Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
Befreundeten in d’ Stub’n einiganga, wo d’ Frau <strong>mit</strong> dem Kind und dem Deandl war. Kaum<br />
hat ma den ersten Schlag vom Mittagläuten vernomma, hat’s plötzli dem Kindsdeanl an’ Riß<br />
geb’n und plumps dich! is’s Nähkiß vom Fensterg’sims g’fall’n und mächti große Stoa’ san<br />
für d’ Fenster in die Stub’n eini und wieder außig’flog’n in’n Hof, wo d’ Leut g’stand’n. Aber<br />
koa’ Mensch is verletzt worn; die Stoa’ san alle neb’n die Leut zu Boden g’fall’n. Da hat der<br />
Schaumichl ’n Herrgott von der Wand g’nomma und dös böhmische Deandl da<strong>mit</strong><br />
beschwor’n. <strong>Die</strong> aber hat grad ’naus g’schrien und si aus ’m Haus g’flücht, daß ’s koa’<br />
Mensch mehr g’sehgn hat und neamad woaß, wohin ’s verkemma is.“<br />
„Soviel i mir hon erzähl’n lass’n, soll dem Deandl sei’ Großmutter als Hex verbrennt worn<br />
sei’. Von der hat’s no’ a Beschwörungsbüachl g’habt, in dem hat’s g’lesen und hat auf amal<br />
nimmer z’rucklesen könna; seitdem is der böse Feind in sie g’fahr’n und wenn’s in dem<br />
Buach nimmer z’ruck find’t, so is ’s verlor’n für Zeit und Ewigkeit.“<br />
Lautlose Stille herrschte bei dieser Erzählung im Gemache und alles war aufs höchste<br />
gespannt, noch mehr von der Besessenen zu hören. Bereits war die junge Welt in ein gelindes<br />
Gruseln versetzt, worin sie sich gewissermaßen gefiel.<br />
„Was is denn dös für a Büachl?“ fragten mehrere.<br />
Veitl war <strong>mit</strong> Vergnügen zu weiteren Mitteilungen bereit, und in einem Tone, welcher<br />
bewies, wie fest er alles selbst glaubte, was er erzählte, fuhr er fort: „Dös<br />
Beschwörungsbüachl is so b’schaffen, daß ma alleweil oa Zeiln vorwärts und die ander<br />
ruckwärts les’n kann. Im Vorwärtslesen kann ma den bösen Feind beschwör’n, der kann eam<br />
aber nix anhab’n, wenn ma ’s versteht, wieder g’hörig ruckwärts z’lesen. So kann man die<br />
Stub’n voll Teuferln eini und wieder außi lesen; sie kemma meistens als kloana Jagerl und ma<br />
kann sein’ Spaß da<strong>mit</strong> hab’n. Wer aber dös Ruckwärtslesen vergißt oder wer’s aus Straf’<br />
Gottes nimmer kann, über den kriegt der Böse Gewalt und er wird vom Teufel b’sessen, wie<br />
’s dem böhmischen Deandl passiert is.“<br />
„Wo is denn jetzt dös Deandl?“ fragten einige.<br />
„Dös woaß der Himmel!“ entgegnete der Alte. „Ma hat’s <strong>mit</strong> koan Aug’ mehr g’sehgn. Ma’<br />
glaubt, es hat si was antho’, oder es thuat si no’ was an. Vom böhmischen G’richt is der<br />
Auftrag kemma, dös Deanl aufz’suachen und um jeden Preis über die Grenz z’schaffen.<br />
Deshalbn fahnden d’ Gendarm schon seit gestern drauf, ob si ’s aber erwischen, is an’ andere<br />
Frag, denn wenn’s wirkli b’sessen is, so kann sie si alle Augenblick unsichtbar machen und<br />
die ganz Fahnderei is zu nix nutz.“<br />
<strong>Die</strong> alte Nandl, welche dem Jäger oft <strong>mit</strong> Lächeln und unter Kopfschütteln zugehört, fragte<br />
jetzt: „Und hat si die Werferei in der Kindsstub’n nimmer wiederholt, seit ’s Deandl<br />
verschwunden is?“<br />
„Alles is wieder in Ordnung seit der Zeit.“<br />
„Und trotzdem glaub i, Veitl, daß nöt dös arme Deandl, sondern irgend a g’wissenloser<br />
Mensch an dem ganzen Handel schuld is und daß ma aus reiner Dummheit dös unschuldige<br />
Kind <strong>mit</strong>ten im Winter davong’jagt und ins Unglück bracht hat.“<br />
„Kann’s nöt sag’n,“ entgegnete der Alte. „I war nöt dabei und hon nur erzählt, was is dalust<br />
(erlauscht) hon.“<br />
„Veitl, d’ Aufseher kemma!“ rief jetzt das am Fenster postierte Mädchen.<br />
„Kemmen’s? dös is recht!“ erwiderte der Angerufene, und indem er sich von der Bank<br />
erhob, aus dem Kruge trank und schnell sein Pfeifchen nochmals stopfte, sagte er: „Schönen<br />
Dank, Nandl, für Enka Frischbier und die warme Stub’n und guata Nacht alle <strong>mit</strong>anander!“<br />
„Guat Nacht, Veitl!“ riefen alle, und die Alte setzte noch bei: „Kemmts bald wieder in<br />
Hoangarten, da<strong>mit</strong> ma über die böhmisch Hex no’ mehr red’n könna.“<br />
„Solt recht bald der Fall sein!“ entgegnete der alte Geisterseher und verließ das Häuschen.<br />
Auch die Mädchen fanden, daß es Zeit sei, die Rockenstube zu beschließen. Es ward daher<br />
allgemein aufgebrochen und eine Zusammenkunft auf einen der nächsten Abende festgesetzt.<br />
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