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Die Christkindlsingerin mit Deckblatt 1

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Maximilian Schmidt <strong>Die</strong> <strong>Christkindlsingerin</strong><br />

„Ja, i komm heut nimmer auf Furth,“ entgegnete die Kleine ängstlich und überrascht<br />

zugleich, denn nun merkte sie erst, daß er sich hier um eine Schmuggelei handle.<br />

„Is aa nöt vonnöten!“ sagte der Mann. „Im Brief steht’s ja, daß er Schlag zehn da sein<br />

wird.“<br />

Dann griff er in die Tasche und, einen Zwanziger herausnehmend, reichte er denselben dem<br />

Mädchen, „für ihren <strong>Die</strong>nst,“ wie er sich ausdrückte.<br />

Waberl sträubte sich entschieden, dieses Geld anzunehmen.<br />

„Bin scho’ zahlt,“ erwiderte sie.<br />

„Saubern Mund halten!“ warnte jetzt der Branzert. „Es handelt si um viel und ’s ist jetzt a<br />

g’fährliche Zeit für uns; d’ Aufseher hab’n scharf g’lad’n. Hat neuli erst im Schanzenholz<br />

drenten der Ruhland ins Gras beißen müassen. Nöt schnaufen von der Sach’, Deandl, daß ’n<br />

Sepp nix passiert.“<br />

Das Mädchen verließ das Haus und schlug eiligen Schrittes den Weg nach ihrem eine kleine<br />

Stunde entfernten Dörfchen ein. Ihr kleines Herz schlug unwillig gegen die Brust. Sie fühlte,<br />

daß sie zu einer unsauberen Sache verwendet worden sei, und war böse auf Sepp, daß er ihr<br />

dies angethan. Das Geheimnis, in welches sie willenlos eingeweiht wurde, war ihr zuwider<br />

und drückte sie. Sie hätte dem Sepp lieber sein Tuch und selbst das wächserne Christuskind<br />

zurückgeben mögen.<br />

Bereits dämmerte es, als sie so allein den Weg durch den Wald suchte. Ihr war jetzt bange<br />

vor der Großmutter, denn diese mußte über ihr langes Ausbleiben in Angst sein. Was sollte<br />

sie ihr sagen? Ihre Anwesenheit in Daberg mußte ein Geheimnis bleiben, und die alte Frau<br />

anzulügen, verstand sie nicht. Es war bereits dunkel, als sie unter diesen bangen Gefühlen<br />

Kleinaigen erreichte.<br />

Am äußersten Ende des Dorfes stand die alte Großmutter <strong>mit</strong> der Annamirl, die <strong>mit</strong><br />

Sehnsucht auf ihre Rückkehr harrten.<br />

„Waberl, bist du’s?“ rief sie ihr schon von weitem entgegen, und die Alte zankte die<br />

Enkelin über das lange Ausbleiben und die ihr dadurch verursachte Angst tüchtig aus, lenkte<br />

aber dann selbst <strong>mit</strong> der Entschuldigung ein: „G`wiß is der Sepp so lang nöt komma!“<br />

„Ja, so is’s!“ sagte das Mädchen. „I hon aber jetzt alles, was wir zum morgigen<br />

Christkindlansingen brauch’n.“<br />

„No’, daß d’ nur da bist!“ rief froh die Alte. „Komm nur schnell hoam in d’ warme Stubn.<br />

Du muaßt ja ganz ausg’fror’n sein, mei’ arm’s G’schöpf!“<br />

Annamirl nahm ihrer Freundin gleich die Wiege ab, und anscheinend leichten Herzens<br />

schlugen alle drei den Weg nach einem der ersten Häuschen, welches die Wohnung der Alten<br />

war, ein. Waberl aber war eigentümlich erregt; sie wußte etwas, das sie ihrer Großmutter nicht<br />

sagen durfte, und das war ihr ein unerquickliches Gefühl, denn zum ersten Male in ihrem<br />

Leben umschloß ihr Herz ein Geheimnis.<br />

III.<br />

Das Häuschen der alten Nandl war während der langen Winterabende von jeher der<br />

Sammelplatz der jungen Mädchen des Dorfes, die nirgends lieber als da ihre Rockenstube<br />

hielten und unter fleißigem Spinnen fröhlich die Abende verbrachten, die ihnen durch die<br />

stets frische Unterhaltung der alten Nandl, welche als die beste „Sagmanl-Erzählerin“ weit<br />

und breit galt, besonders angenehm gemacht wurden. <strong>Die</strong> alte Nandl hatte ein glückliches<br />

Alter und besaß alles, was dazu gehörte: Gesundheit, Frohsinn und ein von Nahrungssorgen<br />

freies Leben. War auch ihr Besitztum, in einem Häuschen <strong>mit</strong> dranstoßendem Gärtchen und<br />

einem Anteile von Wiese bestehend, sehr bescheiden und stand in dem Stalle auch nur eine<br />

einzige Kuh, so reichte dieses wenige doch hin, die Alte zufrieden zu machen, die außerdem<br />

noch einige Sparpfennige auf der Seite hatte. Früher, so lange es ihre Füße gestatteten, ging<br />

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