Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

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150 Die Familie Glinde, sehr gefährden mußte, da doch „eine große mennig volcks in der Stai monete." Vielleicht erklärt ihn folgende Erwägung. Wiederholt lesen wir, was übrigens auch zu anderen Zeiten Brauch war, daß die Stadt ihren Herzogen und dem Markgrafen ausdrücklich vorschreibt, wenn sie in Stettin Tage halten wollten, mit wieviel Pferden sie einreiten dürften. So 1464 Anfang December ^) wollen sie die beiden Herzoge nicht mit mehr als 60 Pferden einlassen. Am 26. April 1466 ^) erklären sie dem Markgrafen: Neu Ìt VN86U tl6rU) äa.t M6 äandteu to komeäeu vuä ^6 zuaäe wen U10Ut 3.V6. ^") Hiernach scheint die Vermuthung nicht unberechtigt, daß dieser aus der Sorge um die städtische Freiheit hervorgegangene Vorbehalt sich in der Tradition, der Kanzow folgt, in der oben erwähnten Weife umgestaltet hat. Glinde foll endlich für feine Stadt eine anfehnliche Belohnung feines Verrathes ausbedungen haben. Die drei Chroniken geben dieselbe verschieden an. Falls die angeblich von Glinde geforderte Ueberweisung der drei Städte Damm, Golnow, Greifenhagen an Stettin nicht lediglich eine Vermuthung Kanzows ist, fo dürfte sich darin ein geheimer Wunsch des Stettiner Localpatriotismus und Egoismus widerspiegeln, zu dessen Interpreten man Glinde machte. Geschichtliche Zeugnisse dafür, daß Stettin je derartiges angestrebt habe, finden sich nicht. Am nächsten kommt der historischen Wahrheit wenn auch mit völlig schiefer Auffassung des Sachverhaltes die Pomerania, insofern nach ihr der Markgraf die Stadt Stettin nach gelungener Ueberrumpelung nicht zu eigen haben soll, sie soll vielmehr eine freie Reichsstadt werden, er selbst ihr Schutzherr sein. Erinnern wir uns des oben geschilderten Verhaltens der Stadt gegen die Herzöge, ihrer Anlehnung an die Hansa, so haben o?) S. S. 141. 96) Raumer I, 272. w) Vergl. auch oben S. 140.

von Dr. Vlümcks. 151 Wir in dieser Version der Pomerania ohne Zweifel einen freilich trüben Nachhall der geschichtlichen Verhältnisse in der Tradition vor uns. Diese Hauptbestandtheile der Erzählung hat Kanzow zu einer gewissen Einheit verschmolzen und im Einzelnen, wie wir sahen, mit ziemlicher Freiheit weiter ausgemalt. Wer aber einmal sich den unbefangenen Blick hatte durch die Tradition trüben lassen, für wen also Glinde als überführter Verschwörer dastand, dem konnte es nicht allzu schwer fallen, diese angebliche Verschwürung von Schillersdorf in Caufalzusammenhang mit dem ohne Zweifel wirklich versuchten Uebersalle des Markgrasen zu bringen. Manches mochte zur Beförderung dieser Combination beitragen. Man braucht nur zu erwägen, wie willkürlich die Traditimi Ereignisse verknüpft, wie überaus geschäftig und fruchtbar die Phantasie der großen Menge zumal in stürmischen Zeiten bei einem unerwarteten, Schrecken erregenden Vorgange ist, wie leicht bereit sie ist, überall Verrath Zu wittern, wie sehr dabei Eitelkeit und Ehrgeiz eines Einzelnen oder einer Corporation eine Rolle spielen. Man kann sich leicht denken, wie die Vereitelung des Ueberfalles damals das Tagesgespräch in allen Herbergen, auf allen Straßen war, mit welchem Selbstgefühl die Zuuft der Knochenhauer auf ihren klugen Amtsbruder, auf ihr eigenes Verdienst hingewiesen haben mag, wie jeder sich bemüßigt fand, eine neue Lesart aufzubringen. Wer heute einen Veteranen der Freiheitskriege oder selbst einen Augenzeugen der Ereignisse von 1848 seine Erlebnisse erzählen hört, wird, ohne den Vorwurf bewußter Fälfchung erheben zu können, bald den Eindruck gewinnen, daß sich in dem Berichte des Erzählers Wahrheit mit Dichtung mischt. Zu solchen, von der geschäftigen Volksphantasie allmählich hinzugedichteten Zügen zählen wir die zwischen den markgräflichen Spähern und städtischen Thorhütern ausgetauschten Worte, das Eingreifen der Knochenhauer, namentlich nach dem Berichte der Pomerania, die angebliche genaue Kenntniß der Stellungen des Markgrafen. In der Aussage des gefangenen Stadtdieners, falls die Angabe der Pomerania hier Glauben verdient,

150 Die Familie Glinde,<br />

sehr gefährden mußte, da doch „eine große mennig volcks in<br />

<strong>der</strong> Stai monete." Vielleicht erklärt ihn folgende Erwägung.<br />

Wie<strong>der</strong>holt lesen wir, was übrigens auch zu an<strong>der</strong>en Zeiten<br />

Brauch war, daß die Stadt ihren Herzogen und dem Markgrafen<br />

ausdrücklich vorschreibt, wenn sie in Stettin Tage halten<br />

wollten, mit wieviel Pferden sie einreiten dürften. So 1464<br />

Anfang December ^) wollen sie die beiden Herzoge nicht mit<br />

mehr als 60 Pferden einlassen. Am 26. April 1466 ^) erklären<br />

sie dem Markgrafen: Neu<br />

Ìt VN86U tl6rU) äa.t M6<br />

äandteu to komeäeu vuä ^6 zuaäe wen<br />

U10Ut 3.V6. ^")<br />

Hiernach scheint die Vermuthung nicht unberechtigt, daß<br />

dieser aus <strong>der</strong> Sorge um die städtische Freiheit hervorgegangene<br />

Vorbehalt sich in <strong>der</strong> Tradition, <strong>der</strong> Kanzow folgt, in<br />

<strong>der</strong> oben erwähnten Weife umgestaltet hat. Glinde foll endlich<br />

für feine Stadt eine anfehnliche Belohnung feines Verrathes<br />

ausbedungen haben. Die drei Chroniken geben dieselbe verschieden<br />

an. Falls die angeblich von Glinde gefor<strong>der</strong>te Ueberweisung<br />

<strong>der</strong> drei Städte Damm, Golnow, Greifenhagen an<br />

Stettin nicht lediglich eine Vermuthung Kanzows ist, fo dürfte<br />

sich darin ein geheimer Wunsch des Stettiner Localpatriotismus<br />

und Egoismus wi<strong>der</strong>spiegeln, zu dessen Interpreten man<br />

Glinde machte. Geschichtliche Zeugnisse dafür, daß Stettin<br />

je <strong>der</strong>artiges angestrebt habe, finden sich nicht. Am nächsten<br />

kommt <strong>der</strong> historischen Wahrheit wenn auch mit völlig schiefer<br />

Auffassung des Sachverhaltes die Pomerania, insofern nach<br />

ihr <strong>der</strong> Markgraf die Stadt Stettin nach gelungener Ueberrumpelung<br />

nicht zu eigen haben soll, sie soll vielmehr eine<br />

freie Reichsstadt werden, er selbst ihr Schutzherr sein. Erinnern<br />

wir uns des oben geschil<strong>der</strong>ten Verhaltens <strong>der</strong> Stadt<br />

gegen die Herzöge, ihrer Anlehnung an die Hansa, so haben<br />

o?) S. S. 141.<br />

96) Raumer I, 272.<br />

w) Vergl. auch oben S. 140.

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