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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

„Ja,“ erwiderte Veitl, „’s wird wohl so sein, ob sie ’s aber krieg’n, is an’ andere Frag. Es<br />

muaß a große Sach sein, weil ’s d’ Gendarm dazu brauch’n; aber die werd’n heut schwerli z’<br />

hab’n sein, denn die fahnden scho’ seit zwoa Tag aufs böhmische Hexendeanl.“<br />

„’s böhmische Hexendeanl?“ riefen alle. „Wer is denn dös?“<br />

„Ja, wißt’s es Oes no’ nöt?“ fragte der Alte überrascht und erfreut zugleich, eine Neuigkeit<br />

erzählen zu können.<br />

„Veitl, erzähl’s uns!“ riefen alle durcheinander.<br />

„Will’s enk erzähl’n,“ sagte dieser, „aber a Deanl muaß fürs Fenster ’naus schaun und mir<br />

glei’ sag’n, wenn’s ebban vorbeigeh’n siehgt.“<br />

Das geschah auch und alles drängte sich nun zum Ofen heran, wo Veitl Platz genommen<br />

und sein Pfeifchen behaglich rauchte. Nur Waberl teilte diese Neugierde nicht. Sie zitterte bei<br />

der Vermutung, daß Sepp ein Unglück widerfahren könnte, und allerlei Gedanken<br />

durchkreuzten ihren kleinen Kopf. <strong>Die</strong> alte Nandl reichte dem Veitl einen Krug <strong>mit</strong> Frischbier<br />

hin und nachdem ein Teil desselben seine Bestimmung erhalten, gab der Alte seine Neuigkeit<br />

zum besten.<br />

„D’ Schaumichlbäuerin von Warzenried is jüngst in d’ Woch’n kemmen und weil ’s a<br />

Kindsmadl braucht hab’n, hab’ns a böhmisch Deanl g’nomma, dös grad im Dorf ’rumbettelt<br />

und g’jammert hat, daß ’s nöt woaß, was ’s anfanga soll, daß ’s koane Eltern mehr hätt’ und<br />

nirgends an’ Deanst krieget, weil’s no’ z’ kloa’ und z’ jung wär’. Der Schaumichl hat si über<br />

dös Deanl <strong>mit</strong> den kohlschwarz’n Aug’n und sein’ mehr schwarzen als weißen G’sicht<br />

erbarmt und hat’s als Kindsmadl bei sein’ Weib aufg’nummen. Dös Ding war guat. Dös<br />

Deanl hat si recht gwanti (geschickt) ang’stellt und d’ Bäuerin war z’frieden in allen Stucken.<br />

Etliche Tag drauf is dös Deanl ums Mittagläuten alloa bei der Bäuerin gwen; da hat’s auf<br />

amal in der Stuben zu rumor’n ang’fanga und zu sausen, als wenn der Sturmwind durch d’<br />

Fenster ’rein brauset, trotzdem, daß ’s verschloss’n war’n, und alles, was am Boden g’standen<br />

is, hat’s umg’worfen und sogar der Korb is vom Tisch runter g’fall’n, wo ’s Weisattrag’n 3 von<br />

der G’vatterin drin war. D’ Oar und d’ Semmeln san rauskugelt und in der Stub’n hin und her<br />

g’sprunga und koa’ Mensch war da, der dös bewirkt hätt’. <strong>Die</strong> Bäurin is zum Sterb’n<br />

erschrock’n, hat’s Kindsdeanl glei’ nach ’n Bauern g’schickt und eam alles erzählt. Der<br />

Schaumichl lacht und moant, ’s wird halt irgend a Spaßvogel den dumma Stroach g’macht<br />

hab’n und tröst’ und beruhigt so sei’ Bäurin. Am andern Tag, just wieder ums Mittagläuten,<br />

war d’ Bäurin und ’s Deandl wieder alloa in der Stub’n. Da san plötzli alle Bilder und Spiagl<br />

von der Wand g’fall’n und ’n Laib Brot hat’s vom Tisch g’schnellt und d’ Schüsseln san aus<br />

der Schüsselrahm g’flog’n und in tausend Scherben z’broch’n, und neamand war halt z’<br />

sehgn, der ’s tho hätt’. Dem Bauern, der auf der Bäurin ihr G’schroa <strong>mit</strong>ten unter dem<br />

Spektakel in d’ Stub’n kemma is, is aa glei’ anders worn, denn er hat sie nöt erklärn könna,<br />

was dös is und woher dös kimmt. Er hat’s seine Nachbarn erzählt und da hat eam Oaner den<br />

Rat geb’n, er soll nach Deuking gehn, dort lebt a frommer Mann, der sie in solchen<br />

Geisterg’schichten guat auskennt, und den soll er um Rat frag’n, was bei er Sach z’ thuan.<br />

Dös hat der Michl tho’. Der fromme Mann in Deuking hat eam auftrag’n, er soll andern Tags,<br />

no’ eh ’s Mittagläuten angeht, scho’ in der Kindsstub’n sein und wohl Obacht geb’n auf dös<br />

Kindsdeanl, ob’s <strong>mit</strong> ’n Anfang vom Läut’n nöt a verdächtig’s Zeichen von sich giebt, a<br />

Zucken oder sonst was, und wenn dös der Fall und der Spuk drauf los geht, so wär dös a<br />

Zeichen, daß dös böhmische Deanl, dem sei’ dunkle G’sichtsfarb’ eh scho’ verdächti, vom<br />

Teufel b’sessen is und daß von ihr der Unfug herrührt. Er hat dazua g’setzt, der Michl soll<br />

dann trachten, die Hex aus ’m Haus z’ bringa, sonst verhext ’s eam no’ sei’ Kind, sei’ Wei,<br />

sei’ Vieh und eam selber.<br />

„Am nächsten Tag hat der Michl seine Nachbarn z’sammg’nomma und zum Mittagläuten<br />

san viel Leut draußen g’standen im Hof, Kopf an Kopf. Der Bauer aber is <strong>mit</strong> mehreren<br />

3 Weisattragen nennt man die Geschenke, welche die Pate des Kindes der Wöchnerin bringt. Es besteht in einer<br />

lebendigen Henne, einem Schilling Eier, einem Korb Semmeln und einer Portion Kandiszucker.<br />

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