Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1
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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />
Hie und da kommt dös Zwergl ans Tageslicht ’raus, wärmt si an der Sonn’ und schaut<br />
neugieri ins Thal awi. Da hat’s amal drei Lamperln springa sehgn und a Deanerl singa g’hört.<br />
Denkt si dös Zwergl, möcht do’ wissen, wer so schön singt und hat si’ zum Deanerl<br />
hing’schlichen, – und wie er ’s g’sehgn hat, hat sei’ alt’s Herzl laut zu schlag’n ang’fanga und<br />
er hat si niederg’setzt und lang und lang hin- und herwärts g’sonna. Wie wär’s, hat er si denkt,<br />
wenn i dös liebe Deanerl drinna hätt’ in mein’ Bergl; da hätt’ i do’ an’ Ansprach und an’<br />
Unterhaltung und ’s waar nimmer gar so langweili, wie ’s mir gar oft so schmerzli wird. Da<br />
hat er si putzt und g’waschen, hat d’ Taschen voll Edelstoa g’steckt und is zum Deanerl<br />
hinganga. Z’erst hat er ihr a paar Komplimenter g’macht und hat si dabei so possierli<br />
ang’stellt, daß ’s Deanerl grad ’naus hat lacha müass’n. Wie er aber <strong>mit</strong> a Hand voll Edelstoa<br />
aufg’wart hat, hat si ’s Deanerl gar nimmer verkennt vor lauter Freud über die blitzenden<br />
Stoan.<br />
„Im Anfang is ihr dös Zwergl freili a weng grauli vorkomma, aber nach und nach is ’s ganz<br />
vertrauli <strong>mit</strong> eam worn und hat <strong>mit</strong> eam g’spielt, als wär’s a Kamerad von ihr. Dös haben ’s<br />
den Sommer und Hirgst über trieb’n. Wie aber der Winter kommen is, hat’s ’s Zwergerl<br />
nimmer heraußen aushalt’n kinna, weil’s eam z’kalt worn is, und darum hat er zum Deanerl<br />
g’sagt, es möcht eini kommen in sein’ Bergl, da hätt er a prächtigs Haus, wo ’s trauli und<br />
warm is, und Gold und Alabaster und Edelstoa könnt’s hab’n grad gnua. Dös Deanerl is richti<br />
eini in den prächtigen Bau und hat si nöt satt sehn könna an all die schöna, winzigen Sachen,<br />
an dem Gold und Edelg’stoa, dös ihr’s Zwergerl alles g’schenkt hat. „Nimm alles,“ hat er<br />
g’sagt, „was d’ siehgst, und spiel’ und tandl’, so lang d’ willst.“ Und ’s Deanerl spielt und<br />
tandelt, vergißt si ganz und gar – und drüber san zehn Jahr voganga, grad wie r a<br />
wunderschöner Traum. Da fallt dem Deanerl amal a Lilienkranz von Alabaster aus der Hand<br />
und bricht <strong>mit</strong> an’ hell’n Schlag auf ’n Pflaster z’samm. ’s Zwergl und ’s Deanerl san drüber<br />
erschrocken und aufg’fahren, als wär’n ’s plötzli aus ’m Schlaf erweckt worn. ’s Zwergerl<br />
war no’ kloa’ und schmächti, dös is in den zehn Jahren a schöne, holde Jungfrau worn <strong>mit</strong><br />
langen, goldenen Locken und an’ wunderliablichen G’sicht und war so groß, daß ’s wie r a<br />
Riesin dem Zwergerl geg’nüber g’stand’n is. Und dös Zimmerl und die Gangerln waren jetzt<br />
für sie z’ nieder und z’ schmal. Sie wollt’ naus aus dem Bergl, aber es is nimmer ganga. Da<br />
hallt ihr schmerzlich’s Jammern durch’s kloa’ Haus, es is ihr gwen, als ob’s lebendi begrab’n<br />
wär. D’ Stoa’ hätt’n si drüber erbarmen mög’n, wie ’s in ihrer Verzweiflung Tag und Nacht<br />
um Hilf g’ruafen hat, aber es war nöt z’ helfen. ’s Zwergerl is wie verstoanert in an’ Eck<br />
g’stand’n, hat g’woant und d’ Handerln g’runga, denn er wußt’ si nöt z’ raten, bis endli der<br />
Tod die arme Jungfrau von ihrer schrecklin Not befreit hat. Da hat ihr ’s Zwergerl an’<br />
korallen’ Sarg <strong>mit</strong> an’ Krystalldeckel g’macht und ringsum verziert <strong>mit</strong> Gold und kostbare<br />
Stoaner. Neb’n dem Sarg sitzt er und woant, und seine Zähren rinna drauf in endlosem<br />
Jammer, denn an’ solchen Zwergerl kann sei’ Herz niermals brech’n. So lang d’ Welt steht,<br />
muaß er woana und trauern, und seine viel’n Zähren rinna als zwoa Brünnerl außa aus dem<br />
Bergl, wo sei’ Haus is. <strong>Die</strong> Brünnerln, die eiskalt und krystallern ’rausquellen, san ringsum<br />
eing’faßt <strong>mit</strong> Veigerln und Vergißmeinnicht. Sie murmeln so wehmüati im Schatten über<br />
glänzende Kieseln dahin, und jedem, der d’raus trinkt, wird’s weh und woanerli z’ Mut,<br />
weil’s aus dem Bergl kommen, wo dös arme Zwergerl ewi woant um sei’ Riesendeanerl. –<br />
Dös is dös Märl von die zwoa Brünnerln auf der Rusel,“ schloß Waberl. „I hon die Brünnerln<br />
g’sehn und hon d’raus trunken und hon bitterli woana müass’n über dös Schicksal von dem<br />
arma Deanerl und über den ewigen Jammer von dem unglückli’n Zwergerl.“<br />
Lautlose Stille herrschte in der Stube, da schon während Waberls herziger Erzählung die<br />
Spinnräder zum Stehen gebracht wurden, um alles besser zu vernehmen, und in Gedanken<br />
beschäftigten sich jetzt alle <strong>mit</strong> dem Zwergerl und der Riesin, <strong>mit</strong> den Edelsteinen, dem Gold<br />
und dem Alabaster.<br />
<strong>Die</strong> alte Nandl hatte sich eben ein neues Märchen ausgesonnen, das sie zum Besten geben<br />
wollte, als an die Stubenthür geklopft wurde.<br />
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