wenn i nöt glückli entfloh’n wär. I weiß’s aber,<br />

wer’s gwen is, der den Spektakel g’macht hat. <strong>Die</strong> Oberdirn is’s gwen, die woll’n hätt’, daß d’<br />

Bäuerin im Kindbett aus Schrecken sterbet, da<strong>mit</strong> sie ’n Bauern hernach hätt’ heiraten<br />

können. I hon die Dirn g’sehgn, wie i entfloh’n bin, wie’s grad durch a Schubloch an der<br />

Stubendecken an’ Stein runter g’worfen hat und der Schweintreiber, bei dem i nachher im<br />

<strong>Die</strong>nst gwen bin, hat mir die Ursach aufg’klärt.“<br />

„Du bist aber im Stilzlhölzl <strong>mit</strong>ten in der Nacht auf’griffen und über d’ Grenz transportiert<br />

worn! Wie kimmt’s, daß du wieder da bist?“ fragte die Alte, nicht wenig über die<br />

Enthüllungen des Mädchens überrascht.<br />

„I bin,“ fuhr das Mädchen weiter fort, „niermals auf’griffen worn, sondern bin von<br />

Warzenried fort gegen Neukirchen. Da is am Weg a Schweintreiber kemma, dem i mei’ Not<br />

klagt hon. Der hat si meiner erbarmt und mi auf acht Tag in ’n Deanst g’nommen. I hon den<br />

Schweinen vorangeh’n und Brot vorwerfen müaß’n. So bin i bis Amberg kemma, wo mi der<br />

Treiber nimmer brauchen konnt und heimg’schickt hat. I bin gestern auf an’ Wagl bis Cham<br />

und von dort komm’ i heunt her. Da<strong>mit</strong> mi neamad erkenna sollt’, wollt’ i den Weg durch die<br />

Gegend da bei Nacht zrucklegn und hon i mi deshalb in an’ Dorf auf der Landstraß fast den<br />

ganzen Tag in an’ Stadl versteckt g’halt’n, bis’s zu dämmern ang’fang’n hat. I wollt heut no’<br />

nach Neumarkt, aber d’ Kält und Müdigkeit leiden’s nöt. I hon den Weg verfehlt und bin in<br />

dös Dorf kemma, und weil i nimmer weiter konnt’, hon i an Enkerm Häusl klopft und i hon<br />

nöt umsonst bitt. Nöt wahr, Oes jagt’s mi heut nacht nimmer fort; i will auf der Ofenbank<br />

schlafen und morgen in aller Früh geh i über d’ Grenz, daß mi ja kein Warzenrieder siehgt,<br />

die mi, Gott verzeih ihnen’s, für b’sessen halt’n und mi erschlageten.“<br />

<strong>Die</strong> alte Nandl hörte <strong>mit</strong> großer und immer steigender Spannung dem Mädchen zu.<br />

Nochmals fragte sie dasselbe aus und eine Ahnung tauchte in ihrem Herzen auf.<br />

„So bist du’s nöt gwen, die vor zehn Tagen im Stilzhölzl is aufg’riffen worn?“<br />

„I weiß nix von dem, Frau!“<br />

„Der Schrei,“ fragte die Alte heftiger – „der Schmerzensschrei beim Abfahr’n is nöt von dir<br />

kemma?“<br />

„G’wiß nöt!“ antwortete das Mädchen überrascht und furchtsam über die plötzliche<br />

Aufregung der Alten.<br />

<strong>Die</strong>se verhüllte jetzt ihr Gesicht und atmete schnell und hörbar. Ein Gedanke hatte ihren<br />

Geist durchzuckt und den ganzen Körper in Aufregung gebracht.<br />

Jener Schrei, den die vermeintliche böhmische Hexe beim Abfahren ausgestoßen, klang ihr<br />

jetzt wieder in den Ohren und hallte in ihrem Herzen wider. Jetzt hatte sie Worte für jene<br />

Ahnung, welche sie damals so unwiderstehlich überkam. Jener Schrei – er kam aus Waberls<br />

Munde! Ihre Enkelin war es, welche die Gendarmen aufgegriffen und statt der Böhmin über<br />

die Grenze geschafft hatten!<br />

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