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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

Das kleine Annamirl sagte noch zum Waberl, daß sie morgen in aller Frühe kommen werde,<br />

um <strong>mit</strong> ihr zum Christkindlansingen übers Land zu können.<br />

„Ja, ja, es is scho’ recht. Kimm morg’n früah und schlaf heunt g’sund!“ erwiderte Waberl.<br />

Ihre Gedanken waren aber jetzt nicht beim Christkindlansingen, sondern bei den Aufsehern,<br />

welchen Veitl vor dem Häuschen soeben das Papier überreichte.<br />

„Im Finstern hab i’s Lesen nöt g’lernt!“ sagte der eine und der andere meinte: „Bei der<br />

Nandl drin is Liacht und die wird uns schon erlaub’n, daß wir auf an’ Augenblick neu’gehn.“<br />

Waberl eilte, sobald sie dieses hörte, in die Stube und versteckte sich hinter dem Ofen. Sie<br />

kauerte sich fest zusammen, um ungesehen zu erlauschen, was in dem Papier stünde, das Veitl<br />

überbrachte.<br />

<strong>Die</strong> alte Nandl hieß die Aufseher freundlichst in die Stube gehen und entfernte sich wieder,<br />

um nicht zu stören und sich nach Waberl umzusehen.<br />

„Der Oberkontrolleur,“ sagte der eine, nachdem er das Blatt gelesen, „befiehlt uns, daß wir<br />

ohne Verzug auf den Klöpflesberg hinüber sollen. Beim Hacklherrgott sollen wir uns<br />

postieren. Zwischen zehn und elf Uhr wird ein Schlitten <strong>mit</strong> unverzollten schweren Waren<br />

von Daberg herkommen, welcher samt dem Fuhrmann aufgehoben werden soll.“<br />

„Schwere Waren? Donnerwetter!“ sagte der andere, ein dicker Mann <strong>mit</strong> einem<br />

martialischen roten Schnurrbart. „Ist Gefahr dabei?“<br />

„Davon steht nichts im Brief. Jedenfalls gibt’s einen guten Fang.“<br />

„Den können wir brauchen!“<br />

„Aber wir dürfen nicht säumen. Wir brauchen eine Stunde zur Kapelle. Jetzt ist’s neun<br />

Uhr.“<br />

„Also gehen wir. Einen Schlitten <strong>mit</strong> kostbaren Waren – Donnerwetter!“ rief der Dicke,<br />

einen tüchtigen Schluck aus seiner Schnapsflasche nehmend.<br />

„Dann wollen wir uns morgen gütlich thun,“ sagte der erste. „Ich wollt’, es trüge tausend<br />

Gulden!“<br />

„Donnerwetter!“ rief der andere, sich den Schnurrbart streichend, und in der schönen<br />

Hoffnung auf einen glücklichen Fang verließen beide eiligst das Haus, den Weg nach dem<br />

Klöpflesberg einschlagend.<br />

Waberl zitterte am ganzen Leibe. Es war kein Zweifel, es war der Schleichhandel des Sepp,<br />

welcher verraten war. Sie hörte die Großmutter auf der Straße nach ihr rufen und eiligst lief<br />

sie jetzt hinaus und ging dann, über Schlaf und Müdigkeit klagend, <strong>mit</strong> der Alten wieder in<br />

die Stube zurück. Das Mädchen verlangte zu Bette. <strong>Die</strong> Alte betete noch <strong>mit</strong> ihr das<br />

Abendgebet, besprengte sie <strong>mit</strong> Weihwasser und begleitete sie dann in die anstoßende<br />

Kammer, wo Waberls Bett stand. <strong>Die</strong> Alte schlief in der Wohnstube, wohin sie auch<br />

zurückkehrte, sobald Waberl zu Bette lag und zu schlafen schien. Aber sie schlief nicht, sie<br />

wachte und während ihre Augen geschlossen waren, sann das mutige Mädchen auf Rettung<br />

für Sepp. Sie fühlte, daß sie allein imstande war, die drohende Gefahr von ihm abzuwenden,<br />

und sie wollte – sie mußte es.<br />

IV.<br />

Ihr Entschluß war gefaßt. Sobald sie überzeugt war, daß die Großmutter schlief, stand sie<br />

auf, kleidete sich an und stieg geräuschlos durch das Fenster aus dem Hause. Das Herz klopfte<br />

ihr bei diesem Beginnen und unheimlich war es ihr zu Mute, zu so ungewohnter Zeit durch<br />

das Dorf zu eilen. Doch der Zweck, welchen sie vor Augen hatte, gab ihr Mut und Kraft. Sie<br />

dachte an nichts weiter, als der Schutzengel des Sepp sein zu wollen, der ohne ihre Warnung<br />

sicher den Grenzjägern in die Hände fallen mußte. Sie hielt sich für berufen, ihn zu retten vor<br />

der Strafe und einem großen Verluste und konnte ihm auf diese Weise tausendfach die Freude<br />

lohnen, die er ihr heute <strong>mit</strong> seinen Geschenken bereitet.<br />

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