Weihnachten - Hessischer Rundfunk
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Ria Raphael<br />
In allem Anfang liegt Schönes, z. B. in diesem Romanbeginn …<br />
»Die Erde reist durch den Weltenraum. Der Mensch sendet eiserne<br />
Tauben aus und harrt ungeduldig ihrer Heimkehr. Er wartet auf ein<br />
Ölblatt von Brüdern auf anderen Sternen. Was ist ein Dorf auf dieser Erde?<br />
Es kann eine Spore auf der Schale einer faulenden Kartoffel oder ein Pünktchen<br />
Rot an der besonnten Seite eines reifenden Apfels sein.«<br />
Erwin Strittmatter: Ole Bienkopp. Aufbau-Verlag Berlin 1963<br />
Claudia Sautter<br />
In allem Anfang liegt Schönes, z. B. in diesem Romanbeginn …<br />
Ich mag besonders den Anfang in »Der Vorleser« von Bernhard<br />
Schlink. Da hat ein Fünfzehnjähriger Gelbsucht. Er ist sehr<br />
krank. Seine Mutter richtet ihm das Bett auf dem Balkon. Als er<br />
wieder zur Schule gehen kann, schämt er sich seiner körperlichen<br />
Schwäche. An einer Hauswand muß er brechen und weint. Eine<br />
Frau nimmt ihn in den Arm. Und er hört auf zu weinen. Da beginnt eine<br />
Geschichte, die mir unter die Haut geht.<br />
Bernhard Schlink: Der Vorleser. Diogenes<br />
Karin Wirschem<br />
Ein Buch ist mir ans Herz gewachsen, das leider viel zu wenig bekannt ist:<br />
»Die Insel des zweiten Gesichts« von Albert Vigoleis Thelen. In seinem<br />
Hauptwerk erzählt er von den Abenteuern des deutschschweizerischen<br />
Schriftstellerehepaars Vigoleis und Beatrice im Mallorca der dreißiger Jahre.<br />
Um sie sammeln sich Huren, Schmuggler, Künstler, Emigranten und Bettler,<br />
die immer mehr zum Abbild einer zerrissenen Welt werden. Thelens<br />
Werk ist zugleich Zeitroman und Autobiografie und bietet ein<br />
Gesellschaftspanorama des Exils.<br />
Albert Vigoleis Thelen: Die Insel des zweiten Gesichts.<br />
Claasen Verlag / List Verlag<br />
Birgit Spielmann<br />
In allem Anfang liegt Schönes, z. B. in diesem Romanbeginn …<br />
Da ein schöner Anfang nicht unbedingt etwas über den weiteren<br />
Verlauf einer Begegnung, eines Prozesses oder eines Romans sagt,<br />
fasziniert mich eher ein interessanter Anfang wie beispielsweise:<br />
»Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger<br />
beobachtet mich, läßt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein<br />
Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den<br />
Blauäugigen, nicht durchschauen kann.«<br />
Günter Grass: Die Blechtrommel<br />
8 / <strong>Weihnachten</strong> <strong>Weihnachten</strong> / 9<br />
oder<br />
Ȇber die kahle Ebene ging in einer sternenlosen Nacht von tintiger Finsternis<br />
und Dichte ein Mann allein die Landstraße von Marchiennes nach<br />
Montsont entlang, deren Pflaster zehn Kilometer schnurgerade die Rübenfelder<br />
durchschnitt.«<br />
Emile Zola: Germinal<br />
Martin Grunenberg<br />
In allem Anfang liegt Schönes, z. B. in diesem Romanbeginn …<br />
»Augenblick!<br />
Was ist?<br />
Auftrag ausgeführt. Die Sache ist rund.<br />
Welche Sache?<br />
Ja, entschuldigen Sie bitte. Das Allerwichtigste. Die Hauptsache.<br />
Die Hauptsache? Wovon redest du?<br />
Vom Testimonium.<br />
Ach, natürlich! Lieber Himmel, es ist doch schrecklich. Ununterbrochen<br />
widmet man sich den wesentlichen Dingen und verwendet<br />
sein ganzes Können darauf, und dann kommt der Augenblick, in<br />
dem man sie schlichtweg vergisst oder eben im Handumdrehen erledigt.<br />
Vielleicht sollten Sie langsam etwas mehr delegieren.«<br />
Harry Mulisch: Die Entdeckung des Himmels. rororo 1995