Diagnostik ausgewählter Merkmale und Konstrukte Vorlesung DP/D&I
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<strong>Diagnostik</strong> <strong>ausgewählter</strong> <strong>Merkmale</strong> <strong>und</strong> <strong>Konstrukte</strong><br />
Dipl.-Psych. Sören Schmidt<br />
<strong>Vorlesung</strong> <strong>DP</strong>/D&I<br />
Prof. F. Petermann (WS 2008/09)<br />
<strong>Diagnostik</strong> <strong>ausgewählter</strong> <strong>Merkmale</strong> <strong>und</strong> <strong>Konstrukte</strong><br />
Aggressionsdiagnostik,<br />
Angstdiagnostik,<br />
Depressionsdiagnostik<br />
1
V11 | Aggressionsdiagnostik | 3<br />
Kennzeichen <strong>und</strong> Formen aggressiven Verhaltens<br />
Aggression = zielgerichtete Schädigung oder Schädigungsabsicht einer oder<br />
mehrerer Personen, die den üblichen sozialen Regeln <strong>und</strong> Erwartungen<br />
widerspricht. id i ht<br />
Formen aggressiven Verhaltens z.B.:<br />
• körperliche Aggression<br />
• verbale Aggression<br />
• Sachzerstörung<br />
• indirekte (auch soziale oder relationale) Aggression<br />
– TTritt itt bbei i F Frauen / Mäd Mädchen h hä häufiger fi auf f als l kö körperliche li h AAggression. i<br />
– Diese Form der Aggression kennzeichnet, dass man den Urheber des<br />
aggressiven Verhaltens schwer erkennen kann (verdeckte Aggression)<br />
<strong>und</strong> besonders häufig sozial-manipulative Formen auftreten.<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 4<br />
Kennzeichen <strong>und</strong> Formen aggressiven Verhaltens<br />
• Form des aggressiven Verhaltens ist abhängig vom Alter des Kindes /<br />
Jugendlichen oder ob das Verhalten von Erwachsenen ausgeübt wird.<br />
• Im Jugend- <strong>und</strong> Erwachsenenalter ist aggressives Verhalten mit dem<br />
übertreten gesetzlicher <strong>und</strong> gesellschaftlicher Normen verb<strong>und</strong>en (z.B.<br />
Diebstahl, Raub, Erpressung, körperliche <strong>und</strong> sexuelle Gewalt).<br />
• Aggressives Verhalten stellt bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen - mit einer<br />
Prävalenz von 5% - die häufigste psychische Störung dar.<br />
• Im Erwachsenalter bezeichnet man diese Störung als antisoziale<br />
Persönlichkeitsstörung, die 4% aller Männer aufweisen (bei Frauen deutlich<br />
seltener).<br />
2
V11 | Aggressionsdiagnostik | 5<br />
Verfahren zur Erfassung aggressiven Verhaltens<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Heterogenität <strong>und</strong> Spezifität aggressiven Verhaltens <strong>und</strong> der<br />
Vielzahl unterschiedlicher theoretischer Erklärungsversuche, bestehen sehr<br />
unterschiedliche t hi dli h AAnsätze ät zur EErfassung f von AAggression. i<br />
So gibt es Fragebögen zu folgenden Bereichen (nach Dahlberg, Toal <strong>und</strong><br />
Behrens, 1998):<br />
• Einstellung zu Aggression <strong>und</strong> Gewalt in der Schule, gegenüber<br />
Minderheiten, gegenüber Frauen<br />
• Gewalt in Partnerschaft, am Arbeitsplatz<br />
• Bewertungen von Waffen / Waffengebrauch<br />
• aggressive Fantasieinhalte<br />
• soziale Verantwortung <strong>und</strong> Unterstützungsbereitschaft<br />
• Impulskontrolle, Ärgerkontrolle <strong>und</strong> Handlungssteuerung<br />
Zudem existieren eine Vielzahl alters- sowie situationsspezifischer<br />
Beobachtungs- <strong>und</strong> Explorationsverfahren (siehe Suris et al. 2004).<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 6<br />
Fragebogen zur Selbsteinschätzung<br />
Aggressionsfragbogen von Buss <strong>und</strong> Perry (AF-BP)<br />
• besteht aus vier Skalen mit insgesamt 29 Fragen für Jugendliche <strong>und</strong><br />
Erwachsene<br />
Skala Beispiel-Item<br />
Körperliche Aggression „Ich habe schon Leute bedroht, die ich<br />
gut kenne.“<br />
Verbale Aggression „Meine Fre<strong>und</strong>e sagen, ich sei etwas<br />
streitlustig.“<br />
Ärger „Ich brause manchmal wegen<br />
Nichtigkeiten auf.“<br />
Feindseligkeit „Wenn Leute besonders nett zu mir sind,<br />
frage ich mich, was sie von mir wollen.“<br />
3
V11 | Aggressionsdiagnostik | 7<br />
Situationsbezogene Fragbögen zur Selbsteinschätzung<br />
Erfassungsbogen für aggressives Verhalten in konkreten Situationen (EAS;<br />
Petermann & Petermann, 2000)<br />
• Hier werden Kindern (9 bis 12 Jahre) Alltagsbeispiele vorgegeben, bei<br />
denen aus drei unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten<br />
- sozial erwünscht<br />
- leicht aggressiv<br />
- schwer aggressiv<br />
jene ausgewählt werden muss, die das Kind für sich als verbindlich<br />
betrachtet.<br />
• Alltagsbeispiele werden mit einem Bild illustriert illustriert.<br />
• Unterschiedliche Fragebogen-Versionen für Jungen <strong>und</strong> Mädchen.<br />
• Situationen beziehen sich auf Konflikte mit Gleichaltrigen in der Schule, zu<br />
Hause oder im Freizeitbereich außerhalb des Elternhauses.<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 8<br />
Situationsbezogene Fragbögen zur Selbsteinschätzung<br />
Beispiel-Aufgabe aus dem EAS<br />
4
V11 | Aggressionsdiagnostik | 9<br />
Situationsbezogene Fragbögen zur Selbsteinschätzung<br />
Fragebogen zur Erfassung Aggressiver Verhaltensweisen im Straßenverkehr<br />
(AViS; Herzberg, 2004); erfasst verkehrsspezifische Aggressionsformen via<br />
113 Items It aus sechs h Skalen Sk l<br />
Skala Beispiel-Item<br />
Instrumentelle Aggression „Wenn viele Autos auf meiner Spur warten,<br />
versuche ich, mich möglichst weit vorn<br />
einzuordnen.“<br />
Ärger „Beim Autofahren kann ich mich sehr schnell<br />
über andere Autofahrer aufregen.“<br />
Spaß an Gewalt „Drängelt mich mein Hintermann, trete ich kurz<br />
auf die Bremse, um ihn zu ärgern.“<br />
Ausleben „Auto fahren ist ein guter Nervenkitzel.“<br />
Negativismus „Ich habe nicht die Zeit, jedes mal an einem<br />
Fußgängerstreifen anzuhalten, wenn da ein<br />
paar Leute stehen.“<br />
Soziale Erwünschtheit (Kontrollskala) „Ich halte mich immer an die Verkehrsregeln.“<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 10<br />
Interviewverfahren<br />
Revidierte Psychopathy Checklist (PCL-R; Hare, 2000)<br />
Psychopathen<br />
• zeigen kein oder kaum Mitgefühl,<br />
• besitzen ein geringes Angstniveau<br />
• <strong>und</strong> verfügen über eine ausgeprägte Gewaltbereitschaft (Hare, 2000).<br />
PCL-R ist ein halbstrukturiertes Interview (ergänzt durch Akteninformationen<br />
z.B. bei Psychiatrie-Patienten oder Straftätern) zur Erfassung von<br />
PPsychopathie h thi üb über zwei i FFaktoren: kt<br />
1. affektiv-interpersonelle Eigenschaften (Selbstbezogenheit, manipulierendes<br />
Verhalten, Gefühllosigkeit, fehlende Fähigkeit, Reue zu zeigen)<br />
2. impulsives, aggressiv-dissoziales Verhalten <strong>und</strong> instabiler Lebenswandel<br />
(z.B. Drogenkonsum)<br />
5
V11 | Aggressionsdiagnostik | 11<br />
Verhaltensbeobachtung<br />
Beobachtungsverfahren versuchen in der natürlichen Umgebung (z.B. in der Familie, in<br />
der Schulklasse) aggressionsbezogene Interaktionen zu analysieren.<br />
• Nachteil: in der Regel besonders aufwendig in der Durchführung <strong>und</strong> Auswertung<br />
Auswertung.<br />
• Vorteil: liefern einen unmittelbaren Zugang zu aggressivem Verhalten.<br />
Beobachtungsverfahren zur Analyse von aggressionsbezogenen Interaktionen im<br />
Schulunterricht (BAVIS; Humpert & Dann, 1988); erhebt aggressives<br />
Schülerverhalten in acht Kategorien:<br />
• Beschädigung von Sachen<br />
• Körperliche Auseinandersetzungen<br />
• Besitzergreifen von Sachen<br />
• Drohen <strong>und</strong> Erpressen<br />
• Verbale Auseinandersetzungen<br />
• Ablehnung / Geringschätzung<br />
• Verweigerung<br />
• Sonstige aggressive Schülerhandlungen<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 12<br />
Verhaltensbeobachtung<br />
Beobachtungsbogen für aggressives Verhalten (BAV; Petermann &<br />
Petermann, 2005)<br />
• 14 Beobachtungskategorien<br />
- 10 beziehen sich auf aggressives Verhalten<br />
- 4 beziehen sich auf pro-soziales Verhalten<br />
• Festlegung von Zeitintervallen (z.B. 10 Minuten), in denen Urteile<br />
abgegeben werden sollen.<br />
• Beobachter z.B. Eltern, Lehrer, Psychologen.<br />
• Problemverhalten <strong>und</strong> sozial angemessenes Verhalten werden auf einer 5-<br />
stufigen Skala (1 = das Verhalten tritt nie auf auf, 5 = das Verhalten tritt sehr<br />
häufig auf) eingeschätzt.<br />
• erfasst werden<br />
- verbale vs. non-verbale Aggression<br />
- direkte vs. indirekte Aggression<br />
- Aggression gegen die eigene Person, fremde Person, Gegenstände<br />
- passiv Aggression erfahrend oder aktiv Aggression ausübend<br />
6
V11 | Aggressionsdiagnostik | 13<br />
Verhaltensbeobachtung - BAV<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 14<br />
Verhaltensbeobachtung - BAV<br />
7
V11 | Aggressionsdiagnostik | 15<br />
Projektive Verfahren<br />
Rosenzweig-Picture-Frustration-Test (PFT; dt. Bearbeitung Duhm & Hansen,<br />
1957)<br />
• 24 Alltagssituationen werden in skizzierten Zeichnungen dargeboten.<br />
• Zeichnungen beinhalten Interaktionen zwischen Erwachsenen <strong>und</strong> Kindern<br />
oder zwischen Gleichaltrigen.<br />
• Intention eines Interaktionspartners wird durch einen Text in einer<br />
Sprechblase spezifiziert.<br />
• Kind soll die Reaktion des zweiten Interaktionspartners in einer leeren<br />
Sprechblase ergänzen.<br />
• Die geäußerten Reaktionen lassen sich drei Kategorien zuzuordnen:<br />
- Extrapunitivität (=Aggression nach außen)<br />
- Intropunitivtät (= Aggression nach innen)<br />
- Impunitivität (=Umgehen von Aggression)<br />
• Einsatz z.B. als Explorationshilfe in der kinderpsychologischen Praxis.<br />
V11 | Aggressionsdiagnostik | 16<br />
Projektive Verfahren<br />
PFT-Beispielaufgaben<br />
8
V11 | Aggressionsdiagnostik | 17<br />
Fremdurteile – Peer-Nominierungen<br />
Erfassung aggressiven Verhaltens von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen über Urteile<br />
von Lehrern, Eltern oder Gleichaltrigen.<br />
z.B. Peer-Nominierungsverfahren:<br />
Direct and Indirect Aggressiojn Scale (DIAS; Björkqvist, Lagerspetz &<br />
Ostermann, 1992)<br />
• Schülern werden Bilder aller Mitschüler einer Klasse vorgelegt, mit der Bitte<br />
einzuschätzen, was die Mitschüler tun, wen sie böse auf ein anderes Kind<br />
sind.<br />
• Erfasst werden körperliche körperliche, verbale <strong>und</strong> indirekte Aggression Aggression.<br />
• Empirischer Bef<strong>und</strong>: gleichgeschlechtlichte Kinder können sich<br />
untereinander besser einschätzen als gegengeschlechtliche.<br />
V11 | Angstdiagnostik | 18<br />
Angstdiagnostik<br />
Angstdiagnostik bezieht sich auf<br />
• Angst<br />
• Ängstlichkeit<br />
• Angststörungen<br />
9
V11 | Angstdiagnostik | 19<br />
Angst ist …<br />
• … eine Gr<strong>und</strong>emotion,<br />
• … meistens mit einem aversivem Gefühl verb<strong>und</strong>en,<br />
• … Teil eines komplexen Reaktionsmusters auf drei Ebenen:<br />
- subjektive Ebene (Kognitionen, Emotionen)<br />
- physiologische Ebene (z.B. Hormonausschüttung)<br />
- motorische Ebene („Flight or Fight“).<br />
V11 | Angstdiagnostik | 20<br />
Ängstlichkeit ist …<br />
• … eine Persönlichkeitsdisposition <strong>und</strong> beschreibt die Häufigkeit <strong>und</strong><br />
Intensität, mit der eine Person Angst empfindet.<br />
• Man unterscheidet ÄÄngstlichkeit<br />
als Eigenschaft (trait) gegenüber Angst als<br />
vorübergehendem emotionalem Zustand (state).<br />
• Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, inwieweit Ängstlichkeit<br />
neurobiologisch determiniert ist oder durch kognitive Bewertungen<br />
lerngeschichtlich erworben wird.<br />
10
V11 | Angstdiagnostik | 21<br />
Angststörungen …<br />
• … sind die häufigsten psychischen Störungen, mit großer Bedeutung in der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsversorgung.<br />
Kriterien pathologischer Angst:<br />
• Die Angstreaktion <strong>und</strong> das Vermeidungsverhalten werden von den<br />
Betroffenen als eigentlich unbegründet, unangemessen stark <strong>und</strong><br />
unangemessen häufig erlebt.<br />
• Die betroffene Person verstärkt ihr Vermeidungsverhalten <strong>und</strong> verliert die<br />
Kontrolle über die Angst.<br />
• Die Angstreaktionen treten konsistent <strong>und</strong> überdauernd auf auf.<br />
• Es kommt zu ausgeprägtem Leiden sowie Beeinträchtigung der<br />
Lebensqualität.<br />
V11 | Angstdiagnostik | 22<br />
<strong>Diagnostik</strong> der Angst – ausgewählte Beispiele<br />
Angstdiagnostik = Emotionsdiagnostik<br />
Verhaltenstests <strong>und</strong> -beobachtungen<br />
• Identifizierung eines gefürchteten Objekts oder einer gefürchteten Situation.<br />
• Kriteriumsverhalten besteht etwa in der Nähe oder der Dauer zum Zielort<br />
(z.B. Annäherung an Spinne) oder im Berühren oder Halten des Zielobjekts.<br />
• Vorteil: Verhaltenstests können ein Zielverhalten eindeutig<br />
operationalisieren <strong>und</strong> quantifizieren.<br />
• Nachteil: meist fehlen Vergleichsdaten oder Angaben zur Reliabiliät du<br />
Validität des Tests.<br />
Tests<br />
11
V11 | Angstdiagnostik | 23<br />
<strong>Diagnostik</strong> der Angst – ausgewählte Beispiele<br />
Angstdiagnostik = Emotionsdiagnostik<br />
Physiologische Parameter<br />
• … wie die Herzrate (Elektrokardiogramm, photoelektrische Aufzeichnung),<br />
die elektrodermale Aktivität, das Elektromyogramm <strong>und</strong> die<br />
Herzratenvariabilität.<br />
• Kortikale Maße <strong>und</strong> funktionell-bildgebende Verfahren haben bisher nur bei<br />
der Zwangsstörung aufschlussreiche Bef<strong>und</strong>e erbracht.<br />
V11 | Angstdiagnostik | 24<br />
<strong>Diagnostik</strong> der Angst – ausgewählte Beispiele<br />
Angstdiagnostik = Emotionsdiagnostik<br />
Selbstaussagen<br />
• Systematische Erfassung über subjektive Analogskalen, strukturierte<br />
Tagebücher oder Fragebogen.<br />
• Erfassung des augenblicklichen Angstniveaus (state) häufig über die State-<br />
Skala des State-Trait-Angstinventars von Spielberger (STAI; deutsch von<br />
Laux, Glanzmann, Schaffner & Spielberger, 1981).<br />
• Besondere Bedeutung in der Angsttherapie haben subjektive Analogskalen.<br />
12
V11 | Angstdiagnostik | 25<br />
<strong>Diagnostik</strong> der Ängstlichkeit<br />
• überwiegend über Selbstbeschreibungsverfahren<br />
Wichtigstes Verfahren: State-Trait-Angstinventars von Spielberger (STAI;<br />
deutsch von Laux, Glanzmann, Schaffner & Spielberger, 1981).<br />
Ich bin ruhig.<br />
IIch h fühl fühle mich i h geborgen. b<br />
Ich fühle mich angespannt.<br />
Ich bin bekümmert.<br />
Beispielitems<br />
nicht ein<br />
wenig<br />
ziemlich sehr<br />
V11 | Angstdiagnostik | 26<br />
<strong>Diagnostik</strong> der Ängstlichkeit<br />
Kritik am STAI:<br />
• Deutsche Normen von 1977.<br />
• Es wurden auch gefühlsmäßige Zustände in die Itemliste aufgenommen, die<br />
nicht als spezifische Indikatoren für Angst anzusehen sind, wie z.B. Glück,<br />
Zufriedenheit, Niedergeschlagenheit <strong>und</strong> Unruhe.<br />
• Hohe Korrelationen des STAI mit Neurotizismus- oder Depressionsskalen.<br />
Alternative Fragebögen, die das Problem mangelnder Spezifität nicht haben,<br />
aber dafür eine unbefriedigendere theoretische F<strong>und</strong>ierung aufweisen:<br />
• Beck Angstinventar (BAI; Beck & Steer 1993)<br />
• Beck Angstinventar (BAI; Beck & Steer, 1993)<br />
• Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS; deutsch von Herrmann,<br />
Buss & Snaith, 1995)<br />
• Subskala der Symptom-Checkliste (SCL-90-R; Franke, 2002)<br />
13
V11 | Angstdiagnostik | 27<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
V11 | Angstdiagnostik | 28<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
Strukturiertes Interview /Screening<br />
Ziel: Bestimmung einer objektiven <strong>und</strong> validen (klassifikatorischen) Diagnose<br />
gemäß DSM-IV <strong>und</strong> ICD-10.<br />
• Diagnostische Interview für psychische Störungen (DIPS; auch Kinder-<br />
DIPS, von Unnewehr, Schneider & Margraf, 1995)<br />
• Screening psychischer Störungen im Jugendalter (SPS-J; Hampel &<br />
Petermann, 2005)<br />
enthält Subtest zur Ängstlichkeit/Depressivität<br />
14
V11 | Angstdiagnostik | 29<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
Selbstbeurteilungsverfahren<br />
Ziele:<br />
• Beschreibung <strong>und</strong> vergleichende Quantifizierung der Symptomatik.<br />
• Sammlung therapierelevanter Informationen.<br />
• Verlaufskontrolle bei spezifischen Angststörungen.<br />
• Beschreibung des allgemeinen Angst- oder Ängstlichkeitsniveaus.<br />
• Screening bzgl. klinisch relevanter Angstsymptome.<br />
V11 | Angstdiagnostik | 30<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
15
V11 | Angstdiagnostik | 31<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
V11 | Angstdiagnostik | 32<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
16
V11 | Angstdiagnostik | 33<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
Fremdbeurteilungsverfahren<br />
• Aufgr<strong>und</strong> der bekannten Fehlertendenzen bei der Selbstbeurteilung häufig<br />
in der Forschung eingesetzt.<br />
• Wichtigste <strong>und</strong> bekannteste Verfahren zur Einschätzung der globalen<br />
Angstsymptomatik ist die Hamilton Anxiety Rating Scale (HAMA; Hamilton,<br />
1959).<br />
• Auch die Liebowitz Soziale Angst Skala (LSAS; deutsch von Stangier &<br />
Heidenreich) <strong>und</strong> die Panik- <strong>und</strong> Agoraphobieskala (PAS; deutsch von<br />
Bandelow, 1997) können zur Fremdbeurteilung eingesetzt werden.<br />
V11 | Angstdiagnostik | 34<br />
<strong>Diagnostik</strong> von Angststörungen <strong>und</strong> pathologischer Angst<br />
Verhaltensdiagnostik<br />
• Für die Therapie (VT) der Angststörungen sind Hinweise zur Entstehung,<br />
Erklärung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung unerlässlich!<br />
� Verhaltensanalyse nach dem SORK-Modell (z.B. mittels<br />
Symptomtagebücher)<br />
S Situation<br />
O Organismus<br />
R Reaktion<br />
K Konsequenzen<br />
Ziel: genaue Analyse des Problems <strong>und</strong> seiner Auftrittsbedingungen.<br />
17
V11 | Angstdiagnostik | 35<br />
Angstdiagnostik in der psychotherapeutischen Praxis<br />
Ein mutlimodaler <strong>und</strong> multimethodaler diagnostischer Prozess:<br />
1. Zu Beginn: Beschreibung <strong>und</strong> Klassifikation der Störung anhand der<br />
Kriterien der Klassifikationssysteme (DSM-IV, ICD-10), inklusive der<br />
Komorbitäten (z.B. Depression, Substanzmissbrauch) <strong>und</strong><br />
Differentialdiagnostik (� strukturierte klinische Interviews).<br />
2. Bestimmung des Schwergrades sowie typischer Angstsymptome (�<br />
Fragebögen).<br />
3. Für die Behandlungsplanung werden Infos über Entstehung,<br />
störungsbeeinflussende g Variablen <strong>und</strong> Aufrechterhaltung g benötigt g ( (�<br />
Verhaltensanalyse, funktionelle <strong>Diagnostik</strong>).<br />
4. Während der Therapie kontinuierliche <strong>Diagnostik</strong> des Symptomverlaufs.<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 36<br />
Symptomatik depressiver Störungen<br />
Depression = psychische Störung mit einer längerfristigen Veränderung<br />
<strong>und</strong> Beeinträchtigung der Stimmung, der Gefühlswelt, des Antriebs <strong>und</strong> der<br />
IInteressen. t<br />
typische Symptome:<br />
• Traurigkeit • häufig begleitet von Ängstlichkeit <strong>und</strong> Unruhe<br />
• Niedergeschlagenheit • Energielosigkeit<br />
• Verstimmung • Appetitlosigkeit<br />
• Energielosigkeit • Gewichtsverlust<br />
• Antriebsminderung • Libidoverlust<br />
• Selbstzweifel • Schlafstörungen<br />
• Wertlosigkeit • Schmerzen<br />
• Hoffnungslosigkeit • Konzentrationsprobleme<br />
• Sinnlosigkeit • Suizidgedanken<br />
18
V11 | Depressionsdiagnostik | 37<br />
Symptomatik depressiver Störungen<br />
• Viele der zuvor genannten Beschwerden sind normale Reaktionen auf<br />
Erfahrungen wie Verluste, Misserfolge, Enttäuschungen, Belastungen,<br />
ZZeiten it dder Ei Einsamkeit k it oder d EErschöpfung. hö f<br />
Pathologisch ist das Erleben erst wenn:<br />
• eine gewisse Anzahl gleichzeitig vorhandener Symptome<br />
• über eine bestimmte Zeit andauern<br />
• <strong>und</strong> nicht durch andere Erkrankungen oder Umstände erklärbar sind.<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 38<br />
Definition einer depressiven Episode<br />
19
V11 | Depressionsdiagnostik | 39<br />
Definition einer depressiven Episode<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 40<br />
Definition einer depressiven Episode<br />
Zur Definition der diagnostischen Kategorien der affektiven Störungen werden<br />
zudem herangezogen:<br />
• der Verlauf – uni- bzw. bipolar, einmalig bzw. rezidivierend oder chronisch<br />
• die Schwere – leicht, mittelgradig, schwer<br />
leicht: 4-5 Symptome<br />
mittelgradig: 6-7 Symptome<br />
schwer: 8 oder mehr Symptome<br />
• die besondere Ausprägung der Symptomatik (z.B. somatisch, psychotisch).<br />
20
V11 | Depressionsdiagnostik | 41<br />
Diagnostische Verfahren für affektive Störungen<br />
• Screeninginstrumente (Auswahl, Früherkennung)<br />
• Interviews, Diagnosechecklisten (strukturierte Diagnosestellung)<br />
• Fremdbeurteilungsinstrumente, Ratings (Schweregradbeurteilung, Effekte)<br />
• Selbstbeurteilungsinstrumente, Fragebögen (Schweregradeinschätzung,<br />
Effekte)<br />
• Problemanalyse, funktionelle <strong>Diagnostik</strong> (therapiebezogene <strong>Diagnostik</strong>,<br />
Ziele)<br />
• Ergänzende Verfahren (Suizidalität, Persönlichkeit, Kognitionen u.a.)<br />
• Instrumente für spezielle Zielgruppen (Kinder, Ältere, chronisch Kranke u.a.)<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 42<br />
Screeningsinstrumente<br />
… erlauben Personen zu identifizieren, die möglicherweise an einer affektiven<br />
Störung erkrankt sind oder deren Risiko für die Entwicklung einer<br />
entsprechenden t h d Stö Störung erhöht höht ist i t (Früherkennung).<br />
(F üh k )<br />
Beispiele für Methoden zur Früherkennung von Depressionen:<br />
• Allgemeine Depressionsskala (ADS; Hautzinger & Bailer, 1993)<br />
- Erfasst depressive Verstimmungen, ohne dass es sich dabei<br />
notwendigerweise um eine klinisch relevante Depression handeln muss.<br />
- Liegt eine Depression vor, vor kann damit die Schwere der Symptomatik<br />
erfasst werden.<br />
• Hospital Angst- <strong>und</strong> Depressionsskala (HADS; Hermann, Buss & Snaith,<br />
1995)<br />
• WHO-Index zum Wohlbefinden, nur fünf fragen, hohe Sensibilität für<br />
Depression (www.who-5.org)<br />
21
V11 | Depressionsdiagnostik | 43<br />
Interviewverfahren<br />
Standardisierte Interviews erlauben das Vorliegen der in den<br />
Diagnosesystemen definierten Symptome festzustellen <strong>und</strong> so zu einer<br />
Di Diagnosestellung t ll zu kkommen.<br />
• Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV (SKID; Wittchen, Zaudig &<br />
Fydrich, 1997)<br />
• Diagnostisches Interview bei Psychischen Störungen (DIPS; Schneider &<br />
Margraf, 2006)<br />
• Diagnostisches Interview (DIA-X; Wittchen & Pfister, 1997)<br />
Alle Verfahren können ab dem Jugendalter (ca. 15 Jahre) durchgeführt<br />
werden.<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 44<br />
Interviewverfahren<br />
Diagnostisches Interview bei Psychischen Störungen im Kindes- <strong>und</strong><br />
Jugendalter (Kinder-DIPS; Unnewehr, Schneider & Margraf, 1995)<br />
22
V11 | Depressionsdiagnostik | 45<br />
Selbstbeurteilungsverfahren<br />
Nach erfolgter klassifikatorischer <strong>Diagnostik</strong> können mit<br />
Selbstbeurteilungsinstrumenten die Intensität <strong>und</strong> Häufigkeit von<br />
SSymptomen t <strong>und</strong> d die di unterschiedliche t hi dli h Beeinträchtigungen B i t ä hti differenziert<br />
diff i t<br />
werden.<br />
Fremdbeurteilungsverfahren<br />
• Zur Einschätzung g des Schweregrades g einer depressiven p Episode. p<br />
• Zur Überprüfung von Symptomen, bei denen die Außenperspektive wichtig<br />
ist (z.B. psychomotorische Unruhe, Verlangsamung, affektive<br />
Schwingungsfähigkeit).<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 46<br />
Funktionelle <strong>Diagnostik</strong><br />
Hypothesenorientiert Problemanalyse<br />
• Analyse aktuellen Verhaltens <strong>und</strong> Handlungsabläufe, Tages- <strong>und</strong><br />
Wochenstruktur, Belastungen <strong>und</strong> Entlastungen, Verhaltensexzesse,<br />
Verhaltensdefizite, angemessenes bzw. unproblematisches Verhalten,<br />
Ressourcen.<br />
• Analyse problematischer (Alltags-)Situationen. Hierbei geht es darum,<br />
problematische Handlungen in einen (horizontalen) Zusammenhang mit<br />
Auslösern (Situationen) bzw. kognitiven, also internen Prozessen, wie<br />
Einstellungen, Pläne, Haltungen, Schemata (vertikalen) Zusammenhang zu<br />
bringen.<br />
• Analyse der sozialen, familiären, partnerschaftlichen, doch auch kulturellen<br />
<strong>und</strong> physikalischen Umwelt- <strong>und</strong> Rahmenbedingungen <strong>und</strong> der möglichen<br />
Funktionalität depressiven Verhaltens.<br />
• Motivationsanalyse einschließlich persönlicher Erklärungskonzepte <strong>und</strong><br />
Erwartungen an Therapieangebote.<br />
• Analyse bisheriger Selbstmanagementversuche einschließlich bisheriger<br />
Behandlungs- <strong>und</strong> Bewältigungsversuche.<br />
23
V11 | Depressionsdiagnostik | 47<br />
Erkennen von Suizidalität<br />
• Affektive Störungen weisen ein hohes Risiko für Selbsttötungstendenzen<br />
auf.<br />
• Die Abschätzung des akuten Suizidrisikos ist ein wichtiger Aspekt in der<br />
Depressionsdiagnostik.<br />
Risikofaktoren für Selbstmordgefährdung<br />
V11 | Depressionsdiagnostik | 48<br />
Erkennen von Suizidalität<br />
Risikofaktoren für Selbstmordgefährdung<br />
24
V11 | Depressionsdiagnostik | 49<br />
Depressionsinstrumente für spezielle Zielgruppen<br />
• Depressive Symptome zählen im höheren Lebensalter mit zu den<br />
häufigsten psychischen Auffälligkeiten.<br />
• Geriatrische Depressionsskala (GDS; Gauggel & Birkner, 1998)<br />
- Langform: 30 Items, Kurzform: 15 Items<br />
- für Patienten > 65 Jahre ohne kognitive Beeinträchtigungen.<br />
25