Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
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166 Die colberger Klosterordnung, hohen Geldstrafe, und bahnte wegen der anderen Streit- punkte einen Vergleich an, der endlich am 4. Mai 1587 zu Stande kam. Die Hauptveranlassung des Streites, die Kloster- angelegenheit, wurde dabei dahin erledigt, daß dem Bischof von Eamin als dem Begründer des Klosters das Patronat, welches Casimir wie erwähnt seit 1580 thatsächlich inne hatte, sowie die Oberaufsicht und die Bestätigung der Wahlen zuge- sprochen wurde. Ausgeführt werden sollte diese Aufsicht durch vier Ständemitglieder, deren zwei der Ritterschaft und zwei den Städten anzugehören hätten; die letzteren follten immer die beiden ältesten Bürgermeister von Colberg und Cöslin sein. Schon vor diesem Vergleich, am 27. Mai 1586, hatte Bischof Casimir dem Iungfrauenkloster neue Statuten in der im Folgenden veröffentlichten Klosterordnung gegeben, der ältesten welche uns aufbewahrt ist. Riemann erwähnt sie nur im Auszuges) sie scheint aber werthvoll genug in mancher Beziehung, um hier unverkürzt wiedergegeben zu werden. Namentlich ist hymnologisch wichtig das Verzeichniß der an den einzelnen Sonn- und Festtagen des Kirchenjahres zu singen vorgeschriebenen Lieder, dessen Grundlage die der Agende von 1569 beigefügte Liedertafel bildet. Dem ältesten in Pommern gedruckten Gesangbuch, dem stettiner von 1576, ist am Schluß vor dem Register eine ähnliche Liedertafel angehängt, betitelt „Register der düdeschen Psalmen", welche aber sowohl diejenige der Agende, als auch die den colberger Klosterjungfrauen vor- geschriebene an Reichhaltigkeit übertrifft. Die auf Protestan- tischer Seite vormals viel verbreitete Ansicht, als habe es vor Luther gar keine deutschen geistlichen Lieder gegeben, ist bekannt- lich längst aufgegeben; ein einziger Blick in die bekannten Werke von Hoffmann von Fallersleben und Wackernagel reicht hin zur Wiederlegung.4) Aber ebenso unrichtig ist die Behauptung 3) a. a. O. Seite 299, Wachs, Gesch. der Altstadt Colberg, Seite 590 ff. hat die Klosterordnung zwar auch, aber nicht immer fehlerfrei und außerdem in hochdeutscher Uebersetzuug, wodurch sie viel von ihrer Originalität verliert. 4) Hoffmann, Gesch. des deutschen Kirchenliedes bis auf Luthers
von Dr. v. Vülow. 167 der Katholischen, wonach das deutsche Kirchenlied schon im 12. Jahrhundert vorhanden gewesen sein soll;^) denn zwischen geistlichem Lied und Kirchenlied ist ein Unterschied zu machen, und wenigstens in großen Städten Norddeutschlands, wie Hamburg und Lübek, hat sich deutscher Kirchengesang vor der Reformation nicht nachweisen lassen. ^) Ein kurzer Vergleich mit der durch die Superintendenten Paul vom Rode, Jacob Runge und Georg Venediger vermehrten pommerschen Kirchenordnung von 1563 lehrt, wie sehr der evangelische Liederschatz seit der Reformation sich erweitert und Zugenommen hatte, denn jene nennt in dem von den Schulen handelnden Theil außer dem deutschen Tedeum Laudamus, dem deutschen Benedictus und dem deutschen Magnificat von allgemeinen Liedern nur noch: „Ick dancke dem Heren van gantzem Herten", „Esaia dein Propheten dat geschach" nnd: „Herre nu lestu dynen Diener." Von Gesängen auf besondere Feste werden angeführt „die olden Cantica"; zu Weihnachten: ,,?u.6r U3.tn8 iu Vot1il6ii6iii" lateinisch und dentsch, „^uno HNA6ioi'niQ gloria", ,,I^680iiot in iHndidnZ", „Joseph leder Joseph min", ,,Iu anici sudilo", ,,I)Ì68 68t iH6titi^6"; zu Ostern: ,,8nn'6xit (HrÌ8tu8 koäi^, „Erstanden ist die hillige Christ"; zu Pfingsten: ),8x>ii-itii8 annoti Ai-atÌH". Der bei dieser Aufzählung gewählte Ausdruck läßt indessen Raum für die Vermuthung, daß außer den erwähnten Liedern auch noch andere in den pommerschen Kirchen bereits Eingang gefunden hatten. Die Lieder sind zum großen Theil niederdeutsch, denn bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts, ja auf den Dörfern bis in das 18. Jahrhundert hinein ist der ganze Gottesdienst in Pommern in nieder- . Zeit ist mir grade nicht zur Hand, vgl. daher PH. Wackernagel, das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeil bis zu Anfang des 17. Jahr- Hunderts. Leipzig, Teubner, 1364—77. 5) Iaussen, Gesch. des deutschen Volkes seit Ausgang des Mittel« alters. 6. Aufl. Freiburg i. Vr. I. S. 224. 6) Gefskeu, die Hamburg, niedersächsischen Gesangbücher. Hamburg, Meißner 1857.
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von Dr. v. Vülow. 167<br />
<strong>der</strong> Katholischen, wonach das deutsche Kirchenlied schon im<br />
12. Jahrhun<strong>der</strong>t vorhanden gewesen sein soll;^) denn zwischen<br />
geistlichem Lied und Kirchenlied ist ein Unterschied zu<br />
machen, und wenigstens in großen Städten Norddeutschlands, wie<br />
Hamburg und Lübek, hat sich deutscher Kirchengesang vor <strong>der</strong><br />
Reformation nicht nachweisen lassen. ^)<br />
Ein kurzer Vergleich mit <strong>der</strong> durch die Superintendenten<br />
Paul vom Rode, Jacob Runge und Georg Venediger vermehrten<br />
pommerschen Kirchenordnung von 1563 lehrt, wie<br />
sehr <strong>der</strong> evangelische Lie<strong>der</strong>schatz seit <strong>der</strong> Reformation sich erweitert<br />
und Zugenommen hatte, denn jene nennt in dem von<br />
den Schulen handelnden Theil außer dem deutschen Tedeum<br />
Laudamus, dem deutschen Benedictus und dem deutschen Magnificat<br />
von allgemeinen Lie<strong>der</strong>n nur noch: „Ick dancke dem<br />
Heren van gantzem Herten", „Esaia dein Propheten dat geschach"<br />
nnd: „Herre nu lestu dynen Diener." Von Gesängen auf beson<strong>der</strong>e<br />
Feste werden angeführt „die olden Cantica"; zu<br />
Weihnachten: ,,?u.6r U3.tn8 iu Vot1il6ii6iii" lateinisch und<br />
dentsch, „^uno HNA6ioi'niQ gloria", ,,I^680iiot in iHndidnZ",<br />
„Joseph le<strong>der</strong> Joseph min", ,,Iu anici sudilo", ,,I)Ì68 68t<br />
iH6titi^6"; zu Ostern: ,,8nn'6xit (HrÌ8tu8 koäi^, „Erstanden<br />
ist die hillige Christ"; zu Pfingsten: ),8x>ii-itii8<br />
annoti Ai-atÌH". Der bei dieser Aufzählung gewählte Ausdruck<br />
läßt indessen Raum für die Vermuthung, daß außer den erwähnten<br />
Lie<strong>der</strong>n auch noch an<strong>der</strong>e in den pommerschen Kirchen<br />
bereits Eingang gefunden hatten. Die Lie<strong>der</strong> sind zum großen<br />
Theil nie<strong>der</strong>deutsch, denn bis in die Mitte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />
ja auf den Dörfern bis in das 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
hinein ist <strong>der</strong> ganze Gottesdienst in Pommern in nie<strong>der</strong>-<br />
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Zeit ist mir grade nicht zur Hand, vgl. daher PH. Wackernagel, das<br />
deutsche Kirchenlied von <strong>der</strong> ältesten Zeil bis zu Anfang des 17. Jahr-<br />
Hun<strong>der</strong>ts. Leipzig, Teubner, 1364—77.<br />
5) Iaussen, Gesch. des deutschen Volkes seit Ausgang des Mittel«<br />
alters. 6. Aufl. Freiburg i. Vr. I. S. 224.<br />
6) Gefskeu, die Hamburg, nie<strong>der</strong>sächsischen Gesangbücher. Hamburg,<br />
Meißner 1857.