Hartmut SCHOLZ - Corpus Vitrearum Freiburg
Hartmut SCHOLZ - Corpus Vitrearum Freiburg
Hartmut SCHOLZ - Corpus Vitrearum Freiburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Heimatstadt zu stiften 29 . Tatsächlich existiert mit Dürers<br />
aquarelliertem Gesamtentwurf für ein Georgsfenster in<br />
der Graphischen Sammlung des Frankfurter Städel, der<br />
aufgrund motivischer wie zeichnerischer Bezüge zur<br />
Apokalypse 30 überzeugend um 1496–1498 datiert wird,<br />
ein dem Straubinger Mosesfenster in allen wesentlichen<br />
Punkten vergleichbares Projekt, gleichviel ob es jemals<br />
zur Ausführung gelangte oder nicht (Abb. 28) 31 . Georgs<br />
Drachenkampf ist – wie in Straubing – ohne Rücksicht<br />
auf Bahn- und Zeilenteilung für ein vierbahniges Fenster<br />
konzipiert, jedoch, im Unterschied zum Moses, ohne<br />
das Maßwerkcouronnement nur vier statt sieben Zeilen<br />
hoch. Eine gemalte filigrane Maßwerkbekrönung, wie<br />
sie dem eigentlichen Fenstermaßwerk in der Frankfurter<br />
Visierung spielerisch hinterlegt erscheint, wäre als<br />
mögliche ursprüngliche Abschlußlösung auch für das<br />
Mosesfenster in Betracht zu ziehen, selbst wenn das<br />
Fehlen seitlicher Architekturstützen im ausgeführten<br />
Fenster diese Überlegung nicht eben unterstreicht.<br />
Ebensogut wäre an eine einfache Fortsetzung des<br />
Wolkenhimmels in den Kopfscheiben, Fischblasen und<br />
Dreipässen des Couronnements zu denken 32 . Daß die<br />
Kühnheit des Frankfurter Entwurfs, die von sämtlichen<br />
29 Einer Anregung von Matthias Mende folgend wäre<br />
freilich in diesen ersten Jahren nach Dürers Rückkehr aus<br />
Italien auch eine Empfehlung von Seiten des deutschen »Erzhumanisten«<br />
Conrad Celtis – Dürers frühem Bewunderer<br />
und Apologeten – oder aus dessen Umfeld in Betracht zu<br />
ziehen. Im Fall des 1497 nach Entwürfen Dürers ausgeführten<br />
Spendle-Fensters in der Oberen Pfarrkirche zu<br />
Ingolstadt kämen jedenfalls sowohl der von 1492–1497 als<br />
Rhetorikprofessor an der Universität Ingolstadt lehrende<br />
Celtis als auch Sixtus Tucher, Professor für Zivilrecht und<br />
zeitweise Rektor ebenda, als aktive Vermittler des Auftrags<br />
in die engere Wahl. Der Fensterstifter Johannes Adorf war<br />
schließlich selbst Theologieprofessor in Ingolstadt. – Hierzu<br />
allgemein: Dieter Wuttke: Dürer und Celtis: Von der Bedeutung<br />
des Jahres 1500 für den deutschen Humanismus:<br />
»Jahrhundertfeier als symbolische Form«. In: Journal of<br />
Medieval and Renaissance Studies, Bd. 10 (1980), S. 73–<br />
129. – Matthias Mende u. a.: Albrecht Dürer – ein Künstler<br />
in seiner Stadt (Katalog der Ausstellung Nürnberg 2000).<br />
Nürnberg 2000, besonders S. 44–76 (Franz Machilek) und<br />
S. 107–115 (Matthias Mende). – Amor als Topograph. 500<br />
Jahre »Amores« des Conrad Celtis. Ein Manifest des deutschen<br />
Humanismus (Katalog der Ausstellung Schweinfurt<br />
2002). Schweinfurt 2002, passim.<br />
16<br />
Autoren zu Recht gerühmt und nicht zuletzt sogar mit<br />
der Unerfahrenheit des jungen Dürer in Fragen der<br />
glasmalerischen Umsetzung erklärt wurde, einer<br />
technischen Ausführung keineswegs im Wege stand, wie<br />
wiederholt vermutet, stellt ein Blick auf das Mosesfenster<br />
eindrucksvoll unter Beweis. Die Begründung,<br />
der Entwurf sei »in technischer Hinsicht unpraktikabel«<br />
[…], »denn die Glasmaler hätten die großen Formen<br />
unterteilen müssen, da sie bis dahin gewohnt waren,<br />
kleine Glasstücke mit Bleistegen zusammenzusetzen« 33 ,<br />
zielt tatsächlich ins Leere, denn an dieser Grundvoraussetzung<br />
musivischer Glasmalerei [der Notwendigkeit<br />
des Zusammenfügens kleinerer und auch verschiedenfarbiger<br />
Glasstücke im Bleinetz] kamen die Glasmaler<br />
des Mittelalters bis zum Einsatz von Schmelzfarben im<br />
späteren 16. Jahrhundert generell nicht vorbei – einerlei,<br />
ob es sich um feldgroße oder um fensterübergreifende<br />
Bildkompositionen handelte. Vielmehr muß dieser<br />
fulminante Auftakt als bewußte Überschreitung der in<br />
Nürnberg und anderswo gültigen formalen Grenzen der<br />
traditionellen Glasmalerei verstanden werden, die bis<br />
dahin – wie zuletzt in den Chorfenstern von St. Lorenz<br />
– allein und bevorzugt additive Kompositionslösungen<br />
30 Verwiesen sei nur auf die eng verwandte Darstellung des<br />
heiligen Georg zu Pferd im Hintergrund des babylonischen<br />
Weibs der Apokalypse (13. Figur).<br />
31 Auf diese Parallele hat schon Ebner (Anm. 2), S. 113–<br />
114, verwiesen, eine Zuweisung des Fensters an Dürer aber<br />
trotzdem explizit verworfen. – Zur Frankfurter Zeichnung<br />
insbesondere: Hermann Schmitz: Die Glasgemälde des<br />
Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin. Berlin 1913,<br />
Textbd., S. 139–140. – Friedrich Winkler: Die Zeichnungen<br />
Albrecht Dürers, Bd. 1. Berlin 1936, Nr. 197. – Kat. Los<br />
Angeles (Anm. 14), Kat.-Nr. 9 (Barbara Butts). – Die kürzlich<br />
von Fritz Koreny (Anm. 16), S. 161, vorgenommene Spätdatierung<br />
des Blatts um 1506 und die Zuschreibung an den<br />
Dürerschüler Hans Schäufelein ist dagegen entschieden<br />
abzulehnen. – Zurückgewiesen wird diese Neuzuschreibung<br />
auch in: Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 3: Buchillustrationen.<br />
Bearb. von Rainer Schoch, Matthias Mende<br />
und Anna Scherbaum. München, Berlin, London und New<br />
York 2004, S. 22, Anm. 84 (Matthias Mende).<br />
32 Vgl. nochmals Anm. 6.<br />
33 So zuletzt in: Wendepunkte deutscher Zeichenkunst.<br />
Spätgotik und Renaissance im Städel (Katalog der Ausstellung<br />
Frankfurt 2003). Frankfurt am Main 2003, Kat.-<br />
Nr. 21 (Stephanie Buck).