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Die Geschichte des Hufbeschlags - svgvm.ch

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S<strong>ch</strong>weiz. Ar<strong>ch</strong>. Tierheilk.<br />

© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern<br />

U. Imhof, Band 152, Heft 1, Januar 2010, 21 – 29<br />

DOI 10.1024/0036-7281/a000005<br />

<strong>Die</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

U. Imhof, Kerzers<br />

Zusammenfassung<br />

Der Mens<strong>ch</strong> hat das domestizierte Pferd von Anfang an<br />

intensiv genutzt. <strong>Die</strong> Folge waren häufi g Lahmheiten<br />

wegen zu stark abgenutzten Hufen. Mit vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Arten von Hufs<strong>ch</strong>utz su<strong>ch</strong>te man diesem Na<strong>ch</strong>teil zu<br />

begegnen. Erst die Erfi ndung <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong> löste<br />

das Problem. Sie ist vermutli<strong>ch</strong> einem skythis<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>mied <strong>des</strong> 4. oder 5. Jahrhunderts na<strong>ch</strong> Christus zu<br />

verdanken. Anfängli<strong>ch</strong> wurden die Pferde nur selten<br />

bes<strong>ch</strong>lagen. Im Laufe der Zeit erfuhr der Hufbes<strong>ch</strong>lag<br />

Neuerungen und Verbesserungen, die dazu führten,<br />

dass diese Ausrüstung immer mehr angewendet wurde<br />

und heute je<strong>des</strong> Pferd Hufeisen trägt.<br />

S<strong>ch</strong>lüsselwörter: Pferdeeinsatz, Hufs<strong>ch</strong>utz, Hufbes<strong>ch</strong>lag,<br />

Ursprung, Entwicklung<br />

Einleitung<br />

Heute trägt je<strong>des</strong> Pferd, zu wel<strong>ch</strong>em Zweck es au<strong>ch</strong> gebrau<strong>ch</strong>t<br />

wird, Hufeisen. <strong>Die</strong>ser Ausrüstung bedarf vor<br />

allem das Arbeitspferd, das in unserer Zeit nur mehr als<br />

Armee-Trainpferd im Gebirgsdienst im Einsatz steht;<br />

denn es ist auf ein griffi ges Bes<strong>ch</strong>läge angewiesen. Bei den<br />

Sport- sowie Freizeitpferden dient das Hufeisen als S<strong>ch</strong>utz<br />

vor übermässiger Abnutzung der Hufe auf den heute allgemein<br />

verbreiteten Hartbelagwegen. Dem Sportpferd<br />

vers<strong>ch</strong>afft das Hufeisen zudem den auf dem Springplatz<br />

nötigen Gleits<strong>ch</strong>utz.<br />

<strong>Die</strong>se allgemeine Anwendung kannte man in früheren<br />

Zeiten ni<strong>ch</strong>t und sie spri<strong>ch</strong>t für die guten Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

<strong>des</strong> heutigen Bes<strong>ch</strong>lags. Dabei erbringt diese Ausrüstung<br />

die von ihm erwarteten Wirkungen, ohne dass sie für<br />

das Pferd Na<strong>ch</strong>teile zur Folge hat: au<strong>ch</strong> das bes<strong>ch</strong>lagene<br />

Pferd kann si<strong>ch</strong> ungehindert im S<strong>ch</strong>ritt, Trab oder Galopp<br />

bewegen. <strong>Die</strong>s ist von grosser Wi<strong>ch</strong>tigkeit, denn der<br />

The history of horseshoing<br />

Originalarbeiten<br />

The mankind has used the domesticated horse since<br />

the beginning constantly. The consequence was often<br />

lameness because of intensive wear of hoofsole. With<br />

different hoof-protective measures and devices mankind<br />

tried to deal this weakness. Finally the invention<br />

of the shoeing solved this problem. We probably owe<br />

this invention to a Scythian blacksmith from the 4 th<br />

or 5 th A.D. At the beginning horseshoeing was only<br />

sparingly used. Later improvements and innovations<br />

brought the breakthrough. Today every horse wears<br />

horseshoes.<br />

Keywords: Use of horse, hoof-protective, horseshoeing,<br />

origin, development<br />

Mens<strong>ch</strong> hat das Pferd domestiziert, um unter Nutzung<br />

seines Bewegungsdrangs mit weniger Mühe grosse Strecken<br />

zurückzulegen. <strong>Die</strong> Bezei<strong>ch</strong>nung Pferd ums<strong>ch</strong>reibt<br />

treffend die Stärken dieses Steppentieres, denn es bedeutet<br />

auf indogermanis<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>nelligkeit. Na<strong>ch</strong>folgend sei der<br />

heutige Stand der Kenntnisse rund um den Hufbes<strong>ch</strong>lag<br />

dargelegt.<br />

Material und Methoden<br />

<strong>Die</strong> Antworten zu den Frage über den Ursprung <strong>des</strong><br />

<strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong> su<strong>ch</strong>ten wir in Beri<strong>ch</strong>ten über den Pferdeeinsatz.<br />

Dabei interessierte ni<strong>ch</strong>t nur die historis<strong>ch</strong>e<br />

Seite, sondern wir beurteilten die Meldungen au<strong>ch</strong> aus<br />

veterinärmedizinis<strong>ch</strong>er und hufbes<strong>ch</strong>lagste<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er<br />

Si<strong>ch</strong>t. Vor allem Hinweise über den Gebrau<strong>ch</strong> eines Hufs<strong>ch</strong>utzes<br />

fanden unsere Aufmerksamkeit. Brau<strong>ch</strong>bare<br />

Aussagen konnten bei vielen römis<strong>ch</strong>en und grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

21


22 Originalarbeiten<br />

Abbildung 1: Ritter zu Pferd. 13. Jahrhundert (S<strong>ch</strong>loss Spiez;<br />

Ju<strong>ch</strong>li C., o. Jg.).<br />

Abbildung 2: Eisen von Maultier (Burg Alt-Wartburg; Meyer<br />

W., 1984), Klaueneisen und S<strong>ch</strong>uheisen (eigene Sammlung).<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>reibern und Kriegsberi<strong>ch</strong>terstattern gefunden<br />

werden (S<strong>ch</strong>lieben, 1888). Dagegen kennt man<br />

aus dem Mittelalter kaum Publikationen, aus denen die<br />

Weiterentwicklung <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong> abgeleitet werden<br />

konnte. Erst mit der Eröffnung von Tierärztli<strong>ch</strong>en Fakultäten<br />

Mitte <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts ers<strong>ch</strong>einen Fa<strong>ch</strong>bü<strong>ch</strong>er<br />

mit Abbildungen der damaligen Hufeisenformen.<br />

Au<strong>ch</strong> die Dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>t von Darstellungen mit Pferden und<br />

von Wappenbü<strong>ch</strong>ern bra<strong>ch</strong>te wenig Brau<strong>ch</strong>bares. Allerdings<br />

fand si<strong>ch</strong> zum Beispiel ein Graffi to eines Ritters aus<br />

dem S<strong>ch</strong>loss Spiez aus dem 13. Jahrhundert (Ju<strong>ch</strong>li C, o.<br />

Jg. ; Abb. 1). Mit kräftigen Stri<strong>ch</strong>en unter den Hufen wird<br />

der damals übli<strong>ch</strong>e griffi ge Bes<strong>ch</strong>lag ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong> dargestellt.<br />

Weiter hofften wir, dur<strong>ch</strong> die vielen umfangrei<strong>ch</strong>en<br />

Hufeisensammlungen in Museen Auskunft über die<br />

Entwicklung <strong>des</strong> Hufeisens zu erlangen. Aber bei der<br />

überwiegenden Zahl der Exemplare handelt es si<strong>ch</strong> um<br />

U. Imhof, Band 152, Heft 1, Januar 2010, 21 – 29 S<strong>ch</strong>weiz. Ar<strong>ch</strong>. Tierheilk.<br />

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Feldfunde, deren Zeitzugehörigkeit wegen fehlender Datierungsmögli<strong>ch</strong>keit<br />

ni<strong>ch</strong>t bekannt ist.<br />

<strong>Die</strong> am besten dokumentierten Hufeisen sind die Fabrikeisen,<br />

die gegen Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts au<strong>ch</strong><br />

in der S<strong>ch</strong>weiz hergestellten wurden. Zwei komplette<br />

Sammlungen fi nden si<strong>ch</strong> in den Theoriesälen <strong>des</strong> Waffenplatzes<br />

Sand/S<strong>ch</strong>önbühl BE. <strong>Die</strong>se ermögli<strong>ch</strong>ten uns<br />

die eingehende Auswertung aller Grössen <strong>des</strong> Gerlafi nger<br />

Stempeleisens und je<strong>des</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz verwendeten<br />

Falzeisentyps.<br />

Für die Ermittlung der Hufeisenentwicklung ab Beginn<br />

fanden wir endli<strong>ch</strong> die notwendige Anzahl auswertbarer<br />

Hufeisen im Fundmaterial von 40 in der zweiten Hälfte<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts ausgegrabenen S<strong>ch</strong>weizer Burgen.<br />

Von rund vierhundert publizierten Exemplaren stammten<br />

etwa 120 Hufeisen aus Burgen, von denen sogar die<br />

Wohnzeit bekannt war. Damit waren von diesen Funden<br />

die meisten auf einige Jahrzehnte, andere zumin<strong>des</strong>t auf<br />

Jahrhunderte genau datiert. Bei der ersten Si<strong>ch</strong>tung einer<br />

Hufeisensammlung stellt man vorerst eine verwirrende<br />

Vielfalt an Formen fest (Imhof, 2004). Als Hauptgrund<br />

ermittelten wir, dass im Mittelalter je<strong>des</strong> Vierteljahrhundert<br />

ein neuer Hufeisentyp zur Anwendung kam, der si<strong>ch</strong><br />

entweder in Formeinzelheiten oder in den Messberei<strong>ch</strong>en<br />

bestimmter Masse von den Na<strong>ch</strong>bartypen unters<strong>ch</strong>eidet.<br />

Zudem haben wir festgestellt, dass in den Sammlungen<br />

irrtümli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Eisen von Maultieren, O<strong>ch</strong>sen und<br />

S<strong>ch</strong>uheisen <strong>des</strong> Mens<strong>ch</strong>en zu fi nden sind (Abb. 2). Der<br />

Variationsrei<strong>ch</strong>tum ist aber au<strong>ch</strong> anatomis<strong>ch</strong> bedingt,<br />

denn Vorder- und Hintereisen unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong><br />

in der Form. <strong>Die</strong>se Punkte mussten bei der Auswertung<br />

bea<strong>ch</strong>tet werden. Dur<strong>ch</strong> den Verglei<strong>ch</strong> der Hufeisen<br />

aus den datierten Burgen konnte eine grobe zeitli<strong>ch</strong>e<br />

Typenabfolge bis ins 17. Jahrhundert abgeleitet werden.<br />

<strong>Die</strong>s war die grösste Hilfe bei der Erstellung der Hufeisen-Chronologietabelle.<br />

Wie vorgegangen wurde, erhellt<br />

aus der Tabelle 1 (siehe au<strong>ch</strong> Imhof, 2004).<br />

Ergebnisse<br />

Der Pferdegebrau<strong>ch</strong> in der Frühzeit<br />

Der Mens<strong>ch</strong> verlangte vom Pferd s<strong>ch</strong>on in der Frühzeit<br />

grössere Leistungen, als es von der freien Wildbahn gewohnt<br />

war. So geht aus alten Beri<strong>ch</strong>ten hervor, dass bei<br />

den asiatis<strong>ch</strong>en Reitervölkern tägli<strong>ch</strong> Strecken von hundert<br />

bis 150 km im Sattel zurückgelegt wurden. Da zu<br />

dieser Zeit die Pferde barfuss gingen, setzte vor allem<br />

die Hufabnutzung, vorwiegend bedingt dur<strong>ch</strong> die Distanz<br />

aber au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Zustand <strong>des</strong> Weges, sol<strong>ch</strong>em<br />

exzessiven Gebrau<strong>ch</strong> Grenzen. <strong>Die</strong>s hatte zur Folge, dass<br />

Tiere lahmten und Tage bis Wo<strong>ch</strong>en der Ruhe bedurften.<br />

S<strong>ch</strong>on Aristoteles beri<strong>ch</strong>tete im 3. Jahrhundert vor Christus<br />

über Ausfälle von Pferden in den Kavallerieheeren,<br />

bedingt dur<strong>ch</strong> Sohlenabnutzung (S<strong>ch</strong>lieben, 1888).


S<strong>ch</strong>weiz. Ar<strong>ch</strong>. Tierheilk.<br />

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U. Imhof, Band 152, Heft 1, Januar 2010, 21 – 29<br />

Tabelle 1: Das Vorgehen zur Erstellung der Chronologie der Hufeisen (eigene Darstellung).<br />

<strong>Die</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

23


24 Originalarbeiten<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

Tabelle 2:<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung<br />

<strong>des</strong><br />

Hufs<strong>ch</strong>utzes<br />

im Laufe der<br />

Zeit (eigene<br />

Darstellung).<br />

25


26 Originalarbeiten<br />

<strong>Die</strong>ser S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e <strong>des</strong> Pfer<strong>des</strong> su<strong>ch</strong>te man, wie aus S<strong>ch</strong>riften<br />

vieler antiker Autoren und Darstellungen hervorgeht, seit<br />

der frühesten Zeit mit den vers<strong>ch</strong>iedensten Arten von<br />

Hufs<strong>ch</strong>utz zu begegnen. <strong>Die</strong> einfa<strong>ch</strong>ste Art, die Umhüllung<br />

der Hufe (s. Tab. 2), ist s<strong>ch</strong>on für das 14. Jahrhundert<br />

vor Christus na<strong>ch</strong>gewiesen. Sie fi ndet si<strong>ch</strong> auf Reiterdarstellungen<br />

am Tempel von Medinet-Habu in Theben,<br />

Ägypten (S<strong>ch</strong>lieben, 1888). Im antiken Grie<strong>ch</strong>enland und<br />

dem römis<strong>ch</strong>en Imperium wurden seit dem 5. Jahrhundert<br />

vor Christus bis ins 6. Jahrhundert unserer Zeitre<strong>ch</strong>nung<br />

gefl o<strong>ch</strong>tene Sandalen (soleae sparteae) benutzt (s.<br />

Tab. 2). Eine derartige Ausrüstung ist bis heute in Japan<br />

in Gebrau<strong>ch</strong> (Mitteilung von Frau Th. Leutwyler, Thun).<br />

Sie waren ni<strong>ch</strong>t mehr als ein Notbehelf. So bemängelte<br />

Absyrtos (4. Jahrhundert na<strong>ch</strong> Christus) die unbefriedigende<br />

Befestigung, die zu S<strong>ch</strong>euerwunden führte sowie<br />

die starke Abnutzung der Fle<strong>ch</strong>tsohle (Brose, 1925).<br />

Im 1. Jahrhundert vor Christus wird erstmals von "Eisensohlen"<br />

(soleae ferreae) beri<strong>ch</strong>tet. Waren dies Fle<strong>ch</strong>tsandalen,<br />

die mit einer Eisensohle ausgerüstet waren oder<br />

sind die Eisens<strong>ch</strong>uhe gemeint, die si<strong>ch</strong> in römis<strong>ch</strong>en Niederlassungen<br />

fi nden und heute Hipposandalen genannt<br />

werden (s. Tab. 2)? Wir wissen es ni<strong>ch</strong>t. Denn in der antiken<br />

Literatur fi ndet si<strong>ch</strong> nirgends eine eingehende Bes<strong>ch</strong>reibung<br />

dieses Gegenstan<strong>des</strong>. Es liegt nur eine Fundmeldung<br />

einer Sandale mit Eisenplatte vor. Sie ist im<br />

Pompeji gefunden worden und war zur Zeit von S<strong>ch</strong>lieben<br />

im Museo Borbonico in Neapel ausgestellt (S<strong>ch</strong>lieben,<br />

1888). Wenn au<strong>ch</strong> der gefl o<strong>ch</strong>ten Teil si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erhalten<br />

hat, so sollten do<strong>ch</strong> Hufplatten gefunden werden. Es ist zu<br />

erwarten, dass diese Sohlenplatten si<strong>ch</strong> von den späteren<br />

türkis<strong>ch</strong>en Eisen dadur<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eiden, dass bei ihnen<br />

die zur Fixation nötigen Lö<strong>ch</strong>er rundum, jedenfalls au<strong>ch</strong><br />

im Vorderberei<strong>ch</strong>, vorkommen und ni<strong>ch</strong>t nur seitli<strong>ch</strong>. In<br />

Tabelle 2 ist ein hypothetis<strong>ch</strong>es Modell gezei<strong>ch</strong>net.<br />

<strong>Die</strong> Reitervölker der russis<strong>ch</strong>en Steppe s<strong>ch</strong>einen das Problem<br />

abgenutzter Hufen bei ihren Pferden im Gegensatz<br />

zu den Kulturvölkern kaum gekannt zu haben. Dafür gibt<br />

es vers<strong>ch</strong>iedene Gründe: Ihre Pferde waren s<strong>ch</strong>on dur<strong>ch</strong><br />

entspre<strong>ch</strong>ende Zu<strong>ch</strong>t sowie dur<strong>ch</strong> die Haltung im Freien<br />

auf dem für das Pferd idealen trockenen und sandigen<br />

Steppenboden den gestellten Ansprü<strong>ch</strong>en <strong>des</strong> Mens<strong>ch</strong>en<br />

besser gewa<strong>ch</strong>sen. Zudem ist bekannt, dass z. B. jeder<br />

mongolis<strong>ch</strong>e Reiterkrieger drei Ersatzpferde mitnehmen<br />

musste. Somit konnte er bei Bedarf unterwegs auf ein<br />

anderes Pferd umsatteln. Mit grosser Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit<br />

wurden zudem die folgenden Massnahmen angewendet,<br />

die au<strong>ch</strong> heute übli<strong>ch</strong> sind, wie das Meiden steiniger Wegstrecken,<br />

das Einlegen von Ruhepausen und We<strong>ch</strong>seln der<br />

Gangart. Weiter wird im steilen Gelände abgesessen und<br />

der Reiter geht neben dem Pferd.<br />

<strong>Die</strong> Erfi ndung <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

Bei den Reitervölkern stand das Pferd in hohem Ansehen.<br />

<strong>Die</strong>s belegen eindrückli<strong>ch</strong> die Grabfunde in den Kurganen,<br />

den mä<strong>ch</strong>tigen Hügelgräbern in der russis<strong>ch</strong>en<br />

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Abbildung 3: Skythis<strong>ch</strong>er Krieger<br />

(Leskov A. M., 1974).<br />

Steppe. In ihnen fanden<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur die<br />

Gebeine <strong>des</strong> Fürsten<br />

und seiner wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

<strong>Die</strong>ner, sondern au<strong>ch</strong><br />

Skelette seiner Pferde<br />

(Leskov, 1974). <strong>Die</strong>s<br />

hinderte diese Völker<br />

ni<strong>ch</strong>t Pferdefl eis<strong>ch</strong> zu<br />

essen und es ist anzunehmen,<br />

dass au<strong>ch</strong> andere<br />

S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tprodukte<br />

Verwendung fanden<br />

(S<strong>ch</strong>lieben, 1888).<br />

Deshalb ist der Beri<strong>ch</strong>t<br />

von Pausanias (5. Jahrhundert<br />

vor Christus)<br />

glaubwürdig, dass diese<br />

Völker in der Frühzeit,<br />

als no<strong>ch</strong> kein Metall<br />

zur Verfügung stand,<br />

Plätt<strong>ch</strong>en aus Hufkapselhorn als Verstärkung aufs Panzerhemd<br />

genäht haben (Abb. 3) (S<strong>ch</strong>lieben, 1888). Eine der<br />

Folgen dieser intensiven Auss<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tung bestand si<strong>ch</strong>er<br />

darin, dass sie eingehende Kenntnis über die Anatomie<br />

<strong>des</strong> Pfer<strong>des</strong> verfügten. <strong>Die</strong>s könnte eine Erklärung für die<br />

s<strong>ch</strong>on vom grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>reiber Herodot (5.<br />

Jahrhundert vor Christus) mitgeteilte Beoba<strong>ch</strong>tung sein,<br />

dass die Reitervölker imstande waren, mit ihren Pferden<br />

über gefrorene Gewässer zu reiten. <strong>Die</strong>selbe Feststellung<br />

ma<strong>ch</strong>ten au<strong>ch</strong> römis<strong>ch</strong>e Truppen in kriegeris<strong>ch</strong>en Auseinandersetzungen<br />

mit Steppenvölkern (Winkelmann,<br />

1928). Leider liefert kein antiker Autoren einen Hinweis,<br />

warum damals die Pferde auf dem Eis ni<strong>ch</strong>t nur si<strong>ch</strong>er gehen,<br />

sondern sogar galoppieren konnten. <strong>Die</strong>se erstaunli<strong>ch</strong>e<br />

Trittsi<strong>ch</strong>erheit jener Pferde lässt si<strong>ch</strong> nur damit erklären,<br />

dass die Hufe mit einem Gleits<strong>ch</strong>utz ausgerüstet<br />

waren. Meine Annahme geht <strong>des</strong>halb dahin, dass diese<br />

Völker dank ihrer guten Anatomiekenntnisse gewusst<br />

haben, dass der fast zehn Millimeter dicke Hufrand aus<br />

totem Horn besteht und sie es <strong>des</strong>halb wagten, im Winter<br />

hier eine Reihe spitzköpfi ger Nägel einzusetzen (s. Tab.<br />

2). <strong>Die</strong>se Hypothese wird dur<strong>ch</strong> den Fund eines goldenen<br />

Hufban<strong>des</strong> in einem skythis<strong>ch</strong>en Grab in Alexandropol<br />

(Zippelius, o. Jg.) unterstützt. <strong>Die</strong>ses Zierban<strong>des</strong> war an<br />

Abbildung 4: Das skythis<strong>ch</strong>e Hufband (Foto in Zippelius G.,<br />

o. Jg. , abgezei<strong>ch</strong>net).


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Abbildung 5:<br />

Eisnägel. Burg Rickenba<strong>ch</strong>,<br />

13. Jahrhundert<br />

(Meyer – Hofmann W.,<br />

1972) und 20. Jahrhundert<br />

(S<strong>ch</strong>wendimann F.,<br />

o. Jg.).<br />

beiden Hufseiten mit neun kurzen Nägeln befestigt (Abb.<br />

4). Weiter war das Einsetzen von spitzköpfi gen Hufnägeln,<br />

Eisnägel genannt (Abb. 5), no<strong>ch</strong> bis in die Mitte <strong>des</strong><br />

20. Jahrhunderts ein probates Mittel, wenn unerwartet<br />

Eisglätte auftrat. Heute gebrau<strong>ch</strong>t man zum selben Zweck<br />

Steckstollen.<br />

<strong>Die</strong> Skythen waren das bekannteste Reitervolk. Sie lebten<br />

als Nomaden in der Region nördli<strong>ch</strong> <strong>des</strong> S<strong>ch</strong>warzen<br />

Meeres. Mit ihnen pfl egten die Grie<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>on vor unserer<br />

Zeitre<strong>ch</strong>nung während Jahrhunderten regen Handel.<br />

<strong>Die</strong> Stadt O<strong>des</strong>sa ist zum Beispiel als grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />

Handelsplatz gegründet worden. Hier trafen zwei vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Kulturen aufeinander, die gegensätzli<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t<br />

sein konnten, einerseits das Seefahrervolk der Grie<strong>ch</strong>en<br />

– andererseits das Steppenvolk der Skythen. Hier ein sesshaftes<br />

Volk, die „Ziegenhirten“ - da die „Mil<strong>ch</strong>fresser“, die<br />

nomadisierenden Viehzü<strong>ch</strong>ter mit ihren grossen S<strong>ch</strong>af-<br />

und Rinderherden und bekannt als ausgezei<strong>ch</strong>nete Pferdezü<strong>ch</strong>ter.<br />

Hier die Grie<strong>ch</strong>en mit ihrer ho<strong>ch</strong>stehenden<br />

Kultur – da die primitiven, kriegslüsternen Reiterkrieger.<br />

Hier die Meister der Steinbaukunst – da die besonders in<br />

der Metallbearbeitung ges<strong>ch</strong>ickten Handwerker.<br />

Si<strong>ch</strong>er haben die Skythen bei diesem intensiven Kontakt<br />

die bei den Grie<strong>ch</strong>en und Römern gebräu<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en soleae<br />

ferreae kennen gelernt und die Grie<strong>ch</strong>en den Winterbes<strong>ch</strong>lag<br />

der Reiterkrieger. Was lag näher, als dass ein skythis<strong>ch</strong>er<br />

S<strong>ch</strong>mied die beiden Erfi ndungen kombiniert hat,<br />

indem er die grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Hufplatte mit Hilfe der bei ihnen<br />

übli<strong>ch</strong>en Gleits<strong>ch</strong>utznägel am Huf befestigt hat: Der Hufbes<strong>ch</strong>lag<br />

war erfunden! <strong>Die</strong>s würde au<strong>ch</strong> erklären, warum<br />

der erste Hufnagel spitzköpfi g und die ersten Hufeisen<br />

plattenförmig waren. <strong>Die</strong>se Erfi ndung muss zwis<strong>ch</strong>en<br />

dem 4. und 5. Jahrhundert na<strong>ch</strong> Christus gema<strong>ch</strong>t worden<br />

sein, denn im 6. Jahrhundert wird der Hufbes<strong>ch</strong>lag in<br />

der S<strong>ch</strong>rift über die Kriegskunst von Justinian I (Byzantinis<strong>ch</strong>er<br />

Kaiser von 527 – 565 na<strong>ch</strong> Christus) zum ersten<br />

Mal erwähnt (Winkelmann, 1928). Der Bes<strong>ch</strong>lag hat die<br />

Verwendbarkeit <strong>des</strong> Pfer<strong>des</strong> eminent verbessert. Do<strong>ch</strong> bei<br />

Völkern im Orient und im übrigen Asien, wo die Pferde<br />

massvoll eingesetzt werden (wie au<strong>ch</strong> zum Beispiel in der<br />

Camargue), gehen sie no<strong>ch</strong> heute barfuss.<br />

Das runde, platte Hufeisen, wie es offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zu Beginn<br />

zur Anwendung kam, ist bis heute unter dem Namen<br />

türkis<strong>ch</strong>es oder orientalis<strong>ch</strong>es Eisen im Vorderen Orient<br />

in Gebrau<strong>ch</strong> (s. Tab. 2). Dass es no<strong>ch</strong> in unserer Zeit verwendet<br />

wird, beweist das Exemplar, das si<strong>ch</strong> in der Samm-<br />

<strong>Die</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

lung der S<strong>ch</strong>miede <strong>des</strong> Tierspitals Bern befi ndet. <strong>Die</strong>ses<br />

Eisen wurde von Professor R. Fankhauser in den 80iger<br />

Jahren <strong>des</strong> letzten Jahrhunderts im Irak gekauft.<br />

Vermutli<strong>ch</strong> wurden am Anfang die Nägel ledigli<strong>ch</strong> senkre<strong>ch</strong>t<br />

von unten ins Wandhorn einges<strong>ch</strong>lagen (Abb. 6). Da<br />

aber dieses Gewebe spröde ist, werden si<strong>ch</strong> die Nägel na<strong>ch</strong><br />

kurzer Zeit gelockert haben und ausgefallen sein, was zum<br />

Verlust <strong>des</strong> Eisens führte.<br />

Der erste Bes<strong>ch</strong>lag war also ni<strong>ch</strong>t dauerhaft. <strong>Die</strong>s ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

der Hauptgrund, warum Kaiser Justinian I. in<br />

der zitierten S<strong>ch</strong>rift das Anbringen von Hufeisen nur vor<br />

einem Sturmangriff verlangte (S<strong>ch</strong>lieben, 1888). Denn<br />

wie die Reiterattacke der Steppenvölker war au<strong>ch</strong> der<br />

grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Sturmangriff eine kriegeris<strong>ch</strong>e Aktion von<br />

kurzer Dauer, da wirkte si<strong>ch</strong> die unbefriedigende Befestigung<br />

ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>teilig aus. In diesem Fall dienten die<br />

angebra<strong>ch</strong>ten Hufplatten als S<strong>ch</strong>utz vor den gefür<strong>ch</strong>teten<br />

Verletzungen dur<strong>ch</strong> Fussangeln (Abb. 7), die vor den<br />

feindli<strong>ch</strong>en Linien gestreut waren.<br />

Der Hufbes<strong>ch</strong>lag fand offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> in den ersten Jahrhunderten<br />

seiner Erfi ndung keine allgemeine Verbreitung<br />

(Zippelius, o. Jg.). Damals mag einer der Gründe die<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Befestigung gewesen sein. Vor allem aber war es<br />

der Umstand, dass der Reiter selber oder sein Pferdekne<strong>ch</strong>t<br />

den Bes<strong>ch</strong>lag vornehmen musste. Denn man für<strong>ch</strong>tete<br />

mögli<strong>ch</strong>e Hufverletzungen dur<strong>ch</strong> zu tief gesetzte Nägel.<br />

Jedenfalls spürt man diese Sorge aus der Bes<strong>ch</strong>lagsanleitung<br />

im Bu<strong>ch</strong> <strong>des</strong> ersten arabis<strong>ch</strong>en Tierarztes Ya’qub ibn<br />

Hizam al Huttuli aus dem 9. Jahrhundert, denn er spri<strong>ch</strong>t<br />

von einem Eisen „das man sorgfältig am Huf anbringt“<br />

(von den Dries<strong>ch</strong>, 2003). <strong>Die</strong>s würde erklären, warum<br />

im selben Jahrhundert der grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Kaiser Leo VI. in<br />

seinem Bu<strong>ch</strong> der Taktik ausführli<strong>ch</strong> das Vorgehen beim<br />

Bes<strong>ch</strong>lagen bes<strong>ch</strong>reibt (Winkelmann, 1928).<br />

Es bedeutete einen grossen Forts<strong>ch</strong>ritt, als zu dieser Zeit<br />

die Art der Nagelung erfunden wurde, die si<strong>ch</strong> bis heute<br />

bewährt hat. Dabei wird der Nagel so eingetrieben, dass<br />

seine Spitze die Hufwand auf einer gewissen Höhe von<br />

innen dur<strong>ch</strong>stösst. Das auf der Aussenwand ausgetretene<br />

Nagelende wurde früher aufgerollt, heute bis auf ein<br />

kurzes Stück abgezwickt und der Stummel umgebogen.<br />

Damit errei<strong>ch</strong>t man eine solide Vernietung (Abb. 8).<br />

Abbildung 6: Anfängli<strong>ch</strong>e<br />

Nagelung (na<strong>ch</strong> Weishaupt<br />

M. H., 2008).<br />

Abbildung 7: Fussangel.<br />

Burg Rickenba<strong>ch</strong>, 13. Jahrhundert<br />

(Meyer – Hofmann<br />

W., 1972).<br />

27


28 Originalarbeiten<br />

Abbildung 8: Nagelung heute (na<strong>ch</strong> Weishaupt M. H., 2008).<br />

<strong>Die</strong> Weiterentwicklung <strong>des</strong> Hufeisens in<br />

Westeuropa<br />

Ebenfalls im 9. Jahrhundert treten in Westeuropa die ersten<br />

Hinweise auf den Gebrau<strong>ch</strong> von Hufeisen auf. Do<strong>ch</strong><br />

wird hier von Anfang an ni<strong>ch</strong>t ein Platteneisen verwendet,<br />

sondern eine weiterentwickelte Form, das Stabeisen (s.<br />

Tab. 2). Es spre<strong>ch</strong>en mehrere Gründe dafür, dass der Ursprung<br />

<strong>des</strong> Stabeisens in Oberitalien zu su<strong>ch</strong>en ist. Denn<br />

das bis heute älteste bekannte Hufeisenfragment, datiert<br />

anfangs 9. Jahrhundert, wurde im Castel Grande von Bellinzona<br />

gefunden (Meyer, 1976). Nun standen vom 6. bis<br />

9. Jahrhundert weite Teile Italiens, so au<strong>ch</strong> die Lombardei,<br />

unter byzantinis<strong>ch</strong>er Herrs<strong>ch</strong>aft. Dabei lernte die einheimis<strong>ch</strong>e<br />

Bevölkerung das orientalis<strong>ch</strong>e Hufeisen kennen,<br />

das in der Zeit von Kaiser Leo VI eine halbmondförmige<br />

Gestalt aufwies, da damals hinten der dreieckige Hufstrahl<br />

ni<strong>ch</strong>t bedeckt wurde. In Italien wurde nun ni<strong>ch</strong>t mehr eine<br />

Ble<strong>ch</strong>platte als Grundlage verwendet, sondern ein dem Huf<br />

angepasster fl a<strong>ch</strong>er Eisenstab, wie dies bis heute übli<strong>ch</strong> ist.<br />

Sein Erfi nder muss ein Pferdkenner und guter Beoba<strong>ch</strong>ter<br />

gewesen sein, der den Hufaufbau erfasst hat und wusste,<br />

wel<strong>ch</strong>e Partien belastet werden dürfen und wel<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t.<br />

<strong>Die</strong> dargelegte Entstehungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>des</strong> Stabhufeisens<br />

ist eine Hypothese, da wir trotz eingehenden Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>en<br />

weder s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e Beri<strong>ch</strong>te no<strong>ch</strong> Meldungen über frühe<br />

Hufeisen in Italien gefunden haben.<br />

Wie si<strong>ch</strong> die <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong>te<strong>ch</strong>nik im Mittelalter bis in<br />

unsere Zeit weiterentwickelt hat, geht aus unserer Chronologietabelle<br />

hervor. Sie ist aber zu umfangrei<strong>ch</strong>, um<br />

hier publiziert zu werden. <strong>Die</strong>se Zusammenstellung lässt<br />

erkennen, dass im Laufe der Zeit vier Haupttypen in Gebrau<strong>ch</strong><br />

waren: Das Wellenrandeisen, das Stempeleisen,<br />

dann das Falzeisen und das Griffeisen (s. Tab. 2). Im 19.<br />

Jahrhundert verwendete man wieder ein Stempeleisen<br />

und ab Mitte <strong>des</strong>selben Jahrhunderts bevorzugte man für<br />

Reitpferde Falzeisen. Bald kamen die ersten fabrikmässig<br />

hergestellten Eisen in den Handel, die bis in die 30er Jahre<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts die handgefertigten ganz verdrängten.<br />

Man stellt fest, dass eine neue Hufeisenform immer dann<br />

U. Imhof, Band 152, Heft 1, Januar 2010, 21 – 29 S<strong>ch</strong>weiz. Ar<strong>ch</strong>. Tierheilk.<br />

© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern<br />

kreiert wurde, wenn dur<strong>ch</strong> einen Forts<strong>ch</strong>ritt in der Eisenverarbeitung<br />

die Metallqualität verbessert worden war<br />

(Bou<strong>ch</strong>ayer, 1956).<br />

Bis anfangs <strong>des</strong> 17. Jahrhunderts, also in der Zeit der der<br />

drei ersten Hauptformen, war immer no<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>malkopfnagel<br />

(oder wie er bisher hiess der geigen- oder violins<strong>ch</strong>lüsselartige<br />

Nagel) in Gebrau<strong>ch</strong> (Abb. 9). <strong>Die</strong>s<br />

belegen steckende Exemplare in den gefundenen Hufeisen<br />

und es lässt si<strong>ch</strong> dies au<strong>ch</strong> auf Pferdedarstellungen<br />

erkennen (Abb.1). Der S<strong>ch</strong>malkopfnagel diente vorab<br />

zum Festhalten <strong>des</strong> Eisens, zudem aber vers<strong>ch</strong>affte er mit<br />

seinem spitzen Kopf soliden Halt auf den steinigen Wegen<br />

im Gebirge und bei Winterglätte. Do<strong>ch</strong> im Fla<strong>ch</strong>land,<br />

wo die Naturwege immer häufi ger von bekiesten Strassen<br />

abgelöst wurden, muss das Gehen auf den Nagelköpfen<br />

hinderli<strong>ch</strong> und eine Belastung für die Fussgelenke gewesen<br />

sein. Deshalb bedeutete der Ersatz dieses Nageltyps<br />

dur<strong>ch</strong> den versenkten Breitkopfnagel (Abb. 9) einen e<strong>ch</strong>ten<br />

Forts<strong>ch</strong>ritt. Zudem verlieh das nun übli<strong>ch</strong>e Griffeisen<br />

dem Pferd einen besseren Stand.<br />

Bis zu dieser Zeit bes<strong>ch</strong>lug der Besitzer oder sein Stallkne<strong>ch</strong>t<br />

das Pferd. Dabei wurde es nur mit Eisen ausgerüstet,<br />

wenn eine weite Reise bevorstand. <strong>Die</strong> Hufeisen<br />

bezog man beim Dorfs<strong>ch</strong>mied oder auf dem Markt. Seit<br />

Beginn <strong>des</strong> 17. Jahrhundert wurde es allgemein übli<strong>ch</strong>,<br />

diese Arbeit dem S<strong>ch</strong>mied zu übertragen.<br />

In Tabelle 2 ist die Entwicklung <strong>des</strong> Hufs<strong>ch</strong>utzes im Laufe<br />

der Zeit dargestellt. Sie ma<strong>ch</strong>t uns bewusst, dass seit der<br />

Domestikation <strong>des</strong> Pfer<strong>des</strong> mehr als viertausend Jahre<br />

vergingen, bis dem Mens<strong>ch</strong>en ein praxistaugli<strong>ch</strong>er Hufs<strong>ch</strong>utz<br />

gelang. Weiter geht aus dieser Übersi<strong>ch</strong>t hervor,<br />

dass die antiken Völker das Hufeisen ni<strong>ch</strong>t gekannt haben.<br />

<strong>Die</strong> in Sammlungen als römis<strong>ch</strong> oder keltis<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>neten<br />

Hufeisen sind na<strong>ch</strong> unserer Chronologietabelle<br />

Exemplare aus dem Mittelalter oder ni<strong>ch</strong>t erkannte<br />

Maultiereisen derselben Zeit.<br />

Abbildung 9: S<strong>ch</strong>malkopfnagel (links) und Breitkopfnägel<br />

(re<strong>ch</strong>ts).


S<strong>ch</strong>weiz. Ar<strong>ch</strong>. Tierheilk.<br />

© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern<br />

Literatur<br />

U. Imhof, Band 152, Heft 1, Januar 2010, 21 – 29<br />

Bou<strong>ch</strong>ayer J.: Les Chartreux Maîtres de forges 1084 – 1170. Les<br />

forges forestières. Le fer à travers les âges, hommes et tecniques.<br />

Nancy. 1956.<br />

Brose O.: Zur <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong>e Hufbes<strong>ch</strong>lages. Berlin. 1925.<br />

Imhof U.: <strong>Die</strong> Chronologie der Hufeisen aus S<strong>ch</strong>weizer Fundstellen.<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Ar<strong>ch</strong>. Tierheilk., 2004, 146: 17 – 25.<br />

Ju<strong>ch</strong>li C.: <strong>Die</strong> Graffi ti im S<strong>ch</strong>loss Spiez. (Dokumentation der<br />

Stiftung). o. Jg.<br />

Leskov A. M.: <strong>Die</strong> skythis<strong>ch</strong>en Kurgane. Antike Welt, 5. Jg., (Sondernummer).<br />

1974.<br />

Meyer-Hofmann W.: <strong>Die</strong> Burgstelle Rickenba<strong>ch</strong>. Jb. f. Soloth.<br />

Ges<strong>ch</strong>. 1972, 54: 316ff.<br />

Meyer W.: Das Castel Grande in Bellinzona. Beiträge zur Kulturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

und Ar<strong>ch</strong>äologie <strong>des</strong> Mittelalters. Walter-Verlag,<br />

Olten und Freiburg i.Br. 1976.<br />

Meyer W.: <strong>Die</strong> Burgruine Alt-Wartburg im Kanton Aargau.<br />

S<strong>ch</strong>weiz. Beiträge zur Kulturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Ar<strong>ch</strong>äologie <strong>des</strong><br />

Mittelalters. Walter-Verlag, Olten und Freiburg i.Br. 1984.<br />

S<strong>ch</strong>lieben: <strong>Die</strong> Hufeisen-Frage. Ann. <strong>des</strong> Vereins f. Nass. Altertumsk.<br />

u. Ges<strong>ch</strong>.fors<strong>ch</strong>ung. 1888: 334 – 364.<br />

S<strong>ch</strong>wendimann F.: Leitfaden <strong>des</strong> Hufbes<strong>ch</strong>lages. Bern. o. Jg. (um<br />

1900).<br />

von den Dries<strong>ch</strong> A., J. Peters: <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> der Tiermedizin, 2.<br />

Aufl ., Stuttgart. 2003.<br />

Weishaupt M. H.: e hoof, DVD, 2008.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

Winkelmann F.: Über das Hufeisen. Germania. 1928, 12, 4:<br />

135 – 143.<br />

Zippelius G.: <strong>Die</strong> ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Anfänge <strong>des</strong> europäis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong>. Der Hufs<strong>ch</strong>mied. o. Jg.: 1 – 30.<br />

Dank<br />

Bei meiner Fors<strong>ch</strong>ung über die <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>des</strong> <strong>Hufbes<strong>ch</strong>lags</strong><br />

wurde i<strong>ch</strong> von vielen Seiten unterstützt. S<strong>ch</strong>on<br />

in den ersten Jahren liess mir der verstorbene Zür<strong>ch</strong>er<br />

Kantonsar<strong>ch</strong>äologe Walter Drack eine grosse Zahl Publikationen<br />

zu diesem Thema zukommen. Später erhielt i<strong>ch</strong><br />

jegli<strong>ch</strong>e Hilfe vom Zentralsekretär der S<strong>ch</strong>weiz. Gesells<strong>ch</strong>aft<br />

für Ar<strong>ch</strong>äologie, U. Niffeler und seinen Mitarbeitern.<br />

Au<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>es Mitglied der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Vereinigung<br />

für die <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> der Veterinärmedizin half mir<br />

bei S<strong>ch</strong>wierigkeiten. Zudem beanspru<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> das Wissen<br />

und die Kenntnisse meiner vier Ges<strong>ch</strong>wister, vor allem<br />

von Max Imhof – Typaldos, Dr. phil. I, emerit. a. o. Professor<br />

für Klassis<strong>ch</strong>e Philologie an der Universität Bern.<br />

Korrespondenz<br />

Dr. med. vet. Urs Imhof<br />

Mühlerain 60<br />

CH-3210 Kerzers<br />

Tel. +41 31 755 65 32<br />

Email: imhof.u@bluewin.<strong>ch</strong><br />

Manuskripteingang: 20. August 2009<br />

Angenommen: 16. Oktober 2009<br />

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