Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
nacha: „Donnerwetter!“ I hon a Rätsel auf eam g’macht, dös er mir selber a Mal auflösen<br />
muaß.“<br />
So plauderte die Kleine fort und machte dem jungen Mann auf Augenblicke die drohende<br />
Gefahr vergessen. Jetzt hatten sie das Ende des Waldes erreicht.<br />
„Sepp, jetzt is’s gwonna!“ rief Waberl. „Da unten is der Pastritzbach, über den tragt di’s Eis<br />
und drent kommst glei auf an’ Fahrweg, auf dem du in ara Viertelstund d’ Straß’n nach Furth<br />
erreichen kannst.“<br />
„I kenn mi jetzt schon aus,“ erwiderte leichten Herzens der Fuhrmann. „Setz’ die jetzt auf’n<br />
Schlitten, Waberl, du muaßt ja todmüd sein von dem weiten Weg, du arm’s G’schöpf.“<br />
„I muaß mi jetzt von dir trenna,“ sagte das Mädchen. „Mei’ Weg auf Kleinaigen geht dort<br />
links ’nauf.“<br />
„Du wirst do heut nimmer hoam geh’n woll’n!“ rief Sepp überrascht. „Du muaßt <strong>mit</strong> nach<br />
Furth, i laß di in der Nacht nöt so alloa ’rumlaufen. Morg’n, wenn’s Tag wird, kannst wieder<br />
hoam gehn.“<br />
„Bewahr Gott!“ rief die Kleine, „dös g’schieht nöt. Mei’ Ahnl sterbet vor Angst, wenn ’s mi<br />
irr gaang. I find ’n Weg ganz guat und fürcht’n thua i mi nöt, jetzt schon gar nimmer, weil i di<br />
hab rett’n könna. Halt di nimmer länger auf, Sepp, denn die Minuten sein kostbar. I geh ganz<br />
g’wiß nöt <strong>mit</strong> dir.“<br />
Der junge Mann nahm das Mädchen bei der Hand und sagte: „Waberl, i werd’ dir’s im<br />
Leb’n nöt vergess’n, was du an mir heut’ ’than hast. Der Himmel hat di glückli zu mir<br />
herg’führt, er wird di aa glückli hoamführ’n. Wie i dir dank’n kann, dös muaßt du mir an’<br />
anders Mal sag’n.“<br />
„Sepp,“ entgegnete das Mädchen, „versprich mir was.“<br />
„Alles,“ rief dieser rasch.<br />
„Gelt, du schmuggelst nimmer?“ sagte die Kleine in bittendem Tone. „Nöt alleweil könnt’s<br />
so gut ausfall’n.“<br />
„I versprech dir’s und g’wiß is’s wahr!“ entgegnete der Mann, ihr die Wange streichelnd.<br />
„Kommt guat hoam, Waberl; morg’n b’such i di und bring dir dei’ seiden’s Tuach <strong>mit</strong>.“<br />
„Guate Nacht, Sepp!“ rief das Mädchen, und laufend entfernte sie sich von dem Fuhrwerke.<br />
Schnell hatte sie sich orientiert und den nächsten Weg ausgedacht. Wohl mußte sie öfter bis<br />
an die Kniee im Schnee waten und wurde müde, bis sie den schmalen, stellenweise<br />
verschneiten Fußpfad erreichte. Oft blieb sie stehen und lauschte – aber alles blieb still, sie<br />
hörte nichts als ihre eigenen Tritte, die auf dem festen Schnee laut erdröhnten und von dem<br />
Echo des Waldes, an dessen Saum sie dahinschritt, laut wiederhallten.<br />
Waren’s denn auch ihre eigenen Schritte? Oder lief im Walde da innen noch jemand neben<br />
ihr her? Fast schien es so; doch wenn sie stehen blieb, überzeugte sie sich immer, daß es nur<br />
Einbildung sei. Sie fühlte sich nach und nach recht ermattet und die Kälte that ihr empfindlich<br />
weh. Müdigkeit und Kälte hatte sie nicht beachtet, so lange sie für einen andern dachte und<br />
handelte, jetzt auch einmal fühlte sie deren Wirkung. Und noch etwas kam dazu, was sich das<br />
Mädchen gerne selbst ableugnen wollte, – sie fürchtete sich. So lange sie für Sepp fürchten<br />
mußte, vergaß sie sich selber, aber jetzt, nachdem Sepp gerettet und die erste Freude vorüber<br />
war, dachte sie nach und nach daran, daß sie zur <strong>mit</strong>ternächtlichen Stunde auf verschneiten<br />
Pfaden ganz allein dahinirrte.<br />
Sie nahm sich vor, sich nicht zu fürchten, aber schon dieses Vornehmen war ein Ausfluß<br />
des nicht zu überwältigenden Gefühles, das in ihrem Herzen Raum faßte. Ihre Phantasie<br />
führte ihr die verschiedenartigsten Gestalten vor. Jeder Baum, jede Staude, jeder große Stein<br />
nahm für ihre erregte Phantasie eine gespensterhafte Gestalt an. Und jetzt mußte sie gar über<br />
den Steg, über den einmal eine unbarmherzige Mutter ihr Kind ins Wasser geworfen hatte!<br />
Seitdem hört man zur Nachtzeit ein Plätschern und Hilferufen im Bache und es arbeitet und<br />
schlägt um sich, als ob ein Mensch am Ertrinken wäre, und auf dem Stege sieht man ein<br />
Wickelkind vor sich herrollen, das verschwindet, wenn man darnach greift. Eine Strecke<br />
20