Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

Die Familie Glinde in Stettin.
Von Di-. Vlümcke in Stettin.
Wenn man sich die Frage vorlegt, ob es im mittelalterlichen
Stettin einen zahlreichen, machtvollen Patrieiat gegeben
habe, dessen Geschlechter durch eine Reihe von Generationen
die Raths- und Schöffenbank und das Bürgermeisteramt behaupteten,
so finden wir in unseren freilich dürftigen Quellen
kaum hier und da eine Spur. Im Ganzen muß die Frage
entschieden verneint werden, was allerdings nicht ausschließt,
daß hin und wieder einzelne Geschlechter längere Zeit eine angesehene
Stellung eingenommen habend) Zu ihnen gehören
auch die Glindes, welche durch fünf Generationen hier ansässig
waren und schon darum ein besonderes Interesse in Anspruch
nehmen, weil aus dem Namen ihres ersten und vornehmsten
Repräsentanten, des Bürgermeisters Albrecht Glinde, seit Kanzows
Tagen ein gewisses unheimliches Dunkel ruht; gilt er doch
Kanzow und den seiner Autorität Folgenden als der geheime
Parteigänger des Kurfürsten Friedrich 2. von Brandenburg,
als der Verräther an der von ihm regierten Stadt. Lassen
wir die Schuldfrage hier bei Seite, fo ist jedenfalls klar, daß
Glinde eben durch die ihm von Kanzow zugewiesene Rolle
weit über seine Zeitgenossen in Stettin hervorragt. Dazu
kommt noch, daß jene Zeit des märkisch-pommerischen Erbfolgekrieges
für Stettin, soviel wir sehen, die einzige Periode
seiner Geschichte ist, in welcher es eine selbständige, kraftvolle
Localpolitik verfolgt, so daß die Gestalt Glindes eben durch
die Zeitverhültnisse noch mehr gehoben wird.
Seitdem Friedeborn mit Entschiedenheit die Anklagen
Kanzows abwies und auf „gemeines Gerüchte" zurückführte,
ist Albrecht Glinde dem traurigsten Loose verfallen, welches
l) Hering, Beiträge zur Topographie Stettins, Bali. Stud. X. 1.
Seite 73 zählt die bedeutendsten Geschlechter auf.
Baltische Studien. XXXI. ^