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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

<strong>Die</strong> Sterne funkelten am Himmel und es war dem Mädchen, als riefen ihr alle zu: „Eile dich,<br />

wir leuchten dir, wir beschützen dich!“ Und flüchtigen Schrittes eilte sie auf dem Wege nach<br />

Daberg dahin.<br />

Tiefe Stille herrschte rings umher. Nichts hörte sie als das Klopfen ihres eigenen Herzens<br />

und das klopfte sehr hörbar. Der Weg führte an einer Mühle vorbei, an der sie <strong>mit</strong><br />

unbeschreiblicher Angst vorüberschlich; denn hörte sie der große Haushund, so war es um sie<br />

geschehen. Sie betete – und betete sich glücklich vorbei. Niemand hatte sie bemerkt. Leichter<br />

atmend erreichte sie jetzt den Saum des Waldes.<br />

„Da kann mi neamad mehr sehn,“ dachte sie, „und der Wald geht ’nunter bis ins<br />

Danglesthal, wo der Weg is, auf dem der Sepp <strong>mit</strong>’n Schlitten von Daberg herkommen<br />

muaß.“<br />

Freilich war es in dem Walde fast stockfinster und rechts und links standen die Tannen so<br />

dicht und hoch, als wären es himmelhohe Mauern, und von den Sternen am Himmel sah sie<br />

nur ganz wenige mehr und noch stiller und unheimlicher war es da, als auf dem Wege in der<br />

offenen Landschaft.<br />

„Warum soll i mi denn fürchten?“ fragte Waberl, sich selbst ermutigend. „Es is ja derselbe<br />

Wald, den i am Tag schon hundertmal durchganga hon. <strong>Die</strong> Baam thuan ma nix z’ Load,<br />

G’spenster, hat mei’ Ahnl g’sagt, giebt’s nöt und d’ Räuber veracht’n an’ arm’s Deanl, wie r i<br />

oans bin.“<br />

Ihr fielen so viele Geschichten ein, die sie das nächste Mal in der Rockenstube zum Besten<br />

geben wollte. <strong>Die</strong> unterdrückte Furcht erregte ihre Phantasie in krankhafter Weise. Auch neue<br />

Rätsel ersann sie und staunte selbst über ihr Erfindungstalent. So kam sie an eine Stelle, wo<br />

ihr Weg von einem andern durchkreuzt wurde, der vom nahen Marktflecken her nach<br />

Vollmau über die Grenze führte. Als Waberl in diesen Weg hineinblickte, war es ihr, sie sähe<br />

feurige Strahlen, wie wenn an einem Steine Feuer geschlagen würde. Sie blieb stehen und<br />

schaute angestrengten Blickes in das Dunkel. Da ward ihre Aufmerksamkeit durch Tritte in<br />

Anspruch genommen, welche sie ganz in ihrer Nähe hörte. Waberl verbarg sich in dem<br />

Unterholz und lauschte <strong>mit</strong> angehaltenem Atem. Da hörte sie die Stimmen von zwei Männern,<br />

die ganz nahe an ihr vorübergingen und den Weg nach Vollmau einschlugen. Waberl konnte<br />

trotz der Finsternis erkennen, daß es böhmische Schwärzer waren; sie konnte die<br />

breitkrempigen Hüte unterscheiden und gewahren, daß jeder Mann einen Sack auf dem<br />

Rücken trug. Eben hatte sie sich erhoben, um ihren Weg fortzusetzen, als sie bemerkte, wie<br />

ein dritter Böhme an ihr vorüberging, darauf folgte ein vierter, ein fünfter und so fort immer<br />

in kurzen Abständen ein neuer, bis wenigstens dreißig Männer so im Gänsemarsch an ihr<br />

vorüber kamen.<br />

Es ist dies Gewohnheit bei den Schmugglern, wenn sie wohlbeladen nach Hause<br />

zurückkehren, nachdem sie sich vorher einzeln oder doch nur in kleinen Abteilungen und oft<br />

auf weiten Umwegen über die Grenze geschlichen haben. Einer geht hinter dem andern,<br />

sorgfältig auf jedes verdächtige Geräusch lauschend. <strong>Die</strong> offene Straße vermeidend, suchen<br />

sie die dichtesten Wälder, die unwegsamsten Bergschluchten auf immer wechselnden, nur den<br />

Eingeborenen kenntlichen Pascherwegen auf und scheuen im Winter selbst den klaftertiefen<br />

Schnee nicht, gegen den sie ihre Füße <strong>mit</strong> Schneereifen bewaffnen. Werden sie von der<br />

Grenzwache erspäht, so werfen sie schnell ihre Päcke ab und suchen sich durch die Flucht zu<br />

retten.<br />

<strong>Die</strong> Strafe, welche die Ertappten trifft, ist streng. Aber erschrecken läßt sich der<br />

eingefleischte Schwärzer durch sie nicht, und er versucht sein Glück immer wieder aufs neue.<br />

Der Gewinn ist zu verlockend. <strong>Die</strong> böhmischen Schwärzer holen aus Bayern zumeist Salz,<br />

Tabak und besonders gern Zigarren, und <strong>mit</strong> diesen Artikeln macht oft ein einfacher<br />

Landkrämer an der Grenze die Geschäfte eines Großhändlers. Das Schmuggeln oder<br />

Schwärzen gehört, wie die Wilddieberei, mehr zu den noblen Passionen, die, <strong>mit</strong> bewaffneter<br />

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