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Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt

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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong><br />

Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

Schwerpunktthema<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

11. Jahrgang, Nr. 2 W<strong>in</strong>tersemester 2011/2012<br />

www.hfmdk-frankfurt.de


Jennifer D. | Market<strong>in</strong>gstudent<strong>in</strong> | Kund<strong>in</strong> seit 1995<br />

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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Inhalt<br />

2 Editorial<br />

4 Konzerte als Erfahrungsräume<br />

Von Dr. Stephan Pauly und Berno Odo Polzer<br />

7 „Ich mache trotzdem me<strong>in</strong> Eigenes“<br />

Interview mit Sebastian Weigle<br />

8 Wege erarbeiten statt Fertiggerichte servieren<br />

Interview mit den Professoren Angelika Merkle,<br />

Laura Ruiz Ferreres und Roland Glassl<br />

12 Versuchsanordnung <strong>in</strong> der Ausbildung<br />

Von Sab<strong>in</strong>e Stenzel<br />

15 Durch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Vision erfolgreich:<br />

Das Projekt „Orpheus“<br />

Von Prof. Hedwig Fassbender<br />

18 Instrumentalpädagogik zwischen Innovation<br />

und Tradition<br />

Von Prof. em. Gerhard Mantel<br />

22 Im Zangengriff gegen Erstarrung<br />

Interview mit den Professoren Michael Schneider<br />

und Gerhard Müller-Hornbach<br />

26 Überschaubar und chancenreich<br />

Von Prof. Gerd Wachowski<br />

29 Musiker – fe<strong>in</strong>motorische Bewegungskünstler<br />

Von Prof. Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender<br />

32 Altes Handwerk, neue Methoden<br />

Interview mit Peter Kupke<br />

34 Motion Bank – E<strong>in</strong> Aufbewahrungsort für Bewegung<br />

Von Célest<strong>in</strong>e Hennermann<br />

37 HörSpiele<br />

Von Jacob Bussmann<br />

38 Fit für die Vielfalt der Kulturen und des Lernens<br />

Von Prof. Dr. Werner Jank<br />

41 Vom Wagnis zur Ovation: „San Giovanni Battista“<br />

im Kloster Eberbach<br />

Interview mit Nils Cooper<br />

44 Jahresbericht der Gesellschaft der Freunde und<br />

Förderer der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

47 50 Jahre TANZausbildung<br />

Von Prof. Dieter Heitkamp<br />

49 Fit for stage<br />

Prof. Ursula Targler-Sell im Portrait<br />

50 Die Zukunft des Theaters<br />

Prof. Thomas Schmidt im Portrait<br />

52 Erfolge unserer Studierenden<br />

Publikationen unserer Lehrenden<br />

Impressum


Editorial<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

Die <strong>HfMDK</strong> hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>er der lebendigsten Musik-<br />

und Theaterhochschulen <strong>in</strong> Deutschland entwickelt. Vor vier Jahren be-<br />

warben sich 1225 Studierende um e<strong>in</strong>en der 170 freien Studienplätze.<br />

Seitdem s<strong>in</strong>d die Bewerberzahlen kont<strong>in</strong>uierlich gestiegen, und <strong>in</strong> diesem<br />

W<strong>in</strong>tersemester s<strong>in</strong>d es 2104 Studierende, die an unserer Hochschule stu-<br />

dieren wollten. Das ist e<strong>in</strong>e Steigerung der Bewerberzahlen um fast 80% <strong>in</strong><br />

vier Jahren, e<strong>in</strong> deutliches Indiz für den zunehmend guten Ruf von Hessens<br />

e<strong>in</strong>ziger Hochschule für Musik, Theater und Tanz. 48% der Studierenden<br />

kommen dabei <strong>in</strong> den künstlerischen Studienfächern aus dem Ausland,<br />

und zwar nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt: auch dies<br />

e<strong>in</strong> Zeichen für die große <strong>in</strong>ternationale Attraktivität unserer Hochschule.<br />

Wir haben Instrumentalklassen, deren Absolventen regelmäßig Probespiele<br />

für die wenigen begehrten Plätze <strong>in</strong> den großen renommierten Orchestern<br />

gew<strong>in</strong>nen oder als Solist e<strong>in</strong>e Karriere beg<strong>in</strong>nen; die Studiengänge <strong>in</strong> Koope-<br />

ration mit dem Ensemble Modern und der Kronberg Academy s<strong>in</strong>d weltweit<br />

die führenden ihrer Art, und unsere Abteilungen <strong>in</strong> der Darstellenden Kunst<br />

s<strong>in</strong>d ungeme<strong>in</strong> erfolgreich. In der Musiklehrerausbildung müssen wir auf<br />

Grund der guten Bewerberlage <strong>in</strong>zwischen jedes Jahr hervorragend quali-<br />

fizierte und begabte Bewerber<strong>in</strong>nen und Bewerber ablehnen, die dann an<br />

anderen Hochschulen e<strong>in</strong>en Platz bekommen.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Gleichzeitig gibt es wohl ke<strong>in</strong>e andere deutschen Kunsthochschule, die so <strong>in</strong><br />

ihrem Umfeld verankert ist wie die <strong>HfMDK</strong>. Dank ihres Lehrerweiterbildungs-<br />

projektes Primacanta s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>zwischen 170 Grundschullehrer, die an<br />

72 von 76 <strong>Frankfurt</strong>er Grundschulen die <strong>Frankfurt</strong>er K<strong>in</strong>der zum S<strong>in</strong>gen<br />

br<strong>in</strong>gen – und zwar nachhaltig, Jahr für Jahr. Damit erreicht die <strong>HfMDK</strong><br />

die ganze Stadt <strong>Frankfurt</strong>. Es ist für die Zukunft dieser Stadt und ihres<br />

Kulturlebens e<strong>in</strong>e ungeheure Chance, wenn die meisten <strong>Frankfurt</strong>er K<strong>in</strong>der<br />

<strong>in</strong> der Schule Freude am S<strong>in</strong>gen erfahren und diese Erfahrung mit <strong>in</strong> ihr<br />

Leben nehmen. Und nebenbei sichert sich die Hochschule mit diesem<br />

Vorhaben auch ihre eigene Zukunft. Mittlerweile ist der deutsche Chor-<br />

verband, der Zusammenschluss fast aller deutschen Chöre mit mehr als<br />

1 Millionen Mitgliedern, Partner dieses erfolgreichen Konzeptes der <strong>HfMDK</strong><br />

und der Crespo Foundation geworden und will Primacanta bundesweit als<br />

herausragendes Konzept der S<strong>in</strong>gförderung übernehmen und verbreiten.<br />

Diese Erfolge s<strong>in</strong>d das Ergebnis großer Anstrengungen von Lehrenden<br />

und Verwaltung der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> den letzten Jahren. Diese Erfolge s<strong>in</strong>d der<br />

Hochschule nicht zugefallen, h<strong>in</strong>ter ihnen stehen Begeisterung für die<br />

Sache, Kompetenz, Hartnäckigkeit, Ideenreichtum und sehr viel Fleiß und<br />

harte Arbeit. Und gleichzeitig müssen ja auch noch die Bolognareform<br />

und die Folgen der wachsenden Autonomie der Hochschule bewältigt<br />

werden, die e<strong>in</strong>e Vielzahl zusätzlicher Aufgaben mit sich br<strong>in</strong>gen. Als


Kehrseite der Erfolge zeigt sich immer deutlicher, dass unter den mo-<br />

mentanen Bed<strong>in</strong>gungen die <strong>HfMDK</strong> dieses Entwicklungstempo nicht mehr<br />

halten kann. Zu groß war die Anstrengung angesichts zu beschränkter<br />

f<strong>in</strong>anzieller Ressourcen, und zu e<strong>in</strong>geengt s<strong>in</strong>d die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

an der <strong>HfMDK</strong>. Die Hochschule ist unterf<strong>in</strong>anziert, und deshalb können<br />

zentrale Stellen <strong>in</strong> Lehre und Verwaltung nicht besetzt werden. Die räumlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Bereichen mehr als unzureichend und hemmen<br />

die weitere Entwicklung.<br />

Deshalb ruhen die Hoffnungen der <strong>HfMDK</strong> auf dem geplanten Kulturcampus<br />

<strong>Frankfurt</strong>, der auf dem alten Universitätsgelände im Stadtteil Bockenheim<br />

entstehen soll. Im letzten Heft unserer Hochschulzeitung haben wir Anfang<br />

des Jahres die Vision dieses Vorhabens skizziert: Geme<strong>in</strong>sam mit künstleri-<br />

schen Institutionen wie dem Ensemble Modern und der The Forsythe Company,<br />

mit wissenschaftlichen Partnern wie dem Senckenberg Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />

und Naturmuseum, dem Institut für Sozialforschung und dem H<strong>in</strong>demith<br />

Institut, mit Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen und Netzwerken wie der Hessischen<br />

Theaterakademie, dem <strong>Frankfurt</strong> LAB und der Jungen Deutschen Philharmo-<br />

nie wird dort e<strong>in</strong> weltweit e<strong>in</strong>zigartiger Ausbildungs-, Veranstaltungs-, Pro-<br />

duktions- und Forschungsort für die zeitgenössischen Künste entstehen.<br />

In den letzten Monaten hat sich sehr viel bewegt, und zwar <strong>in</strong> die positive<br />

Richtung. Die <strong>Frankfurt</strong>er Oberbürgermeister<strong>in</strong> Petra Roth hat den Kulturcam-<br />

pus zur Chef<strong>in</strong>nensache erklärt und engagiert sich <strong>in</strong> herausragender Weise<br />

für die Realisierung dieses Projektes. Sie hat dafür gesorgt, dass die Stadt<br />

<strong>Frankfurt</strong> das Gelände vom Land Hessen erworben hat und damit das Tempo<br />

erheblich forciert – schon <strong>in</strong> Kürze kann mit konkreten Planungen begonnen<br />

werden. Alle Fraktionen des <strong>Frankfurt</strong>er Stadtparlaments unterstützen die Idee<br />

e<strong>in</strong>es Kulturcampus, und auch die Bürger<strong>in</strong>itiativen begrüßen den Zuzug der<br />

<strong>HfMDK</strong> auf das Gelände.<br />

Sorgen macht uns dabei die Zeitplanung, da der für die Hochschule vor-<br />

gesehene Standort angeblich erst im nächsten Jahrzehnt bebaut werden<br />

kann. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, und wir werden uns<br />

geme<strong>in</strong>sam mit den Verantwortlichen darum bemühen, hier e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Lösung zu f<strong>in</strong>den. Wichtig ist aber festzuhalten: Die <strong>in</strong>ternationale Ausstrah-<br />

lung und der Erfolg des Kulturcampus hängen entscheidend von der <strong>HfMDK</strong><br />

ab. Ohne die Hochschule fällt das Konzept <strong>in</strong> sich zusammen. Sie ist nicht<br />

nur die mit Abstand größte Institution und wird fast 2/3 der Fläche <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen; sie ist auch das B<strong>in</strong>deglied zwischen allen beteiligten<br />

Partnern und arbeitet jetzt schon mit den meisten von ihnen <strong>in</strong> wichtigen<br />

Vorhaben und Projekten zusammen. Deshalb muss die Hochschule auch<br />

jetzt schon <strong>in</strong> alle baulichen und <strong>in</strong>haltlichen Planungsvorhaben auf kommu-<br />

naler Ebene und auf Landesseite e<strong>in</strong>bezogen werden. E<strong>in</strong>e Planung des<br />

Kulturcampus, die die Hochschule nicht von Anfang an e<strong>in</strong>bezieht und damit<br />

auch die Nutzung von Synergien verschenkt, ist widers<strong>in</strong>nig und gefährdet<br />

das Gesamtvorhaben.<br />

Mit dem Kulturcampus verb<strong>in</strong>den sich auch <strong>in</strong>haltliche Perspektiven. Schon<br />

durch die Wahl von Partner<strong>in</strong>stitutionen wie Ensemble Modern, The Forsythe<br />

Company und <strong>Frankfurt</strong> LAB rückt das zeitgenössische Kunstschaffen <strong>in</strong> den<br />

Vordergrund. Die Zukunft der Musik und der Darstellenden Kunst soll hier<br />

verhandelt werden, so der hohe Anspruch der beteiligten Kultur<strong>in</strong>stitutionen.<br />

Im September zeigten die Primacanta-K<strong>in</strong>der beim Römerbergs<strong>in</strong>gen, wie erfolgreich<br />

sich das Lehrerweiterbildungsprojekt auf Initiative der <strong>HfMDK</strong> entwickelt hat.<br />

Dies war Anlass für uns, die Basis unserer Arbeit an der <strong>HfMDK</strong> zu reflek-<br />

tieren. Deshalb haben wir diese Ausgabe unserer Hochschulzeitung unter das<br />

Motto „Tradition und Innovation“ gestellt. Ich freue mich sehr, dass vor allem<br />

unsere Lehrenden dieses Thema engagiert aufgegriffen haben. Dankbar b<strong>in</strong><br />

ich auch für zwei externe Beiträge: Stephan Pauly, designierter Intendant der<br />

Alten Oper und Mitglied unseres Hochschulrates, sowie Sebastian Weigle,<br />

GMD der Oper <strong>Frankfurt</strong>, äußern sich <strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanten Beiträgen zu diesem<br />

Thema. Alle s<strong>in</strong>d sich dabei e<strong>in</strong>ig, dass Innovation und Tradition <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

dialektischen Spannungsverhältnis zue<strong>in</strong>ander stehen, dass das Neue ohne<br />

Bezug auf oder ohne Abgrenzung von der Tradition nicht zu haben ist. E<strong>in</strong><br />

schönes Beispiel dafür ist unsere großartige Tanzabteilung, die <strong>in</strong> wenigen<br />

Tagen ihren 50. Geburtstag feiert. „ZuKT – Zeitgenössischer und Klassischer<br />

Tanz“ nennt sich der Studiengang, der die Spannung zwischen Tradition<br />

und Innovation zum Programm gemacht hat und national und <strong>in</strong>ternational<br />

als äußerst erfolgreich gilt.<br />

Der neue Kulturcampus <strong>Frankfurt</strong> wird also nicht nur e<strong>in</strong> Zentrum der Moderne,<br />

sondern auch e<strong>in</strong> Ort der Tradition se<strong>in</strong>, an dem das, was wir ererbt haben,<br />

stets wieder erworben werden muss: um es zu besitzen und um <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>an-<br />

dersetzung mit ihm Neues schaffen zu können.<br />

Thomas Rietschel<br />

3


4 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Konzerte als Erfahrungsräume<br />

Von Stephan Pauly, künstlerischer Leiter der Stiftung Mozarteum<br />

Salzburg sowie designierter Indendant der Alten Oper <strong>Frankfurt</strong>, und<br />

Berno Odo Polzer, freier Kurator, ehemaliger künstlerischer Leiter des<br />

Festivals „Wien Modern“<br />

Warum veranstalten wir Konzerte, warum gehen Menschen <strong>in</strong><br />

Konzerte, welche Stücke und welche Inhalte stehen im Mittelpunkt?<br />

Warum? Wo kann sich der Konzertbetrieb der Gegenwart verorten,<br />

wie sich selbst verstehen, für wen und <strong>in</strong> welcher Haltung arbeiten?<br />

Und wie kann der Konzertbetrieb sich im musikalischen wie<br />

gesellschaftlichen Spannungsfeld von Tradition und Innovation<br />

verhalten, wie beispielsweise zwischen den Polen der klassischen<br />

und der zeitgenössischen Musik? – In der Arbeit an verschiedenen<br />

Konzertreihen und am „Dialoge“-Festival der Stiftung Mozarteum<br />

Salzburg s<strong>in</strong>d Erfahrungen im Umgang mit Konzertprogrammen,<br />

mit künstlerischern Konstellationen, mit Räumen, Künstlern und<br />

Publikum gewachsen, <strong>in</strong> denen oft genug deutlich geworden ist, wie<br />

sich Begegnungsfelder zwischen Tradition und Innovation, alt und<br />

neu aufspannen lassen, die zu lebendigen, starken Konzerterlebnissen<br />

führen können. Im folgenden e<strong>in</strong>ige Gedanken hierzu, e<strong>in</strong><br />

Erfahrungsbericht, e<strong>in</strong>e daraus abgeleitete Hypothese und e<strong>in</strong>e<br />

daraus erwachsende Skizze e<strong>in</strong>er möglichen Arbeitshaltung des<br />

Konzertbetriebes.<br />

Analyse der Szenen<br />

Der klassische Musikbetrieb tendiert dazu, die lebendige Pflege<br />

der traditionellen europäischen Kunstmusik <strong>in</strong> der Variation ihrer<br />

Interpretationen zu suchen und das Bekannte <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>es relativ<br />

kle<strong>in</strong>en Kanons musikalischer Werke zu wiederholen. Daneben steht<br />

die Welt der zeitgenössischen Musik, die dazu neigt, der ständigen<br />

Produktion und unüberschaubaren Vielfalt zeitgenössischer Musiksprachen<br />

durch die Maximierung des Neuen und deren Sichtbarmachung<br />

gerecht zu werden, häufig auf Kosten e<strong>in</strong>er durch Wiederholung<br />

ermöglichten <strong>in</strong>tensiveren Ause<strong>in</strong>andersetzung mit neuen<br />

musikalischen Werken. Im Bereich der Klassik hat die Lust am<br />

Anderen, Ungesicherten, an neuen Stücken – verbunden mit allen<br />

Risiken des Unverständnisses und des Verlustes der Gefolgschaft<br />

– nur allzu oft wenig Raum. Umgekehrt zeigt sich e<strong>in</strong> ähnlicher<br />

Befund auch im Bereich der zeitgenössischen Musik: Das Bekenntnis<br />

zum Neuen verengt sich bisweilen zum Diktat.<br />

Beide Bereiche, wiewohl durch geme<strong>in</strong>same Traditionsl<strong>in</strong>ien,<br />

künstlerische Anliegen, vere<strong>in</strong>zelte Personalunionen und geteilte<br />

organisatorische Strukturen eng mite<strong>in</strong>ander verflochten, verbleiben<br />

im je Eigenen: <strong>in</strong> je eigenen Idiomen, die <strong>in</strong>nerhalb der Szenen<br />

sowohl den Diskurs über das Gehörte als auch das <strong>in</strong>dividuelle<br />

Erleben zu<strong>in</strong>nerst bestimmen können; <strong>in</strong> je eigenen Protokollen, die<br />

die <strong>in</strong>nere wie äußere Gestalt durchformen – <strong>in</strong> der Programmierung,<br />

auf der Bühne und im Zuschauerraum; und nicht zuletzt <strong>in</strong> je<br />

eigenen Ökonomien, was die enge Verflechtung der angesprochenen<br />

Thematik mit sozialen, gesellschaftlichen und markttechnischen<br />

Fragen offenlegt.<br />

Foto rechts:<br />

Die Hörsituation für das Konzert der „Dialoge“<br />

mit Otomo Yoshihide:<br />

die Zuschauer, <strong>in</strong> der Mitte der Musiker.<br />

Foto unten:<br />

Otomo Yoshihide und<br />

Ko Ishikawa (Sho) <strong>in</strong> Aktion.<br />

Fotos:<br />

Stiftung Mozarteum Salzburg/<br />

Wolfgang Lienbacher


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

All diese Faktoren versehen beide Bereiche <strong>in</strong> ihrer Wirkung nach<br />

außen mit e<strong>in</strong>em Habitus, der nicht immer unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>ladend<br />

wirkt, sondern oft genug Geschlossenheit und Hermetik vermittelt.<br />

Offenheit, gegenseitiger Austausch und Begegnungen der Szenen<br />

s<strong>in</strong>d selten im Feld musikalischen Lebens, e<strong>in</strong> Umstand der<br />

grundsätzlich auf alle an Musikschauplätzen Beteiligte zutrifft:<br />

Hörer, Künstler und Veranstalter. Nur der kle<strong>in</strong>ere Teil dieser<br />

Gruppen macht sich die Grenzüberschreitung zum grundlegenden<br />

Modus des eigenen Erlebens und Arbeitens.<br />

Zwischen den L<strong>in</strong>ien<br />

Und genau hier könnte das Nachdenken über die Aufführung von<br />

Musik – sei es klassischer oder zeitgenössischer Werke – <strong>in</strong><br />

Konzerten ansetzen. Die Hypothese ist: Die offene Begegnung mit<br />

anderen Musik- und Kunstformen kann das eigene Erleben <strong>in</strong><br />

Bewegung versetzen. Konzerte mit Begegnung e<strong>in</strong>ander verme<strong>in</strong>t-<br />

lich fremder, beispielsweise zeitgenössischer und traditioneller<br />

Musiksprachen können Bewegungen ermöglichen – mentale,<br />

emotionale, <strong>in</strong>tellektuelle Bewegungen, wider die starre Territoriali-<br />

sierung des musikalischen Erlebens und des Konzertbetriebes.<br />

Auf Basis dieser Hypothese (und guter Hörerfahrungen <strong>in</strong> Kon-<br />

zerten) kann e<strong>in</strong> Ziel der Gestaltung von Konzerten daher se<strong>in</strong>, die<br />

Begegnung unterschiedlicher musikalischer und künstlerischer<br />

Welten gerade nicht als Ausnahme zu begreifen, sondern sie zur<br />

bestimmenden Arbeitsgrundlage zu machen. Aus dieser Haltung<br />

des Nachdenkens über die Aufführung und das Hören von Musik<br />

heraus können Konzertprogramme die Grenzen beispielsweise<br />

zwischen klassischer und zeitgenössischer Musik ignorieren und so<br />

zu musikalischen Erfahrungsräumen werden, die das Bewusstse<strong>in</strong><br />

stärken können für die Bed<strong>in</strong>gungen und die Bed<strong>in</strong>gtheit der<br />

eigenen Wahrnehmung – im Dialog mit dem jeweils Anderen.<br />

Vielleicht kann dieses Kennenlernen von und Sich-Erfahren <strong>in</strong><br />

fremden (musikalischen) Sprachen so e<strong>in</strong>e belebende Herausforde-<br />

rung se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Intensivierung der Aufmerksamkeit, e<strong>in</strong> Quanten-<br />

sprung des Wahrnehmens gegenüber dem Verbleiben im Eigenen?<br />

E<strong>in</strong> Beispiel<br />

E<strong>in</strong> Beispiel dafür aus e<strong>in</strong>em viertägigen „Dialoge“-Festival der<br />

Stiftung Mozarteum Salzburg: Das erste Konzert des ersten Abends<br />

hebt leise an, mit zarten Klängen der Shô, e<strong>in</strong>er japanischen<br />

Mundorgel. Mit höchster Konzentration, gelöster Körperspannung<br />

und geschlossenen Augen spielt die Spieler<strong>in</strong> ihr Instrument. Neben<br />

ihr, konzentriert im Zuhören, e<strong>in</strong>e weitere Musiker<strong>in</strong>, mit e<strong>in</strong>em<br />

großen, wassergefüllten Muschelhorn auf dem Schoß. Die Shô<br />

spielt weiter, lange, alle<strong>in</strong>, <strong>in</strong> kaum bewegten, aus dem Nichts<br />

entstehenden und verkl<strong>in</strong>genden Akkorden. Nach langer Zeit<br />

schließlich bewegt sich die zweite Musiker<strong>in</strong>, hebt das Muschel-<br />

horn an und kippt es <strong>in</strong> langsam drehender Bewegung. Das Wasser<br />

im Inneren des Muschelhorns kommt <strong>in</strong> Bewegung, und wir hören<br />

die höchst fragilen, aber deutlich vernehmbaren Klänge von fünf,<br />

vielleicht sechs aufsteigenden Luftblasen. Das Stück ist zu Ende:<br />

„Two3“ für Shô und Muschelhörner von John Cage, komponiert im<br />

Jahr 1991, dem Todesjahr des amerikanischen Künstlers. Später im<br />

5


6 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Der Musiker Tadashi Tajima mit<br />

se<strong>in</strong>er japanischen Bambusflöte Shakuhachi.<br />

Foto: Stiftung Mozarteum Salzburg/<br />

Wolfgang Lienbacher<br />

Konzert setzt sich das Leise der Tage fort: Filigrane Werke für<br />

wenige Instrumente von Anton Webern, dem Meister musikalischer<br />

Verdichtung, monumental <strong>in</strong> ihrer Reduktion, komb<strong>in</strong>iert mit<br />

kristall<strong>in</strong>en Stücken des Komponisten Toshio Hosokawa. Tags<br />

darauf: Kontraste. Klanggewitter: Der Noise-Musiker Masami Akita<br />

alias Merzbow tritt auf und stellt die Hörer e<strong>in</strong>e Stunde lang mitten<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Architektur aus Geräuschen, mit ohrenbetäubender<br />

Lautstärke. Viele Hörer liegen am Boden, spüren die Musik am<br />

ganzen Körper. An den Laptops, am Mischpult, am selbst gebauten<br />

Instrument steht Merzbow, ganz ruhig, gesammelt, leise und<br />

konzentriert, er bewegt sich kaum, schichtet behutsam die<br />

gewaltigen Klangmassen aufe<strong>in</strong>ander. Am Morgen danach:<br />

Flötenmusik und Musik der Koto, der japanischen Zither. Orig<strong>in</strong>al<strong>in</strong>-<br />

strumente der traditionellen Musik Japans, gespielt von Meistern<br />

ihres Fachs – Wechsel des Hörens, erneut. Und schließlich: Die<br />

alten Instrumente auch <strong>in</strong> Händen zeitgenössischer Musiker: Ko<br />

Ishikawa spielt die Shô. Er gehört zur Gruppe von Musiker<strong>in</strong>nen<br />

und Musikern, die der japanische Gitarrist, Komponist und Elektro-<br />

nikmusiker Otomo Yoshihide zum geme<strong>in</strong>samen Konzert e<strong>in</strong>geladen<br />

hat. In e<strong>in</strong>em großen Zirkel stehen sie, an den Rändern des<br />

Raumes, das Publikum lagert <strong>in</strong> der Mitte. Shô, E-Gitarren, e<strong>in</strong><br />

Turntable-Spieler, e<strong>in</strong>e Künstler<strong>in</strong> am S<strong>in</strong>uswellen erzeugenden<br />

Klanggerät, e<strong>in</strong> Elektronikmusiker: Improvisation, nur Wegmarken<br />

gibt es für den Abend, ke<strong>in</strong>e Partitur. „Prisoner 2009“ heißt das<br />

Stück, es besteht aus e<strong>in</strong>em Notenblatt für alle, mit nur wenigen<br />

Tonfolgen und Spielvorschlägen. Man vere<strong>in</strong>bart e<strong>in</strong>e Stunde<br />

Musik, und was folgt, ist e<strong>in</strong> hochsensibler, tiefgründiger wie<br />

leichter, Freiheit atmender Abend.<br />

E<strong>in</strong>drücke aus Konzerten der „Dialoge“ mit Musik aus völlig<br />

unterschiedlichen historischen, kulturellen und musikalischen<br />

Kontexten. Das Erstaunliche an allen Tagen ist: Man entdeckt im<br />

Hören Verb<strong>in</strong>dendes, sowohl <strong>in</strong> der Musik als auch bei den<br />

Künstlern – und im Kontrast erlebt man sich selbst als hörender<br />

Mensch. Die Musik dieser Tage lebt von der Klarheit der sie<br />

tragenden Struktur, die zugleich e<strong>in</strong>e enorme Reduktion des<br />

musikalischen Materials erlaubt und das Stille dieser Stücke (und<br />

seien sie noch so laut, an der Oberfläche) hörbar werden lässt.<br />

Auch bei den Musiker<strong>in</strong>nen und Musikern f<strong>in</strong>det sich Vergleich-<br />

bares: Trotz ihrer künstlerischen Herkunft aus so unterschiedlichen<br />

Kontexten ist ihnen allen e<strong>in</strong>e besondere Ruhe, Sammlung,<br />

Fokussierung und Konzentration anzumerken. Leises Sprechen über<br />

alle Tage h<strong>in</strong>weg, konzentriert auf die Musik – sei es nun Anton<br />

Webern, Helmut Lachenmann, John Cage, Bambusflötenmusik oder<br />

elektronische Noise-Musik. Hier war es zu Begegnungen unter-<br />

schiedlicher musikalischer Welten gekommen, die unvermutete<br />

Verb<strong>in</strong>dungen h<strong>in</strong>ter völlig verschiedenen musikalischen Oberflä-<br />

chen offenbarten.<br />

E<strong>in</strong>e mögliche Haltung<br />

E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en Programmkontext im Konzertbetrieb, der<br />

Momente des Hörens ermöglicht hat, <strong>in</strong> denen man als Hörer die<br />

eigene Sensibilität und die eigene Offenheit unvermutet erleben<br />

konnte – angeregt durch die direkte Begegnung unterschiedlichster<br />

musikalischer Sprachen, alter und neuer. Solche besonders<br />

verdichteten, kostbaren Momente des Hörens zu ermöglichen, kann<br />

e<strong>in</strong> zentrales Ziel für die Gestaltung von Konzerten se<strong>in</strong>. Die<br />

Realisierung dieses Zieles freilich ist nicht immer planbar, nicht<br />

geplant e<strong>in</strong>lösbar – aber: Das Ziel def<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong>e mögliche Haltung<br />

gegenüber dem Konzertbetrieb.<br />

Da dieses Ziel letztlich aber immer nur <strong>in</strong> der Wahrnehmung jeder<br />

und jedes E<strong>in</strong>zelnen im Konzert Wirklichkeit werden kann, ist auch<br />

klar, wie komplex und fragil die Realisierung dieses möglichen<br />

Zieles <strong>in</strong> der Konzertpraxis ist, denn der Konzertbetrieb, dessen<br />

Planung und Realisierung ist vielen Variablen und E<strong>in</strong>flussgrößen<br />

ausgesetzt: Angefangen bei den sich begegnenden künstlerischen<br />

Werken, den <strong>in</strong>terpretierenden Künstlern, der Beschaffenheit des<br />

beherbergenden Raumes, den je <strong>in</strong>dividuellen Hörbiographien des<br />

Publikums bis h<strong>in</strong> zu den leitenden Motiven und dem imag<strong>in</strong>ativen<br />

Vermögen der Programmmacher.<br />

Also: kaum zu machen? Sicher nicht immer, aber: <strong>in</strong> jedem Falle an-<br />

zustreben und zu versuchen – als e<strong>in</strong>e Möglichkeit, im Konzertbe-<br />

trieb musikalische Räume zur Selbsterfahrung zu öffnen.<br />

Dieser Text ist e<strong>in</strong>e adaptierte Version e<strong>in</strong>es Essays von Stephan Pauly und<br />

Berno Odo Polzer im Dokumentationsband über das Festival „Dialoge“<br />

der Stiftung Mozarteum Salzburg, erschienen im Bärenreiter Verlag 2010


Mit Respekt vor Tradition:<br />

„Ich mache trotzdem me<strong>in</strong> Eigenes“<br />

<strong>Frankfurt</strong>s Generalmusikdirektor Sebastian Weigle im Interview<br />

Innovatives Arbeiten ist für ihn wie die Luft zum Atmen; Traditionen respektiert er, begegnet ihnen aber undogmatisch: Sebastian Weigle,<br />

Generalmusikdirektor der Oper <strong>Frankfurt</strong>, begeistert und lässt sich begeistern für künstlerische Ideen, mit denen es gel<strong>in</strong>gt, das Publikum zu<br />

berühren und sie zur Diskussion anzuregen. Nach der jüngsten „Meisters<strong>in</strong>ger“-Spielzeit <strong>in</strong> Bayreuth ist <strong>Frankfurt</strong>s „erster Musiker“ an se<strong>in</strong>en<br />

Schreibtisch im <strong>Frankfurt</strong>er Opernhaus zurückgekehrt und lässt uns an se<strong>in</strong>em Enthusiasmus für chronischen Entdeckergeist teilhaben.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Ihre letzte „Meisters<strong>in</strong>ger“-Vorstellung auf dem<br />

Grünen Hügel ist erst wenige Wochen her. Wie haben Sie <strong>in</strong><br />

Bayreuth das künstlerische Spannungsfeld zwischen Tradition und<br />

Innovation erlebt?<br />

Sebastian Weigle Als sehr <strong>in</strong>spirierend. Nichts ist wirklicherkeitsnäher<br />

als Kathar<strong>in</strong>a Wagners Inszenierung der „Meisters<strong>in</strong>ger“. Dar<strong>in</strong><br />

ist ihr gelungen, traditionelle Leute <strong>in</strong>novativ werden zu lassen und<br />

Innovative auf die Tradition zurückzuführen. Wagner als „public<br />

view<strong>in</strong>g“ und die K<strong>in</strong>der-Wagner-Opern waren für Bayreuth<br />

Innovation pur. Ich selbst brauche immer die Innovation, muss mich<br />

und me<strong>in</strong> Umfeld selbst ständig erneuern. Traditionen darf man<br />

bewahren, kann sie aber auch brechen. Ich respektiere Traditionen<br />

ohne Ende; aus dem, was war, s<strong>in</strong>d wir entstanden. Als Dirigent<br />

schaue ich jedoch immer nach vorn. Wenn mir bestimmte Anteile<br />

e<strong>in</strong>er Tradition nicht passen, speicher ich sie zwar für mich ab,<br />

mache aber trotzdem me<strong>in</strong> Eigenes.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie sehr ist der Spielplan der <strong>Frankfurt</strong>er Oper e<strong>in</strong><br />

Balanceakt zwischen Tradition und Innovation?<br />

Weigle Indendant Bernd Loebe hat e<strong>in</strong> Händchen dafür, zusammenzustellen,<br />

was zu uns passt. Da kann es vorkommen, dass wir<br />

„Hänsel und Gretel“ zehn Jahre nicht spielen und dafür e<strong>in</strong>ige<br />

„Nischenstücke“ Platz f<strong>in</strong>den. Wenn die 30 Prozent unseres<br />

Publikums gefallen, b<strong>in</strong> ich mit dieser Resonanz bereits zufrieden.<br />

E<strong>in</strong>e Serie „Traviata“ nehme ich gern wieder auf, wenn die Lesart <strong>in</strong><br />

der Regie entsprechend gut ist. Vergessen sollten wir auch nicht<br />

das Bockenheimer Depot als „Schatzkiste“ für so manche musikalische<br />

Kostbarkeit wie e<strong>in</strong>e Telemann-Barockoper. Ich b<strong>in</strong> überzeugt:<br />

Die Mischung macht es!<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie sehr sollte man bei Innovativem Rücksicht auf<br />

das Publikum nehmen?<br />

Weigle Als Zuschauer oder -hörer muss ich nicht immer alles verstehen.<br />

Spannend f<strong>in</strong>de ich, wenn das Präsentierte Fragen aufwirft,<br />

über die die Zuschauer anschließend mite<strong>in</strong>ander diskutieren.<br />

FiT Wie kann e<strong>in</strong>e Hochschule ihre späteren Absolventen optimal<br />

auf die Berufsrealität <strong>in</strong> Orchestern vorbereiten?<br />

Weigle Dies beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>er realistischen E<strong>in</strong>schätzung <strong>in</strong> den<br />

Köpfen der Professoren: Dort herrscht oft immer noch e<strong>in</strong>e Aversion<br />

gegen das Orchesterspiel im Studium mit dem Argument, dass<br />

darunter die Spieltechnik leide. Dem kann ich nur entgegnen: Dann<br />

geben Sie mehr Unterricht, bieten Sie mehr – und bessere – Technik<br />

an! Außerdem ist es e<strong>in</strong>e absolute Illusion, dass jeder Musiker <strong>in</strong><br />

der Hochschule e<strong>in</strong> Solist wird! Manche Orchesterstelle eignet sich<br />

übrigens vorzüglich als technische Übung – nehmen Sie nur die<br />

zweiten Geigen <strong>in</strong> Mozarts Figaro-Ouvertüre!<br />

FiT Sie waren selbst 15 Jahre Solo-Hornist im Orchester. Was<br />

empfehlen Sie angehenden Orchestermusikern?<br />

Weigle Macht Kammermusik, so viel wie möglich! Da habe ich<br />

selbst am meisten von profitiert.<br />

FiT Welche Er<strong>in</strong>nerungen verb<strong>in</strong>den Sie mit Ihrem Gastdirigat vor<br />

dem Hochschulorchester im Februar 2011?<br />

Weigle Das war e<strong>in</strong>e ganz harmonische Zusammenarbeit. Ich fand,<br />

dass die Literatur gut vorstudiert war, vor allem <strong>in</strong> der ungeheuer<br />

stabil und gut funktionierenden Bratschengruppe. Das verstehende<br />

Zuhören und das Aufe<strong>in</strong>ander-Hören stets e<strong>in</strong>zufordern, blieb<br />

ebenso e<strong>in</strong>e Aufgabe wie die Er<strong>in</strong>nerung, den Dirigenten ständig im<br />

Augenw<strong>in</strong>kel im Blick zu behalten. Me<strong>in</strong> Ziel ist immer: Jedes Orchester<br />

soll am Ende so gut kl<strong>in</strong>gen wie die Berl<strong>in</strong>er Philharmoniker.<br />

FiT Was denken Sie über die Pläne für den Kulturcampus<br />

Bockenheim?<br />

Weigle Die Idee ist gut, <strong>in</strong>nerhalb von kurzen Wegen kreative Kräfte<br />

an e<strong>in</strong>em Ort zu bündeln. Wenn man damit bessere Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Kunst schaffen kann, b<strong>in</strong> ich immer dafür. Und wenn<br />

mit genügend Geld vernünftig <strong>in</strong>vestiert wird, habe ich dagegen<br />

ke<strong>in</strong>erlei Ressentiments. bjh<br />

7


8<br />

Wege erarbeiten statt Fertiggerichte servieren<br />

Von den künstlerischen Prozessen im Spannungsfeld von Tradition und Innovation – die Professoren Angelika Merkle,<br />

Laura Ruiz Ferreres und Roland Glassl im Interview<br />

Junge Musiker müssen im richtigen Moment „funktionieren“, um<br />

weiterzukommen: beim Probespiel vor e<strong>in</strong>em Orchester und im<br />

Wettbewerb vor e<strong>in</strong>er Jury. Wieviel Tradition muss se<strong>in</strong> und wieviel<br />

Innovation ist erlaubt, um den Ansprüchen zu genügen? Dass diese<br />

Frage zu kurz greift, verdeutlicht das nachfolgende Interview mit<br />

den drei <strong>HfMDK</strong>-Instrumentalprofessoren Angelika Merkle (Klavierkammermusik),<br />

Laura Ruiz Ferreres (Klar<strong>in</strong>ette) und Roland Glassl<br />

(Bratsche): Wichtig ist nicht der perfekte „Handwerker“, sondern<br />

der reflektierte Musiker, der forschende Geist und die authentische<br />

Persönlichkeit.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie gel<strong>in</strong>gt es Ihnen, als Künstler und Lehrender<br />

gewachsene Traditionen s<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend zu vermitteln und zugleich <strong>in</strong>novativ<br />

zu se<strong>in</strong>?<br />

Prof. Roland Glassl Zunächst habe ich e<strong>in</strong> Problem mit der term<strong>in</strong>ologischen<br />

Trennung <strong>in</strong> unserem Aufgabenfeld: Die Begriffe Tradition<br />

und Innovation s<strong>in</strong>d für mich hier untrennbar mite<strong>in</strong>ander verbunden.<br />

Durch ihr Spannungsfeld entstehen doch erst unendliche<br />

künstlerische Prozesse. Andererseits bilden die beiden Begriffe für<br />

mich nicht die zwei Enden e<strong>in</strong>es Spektrums, sondern beide<br />

geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en zirkulierenden und damit <strong>in</strong>spirierenden Kreislauf.<br />

Von l<strong>in</strong>ks nach rechts:<br />

Angelika Merkle ist Professor<strong>in</strong> für<br />

Klavierkammermusik<br />

Roland Glassl ist Professor für Bratsche<br />

und Ausbildungsdirektor<br />

Künstlerische Instrumentalausbildung.<br />

Laura Ruiz Ferreres ist Professor<strong>in</strong><br />

für Klar<strong>in</strong>ette.<br />

Ist nicht jeder Tradition <strong>in</strong> der Kunst e<strong>in</strong>e Innovation vorgeschaltet?<br />

Steht nicht zuerst e<strong>in</strong>e Vision, aus der sich e<strong>in</strong>e Invention und dann<br />

e<strong>in</strong>e Innovation entwickelt, welche eventuell irgendwann zur<br />

Tradition wird?<br />

Prof. Angelika Merkle Wir sollten wirklich zunächst klären, wie beide<br />

Begriffe zu verstehen s<strong>in</strong>d. Traditionen, die wir unreflektiert<br />

übernehmen und – der Def<strong>in</strong>ition gemäß – überliefern, laufen sich<br />

tot. Die Begriffe Tradition und Innovation brauchen e<strong>in</strong>e Brücke, die<br />

sie mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>det, und diese Brücke heißt für mich:<br />

Offenheit.<br />

Glassl Und e<strong>in</strong>e neue Wortschöpfung <strong>in</strong> der Mischung von beidem<br />

fällt mir auch schon e<strong>in</strong>: Tradovation!<br />

Merkle Es gibt doch immer wieder musikalisch zu entdeckende<br />

Neuheiten <strong>in</strong> komplexen Musikwerken, zum Beispiel kle<strong>in</strong>ste<br />

motivische Verflechtungen bei Schumann und Brahms. Um<br />

Tradition s<strong>in</strong>nvoll überlebensfähig zu machen, muss ich e<strong>in</strong>erseits<br />

e<strong>in</strong>en neugierigen Umgang mit dem Überlieferten suchen, andererseits<br />

Innovationen gegenüber offen se<strong>in</strong>. Das heißt: Das Vertraute


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 TRADITION und INNOVATION<br />

sollten wir e<strong>in</strong>er ständigen Prüfung unterziehen, um Gewohnheiten<br />

zu entfliehen. Ich denke auch, dass zeitgenössische Komponisten<br />

e<strong>in</strong> großes Wissensfundament von Traditionen benötigen, um<br />

wirklich etwas Innovatives zu schaffen. Wer Tradition überw<strong>in</strong>den<br />

will, muss sie gut kennen.<br />

FiT Traditionsbewusstse<strong>in</strong> als Fundament e<strong>in</strong>er soliden Ausbildung<br />

ist also e<strong>in</strong> Muss?<br />

Prof. Laura Ruiz Ferreres Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele<br />

Studierende aus dem Ausland gezielt e<strong>in</strong> Studium <strong>in</strong> Deutschland<br />

anstreben, weil sie hier viele musikalische Traditionen gezielt<br />

kennenlernen können, die ihnen woanders vielleicht verborgen<br />

bleiben. Auch ich schätze diese Möglichkeit, sich so auf das<br />

professionelle Musikleben vorbereiten zu können. Deutsche<br />

Tradition hat für Klar<strong>in</strong>ettisten ja e<strong>in</strong>e ganz besondere Bedeutung:<br />

Das deutsche System des Klar<strong>in</strong>ettespiels gilt als Pflichtsystem <strong>in</strong><br />

allen professionellen Orchestern und ist damit e<strong>in</strong>e Tradition, um<br />

die e<strong>in</strong> Profi-Klar<strong>in</strong>ettist nicht herum kommt.<br />

FiT Wie kann sich Innovation im täglichen Musizieren äußern?<br />

Merkle Nehmen wir die Kammermusik: Als im Ensemble Spielender<br />

ist es selbstverständlich, <strong>in</strong> jedem Moment wach zu agieren und zu<br />

reagieren, so kann im Konzert e<strong>in</strong>e zusätzliche Plattform für neue<br />

Ideen entstehen, Anregungen und Kritikpunkte für die nächste Pro-<br />

be liefern. Der Konzertsaal und das Publikum s<strong>in</strong>d ebenfalls variable<br />

Größen, aber auch veränderte Körperdispositionen und <strong>in</strong>terdiszipli-<br />

näre E<strong>in</strong>flüsse gehören dazu.<br />

Glassl Als Künstler muss ich mich doch ständig fragen, woher ich<br />

komme (Tradition) und woh<strong>in</strong> ich gehen will (Innovation). Wenn ich<br />

e<strong>in</strong>e dieser Fragen aufgebe, habe ich aufgehört, Künstler zu se<strong>in</strong>,<br />

denn nur durch das In-Frage-Stellen, durch permanente Selbstrefle-<br />

xion, aber stets mit fundiertem Wissen und Können, s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> der<br />

Lage, auf e<strong>in</strong> im Inneren leuchtendes Ziel h<strong>in</strong>zusteuern.<br />

Als Lehrender muss ich mir dessen bewusst se<strong>in</strong>, dass ich als<br />

Vermittler „handwerklicher“ Grundkenntnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er über<br />

Jahrhunderte gewachsenen Tradition stehe. Gleichzeitig aber ist<br />

Innovation gefragt, da wir auf jeden Studierenden <strong>in</strong>dividuell<br />

reagieren müssen, Ideen f<strong>in</strong>den müssen, welcher Weg hier der<br />

geeignete ist, um nicht nur das Handwerk gut zu vermitteln,<br />

sondern um Horizonte zu weiten, die Persönlichkeit zu stärken, den<br />

wissenschaftlichen und künstlerischen Anspruch der Studierenden<br />

zu erhöhen.<br />

Ruiz Ferreres Ich habe <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em bisherigen Musikerleben viele<br />

Jahre Zeit gehabt, beispielsweise „me<strong>in</strong>en“ Mozart zu f<strong>in</strong>den, eben<br />

die Art, wie ich se<strong>in</strong> Klar<strong>in</strong>ettenkonzert fühle. Dabei war es mir<br />

wichtig, e<strong>in</strong>e traditionsreiche Grundlage für die Entscheidung zu<br />

haben, wie Mozart bei mir kl<strong>in</strong>gen soll. Um dies herauszuf<strong>in</strong>den,<br />

war und ist mir der Kontakt mit historischen Instrumenten und<br />

traditionellen Klangfarben wichtig. Diese Basis bereichert mich<br />

ungeme<strong>in</strong>, me<strong>in</strong>en Mozart neu zu gestalten, ihm me<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividu-<br />

ellen Stempel zu geben.<br />

FiT Gibt es falsche Tradition und falsche Innovation?<br />

Glassl E<strong>in</strong>e „falsche Tradition“ kann entstehen, wenn ich unreflek-<br />

tiert Vorhandenes schlicht kopiere. E<strong>in</strong>e große Gefahr ist der<br />

jederzeit mögliche Zugriff auf alle möglichen Bild- und Tonträger.<br />

Me<strong>in</strong>en Studierenden rate ich – falls überhaupt noch möglich –, e<strong>in</strong><br />

neues Werk ganz unvore<strong>in</strong>genommen zu lesen, das Werk im<br />

Inneren entstehen und sich entfalten zu lassen, es künstlerisch zu<br />

verstehen und zu erlernen. Wenn dieser Prozess dann sehr weit<br />

fortgeschritten ist, dann kann es durchaus e<strong>in</strong>e wertvolle zusätz-<br />

liche Inspirationsquelle se<strong>in</strong>, sich Vergleichsaufnahmen anzuhören.<br />

Merkle Auf der anderen Seite kann es Innovation der Innovation<br />

willen geben, die unerträglich werden kann – nämlich dann, wenn<br />

e<strong>in</strong> Künstler se<strong>in</strong> Ego so über Werke kippt, dass das Werk kaum<br />

mehr erkennbar bleibt.<br />

Glassl Als Künstler sollen uns <strong>in</strong>novative Ideen bei der Interpretation<br />

beflügeln, um etwas auf den Moment bezogen E<strong>in</strong>maliges zu<br />

schaffen. Aber letztlich geht es nicht um uns; wir stehen nicht im<br />

Mittelpunkt, sondern s<strong>in</strong>d Vermittler, Botschafter der Musik.<br />

9


10 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Innovation ist für mich auch dann wenig erstrebenswert, wenn sie<br />

sich auf e<strong>in</strong>e Event- und Projektkultur beschränkt, bei dem <strong>in</strong>terdis-<br />

zipl<strong>in</strong>ärer Austausch ohne fundiertes handwerkliches Können, also<br />

ohne Bezug zur Basis stattf<strong>in</strong>det. Hat er jedoch e<strong>in</strong> hohes Niveau,<br />

kann daraus Wunderbares entstehen.<br />

Ruiz Ferreres Um noch e<strong>in</strong>mal auf Mozarts Klar<strong>in</strong>ettenkonzert<br />

zurückzukommen: In ihm schlummern beispielsweise viele<br />

traditionelle Symbole der Freimaurer. Als Lehrende bemühe ich<br />

mich, sie den Schülern nicht e<strong>in</strong>fach „vorzukauen“ – das wäre<br />

Tradition ohne <strong>in</strong>novative Impulse -, sondern sie selbst derlei<br />

entdecken zu lassen. Dabei ist mir die Freiheit der jungen Musiker<br />

das wichtigste. Ideen sollen von ihnen kommen, über die wir<br />

geme<strong>in</strong>sam diskutieren können – das ist me<strong>in</strong>es Erachtens e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>novatives Arbeiten.<br />

FiT Wie können die Hochschule und ihre Lehrenden Rahmenbed<strong>in</strong>-<br />

gungen schaffen, um ihre Sudierenden sowohl traditionsbewusst<br />

als auch <strong>in</strong>novativ zu fördern?<br />

Glassl Die <strong>HfMDK</strong> bietet dafür e<strong>in</strong> breites Angebotsspektrum, das<br />

es vor 20 Jahren so sicher nicht gegeben hat. Am auffälligsten<br />

f<strong>in</strong>det hier Innovation <strong>in</strong> den peripheren Angeboten statt, also<br />

solchen, die Studierende außerhalb ihres Pflichtkanons wahrneh-<br />

men können – seien es Projekte der Abteilung Historische Interpre-<br />

tationspraxis oder des Instituts für zeitgenössische Musik. Dabei<br />

s<strong>in</strong>d wir als Hauptfachlehrer gefordert, die Studierenden anzuleiten<br />

und zu motivieren, ihren Musizier-Horizont zum richtigen Zeitpunkt<br />

zu erweitern, ohne dass sie sich im Strudel der Möglichkeiten<br />

verlieren. Innovation entsteht im allgeme<strong>in</strong>en durch Reibungen –<br />

Not, Ängste und Scheitern. Wir müssen den Studierenden Raum<br />

lassen, aus derlei Reibungen neue Energie und Ideen zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Merkle Das setzt jedoch voraus, dass die Vertrauensbasis stimmt<br />

und Scheitern ke<strong>in</strong> Tabu ist. Nur dann kann daraus etwas Neues<br />

wachsen. Mir ist es wichtig, dass wir – Lehrende, Studierende und<br />

Zuhörer – das Staunen nicht verlieren. E<strong>in</strong> Problem des heutigen,<br />

gesättigten Musikbetriebes ist, dass oft Hörerwartungen bestätigt<br />

werden wollen, auf der anderen Seite alles nach Neuheiten – leider<br />

oft mehr durch geschicktes Market<strong>in</strong>g denn durch „wahrhaftige“<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung erzielt – lechzt. Für mich gibt es so etwas wie<br />

e<strong>in</strong>e „emotionale Innovation“: Das können <strong>in</strong>nerhalb des sogenann-<br />

ten traditionellen Repertoires radikale Schnittstellen bei Schubert<br />

oder auch gänzlich unvermutete harmonische Weichen bei Haydn<br />

se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> mir unvergessliches Erlebnis war e<strong>in</strong>e Aufführung von<br />

Mahlers 9. S<strong>in</strong>fonie unter Leonard Bernste<strong>in</strong>: Das Konzert h<strong>in</strong>terließ<br />

e<strong>in</strong>e so nachdrückliche Wirkung, wie ich es seitdem selten im<br />

Konzertsaal erleben durfte. Wie bezw<strong>in</strong>gend – vor allem im Schluß-<br />

satz hörbar – Musik im Verhältnis zur Zeit wirken kann. Es gab ke<strong>in</strong><br />

körperliches „Entziehen“. Allerd<strong>in</strong>gs ist dieser Glücksfall unabhän-<br />

gig von der Besetzung: Auch e<strong>in</strong>e gut gespielte Bachfuge kann<br />

e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Achse vermitteln.<br />

Ruiz Ferreres Das s<strong>in</strong>d die spannendsten Momente, wenn Reakti-<br />

onen auf und zur Musik geradezu körperlich spürbar werden. Das<br />

sollten wir Lehrenden nicht vergessen, wenn wir unseren Studieren-<br />

den unterschiedliche musikalische Erfahrungen ermöglichen<br />

wollen: Der musikalische Charakter prägt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unterrichts-<br />

raum ganz anders aus als auf der Bühne e<strong>in</strong>es Saales. Wichtig ist<br />

mir, dass die jungen Musiker alle ihre S<strong>in</strong>ne beim Musizieren<br />

wecken und e<strong>in</strong>setzen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen:<br />

Immerh<strong>in</strong> gibt es auch schon Neu<strong>in</strong>szenierungen von Opern, <strong>in</strong><br />

denen Gerüche <strong>in</strong> Musik „h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>komponiert“ werden.


Arbeitsphasen mit dem Hochschulorchester gehören zum verpflichtenden<br />

Bestandteil der Ausbildung für angehende Orchestermusiker.<br />

FiT Bei aller Leidenschaft für <strong>in</strong>novativen Entdeckergeist im<br />

Studium: Was für angehende Orchestermusiker zählt, ist doch das<br />

„Funktionieren“ im Augenblick des Probespiels, um e<strong>in</strong>e Runde<br />

weiter zu kommenm, oder?<br />

Glassl Das ist, auf den Moment des Probespiels bezogen, wohl wahr<br />

– leider. Was am Ende zählt, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> gut gespieltes klassisches<br />

Konzert, e<strong>in</strong> sehr gut gespieltes romantisches Konzert und<br />

hervorragend gespielte Orchesterstellen. Aber der Weg dorth<strong>in</strong> ist<br />

doch das Entscheidende! Daran wachsen wir zu künstlerischen<br />

Persönlichkeiten, die sich schließlich der Situation Probespiel<br />

stellen können. Auch wenn dies sche<strong>in</strong>bar wenige Möglichkeiten<br />

für <strong>in</strong>novative Freiheiten lässt: Jeder soll sich auch im Probespiel als<br />

Musiker und Künstler präsentieren, wie er ist, denn die oft auftre-<br />

tenden Gedanken, wie dieses oder jenes Orchester mich vielleicht<br />

gerne hätte, s<strong>in</strong>d dann fehl am Platz und verfälschen das sonst<br />

vielleicht stimmige und positive Bild. Me<strong>in</strong>en Studierenden<br />

vermittle ich übrigens, dass es e<strong>in</strong> beidseitiges Probespiel ist –<br />

sowohl für den Kandidaten als auch für das Orchester, das ihn<br />

e<strong>in</strong>geladen hat.<br />

Ruiz Ferreres Bei allem Wissen darum, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Probespiel<br />

traditionell die üblichen Orchesterstellen und Solokonzerte zählen<br />

– e<strong>in</strong> Klar<strong>in</strong>ettist kommt üblicherweise um das besagte Mozartkon-<br />

zert nicht herum –, halte ich es für das schlechteste Pr<strong>in</strong>zip, im<br />

Laufe des Studiums nur auf diesen begrenzten Ausschnitt des<br />

eigenen Repertoires zu schielen. Ich b<strong>in</strong> überzeugt davon, dass<br />

Orchester nicht den perfekt „funktionierenden“ Klar<strong>in</strong>ettisten<br />

suchen, sondern jemanden, der als Künstler mit persönlicher Note<br />

<strong>in</strong>teressant ist, <strong>in</strong> diesem Fall vor allem als Solist. E<strong>in</strong>e solche<br />

Persönlichkeit entwickelt sich meist nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten Horizont<br />

sowohl im traditionellen Bewusstse<strong>in</strong> als auch mit <strong>in</strong>novativem<br />

Entdeckergeist.<br />

Merkle Was für die Streicher und Bläser das Probespiel darstellt, ist<br />

bei Pianisten und Kammermusikensembles die – leider manchmal<br />

schmalspurige – Vorbereitung auf spezielle Wettbewerbspro-<br />

gramme. Im Unterricht fragen die Studierenden mitunter, ob für die<br />

Jury gespielt werden sollte. Natürlich verne<strong>in</strong>e ich das, denn dies<br />

würde bedeuten, nicht mehr authentisch zu se<strong>in</strong>. Auch hier zählt es,<br />

sich <strong>in</strong> den Dienst der Musik zu stellen, sich Traditionen und<br />

Innovationen gegenüber offen zu zeigen, die eigene Persönlichkeit<br />

weiter zu entwickeln, das heißt um Stärken zu wissen, Schwächen<br />

ehrlich zu erkennen. Für mich als Lehrende heißt es konsequenter-<br />

weise: Ich möchte mit me<strong>in</strong>en Studierenden auf der Suche nach<br />

dem Warum Wege erarbeiten, ihnen aber eben ke<strong>in</strong>e Fertiggerichte<br />

servieren! bjh<br />

11


12 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Versuchsanordnung <strong>in</strong> der Ausbildung<br />

Im <strong>Frankfurt</strong> LAB profitierten auch <strong>HfMDK</strong>-Studierende von den künstlerischen Laborbed<strong>in</strong>gungen –<br />

die „Versuchsanordnung Ausbildung“ funktioniert<br />

Von Sab<strong>in</strong>e Stenzel. Die Fragen an Rose Beermann stellte Philipp Schulte<br />

Die wichtigsten staatlichen Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen <strong>in</strong> der Region<br />

haben bereits vor Jahren begonnen, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Netzwerk<br />

untere<strong>in</strong>ander zu flechten, aus dem unter anderem die Hessische<br />

Theaterakademie (HTA) entstehen konnte. Als Ausbildungsmodell<br />

ist die HTA zweifelsohne e<strong>in</strong> spannendes Beispiel für die Nutzung<br />

<strong>in</strong>novativer Strukturen und hebt sich damit von eher traditionell<br />

geprägten Studienverbünden deutlich ab. Den Studierenden der<br />

<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> werden hier <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Ausbil-<br />

dungsmodule und Praxiserfahrungen geboten, die sie bestens auf<br />

die beruflichen Realitäten <strong>in</strong> den zeitgenössischen Künsten<br />

vorbereiten.<br />

E<strong>in</strong> wichtiges Merkmal der HTA ist es, dass sie räumlich nicht<br />

e<strong>in</strong>deutig verortet werden kann, wenngleich ihr Sitz an der <strong>HfMDK</strong><br />

ist. Sie funktioniert ausschließlich als Netzwerk, das besonders<br />

flexibel agieren kann. Aber auch flexible Strukturen brauchen<br />

konkrete Orte. Für Studierende s<strong>in</strong>d es wertvolle Erfahrungen, wenn<br />

sie Produktionen mit Stadt- und Staatstheatern oder im Rahmen<br />

von Festivals, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em professionellen Theaterumfeld und mit<br />

str<strong>in</strong>genter Zeitplanung durchführen. Der Erfolgsdruck und die<br />

Notwendigkeit zur öffentlichen Aufführung können aber auch<br />

e<strong>in</strong>engen und begrenzen. Daher ist es für das Ausbildungskonzept<br />

der HTA so wichtig, auch unter Laborbed<strong>in</strong>gungen zu arbeiten. Nur<br />

so entsteht <strong>in</strong> der künstlerischen Produktion wirklich Innovatives.<br />

Hier setzt das <strong>Frankfurt</strong> LAB mit geräumigen und flexibel nutzbaren<br />

Probenräumlichkeiten <strong>in</strong> der Schmidtstraße an: Für die Avantgarde<br />

und heute mittlerweile alle <strong>in</strong>ternationalen Produktionsorte<br />

zeitgenössischer Kunst ist es mehr oder weniger e<strong>in</strong>e Selbstver-<br />

ständlichkeit, dass die verschiedenen künstlerischen Sparten<br />

mite<strong>in</strong>ander arbeiten; das LAB aber geht e<strong>in</strong>en Schritt weiter und<br />

macht die Begegnungen der unterschiedlichsten Akteure im LAB<br />

nicht nur denkbar, sondern zur geradezu bestimmenden Arbeits-<br />

grundlage. Es gibt e<strong>in</strong> Neben- und Mite<strong>in</strong>ander von etablierten<br />

Künstlern mit Studierenden; man stellt die Verb<strong>in</strong>dung zu den<br />

Nachbarn und zur Öffentlichkeit sicher und sucht den Dialog mit<br />

ihnen, lässt sie auch an den Arbeitsprozessen teilhaben. Die<br />

Arbeitsweise ist flexibel, transparent und unbürokratisch, Grenzen<br />

werden konsequent ignoriert. Die Räumlichkeiten haben Werk-<br />

stattatmosphäre, bieten aber auch den passenden Rahmen für<br />

öffentliche Aufführungen. Das LAB ist e<strong>in</strong> Ort, an dem die Experi-<br />

mente gewünscht s<strong>in</strong>d und die Möglichkeit zum Scheitern <strong>in</strong>be-<br />

griffen ist. Damit gibt das <strong>Frankfurt</strong> LAB den Studierenden Raum<br />

und vor allem Zeit an e<strong>in</strong>em Ort mit hervorragender räumlicher,<br />

technischer und organisatorischer Infrastruktur für die künstlerische<br />

Produktion – also genau das, was bis vor wenigen Jahren schmerz-<br />

lich vermisst wurde.<br />

Konkrete Beispiele für das <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeiten zwischen den<br />

Ensembles und den Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen im <strong>Frankfurt</strong> LAB gibt<br />

es zahlreiche, zum Beispiel die Diplom<strong>in</strong>szenierung „I never went<br />

South“ von Lea Letzel: Die Student<strong>in</strong> des Studiengangs Ange-<br />

wandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

erarbeitete über mehrere Wochen h<strong>in</strong>weg zusammen mit den<br />

Stipendiaten der Internationalen Ensemble Modern Akademie und<br />

unter künstlerischen Leitung des Ensemble Modern e<strong>in</strong> szenisches<br />

Konzert. Im <strong>Frankfurt</strong> LAB wurde e<strong>in</strong>e Vorpremiere gezeigt.<br />

Anschließend hatte die Student<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>en Monat Zeit, bevor das<br />

Stück für die Premiere im ZKM Karlsruhe endgültig fertig se<strong>in</strong> sollte.<br />

Auch Rose Beermann, Student<strong>in</strong> des Masterstudiengangs Choreo-<br />

graphie und Performance, nutzte die Möglichkeiten des <strong>Frankfurt</strong><br />

LAB zur E<strong>in</strong>studierung ihres Stückes „Velocity Pumps“, das<br />

schließlich im Juni auf der Studiobühne im <strong>Frankfurt</strong>er Künstler-<br />

haus Mousonturm Premiere feierte. Sie resümiert Erfahrungen: „Die<br />

Atmosphäre im LAB ist sehr angenehm, konzentriert und trotzdem<br />

entspannt. Die technische Ausstattung ist vollkommen ausreichend.<br />

Die Möglichkeit zu bekommen, Ideen umzusetzen und praktisch<br />

auszuprobieren, ist me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach das Wichtigste bei e<strong>in</strong>er<br />

künstlerischen Ausbildung. E<strong>in</strong> Recherchieren und Reflektieren<br />

kann niemals e<strong>in</strong> konkretes künstlerisches Umsetzen ersetzen, denn<br />

es funktioniert über e<strong>in</strong>e andere Logik. Es muss e<strong>in</strong>en Ort geben,<br />

an dem dies stattf<strong>in</strong>den kann. Dafür ist das <strong>Frankfurt</strong> LAB bestens<br />

geeignet.“


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/2 13<br />

Foto ganz l<strong>in</strong>ks:<br />

„Neurosen des White Cubes.<br />

Teil 1: Neonregister“,<br />

e<strong>in</strong> Konzert von Lea Letzel und<br />

Fabian Offert<br />

Foto: Lea Letzel<br />

großes Foto:<br />

„Archiv 1,336–1,337“<br />

Performance von und mit<br />

Hika & Valborg<br />

Foto: Jörg Baumann<br />

Foto oben:<br />

Szenisches Konzert des<br />

Ensemble Modern, <strong>in</strong>szeniert von<br />

Studierenden der HTA<br />

Foto: Walter Vorjohann<br />

Foto unten l<strong>in</strong>ks:<br />

ID_<strong>Frankfurt</strong> experiment im<br />

LAB – Work <strong>in</strong> Progress/Works<br />

<strong>in</strong> Words<br />

Foto: Woeishi Lean


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Durch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Vision erfolgreich:<br />

das Projekt „Orpheus“<br />

In der <strong>HfMDK</strong>-Gesangsabteilung gehört Team Teach<strong>in</strong>g mittlerweile zum Selbstverständnis der Ausbildung<br />

– Studierende und Lehrende profitieren gleichermaßen<br />

Von Hedwig Fassbender, Professor<strong>in</strong> für Gesang<br />

Fast e<strong>in</strong> Jahrzehnt hat es gedauert, bis sich aus der geme<strong>in</strong>samen<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>es neuen, logischen und praxisbezogenen Konzepts<br />

der Gesangsausbildung im Rahmen der Umstellung auf Bachelor/<br />

Master <strong>in</strong>nerhalb des Dozenten-Teams der Gesangsabteilung das<br />

„Orpheus-Projekt“ herauskristallisiert hat:<br />

„Orpheus auf neuen Wegen“ – Gesangsausbildung im Team<br />

Mit dem Orpheus-Projekt vertritt die <strong>Frankfurt</strong>er Gesangsabteilung<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Gesangsausbildung <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>maliges Konzept:<br />

Anhand von vier Grundsätzen baut sich e<strong>in</strong> logischer und neuge-<br />

dachter pädagogischer Ansatz auf und aus, leitet die Studierenden<br />

von Anfang des Studiums an, zu eigenständigen Künstlern zu<br />

werden, und macht sie fit für den späteren Berufsalltag.<br />

Die vier Grundsätze lauten:<br />

1. Dozenten lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />

2. Dozenten und Studierende lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />

3. Studierende lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />

4. Orpheus begleitet <strong>in</strong> den Beruf<br />

Durch diesen Denkansatz wird die hierarchische Struktur der<br />

Ausbildung aufgebrochen; es entsteht e<strong>in</strong>e Atmosphäre des<br />

kreativen Mite<strong>in</strong>anders von Lehrenden und Studierenden, die es<br />

den Studierenden ermöglicht, sich selbst- und berufsbewusst <strong>in</strong><br />

den Strukturen ihrer späteren Arbeitswelt zurecht zu f<strong>in</strong>den – vom<br />

ersten Vors<strong>in</strong>gen bis zum Theater- und Konzertalltag.<br />

1. Dozenten lernen von- und mite<strong>in</strong>ander –<br />

Team-Teach<strong>in</strong>g & Offener Unterricht<br />

Im Team-Teach<strong>in</strong>g besuchen die Dozenten regelmäßig gegenseitig<br />

die Unterrichte und unterrichten geme<strong>in</strong>sam:<br />

Solorepetitoren besuchen die Gesangsunterrichte, um der E<strong>in</strong>haltung<br />

angemessener Tempi, der Lösung technischer Probleme und<br />

der musikalischen Gestaltung geme<strong>in</strong>sam nachzugehen. Gesangsdozenten<br />

besuchen die Unterrichte im Fach Liedgestaltung, um<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

geme<strong>in</strong>sam die besonderen technischen und musikalischen<br />

Aspekte im Liedgesang zu beleuchten.<br />

Gesangsdozenten nehmen an e<strong>in</strong>er Gruppenstunde im Fach Atem<br />

und Bewegung teil, und die Dozent<strong>in</strong> für dieses Fach besucht<br />

wiederum regelmäßig die E<strong>in</strong>zelunterrichte im Fach Gesang, um<br />

den Gesangsdozenten e<strong>in</strong>e Hilfestellung bei der Behebung von<br />

Verspannungen und Haltungsproblemen der Studierenden zu<br />

geben. Die Sprecherzieher korrigieren die Sprechtexte und die<br />

Aussprache beim szenischen Unterricht, und die Gesangsdozenten<br />

besuchen die Szene, um sich darüber zu <strong>in</strong>formieren, wie die<br />

sängerische Technik <strong>in</strong> der Szene verlässlich implementiert werden<br />

kann.<br />

15<br />

Offener Unterricht Gesang<br />

Hier unterrichtet e<strong>in</strong> Gesangsdozent die Studierenden se<strong>in</strong>er Klasse,<br />

die anderen Gesangsstudierenden und Dozenten hospitieren.<br />

Danach verlassen alle Studierenden den Raum, und die Dozenten<br />

haben die Möglichkeit zum Austausch mit dem Ziel, die eigenen<br />

Methoden zu reflektieren. Besonders die offenen Unterrichte<br />

erfordern viel Mut seitens der Dozenten – es ist oft seit dem<br />

eigenen Studium das erste Mal, dass die Lehrleistung wieder <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Gespräch evaluiert wird!<br />

2. Dozenten und Studierende lernen von- und<br />

mite<strong>in</strong>ander – Geme<strong>in</strong>same Auftritte<br />

Auch die geme<strong>in</strong>samen Auftritte von Dozenten und Studierenden<br />

spiegeln das zentrale Anliegen des Orpheus-Projektes wider: Lernen<br />

von- und mite<strong>in</strong>ander s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserer Abteilung nicht hierarchisch,<br />

sondern <strong>in</strong>teraktiv def<strong>in</strong>iert.<br />

Mentorensystem<br />

Jeder Jahrgang hat se<strong>in</strong>e Mentor<strong>in</strong>/se<strong>in</strong>en Mentor. Diese s<strong>in</strong>d als<br />

Studienberater tätig, geben aber auch Anstöße für Konzert- oder<br />

Museumsbesuche.<br />

Während Mentorensysteme im universitären Kontext schon länger<br />

e<strong>in</strong>geführt s<strong>in</strong>d, ist das Mentorensystem im Orpheus-Projekt unter<br />

allen deutschen Musikhochschulen das e<strong>in</strong>zige se<strong>in</strong>er Art.


16 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

3. Studierende lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />

Das gegenseitige aufmerksame Zuhören und Beobachten von<br />

Auftritten der Kommilitonen ist die beste Methode, die eigenen<br />

Auftritte vergleichend zu verbessern. Durch die von Dozenten und<br />

Studierenden gelebte Achtung vore<strong>in</strong>ander und dem zugleich<br />

extrem hohen professionellen Anspruch wird die stets strenge Kritik<br />

wertschätzend geäußert und bleibt konstruktiv.<br />

Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

Regelmäßiges Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g bildet vom Anfang des Studiums an<br />

e<strong>in</strong>en curricularen Schwerpunkt. Wir unterscheiden hierbei vier<br />

unterschiedliche Vors<strong>in</strong>g-Situationen, die nache<strong>in</strong>ander erprobt<br />

werden und <strong>in</strong> denen die Studierenden aus dem Schutzraum des<br />

E<strong>in</strong>zel-Unterrichts zum sicheren öffentlichen Auftritt außerhalb der<br />

Hochschule geführt werden.<br />

Klassenstunde<br />

Hier s<strong>in</strong>gen die Studierenden vor den Kommilitonen derselben<br />

Klasse. Jeder Gesangsdozent hält Klassenstunden ab, die Häufig-<br />

keit variiert je nach Klasse zwischen e<strong>in</strong>mal wöchentlich bis zu<br />

e<strong>in</strong>mal monatlich. Diese Klassenstunden s<strong>in</strong>d dem jeweiligen<br />

Lehrenden und se<strong>in</strong>er Klasse vorbehalten.<br />

Lunchtime-Konzerte<br />

Diese Konzerte s<strong>in</strong>d zugänglich für Lehrende und Studierende des<br />

Fachbereichs «Darstellende Kunst. Die Lunchtime-Konzerte werden<br />

auf Video aufgezeichnet, und jeder Studierende erhält se<strong>in</strong>en<br />

Ausschnitt des Konzerts zur Lernkontrolle.<br />

Öffentliche Hochschul-Konzerte/Szenenabende<br />

Hier f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e öffentlich zugängliche Vors<strong>in</strong>g-Situation im<br />

Rahmen von vier Konzerten und zwei Szenenabenden pro Studien-<br />

jahr im bekannten Rahmen statt.<br />

Öffentliche Konzerte/Operngastspiele außerhalb<br />

der Hochschule<br />

Hier wird jenen Studierenden e<strong>in</strong>e Auftrittsmöglichkeit gegeben, die<br />

sich im Rahmen der anderen Auftritts-Situationen bereits bewährt<br />

haben. Sie f<strong>in</strong>den im Rahmen von eigenen Produktionen statt, <strong>in</strong><br />

Kooperation mit den Theatern der Hessischen Theaterakademie<br />

(HTA), oder aber sie werden von der der <strong>HfMDK</strong> angeschlossenen<br />

Künstlerbörse vermittelt.<br />

4. Orpheus begleitet <strong>in</strong> den Beruf – Aufbau Netzwerk –<br />

Die Professionalisierungswoche<br />

Unter der Anleitung von Annette Berg (www.kultur-kompetentcoachen.de)<br />

veranstaltet die Abteilung seit drei Jahren vor dem<br />

jährlichen Intendantenvors<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>en Intensivkurs, <strong>in</strong> dem<br />

theoretisches Wissen über Theatersysteme <strong>in</strong> Deutschland und<br />

Europa, versicherungstechnische Fragen, Umgang mit Agenturen<br />

etc. vermittelt werden. Darüber h<strong>in</strong>aus f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel- und<br />

Gruppensitzungen e<strong>in</strong> Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Pianisten und Videodokumentation<br />

statt.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 Ich erfahre als Studierende die vorbehaltlose 17<br />

„Vielen Dank ... für die professionelle Vorbereitung und<br />

Präsentation, aber auch für das wichtige und <strong>in</strong>teressante<br />

anschließende Gespräch und den Austausch!<br />

Ich f<strong>in</strong>de Ihr Engagement für die Studierenden e<strong>in</strong>fach super!“<br />

Axel Mendrok, ZAV-Künstlervermittlung<br />

Vors<strong>in</strong>gen für Opern- und Konzert-Engagements<br />

Um den Studierenden die Kontakte <strong>in</strong>s Berufsleben zu erleichtern,<br />

veranstalten wir jährlich e<strong>in</strong> Vors<strong>in</strong>gen für Intendanten, Operndirektoren<br />

und namhafte <strong>in</strong>ternationale Agenturen sowie e<strong>in</strong> Vors<strong>in</strong>gen<br />

für Kantoren und Kirchenmusikdirektoren.<br />

Teilspielzeitverträge und Stückverträge<br />

Im Rahmen der Master-Ausbildung haben wir <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit<br />

mit den Häusern der Hessischen Theaterakademie e<strong>in</strong> Modell<br />

entwickelt, welches den Studierenden ermöglicht, e<strong>in</strong>en Teil der<br />

Master-Ausbildung im Rahmen e<strong>in</strong>es Teilspielzeit-Vertrages <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em der HTA-Theater zu absolvieren.<br />

Darüber bietet sich durch die hohe Zahl der Kooperationspartner<br />

und die hervorragende Qualität der an der <strong>HfMDK</strong> ausgebildeten<br />

SängerInnen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>drucksvolle Anzahl an Gast-Engagements im<br />

In- und Ausland.<br />

Produktionen<br />

Neben den regelmäßig stattf<strong>in</strong>denden öffentlichen Szeneabenden<br />

zum Semesterende f<strong>in</strong>den eigene Produktionen, zum Teil <strong>in</strong><br />

Koproduktion mit anderen Ausbildungsstätten der HTA, sowie<br />

Produktionen <strong>in</strong> Kooperation mit anderen Theatern statt.<br />

Unser Fazit: Das <strong>Frankfurt</strong>er Orpheus-Projekt zeichnet sich dadurch<br />

aus, dass hoch motivierte und fachlich kompetente Dozenten mit<br />

e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Vision das <strong>in</strong>dividuelle berufliche Image der<br />

Studierenden profilieren und ihnen so e<strong>in</strong>en ganz persönlichen Weg<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> erfolgreiches Berufsleben ebnen.<br />

Durch die vielfältigen Kontakte der Gesangsabteilung zu Opernhäusern,<br />

Festivals und Agenturen erhalten die Studierenden zahlreiche<br />

Auftrittsmöglichkeiten und können sich schon während des<br />

Studiums ihr eigenes künstlerisches Netzwerk aufbauen, das<br />

notwendige Grundlage e<strong>in</strong>er erfolgreichen Berufskarriere als<br />

Opern- und Konzertsänger ist.<br />

Das Feedback und die Engagements unserer Studierenden belegen<br />

e<strong>in</strong>drucksvoll, dass sich der im Orpheus-Projekt beschrittene Weg<br />

lohnt und sowohl qualitativ als auch emotional gestärkte Studierende<br />

hervorbr<strong>in</strong>gt. Die hervorragenden Ergebnisse und die ganz<br />

besondere Arbeitsweise haben sich herumgesprochen: Die <strong>HfMDK</strong><br />

entwickelt sich dank des Orpheus-Projektes zu e<strong>in</strong>er der führenden<br />

Adressen der Gesangsausbildung <strong>in</strong> Europa.<br />

Unterstützung wirklich aller Lehrenden, die<br />

nicht nur an der Hochschule ihre Arbeit tun,<br />

sondern für sie leben.<br />

Kateryna Kasper,<br />

11. Semester Gesang<br />

So sehe ich e<strong>in</strong>en der größten Vorteile des<br />

Gesangsstudiums <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> im Vergleich zu<br />

anderen Deutschen Musikhochschulen dar<strong>in</strong>,<br />

dass wir hier vielerlei Möglichkeiten geboten<br />

bekommen, uns auf das „wahre Leben“ nach<br />

dem Studium vorzubereiten und ausprobieren<br />

zu können.<br />

Sören Richter, Studierendenvertreter<br />

11. Semester Gesang<br />

Durch den offenen Unterricht, den die Leh-<br />

renden regelmäßig veranstalten, lernen wir die<br />

unterschiedlichen Wege des Lehrens kennen,<br />

was für unsere Entwicklung enorm wichtig ist.<br />

Ich habe das Glück, hier an der <strong>HfMDK</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong> studieren zu dürfen, e<strong>in</strong>er<br />

Hochschule, an der man als Persönlichkeit<br />

mit se<strong>in</strong>en Stärken und trotz se<strong>in</strong>er Schwächen<br />

ernst genommen und gefördert wird!<br />

Nohad Becker, Konzertsänger<strong>in</strong><br />

Abschluss 2011<br />

Durch ihre Vielzahl an externen Projekten und<br />

Konzerten schafft die Gesangsabteilung der<br />

<strong>HfMDK</strong> den Studenten die Möglichkeit, sich<br />

auch außerhalb der Hochschule e<strong>in</strong>em breiten<br />

Publikum vorzustellen und Bühnenerfahrung<br />

zu sammeln.<br />

Désirée Hall, Gesang, Abschluss Juli 2011,<br />

jetzt Aufbaustudiengang Zeitgenössische<br />

Musik <strong>in</strong> Basel<br />

Neben dem sehr hohen Niveau der stimmtech-<br />

nischen Ausbildung kommen qualitativ sehr<br />

hochwertige Unterrichte <strong>in</strong> Fächern wie<br />

Korrepetition, Partienstudium und szenisches<br />

Studium h<strong>in</strong>zu.<br />

St<strong>in</strong>e Fischer, 11. Semester Gesang<br />

Hier versucht man geme<strong>in</strong>sam Wege zu f<strong>in</strong>den,<br />

um möglichst alle Studenten auf dem be-<br />

schwerlichen Weg zum professionellen Sänger<br />

zu begleiten.<br />

Lisa Rothländer, Studentenvertreter<strong>in</strong><br />

11. Semester Gesang


18 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Instrumentalpädagogik<br />

zwischen Tradition und Innovation<br />

Von Prof. em. Gerhard Mantel<br />

Die beiden Begriffe Tradition und Innovation sche<strong>in</strong>en zwei<br />

entgegengesetzten Blickrichtungen zu entsprechen: Tradition blickt<br />

auf die Vergangenheit, Innovation auf Gegenwart und Zukunft. Es<br />

erhebt sich allerd<strong>in</strong>gs die Frage, ob e<strong>in</strong>e solche vere<strong>in</strong>fachte<br />

Zuordnung zutrifft: Lässt sich Instrumentalpädagogik durch e<strong>in</strong><br />

solches Schema beschreiben oder gar bewerten? Beide Blickrichtungen<br />

s<strong>in</strong>d für sich schon außerordentlich ambivalent und werden<br />

häufig kontrovers diskutiert. Der Satz „das habe ich noch nie<br />

gehört“ kann je nach Sprachmelodie und Mimik äußerste Zustimmung<br />

oder tiefste Verachtung ausdrücken.<br />

Tradition<br />

Betrachten wir den Begriff der Tradition. Man mag zunächst geneigt<br />

se<strong>in</strong>, Tradition als etwas Altes, Überwundenes, heutigen Maßstäben<br />

nicht mehr Entsprechendes zu betrachten. Das hat e<strong>in</strong>erseits se<strong>in</strong>e<br />

Berechtigung, wenn man beobachtet, wie mancher Pädagoge <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Unterricht e<strong>in</strong>fach se<strong>in</strong>en methodischen Werdegang<br />

unkritisch wiederholt: Aus mir ist etwas geworden; also kann die<br />

dem zugrundeliegende Pädagogik nicht falsch gewesen se<strong>in</strong>.<br />

Deshalb bleibe ich auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em eigenen Unterricht bei dieser<br />

erfolgreichen Methode.<br />

Andererseits vermittelt Tradition Orientierung, das Gefühl von<br />

Sicherheit: Jede Innovation beruht auf Tradition. Ohne Kenntnis der<br />

Tradition habe ich ke<strong>in</strong>e Vergleichsgröße <strong>in</strong> Bezug auf irgende<strong>in</strong>e<br />

Innovation. Und offensichtlich haben Künstler mit traditionellen<br />

Methoden immer schon Außerordentliches und Bewundernswertes<br />

geleistet. So könnte man paradox sagen, Innovation fängt bei der<br />

Kenntnis der Tradition an. Für die Praxis kann man sogar noch e<strong>in</strong>en<br />

Schritt weiter gehen und fragen: Wenn es an der Kenntnis der<br />

Tradition fehlt, lässt sich dann überhaupt etwas s<strong>in</strong>nvoll Innovatives<br />

erzeugen?<br />

Wie hat Mozart, wie hat Bach geübt? Auch die größten Meister<br />

müssen zu irgende<strong>in</strong>er Phase ihres Lebens sehr viel geübt haben,<br />

oder waren sie wirklich „nur“ so begabt, dass sie dies nicht<br />

brauchten? Wenn uns ke<strong>in</strong>e detaillierten pädagogischen, durch<br />

Reflexion erworbenen E<strong>in</strong>flussgrößen zur Verfügung stehen,<br />

Rechts:<br />

Lehramtsstudent<strong>in</strong> Theresa Lechthaler im<br />

Unterricht bei Vladislav Brunner.<br />

Unten:<br />

Allen Jacobson im Schnupperunterricht<br />

beim „Infotag für Schulmusikstudierende“.<br />

weichen wir, traditionsgemäß, gerne auf Begriffe wie Begabung,<br />

Genie, Intuition, Inspiration, Talent aus, ohne zu fragen, wo genau<br />

eigentlich Unterschiede <strong>in</strong> den Lernmethoden und deren Resultaten<br />

liegen.<br />

Wir sehen aus diesen Fragestellungen, dass der Rückgriff auf die<br />

Tradition uns ke<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlichen Verhaltensweisen vermitteln kann,<br />

die für jeden noch so ambitionierten jungen Musiker zuträfen. Tradition<br />

kann sowohl als Lernbasis als auch als Lernh<strong>in</strong>dernis ersche<strong>in</strong>en.<br />

Andererseits f<strong>in</strong>den wir auch auf der Suche nach <strong>in</strong>strumentalpädagogischer<br />

Innovation manchmal e<strong>in</strong>e unangemessene Fortschrittsgläubigkeit,<br />

die sich <strong>in</strong> diversen „Schulen“ oder „Techniken“<br />

offenbart, manchmal bis h<strong>in</strong> zu sektiererischen absoluten Wahrheitsansprüchen.<br />

Wo e<strong>in</strong>e absolute Wahrheit „droht“, sollte man<br />

sich darüber klar se<strong>in</strong>, dass vieles, was sich als absolut „richtig“<br />

ausgibt, lediglich e<strong>in</strong> bestimmter Blickw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es Lehrers se<strong>in</strong><br />

kann. Vielleicht ist es nur das Ergebnis se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen<br />

Lernbiographie oder sogar der se<strong>in</strong>es Lehrers. Es muss ke<strong>in</strong>eswegs<br />

unbed<strong>in</strong>gt auf den e<strong>in</strong>zelnen anwendbar se<strong>in</strong>. Menschen s<strong>in</strong>d so<br />

verschieden, dass manches, was für den e<strong>in</strong>en gilt, dem anderen<br />

geradezu schadet. H<strong>in</strong>zu kommt, dass manches, was für e<strong>in</strong><br />

bestimmtes Alter, für e<strong>in</strong>e bestimmte Lernphase gilt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

anderen Lernphase h<strong>in</strong>derlich se<strong>in</strong> kann.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Innovation<br />

E<strong>in</strong> Musiker kann sich fragen: Was wäre aus mir geworden mit<br />

e<strong>in</strong>er für mich ganz persönlich besseren, „maßgeschneiderten“,<br />

<strong>in</strong>novativeren Instrumentalpädagogik? Welche zusätzlichen<br />

E<strong>in</strong>flüsse haben den „erfolgreichen“ Instrumentalisten geprägt wie<br />

Elternhaus, Freunde, Kammermusik, Gelegenheit zu Aufführungen,<br />

Bewertungen, auch Druck – oder gerade Abwesenheit von Druck.<br />

Das Thema Druck kann als Beispiel dienen: Man hört und liest<br />

heute überall, dass man nur ohne Druck, locker, spielerisch,<br />

„<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch motiviert“, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand des Glücks richtig lernen<br />

kann. Kommt das Glück („Flow“) vor dem Üben, beim Üben, durch<br />

das Üben, nach dem Üben, trotz des Übens? Was hat es mit den<br />

grausamen Details <strong>in</strong> Biographien von Menuh<strong>in</strong> und Lang Lang auf<br />

sich, die unter dem Druck – fast – zerbrochen s<strong>in</strong>d? Wie kommt es<br />

(ich habe es selbst erlebt), dass „schwärzeste“ Pädagogik ohne<br />

jede methodische Hilfe <strong>in</strong> manchen Fällen hervorragende Resultate<br />

erzielt? Survival of the fittest? Ehrgeiz? Konkurrenz? Oder e<strong>in</strong>fach<br />

Begabung? Widerstand als Kraftquelle? Diszipl<strong>in</strong> als Teil des<br />

Selbstkonzepts? Gehorsam und Familienehre? S<strong>in</strong>d es vielleicht<br />

sogar Eigenschaften oder E<strong>in</strong>flüsse, die mit Musik gar nichts zu tun<br />

haben? Lassen sich solche E<strong>in</strong>flüsse def<strong>in</strong>ieren und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>novative Strategie ummünzen? Offene Fragen, die durchaus noch<br />

<strong>in</strong>novative Forschung brauchen.<br />

Kybernetik <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik<br />

E<strong>in</strong> echter Paradigmenwechsel <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik ist die<br />

Erkenntnis, dass jede pädagogische oder übebed<strong>in</strong>gte „Maßnahme“<br />

nicht monokausal, sondern kybernetisch angelegt ist. Monokausal<br />

hieße: Wenn du dies machst, geschieht das. Kybernetisch h<strong>in</strong>gegen<br />

heißt: Wenn du dies machst, br<strong>in</strong>gt dich das, was dann geschieht,<br />

dazu, etwas Drittes, vielleicht Neues, vielleicht sogar Unbekanntes<br />

zu machen, und dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weitgehend unbewussten, aber<br />

immer aktiven Kreislauf. Daraus folgt zw<strong>in</strong>gend, dass auch durch<br />

Reflexion erworbene E<strong>in</strong>sichten sich rückwirkend auf den unbe-<br />

wussten, <strong>in</strong>tuitiven Bereich unseres Tuns auswirken.<br />

Wenn wir von Innovation sprechen, erhebt sich die Frage, auf<br />

welchem Parameter, unter welchem Aspekt etwas Neues wirksam<br />

se<strong>in</strong> kann. Hier geht es nicht mehr um den unbewussten Rekurs auf<br />

me<strong>in</strong>e Begabung, sondern um scharfe Beobachtung, um die Suche<br />

nach Regeln und Begründungen, um die Entdeckung möglicher<br />

Verallgeme<strong>in</strong>erungen, um Transfer, um Handhabbarkeit von<br />

künstlerischen Parametern und um das Wissen von deren Wir-<br />

kungen. Sogar Mozart muss so gedacht haben, wenn er schreibt<br />

„Die Leute sollen we<strong>in</strong>en, nicht ich“!<br />

Überspitzt ausgedrückt: Wenn Tradition mit Begriffen wie Talent<br />

und Begabung arbeitet, sollte Innovation sich schwerpunktartig<br />

mehr um Reflexion bemühen. Natürlich können neue E<strong>in</strong>sichten<br />

auch <strong>in</strong>tuitiv erworben werden, aber ihre pädagogische Verfügbar-<br />

keit erfordert Reflexion: So kann <strong>in</strong>strumentalpädagogische<br />

Innovation entstehen.<br />

Innovative Instrumentalpädagogik muss sich also mit der Frage<br />

beschäftigen: Wie entstehen diese Wirkungen, wor<strong>in</strong> bestehen sie<br />

überhaupt, kann ich sie bee<strong>in</strong>flussen, kann ich sie anderen<br />

vermitteln, welche Voraussetzungen kann ich schaffen, welche<br />

Methoden gibt es, welche kann ich erf<strong>in</strong>den? Statt traditionell zu<br />

fragen, wie begabt jemand ist, stünde <strong>in</strong>novativ die Frage: Wie<br />

begabe ich als Lehrer jemanden? Vielleicht gibt es sogar traditio-<br />

nelle Methoden, die ich nur wieder neu entdecken muss?<br />

In diesen Zusammenhang fällt auch die Tatsache, dass jeder<br />

Übeprozess e<strong>in</strong> Entwicklungsprozess ist, und zwar sowohl <strong>in</strong> Bezug<br />

auf kurzfristige Problemlösungen als auch auf langfristige Persön-<br />

lichkeitsentwicklung. Hier taucht die Frage auf, welche Rolle <strong>in</strong><br />

beiden Fällen der Zeitaufwand und mit ihm die Geduld e<strong>in</strong>es<br />

Spielers spielt: Wie viel Zeit ist zur Lösung e<strong>in</strong>er zu def<strong>in</strong>ierenden<br />

Aufgabe erforderlich? In welchem Bereich spielt sich die Zahl von<br />

Wiederholungen ab? Welche Konsequenzen hat die Beantwortung<br />

solcher Fragen auf das Selbstkonzept e<strong>in</strong>es Musikers?<br />

19


20 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Auf allen diesen Überlegungen folgt für e<strong>in</strong>e Institution wie e<strong>in</strong>e<br />

Musikhochschule zw<strong>in</strong>gend: So wichtig die Förderung außerge-<br />

wöhnlicher Talente ist, als unverzichtbarer Nachweis für das<br />

angestrebte und erreichte künstlerische Niveau – die „künstlerisch-<br />

wissenschaftliche“ Innovation entsteht nicht so sehr durch den<br />

Blick auf Begriffe wie Begabung und Intuition, sondern durch<br />

Reflexion und Forschung. Hier gibt es Nachholbedarf, vielleicht<br />

sogar e<strong>in</strong> Umdenken, denn die Leistung e<strong>in</strong>er Spitzenbegabung ist<br />

natürlich immer spektakulärer als e<strong>in</strong>e auch noch so fundamentale<br />

neue methodische Erkenntnis (Anmerkung: Auch Spitzenbega-<br />

bungen profitieren von neuen methodischen Erkenntnissen!).<br />

Innovation <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik<br />

Hier seien nun zusammenfassend e<strong>in</strong> paar Aspekte genannt, die der<br />

Innovation, dem Fortschritt <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik, dienen<br />

können:<br />

1. Wie schon angedeutet, gibt es Wirkungszusammenhänge, die<br />

auch für denjenigen gelten, der davon ke<strong>in</strong>e Ahnung hat. Sie haben<br />

schon immer zum Menschen gehört und s<strong>in</strong>d unabhängig von<br />

pädagogischen, stilistischen oder sonstigen Traditionen a priori<br />

wirksam. Alle Bereiche (körperlich-emotional-mental) s<strong>in</strong>d aufs<br />

Innigste mite<strong>in</strong>ander kybernetisch vernetzt. Mit dieser E<strong>in</strong>sicht<br />

können wir Übemethoden schaffen und verstehen, die sche<strong>in</strong>bar<br />

unzusammenhängende Bereiche des Körpers mite<strong>in</strong>ander verknüp-<br />

fen oder die sogar emotionale Bef<strong>in</strong>dlichkeiten mit körperlichen<br />

Aktivitäten oder Zuständen verb<strong>in</strong>den. Als Beispiel: Ausdrucksbe-<br />

wegungen generieren Ausdruck, denn jede Bewegung hat auch e<strong>in</strong>e<br />

Empf<strong>in</strong>dungskomponente. Als Symbol für solche geheimnisvollen<br />

Vernetzungen könnte hier e<strong>in</strong> aus mehreren Achsen bestehendes<br />

Mobile dienen: Wo immer ich es berühre, ändert sich das ganze<br />

Gebilde, nicht nur die gerade berührte Achse.<br />

2. Raum für Fortschritt gäbe es auch <strong>in</strong> der Kenntnis von re<strong>in</strong><br />

physikalischen Sachverhalten. Im Streicherbereich z. B. grassieren<br />

immer noch Jahrhunderte alte Vorstellungen, die zwar plausibel<br />

kl<strong>in</strong>gen, aber nachweislich falsch s<strong>in</strong>d. Die falsche Vorstellung e<strong>in</strong>es<br />

physikalischen Sachverhalts erzeugt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>adäquate körperliche<br />

Reaktion beim Spieler, die, negativ kybernetisch vernetzt, als<br />

emotionale oder mentale Störung auftreten kann.<br />

3. E<strong>in</strong> entscheidender Aspekt bei dem, was wir als Innovation<br />

bezeichnen können, ist auch der ganze Bereich der Unterrichtskom-<br />

munikation. Noch zu häufig ersche<strong>in</strong>t das Verhältnis Lehrer/Schüler<br />

als E<strong>in</strong>bahnstraße, ja sogar als „Machtgefälle“, wo doch neben<br />

<strong>in</strong>dividuellen Erfahrungen e<strong>in</strong>deutige wissenschaftliche Befunde<br />

darüber zur Verfügung stehen, dass es sich beim Unterricht um e<strong>in</strong><br />

System handelt, dessen Beteiligte sich wechselseitig bee<strong>in</strong>flussen.<br />

E<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>sicht kann e<strong>in</strong>en Lehrer dann zu der konstruktiven<br />

Frage br<strong>in</strong>gen: „Was muss ich auf der Suche nach e<strong>in</strong>er Problemlö-<br />

sung bei mir selbst ändern“, anstatt: „Was muss der Schüler tun,<br />

damit er me<strong>in</strong>en Vorstellungen entspricht?“<br />

4. Auch die Lernpsychologie hat noch nicht überall E<strong>in</strong>lass<br />

gefunden und bietet Spielraum für <strong>in</strong>strumentalpädagogische<br />

Innovation: Welches s<strong>in</strong>d optimale Lernbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Studierenden, wo liegen Störungen vor, wo s<strong>in</strong>d die<br />

Grenzen und Möglichkeiten unserer Aufmerksamkeit, wie ändern sie<br />

sich im Laufe des Lebens?<br />

5. Ebenso harrt der methodische Bereich im Instrumentalunterricht<br />

noch auf so manche Innovation: Welche Strategie habe ich zur<br />

Verfügung, um e<strong>in</strong> Problem zu lösen? Gibt es vielleicht sogar e<strong>in</strong>e<br />

Strategie zur Erf<strong>in</strong>dung von Methoden? Um e<strong>in</strong> Problem, e<strong>in</strong>en<br />

Parameter bearbeiten zu können, muss ich ihn – verbal oder<br />

non-verbal – def<strong>in</strong>ieren können (Dass jede Wiederholung naturge-<br />

mäß mit e<strong>in</strong>er Bewertung verknüpft wird, ist selbstverständlich).<br />

So gesehen, bedeutet Innovation auf dem Feld der Instrumentalpä-<br />

dagogik nichts anderes als e<strong>in</strong>e Verbreiterung des Angebots von<br />

<strong>in</strong>dividuellen Entwicklungsmöglichkeiten für jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />

Lernenden.<br />

Wohl verstanden, kann der spannende Diskurs zwischen Tradition<br />

und Innovation als Quelle von <strong>in</strong>spirierenden Informationen und<br />

Anregungen gesehen werden, durch welche künstlerische Arbeit<br />

S<strong>in</strong>n und Richtung erfährt.<br />

L<strong>in</strong>ks:<br />

Meisterkurs mit Ferenc Rados im Kle<strong>in</strong>en Saal der <strong>HfMDK</strong>.


Foto: Kronberg Academy, Andreas Malkmus<br />

GFF<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 21<br />

Gesellschaft der Freunde<br />

und Förderer der<br />

Hochschule für Musik<br />

und Darstellende Kunst<br />

<strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

Seit 2007 gibt es die Gesellschaft der Freunde und Förderer der<br />

Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am<br />

Ma<strong>in</strong> e.V. Die Freunde und Förderer engagieren sich für optimale<br />

Studienbed<strong>in</strong>gungen und mehr Spielraum für junge begabte<br />

und leidenschaftliche Künstler<strong>in</strong>nen und Künstler.<br />

Sie fördern große Opernproduktionen, Stipendien für talentierte<br />

Studienanfänger oder für ausländische Studierende, hochklassige<br />

Abschlusskonzerte, Gastprofessuren, Arbeitsphasen mit renom-<br />

mierten Dirigenten, Mentaltra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, Instrumental-, Tanz- und<br />

Gesangsworkshops, den Kauf besonderer Instrumente und mehr.<br />

Als Mitglied im Fördervere<strong>in</strong> genießen Sie viele exklusive Angebote.<br />

Vor allem aber haben Sie teil an der Entwicklung der Hochschule<br />

für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

der besten Hochschulen für Musik, Theater und Tanz im nationalen<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Vergleich. Werden auch Sie Freund und<br />

Förderer – wir freuen uns auf Sie!<br />

Kontakt<br />

Beate Eichenberg<br />

Telefon 069 154 007 137<br />

<strong>in</strong>fo@hfmdk-freunde.de<br />

www.hfmdk-freunde.de<br />

Spendenkonto Nr. 80 65 070<br />

bei der Deutschen Bank <strong>Frankfurt</strong>,<br />

Bankleitzahl 500 700 24


22 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Unten und rechte Seite:<br />

„Geschw<strong>in</strong>de, ihr wirbelnden<br />

W<strong>in</strong>de“ – diese weltliche<br />

Kantate von Johann Sebastian<br />

Bach g<strong>in</strong>g im Großen Saal als<br />

von Stefan Bastians<br />

durch<strong>in</strong>szeniertes Dramma<br />

per Musica über die Bühne.<br />

Aufführende waren Instrumentalisten<br />

der Abteilung<br />

Historische Interpretationspraxis<br />

und Gesangsstudierende<br />

der <strong>HfMDK</strong>.<br />

Im Zangengriff gegen<br />

Erstarrung<br />

Michael Schneider und Gerhard Müller-Hornbach erklä-<br />

ren, warum Historische Interpretationspraxis <strong>in</strong>novativ<br />

mit Traditionen bricht und zeitgenössische Musik ohne<br />

Traditionsbewusstse<strong>in</strong> undenkbar ist<br />

Wer an der Hochschule über die Begriffe Tradition und Innovation<br />

nachdenkt, kommt nicht an zwei wichtigen E<strong>in</strong>richtungen vorbei,<br />

die die <strong>HfMDK</strong> seit dem Jahr 2005 bereichern: die Abteilung für<br />

Historische Interpretationspraxis unter Leitung von Prof. Michael<br />

Schneider und das Institut für zeitgenössische Musik unter der<br />

Direktion von Prof. Gerhard Müller-Hornbach. Das folgende<br />

Interview lässt beide über das Spannungsfeld von „Tradition und<br />

Innovation“ <strong>in</strong> ihrer täglichen Arbeit nachdenken. Schnell wird<br />

dabei klar: Die Begriffsassoziationen „historisch – traditionell“ und<br />

„zeitgenössisch – <strong>in</strong>novativ“ s<strong>in</strong>d stereotyp und greifen zu kurz,<br />

um die Tätigkeitsfelder h<strong>in</strong>reichend zu umschreiben.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Schneider, wie sehr versteht sich die Abteilung<br />

Historische Interpretationspraxis als e<strong>in</strong>e Hüter<strong>in</strong> von Traditionen?<br />

Prof. Michael Schneider In vieler H<strong>in</strong>sicht gar nicht: Die Art unseres<br />

Arbeitens <strong>in</strong> der Historischen Interpretationspraxis ergibt sich<br />

vielmehr aus der Annahme e<strong>in</strong>es Traditionsbruchs. Unser Zugang<br />

beruht darauf, dass uns die direkten Überlieferungen als <strong>in</strong>terpretatorischer<br />

Zugang für die Musik vergangener Epochen nicht<br />

ausreichend ersche<strong>in</strong>en und dass es <strong>in</strong> jedem Falle neben dem<br />

künstlerischen Anteil der „Interpretation“ auch des forschenden<br />

Anteils, eben des „Historischen“ bedarf. Der Bruch besteht dar<strong>in</strong>,<br />

dass sich Stil, Geschmack und soziale Funktionen und damit fast


alle Parameter des Musizierens seit dem 18. Jahrhundert vollkom-<br />

men verändert haben. Die über das 19. Jahrhundert tradierten<br />

Zugangswege taugen zum größten Teil nicht mehr für Verständnis<br />

und Darstellung von Musik davor liegender Epochen. Das gilt zum<br />

Beispiel für die Bedeutung des puren Notentextes. Da haben sich<br />

unglaubliche Veränderungen vollzogen, was Phrasierung oder Dyna-<br />

mik angehen, aber auch die pure Anzahl der Töne, die gespielt<br />

werden sollen. Ich selbst b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Pionier der Historischen Interpre-<br />

tationspraxis; Pioniere fanden sich <strong>in</strong> den 70er Jahren <strong>in</strong> der<br />

Generation unserer Lehrer. Ich hatte auch teilweise auf dem<br />

„modernen“ Cello e<strong>in</strong>e Ausbildung genossen, die ausschließlich auf<br />

Tradierung durch übermächtige Lehrerpersönlichkeiten beruhte und<br />

<strong>in</strong> der nichts h<strong>in</strong>terfragt werden durfte. Ich er<strong>in</strong>nere mich noch sehr<br />

gut, wie ich es als e<strong>in</strong>e ungeheure Befreiung empfand, alles neu<br />

denken zu dürfen – neu anhand der Quellen zu h<strong>in</strong>terfragen – und<br />

zu völlig anderen Ergebnissen zu kommen – das war Innovation pur.<br />

FiT Woher kam dieser Befreiungsdrang?<br />

Schneider Das Unwohlse<strong>in</strong> an der „Tradition“ lässt sich ja relativ<br />

weit zurückverfolgen, denken wir an Gustav Mahlers Diktum<br />

“Tradition ist Schlamperei“. Ich vertrete sogar die Theorie, dass<br />

e<strong>in</strong>er der entscheidenden Impulse auch von der Neuen Wiener<br />

Schule und ihrer Kritik an der damaligen „Aufführungspaxis“<br />

ausg<strong>in</strong>g. Deren Komponisten wie Schönberg, Berg und Webern<br />

beschäftigten sich ja auch stark mit der Interpretation der Musik<br />

vergangener Jahrhunderte wie der von Bach, Mozart, Beethoven<br />

und Schubert. E<strong>in</strong>e Interpretenpersönlichkeit wie Rudolf Kolisch<br />

spielte dabei e<strong>in</strong>e große Rolle, man denke nur an se<strong>in</strong>e Forschungen<br />

und Äußerungen zum Tempo bei Beethoven.<br />

Prof. Gerhard Müller-Hornbach Übrigens spielte die Zweite Wiener<br />

Schule auch für die Entwicklung der zeitgenössischen Musik e<strong>in</strong>e<br />

enorm wichtige Rolle. Deren Komponisten waren sehr traditionsbe-<br />

wusst und wollten ke<strong>in</strong>en Bruch; vielmehr hatten sie e<strong>in</strong>e starke<br />

Aff<strong>in</strong>ität dazu, Traditionen weiterzuführen und Traditionelles als<br />

<strong>in</strong>novativen Impuls zu verwenden, Altes auf Aktuelles zu beziehen<br />

und so die Vergangenheit mit anderen Augen zu sehen. Für mich<br />

s<strong>in</strong>d die Kenntnis von Traditionszusammenhängen und das<br />

Nachvollziehen von Traditionsverläufen und Entwicklungssträngen<br />

untrennbar mit der Suche nach Innovation verbunden.<br />

FiT Folglich ist die zeitgenössische Musik traditioneller, als es<br />

äußerlich sche<strong>in</strong>en könnte?<br />

Müller-Hornbach In jedem Fall hat <strong>in</strong> der Szene der zeitgenössischen<br />

Musik e<strong>in</strong> Umdenken stattgefunden: Die Forderung, dass nur das<br />

absolut Neue, noch nie Dagewesene das e<strong>in</strong>zig Gültige sei, ist vom<br />

Tisch. Die Tradition der Avantgarde ist damit jedenfalls gebrochen.<br />

FiT Wie lässt sich der Begriff „<strong>in</strong>novativ“ h<strong>in</strong>reichend def<strong>in</strong>ieren?<br />

Schneider Ich bezweifle, dass man ihn im Präsens verwenden kann<br />

im S<strong>in</strong>ne von „Ich werde jetzt mal <strong>in</strong>novativ“. Es geht beim<br />

Musikmachen und dem dazu gehörigen Forschen darum, der Musik<br />

optimal gerecht zu werden. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> mag man dann <strong>in</strong>nova-<br />

tive Impulse ausf<strong>in</strong>dig machen, weil e<strong>in</strong> bestimmter Zugang neue<br />

und vielleicht für die orig<strong>in</strong>äre Wirkung der Musik geeignetere<br />

Wege gezeigt hat.<br />

23


24 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Müller-Hornbach Die Frage führt mich gedanklich auf die Gründung<br />

der beiden Institute an der <strong>HfMDK</strong> zurück, nämlich des Instituts für<br />

Historische Interpretationspraxis und des Instituts für zeitgenös-<br />

sische Musik im Jahr 2005: Wir Initiatoren hatten erkannt, dass es<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Erstarrung <strong>in</strong> der Pflege des Repertoires gab – da<br />

wurde etwas konserviert. Und wir waren uns e<strong>in</strong>ig, dass wir diese<br />

Erstarrung aufbrechen wollten.<br />

Schneider Ganz richtig – und wir haben sie von beiden Seiten<br />

regelrecht „<strong>in</strong> die Zange genommen“.<br />

FiT Ist die Operation geglückt?<br />

Müller-Hornbach Ja. Ich nehme zum<strong>in</strong>dest wahr, dass bei unseren<br />

Studierenden e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> dafür gewachsen ist, kritische Fragen<br />

zu stellen und nicht alles protestlos h<strong>in</strong>zunehmen. Mir sche<strong>in</strong>t auch<br />

ihre Neugierde gewachsen zu se<strong>in</strong> und ihr Mut, selbstverantwortlich<br />

auf die Suche zu gehen und das damit verbundene Risiko <strong>in</strong> Kauf<br />

zu nehmen. So entsteht e<strong>in</strong>e Haltung, die ich im eigentlichen S<strong>in</strong>ne<br />

als künstlerisch bezeichnen möchte.<br />

Schneider Der Erfolg unserer Arbeit trägt ja schon dann Früchte,<br />

wenn Studierende <strong>in</strong> die Bibliothek gehen und sich e<strong>in</strong>e Notenaus-<br />

gabe im Urtext und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bearbeiteten Fassung besorgen.<br />

Projekte <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und ganzen<br />

Fachbereichen gehören zu unserem Alltag. Ich verweise nur auf<br />

unsere diesjährige Großproduktion für das Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival<br />

<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Fachbereich der Darstellenden Künste<br />

oder die regelmäßigen geme<strong>in</strong>samen Projekte für unsere jährliche<br />

„Barocknacht“.<br />

FiT Erklären Sie diese veränderte Haltung näher.<br />

Schneider Es ist die Haltung, nicht gleich aus dem Bauch heraus los<br />

zu fiedeln und zu „<strong>in</strong>terpretieren“, sondern erst e<strong>in</strong>mal Mühe darauf<br />

zu verwenden, e<strong>in</strong>e aus der jeweiligen Epoche erkennbare Idee<br />

e<strong>in</strong>es Stückes zu entwickeln und sich dann ehrfürchtig und demütig<br />

der Musik zu nähern. Es geht dabei natürlich auch darum, den<br />

notwendigen künstlerischen Eigenanteil zu eruieren, denn Wissen<br />

um historische Zusammenhänge oder Verwendung Alter Instru-<br />

mente alle<strong>in</strong> ergeben noch ke<strong>in</strong>e Musik!<br />

Müller-Hornbach Auf die Arbeit des zeitgenössischen Komponisten<br />

übertragen, würde ich ergänzen: Etwas Innovatives zu f<strong>in</strong>den,<br />

besteht nicht aus dem Bemühen darum. Was hier eher <strong>in</strong>teressiert,<br />

ist das Authentische – die unverwechselbare Perspektive e<strong>in</strong>es<br />

Künstlers zu e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit.<br />

FiT Welche Haltung lehnen Sie entsprechend ab?<br />

Schneider Zum Beispiel re<strong>in</strong>en Pragmatismus, der mir extrem gegen<br />

den Strich geht und gegen den wir gerade unter unseren eigenen<br />

HIP-Studierenden kämpfen müssen. Dies führt uns zur Erkenntnis,<br />

dass es auch <strong>in</strong> der rund e<strong>in</strong> halbes Jahrhundert alten Geschichte<br />

der HIP bereits wieder ungute und nicht h<strong>in</strong>terfragte Traditionen<br />

gibt. Jedenfalls lauert die wenig künstlerische Tendenz, sich <strong>in</strong><br />

kurzer Zeit im Hauptfachunterricht möglichst viel imitatorisch<br />

abzuschauen, um damit möglichst schnell den Anforderungen e<strong>in</strong>es<br />

neu gewachsenen Musikmarkts zu entsprechen. Das ist Kunstge-<br />

werbe, aber ke<strong>in</strong>e Kunst. Wir Lehrenden bemühen uns, die<br />

Studierenden zu stimulieren, möglichst selbstständig <strong>in</strong> die Materie<br />

e<strong>in</strong>zudr<strong>in</strong>gen, nicht zuletzt mit Hilfe der theoretisch-aufführungs-<br />

praktischen Inhalte e<strong>in</strong>es HIP-Studiums. Dabei begegne ich<br />

bee<strong>in</strong>druckenden Belegen von ernsthafter Beschäftigung mit der<br />

Materie: wenn mir beispielsweise e<strong>in</strong> taiwanesischer Student als<br />

Diplom-Abschlussarbeit e<strong>in</strong>e von ihm selbst nach den Quellen<br />

edierte Telemann-Kantate vorlegt.<br />

Müller-Hornbach Die Tendenz, sich Fertigkeiten oberflächlich ohne<br />

eigene Reflexion und wirkliche Ause<strong>in</strong>andersetzung anzueignen, ist<br />

das, was ich bei verme<strong>in</strong>tlichen Künstlern missbillige. E<strong>in</strong> Beispiel:<br />

Studierende eignen sich diverse Kompositionstechniken an, um<br />

damit etwas zu schreiben, das an der Oberfläche gekonnt wirkt,<br />

äußerlich den Standards Neuer Musik entspricht und auf Festivals<br />

oder bei Wettbewerben womöglich erfolgreich ist. Wenn ihre Arbeit<br />

dabei jedoch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise auf e<strong>in</strong>er tiefer gehenden Ause<strong>in</strong>an-<br />

dersetzung mit der Tradition und der aktuellen Situation, mit der<br />

Frage nach dem eigenen Standpunkt, der eigenen Persönlichkeit<br />

und nach dem S<strong>in</strong>n des eigenen Tuns im gesellschaftlichen Kontext<br />

basiert, fehlt mir e<strong>in</strong>e echte künstlerische Haltung! Ihr Tun ist dann<br />

jedenfalls wenig <strong>in</strong>novativ im eigentlichen S<strong>in</strong>ne. Vielen Studieren-<br />

den muss erst klar werden, dass wahre Innovation nicht auf<br />

Unkenntnis wachsen kann, sondern dass e<strong>in</strong>e Orientierung im<br />

aktuellen Umfeld ebenso wichtig ist wie die Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit Traditionsverläufen und Traditionsbrüchen der Vergangenheit.<br />

FiT Welche direkten Berührungspunkte gab und gibt es an unserer<br />

Hochschule zwischen der Historischen Interpretationspraxis und der<br />

zeitgenössischen Musik?<br />

Schneider Da fällt mir sofort e<strong>in</strong> Blockflötenstück von Gerhard<br />

Müller-Hornbach e<strong>in</strong>, das wir mittlerweile als Standardwerk Neuer<br />

Musik betrachten. Im nächsten Semester werde ich Stockhausens<br />

„Tierkreis“ neu arrangieren und auf Initiative von Dr. Julia Cloot, der<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong> des Instituts für zeitgenössische Musik, im<br />

Senckenbergmuseum aufführen – gleich neben den D<strong>in</strong>osauriern.<br />

Müller-Hornbach Als ich e<strong>in</strong> zweisemestriges Intensivsem<strong>in</strong>ar – <strong>in</strong>s-<br />

besondere für die Studierenden der Kompositionsklasse – zum<br />

Thema Tonhöhen veranstaltete, führte uns Cembaloprofessor Harald<br />

Hoeren <strong>in</strong> alte Stimmungssysteme e<strong>in</strong>; er vermittelte dabei e<strong>in</strong>e<br />

ungeheure Vielfalt im Umgang mit Tonhöhen und gab den Sem<strong>in</strong>ar-


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

teilnehmern e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck davon, dass die gleichstufige Klavier-<br />

stimmung der heutigen Zeit nicht das Maß aller D<strong>in</strong>ge ist. Das<br />

Mite<strong>in</strong>ander gestaltete sich als e<strong>in</strong>e sehr fruchtbare Zusammenar-<br />

beit, <strong>in</strong> der deutlich wurde, wie sehr sich die Erfahrungen <strong>in</strong> der HIP<br />

mit Fragestellungen berühren, die im heutigen Komponieren <strong>in</strong><br />

Bezug auf Mikrotonalität, Spektralität und ähnliches brandaktuell<br />

s<strong>in</strong>d. Bemerkenswert f<strong>in</strong>de ich auch die Tatsache, dass e<strong>in</strong>ige<br />

Studierende der Internationale Ensemble Modern Akademie (IEMA)<br />

sich entschlossen haben, zeitgleich e<strong>in</strong> Studium der Historischen<br />

Interpretationspraxis aufzunehmen.<br />

FiT Welche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen halten Sie für erforderlich, um<br />

Ihre Arbeit an der Hochschule noch effizienter ausüben zu können?<br />

Schneider Was wir am dr<strong>in</strong>gendsten brauchen, ist mehr Platz! Wie<br />

wir Sem<strong>in</strong>are mit 35 Teilnehmern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum im C-Gebäude ab-<br />

halten müssen, ist unzumutbar und macht den Ruf nach e<strong>in</strong>em<br />

Neubau noch e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glicher. E<strong>in</strong>en für unsere Zwecke geeigneten<br />

Probenraum haben wir übrigens auch nicht.<br />

Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />

Oben l<strong>in</strong>ks:<br />

Prof. Michael Schneider leitet die Abteilung<br />

Historische Interpretationspraxis.<br />

Mitte:<br />

Prof. Gerhard Müller-Hornbach ist Direktor des<br />

Instituts für zeitgenössische Musik.<br />

Die weiteren Motive zeigen Studierende der<br />

Internationale Ensemble Modern Akademie und<br />

Historischen Interpretationspraxis.<br />

Müller-Hornbach Stichwort Raum: Die räumliche Trennung der<br />

Studienorte der IEMA-Studierenden – ihre Probenraäume bef<strong>in</strong>den<br />

sich beim Ensemble Modern <strong>in</strong> der Schwedlerstraße, während sie<br />

an der Hochschule e<strong>in</strong>geschrieben s<strong>in</strong>d – , führt zu logistischen<br />

Reibungsverlusten, die man mit e<strong>in</strong>em Neubau und e<strong>in</strong>er räum-<br />

lichen Zusammenführung auf dem Kulturcampus Bockenheim<br />

kompensieren wird. Inhaltlich erachte ich es für s<strong>in</strong>nvoll und<br />

notwendig, sowohl die Historische Interpretationspraxis als auch<br />

die zeitgenössische Musik <strong>in</strong> den sonstigen Studiengängen stärker<br />

zu repräsentieren und zu verankern – <strong>in</strong> der Lehrerausbildung<br />

beispielsweise f<strong>in</strong>det beides bisher kaum statt. Auch die personelle<br />

Ausstattung unseres Bereiches lässt erhebliche Wünsche offen: Die<br />

dr<strong>in</strong>gend notwendige Besetzung der zweiten, seit langem vakanten<br />

Kompositionsprofessur und e<strong>in</strong>e hauptamtliche Verankerung der<br />

elektronischen Musik im Lehrkörper s<strong>in</strong>d zwei Beispiele.<br />

Schneider Natürlich s<strong>in</strong>d derlei Überlegungen auch e<strong>in</strong>e Frage der<br />

personellen Ressourcen, gerade <strong>in</strong> unserer vergleichsweise kle<strong>in</strong>en<br />

Abteilung s<strong>in</strong>d da schnell Grenzen des Möglichen erreicht.<br />

Außerdem s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb unseres Studiengangs noch nicht alle<br />

<strong>in</strong>haltlichen Wünsche erfüllt, zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e wichtige Innovation<br />

noch nicht.<br />

FiT Die da wäre?<br />

Schneider Bei uns ist die Erkenntnis gewachsen, dass man Alte<br />

Musik nur angemessen <strong>in</strong>terpretieren kann, wenn man improvisie-<br />

ren kann, wie es damals üblich war. Diese Art von freiem und<br />

kreativem Umgang mit der musikalischen Vorlage ist übrigens e<strong>in</strong><br />

Beispiel, wie Tradition und Innovation Hand <strong>in</strong> Hand gehen können:<br />

e<strong>in</strong>e Tradition aufzugreifen und sie <strong>in</strong>novativ mit eigenen Ideen zu<br />

neuem Leben zu erwecken. bjh<br />

25


26<br />

Überschaubar und chancenreich<br />

Der Ausbildungsbereich Kirchenmusik ist kle<strong>in</strong>er geworden, die Berufschancen se<strong>in</strong>er Absolventen s<strong>in</strong>d<br />

zugleich überdurchschnittlich<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

Von Prof. Gerd Wachowski,<br />

Direktor des Ausbildungsbereichs Kirchenmusik<br />

Kirchenmusiker<strong>in</strong>nen und Kirchenmusiker evangelischer oder<br />

katholischer Konfession verantworten und gestalten die Musik <strong>in</strong><br />

den Gottesdiensten und Konzertveranstaltungen der sie anstellenden<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>den. Sie begleiten den Geme<strong>in</strong>degesang,<br />

leiten und betreuen Chöre, Instrumentalensembles und andere<br />

musikalische Gruppen und pflegen auch die eigenen <strong>in</strong>strumentalen<br />

und künstlerischen Fähigkeiten. In e<strong>in</strong>er fortschreitend säkularisierten<br />

Gesellschaft und bei e<strong>in</strong>em fortschreitenden Verlust von<br />

liturgischer Kultur und ästhetischer Qualität vieler Gottesdienste<br />

kommt den Vertretern dieses Berufes als wichtiges B<strong>in</strong>deglied<br />

zwischen den Amtskirchen und deren zunehmend entfremdeten<br />

Mitgliedern e<strong>in</strong>e wachsende Bedeutung zu. Kirchenmusiker<strong>in</strong>nen<br />

und Kirchenmusiker s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem kulturellen Umfeld wichtige<br />

Multiplikatoren, und ihre künstlerische und pädagogische Arbeit<br />

erlangt nicht selten überregionale Beachtung und Anerkennung.<br />

Wer heute <strong>in</strong> Deutschland an e<strong>in</strong>er der staatlichen oder der<br />

kirchlichen Hochschulen e<strong>in</strong> Kirchenmusikstudium aufnimmt, tut<br />

das <strong>in</strong> der Erwartung, nach erfolgreichem Ende der breit gefächerten<br />

Ausbildung e<strong>in</strong>e Festanstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de zu<br />

erhalten und aktiv am christlichen Verkündigungsauftrag (Wort und<br />

Musik) mitzuwirken. Nach traditionellem und meistens auch<br />

heutigem Verständnis vollzieht sich diese musikalische Arbeit<br />

schwerpunktmäßig <strong>in</strong> den Bereichen Orgel (Literaturspiel und<br />

Geme<strong>in</strong>debegleitung/Improvisation) und Chorleitung. Die künstlerische<br />

Ausbildung <strong>in</strong> diesen Fächern alle<strong>in</strong> ist jedoch nicht ausreichend.<br />

Um auf die Dauer kompetent und erfolgreich <strong>in</strong> diesem<br />

Beruf zu arbeiten, s<strong>in</strong>d vielmehr zahlreiche zusätzliche Fertigkeiten<br />

erforderlich.<br />

Rahmenordnung liefert Vorgaben<br />

Das Kirchenmusikdiplom, das an unserer <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule <strong>in</strong><br />

der Mitte der neunziger Jahre die frühere „Staatliche Prüfung für<br />

Chorleiter und Organisten“ ablöste und für Studienanfänger bis<br />

2010 Gültigkeit hatte, umfasste 30 Unterrichtsfächer und davon<br />

alle<strong>in</strong> 21 Prüfungsfächer. Bei der Umstellung der Diplomstudiengänge<br />

Kirchenmusik B und A auf Bachelor- und Masterstudiengänge<br />

standen die verantwortlichen Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter der<br />

Kirchenmusikerausbildung an den staatlichen und kirchlichen<br />

Hochschulen vor der Frage, ob und <strong>in</strong> welchem Maße die Ausbildung<br />

entschlackt und konzentriert und auch auf neue Anforderungen<br />

der kirchenmusikalischen Praxis (etwa weniger Gewicht auf<br />

künstlerische Fächer, dafür mehr Gewicht auf Popularmusik und<br />

K<strong>in</strong>der- und Jugendchorarbeit) ausgerichtet werden könnte. Die<br />

beiden entsprechenden Gremien, nämlich die „Konferenz der Leiter<br />

der kirchlichen und der staatlichen Ausbildungsstätten für Kirchenmusik<br />

<strong>in</strong> der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland“ (Direktorenkonferenz)<br />

und die „Konferenz der Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter der Ausbildungsstätten<br />

für katholische Kirchenmusik <strong>in</strong> Deutschland“ (KdL),<br />

haben sich im Jahre 2008 nach mehrjähriger <strong>in</strong>tensiver Diskussionsarbeit<br />

auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Empfehlung verständigt: die<br />

„Rahmenordnung für die berufsqualifizierenden Studiengänge <strong>in</strong><br />

Kirchenmusik“. Diese Rahmenordnung bildet die Grundlage für alle<br />

kirchenmusikalischen Bachelor- und Masterstudiengänge, die<br />

<strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>geführt s<strong>in</strong>d und von der ausgehend<br />

die Institute die Studien- und Prüfungsordnungen nach ihren<br />

jeweiligen personellen und <strong>in</strong>frastrukturellen Möglichkeiten und<br />

Schwerpunktsetzungen modifizieren.<br />

Ist das Kirchenmusikstudium, so wie es diese neue Rahmenordnung<br />

konzipiert, denn zeitgemäß? Diese Frage wird nicht nur von<br />

zahlreichen theologischen Verantwortungsträgern, sondern<br />

<strong>in</strong>sbesondere auch von vielen Protagonisten der Popularmusik <strong>in</strong><br />

der Kirche und teilweise sogar auch von Studierenden selbst mit<br />

e<strong>in</strong>er oft unverhüllten Skepsis gestellt.<br />

Kirche und Gesellschaft erwarten die Pflege<br />

musikalischer Traditionen<br />

Der oben geschilderte Diskussionsprozess um e<strong>in</strong>e Neuformulierung<br />

der kirchenmusikalischen Ausbildung, an dem der Verfasser<br />

dieser Zeilen jahrelang selbst aktiv beteiligt war, mündete schließlich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en von vielen als relativ konservativ bzw. wenig <strong>in</strong>novativ<br />

ausgerichtet betrachteten Kompromiss, der die neuen Anforderungen<br />

berücksichtigt, an den bewährten Ausbildungs<strong>in</strong>halten<br />

jedoch festhält. Grundlage dafür waren die folgende Überlegungen:<br />

Die Kirchen und auch die Gesellschaft erwarten von den Kirchenmusiker<strong>in</strong>nen<br />

und Kirchenmusikern die konsequente Pflege und<br />

Tradierung der vielfältigen und wertvollen Orgelmusik aller<br />

Stilepochen und auch der ebenso vielfältigen und teils kostbaren


Instrumente sowie der umfangreichen, bedeutenden Chormusik<br />

vom Mittelalter bis zur Moderne. Tatsächlich werden <strong>in</strong> zahllosen<br />

kirchenmusikalischen Aufführungen, sei es im gottesdienstlichen<br />

Kontext, sei es im re<strong>in</strong>en Kirchenkonzert, professionelle und<br />

exemplarische künstlerische Leistungen realisiert. Gerade <strong>in</strong><br />

mittleren und größeren Städten bilden Kirchenkonzerte mit<br />

Orgel- oder Chormusik <strong>in</strong> katholischen und evangelischen Kirchen<br />

e<strong>in</strong>en umfangreichen und wichtigen Bestandteil des Angebots an<br />

ernster Musik. Um dieser Aufgabenstellung und Verantwortung<br />

gerecht zu werden, ist e<strong>in</strong> Festhalten an e<strong>in</strong>er hochqualifizierten<br />

künstlerischen Ausbildung mit entsprechenden Unterrichts- und<br />

Übungszeiten unverzichtbar. Auch im Bereich der theologisch-litur-<br />

gischen Ausbildung s<strong>in</strong>d Kürzungsmöglichkeiten begrenzt, wenn<br />

die Berufs<strong>in</strong>haber <strong>in</strong> der Verkündigungsarbeit und <strong>in</strong> der gottes-<br />

dienstlichen Praxis als kompetente Partner ernstgenommen werden<br />

sollen. Neue Anforderungen seitens der kirchlichen Anstellungsträ-<br />

ger werden als berechtigt erkannt, ihnen wird durch e<strong>in</strong>e entspre-<br />

chende Aufstockung des Unterrichtsumfangs und der geforderten<br />

Prüfungsleistungen etwa <strong>in</strong> den Fächern Popularmusik und<br />

K<strong>in</strong>derchorleitung entsprochen. Gerade im letzteren Bereich hat<br />

sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass e<strong>in</strong>e Intensivierung der päda-<br />

gogischen Arbeit <strong>in</strong>sbesondere im K<strong>in</strong>der- und Jugendchorbereich<br />

unerlässlich ist, um den chorischen Nachwuchs zu rekrutieren.<br />

E<strong>in</strong>ige Ausbildungs<strong>in</strong>halte werden im Umfang reduziert oder ganz<br />

gestrichen.<br />

Chors<strong>in</strong>gen bzw. Chorleitung<br />

Individuelle Neigungen kommen zum Tragen<br />

zählt zu e<strong>in</strong>er ähnlich wichtigen<br />

Ausbildungssäule im<br />

Kirchenmusikstudium wie<br />

das Hauptfach Orgelspiel<br />

(im Bild Johannes Schwab).<br />

Kle<strong>in</strong>es Bild:<br />

Chorleitungsprofessor W<strong>in</strong>fried<br />

Toll bei der Arbeit mit dem<br />

Hochschulchor.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Neuerung und Verbesserung der Ausbildung bedeutet<br />

die Tatsache, dass die Studierenden im stark erweiterten Bereich<br />

der wahlobligatorischen Fächer ihr Studium <strong>in</strong>dividuellen Nei-<br />

gungen entsprechend organisieren können. Um nicht wie bisher die<br />

künstlerischen Hauptfächer vom ersten bis zum letzten Studien-<br />

semsester leisten zu müssen, s<strong>in</strong>d im Studium Kirchenmusik<br />

entsprechend den Möglichkeiten der jeweiligen Hochschulen<br />

verschiedene Schwerpunktsetzungen vorgesehen. So können die<br />

Studierenden an unserer <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule <strong>in</strong> den beiden<br />

letzten Semestern des Masterstudiums im „Vertiefungsmodul<br />

Künstlerische Kernfächer“ zwischen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>strumentalen (Orgel,<br />

Improvisation, Klavier/Cembalo) oder kantoralen (Chorleitung,<br />

Orchesterleitung, Gesang) Modulvariante wählen. E<strong>in</strong> erheblicher<br />

Nachteil des neuen gestuften Ausbildungssystems ist me<strong>in</strong>es<br />

Erachtens, dass es nicht mehr wie bisher die Möglichkeit gibt, die<br />

27


28<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

höchste kirchenmusikalische Qualifikation (bisher Diplom A, jetzt<br />

Master) <strong>in</strong> zehn Semestern direkt zu erlangen. Das bedeutet für die<br />

Hochschulen, die <strong>in</strong> der Vergangenheit – wie auch <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> –<br />

das grundständige A-Diplom ohne zwischengeschaltetes B-Diplom<br />

angeboten haben, dass sich durch die neuen Ausbildungsstrukturen<br />

die Kosten der Ausbildung für den höchsten berufsqualifizierenden<br />

Abschluss wegen des um 20% längeren Studiums (acht Semester<br />

Bachelor zuzüglich vier Semester Master) erhöhen. Was sich im<br />

Gegensatz zu den Prüfungsordnungen nicht geändert hat, ist der<br />

Umstand, dass das Studium der Kirchenmusik wegen des kosten<strong>in</strong>tensiven<br />

E<strong>in</strong>zelunterrichts <strong>in</strong> bis zu neun Fächern (Orgel-Literaturspiel,<br />

Geme<strong>in</strong>debegleitung/Improvisation, Klavier, Gesang, Chorleitung,<br />

Orchesterleitung, Generalbassspiel, Partiturspiel, Musiktheorie)<br />

und nicht zuletzt aufgrund der kostspieligen <strong>in</strong>strumentalen<br />

Infrastruktur e<strong>in</strong>e der teuersten Ausbildungen überhaupt ist. So<br />

verfügt unsere Hochschule über zwei größere Orgeln im Großen<br />

und Kle<strong>in</strong>en Saal, e<strong>in</strong>e historische italienische Orgel sowie weitere<br />

sechs Pfeifenorgeln und e<strong>in</strong>e elektronische Orgel als Übungs<strong>in</strong>strumente,<br />

die naturgemäß regelmäßiger Wartung bedürfen.<br />

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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Absolventen haben<br />

überdurchschnittliche Chancen<br />

Zum kommenden W<strong>in</strong>tersemesterbeg<strong>in</strong>n wird es voraussichtlich<br />

15 bis 16 Studierende <strong>in</strong> diesem Studiengang geben. Die Studierendenzahlen<br />

s<strong>in</strong>d wie auch an allen anderen Hochschulen <strong>in</strong><br />

diesem Bereich kont<strong>in</strong>uierlich zurückgegangen. Auch die personelle<br />

Ausstattung ist an der unteren Grenze des me<strong>in</strong>es Erachtens<br />

Vertretbaren angelangt. Nachdem sich die Hochschulleitung mit<br />

Ihrem Entschluss durchgesetzt hat, die vor e<strong>in</strong>igen Jahren durch<br />

Erreichen der Altersgrenze freigewordenen C4-Stellen Orgel (Prof.<br />

Daniel Roth) und Chorleitung (Prof. Wolfgang Schäfer) nicht wieder<br />

zu besetzen, ist die Attraktivität der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule für viele<br />

potentielle Kirchenmusikstudierende erheblich zurückgegangen,<br />

handelt es sich bei den Fächern Orgel und Chorleitung doch um die<br />

beiden Hauptsäulen der Kirchenmusikausbildung. Dennoch darf ich<br />

zufrieden feststellen, dass die drei verbleibenden Professoren<br />

unseres Ausbildungsbereichs (Mart<strong>in</strong> Lücker, Orgelliteraturspiel;<br />

W<strong>in</strong>fried Toll, Chorleitung; Gerd Wachowski, Orgelliteraturspiel und<br />

Orgelimprovisation) e<strong>in</strong>e erfolgreiche künstlerische Ausbildungsarbeit<br />

leisten. Die hervorragenden Ergebnisse unserer effizienten<br />

Unterrichtstätigkeit werden immer wieder anerkennend hervorgehoben,<br />

und unsere Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventen haben nach<br />

me<strong>in</strong>er Erfahrung überdurchschnittliche Chancen am Arbeitsmarkt.<br />

Soweit ich das übersehen kann, konnten sich fast alle Diplomanden<br />

nicht nur der letzten fünf bis zehn Jahre an lebensunterhaltsichernden<br />

und teilweise auch überregional bedeutenden Kirchenmusikerstellen<br />

oder <strong>in</strong> anderen Positionen (z.B. Lektor<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Notenverlag) etablieren.<br />

Das Kirchenmusikstudium erfordert von den Studierenden überdurchschnittliche<br />

Belastbarkeit und e<strong>in</strong>en hohen Arbeitse<strong>in</strong>satz.<br />

Unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzungen für e<strong>in</strong> erfolgreiches Studium s<strong>in</strong>d<br />

daher neben den als selbstverständlich vorausgesetzten spieltechnischen<br />

Fähigkeiten und musiktheoretischen Vorkenntnissen e<strong>in</strong>e<br />

hohe Allgeme<strong>in</strong>bildung, e<strong>in</strong>schlägige Sachkenntnisse und vor allem<br />

überdurchschnittliche Gesprächsbereitschaft und die Fähigkeit zum<br />

e<strong>in</strong>fühlsamen Umgang mit Menschen. Die überschaubare Größe<br />

unseres Ausbildungsbereichs und die damit bestehende enge<br />

soziale Kontrolle, das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Lehrenden<br />

und Studierenden untere<strong>in</strong>ander und zahlreiche geme<strong>in</strong>same<br />

Unternehmungen wie Chorprojekte und Orgelexkursionen und<br />

andere fördern diese Fähigkeiten, begünstigen e<strong>in</strong>en engen<br />

Zusammenhalt, schaffen e<strong>in</strong> angenehmes und fruchtbares Arbeitsklima<br />

und bewirken, dass es nur ausnahmsweise und selten zu<br />

Studienabbrüchen kommt.


Musiker – fe<strong>in</strong>motorische Bewegungskünstler<br />

Die <strong>HfMDK</strong> hält für Musiker viele <strong>in</strong>novative Angebote bereit, die Beweglichkeit ihres Körpers neu zu<br />

entdecken und zu schulen<br />

Im Dezember letzten<br />

Jahres präsentierten Lehrende und<br />

Studierende der Darstellenden<br />

Studiengänge ihre tägliche Arbeit<br />

für Lehrende und Kommilitonen<br />

des gleichen Fachbereichs.<br />

Im Team Teach<strong>in</strong>g erlebten sie auch<br />

die Körperarbeit von<br />

Prof. Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender<br />

(im Foto rechts) mit den Gesangsstudierenden<br />

Nohad Becker und<br />

Samuel Berlad.<br />

Von Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender, Professor<strong>in</strong> für Körperbildung und Bewegungslehre, und<br />

Ulf Henrik Göhle, Motologe, Dipl.-Musiklehrer und <strong>HfMDK</strong>-Lehrbeauftragter<br />

In den letzen zehn Jahren ist die Bedeutung des Musikerkörpers und se<strong>in</strong>er Beweglichkeit wieder stark <strong>in</strong> den Fokus geraten, unter<br />

anderem durch die Bestandsaufnahmen der Musikermediz<strong>in</strong>. Dies führte auch an der <strong>HfMDK</strong> neben der E<strong>in</strong>führung von Musikphysiologie<br />

und Musikmediz<strong>in</strong> zur Diskussion von bewegungsexperimentellen Körperverfahren <strong>in</strong> der musikpädagogischen Arbeit. Innovative Ausbildungs<strong>in</strong>stitute<br />

wie die <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule bieten bereits seit mehreren Jahren Körperverfahren wie Alexandertechnik, Feldenkrais oder<br />

Dispok<strong>in</strong>esis an. Was an der <strong>HfMDK</strong> unter dem Obertitel TAB (THE ARTIST’S BODY) entwickelt wurde, ist jedoch – im bundesweiten<br />

Vergleich der Musikhochschulen – e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen und breiten Spektrum an Körpertechniken, se<strong>in</strong>em Theorie-Praxis-Bezug<br />

und se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Ausrichtung.<br />

Musiker<strong>in</strong>nen und Musiker s<strong>in</strong>d fe<strong>in</strong>motorische Bewegungskünstler.<br />

Sie erbr<strong>in</strong>gen beim Instrumentalspiel sensomotorische und<br />

psychomotorische Höchstleistungen, die den ganzen Menschen<br />

und viele verschiedene Systeme beanspruchen: Muskeln, Skelett,<br />

Nerven, Herz und Kreislauf, die S<strong>in</strong>ne, Haut, Atmung und Psyche.<br />

Im Interesse e<strong>in</strong>er hohen Leistungsfähigkeit über e<strong>in</strong>en langen<br />

Karriereweg h<strong>in</strong>weg s<strong>in</strong>d Studierende heute gefordert, mehr<br />

Verantwortung für ihren Gesundheits- und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszustand zu<br />

übernehmen. Für e<strong>in</strong>e ausdrucksvolle Präsenz s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Körper-<br />

Geist-Zentrierung und e<strong>in</strong> entsprechendes Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

notwendig, unterstützt durch imag<strong>in</strong>ative Verfahren, mentales<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und Video-Feedback.<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

Das erweiterte Modell von THE ARTIST’S BODY ist e<strong>in</strong> sehr<br />

komplexes Wesen, das sparten- und fächerübergreifend denkt,<br />

entwicklungs- und lernfähig ist und folgende „KörperSysteme“<br />

be<strong>in</strong>haltet:<br />

TAB Symposien<br />

THE ARTIST’S BODY ist e<strong>in</strong> Forum für Begegnung und Austausch.<br />

Es bietet Studierenden und Dozenten aus der <strong>HfMDK</strong> und anderer<br />

Hochschulen und Universitäten wie auch <strong>in</strong>teressierten Künstlern,<br />

BewegungsForschern und KörperArbeitern die Möglichkeit, sich zu<br />

<strong>in</strong>formieren, zu reflektieren, zu spüren, sich geme<strong>in</strong>sam zu bewegen<br />

und dabei neue Erfahrungen zu sammeln.<br />

29


30 TRADITION und INNOVATION<br />

Impression aus dem Symposium TAB1<br />

Foto: Udo Hesse<br />

THE ARTIST’S BODY bietet Vorträge, Sem<strong>in</strong>are, Praxisblöcke,<br />

Paneldiskussionen und Performance-Programme an. TAB3 f<strong>in</strong>det<br />

vom 20.–22. Oktober 2011 an der <strong>HfMDK</strong> statt, schließt an die<br />

Fragestellungen von TAB1_Körper & Körperwahrnehmung <strong>in</strong> der<br />

Künstlerischen Ausbildung und TAB2_KörperPräsenz & Bühne an<br />

und richtet den Fokus auf unser grundlegendes Verständnis von<br />

„Körper“. TAB3 untersucht bestehende Körperbilder, die damit<br />

verbundenen Menschenbilder und geht der Frage nach, welche<br />

Körper- und Menschenbilder den bestehenden Wertesystemen zu<br />

Grunde liegen.<br />

TAB3 ist auch e<strong>in</strong>e gute Gelegenheit, die Arbeitsansätze von<br />

Dozent<strong>in</strong>nen und Dozenten der Workshopreihen MSBL/KIT_11/12<br />

kennen zu lernen.<br />

MSBL/KIT<br />

Seit 2004 wurden regelmäßige Wochenendworkshops unter der<br />

Bezeichnung „Musikspezifische Bewegungslehre“ (MSBL) und<br />

„Körper im Theater“ veranstaltet. Im Rahmen dieser Workshoprei-<br />

hen stellten die e<strong>in</strong>geladenen GastdozentInnen ihre Methoden vor,<br />

unter anderem Alexandertechnik, Feldenkrais, Qigong, Ideok<strong>in</strong>ese,<br />

Dispok<strong>in</strong>ese, Gyrok<strong>in</strong>esis und Atem-Schulen. Bei der Auswahl der<br />

Methoden und Referenten wurde vor allem darauf Wert gelegt, dass<br />

der praktische Bezug zur künstlerischen Ausbildung und der<br />

Transfer des Gelernten und Erfahrenen auf die musikalische Praxis<br />

sichtbar wurde.<br />

Diese Workshopreihen werden bereits zum sechsten Mal angebo-<br />

ten. Für das Studienjahr 2011/2012 s<strong>in</strong>d zehn <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är<br />

ausgerichtete Intensiv-Sem<strong>in</strong>are zu Musikspezifischer Bewegungs-<br />

lehre und Körper im Theater geplant. Folgende Angebote <strong>in</strong> MSBL<br />

stehen im Programm:<br />

Andreas Burzik: Üben im Flow, 18.–20. Januar 2012<br />

Klaus Gratza: Tai Chi und Kung Fu, 10.–12. Februar 2012<br />

Thomas Lange: Resonanzlehre/Improvisation, 20.–22. April 2012<br />

Nadia Kevan/Ron Murdock: AlexanderTechnik<br />

Dr. Liane Simmel: Spiraldynamik, 20.-22. Juli 2012<br />

MSBL/KIT am Morgen<br />

Auch e<strong>in</strong> regelmäßiges tägliches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu Körperwahrnehmung &<br />

Bewegung bietet die <strong>HfMDK</strong> an. Die Kurse s<strong>in</strong>d für Studierende<br />

aller Fachbereiche offen. Die AG Körper & Bewegung möchte<br />

spartenübergreifendes Denken <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> fördern und durch<br />

konkrete kont<strong>in</strong>uierliche Angebote den Austausch zwischen<br />

Studierenden und Dozenten aller Fachbereiche anregen. Zur Zeit<br />

gibt es regelmäßige Kurse <strong>in</strong> Yoga, Gyrok<strong>in</strong>esis, Tai Chi und Qigong.<br />

HANDAPPARAT Körper & Bewegung<br />

Im Bereich „HANDAPPARAT_KÖRPER & BEWEGUNG“ f<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong>teressierte Leser<strong>in</strong>nen und Leser Materialien, Texte, Diagramme<br />

und Skizzen, die für das 1. Symposium THE ARTIST’S BODY_Körper<br />

und Körperwahrnehmung <strong>in</strong> der Künstlerischen Ausbildung<br />

geschrieben wurden, sowie weitere ergänzende Texte.<br />

Thematisch werden die Inhalte <strong>in</strong> drei Blöcken zusammengefasst:<br />

• Musikspezifische Bewegungslehre (MSBL),<br />

• Ästhetische und Kulturelle Bildung,<br />

• Texte im Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis.<br />

Mit diesem HANDAPPARAT KÖRPER & BEWEGUNG entsteht e<strong>in</strong><br />

Wissenspool, <strong>in</strong> den sowohl die Erfahrungen von Dozenten und<br />

Studierenden der <strong>HfMDK</strong> als auch vieler weiterer Menschen –<br />

Künstler, Wissenschaftler und Pädagogen – e<strong>in</strong>fließen.<br />

Langfristig soll der HANDAPPARAT KÖRPER & BEWEGUNG<br />

Studierende und Dozenten dabei unterstützen, Körper-Wissen und<br />

Bewegungs-Forschung mit Künstlerischer Praxis und gesellschaft-<br />

lichen Fragestellungen zu verb<strong>in</strong>den.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2


<strong>HfMDK</strong> FOREN<br />

Körper / Körperwahrnehmung / Bewegung s<strong>in</strong>d elementare Themen<br />

von wachsender Bedeutung für die künstlerische Ausbildung und<br />

betreffen alle Studierenden und Dozenten der <strong>HfMDK</strong> gleicherma-<br />

ßen. Der Aufbau und die E<strong>in</strong>richtung der Informations- und<br />

Austauschplattform www.tab.hfmdk-frankfurt.<strong>in</strong>fo ist e<strong>in</strong> sichtbares<br />

Zeichen, dass <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> Körper wahrgenommen werden,<br />

Bewegung zu erleben ist und <strong>in</strong>ter-/transdiszipl<strong>in</strong>är gedacht wird.<br />

Im fünften KörperSystem, den <strong>HfMDK</strong> FOREN, wird der Blick nach<br />

<strong>in</strong>nen gerichtet. Hier können sich Studierende wie DozentInnen der<br />

<strong>HfMDK</strong> e<strong>in</strong>en Überblick über die <strong>in</strong>dividuellen Arbeitsweisen und<br />

unterschiedlichen Ansätze der Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen verschaf-<br />

fen, die im Bereich Körper, Körperwahrnehmung und Bewegung<br />

tätig s<strong>in</strong>d. Die <strong>HfMDK</strong> FOREN s<strong>in</strong>d als Plattform gedacht, auf der<br />

Lehrende sowohl sich selbst als auch ihre Ideen und Methoden<br />

vorstellen können, die über alle offenen Kurse <strong>in</strong>formiert, die im<br />

Augenblick <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> angeboten werden, die aber zugleich<br />

e<strong>in</strong>en Rückblick auf Kongresse, Symposien und Vortragsreihen<br />

darstellt, die seit 1991 <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> stattgefunden haben, und<br />

schließlich auch e<strong>in</strong>e Vorschau auf geplante Aktivitäten bietet.<br />

Die <strong>HfMDK</strong> FOREN werden hoffentlich dazu beitragen, den<br />

Informationsfluss zu verbessern, mehr Transparenz zu schaffen und<br />

den Austausch zwischen Menschen und Sparten anzuregen.<br />

Die „somatische Wende“ <strong>in</strong> den Künsten<br />

Der „musikalische Körper“ ist also wieder als aktuelles Thema <strong>in</strong><br />

der Bildungslandschaft verortet. Insbesondere <strong>in</strong> den Künsten<br />

sche<strong>in</strong>t sich diese „somatische Wende“, die schon <strong>in</strong> der Psycholo-<br />

gie und Wahrnehmungsforschung vollzogen wurde, abzuzeichnen.<br />

Dabei ist vor allem von Bedeutung, dass nicht nur mediz<strong>in</strong>isches<br />

Präventionsdenken Körpererfahrung und Bewegungsschulung <strong>in</strong> die<br />

Curricula gebracht hat, sondern auch die oben genannte Erkenntnis,<br />

dass für alle Lern- und Entwicklungsprozesse Körper und Bewegung<br />

von tragender Bedeutung s<strong>in</strong>d. Durch die KörperSysteme des<br />

erweiterten Modells THE ARTIST’S BODY haben Studierende wie<br />

DozentInnen die Möglichkeit, Methoden und Ansätze verschiedener<br />

Körper- und Bewegungslehren kennenzulernen, die Lern- und<br />

Entwicklungsprozesse im künstlerischen wie pädagogischen<br />

Studium unterstützen und fördern. Sie können sich über neue<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse <strong>in</strong>formieren, <strong>in</strong> Workshops geme<strong>in</strong>-<br />

sam praktische Erfahrungen sammeln, künstlerisches Arbeiten,<br />

Recherche, Praxis und Theorie mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den.<br />

Durch vielfältige, qualitativ hochwertige Angebote und kont<strong>in</strong>uier-<br />

liche Information soll mehr Bewusstse<strong>in</strong> für die Wichtigkeit dieses<br />

Themenkomplexes erreicht werden, um <strong>in</strong> Kooperation und Dialog<br />

mit allen Fachbereichen langfristig Bewegungslehre und <strong>in</strong>terdiszi-<br />

pl<strong>in</strong>äres Arbeiten <strong>in</strong> den Curricula aller künstlerischen Studiengänge<br />

der <strong>HfMDK</strong> zu verankern, die Qualität der künstlerischen Ausbildung<br />

zu verbessern und neue Entwicklungen zu fördern. Diese Öffnung<br />

wird weiter zur Schärfung des Profils der <strong>HfMDK</strong> beitragen.<br />

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Tradition und weltbekannt für den unverwechselbar berührenden Klang<br />

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heute noch zum Großteil <strong>in</strong> Handarbeit gemacht wird, zeichnen jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />

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32 TRADITION und INNOVATION<br />

Altes Handwerk, neue Methoden<br />

Peter Kupke über Wandel und Bestätigkeit der Anforderungen auf der Bühne<br />

und damit auch im Schauspielstudium<br />

Seit den 50er Jahren bewegt sich Peter Kupke professionell auf<br />

Schauspielbühnen: Der diplomierte Schauspieler und Theaterwissenschaftler<br />

erkannte aber schon als Berufsanfänger se<strong>in</strong>e weiteren<br />

Stärken als Regisseur, Dramaturg, Oberspielleiter, Schauspieldirektor<br />

– und Dozent für Schauspielstudierende. Seit über 20 Jahren<br />

profitieren <strong>HfMDK</strong>-Schauspielstudierende, die mit ihm Rollenstudium<br />

betreiben, von se<strong>in</strong>em reichen Erfahrungsschatz. Wir wollten<br />

von ihm wissen, welche Traditionen <strong>in</strong> Studium und Beruf des<br />

Schauspielers unerschütterlich bleiben und welchen Erneuerungsprozessen<br />

sie unterworfen s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Kupke, seit den 80er Jahren lehren Sie an der<br />

<strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> der Schauspielabteilung. Wie sehr hat sich das Schauspielstudium<br />

währenddessen gewandelt?<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Peter Kupke Wenn ich mir die Stunden- und Lehrpläne, vor allem die Kupke In <strong>Frankfurt</strong> haben wir das Glück, e<strong>in</strong> Schauspiel vor Ort zu<br />

Strukturierung des Grundunterrichts von vor 25 Jahren ansehe und haben, <strong>in</strong> dem viele Künstler arbeiten, die sich sozusagen an der „<br />

mit heute vergleiche, hat sich äußerlich nur wenig verändert. Das Front“ des Neusten, Innovativsten bef<strong>in</strong>den, was Schauspiel<br />

Handwerk des Schauspielens und dessen Vermittlung s<strong>in</strong>d im gegenwärtig zu bieten hat. Sicher ist es für junge Schauspieler<br />

wesentlichen gleich geblieben. Was sich aber stark geändert hat, anregend, solche Kollegen auf der Bühne zu erleben. Nur zu<br />

s<strong>in</strong>d die Inhalte und Methoden. Natürlich hat die Entwicklung der erkennen, dass etwas neu aussieht, hilft den Lernenden alle<strong>in</strong><br />

Medien zur Konsequenz gehabt, dass das Arbeiten vor der Kamera jedoch nicht; die Studierenden müssen das Neue im Kern erfassen<br />

und dem Mikrofon Teil der Ausbildung geworden s<strong>in</strong>d. Auch der und für sich analysieren. Als Lehrer kann ich da nur e<strong>in</strong> Wegführer<br />

Ansatz des Physiodramas, der mit der Professur von Yurgen se<strong>in</strong>, der darauf h<strong>in</strong>führt, dass der Studierende D<strong>in</strong>ge selbst erkennt<br />

Schoora bei uns E<strong>in</strong>zug gehalten hat, ist e<strong>in</strong>e nennenswerte<br />

Innovation.<br />

und damit umzugehen lernt.<br />

FiT Wor<strong>in</strong> liegen die <strong>in</strong>haltlichen Veränderungen außer den beiden<br />

genannten Innovationen?<br />

Kupke Das Ziel der Ausbildung ist, am Ende des Studiums junge<br />

Schauspieler zu entlassen, die im gegenwärtigen Theater bestehen<br />

können. Und genau dieses ist e<strong>in</strong>em ständigen Wandel unterworfen.<br />

Me<strong>in</strong>er Beobachtung nach wandelt sich das Theater zyklisch im<br />

Laufe von sieben bis zehn Jahren. Dieser oder jener Künstler gefällt<br />

dann plötzlich nicht mehr, oder dieser und jener Künstler, der immer<br />

noch gefällt, hat sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Rollenverständnis verändert<br />

und damit der ständigen Entwicklung des Theaters angepasst.<br />

Sie müssen nur e<strong>in</strong>en Film aus den 30er Jahren anschauen und<br />

vergleichen, wie sehr sich die zeitspezifische Ästhetik geändert<br />

hat, die Art, Gefühle auszudrücken oder wie der Rezipient das<br />

Gesehene deutet.<br />

FiT Womit hängt dieser Wandel zusammen?<br />

Kupke E<strong>in</strong>e Erklärung dafür könnte se<strong>in</strong>, dass die mittlere Generation<br />

des Theaterpublikums bestimmt, was gefällt und <strong>in</strong> der<br />

öffentlichen Wahrnehmung als neuer Trend ankommt. E<strong>in</strong> anderes<br />

Phänomen könnte se<strong>in</strong>, dass im Prozess der <strong>in</strong>ternationalen Öffnung<br />

e<strong>in</strong>e Beschäftigung mit anderen Schauspieltraditionen und –praktiken<br />

<strong>in</strong> Gang gekommen ist. Plötzlich nimmt e<strong>in</strong> lettischer<br />

Regisseur maßgeblich E<strong>in</strong>fluss auf die Weiterentwicklung des<br />

Schauspiels <strong>in</strong> Mitteleuropa. Diese Phänomene und Paradigmenwechsel<br />

müssen wir im Auge haben, wenn wir Schauspieler<br />

ausbilden.<br />

FiT Wie können sich die Studierenden darauf e<strong>in</strong>stellen?


FiT S<strong>in</strong>d denn nur die aktuellen Zeitgenossen gute Bühnenvorbilder?<br />

Kupke Natürlich nicht. Es gibt großartige Schauspieler vergangener<br />

Generationen, die <strong>in</strong> ihrer Verwandlungsfähigkeit so e<strong>in</strong>malig s<strong>in</strong>d,<br />

dass man noch heute von ihnen lernen kann. Da die schauspiele-<br />

rische Mitteilung jedoch an das reale Erleben gekoppelt ist, lässt<br />

sich dieses Erbe am ehesten durch ältere Lehrer weitertragen, die<br />

solche Schauspielkoriphäen noch selbst erlebt haben. Vor diesem<br />

H<strong>in</strong>tergrund können sie heute jungen Schauspielern e<strong>in</strong> kritisches<br />

und urteilsstarkes Gegenüber se<strong>in</strong>.<br />

FiT Sie erwähnten eben das „Handwerk“ des Schauspiels, das sich<br />

offenbar jenseits von Überlieferung und Erneuerung nicht verändert<br />

hat. Was ist das?<br />

Kupke Die Ausbildung zum Schauspieler ist <strong>in</strong> ihrer Grundfrage<br />

nicht änderbar, sie lautet: Wie f<strong>in</strong>det <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Rolle die<br />

Verwandlung des Schauspielers statt? In der Aufnahmeprüfung<br />

wählen wir diejenigen aus, von denen wir me<strong>in</strong>en, dass sie sich am<br />

besten verwandeln können – eben das tra<strong>in</strong>ieren wir mit ihnen<br />

weiter. Schlichte Imitation von Vorbildern, die gerade modern s<strong>in</strong>d,<br />

reicht nicht aus – sie würde nur vom Kern der Sache wegführen;<br />

aber genau das Wesen der Verwandlung ist der Kern, muss erfasst<br />

und begriffen werden.<br />

FiT Was bedeutet für Sie <strong>in</strong>novatives Unterrichten?<br />

Kupke Leider ist die Zahl der Planstellen für fest an Theatern<br />

engagierte Schauspieler <strong>in</strong> den letzten Jahren zurückgegangen.<br />

Dies bedeutet, dass die Schauspielschulen jährlich mehr Absol-<br />

venten entlassen als die Fluktuation Stellen <strong>in</strong> den Festengage-<br />

ments freimacht. Daher müssen wir schlichtweg dafür sorgen, dass<br />

unsere Absolventen besonders gut s<strong>in</strong>d und auf die zurzeit<br />

vorhandenen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> der Theaterlandschaft bestmöglich<br />

vorbereitet s<strong>in</strong>d. Wir können den Studierenden den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />

Theaterwelt ermöglichen. Daran arbeiten wir. bjh<br />

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33


34 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Motion Bank – E<strong>in</strong> Aufbewahrungsort für Bewegung<br />

Das Projekt Motion Bank hat sich zum Ziel gesetzt, das digitale Archiv von Onl<strong>in</strong>e-Partituren von Choreographien<br />

auszubauen und öffentlich nutzbar zu machen. Zugleich leistet es Ausbildungs- und Forschungsarbeit, an der die<br />

Abteilung Zeitgenössischer und Klassischer Tanz der <strong>HfMDK</strong> vielschichtig beteiligt ist. Der Nutzen der Zusammenarbeit<br />

ist doppelseitig.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 35<br />

Von Célest<strong>in</strong>e Hennermann, Tanzdramaturg<strong>in</strong> und Co-Organisator<strong>in</strong><br />

der Motion Bank-Workshopreihe<br />

Wie archiviert man zeitgenössischen Tanz? Welche Mittel der<br />

Verwahrung und Aufschreibung bieten die Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />

Rekonstruierung von Bewegung im Tanz? Wie kann das Ephemere<br />

des Tanzes festgehalten werden? Und wie können uns heutige<br />

Technologien mit ihren sich wandelnden Impulsen zu neuen Formen<br />

von Notationen verhelfen?<br />

Diese Fragen beschäftigen den Choreografen William Forsythe nicht<br />

erst mit der Gründung von Motion Bank. Anfang der 1990er Jahre,<br />

als das digitale Video aufkam, wandte er sich an das Zentrum für<br />

Die Aufnahme zeigt e<strong>in</strong> Standbild aus e<strong>in</strong>er<br />

analysierten Videoaufzeichnung, die<br />

die Allignments illustrieren, wie Forsythe die<br />

Beziehung von Zeit und Raum beschreibt.<br />

Foto: Synchronous Objects Project,<br />

The Ohio State University und The Forsythe<br />

Company<br />

Kunst und Medientechnologie (ZKM) <strong>in</strong> Karlsruhe. Dort entstand die<br />

CD-ROM „Improvisation Technologies“. Es galt, Forsythes Improvisationsmethode<br />

zu visualisieren, jedoch entpuppte sich dieses<br />

„Werkzeug für den analytischen Blick auf Tanz“ („A Tool for the<br />

Analytical Dance Eye“) schnell zu e<strong>in</strong>em virtuellen Proberaum. E<strong>in</strong>e<br />

„Schule des Sehens“ von Tanzbewegungen wurde <strong>in</strong>s Leben<br />

gerufen. Was zunächst als <strong>in</strong>ternes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>strument für die<br />

Tänzer des Ballett <strong>Frankfurt</strong> gedacht war, wird weltweit heute noch<br />

als Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode für Tanzkompanien e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Als logische Konsequenz folgte 2010 die Gründung von Motion<br />

Bank, e<strong>in</strong> auf vier Jahre angelegtes Projekt der Forsythe Company,<br />

<strong>in</strong> dem die choreografische Praxis sowie die Archivierung von<br />

Bewegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten Kontext erforscht werden. Der Schwerpunkt<br />

dabei liegt auf der Erstellung digitaler Onl<strong>in</strong>e-Partituren.<br />

Synchrone Objekte<br />

Das Pilotprojekt „Synchronous Objects for One Flat Th<strong>in</strong>g, reproduced“,<br />

das <strong>in</strong> Zusammenarbeit zwischen William Forsythe und<br />

Tanzwissenschaftlern und Kommunikationsdesignern von der Ohio<br />

State University entstand, zeigt, wie vielschichtig Onl<strong>in</strong>e-Partituren<br />

<strong>in</strong> ihren Darstellungsformen und Nutzungsoberflächen s<strong>in</strong>d. Im<br />

Internet der Öffentlichkeit zugänglich visualisiert das Projekt die<br />

choreografischen Strukturen der Forsythe-Arbeit „One Flat Th<strong>in</strong>g,<br />

reproduced“ (2000). Das Ergebnis ist so vielseitig wie die Choreografie<br />

selbst: von Bildanalyse und Animationstechnik zu Diagrammen<br />

und geometrischen Objekten – der Versuch, das Bewegungsmuster<br />

und die Synchronizität der Choreografie e<strong>in</strong>zufangen und<br />

sichtbar zu machen, diese flüchtige Raum-Schrift zu buchstabieren.<br />

Ziel von Motion Bank ist es, das digitale Archiv von Onl<strong>in</strong>e-Partituren<br />

von Choreografien auszubauen und über die Motion Bank-<br />

Website öffentlich zugänglich zu machen. In Zusammenarbeit mit<br />

ausgewählten Gastchoreografen (Deborah Hay, Jonathan Burrows<br />

und Matteo Fargion sowie Bruno Beltrão) und mehreren Ausbildungs<strong>in</strong>stituten<br />

werden neue Ideen und Technologien für Aufschreibungssysteme<br />

entwickelt. Die ausgewählten Choreografen gehören<br />

drei verschiedenen Künstlergenerationen an und wurden wegen<br />

ihrer unterschiedlichen, charakteristischen und <strong>in</strong>dividuellen<br />

Handschriften ausgewählt. Im Zuge der Erstellung der Partituren<br />

werden die Choreografen auf neue Weise erkunden, wie die<br />

besonderen Qualitäten computergestützter Aufnahme- und<br />

Gestaltungstechniken nutzbar zu machen s<strong>in</strong>d, wenn es um die<br />

Herausforderung geht, Tanz zu dokumentieren, zu notieren und zu<br />

präsentieren sowie die künstlerische Praxis zu bereichern.


36 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Im Labor mit Deborah Hay<br />

Den Anfang machte die New Yorker Choreograf<strong>in</strong> Deborah Hay:<br />

Ihr geht es um die soziale Dimension von Bewegung und um die Er-<br />

forschung von natürlicher Körpersprache im Tanz. Für Motion Bank<br />

wurde das Stück „No Time to Fly“ aus dem Jahre 2010 analysiert.<br />

Die Performer Ros Warby, Jean<strong>in</strong>e Durn<strong>in</strong>g und Juliette Mapp<br />

adaptierten das Solo <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Deborah Hay.<br />

Ausgangspunkt der Arbeit war e<strong>in</strong>e bereits existierende Partitur, e<strong>in</strong><br />

von Hay selbst verfasstes kle<strong>in</strong>es Buch mit Texten, Zeichnungen<br />

und e<strong>in</strong>igen choreografischen Anweisungen. Dieses Objekt ist<br />

„– manche nennen es poetisch, jedenfalls ist es metaphorisch,<br />

nicht objektiv lesbar und es ist nicht ganz klar, wie man von der<br />

Partitur zum Tanz kommt. Deshalb gibt Deborah Hay die Partitur<br />

drei Tänzern, mit denen sie schon lange zusammenarbeitet, die ihre<br />

Texte kennen und wissen, wie sie daraus Bewegungsmaterial<br />

entwickelt“ (Scott deLahunta, Projektleiter Motion Bank, Tanzwis-<br />

senschaftler). Mehrmals wurden die drei Tänzer<strong>in</strong>nen dabei gefilmt,<br />

wie sie das Solo alle<strong>in</strong>e performten. Im Anschluss wurden die<br />

unterschiedlichen Versionen des gleichen Stücks analysiert, um der<br />

Struktur der Choreografie auf die Spur zu kommen. Gesucht wurde<br />

nach e<strong>in</strong>er „Metapartitur“, die den Zusammenhang zwischen realem<br />

Tanz <strong>in</strong> Echtzeit, Videoaufzeichnung und den choreografischen<br />

Notizen erklärt. Deborah Hay selbst hat zuvor noch nie mit Video<br />

oder Computer gearbeitet. Die nächsten Arbeiten an den Onl<strong>in</strong>e-<br />

Partituren von Jonathan Burrows und Matteo Fargion sowie von<br />

Bruno Beltrão mit se<strong>in</strong>er Grupo de Rua werden mit Spannung<br />

erwartet. Das Solo von Deborah Hay ist vom 13.-15. Oktober 2011<br />

im <strong>Frankfurt</strong> LAB zu sehen. Die Aufführungen der anderen Choreo-<br />

grafen folgen.<br />

Ausbildung und Diskurs<br />

Motion Bank will nicht nur e<strong>in</strong>e Onl<strong>in</strong>e-Bibliothek erstellen, Motion<br />

Bank leistet gleichzeitig Ausbildungs- und Forschungsarbeit.<br />

An der Entwicklung der Onl<strong>in</strong>e-Partituren s<strong>in</strong>d folgende Instituti-<br />

onen beteiligt: the Advanced Comput<strong>in</strong>g Center for the Arts and<br />

Design an der Ohio State University, das Frauenhofer-Institut für<br />

Graphische Datenverarbeitung IGD, die Hochschule Darmstadt<br />

(h_da) und die Hochschule für Gestaltung (hfg) Offenbach. Neben<br />

der Zusammenarbeit mit der Palucca Hochschule für Tanz Dresden<br />

steht vor allem die Ausbildungsarbeit mit der Hochschule für Musik<br />

und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> (<strong>HfMDK</strong>) im Mittelpunkt. Sich<br />

gegenseitig befruchtend profitieren beide Institutionen von e<strong>in</strong>em<br />

engen künstlerischen Austausch. So s<strong>in</strong>d Mitglieder von Motion<br />

Bank an etlichen Veranstaltungen der <strong>HfMDK</strong> beteiligt, und<br />

Dozenten aus dem Ausbildungsbereich Zeitgenössischer und<br />

Klassischer Tanz (ZuKT) unterstützen durch <strong>in</strong>haltliche Beratung.<br />

Motion Bank selbst bietet auch e<strong>in</strong>e eigene Workshopreihe an. Hier<br />

werden die Themen Notation und Partitur aus verschiedenen<br />

Blickw<strong>in</strong>keln beleuchtet. Die Workshops werden von Choreografen,<br />

Künstlern und Mediengestaltern geleitet, sie f<strong>in</strong>den halbjährlich im<br />

<strong>Frankfurt</strong> LAB statt. Zielpublikum s<strong>in</strong>d Studierende und Praktiker<br />

aus den Darstellenden Künsten und auch anderen Diszipl<strong>in</strong>en.<br />

www.theforsythecompany.de > Motion Bank<br />

Motion Bank wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, das<br />

Hessische M<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und Kunst, den kulturfonds<br />

frankfurt_rhe<strong>in</strong>_ma<strong>in</strong> und Frau Susanne Klatten.


Das Siegerteam der ersten<br />

“HörSpiele” mit ihrer Siegertrophäe.<br />

Foto: Felix Ste<strong>in</strong>er<br />

HörSpiele<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Perspektive auf das Hören, die durchaus zur Tradition werden könnte<br />

Von Jacob Bussmann<br />

Im vergangenen Sommersemester fanden an der Hochschule die<br />

ersten „HörSpiele um das goldene Ohr“ statt – wahrsche<strong>in</strong>lich die<br />

ersten dieser Art <strong>in</strong> der Geschichte des gesamten Musikhochschulwesens.<br />

Sieben Mannschaften traten <strong>in</strong> sieben Diszipl<strong>in</strong>en mit je<br />

sieben Teilaufgaben gegene<strong>in</strong>ander an. Insgesamt 69 Neugierige,<br />

darunter Studierende unterschiedlicher Semester und Studiengänge,<br />

Professoren, Lehrbeauftragte, der Tonmeister der <strong>HfMDK</strong> sowie<br />

zwei Mitarbeiter<strong>in</strong>nen der Bibliothek, waren der E<strong>in</strong>ladung von Prof.<br />

Hervé Laclau und dem HörSpiele-Komitee (Christ<strong>in</strong>a Belau, Konrad<br />

He<strong>in</strong>z und Ruth Wach<strong>in</strong>ger) gefolgt – immerh<strong>in</strong> war <strong>in</strong> der Ankündigung<br />

versprochen worden: Hören macht glücklich!<br />

Warum HörSpiele? Für Prof. Laclau war e<strong>in</strong> wichtiger Beweggrund,<br />

die spielerische, lustige, ja vielleicht beglückende Seite se<strong>in</strong>es<br />

Faches erlebbar zu machen. Im Alltag wird man als Studierender <strong>in</strong><br />

den Hörkursen oft mit se<strong>in</strong>en Unzulänglichkeiten konfrontiert; dabei<br />

bleibt die Konfrontation e<strong>in</strong>e persönliche. Um diesen Individualismus<br />

zu durchbrechen, hatte Hervé Laclau die HörSpiele als<br />

Teamwettbewerb angelegt. Sie s<strong>in</strong>d Prof. Laclaus gelungener<br />

Versuch, e<strong>in</strong>e neue und <strong>in</strong>novative Perspektive auf se<strong>in</strong> traditionell<br />

mit Stress und Leistungsdruck verknüpftes Fach zu ermöglichen.<br />

Der Spaß begann bereits bei der Formierung der sieben Mannschaften<br />

per Losverfahren: Erstsemester, lange<strong>in</strong>gesessene<br />

<strong>HfMDK</strong>ler, Lehrende und Mitarbeiter fanden sich für die Dauer der<br />

Spiele <strong>in</strong> durchmischten Teams zusammen und entwickelten schnell<br />

geme<strong>in</strong>samen Ehrgeiz. Im ersten Spiel g<strong>in</strong>g es darum zu zählen,<br />

wie oft e<strong>in</strong> bestimmter Ton jeweils <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klangbeispiel vorkommt:<br />

Die Bandbreite <strong>in</strong> den sieben Teilaufgaben reichte von Null<br />

– der nachgefragte Ton Fis kam <strong>in</strong> Bergs Passacaglia-Thema gar<br />

nicht vor – bis unzählbar. Auf e<strong>in</strong>e Kooperation aller Teams kam es<br />

bei e<strong>in</strong>em weiteren Spiel an – der Titel hätte lauten können:<br />

„S<strong>in</strong>gen für den Gegner“. Drei Spieler jedes Teams sollten geme<strong>in</strong>-<br />

sam e<strong>in</strong>en Akkord s<strong>in</strong>gen, wobei jeder nur se<strong>in</strong>en eigenen Ton<br />

kannte. Obwohl es sich „nur“ um e<strong>in</strong> Spiel handelte, waren<br />

selbstverständlich alle Aufgabenstellungen und Klangbeispiele von<br />

der aus den Kursen bekannten Präzision und Klarheit geprägt. In<br />

e<strong>in</strong>em anderen Spiel mussten bekannte Stücke erkannt werden, die<br />

verfremdet am Klavier vorgespielt wurden. Während beispielsweise<br />

die Umkehrung der Nationalhymne durch ihren Rhythmus recht<br />

schnell zu erkennen war, erwies sich „Happy Birthday“ rückwärts<br />

schon als schwieriger. Oder wieso klang „Für Elise“ hier so<br />

verschoben und schräg? Weil nämlich die rechte Hand ganz normal<br />

<strong>in</strong> a-Moll gespielt wurde, die l<strong>in</strong>ke allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> as-Moll. Spektakulär<br />

g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> der sechsten Runde zu, <strong>in</strong> der Ruth Wach<strong>in</strong>ger und Hervé<br />

Laclau im Tonstudio alle Register der Manipulation gezogen hatten:<br />

Zu erkennen gab es hier verschiedenartig Verfremdetes: e<strong>in</strong>e<br />

Collage aus Mozarts g-Moll-S<strong>in</strong>fonie, das „Gute Nacht“ aus<br />

Schuberts W<strong>in</strong>terreise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em aberwitzigen Tempo, e<strong>in</strong>e zwar <strong>in</strong><br />

Echtzeit ablaufende, aber nur <strong>in</strong> sekundenbruchteilkurzen Zeitfen-<br />

stern zu hörende Aufnahme von Beethovens Fünfter, die Erken-<br />

nungsmelodie der Sendung mit der Maus, aus der alle hohen<br />

Frequenzen herausgefiltert wurden, Bachs d-Moll-Toccata für Orgel<br />

rückwärts abgespielt, e<strong>in</strong>e mit Störgeräuschen verfremdete Version<br />

von „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“ sowie e<strong>in</strong> Konglomerat<br />

gleichzeitig erkl<strong>in</strong>gender Stellen aus Carm<strong>in</strong>a Burana. Nach dem<br />

Wettkampf labten sich die Hörathleten im Foyer an e<strong>in</strong>em Buffet<br />

und feierten ausgelassen. Unterschriften der Siegermannschaft<br />

werden bis zum nächsten Wettkampf um das goldene Ohr die<br />

Trophäe zieren, die von nun an ihren festen Platz im Hörschulungs-<br />

raum A 210 hat. Alle beteiligten wissen jetzt: Hören macht glück-<br />

lich. Die Hörspiele sollten zur Tradition werden!<br />

37


38 TRADITION und INNOVATION<br />

Fit für die Vielfalt der Kulturen und des Lernens<br />

Von Professor Dr. Werner Jank, Ausbildungsdirektor Lehrämter<br />

Unterricht und Pädagogik s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits stets der Tradition<br />

verpflichtet und konservativ im S<strong>in</strong>n von konservierend: Sie haben<br />

die Aufgabe, das <strong>in</strong> der Gesellschaft angesammelte Wissen und<br />

Können der nächsten Generation zugänglich zu machen. Sie s<strong>in</strong>d<br />

andererseits zugleich der Innovation verpflichtet: Sie müssen jungen<br />

Menschen die Offenheit für den gesellschaftlichen Wandel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

noch unbekannte Zukunft mitgeben, die neue Aufgaben bereithalten<br />

und <strong>in</strong>novative Lösungen erfordern wird. Deshalb stehen<br />

Unterricht und natürlich auch der Musikunterricht – <strong>in</strong> welcher<br />

Institution auch immer – grundsätzlich im Spannungsfeld von<br />

Tradition und Innovation.<br />

Zwei Bezugspunkte für den Musikunterricht und die Musikpädagogik<br />

aus diesem Spannungsfeld will ich herausgreifen:<br />

• das Verständnis von Musik und Musikkultur<br />

• die Vorstellung davon, wie das Lernen gestaltet se<strong>in</strong> soll<br />

Musik und Musikkultur<br />

Aus der Perspektive von Tradition und Innovation fallen e<strong>in</strong>em hier<br />

gleich die alten Gegensatzpaare e<strong>in</strong>: Hochkultur – Massenkultur,<br />

„Klassik“ – Populäre Musik, U-Musik – E-Musik, Kunstwerkorientierung<br />

– Schülerorientierung. Diese Gegensatzpaare wirken aus<br />

heutiger Sicht genauso angestaubt, wie sie auch tatsächlich s<strong>in</strong>d.<br />

Trotzdem haben sie nach wie vor E<strong>in</strong>fluss. Das zeigte vor wenig<br />

Spontane Spielbegeisterung der<br />

Instrumentalisten von morgen: Posaunist<br />

Michael Me<strong>in</strong><strong>in</strong>ger mit Grundschülern<br />

der Gründerrodeschule bei den<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Musiktagen für Schulen.<br />

Foto rechts oben:<br />

Prof. Dr. Werner Jank beim Infotag für<br />

Schulmusik<strong>in</strong>teressierte an der <strong>HfMDK</strong>.<br />

Foto rechts unten:<br />

<strong>HfMDK</strong>-Student<strong>in</strong> Vanessa Katz auf der<br />

Bühne mit Gymnasiast<strong>in</strong>nen der<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Liebigschule: Geme<strong>in</strong>sam<br />

führten Studierende und Schüler im<br />

Studium entstandene Arrangements im<br />

Rahmen mehrerer Konzerte <strong>in</strong> großer<br />

Besetzung auf – e<strong>in</strong> gelungenes Beispiel<br />

für e<strong>in</strong>e musikpädagogische Kooperati-<br />

on, von der alle Beteiligten profitierten.<br />

„K<strong>in</strong>der sollen nicht dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig<br />

möglichen bessern Zustande des menschlichen Geschlechts (…)<br />

angemessen, erzogen werden.“<br />

Immanuel Kant: Über Pädagogik, 1803/1983, A 17<br />

mehr als fünf Jahren e<strong>in</strong>e „Bildungsoffensive durch Neuorientierung<br />

des Musikunterrichts“ (Gauger 2004). Ihr Kernstück bildete e<strong>in</strong><br />

primär historisch orientierter Werkkanon nach dem Motto „Best of<br />

Classics“. Zu Recht wurden die Rückwärtsgewandtheit, ideolo-<br />

gische Fixierung und Aktualitäts- und Schülerferne kritisiert (Kaiser<br />

u.a. 2006). Hier wurde e<strong>in</strong> veralteter (Hoch-)Kulturbegriff wiederbe-<br />

lebt und zum pädagogischen Kampfbegriff stilisiert.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Demgegenüber sieht die junge Diszipl<strong>in</strong> der Kulturwissenschaft<br />

Kultur – und damit ihre ästhetischen Formen wie Musik, Theater,<br />

Tanz usw. – <strong>in</strong> unserer ebenso pluralistischen wie globalisierten,<br />

„transkulturellen“ Welt als e<strong>in</strong>e Form gesellschaftlicher Praxis:<br />

Durch unser Handeln <strong>in</strong> der Welt, <strong>in</strong> der wir leben, geben wir den<br />

D<strong>in</strong>gen Bedeutungen und entwickeln unser Welt- und Selbstver-<br />

ständnis. Unser musikalisches, tänzerisches, szenisches Handeln ist<br />

Teil dieses lebenslangen Prozesses, <strong>in</strong> und mit dem wir unsere<br />

Weltsicht und unsere eigene, <strong>in</strong>dividuelle kulturelle Identität formen.<br />

Diese Identitäten können ästhetisch ganz verschieden ausgeprägt<br />

werden, je nach bevorzugten Stilen und ihren sozialen Kontexten<br />

und je nach der Intensität, mit der jemand Musik oder andere<br />

ästhetische Ausdrucksmittel zu e<strong>in</strong>em Teil se<strong>in</strong>es Lebens macht.<br />

Im Unterricht an der Musikhochschule begegnen uns (fast) nur<br />

solche Studierende, die sich früh so spezialisiert haben, dass ihr<br />

spezifisch künstlerisch-ästhetisches Profil den Anforderungen


unserer Eignungsprüfungen entspricht. Aber das ist e<strong>in</strong> Sonderfall.<br />

Der „Normalfall“, mit dem unsere Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventen<br />

später als Künstler und/oder Pädagogen zu tun haben, ist die<br />

Vielfalt unterschiedlicher Menschen, für die Musik, Theater oder<br />

Tanz auf ganz verschiedene Weise bedeutsam ist.<br />

Es liegt auf der Hand, dass sich niemand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zeitlich be-<br />

grenzten Studium diese schier unendliche kulturelle Vielfalt<br />

aneignen kann. Aufgabe von Musikunterricht – gleich, ob im<br />

K<strong>in</strong>dergarten oder <strong>in</strong> der professionellen Ausbildung an der<br />

Hochschule – ist es deshalb nicht, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Angebot die kulturelle<br />

Vielfalt möglichst vollständig abzubilden. Vielmehr geht es darum,<br />

junge Menschen nicht frühzeitig normativ e<strong>in</strong>zuengen, sondern sie<br />

zur Offenheit für diese Vielfalt zu motivieren und sie dabei zu<br />

unterstützen, ihre eigene, persönliche kulturelle Identität im<br />

Rahmen dieser Vielfalt zu entfalten. Dazu braucht es, bei den<br />

Studierenden ebenso wie bei den Lehrenden, den Mut zum<br />

Experiment mit ungewissem Ausgang, zur Offenheit für das kreative<br />

Spielen mit der Vielfalt, zum Überschreiten von vorgegebenen oder<br />

verme<strong>in</strong>tlichen Grenzen. Jedoch lässt sich solches nicht ohne<br />

weiteres planen und als Lernziel unterrichten. Förderlich ist<br />

sicherlich e<strong>in</strong> entsprechend breit gefächertes Studien- bzw.<br />

Lehrangebot, verbunden mit der Möglichkeit für die Studierenden,<br />

aus verschiedenen Angeboten ihre Schwerpunkte zu wählen. Im<br />

H<strong>in</strong>blick auf ihren späteren Beruf gilt das besonders für die<br />

Studierenden des Lehramts. Wir brauchen <strong>in</strong> der Schule weder den<br />

e<strong>in</strong>seitigen Beethoven-Spezialisten noch den ebenso e<strong>in</strong>seitigen<br />

Jazz-Adepten oder Metal-Freak, sondern aufgeschlossene Lehre-<br />

r<strong>in</strong>nen und Lehrer, die <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, ihre kulturelle Offenheit und<br />

kreative Phantasie auch <strong>in</strong> ihren Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern zu<br />

entzünden.<br />

Musik lernen<br />

Natürlich glaubt niemand an e<strong>in</strong>en „Nürnberger Trichter“ des<br />

Lernens, mit Hilfe dessen den Schülern das Wissen direkt <strong>in</strong>s<br />

Gehirn geträufelt wird. Aber traditionell s<strong>in</strong>d wir gewohnt, Lehren<br />

als das primär sprachliche Vermitteln von Wissen und Bedeutungen<br />

an die Lernenden zu sehen, die idealerweise diese Inhalte möglichst<br />

umfassend aufnehmen. Solche Vorstellungen des Lernens wurden<br />

schon zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts kritisiert: „Bedeutungen<br />

entstehen aus dem sozialen Verkehr heraus; sie s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>fach<br />

vorhanden, um anschließend ausgedrückt zu werden. Wir sollten<br />

e<strong>in</strong>sehen, dass wir dem K<strong>in</strong>d die D<strong>in</strong>ge, die es benötigt, nicht <strong>in</strong> der<br />

Art und Weise geben können, wie man e<strong>in</strong>en leeren Behälter füllt.<br />

Bedeutung muss im k<strong>in</strong>dlichen Bewusstse<strong>in</strong> über den Umgang mit<br />

anderen Personen entstehen“ (Mead 2008, S. 199).<br />

Auf den großen Entwicklungspsychologen Jean Piaget geht die<br />

Erkenntnis zurück, dass wir unser Verständnis und unsere Auffas-<br />

sung von der Wirklichkeit entwickeln und verändern, <strong>in</strong>dem wir uns<br />

handelnd mit der Welt ause<strong>in</strong>andersetzen. In der Folge orientieren<br />

sich seit etwa 20 Jahren Pädagogik, Didaktik und Lerntheorie – und<br />

mit gebührender Verzögerung auch die Musikpädagogik – zuneh-<br />

mend an der Erkenntnistheorie des Konstruktivismus: „Die Wirklich-<br />

keit, <strong>in</strong> der ich lebe, ist e<strong>in</strong> Konstrukt des Gehirns“ (Roth 1997,<br />

S. 21) 1 . „Lernen heißt Hervorbr<strong>in</strong>gen durch Selbsttätigkeit, Wahr-<br />

nehmung, Deutung und Orientierung …, heißt Entwickeln von<br />

Selbstorganisationspotenzialen …, geschieht situativ und <strong>in</strong>terak-<br />

tiv“ (Schäfer-Lembeck 2010, S. 159–162). Das ist e<strong>in</strong>e Provokation<br />

für die Rolle des Lehrenden: Im konstruktivistischen Verständnis ist<br />

er nicht mehr Vermittler von Wissen, E<strong>in</strong>stellungen und Können,<br />

sondern Gestalter von Lehrarrangements, der für die Lernenden<br />

e<strong>in</strong>e gute Lernumgebung <strong>in</strong>szeniert, ohne letztlich sicher se<strong>in</strong> zu<br />

können, dass das von ihm Gelehrte auch tatsächlich <strong>in</strong> der von ihm<br />

<strong>in</strong>tendierten Weise als Lernergebnis bei den Schülern ankommt. E<strong>in</strong><br />

solches, an der Vielfalt der <strong>in</strong>dividuellen Lernwege und -potenziale<br />

orientiertes Verständnis des Lernens und Lehrens passt gut zu dem<br />

oben skizzierten offenen Verständnis von Kultur.<br />

Vor allem für den Musikunterricht <strong>in</strong> der allgeme<strong>in</strong> bildenden<br />

Schule erweist sich die konstruktivistische Sichtweise des Lernens<br />

als große Herausforderung. Das <strong>in</strong>novative Potenzial e<strong>in</strong>es konstruk-<br />

tivistisch veränderten Blickes auf das Lernen und Lehren ist noch<br />

1 Sehr schöne Beispiele und e<strong>in</strong>e gute E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> wesentliche Aspekte<br />

e<strong>in</strong>es konstruktivistischen Verständnisses vom Musiklernen gibt Spychiger<br />

(2008).<br />

39


40 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

längst nicht ausgeschöpft – weder für den Musikunterricht an der<br />

allgeme<strong>in</strong> bildenden Schule noch für den Instrumental- und<br />

Vokalunterricht. Erste <strong>in</strong>novative Antworten geben unter anderem<br />

Unterrichtskonzeptionen, die das eigene Musizieren und musikbe-<br />

zogene Handeln der Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler als wichtigste<br />

Grundlage musikalischen Lernens <strong>in</strong> das Zentrum des Unterrichts<br />

rücken: Konstruktivistische musikdidaktische Modelle (etwa<br />

Hametner 2006), der Aufbauende Musikunterricht (Fuchs 2010,<br />

Jank/Schmidt-Oberländer 2010) und auf gewisse Weise auch<br />

verschiedene Klassenmusiziermodelle für Streicher-, Bläser- oder<br />

S<strong>in</strong>gklassen und <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> z. B. das Projekt „Prima-<br />

canta“ an den Grundschulen.<br />

Literatur:<br />

Fuchs, Mechtild: Musik <strong>in</strong> der Grundschule neu denken – neu gestalten.<br />

Theorie und Praxis e<strong>in</strong>es aufbauenden Musikunterrichts. Rum/Innsbruck,<br />

Essl<strong>in</strong>gen 2010<br />

Gauger, Jörg-Dieter (Hrsg.): Bildungsoffensive durch Neuorientierung des<br />

Musikunterrichts; Initiative „Bildung durch Persönlichkeit“, hrsg. im Auftrag<br />

der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., St. August<strong>in</strong> 2004<br />

Hametner, Stephan: Musik als Anstiftung. Theorie und Praxis e<strong>in</strong>er systemisch-konstrukivistischen<br />

Musikpädagogik. Heidelberg 2006<br />

Jank, Werner/Schmidt-Oberländer, Gero (Hrsg.): Music Step by Step.<br />

Aufbauender Musikunterricht <strong>in</strong> der Sekundarstufe I. Rum/Innsbruck,<br />

Essl<strong>in</strong>gen 2010<br />

Kaiser, Hermann Josef, u.a.: Bildungsoffensive Musikunterricht? Das<br />

Grundsatzpapier der Konrad-Adenauer-Stiftung <strong>in</strong> der Diskussion. Regensburg<br />

2006<br />

Kant, Immanuel: Über Pädagogik (1803). In: Kant – Werke, hrsg. von Wilhelm<br />

Weischedel, Bd. 10, S. 691-761<br />

Mead, George Herbert: Philosophie der Erziehung (1910/11). Hrsg. und e<strong>in</strong>gel.<br />

von Daniel Tröhler und Gert Biesta. Bad Heilbrunn 2008<br />

Roth, Gerhard: Das Gehirn und se<strong>in</strong>e Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie<br />

und ihre philosophischen Konsequenzen. <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> 1997<br />

Schäfer-Lembeck, Hans-Ulrich: Musik lernen? In: Wallbaum, Christopher<br />

(Hrsg.): Perspektiven der Musikdidaktik : drei Schulstunden im Licht der<br />

Theorien / hrsg. von Christopher Wallbaum. - Hildesheim [u.a.] : Olms, 2010,<br />

S. 159-182<br />

Spychiger, Maria: Musiklernen als Ko-Konstruktion? Überlegungen zum<br />

Verhältnis <strong>in</strong>dividueller und sozialer Dimensionen musikbezogener Erfahrung<br />

und Lernprozesse. E<strong>in</strong>führung des Konstrukts der Koord<strong>in</strong>ation. In: Diskussion<br />

Musikpädagogik, 40/2008, S. 4-12<br />

Grundversorgung


Vom Wagnis zur Ovation:<br />

„San Giovanni Battista“ im Kloster Eberbach<br />

Das Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival lud zum zweiten Mal zu zwei Konzert- und Oratorienabenden mit Aufführenden der<br />

<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> e<strong>in</strong> – junge Künstler meisterten schwierige Produktionsbed<strong>in</strong>gungen bravourös<br />

Mit Nils Cooper führte e<strong>in</strong> Alumnus der <strong>HfMDK</strong>, e<strong>in</strong>st Student <strong>in</strong><br />

der Opernklasse, Regie über Alessandro Stradellas „San Giovanni<br />

Battista“. Im nachfolgenden Interview lässt Nils Cooper das<br />

hochkarätige Gastspiel beim Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival Revue<br />

passieren.<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Welche E<strong>in</strong>drücke s<strong>in</strong>d die stärksten, die Sie mit<br />

der Produktion von „San Giovanni Battista“ verb<strong>in</strong>den?<br />

Nils Cooper Zunächst e<strong>in</strong>mal wird mir diese Produktion <strong>in</strong> sehr guter<br />

Er<strong>in</strong>nerung bleiben, da die Arbeit mit den Studierenden, mit<br />

Michael Schneider und der Hochschule hervorragend lief und große<br />

Freude gemacht hat. Nach fünf <strong>in</strong>tensiven Probenwochen waren die<br />

letzten Tage e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger „Rausch“ von viel Arbeit, wenig Zeit und<br />

noch weniger Schlaf und großen Herausforderungen, die wir – so<br />

f<strong>in</strong>de ich – gut haben meistern können.<br />

FiT Wor<strong>in</strong> bestanden die Herausforderungen?<br />

Cooper Die größte und schönste war die Basilika selbst. Der<br />

mächtige Raum mit mehr als 40 Metern Publikumstiefe stellte an<br />

uns enorme Anforderungen. Außerdem verfügte er über ke<strong>in</strong>erlei<br />

Bühnen- oder Beleuchtungstechnik. Da unsere Aufführungen Teil<br />

des Festivals waren und die Basilika fast immer belegt war, blieb<br />

uns vor der Premiere nur e<strong>in</strong> Tag, um unsere Bühne aufzubauen, sie<br />

auszuleuchten und uns auf den Raum e<strong>in</strong>zustellen. Natürlich haben<br />

wir weit im Vorfeld mit Instrumentalisten und Sängern die akus-<br />

tischen Gegebenheiten getestet; aber das gesamte Ganze erklang<br />

<strong>in</strong> der Basilika erstmals mit der Generalprobe am Vorabend der<br />

Premiere.<br />

FiT E<strong>in</strong> wagemutiges Unterfangen – sowohl für die Aufführenden<br />

als auch für den Veranstalter.<br />

Cooper In der Tat wagemutig, aber auch sehr reizvoll! Das Rhe<strong>in</strong>gau<br />

Musik Festival hatte mit anderen szenischen Produktionen, die nicht<br />

für die Basilika entwickelt worden waren, die Erfahrung gemacht,<br />

dass das Publikum <strong>in</strong> den h<strong>in</strong>teren Reihen nichts mitkriegen konnte.<br />

Es galt also Ängste abzubauen und um Vertrauen zu werben.<br />

Daraus ist e<strong>in</strong> sehr gutes Arbeitsverhältnis entstanden. Ich b<strong>in</strong> sehr<br />

erleichtert, dass das Konzept aufgegangen ist. In manchen Punkten<br />

hatten der Ausstatter Jan Meier und ich auch etwas gepokert und<br />

konnten bis zur Generalprobe nicht sicher se<strong>in</strong>, ob unser Bühnen-<br />

konzept funktioniert.<br />

FiT Wor<strong>in</strong> bestand dieses Konzept im H<strong>in</strong>blick auf den schwer<br />

bespielbaren Raum?<br />

Todesszene aus Stradellas<br />

„San Giovanni Battista“ mit den<br />

Sängern Annika Gerhards,<br />

Michael Hofstetter<br />

und Constanze Meijer.<br />

Cooper Zunächst mussten wir e<strong>in</strong>e Bühne schaffen, die es auch<br />

dem Zuschauer <strong>in</strong> der 58. Reihe ermöglicht, etwas zu sehen. Die<br />

Idee war, e<strong>in</strong>en riesigen Altar anzudeuten, auf dem wir den<br />

sperrigen biblischen Stoff von Johannes dem Täufer und se<strong>in</strong>er<br />

Enthauptung ansiedeln konnten. Dabei war klar, dass spätestens ab<br />

Reihe 20 die Mimik der Sänger nicht mehr wahrnehmbar se<strong>in</strong><br />

41


42 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

würde. Trotzdem galt es, die extremen Seelenzustände, <strong>in</strong> denen<br />

sich die Protagonisten der Oper bef<strong>in</strong>den, sichtbar zu machen. Also<br />

habe ich bei dieser Arbeit die Sänger dazu angehalten, ihren Körper<br />

sehr stark zu verwenden. Man sagt, <strong>in</strong> den Proben sei me<strong>in</strong>e<br />

Aufforderung an die Sänger „mach`s größer, größer“ zu e<strong>in</strong>em<br />

mantraartigen Appell geworden. In den fünfwöchigen Proben <strong>in</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> war es für alle Beteiligten e<strong>in</strong>e Herausforderung, auf<br />

etwas h<strong>in</strong>zuarbeiten, was sie eigentlich noch nicht kannten – näm-<br />

lich auf die ganz veränderte Atmosphäre der riesigen Basilika von<br />

Kloster Eberbach.<br />

FiT Zur Atmosphäre gehört auch die entsprechende Lichstimmung.<br />

Cooper: E<strong>in</strong> abenteuerliches Thema: Daniela Kabs und ich konnten<br />

morgens um 4 Uhr am Tag der Generalprobe mit dem E<strong>in</strong>leuchten<br />

der Bühne beg<strong>in</strong>nen. Zu dumm nur, dass uns um 6 Uhr bereits die<br />

aufgehende Sonne durch die Kirchenfenster entgegenstrahlte. So<br />

habe ich gegen das Sonnenlicht e<strong>in</strong>geleuchtet und ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

Lichtstimmung sehen können, bevor die Generalprobe begann.<br />

FiT Wie s<strong>in</strong>d die Sänger und das Orchester mit den Herausforde-<br />

rungen dieser Produktion umgegangen?<br />

Cooper Ich b<strong>in</strong> sehr froh darüber, wie alle Beteiligten sich auf das<br />

Unternehmen e<strong>in</strong>gelassen und ihr Bestes gegeben haben. Vor allem<br />

bei der Generalprobe war ihre konzentrierte Anspannung zu spüren,<br />

die sich nach der Probe <strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar Tränen entlud. Bis zur Premiere<br />

am folgenden Tag hatten sie die E<strong>in</strong>drücke so gut verarbeitet und<br />

umgesetzt, dass die Premiere e<strong>in</strong>e erneute Qualitätssteigerung<br />

zeigte. Das hälftig auf beide Seiten der Bühne aufgeteilte Orchester<br />

hatte sich rasch auf den achtsekündigen Nachhall e<strong>in</strong>gestellt. Ich<br />

habe besonders geschätzt, wie Michael Schneider als musikalischer<br />

Leiter den Studierenden und auch mir als Regisseur auf unprätenti-<br />

öse, freundliche und extrem fachkundige Art und Weise begegnet<br />

ist. Diese Art hat uns alle ermutigt, noch besser zu werden.<br />

Außerdem muss gesagt werden, dass alle Künstler von Daniela<br />

Kabs auf fantastische Art und Weise betreut worden s<strong>in</strong>d!<br />

FiT Ihrer Ansicht nach hatten Sie ja sogar zwei Premieren.<br />

Cooper F<strong>in</strong>de ich schon. Die erste Vorstellung hatte die Deutsche<br />

Bank Stiftung für ihre geladenen Gäste „gekauft“. Auch diese<br />

Zuhörer waren wahns<strong>in</strong>nig aufmerksam und haben unsere Arbeit<br />

herzlich gewürdigt. Die zweite Vorstellung war öffentlich, es kamen<br />

Freunde, Fans und Fachpublikum. Dieser Abend war von e<strong>in</strong>er ganz<br />

anderen Stimmung geprägt – es schwirrte etwas im Raum,<br />

feierlich-erwartungsvoll.<br />

FiT Als Regisseur dieser Inszenierung s<strong>in</strong>d sie an die Hochschule<br />

„zurückgekehrt“. Was g<strong>in</strong>g Ihnen dabei durch den Kopf?<br />

Cooper: Für mich war es menschlich berührend, dorth<strong>in</strong> als<br />

Regisseur zurückzukehren, wo ich vor e<strong>in</strong>em Jahrzehnt als „Figaro“<br />

zum ersten Mal selber auf der Bühne stand. Vor allem aber war ich<br />

positiv überrascht über den gewachsenen Standard und das<br />

professionelle Können <strong>in</strong> der Gesangsabteilung – da ist seitdem<br />

Enormes geleistet worden.<br />

FiT In welcher H<strong>in</strong>sicht?<br />

Cooper Me<strong>in</strong>er Ansicht nach wird heute viel genauer und zielgerich-<br />

teter gearbeitet als zur Zeit me<strong>in</strong>es Gesangsstudiums. Damit me<strong>in</strong>e<br />

ich vor allem das Bemühen, die Studierenden so zu professionali-<br />

sieren, dass sie später mit großen Chancen <strong>in</strong> Arbeit und Brot<br />

kommen, also Sie zu Persönlichkeiten zu formen, die dem Anspruch<br />

der Realität <strong>in</strong> der Konzert- und Opernwelt gewachsen s<strong>in</strong>d.<br />

FiT Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe befasst sich mit dem<br />

Spannungsfeld „zwischen Tradition und Innovation“. Wie würden<br />

Sie die Stradella-Produktion <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>ordnen?


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 TRADITION und INNOVATION<br />

Cooper Ich mag den Begriff „Innovation“ im Theater nicht. Es soll<br />

nicht darum gehen, etwas Neues zu „erf<strong>in</strong>den“. Was ich viel<br />

spannender f<strong>in</strong>de, ist die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Zeit, <strong>in</strong> der<br />

man lebt. Mit Stradella hatte ich mich mit e<strong>in</strong>em fast 2000 Jahre<br />

alten Stoff und e<strong>in</strong>er fast 400 Jahre alten Musik zu beschäftigen<br />

und damit e<strong>in</strong>e große Tradition fortzusetzen. Ich habe mich gefragt,<br />

was ich tun kann, um <strong>in</strong> den Zuschauern von heute etwas auszu-<br />

lösen. Ich hatte das Glück, mit „Giovanni“ Themen berühren zu<br />

können, die auch heute hochaktuell s<strong>in</strong>d: Identität, Schuld und<br />

Entfremdung von sich selber, S<strong>in</strong>nhaftigkeit überhaupt. Es war für<br />

mich spannend, diese Themen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em uralt-archaischen Raum,<br />

der Basilika, zu <strong>in</strong>szenieren, und ich habe dies ebenfalls mit teils<br />

alten Formen getan, <strong>in</strong> dem ich ikonografische Darstellungen <strong>in</strong> die<br />

Gestik der Darsteller habe e<strong>in</strong>fließen lassen. Ich möchte so arbeiten,<br />

dass ich mit den Darstellern geme<strong>in</strong>sam mit Zärtlichkeit, Genauig-<br />

keit, Vorsicht und mit grossem Respekt vor dem Publikum Momente<br />

schaffe, die es jedem Zuschauer ermöglichen, während der<br />

Aufführung se<strong>in</strong> ganz persönliches Erlebnis zu haben. Und wenn<br />

man den Begriff „<strong>in</strong>novativ“ dann doch noch bemühen möchte,<br />

bedeutet er für mich: <strong>in</strong> der anonymen Welt von heute Inseln zu<br />

schaffen, <strong>in</strong> der man sich als Mensch erleben kann. bjh<br />

L<strong>in</strong>ks: Michael Schneider<br />

(musikalische Leitung) und<br />

Nils Cooper (Regie)<br />

im Dialog vor der Generalprobe<br />

<strong>in</strong> Kloster Eberbach.<br />

Die Vorbereitungen erstreckten sich über anderthalb Jahre und<br />

das Ziel war hochgesteckt: Nach Monteverdis „L´Orfeo“ im<br />

Jahr 2007 präsentierte die <strong>HfMDK</strong> im August dieses Jahres<br />

mit Alessandro Stradellas Oratorium „San Giovanni Battista“<br />

zum zweiten Mal e<strong>in</strong>e szenische Arbeit im Kloster Eberbach.<br />

Im Rahmen des Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festivals sangen und<br />

musizierten Künstler der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> der Basilika der Klosteran-<br />

lage und ernteten mit zwei Vorstellungen überzeugendes Lob.<br />

„Es war schon e<strong>in</strong> Traum, solch e<strong>in</strong>e Produktion <strong>in</strong> der<br />

vorlesungsfreien Zeit zu haben“, resümiert Produktionsleiter<strong>in</strong><br />

Daniela Kabs, Leiter<strong>in</strong> des Künstlerischen Betriebsbüros (KBB)<br />

an der <strong>HfMDK</strong>, die Endphase der Inszenierung, die auch sie<br />

vor deutlich größere logistische Herausforderungen gestellt<br />

habe als die meisten anderen Produktionen, die im Laufe e<strong>in</strong>es<br />

Jahres im KBB gestemmt werden. Dass der anfängliche<br />

Begriff von der „halbszenischen Aufführung“ – also e<strong>in</strong><br />

Konzert <strong>in</strong> Kostümen - nichts mehr mit der m<strong>in</strong>utiös durch<strong>in</strong>-<br />

szenierten Darbietung am Ende der Vorbereitung zu tun haben<br />

würde, wurde bald klar, als Regisseur Nils Cooper und der für<br />

die Ausstattung verantwortliche Jan Meier mit ihrer Umset-<br />

zung begannen. Insgesamt fünf Wochen dauerte die Proben-<br />

phase bis zur Premiere. Drei atmosphärisch edle Wandelkon-<br />

zerte mit Kammermusikensembles von Lehrenden und<br />

Studierenden g<strong>in</strong>gen an beiden Abenden den Stradella-Auf-<br />

führungen im Kloster Eberbach voraus. Klar def<strong>in</strong>ierte<br />

Kompetenzbereiche, wachsendes Vertrauen zwischen den<br />

Produktionspartnern und hohe Professionalität auch auf der<br />

Seite des Festivals nennt Daniela Kabs als Merkmale der<br />

gesamten Produktion. E<strong>in</strong>zig schade blieb, dass angesichts der<br />

Semesterferien die Hochschulöffentlichkeit so wenig von „San<br />

Giovanni“ mitbekam und se<strong>in</strong>e Früchte ausschließlich im<br />

Rhe<strong>in</strong>gau geerntet wurden. Für Daniela Kabs fügt sich die<br />

Inszenierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e immer ausgeprägtere Professionalisierung<br />

der Hochschule. Als zugleich für die <strong>HfMDK</strong>-Künstlerbörse<br />

Verantwortliche beobachtet sie, wie stark die Anfragen<br />

externer Veranstalter für Solisten oder Ensembles der<br />

Hochschule zugenommen haben. „Die Hochschule ist als<br />

Veranstalter längst ke<strong>in</strong> Geheimtipp mehr. Und dass sie als<br />

Künstlerbörse zu e<strong>in</strong>er gefragten Anlaufstelle geworden ist,<br />

macht nicht nur die Hochschule bekannter: Ihre Studierenden<br />

bekommen durch sie professionelle Auftrittsmöglichkeiten, die<br />

ke<strong>in</strong> Vorspiel <strong>in</strong> der Hochschule <strong>in</strong> dieser Form ersetzen kann.“<br />

bjh<br />

43<br />

E<strong>in</strong> Traum von Produktion


44 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Jahresbericht 2010<br />

der Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />

der Hochschule für Musik und Darstellende<br />

Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V.<br />

Die Gesellschaft der Freunde und Förderer (GFF) der Hochschule für<br />

Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V. unterstützt<br />

die Hochschule dabei, ihre guten Beziehungen zu Spender<strong>in</strong>nen<br />

und Spendern, Sponsoren und Kooperationspartnern <strong>in</strong> der Region<br />

zu pflegen und auszubauen.<br />

Am 31. 12. 2010 verzeichnete der Vere<strong>in</strong> 146 Mitgliedschaften,<br />

darunter 119 Privatmitglieder <strong>in</strong>klusive Familienmitgliedschaften<br />

und 27 Unternehmensmitgliedschaften. Das bedeutet e<strong>in</strong>en<br />

Zuwachs im Jahr 2010 um 33 Privatmitgliedschaften und zwei<br />

Unternehmensmitglieder. Zwei Privatmitglieder und e<strong>in</strong> Firmenmit-<br />

glied schieden zum Jahresende aus.<br />

Den Vorstand bilden Dr. Clemens Börsig (Vorsitzender), Wolfgang<br />

Kirsch (stellvertretender Vorsitzender) und Thomas Rietschel<br />

(Beisitzer). Der Vorstand wurde von der Mitgliederversammlung am<br />

10. 5. 2010 für weitere drei Jahre im Amt bestätigt.<br />

Beratendes Gremium des Vorstands ist das Kuratorium. Ihm<br />

gehören an: Prof. Gerd Albrecht (Dirigent), Prof. He<strong>in</strong>er Goebbels<br />

(Komponist), Dr. Gerhard Hess (Rechtsanwalt/ Notar a.D.), Bernd<br />

Loebe (Intendant der Oper <strong>Frankfurt</strong>), Andreas Mölich-Zebhauser<br />

(Intendant des Festspielhauses Baden-Baden), Prof. Felix Semmel-<br />

roth (Dezernent für Kultur und Wissenschaft der Stadt <strong>Frankfurt</strong>),<br />

Prof. Dr. Maria Spychiger (Vizepräsident<strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong>), Thomas<br />

Rietschel (Präsident der <strong>HfMDK</strong>) und Ruth Wagner (Staatsm<strong>in</strong>iste-<br />

r<strong>in</strong> a.D.). Neue Mitglieder seit 2010 s<strong>in</strong>d Gerhard Hess, Felix<br />

Semmelroth, Ruth Wagner und Maria Spychiger, die den ehema-<br />

ligen Vizepräsidenten der <strong>HfMDK</strong>, Michael Schneider, ablöst.<br />

Im Jahr 2010 fanden vier Vorstandssitzungen, am 9. 2., 10. 5.,<br />

13. 7. und 17. 11. statt.<br />

Folgende Fördermaßnahmen wurden beschlossen:<br />

1. Unterstützung der Produktion „Mond.F<strong>in</strong>sternis.Asphalt“<br />

(50.000 Euro)<br />

Die GFF förderte die erste Produktion e<strong>in</strong>es zeitgenössischen<br />

Musiktheaters der <strong>HfMDK</strong>. „Mond.F<strong>in</strong>sternis.Asphalt“ wurde im<br />

Bockenheimer Depot uraufgeführt und anschließend noch zweimal<br />

gespielt.<br />

2. Instrumente (41.672 Euro)<br />

Mit e<strong>in</strong>em Fagott und e<strong>in</strong>em Piccolo-Cello verbesserte die GFF die<br />

Ausstattung der Hochschule mit hochwertigen und besonderen<br />

Instrumenten.<br />

3. Starterstipendien (24.000 Euro)<br />

Zehn hochbegabte Studienanfänger aus den Ausbildungsbereichen<br />

Gesang, Tanz, Schauspiel, Musikpädagogik und Instrumentalausbildung<br />

erhielten e<strong>in</strong> Stipendium <strong>in</strong> Höhe von 200 Euro pro Monat.<br />

4. Gastprofessur für den Ausbildungsbereich Schauspiel und<br />

Regie (25.000 Euro)<br />

Die Gastprofessur 2010 teilten sich Birgit M<strong>in</strong>ichmayr und<br />

Udo Samel. M<strong>in</strong>ichmayr arbeitete mit den Schauspielstudierenden<br />

des 3. Semesters, Samel mit den Studierenden des 6. Semesters.<br />

5. Stipendien für ausländische Studierende (10.000 Euro)<br />

Die GFF stellte 10.000 Euro für sozial bedürftige ausländische<br />

Studierende zur Verfügung. Die Summe verdoppelte der Deutsche<br />

Akademische Austauschdienst im Stipendienprogramm „Stibet III“<br />

auf 20.000 Euro.<br />

6. Orchestrierung der Konzertexam<strong>in</strong>a (11.340 Euro)<br />

Die Schlagzeuger<strong>in</strong> Agnieszka Koprowska-Born, die Geiger<strong>in</strong> Ana<br />

Feitosa und die Cellisten Matthias Wilde und Claude Frochaux<br />

stellten sich für ihr Prüfungskonzert im „Konzertexamen“ e<strong>in</strong><br />

Orchester zusammen.<br />

7. Gastdirigat beim Hochschulorchester (5.000 Euro)<br />

Zum zweiten Mal ermöglichten die Freunde und Förderer das<br />

Engagement e<strong>in</strong>es Gastdirigenten für e<strong>in</strong>e Arbeitsphase mit<br />

dem Hochschulorchester. Krzysztof Penderecki arbeitete vom<br />

17.–22. Mai mit dem Orchester.<br />

8. Workshops (5.150 Euro)<br />

Die GFF unterstützte e<strong>in</strong> mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für Sänger<strong>in</strong>nen und<br />

Sänger und e<strong>in</strong>en Gesangsworkshop mit Kammersänger Kurt Moll<br />

für zehn hervorragende Gesangsstudierende der höheren Semester.<br />

9. B.I.D.E. Barcelona International Dance Exchange 2010<br />

(1.400 Euro)<br />

Vier Studierende des Masterstudiengangs Zeitgenössische<br />

Tanzpädagogik erhielten Stipendien für ihre Teilnahme an B.I.D.E.<br />

2010.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

10. Maritime Rites (5.000 Euro)<br />

Am 19.6.2010 führte die <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> Kooperation mit vielen<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Institutionen und mit e<strong>in</strong>hundert Musikern die „Maritime<br />

Rites“ von Alv<strong>in</strong> Curran an den <strong>Frankfurt</strong>er Ma<strong>in</strong>ufern auf.<br />

11. Opernprojekt Zaide (6.600 Euro)<br />

Die verlorengegangen Dialoge und die Melologe der Oper Zaide von<br />

W.A. Mozart hat Feridun Zaimoglu neu geschrieben. Aufgeführt<br />

wurde die Oper beim Zeltfestival Merzig und beim Höchster<br />

Schlossfest <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>.<br />

12. „wie sie, wenn sie“ von L<strong>in</strong>a L<strong>in</strong>dheimer (2.000 Euro)<br />

Abschluss<strong>in</strong>szenierung von L<strong>in</strong>a L<strong>in</strong>dheimer, Studierende des<br />

Master-Studiengangs „Choreographie und Performance”. Drei<br />

Aufführungen im <strong>Frankfurt</strong> LAB und der TiL-Studiobühne, Giessen.<br />

13. Reisekostenübernahme für Wettbewerbsteilnahme<br />

(239 Euro)<br />

Die frühere Starterstipendiat<strong>in</strong> Annika Gerhards nahm im November<br />

am Bundeswettbewerb Gesang <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> teil. Sie errang den 3. Preis<br />

im Juniorwettbewerb.<br />

Daneben gab es zweckbestimmte Zuwendungen für die Neue<br />

Musik Nacht 2010 und das Schulprojekt Response <strong>in</strong> Höhe von<br />

8.300 Euro.<br />

F<strong>in</strong>anzen 2010<br />

Die GFF hatte im Geschäftsjahr 2010 E<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong> Höhe von<br />

221.734 Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus Mitgliedsbeiträgen<br />

<strong>in</strong> Höhe von 29.150 Euro, Zuwendungen <strong>in</strong> Höhe von<br />

190.829 Euro und Erträgen aus Z<strong>in</strong>sen von 1.755 Euro.<br />

Die Ausgaben beliefen sich auf 205.227 Euro. Hiervon entfielen<br />

195.700 Euro auf Fördermaßnahmen, 7.467 Euro auf Mitgliederwerbung<br />

bzw. -veranstaltungen und 2.060 Euro auf Verwaltungskosten.<br />

Aus den im Vorjahr gebildeten Rücklagen <strong>in</strong> Höhe von<br />

57.725 Euro wurden im Jahr 2010 30.700 Euro für e<strong>in</strong>en Instrumentenkauf<br />

aufgelöst. Im Gegenzug wurden <strong>in</strong> 2010 neue Rücklagen<br />

von <strong>in</strong>sgesamt 19.800 Euro für zwei Projekte und die Anschaffung<br />

e<strong>in</strong>es weiteren Instruments gebildet. Die zweckgebundenen<br />

Rücklagen betragen zum Jahresende 46.825 Euro.<br />

Die Freunde und Förderer bei<br />

ihrem Jahrestreffen am<br />

31. Mai im Kle<strong>in</strong>en Saal der <strong>HfMDK</strong>.<br />

Das Guthaben des Vere<strong>in</strong>s belief sich am 31.12. 2010 auf<br />

282.227 Euro. Das Vere<strong>in</strong>sergebnis 2010 ist e<strong>in</strong> Überschuss von<br />

16.507 Euro beziehungsweise nach den beschriebenen Veränderungen<br />

<strong>in</strong> den Rücklagen e<strong>in</strong> Überschuss von 27.407 Euro.<br />

Unterstützung der Freunde und Förderer für Projekte des<br />

Fördervere<strong>in</strong>s:<br />

45<br />

• Die Deutsche Bank AG förderte die Projekte der GFF mit mehreren<br />

Zuwendungen.<br />

• Die DZ BANK Stiftung, die Con Moto Foundation und Rolf und<br />

Beatrix W<strong>in</strong>dmöller übernahmen mehrere Starterstipendien.<br />

• Kather<strong>in</strong>e Fürstenberg-Raettig und Lutz Raettig luden zum<br />

Hauskonzert e<strong>in</strong>.<br />

• Privatpersonen und die Unternehmensmitglieder AKA Ausfuhrkreditgesellschaft,<br />

Albert und Barbara von Metzler-Stiftung,<br />

DZ BANK, Deutsche Bank, KPMG, Messe <strong>Frankfurt</strong>, Sparkassenund<br />

Giroverband Hessen-Thür<strong>in</strong>gen, Union Investment Stiftung<br />

und VR-LEASING spendeten für das zeitgenössische Musiktheater<br />

Mond.F<strong>in</strong>sternis.Asphalt.<br />

• Private Freunde und Förderer und Unternehmensmitglieder<br />

unterstützten den Stipendienfonds für ausländische Studierende.<br />

• Weitere Mitglieder erhöhten ihren jährlichen Mitgliedsbeitrag oder<br />

baten bei privaten Feiern um Spenden anstelle von Geschenken.<br />

• Die GFF erhielt e<strong>in</strong>e größere Zuwendung aus e<strong>in</strong>em Nachlass.<br />

Unterstützung der Freunde und Förderer für Hochschulprojekte:<br />

• Dr. Bernhard und Elke Scheuble vergaben 2010 zum dritten Mal<br />

das mit 10.000 Euro ausgestattete Bernhard Scheuble-Stipendium<br />

für exzellente Studienvorhaben im Ausland.<br />

• Birgit Pennekamp und Peter Meier unterstützten zwei Fagottisten<br />

mit e<strong>in</strong>em monatlichen Stipendium zum Lebensunterhalt.<br />

• Die DZ Bank AG war Sponsor des <strong>HfMDK</strong> Jazzfest 2010.<br />

• Die con moto foundation fördert das „Schulprojekt Response“.<br />

• Viele Förderer halfen mit ihrer Expertise, machten Lobbyarbeit für<br />

den Umzug der <strong>HfMDK</strong> nach Bockenheim, öffneten Türen <strong>in</strong> die<br />

eigenen Netzwerke oder zu neuen Förderern.<br />

• Freunde und Förderer engagierten Studierende über die Künstlerbörse<br />

der <strong>HfMDK</strong> zu privaten Festen und für Veranstaltungen von<br />

Unternehmen und Verbänden.


46 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Mitgliederb<strong>in</strong>dung / <strong>in</strong>terne und externe Kommunikation<br />

Die Freunde und Förderer der Hochschule wurden über alle<br />

Vere<strong>in</strong>saktivitäten <strong>in</strong>formiert. Neben persönlichen E<strong>in</strong>ladungen zu<br />

Aufführungen und Informationen zu besonderen Hochschulereignis-<br />

sen erhielten sie das Hochschulmagaz<strong>in</strong> „<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>“ und den<br />

E-Newsletter der <strong>HfMDK</strong>.<br />

Die „Kunstübungen“ s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e exklusive Kooperation von Hochschu-<br />

le und Gesellschaft der Freunde und Förderer. Am 21. Januar 2010<br />

präsentierte sich mit „Musiklehrer fallen nicht vom Himmel“ <strong>in</strong> den<br />

3. Kunstübungen der Ausbildungsbereich Musikpädagogik.<br />

„Ich s<strong>in</strong>ge wie der Vogel s<strong>in</strong>gt…“, die 4. Kunstübungen, richtete die<br />

Gesangsabteilung am 18. November aus. Dieser Blick auf die<br />

Ausbildungsarbeit der <strong>HfMDK</strong> ist beliebt, und es kommen durch-<br />

schnittlich 50 bis 70 Besucher zu jeder Veranstaltung.<br />

Über den Fördervere<strong>in</strong> berichtet wurde <strong>in</strong> den Hochschulmedien<br />

„<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>“ und „O-Töne“ und auf den Webseiten der<br />

Hochschule und der GFF. Die Informationsbroschüre der GFF lag<br />

bei den Hochschulkonzerten aus und wurde an zahlreiche Interes-<br />

senten verschickt. Multiplikatoren aus Politik und Gesellschaft,<br />

Medienvertreter sowie die Lehrenden und Mitarbeiter der <strong>HfMDK</strong><br />

erhielten E<strong>in</strong>ladungen zur Jahresfeier der GFF, zu den Kunstü-<br />

bungen und zu besonderen Aufführungen wie Workshops und<br />

Generalproben.<br />

Die Hochschulöffentlichkeit und ihre Gremien wurden regelmäßig<br />

zu den Planungen und Aktivitäten der GFF <strong>in</strong>formiert.<br />

Ausblick 2011<br />

Fundrais<strong>in</strong>g und Mitgliederwerbung<br />

Für das Jahr 2011 gelten als drei Schwerpunkte der Vere<strong>in</strong>sarbeit<br />

1. die Unterstützung der Lehre, 2. die Förderung künstlerischer<br />

Projekte mit großer Ausstrahlung und 3. der Ausbau des Stipendi-<br />

enangebots der <strong>HfMDK</strong>. Hierzu sollen die Mitgliederbasis zum<br />

31.12.2011 auf 140 persönliche Mitglieder und 35 Unternehmens-<br />

mitgliedschaften ausgebaut und die Spendene<strong>in</strong>nahmen gesteigert<br />

werden. Neben freien Zuwendungen wirbt die GFF wieder zweckge-<br />

bundene Spenden e<strong>in</strong>, unter anderem für das Starter- und das<br />

Deutschland-Stipendium und für das DAAD-Stipendienprogramm<br />

für ausländische Studierende.<br />

Über 2011 h<strong>in</strong>aus engagiert sich die GFF für zwei weitere <strong>HfMDK</strong>-<br />

Meilenste<strong>in</strong>e: 2013 feiert die Hochschule den 75. Jahrestag ihrer<br />

Gründung. Dieses Jubiläum und der ab 2015 geplante Umzug der<br />

<strong>HfMDK</strong> zum Kulturcampus Bockenheim s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> besonderer Weise<br />

dafür geeignet, die Förder-Aktivitäten der GFF weiter auszubauen.<br />

Kunstübungen<br />

Die 5. „Kunstübungen“ f<strong>in</strong>den am 7. Dezember statt. Prof. Susanne<br />

Stoodt <strong>in</strong>formiert mit Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen zur Ausbildung der<br />

Jungstudierenden an der <strong>HfMDK</strong>.<br />

Bewilligte Förderprojekte (Stand 30. 4. 2011)<br />

2011 wurden bis Ende April 25.500 Euro für folgende Förderanträ-<br />

ge bewilligt:<br />

• „Arrangieren und Ensemblearbeit“ – e<strong>in</strong> Kooperationsprojekt von<br />

L3-Studierenden und Gymnasiasten (Antrag Prof. Ralph Abele<strong>in</strong>)<br />

• Workshop mit Andrew York im Symposium „Die Gitarre im<br />

Unterricht“ (Antrag Prof. Christopher Brandt)<br />

• „farben der frühe“, Klavierzyklus für sieben Instrumente von<br />

Mathias Spahl<strong>in</strong>ger (Antrag Dr. Julia Cloot)<br />

• Meisterkurs Barockgesang mit Kai Wessel und Gesangsworkshop<br />

mit Mart<strong>in</strong> Kränzle (Anträge Prof. Hedwig Fassbender)<br />

• Austauschprojekt der Gesangsabteilung mit der Musikhochschule<br />

Budapest (Antrag Jürgen Esser, Lehrbeauftragter)<br />

• „Re-Cherche. Aufnahme“ – e<strong>in</strong> künstlerisch-wissenschaftliches<br />

Rechercheprojekt <strong>in</strong> Polen (Antrag: Jan-Tage Kühl<strong>in</strong>g, Studieren-<br />

der im 3. Semester Regie)<br />

• Kauf der Software „Observer“ für wissenschaftliche Beobach-<br />

tungsstudien (Antrag Prof. Dr. Maria Spychiger).<br />

Auch 2011 erhalten zehn Starterstipendiaten <strong>in</strong>sgesamt 24.000<br />

Euro. Für das Stipendien-programm STIBET III für ausländische<br />

Studierende stellt die GFF 15.000 Euro zur Verfügung, die vom<br />

DAAD verdoppelt werden.<br />

Stipendiaten und Stipendiengeber lernten sich beim<br />

Jahrestreffen der Freunde und Förderer persönlich<br />

kennen – hier der Förderer Gerhard Müller im Gespräch<br />

mit der Sopranist<strong>in</strong> Mar<strong>in</strong>a Unruh.<br />

Die Gastprofessur von Susanne Wolff (Deutsches Theater <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>)<br />

im Ausbildungsbereich Schauspiel, die Arbeit des Generalmusikdi-<br />

rektors der Oper <strong>Frankfurt</strong>, Sebastian Weigle, mit dem Hochschul-<br />

orchester, die Orchestrierung der öffentlichen Abschlussprüfungen<br />

im Konzertexamen und der Masterstudiengang zeitgenössische<br />

Tanzpädagogik (MaZTP) werden mit 85.000 Euro gefördert.<br />

Zweckbestimmt haben Spender für e<strong>in</strong>e Studienreise der Schau-<br />

spieler des 6. Semesters und für das Stipendium e<strong>in</strong>er Gesangsstu-<br />

dierenden 5.300 Euro gespendet.


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Oben: Studierende und Dozenten der Ballettabteilung 1995/1996<br />

50 Jahre TANZausbildung<br />

Mit der E<strong>in</strong>gliederung e<strong>in</strong>er Privatschule begann im W<strong>in</strong>tersemester 1961 die Erfolgsgeschichte des Zeitgenös-<br />

sischen und Klassischen Tanzes (ZuKT) an der <strong>HfMDK</strong><br />

Von Prof. Dieter Heitkamp, Ausbildungsdirektor Zeitgenössischer<br />

und Klassischer Tanz<br />

ZuKT verb<strong>in</strong>det Tradition mit Innovation und hat im Oktober 2011<br />

Grund zum Feiern. Die Tanzabteilung der <strong>HfMDK</strong> wird 50 Jahre jung.<br />

Es ist sehr viel <strong>in</strong> Bewegung gesetzt worden seit der Gründung der<br />

Tanzabteilung im Jahre 1961. Mit Freude, Dankbarkeit und Stolz<br />

blicken wir zurück, spüren den Resonanzen nach, bauen auf den<br />

Erfahrungen auf, gestalten die Gegenwart und schauen mutig nach<br />

vorn. Der nachfolgende Text skizziert die wichtigsten Entwicklungsschritte<br />

der <strong>HfMDK</strong>-Tanzabteilung.<br />

1961–1980<br />

Im W<strong>in</strong>tersemester 1961 wurde die Privatschule von Tatjana<br />

Fickelscher-Luhowenko <strong>in</strong> die Hochschule <strong>in</strong>tegriert und <strong>in</strong>stitutionalisiert.<br />

Der Aufbau und die Ausrichtung der Tanzabteilung<br />

während der ersten 19 Jahre wurden durch den Leiter Prof. Peter<br />

Ahrenkiel (Klassischer Tanz) und die Dozent<strong>in</strong>nen Prof. Tatjana<br />

Fickelscher-Luhowenko (Klassischer Tanz), Prof. Brigitte Mietzner-<br />

Sommer (Folklore Tanz, Klassischer Tanz für K<strong>in</strong>der) und Prof.<br />

Marianne Seippel-Schöner (Moderner und Freier Tanz) geprägt.<br />

Um 1970 kam e<strong>in</strong>e Tanzpädagogen-Ausbildung h<strong>in</strong>zu.<br />

Ab 1969 kooperierte die Tanzabteilung mit dem Ballett der<br />

Städtischen Bühnen (Direktion John Neumeier, 1969-1973) beim<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsleiter Ray Barra („Bühnenklasse“). Die<br />

Kooperation wurde unter der Ballettdirektion von Alfonso Catà<br />

(1973-1976) mit den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsleitern Kent Stowell und Francia<br />

Russell fortgesetzt. Das Studium schloss mit e<strong>in</strong>er „Künstlerischen<br />

Reifeprüfung Tanz“ ab. Studierende hatten die Möglichkeit, <strong>in</strong><br />

Ballettproduktionen der Oper <strong>Frankfurt</strong> und des Staatstheaters<br />

Darmstadt zu tanzen. Es entwickelte sich e<strong>in</strong>e enge Arbeitsbeziehung<br />

mit der K<strong>in</strong>derballettschule des Dr. Hoch’s Konservatorium.<br />

47<br />

1980–1998<br />

1980 übernahm Prof. Egbert Strolka die Leitung der Ballettabteilung.<br />

Er entwickelte geme<strong>in</strong>sam mit den Dozenten Prof. Susanne<br />

Noodt (Internationale Folklore, Moderner Tanz), Prof. Russell Falen<br />

(Klassischer Tanz), Prof. Angela Schmidt (ab 1986, Klassischer Tanz)<br />

sowie den Korrepetitoren und Lehrbeauftragten das Ausbildungskonzept<br />

weiter. Die zweite Entwicklungsphase der Tanzabteilung<br />

war ge- kennzeichnet durch die Verfe<strong>in</strong>erung der Vermittlung des<br />

Klassischen Tanzes, die vermehrte E<strong>in</strong>beziehung Moderner Tanztechniken,<br />

die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>ternational renommierter Gastdozenten<br />

und die Öffnung für Entwicklungen aus der Freien Tanzszene.


48 TRADITION und INNOVATION<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Choreographen wie Mauricio Wa<strong>in</strong>rot, Royston Maldoom, Anna<br />

Markard, Anne Wooliams, Tsutomu Ben Ida, Günter Pick, Stefan<br />

Haufe, Dick O‘Swanborn, Dieter Heitkamp und Lothar Höfgen<br />

studierten Stücke e<strong>in</strong> oder schufen neue Choreographien mit den<br />

Studierenden. Neu e<strong>in</strong>gerichtet wurde der Aufbaustudiengang<br />

Tanz- und Bühnentanzpädagogik. 1985 erfolgte die Gründung der<br />

„Jungen Ballettkompanie Hessen“. Die Studierenden wirkten <strong>in</strong><br />

vielen Ballettproduktionen der Städtischen Bühnen <strong>Frankfurt</strong> und<br />

der Staatstheater <strong>in</strong> Wiesbaden und Ma<strong>in</strong>z mit. Jährliche Auffüh-<br />

rungsreihen fanden zunächst im Theater am Turm, dann im<br />

Staatstheater Wiesbaden und nach dem Umzug 1990 <strong>in</strong> den<br />

Neubau der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> der Eschersheimer Landstrasse im Kle<strong>in</strong>en<br />

Saal der Hochschule statt.<br />

Ab 1998<br />

Durch den Übergang von zwei Professoren <strong>in</strong> den Ruhestand und<br />

den Diskussionsverlauf der Studienstrukturreform drohte die<br />

Schließung der Ballettabteilung. Diese konnte durch<br />

den <strong>in</strong>tensiven Widerstand des Kollegiums mit Unterstützung<br />

weiterer Dozenten erfolgreich abgewendet werden. Dieter Heitkamp<br />

(Tanzfabrik Berl<strong>in</strong>) erhielt e<strong>in</strong>e Vertretungsprofessur für die durch<br />

den Weggang von Prof. Strolka frei gewordene Stelle. Das neu<br />

gebildete Leitungsteam, bestehend aus den Professoren Dieter<br />

Heitkamp, Susanne Noodt, Angela Schmidt, James Schar (künstlerischer<br />

Mitarbeiter) und Marc Spradl<strong>in</strong>g (<strong>Frankfurt</strong> Ballett / 2000<br />

Die Festzeitschrift 50 Jahre Tanzausbildung<br />

lädt auf 108 Seiten <strong>in</strong> 8 Kapiteln und<br />

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erhalten Sie die gewünschten Exemplare<br />

und e<strong>in</strong>e Rechnung.<br />

Vertretungsprofessur für Klassischen Tanz), entwickelte e<strong>in</strong> neues<br />

Ausbildungskonzept. Die Ballettabteilung wurde <strong>in</strong> den Ausbildungsbereich<br />

Zeitgenössischer und Klassischer Tanz (ZuKT)<br />

umgewandelt. Das Theorieangebot wurde erweitert, Körperbewusstheitsmethoden<br />

<strong>in</strong>s Curriculum aufgenommen und zusätzlich<br />

zur bestehenden Ausrichtung auf Klassischen Tanz e<strong>in</strong> weiterer<br />

Schwerpunkt auf Zeitgenössichen Tanz gelegt. 1999 erhielt William<br />

Forsythe e<strong>in</strong>e Honorarprofessur.<br />

Es entwickelte sich e<strong>in</strong>e rege und sehr fruchtbare Arbeitsbeziehung<br />

mit dem Ballett <strong>Frankfurt</strong>, die mit The Forsythe Company weiter<br />

ausgebaut wird. Auch mit anderen Theatern, Tanzensembles und<br />

Choreographen aus der Freien Tanzszene hat sich e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher<br />

Austausch entwickelt. 2001 wurde Prof. Dieter Heitkamp zum<br />

Direktor des Ausbildungsbereichs ZuKT gewählt.<br />

Das Jahr 2007 war der Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er weiteren Entwicklungsphase<br />

der Tanzabteilung. Das Studienprogramm des Diplomstudiengangs<br />

Bühnentanz wurde erneut komplett überabeitet und der Bachelorstudiengang<br />

ZuKT_BAtanz e<strong>in</strong>geführt. Mit Unterstützung von<br />

Tanzlabor_21/ E<strong>in</strong> Projekt von Tanzplan Deutschland wurden zwei<br />

neue Masterstudiengänge e<strong>in</strong>gerichtet: Der MAztp für Zeitgenössische<br />

Tanzpädagogik und der MA CuP für Choreographie<br />

und Performance <strong>in</strong> Kooperation mit dem Institut für Angewandte<br />

Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen.<br />

Foto:<br />

Valent<strong>in</strong> Fanel


Fit for stage<br />

Die Sopranist<strong>in</strong> Ursula Targler-Sell ist seit Februar 2011<br />

Professor<strong>in</strong> für Gesang an der <strong>HfMDK</strong><br />

Von Prof. Ursula Targler-Sell<br />

Alles f<strong>in</strong>g an, wie man es eben so kennt: Im Vorschulalter machte<br />

ich e<strong>in</strong>e steile Karriere beim Weihnachtskrippenspiel, während der<br />

Schulzeit war ich immer diejenige, die bei Festakten dem jeweiligen<br />

M<strong>in</strong>isterpräsidenten (sprich Landeshauptmann; ich stamme aus<br />

Österreich) oder Kard<strong>in</strong>al e<strong>in</strong> Ständchen im Dirndlkleid brachte, und<br />

der Kirchenchor me<strong>in</strong>er Heimatgeme<strong>in</strong>de Laxenburg bei Wien<br />

ermunterte mich bereits als Teenager zu regelmäßiger solistischer<br />

Äußerung. Klavierunterricht seit dem fünften Lebensjahr tat e<strong>in</strong><br />

Übriges, um mich der Musik verfallen zu lassen. Dessen ungeachtet<br />

me<strong>in</strong>te ich, nach der Matura Mediz<strong>in</strong> an der Universität Wien<br />

studieren zu müssen. Sehr bald kamen die Studien „Gesangspädagogik“<br />

und „Stimmbildung“ (Sologesang) an der Wiener Musikhochschule<br />

dazu und verdrängten schließlich die Mediz<strong>in</strong> vollends.<br />

Zum Leidwesen me<strong>in</strong>er Gesangsprofessor<strong>in</strong>, Kammersänger<strong>in</strong><br />

Hilde Rössel-Majdan, me<strong>in</strong>er Lied-Professoren Erik Werba und<br />

Kammersänger Walter Berry sowie me<strong>in</strong>es Pädagogikprofessors<br />

Kurt Hofbauer hatte ich bereits während des Studiums sehr viele<br />

„Gigs“ und <strong>in</strong>teressante Auftrittsangebote: Zu den frühen musikalischen<br />

Ausflügen zählten e<strong>in</strong>e Opern-Uraufführung <strong>in</strong> Bologna,<br />

Konzerttourneen durch Frankreich und Belgien, die Aufnahme <strong>in</strong>s<br />

Opernstudio der Wiener Staatsoper, ergänzt durch die Unterrichtstätigkeit<br />

am Wiener Musikgymnasium und der Musikhochschule<br />

und die stimmbildnerische Betreuung des K<strong>in</strong>derchores der Wiener<br />

Staatsoper.<br />

Heute weiß ich, dass dieser Weg des „learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g“ für mich<br />

genau der richtige war – <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Erstengagement am Theater<br />

Koblenz (1990-99) hatte ich niemals die Bangigkeiten e<strong>in</strong>es Anfängers<br />

und nur sehr überschaubares Lampenfieber.<br />

Mit e<strong>in</strong>em Satz: Ich war FIT FOR STAGE!<br />

Es folgte e<strong>in</strong>e sehr schöne und <strong>in</strong>teressante, aber auch Energie<br />

raubende Karrierezeit: Das Erarbeiten von über 40 großen Opernpartien<br />

und e<strong>in</strong>es umfassenden Konzertrepertoires, Gastspiele an<br />

über 20 Theatern, Opernpreise, Tourneen <strong>in</strong> Europa und Kanada<br />

sowie Unterrichtstätigkeit mussten mit Heirat, Familiengründung,<br />

Umzügen und Hausbau koord<strong>in</strong>iert werden. Der Regierungsumzug<br />

Bonn/Berl<strong>in</strong> hatte 1999 me<strong>in</strong>en Ehemann <strong>in</strong> die neue Hauptstadt<br />

gebracht; ich zog mit unserer Tochter h<strong>in</strong>terher.<br />

Als letztes Jahr der Ruf an die <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> kam, endete<br />

unsere „Berl<strong>in</strong>-Periode“ und damit auch me<strong>in</strong>e siebenjährige<br />

Lehrtätigkeit an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ am Gendarmenmarkt.<br />

Es sche<strong>in</strong>t, als wären wir nun sesshaft geworden: ich an<br />

der <strong>HfMDK</strong>, me<strong>in</strong> Mann im Direktorium der BaF<strong>in</strong> <strong>in</strong> Bonn. Abends<br />

treffen wie uns im schönen Vallendar bei Koblenz, wo auch unsere<br />

Tochter das Gymnasium besucht. Das Rhe<strong>in</strong>land ist auch der<br />

Ausgangspunkt für unser geme<strong>in</strong>sames Hobby: ausgedehnte<br />

Touren <strong>in</strong> die Eifel, den Hunsrück und den Westerwald mit unseren<br />

schweren Motorrädern.<br />

Was aber erwartet nun e<strong>in</strong>en Studierenden, der <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Klasse<br />

aufgenommen wurde?<br />

Ganz im Geiste des Mottos dieser Ausgabe unterstütze ich junge<br />

Sänger beim Erlernen des Spagats zwischen altbewährter, solider<br />

gesangstechnischer Ausbildung und den modernen Anforderungen<br />

e<strong>in</strong>er Karriere. Die Fähigkeit, zwischen der behutsamen Entwicklung<br />

se<strong>in</strong>es Stimmfaches und e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teressanten Sängerpersönlichkeit<br />

e<strong>in</strong>erseits sowie dem Funktionieren im schnelllebigen und anstrengenden<br />

Bühnenalltag andererseits die Balance halten zu können,<br />

gibt meist den Ausschlag, ob er als Sternschnuppe schnell verglüht<br />

oder e<strong>in</strong> Fixstern am Bühnenhimmel wird.<br />

49<br />

Durch me<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Vorbildung b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> der glücklichen<br />

Lage, den Mythos der S<strong>in</strong>gphysiologie zu entzaubern und körperliche<br />

Vorgänge während des S<strong>in</strong>gens verständlich zu vermitteln.<br />

Nach e<strong>in</strong>em spannenden, horizonterweiternden und effektiven<br />

Studium im geschützten (Klassen-)Raum der Hochschule möchte<br />

ich me<strong>in</strong>en erfolgreichen Absolventen ebenfalls das Prädikat<br />

verleihen: „FIT FOR STAGE“! Übrigens: Für Hospitanten steht me<strong>in</strong>e<br />

Tür immer offen.


50<br />

„Unsere Institutionen s<strong>in</strong>d höchst ätherisch, re<strong>in</strong> deklarativ und<br />

spirituell, sie s<strong>in</strong>d Produkte „mächtiger“ Phantasie, und nur solange<br />

jeder diese Phantasie teilt und ihr „vertraut“, funktionieren<br />

diese Produkte; wird die Phantasie unglaubwürdig, dann beg<strong>in</strong>nt<br />

das System sich aufzudröseln.“<br />

John Searle<br />

Die Zukunft des Theaters<br />

Prof. Thomas Schmidt leitet seit e<strong>in</strong>em Jahr den Studien-<br />

gang Theater- und Orchestermanagement<br />

Von Prof. Thomas Schmidt<br />

Wenn man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie aufwächst, die <strong>in</strong> der vierten Generation<br />

eng mit dem Theater und der Musik verbunden ist, bleibt die<br />

Berührung damit nicht aus.<br />

Die ersten Jahre – me<strong>in</strong>e Eltern studierten damals noch – ver-<br />

brachte ich <strong>in</strong> Leipzig bei me<strong>in</strong>en Großeltern. Me<strong>in</strong>e Großmutter,<br />

Altist<strong>in</strong> an der Leipziger Oper und Absolvent<strong>in</strong> des <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Konservatoriums, und me<strong>in</strong> Großvater, Schauspieler, brachten mir<br />

das Theater nahe: immer Musik, immer e<strong>in</strong> Flügel, auf dem gespielt<br />

wurde, Textbücher, Rollen, die ständig memoriert wurden. Später,<br />

mit der Schulzeit, g<strong>in</strong>g ich mit me<strong>in</strong>en Eltern nach Erfurt. Die<br />

meiste Zeit im Theater, im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbecken des Schwimmvere<strong>in</strong>s,<br />

auf dem Fußballplatz. Me<strong>in</strong>e Großmutter als Fischweib <strong>in</strong> Paul<br />

Dessaus Oper „Die Verurteilung des Lukullus“, me<strong>in</strong> Großvater als<br />

„Wilhelm Tell“, me<strong>in</strong> Vater als Hamlet. Das hat mich geprägt und<br />

als Sehnsucht nie mehr verlassen: das Spiel, die Musik, die Bühne,<br />

der Geruch des Theaters, die Figuren, die Verwandlungen, die Kraft<br />

e<strong>in</strong>es Textes und die Präsenz der Menschen vor und h<strong>in</strong>ter der<br />

Bühne.<br />

Nach dem Abitur habe ich Sprachen und Wirtschaftswissenschaf-<br />

ten studiert und anschließend e<strong>in</strong>ige Monate auf der Insel Mauritius<br />

im Indischen Ozean gearbeitet; später kamen längere Aufenthalte <strong>in</strong><br />

Westafrika und <strong>in</strong> den USA h<strong>in</strong>zu.<br />

Dem Theater b<strong>in</strong> ich immer treu geblieben, als Assistent, Autor,<br />

Dramaturg und Produzent freier Produktionen, als Gründer e<strong>in</strong>er<br />

freien Gruppe <strong>in</strong> Erfurt und e<strong>in</strong>es Festivals, bis 2003 der Ruf ans<br />

Nationaltheater und zur Staatskapelle Weimar kam, wo ich seit<br />

<strong>in</strong>zwischen acht Jahren die Geschäfte führe. In dieser Zeit habe ich<br />

auch damit begonnen zu unterrichten, Wissen weiterzugeben und<br />

die Praxis mit der Lehre zu verb<strong>in</strong>den: <strong>in</strong> den Fächern Theaterma-<br />

nagement an der Hochschule für Musik <strong>in</strong> Weimar und Ästhetik an<br />

der Universität Erfurt.<br />

Mit der Vorbereitung auf das Auswahlgespräch für die <strong>Frankfurt</strong>er<br />

Professur wurde mir sehr schnell klar, dass der Masterstudiengang<br />

Theater- und Orchestermanagement, der sich als e<strong>in</strong>ziger <strong>in</strong><br />

Deutschland auf die Vorbereitung junger Menschen auf leitende<br />

Berufe im Theater und Orchester konzentriert, e<strong>in</strong>e riesige Chance<br />

bietet: im Vergleich zur Vielzahl der angebotenen Kulturmanage-<br />

ment-Studiengänge, die nicht die notwendige berufliche Speziali-<br />

sierung anbieten und im H<strong>in</strong>blick auf den Bedarf an gut ausgebil-<br />

deten Theatermanagern mit Reformqualitäten. Der Verbund mit der<br />

von He<strong>in</strong>er Goebbels geleiteten Hessischen Theaterakademie, die,<br />

ebenfalls e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> Deutschland, alle Theater Hessens sowie die<br />

Häuser <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z, Heidelberg und Karlsruhe mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>det,<br />

gibt der Ausbildung e<strong>in</strong>en weiteren praktischen Rückhalt.<br />

Im W<strong>in</strong>tersemester 2010/2011 habe ich dann die Leitung dieses<br />

Studiengangs von Prof. Theo Umberg übernommen. Ich arbeite mit<br />

motivierten und engagierten Studenten, exzellenten Lehrbeauftrag-<br />

ten und wunderbaren Kollegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von der Ausnahmedrama-<br />

turg<strong>in</strong> Marion Tiedtke geleiteten Fachbereich, der Raum für<br />

Diskussionen und Visionen über die Zukunft der Ausbildung und<br />

des Theaters gibt.<br />

Die Frage der Zukunftsfähigkeit<br />

In der Ausbildung lege ich e<strong>in</strong>en großen Schwerpunkt auf die<br />

systemischen Anforderungen an das Theater- und Orchesterma-<br />

nagement <strong>in</strong> der Verknüpfung mit den sich verändernden Rahmen-<br />

bed<strong>in</strong>gungen, den Produktionsprozessen und dem Agieren der<br />

Kulturpolitik. Mir geht es um die Verb<strong>in</strong>dung, die Balance und die<br />

Rückkopplung zwischen Theorie und Praxis, um das große Thema<br />

Zukunftsfähigkeit kultureller Systeme, um die Vorbereitung der<br />

Studierenden auf freie und <strong>in</strong>stitutionelle Theater, die sich perma-<br />

nent weiter entwickeln und immer wieder neue, sich verändernde<br />

Herausforderungen an uns alle stellen. Im Unterricht müssen wir<br />

uns damit ause<strong>in</strong>ander setzen, dass sich das e<strong>in</strong>malige, historisch<br />

gewachsene und künstlerisch sehr produktive deutsche Theater-<br />

und Orchestersystem aufgrund se<strong>in</strong>er Dichte und Größe – nirgend-<br />

wo auf der Welt gibt es mehr Theater und Orchester – se<strong>in</strong>er hohen<br />

staatlichen Subventionierung, se<strong>in</strong>er weitgehend abgeschirmten<br />

Produktionsabläufe und se<strong>in</strong>er Neigung zur „Überproduktion“ <strong>in</strong>


<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

e<strong>in</strong>er besonders privilegierten, aber deshalb auch fragilen und<br />

krisenanfälligen Situation bef<strong>in</strong>det. Zu ke<strong>in</strong>er Zeit befanden sich<br />

mehr deutsche Theater und Orchester als heute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er struktu-<br />

rellen und f<strong>in</strong>anziellen Krise. Be<strong>in</strong>ahe wöchentlich lesen wir <strong>in</strong> den<br />

Feuilletons von Insolvenzen, von Zwangsfusionen, von Personalab-<br />

bau <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren und größeren Theatern und Orchestern. Aufgrund<br />

des kulturellen Förderalismus <strong>in</strong> Deutschland haben sich <strong>in</strong> den 16<br />

Bundesländern 16 verschiedene Theatersysteme entwickelt, die<br />

– strukturell und <strong>in</strong>haltlich – kaum noch Ähnlichkeiten mite<strong>in</strong>ander<br />

aufweisen. Das Nord-Süd-Gefälle, vor allem h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Zukunftsaussichten zum Beispiel zwischen den Theatern <strong>in</strong><br />

Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hamburg und Schleswig-Hol-<br />

ste<strong>in</strong> auf der e<strong>in</strong>en und Bayern und Baden- Württemberg auf der<br />

anderen Seite ist eklatant. Im Norden drohende Kürzungen,<br />

Schließungen und akutes Krisenmanagement, während die Theater<br />

und Orchester im Süden – noch – aus dem Vollen schöpfen<br />

können.<br />

Große Veränderungen stehen bevor<br />

Es ist absehbar, dass sich die Theater- und Orchestersysteme <strong>in</strong><br />

Deutschland <strong>in</strong> den nächsten Jahren verändern werden. Viele<br />

TRADITION und INNOVATION<br />

Transformationsprozesse f<strong>in</strong>den schon im Kle<strong>in</strong>en statt, dort, wo<br />

kluge Kulturpolitik Theater bei Modernisierungsprozessen unter-<br />

stützt, dort, wo weitsichtige Theater- und Orchestermanager immer<br />

wieder neue Freiräume für die Kunst zurückerobern, dort, wo<br />

Produktionsprozesse aus der freien Szene oder dem Film <strong>in</strong> das<br />

Theater e<strong>in</strong>fließen oder mite<strong>in</strong>ander gekoppelt werden, dort, wo<br />

Künstlerische Leiter, Manager und Dramaturgen aus anderen<br />

europäischen Ländern ihre Erfahrungen übertragen, und dort, wo<br />

neue Netzwerke und Kooperationen entstehen, aus denen <strong>in</strong><br />

absehbarer Zukunft neue, trag- und zukunftsfähige Theater- und<br />

Orchestersysteme gewebt werden. Deshalb ist das Masterstudium<br />

zugleich auch e<strong>in</strong> sich ständig fortentwickelndes Forschungspro-<br />

gramm, <strong>in</strong> dem wir geme<strong>in</strong>sam Krisen, Reformen und Verände-<br />

rungen analysieren und daraus mögliche Zukunftsszenarien<br />

entwickeln, während wir parallel die hierzu passenden handwerk-<br />

lichen Grundlagen <strong>in</strong> allen wichtigen Managementbereichen und<br />

Sparten (Schauspiel, Oper, Tanz, Konzert, Festival) legen, die die<br />

zukünftige Arbeit <strong>in</strong> den Theatern und Orchestern, <strong>in</strong> der freien<br />

Szene und den Festivals erfordert.<br />

51


52<br />

Erfolge unserer Studierenden –<br />

e<strong>in</strong>e Auswahl<br />

Rajissa Dubitsky, Viol<strong>in</strong>e<br />

(Klasse Prof. Walter Forchert), ist ab der<br />

nächsten Spielzeit Stimmführer<strong>in</strong> im<br />

Philharmonischen Orchester Augsburg.<br />

Isabelle Müller, Harfe<br />

(Klasse Prof. Francoise Friedrich), hat den<br />

1. Preis beim 2. Harfenwettbewerb der<br />

Harp Academy gewonnen.<br />

Jonathan de Weerd, Trompete<br />

(Klasse Prof. Klaus Schuhwerk), hat das<br />

Probespiel für die Solotrompete bei den<br />

Niederrhe<strong>in</strong>ischen S<strong>in</strong>fonikern, Orchester der<br />

Theater Krefeld und Mönchengladbach,<br />

gewonnen.<br />

Das aus <strong>Frankfurt</strong> stammende<br />

Notos Quartett mit S<strong>in</strong>dri Lederer, Viol<strong>in</strong>e<br />

(Klasse Prof. Uwe Mart<strong>in</strong> Haiberg, UdK-<br />

Berl<strong>in</strong>), Liisa Randalu, Viola (Klasse<br />

Prof. Roland Glassl), Florian Streich,<br />

Violoncello (Klasse Prof. Michael Sanderl<strong>in</strong>g),<br />

und Antonia Köster, Klavier (ehem. Klasse<br />

Ian Founta<strong>in</strong>, Royal Academy of Music,<br />

London), hat <strong>in</strong> London den renommierten<br />

<strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb „The Parkhouse<br />

Award“ und zwei Wochen später den<br />

ersten Preis des Charles Hennen Concours<br />

<strong>in</strong> Heerlen/Niederlande gewonnen.<br />

Den diesjährigen Günther-Rühle-Preis <strong>in</strong><br />

der mittlerweile 16. Woche der jungen<br />

Schauspieler, die alljährlich die Deutsche<br />

Akademie der Darstellenden Künste <strong>in</strong><br />

Bensheim ausrichtet, hat der bisherige dritte<br />

Jahrgang Schauspiel der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

am Ma<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>er Inszenierung „DNA“<br />

von Dennis Kelly (Regie: Robert Schuster)<br />

gewonnen.<br />

Impressum<br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> – Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik<br />

und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

Eschersheimer Landstraße 29–39, 60322 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>,<br />

www.hfmdk-frankfurt.de<br />

Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der <strong>HfMDK</strong><br />

Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle<br />

sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de; Telefon 069/154 007 170<br />

Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de<br />

Autoren Jacob Bussmann, Beate Eichenberg, Prof. Hedwig<br />

Fassbender, Björn Hadem (bjh), Prof. Dieter Heitkamp, Célest<strong>in</strong>e<br />

Hennermann, Prof. Dr. Werner Jank, Prof. em. Gerhard Mantel,<br />

Dr. Stephan Pauly, Prof. Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender, Berno Odo<br />

Polzer, Thomas Rietschel, Prof. Thomas Schmidt, Philipp Schulte,<br />

Sab<strong>in</strong>e Stenzel, Prof. Ursula Targler-Sell, Prof. Gerd Wachowski<br />

Alejandro Aldana, Viol<strong>in</strong>e<br />

(Klasse Prof. Walter Forchert), ist ab Herbst<br />

stellvertretender Konzertmeister im brasilianischen<br />

nationalen S<strong>in</strong>fonieorchester.<br />

Kateryna Kasper, Sopran<br />

(Klasse Prof. Hedwig Fassbender), schaffte es<br />

im Queen-Sonia-Wettbewerb <strong>in</strong> Oslo unter<br />

die 6 F<strong>in</strong>alisten und wurde mit dem Preis für<br />

die beste Interpretation e<strong>in</strong>es norwegischen<br />

Liedes ausgezeichnet.<br />

Sebastian Kohlhepp, Tenor<br />

(Klasse Prof. Hedwig Fassbender), erhielt<br />

e<strong>in</strong>en Vertrag als lyrischer Tenor am Badischen<br />

Staatstheater Karlsruhe.<br />

Publikationen unserer Lehrenden<br />

CD-Serie mit Mart<strong>in</strong> Lücker<br />

Beim Label „Querstand“ (Verlagsgruppe<br />

Kamprad, www.vkjk.de) s<strong>in</strong>d drei CDs<br />

erschienen, die der <strong>HfMDK</strong>-Orgelprofessor<br />

Mart<strong>in</strong> Lücker e<strong>in</strong>gespielt hat. Den ersten<br />

Tonträger, „9/11 In Memoriam“ (Bestellnummer:<br />

VKJK1130), hat der renommierte<br />

Konzertorganist und Orgelpädagoge <strong>in</strong><br />

Er<strong>in</strong>nerung an die Terroranschläge vom<br />

11. September 2001 produziert. Er enthält<br />

Werke von Maurice Duruflé (Prélude),<br />

Maximilian Schnaus (Rhapsodie „Wie liegt<br />

die Stadt so wüst“), Johann Sebastian Bach<br />

(Choralbearbeitungen aus den „Leipziger<br />

Chorälen“ und Contrapunctus 14), Frank<br />

Gerhardt („Lectiones No. 2“) und Franz Liszt<br />

(„We<strong>in</strong>en, Klagen, Sorgen, Zagen“). Das<br />

gleiche Programm erklang als Gedenkkonzert<br />

zum 10. Jahrestag <strong>in</strong> der evangelischen<br />

<strong>Frankfurt</strong>er Hauptkirche St. Kathar<strong>in</strong>en, an<br />

der Mart<strong>in</strong> Lücker seit fast drei Jahrzehnten<br />

als Organist tätig ist. Sämtliche Aufnahmen<br />

hat Mart<strong>in</strong> Lücker an der dortigen Rieger-Or-<br />

gel e<strong>in</strong>gespielt. So auch die CD „Romantische<br />

Welten“ (VKJK1131) mit Werken von<br />

Niels Wilhelm Gade (Drei Tonstücke op. 22),<br />

César Franck (Trois Pièces pour Grand<br />

Orgue), Josef Labor (Sonate h-Moll op. 15)<br />

und Max Reger (Phantasie über den Choral<br />

„Wachet auf, ruft uns die Stimme“ op 52,<br />

Nr. 2). „Große Orgelmusik“ ist der Titel von<br />

„Volume 3“ (VKJK1132), auf der Mart<strong>in</strong><br />

Lücker César Francks „Trois Chorals pour<br />

Grand Orgue“, Paul H<strong>in</strong>demiths „Sonate I für<br />

Orgel“ und Johann Sebastian Bachs Passacaglia<br />

c-Moll BWV 582 <strong>in</strong>terpretiert. Alle<br />

E<strong>in</strong>spielungen s<strong>in</strong>d im Handel erhältlich.<br />

Rückspiegel – IzM hat Buch über<br />

Zeitgenössisches Komponieren im Dialog mit<br />

älterer Musik herausgegeben<br />

Das Verhältnis zwischen Tradition und<br />

Innovation im Musikschaffen des 20. und<br />

21. Jahrhunderts ist Thema e<strong>in</strong>er Buchpublikation,<br />

die das Institut für zeitgenössische<br />

Musik 2010 herausgegeben hat. In den<br />

vergangenen Jahrzehnten hat sich e<strong>in</strong>e<br />

Strömung zeitgenössischen Komponierens<br />

verstärkt: der E<strong>in</strong>bezug von alten Klängen,<br />

Strukturen oder ganzen Werken durch<br />

Bearbeitung, Zitat, Hommage, Variation und<br />

Transformation. Der Blick <strong>in</strong> den musikgeschichtlichen<br />

Rückspiegel beim Suchen und<br />

Erf<strong>in</strong>den neuer Klänge ist zu e<strong>in</strong>em produktiven<br />

kompositorischen Ansatz geworden.<br />

Quer durch das Spektrum neuer Musik hat<br />

er an Anziehungskraft gewonnen hat, nicht<br />

nur für Komponisten, sondern auch für<br />

Interpreten und Hörer. Rückspiegel. Zeitgenössisches<br />

Komponieren im Dialog mit<br />

älterer Musik. Hrsg. von Christian Thorau,<br />

Julia Cloot und Marion Saxer.<br />

Schott Music: Ma<strong>in</strong>z 2010, 39,95 Euro<br />

Fotos Jörg Baumann, Valent<strong>in</strong> Fanel, Björn Hadem (57), Udo Hesse,<br />

Woeishi Lean, Wolfgang Lienbacher (3), Felix Ste<strong>in</strong>er, Walter<br />

Vorjohann, Synchronous Objects Project<br />

Layout Opak Werbeagentur GmbH,<br />

Münchener Str. 45, 60329 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 2011)<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsweise jeweils zu Beg<strong>in</strong>n des Semesters<br />

Druck VARIO PLUS Druck GmbH,<br />

Fl<strong>in</strong>schstr. 61, 60388 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />

Drittmittelkonto Account for Private funds<br />

Konto 200 138 090, BLZ 500 502 01, Fraspa 1822<br />

Überweisungen aus dem Ausland International Payments<br />

IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90; SWIFT-BIC: HELADEF1822


Perfektion hat seit über e<strong>in</strong>em<br />

Jahrhundert bei uns Tradition<br />

Vor über 100 Jahren wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Werkstatt <strong>in</strong> Hamamatsu mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />

engagierten Mannschaft von Handwerkern die ersten Klaviere und Flügel gebaut.<br />

Dies war der Geburtsort der heutigen Yamaha Premium-Palette: des erstklassigen<br />

und namhaften CFIII-Konzertflügels sowie der S6- und S4-Premium-Flügel, die heute<br />

von führenden Pianisten weltweit für die besten Instrumente gehalten werden.<br />

Die über Generationen h<strong>in</strong>weg erworbenen Fertigkeiten, mit Bedacht ausgewählte<br />

Herstellungsverfahren und Materialien, sensible H<strong>in</strong>wendung zu jedem Detail und<br />

unübertroffene Innovationen s<strong>in</strong>d die Basis für die heutigen Instrumente. Dabei<br />

haben die Yamaha-Klavierbauer stets e<strong>in</strong>e Vision vor Augen: Das Erreichen höchster<br />

Perfektion mit e<strong>in</strong>em breitgefächerten, klaren Klang, der leicht und deutlich im Raum<br />

schwebt und zu den glücklichsten Momenten e<strong>in</strong>es Spiel- und Musikgenusses führt.<br />

Sehen Sie bitte weitere Informationen unter www.premiumpianos.com


ZUSAMMEN GEHT MEHR.<br />

E<strong>in</strong> erfolgreiches Team braucht wie jedes Orchester mehr<br />

als nur hervorragende Solisten: Teamgeist. Bei uns <strong>in</strong> der<br />

Genossenschaftlichen F<strong>in</strong>anzGruppe gibt jeder se<strong>in</strong> Bestes,<br />

damit im Zusammenspiel aller das Beste entsteht: Erfolg.<br />

Für uns, unsere Partnerbanken vor Ort und ganz besonders<br />

für unsere Kunden. www.dzbank.de

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