Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
Frankfurt in Takt - HfMDK Frankfurt
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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong><br />
Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Schwerpunktthema<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
11. Jahrgang, Nr. 2 W<strong>in</strong>tersemester 2011/2012<br />
www.hfmdk-frankfurt.de
Jennifer D. | Market<strong>in</strong>gstudent<strong>in</strong> | Kund<strong>in</strong> seit 1995<br />
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<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Inhalt<br />
2 Editorial<br />
4 Konzerte als Erfahrungsräume<br />
Von Dr. Stephan Pauly und Berno Odo Polzer<br />
7 „Ich mache trotzdem me<strong>in</strong> Eigenes“<br />
Interview mit Sebastian Weigle<br />
8 Wege erarbeiten statt Fertiggerichte servieren<br />
Interview mit den Professoren Angelika Merkle,<br />
Laura Ruiz Ferreres und Roland Glassl<br />
12 Versuchsanordnung <strong>in</strong> der Ausbildung<br />
Von Sab<strong>in</strong>e Stenzel<br />
15 Durch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Vision erfolgreich:<br />
Das Projekt „Orpheus“<br />
Von Prof. Hedwig Fassbender<br />
18 Instrumentalpädagogik zwischen Innovation<br />
und Tradition<br />
Von Prof. em. Gerhard Mantel<br />
22 Im Zangengriff gegen Erstarrung<br />
Interview mit den Professoren Michael Schneider<br />
und Gerhard Müller-Hornbach<br />
26 Überschaubar und chancenreich<br />
Von Prof. Gerd Wachowski<br />
29 Musiker – fe<strong>in</strong>motorische Bewegungskünstler<br />
Von Prof. Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender<br />
32 Altes Handwerk, neue Methoden<br />
Interview mit Peter Kupke<br />
34 Motion Bank – E<strong>in</strong> Aufbewahrungsort für Bewegung<br />
Von Célest<strong>in</strong>e Hennermann<br />
37 HörSpiele<br />
Von Jacob Bussmann<br />
38 Fit für die Vielfalt der Kulturen und des Lernens<br />
Von Prof. Dr. Werner Jank<br />
41 Vom Wagnis zur Ovation: „San Giovanni Battista“<br />
im Kloster Eberbach<br />
Interview mit Nils Cooper<br />
44 Jahresbericht der Gesellschaft der Freunde und<br />
Förderer der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
47 50 Jahre TANZausbildung<br />
Von Prof. Dieter Heitkamp<br />
49 Fit for stage<br />
Prof. Ursula Targler-Sell im Portrait<br />
50 Die Zukunft des Theaters<br />
Prof. Thomas Schmidt im Portrait<br />
52 Erfolge unserer Studierenden<br />
Publikationen unserer Lehrenden<br />
Impressum
Editorial<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
Die <strong>HfMDK</strong> hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>er der lebendigsten Musik-<br />
und Theaterhochschulen <strong>in</strong> Deutschland entwickelt. Vor vier Jahren be-<br />
warben sich 1225 Studierende um e<strong>in</strong>en der 170 freien Studienplätze.<br />
Seitdem s<strong>in</strong>d die Bewerberzahlen kont<strong>in</strong>uierlich gestiegen, und <strong>in</strong> diesem<br />
W<strong>in</strong>tersemester s<strong>in</strong>d es 2104 Studierende, die an unserer Hochschule stu-<br />
dieren wollten. Das ist e<strong>in</strong>e Steigerung der Bewerberzahlen um fast 80% <strong>in</strong><br />
vier Jahren, e<strong>in</strong> deutliches Indiz für den zunehmend guten Ruf von Hessens<br />
e<strong>in</strong>ziger Hochschule für Musik, Theater und Tanz. 48% der Studierenden<br />
kommen dabei <strong>in</strong> den künstlerischen Studienfächern aus dem Ausland,<br />
und zwar nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt: auch dies<br />
e<strong>in</strong> Zeichen für die große <strong>in</strong>ternationale Attraktivität unserer Hochschule.<br />
Wir haben Instrumentalklassen, deren Absolventen regelmäßig Probespiele<br />
für die wenigen begehrten Plätze <strong>in</strong> den großen renommierten Orchestern<br />
gew<strong>in</strong>nen oder als Solist e<strong>in</strong>e Karriere beg<strong>in</strong>nen; die Studiengänge <strong>in</strong> Koope-<br />
ration mit dem Ensemble Modern und der Kronberg Academy s<strong>in</strong>d weltweit<br />
die führenden ihrer Art, und unsere Abteilungen <strong>in</strong> der Darstellenden Kunst<br />
s<strong>in</strong>d ungeme<strong>in</strong> erfolgreich. In der Musiklehrerausbildung müssen wir auf<br />
Grund der guten Bewerberlage <strong>in</strong>zwischen jedes Jahr hervorragend quali-<br />
fizierte und begabte Bewerber<strong>in</strong>nen und Bewerber ablehnen, die dann an<br />
anderen Hochschulen e<strong>in</strong>en Platz bekommen.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Gleichzeitig gibt es wohl ke<strong>in</strong>e andere deutschen Kunsthochschule, die so <strong>in</strong><br />
ihrem Umfeld verankert ist wie die <strong>HfMDK</strong>. Dank ihres Lehrerweiterbildungs-<br />
projektes Primacanta s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>zwischen 170 Grundschullehrer, die an<br />
72 von 76 <strong>Frankfurt</strong>er Grundschulen die <strong>Frankfurt</strong>er K<strong>in</strong>der zum S<strong>in</strong>gen<br />
br<strong>in</strong>gen – und zwar nachhaltig, Jahr für Jahr. Damit erreicht die <strong>HfMDK</strong><br />
die ganze Stadt <strong>Frankfurt</strong>. Es ist für die Zukunft dieser Stadt und ihres<br />
Kulturlebens e<strong>in</strong>e ungeheure Chance, wenn die meisten <strong>Frankfurt</strong>er K<strong>in</strong>der<br />
<strong>in</strong> der Schule Freude am S<strong>in</strong>gen erfahren und diese Erfahrung mit <strong>in</strong> ihr<br />
Leben nehmen. Und nebenbei sichert sich die Hochschule mit diesem<br />
Vorhaben auch ihre eigene Zukunft. Mittlerweile ist der deutsche Chor-<br />
verband, der Zusammenschluss fast aller deutschen Chöre mit mehr als<br />
1 Millionen Mitgliedern, Partner dieses erfolgreichen Konzeptes der <strong>HfMDK</strong><br />
und der Crespo Foundation geworden und will Primacanta bundesweit als<br />
herausragendes Konzept der S<strong>in</strong>gförderung übernehmen und verbreiten.<br />
Diese Erfolge s<strong>in</strong>d das Ergebnis großer Anstrengungen von Lehrenden<br />
und Verwaltung der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> den letzten Jahren. Diese Erfolge s<strong>in</strong>d der<br />
Hochschule nicht zugefallen, h<strong>in</strong>ter ihnen stehen Begeisterung für die<br />
Sache, Kompetenz, Hartnäckigkeit, Ideenreichtum und sehr viel Fleiß und<br />
harte Arbeit. Und gleichzeitig müssen ja auch noch die Bolognareform<br />
und die Folgen der wachsenden Autonomie der Hochschule bewältigt<br />
werden, die e<strong>in</strong>e Vielzahl zusätzlicher Aufgaben mit sich br<strong>in</strong>gen. Als
Kehrseite der Erfolge zeigt sich immer deutlicher, dass unter den mo-<br />
mentanen Bed<strong>in</strong>gungen die <strong>HfMDK</strong> dieses Entwicklungstempo nicht mehr<br />
halten kann. Zu groß war die Anstrengung angesichts zu beschränkter<br />
f<strong>in</strong>anzieller Ressourcen, und zu e<strong>in</strong>geengt s<strong>in</strong>d die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
an der <strong>HfMDK</strong>. Die Hochschule ist unterf<strong>in</strong>anziert, und deshalb können<br />
zentrale Stellen <strong>in</strong> Lehre und Verwaltung nicht besetzt werden. Die räumlichen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Bereichen mehr als unzureichend und hemmen<br />
die weitere Entwicklung.<br />
Deshalb ruhen die Hoffnungen der <strong>HfMDK</strong> auf dem geplanten Kulturcampus<br />
<strong>Frankfurt</strong>, der auf dem alten Universitätsgelände im Stadtteil Bockenheim<br />
entstehen soll. Im letzten Heft unserer Hochschulzeitung haben wir Anfang<br />
des Jahres die Vision dieses Vorhabens skizziert: Geme<strong>in</strong>sam mit künstleri-<br />
schen Institutionen wie dem Ensemble Modern und der The Forsythe Company,<br />
mit wissenschaftlichen Partnern wie dem Senckenberg Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />
und Naturmuseum, dem Institut für Sozialforschung und dem H<strong>in</strong>demith<br />
Institut, mit Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen und Netzwerken wie der Hessischen<br />
Theaterakademie, dem <strong>Frankfurt</strong> LAB und der Jungen Deutschen Philharmo-<br />
nie wird dort e<strong>in</strong> weltweit e<strong>in</strong>zigartiger Ausbildungs-, Veranstaltungs-, Pro-<br />
duktions- und Forschungsort für die zeitgenössischen Künste entstehen.<br />
In den letzten Monaten hat sich sehr viel bewegt, und zwar <strong>in</strong> die positive<br />
Richtung. Die <strong>Frankfurt</strong>er Oberbürgermeister<strong>in</strong> Petra Roth hat den Kulturcam-<br />
pus zur Chef<strong>in</strong>nensache erklärt und engagiert sich <strong>in</strong> herausragender Weise<br />
für die Realisierung dieses Projektes. Sie hat dafür gesorgt, dass die Stadt<br />
<strong>Frankfurt</strong> das Gelände vom Land Hessen erworben hat und damit das Tempo<br />
erheblich forciert – schon <strong>in</strong> Kürze kann mit konkreten Planungen begonnen<br />
werden. Alle Fraktionen des <strong>Frankfurt</strong>er Stadtparlaments unterstützen die Idee<br />
e<strong>in</strong>es Kulturcampus, und auch die Bürger<strong>in</strong>itiativen begrüßen den Zuzug der<br />
<strong>HfMDK</strong> auf das Gelände.<br />
Sorgen macht uns dabei die Zeitplanung, da der für die Hochschule vor-<br />
gesehene Standort angeblich erst im nächsten Jahrzehnt bebaut werden<br />
kann. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, und wir werden uns<br />
geme<strong>in</strong>sam mit den Verantwortlichen darum bemühen, hier e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />
Lösung zu f<strong>in</strong>den. Wichtig ist aber festzuhalten: Die <strong>in</strong>ternationale Ausstrah-<br />
lung und der Erfolg des Kulturcampus hängen entscheidend von der <strong>HfMDK</strong><br />
ab. Ohne die Hochschule fällt das Konzept <strong>in</strong> sich zusammen. Sie ist nicht<br />
nur die mit Abstand größte Institution und wird fast 2/3 der Fläche <strong>in</strong><br />
Anspruch nehmen; sie ist auch das B<strong>in</strong>deglied zwischen allen beteiligten<br />
Partnern und arbeitet jetzt schon mit den meisten von ihnen <strong>in</strong> wichtigen<br />
Vorhaben und Projekten zusammen. Deshalb muss die Hochschule auch<br />
jetzt schon <strong>in</strong> alle baulichen und <strong>in</strong>haltlichen Planungsvorhaben auf kommu-<br />
naler Ebene und auf Landesseite e<strong>in</strong>bezogen werden. E<strong>in</strong>e Planung des<br />
Kulturcampus, die die Hochschule nicht von Anfang an e<strong>in</strong>bezieht und damit<br />
auch die Nutzung von Synergien verschenkt, ist widers<strong>in</strong>nig und gefährdet<br />
das Gesamtvorhaben.<br />
Mit dem Kulturcampus verb<strong>in</strong>den sich auch <strong>in</strong>haltliche Perspektiven. Schon<br />
durch die Wahl von Partner<strong>in</strong>stitutionen wie Ensemble Modern, The Forsythe<br />
Company und <strong>Frankfurt</strong> LAB rückt das zeitgenössische Kunstschaffen <strong>in</strong> den<br />
Vordergrund. Die Zukunft der Musik und der Darstellenden Kunst soll hier<br />
verhandelt werden, so der hohe Anspruch der beteiligten Kultur<strong>in</strong>stitutionen.<br />
Im September zeigten die Primacanta-K<strong>in</strong>der beim Römerbergs<strong>in</strong>gen, wie erfolgreich<br />
sich das Lehrerweiterbildungsprojekt auf Initiative der <strong>HfMDK</strong> entwickelt hat.<br />
Dies war Anlass für uns, die Basis unserer Arbeit an der <strong>HfMDK</strong> zu reflek-<br />
tieren. Deshalb haben wir diese Ausgabe unserer Hochschulzeitung unter das<br />
Motto „Tradition und Innovation“ gestellt. Ich freue mich sehr, dass vor allem<br />
unsere Lehrenden dieses Thema engagiert aufgegriffen haben. Dankbar b<strong>in</strong><br />
ich auch für zwei externe Beiträge: Stephan Pauly, designierter Intendant der<br />
Alten Oper und Mitglied unseres Hochschulrates, sowie Sebastian Weigle,<br />
GMD der Oper <strong>Frankfurt</strong>, äußern sich <strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanten Beiträgen zu diesem<br />
Thema. Alle s<strong>in</strong>d sich dabei e<strong>in</strong>ig, dass Innovation und Tradition <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
dialektischen Spannungsverhältnis zue<strong>in</strong>ander stehen, dass das Neue ohne<br />
Bezug auf oder ohne Abgrenzung von der Tradition nicht zu haben ist. E<strong>in</strong><br />
schönes Beispiel dafür ist unsere großartige Tanzabteilung, die <strong>in</strong> wenigen<br />
Tagen ihren 50. Geburtstag feiert. „ZuKT – Zeitgenössischer und Klassischer<br />
Tanz“ nennt sich der Studiengang, der die Spannung zwischen Tradition<br />
und Innovation zum Programm gemacht hat und national und <strong>in</strong>ternational<br />
als äußerst erfolgreich gilt.<br />
Der neue Kulturcampus <strong>Frankfurt</strong> wird also nicht nur e<strong>in</strong> Zentrum der Moderne,<br />
sondern auch e<strong>in</strong> Ort der Tradition se<strong>in</strong>, an dem das, was wir ererbt haben,<br />
stets wieder erworben werden muss: um es zu besitzen und um <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>an-<br />
dersetzung mit ihm Neues schaffen zu können.<br />
Thomas Rietschel<br />
3
4 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Konzerte als Erfahrungsräume<br />
Von Stephan Pauly, künstlerischer Leiter der Stiftung Mozarteum<br />
Salzburg sowie designierter Indendant der Alten Oper <strong>Frankfurt</strong>, und<br />
Berno Odo Polzer, freier Kurator, ehemaliger künstlerischer Leiter des<br />
Festivals „Wien Modern“<br />
Warum veranstalten wir Konzerte, warum gehen Menschen <strong>in</strong><br />
Konzerte, welche Stücke und welche Inhalte stehen im Mittelpunkt?<br />
Warum? Wo kann sich der Konzertbetrieb der Gegenwart verorten,<br />
wie sich selbst verstehen, für wen und <strong>in</strong> welcher Haltung arbeiten?<br />
Und wie kann der Konzertbetrieb sich im musikalischen wie<br />
gesellschaftlichen Spannungsfeld von Tradition und Innovation<br />
verhalten, wie beispielsweise zwischen den Polen der klassischen<br />
und der zeitgenössischen Musik? – In der Arbeit an verschiedenen<br />
Konzertreihen und am „Dialoge“-Festival der Stiftung Mozarteum<br />
Salzburg s<strong>in</strong>d Erfahrungen im Umgang mit Konzertprogrammen,<br />
mit künstlerischern Konstellationen, mit Räumen, Künstlern und<br />
Publikum gewachsen, <strong>in</strong> denen oft genug deutlich geworden ist, wie<br />
sich Begegnungsfelder zwischen Tradition und Innovation, alt und<br />
neu aufspannen lassen, die zu lebendigen, starken Konzerterlebnissen<br />
führen können. Im folgenden e<strong>in</strong>ige Gedanken hierzu, e<strong>in</strong><br />
Erfahrungsbericht, e<strong>in</strong>e daraus abgeleitete Hypothese und e<strong>in</strong>e<br />
daraus erwachsende Skizze e<strong>in</strong>er möglichen Arbeitshaltung des<br />
Konzertbetriebes.<br />
Analyse der Szenen<br />
Der klassische Musikbetrieb tendiert dazu, die lebendige Pflege<br />
der traditionellen europäischen Kunstmusik <strong>in</strong> der Variation ihrer<br />
Interpretationen zu suchen und das Bekannte <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>es relativ<br />
kle<strong>in</strong>en Kanons musikalischer Werke zu wiederholen. Daneben steht<br />
die Welt der zeitgenössischen Musik, die dazu neigt, der ständigen<br />
Produktion und unüberschaubaren Vielfalt zeitgenössischer Musiksprachen<br />
durch die Maximierung des Neuen und deren Sichtbarmachung<br />
gerecht zu werden, häufig auf Kosten e<strong>in</strong>er durch Wiederholung<br />
ermöglichten <strong>in</strong>tensiveren Ause<strong>in</strong>andersetzung mit neuen<br />
musikalischen Werken. Im Bereich der Klassik hat die Lust am<br />
Anderen, Ungesicherten, an neuen Stücken – verbunden mit allen<br />
Risiken des Unverständnisses und des Verlustes der Gefolgschaft<br />
– nur allzu oft wenig Raum. Umgekehrt zeigt sich e<strong>in</strong> ähnlicher<br />
Befund auch im Bereich der zeitgenössischen Musik: Das Bekenntnis<br />
zum Neuen verengt sich bisweilen zum Diktat.<br />
Beide Bereiche, wiewohl durch geme<strong>in</strong>same Traditionsl<strong>in</strong>ien,<br />
künstlerische Anliegen, vere<strong>in</strong>zelte Personalunionen und geteilte<br />
organisatorische Strukturen eng mite<strong>in</strong>ander verflochten, verbleiben<br />
im je Eigenen: <strong>in</strong> je eigenen Idiomen, die <strong>in</strong>nerhalb der Szenen<br />
sowohl den Diskurs über das Gehörte als auch das <strong>in</strong>dividuelle<br />
Erleben zu<strong>in</strong>nerst bestimmen können; <strong>in</strong> je eigenen Protokollen, die<br />
die <strong>in</strong>nere wie äußere Gestalt durchformen – <strong>in</strong> der Programmierung,<br />
auf der Bühne und im Zuschauerraum; und nicht zuletzt <strong>in</strong> je<br />
eigenen Ökonomien, was die enge Verflechtung der angesprochenen<br />
Thematik mit sozialen, gesellschaftlichen und markttechnischen<br />
Fragen offenlegt.<br />
Foto rechts:<br />
Die Hörsituation für das Konzert der „Dialoge“<br />
mit Otomo Yoshihide:<br />
die Zuschauer, <strong>in</strong> der Mitte der Musiker.<br />
Foto unten:<br />
Otomo Yoshihide und<br />
Ko Ishikawa (Sho) <strong>in</strong> Aktion.<br />
Fotos:<br />
Stiftung Mozarteum Salzburg/<br />
Wolfgang Lienbacher
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
All diese Faktoren versehen beide Bereiche <strong>in</strong> ihrer Wirkung nach<br />
außen mit e<strong>in</strong>em Habitus, der nicht immer unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>ladend<br />
wirkt, sondern oft genug Geschlossenheit und Hermetik vermittelt.<br />
Offenheit, gegenseitiger Austausch und Begegnungen der Szenen<br />
s<strong>in</strong>d selten im Feld musikalischen Lebens, e<strong>in</strong> Umstand der<br />
grundsätzlich auf alle an Musikschauplätzen Beteiligte zutrifft:<br />
Hörer, Künstler und Veranstalter. Nur der kle<strong>in</strong>ere Teil dieser<br />
Gruppen macht sich die Grenzüberschreitung zum grundlegenden<br />
Modus des eigenen Erlebens und Arbeitens.<br />
Zwischen den L<strong>in</strong>ien<br />
Und genau hier könnte das Nachdenken über die Aufführung von<br />
Musik – sei es klassischer oder zeitgenössischer Werke – <strong>in</strong><br />
Konzerten ansetzen. Die Hypothese ist: Die offene Begegnung mit<br />
anderen Musik- und Kunstformen kann das eigene Erleben <strong>in</strong><br />
Bewegung versetzen. Konzerte mit Begegnung e<strong>in</strong>ander verme<strong>in</strong>t-<br />
lich fremder, beispielsweise zeitgenössischer und traditioneller<br />
Musiksprachen können Bewegungen ermöglichen – mentale,<br />
emotionale, <strong>in</strong>tellektuelle Bewegungen, wider die starre Territoriali-<br />
sierung des musikalischen Erlebens und des Konzertbetriebes.<br />
Auf Basis dieser Hypothese (und guter Hörerfahrungen <strong>in</strong> Kon-<br />
zerten) kann e<strong>in</strong> Ziel der Gestaltung von Konzerten daher se<strong>in</strong>, die<br />
Begegnung unterschiedlicher musikalischer und künstlerischer<br />
Welten gerade nicht als Ausnahme zu begreifen, sondern sie zur<br />
bestimmenden Arbeitsgrundlage zu machen. Aus dieser Haltung<br />
des Nachdenkens über die Aufführung und das Hören von Musik<br />
heraus können Konzertprogramme die Grenzen beispielsweise<br />
zwischen klassischer und zeitgenössischer Musik ignorieren und so<br />
zu musikalischen Erfahrungsräumen werden, die das Bewusstse<strong>in</strong><br />
stärken können für die Bed<strong>in</strong>gungen und die Bed<strong>in</strong>gtheit der<br />
eigenen Wahrnehmung – im Dialog mit dem jeweils Anderen.<br />
Vielleicht kann dieses Kennenlernen von und Sich-Erfahren <strong>in</strong><br />
fremden (musikalischen) Sprachen so e<strong>in</strong>e belebende Herausforde-<br />
rung se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Intensivierung der Aufmerksamkeit, e<strong>in</strong> Quanten-<br />
sprung des Wahrnehmens gegenüber dem Verbleiben im Eigenen?<br />
E<strong>in</strong> Beispiel<br />
E<strong>in</strong> Beispiel dafür aus e<strong>in</strong>em viertägigen „Dialoge“-Festival der<br />
Stiftung Mozarteum Salzburg: Das erste Konzert des ersten Abends<br />
hebt leise an, mit zarten Klängen der Shô, e<strong>in</strong>er japanischen<br />
Mundorgel. Mit höchster Konzentration, gelöster Körperspannung<br />
und geschlossenen Augen spielt die Spieler<strong>in</strong> ihr Instrument. Neben<br />
ihr, konzentriert im Zuhören, e<strong>in</strong>e weitere Musiker<strong>in</strong>, mit e<strong>in</strong>em<br />
großen, wassergefüllten Muschelhorn auf dem Schoß. Die Shô<br />
spielt weiter, lange, alle<strong>in</strong>, <strong>in</strong> kaum bewegten, aus dem Nichts<br />
entstehenden und verkl<strong>in</strong>genden Akkorden. Nach langer Zeit<br />
schließlich bewegt sich die zweite Musiker<strong>in</strong>, hebt das Muschel-<br />
horn an und kippt es <strong>in</strong> langsam drehender Bewegung. Das Wasser<br />
im Inneren des Muschelhorns kommt <strong>in</strong> Bewegung, und wir hören<br />
die höchst fragilen, aber deutlich vernehmbaren Klänge von fünf,<br />
vielleicht sechs aufsteigenden Luftblasen. Das Stück ist zu Ende:<br />
„Two3“ für Shô und Muschelhörner von John Cage, komponiert im<br />
Jahr 1991, dem Todesjahr des amerikanischen Künstlers. Später im<br />
5
6 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Der Musiker Tadashi Tajima mit<br />
se<strong>in</strong>er japanischen Bambusflöte Shakuhachi.<br />
Foto: Stiftung Mozarteum Salzburg/<br />
Wolfgang Lienbacher<br />
Konzert setzt sich das Leise der Tage fort: Filigrane Werke für<br />
wenige Instrumente von Anton Webern, dem Meister musikalischer<br />
Verdichtung, monumental <strong>in</strong> ihrer Reduktion, komb<strong>in</strong>iert mit<br />
kristall<strong>in</strong>en Stücken des Komponisten Toshio Hosokawa. Tags<br />
darauf: Kontraste. Klanggewitter: Der Noise-Musiker Masami Akita<br />
alias Merzbow tritt auf und stellt die Hörer e<strong>in</strong>e Stunde lang mitten<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Architektur aus Geräuschen, mit ohrenbetäubender<br />
Lautstärke. Viele Hörer liegen am Boden, spüren die Musik am<br />
ganzen Körper. An den Laptops, am Mischpult, am selbst gebauten<br />
Instrument steht Merzbow, ganz ruhig, gesammelt, leise und<br />
konzentriert, er bewegt sich kaum, schichtet behutsam die<br />
gewaltigen Klangmassen aufe<strong>in</strong>ander. Am Morgen danach:<br />
Flötenmusik und Musik der Koto, der japanischen Zither. Orig<strong>in</strong>al<strong>in</strong>-<br />
strumente der traditionellen Musik Japans, gespielt von Meistern<br />
ihres Fachs – Wechsel des Hörens, erneut. Und schließlich: Die<br />
alten Instrumente auch <strong>in</strong> Händen zeitgenössischer Musiker: Ko<br />
Ishikawa spielt die Shô. Er gehört zur Gruppe von Musiker<strong>in</strong>nen<br />
und Musikern, die der japanische Gitarrist, Komponist und Elektro-<br />
nikmusiker Otomo Yoshihide zum geme<strong>in</strong>samen Konzert e<strong>in</strong>geladen<br />
hat. In e<strong>in</strong>em großen Zirkel stehen sie, an den Rändern des<br />
Raumes, das Publikum lagert <strong>in</strong> der Mitte. Shô, E-Gitarren, e<strong>in</strong><br />
Turntable-Spieler, e<strong>in</strong>e Künstler<strong>in</strong> am S<strong>in</strong>uswellen erzeugenden<br />
Klanggerät, e<strong>in</strong> Elektronikmusiker: Improvisation, nur Wegmarken<br />
gibt es für den Abend, ke<strong>in</strong>e Partitur. „Prisoner 2009“ heißt das<br />
Stück, es besteht aus e<strong>in</strong>em Notenblatt für alle, mit nur wenigen<br />
Tonfolgen und Spielvorschlägen. Man vere<strong>in</strong>bart e<strong>in</strong>e Stunde<br />
Musik, und was folgt, ist e<strong>in</strong> hochsensibler, tiefgründiger wie<br />
leichter, Freiheit atmender Abend.<br />
E<strong>in</strong>drücke aus Konzerten der „Dialoge“ mit Musik aus völlig<br />
unterschiedlichen historischen, kulturellen und musikalischen<br />
Kontexten. Das Erstaunliche an allen Tagen ist: Man entdeckt im<br />
Hören Verb<strong>in</strong>dendes, sowohl <strong>in</strong> der Musik als auch bei den<br />
Künstlern – und im Kontrast erlebt man sich selbst als hörender<br />
Mensch. Die Musik dieser Tage lebt von der Klarheit der sie<br />
tragenden Struktur, die zugleich e<strong>in</strong>e enorme Reduktion des<br />
musikalischen Materials erlaubt und das Stille dieser Stücke (und<br />
seien sie noch so laut, an der Oberfläche) hörbar werden lässt.<br />
Auch bei den Musiker<strong>in</strong>nen und Musikern f<strong>in</strong>det sich Vergleich-<br />
bares: Trotz ihrer künstlerischen Herkunft aus so unterschiedlichen<br />
Kontexten ist ihnen allen e<strong>in</strong>e besondere Ruhe, Sammlung,<br />
Fokussierung und Konzentration anzumerken. Leises Sprechen über<br />
alle Tage h<strong>in</strong>weg, konzentriert auf die Musik – sei es nun Anton<br />
Webern, Helmut Lachenmann, John Cage, Bambusflötenmusik oder<br />
elektronische Noise-Musik. Hier war es zu Begegnungen unter-<br />
schiedlicher musikalischer Welten gekommen, die unvermutete<br />
Verb<strong>in</strong>dungen h<strong>in</strong>ter völlig verschiedenen musikalischen Oberflä-<br />
chen offenbarten.<br />
E<strong>in</strong>e mögliche Haltung<br />
E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>en Programmkontext im Konzertbetrieb, der<br />
Momente des Hörens ermöglicht hat, <strong>in</strong> denen man als Hörer die<br />
eigene Sensibilität und die eigene Offenheit unvermutet erleben<br />
konnte – angeregt durch die direkte Begegnung unterschiedlichster<br />
musikalischer Sprachen, alter und neuer. Solche besonders<br />
verdichteten, kostbaren Momente des Hörens zu ermöglichen, kann<br />
e<strong>in</strong> zentrales Ziel für die Gestaltung von Konzerten se<strong>in</strong>. Die<br />
Realisierung dieses Zieles freilich ist nicht immer planbar, nicht<br />
geplant e<strong>in</strong>lösbar – aber: Das Ziel def<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong>e mögliche Haltung<br />
gegenüber dem Konzertbetrieb.<br />
Da dieses Ziel letztlich aber immer nur <strong>in</strong> der Wahrnehmung jeder<br />
und jedes E<strong>in</strong>zelnen im Konzert Wirklichkeit werden kann, ist auch<br />
klar, wie komplex und fragil die Realisierung dieses möglichen<br />
Zieles <strong>in</strong> der Konzertpraxis ist, denn der Konzertbetrieb, dessen<br />
Planung und Realisierung ist vielen Variablen und E<strong>in</strong>flussgrößen<br />
ausgesetzt: Angefangen bei den sich begegnenden künstlerischen<br />
Werken, den <strong>in</strong>terpretierenden Künstlern, der Beschaffenheit des<br />
beherbergenden Raumes, den je <strong>in</strong>dividuellen Hörbiographien des<br />
Publikums bis h<strong>in</strong> zu den leitenden Motiven und dem imag<strong>in</strong>ativen<br />
Vermögen der Programmmacher.<br />
Also: kaum zu machen? Sicher nicht immer, aber: <strong>in</strong> jedem Falle an-<br />
zustreben und zu versuchen – als e<strong>in</strong>e Möglichkeit, im Konzertbe-<br />
trieb musikalische Räume zur Selbsterfahrung zu öffnen.<br />
Dieser Text ist e<strong>in</strong>e adaptierte Version e<strong>in</strong>es Essays von Stephan Pauly und<br />
Berno Odo Polzer im Dokumentationsband über das Festival „Dialoge“<br />
der Stiftung Mozarteum Salzburg, erschienen im Bärenreiter Verlag 2010
Mit Respekt vor Tradition:<br />
„Ich mache trotzdem me<strong>in</strong> Eigenes“<br />
<strong>Frankfurt</strong>s Generalmusikdirektor Sebastian Weigle im Interview<br />
Innovatives Arbeiten ist für ihn wie die Luft zum Atmen; Traditionen respektiert er, begegnet ihnen aber undogmatisch: Sebastian Weigle,<br />
Generalmusikdirektor der Oper <strong>Frankfurt</strong>, begeistert und lässt sich begeistern für künstlerische Ideen, mit denen es gel<strong>in</strong>gt, das Publikum zu<br />
berühren und sie zur Diskussion anzuregen. Nach der jüngsten „Meisters<strong>in</strong>ger“-Spielzeit <strong>in</strong> Bayreuth ist <strong>Frankfurt</strong>s „erster Musiker“ an se<strong>in</strong>en<br />
Schreibtisch im <strong>Frankfurt</strong>er Opernhaus zurückgekehrt und lässt uns an se<strong>in</strong>em Enthusiasmus für chronischen Entdeckergeist teilhaben.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Ihre letzte „Meisters<strong>in</strong>ger“-Vorstellung auf dem<br />
Grünen Hügel ist erst wenige Wochen her. Wie haben Sie <strong>in</strong><br />
Bayreuth das künstlerische Spannungsfeld zwischen Tradition und<br />
Innovation erlebt?<br />
Sebastian Weigle Als sehr <strong>in</strong>spirierend. Nichts ist wirklicherkeitsnäher<br />
als Kathar<strong>in</strong>a Wagners Inszenierung der „Meisters<strong>in</strong>ger“. Dar<strong>in</strong><br />
ist ihr gelungen, traditionelle Leute <strong>in</strong>novativ werden zu lassen und<br />
Innovative auf die Tradition zurückzuführen. Wagner als „public<br />
view<strong>in</strong>g“ und die K<strong>in</strong>der-Wagner-Opern waren für Bayreuth<br />
Innovation pur. Ich selbst brauche immer die Innovation, muss mich<br />
und me<strong>in</strong> Umfeld selbst ständig erneuern. Traditionen darf man<br />
bewahren, kann sie aber auch brechen. Ich respektiere Traditionen<br />
ohne Ende; aus dem, was war, s<strong>in</strong>d wir entstanden. Als Dirigent<br />
schaue ich jedoch immer nach vorn. Wenn mir bestimmte Anteile<br />
e<strong>in</strong>er Tradition nicht passen, speicher ich sie zwar für mich ab,<br />
mache aber trotzdem me<strong>in</strong> Eigenes.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie sehr ist der Spielplan der <strong>Frankfurt</strong>er Oper e<strong>in</strong><br />
Balanceakt zwischen Tradition und Innovation?<br />
Weigle Indendant Bernd Loebe hat e<strong>in</strong> Händchen dafür, zusammenzustellen,<br />
was zu uns passt. Da kann es vorkommen, dass wir<br />
„Hänsel und Gretel“ zehn Jahre nicht spielen und dafür e<strong>in</strong>ige<br />
„Nischenstücke“ Platz f<strong>in</strong>den. Wenn die 30 Prozent unseres<br />
Publikums gefallen, b<strong>in</strong> ich mit dieser Resonanz bereits zufrieden.<br />
E<strong>in</strong>e Serie „Traviata“ nehme ich gern wieder auf, wenn die Lesart <strong>in</strong><br />
der Regie entsprechend gut ist. Vergessen sollten wir auch nicht<br />
das Bockenheimer Depot als „Schatzkiste“ für so manche musikalische<br />
Kostbarkeit wie e<strong>in</strong>e Telemann-Barockoper. Ich b<strong>in</strong> überzeugt:<br />
Die Mischung macht es!<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie sehr sollte man bei Innovativem Rücksicht auf<br />
das Publikum nehmen?<br />
Weigle Als Zuschauer oder -hörer muss ich nicht immer alles verstehen.<br />
Spannend f<strong>in</strong>de ich, wenn das Präsentierte Fragen aufwirft,<br />
über die die Zuschauer anschließend mite<strong>in</strong>ander diskutieren.<br />
FiT Wie kann e<strong>in</strong>e Hochschule ihre späteren Absolventen optimal<br />
auf die Berufsrealität <strong>in</strong> Orchestern vorbereiten?<br />
Weigle Dies beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>er realistischen E<strong>in</strong>schätzung <strong>in</strong> den<br />
Köpfen der Professoren: Dort herrscht oft immer noch e<strong>in</strong>e Aversion<br />
gegen das Orchesterspiel im Studium mit dem Argument, dass<br />
darunter die Spieltechnik leide. Dem kann ich nur entgegnen: Dann<br />
geben Sie mehr Unterricht, bieten Sie mehr – und bessere – Technik<br />
an! Außerdem ist es e<strong>in</strong>e absolute Illusion, dass jeder Musiker <strong>in</strong><br />
der Hochschule e<strong>in</strong> Solist wird! Manche Orchesterstelle eignet sich<br />
übrigens vorzüglich als technische Übung – nehmen Sie nur die<br />
zweiten Geigen <strong>in</strong> Mozarts Figaro-Ouvertüre!<br />
FiT Sie waren selbst 15 Jahre Solo-Hornist im Orchester. Was<br />
empfehlen Sie angehenden Orchestermusikern?<br />
Weigle Macht Kammermusik, so viel wie möglich! Da habe ich<br />
selbst am meisten von profitiert.<br />
FiT Welche Er<strong>in</strong>nerungen verb<strong>in</strong>den Sie mit Ihrem Gastdirigat vor<br />
dem Hochschulorchester im Februar 2011?<br />
Weigle Das war e<strong>in</strong>e ganz harmonische Zusammenarbeit. Ich fand,<br />
dass die Literatur gut vorstudiert war, vor allem <strong>in</strong> der ungeheuer<br />
stabil und gut funktionierenden Bratschengruppe. Das verstehende<br />
Zuhören und das Aufe<strong>in</strong>ander-Hören stets e<strong>in</strong>zufordern, blieb<br />
ebenso e<strong>in</strong>e Aufgabe wie die Er<strong>in</strong>nerung, den Dirigenten ständig im<br />
Augenw<strong>in</strong>kel im Blick zu behalten. Me<strong>in</strong> Ziel ist immer: Jedes Orchester<br />
soll am Ende so gut kl<strong>in</strong>gen wie die Berl<strong>in</strong>er Philharmoniker.<br />
FiT Was denken Sie über die Pläne für den Kulturcampus<br />
Bockenheim?<br />
Weigle Die Idee ist gut, <strong>in</strong>nerhalb von kurzen Wegen kreative Kräfte<br />
an e<strong>in</strong>em Ort zu bündeln. Wenn man damit bessere Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Kunst schaffen kann, b<strong>in</strong> ich immer dafür. Und wenn<br />
mit genügend Geld vernünftig <strong>in</strong>vestiert wird, habe ich dagegen<br />
ke<strong>in</strong>erlei Ressentiments. bjh<br />
7
8<br />
Wege erarbeiten statt Fertiggerichte servieren<br />
Von den künstlerischen Prozessen im Spannungsfeld von Tradition und Innovation – die Professoren Angelika Merkle,<br />
Laura Ruiz Ferreres und Roland Glassl im Interview<br />
Junge Musiker müssen im richtigen Moment „funktionieren“, um<br />
weiterzukommen: beim Probespiel vor e<strong>in</strong>em Orchester und im<br />
Wettbewerb vor e<strong>in</strong>er Jury. Wieviel Tradition muss se<strong>in</strong> und wieviel<br />
Innovation ist erlaubt, um den Ansprüchen zu genügen? Dass diese<br />
Frage zu kurz greift, verdeutlicht das nachfolgende Interview mit<br />
den drei <strong>HfMDK</strong>-Instrumentalprofessoren Angelika Merkle (Klavierkammermusik),<br />
Laura Ruiz Ferreres (Klar<strong>in</strong>ette) und Roland Glassl<br />
(Bratsche): Wichtig ist nicht der perfekte „Handwerker“, sondern<br />
der reflektierte Musiker, der forschende Geist und die authentische<br />
Persönlichkeit.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Wie gel<strong>in</strong>gt es Ihnen, als Künstler und Lehrender<br />
gewachsene Traditionen s<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend zu vermitteln und zugleich <strong>in</strong>novativ<br />
zu se<strong>in</strong>?<br />
Prof. Roland Glassl Zunächst habe ich e<strong>in</strong> Problem mit der term<strong>in</strong>ologischen<br />
Trennung <strong>in</strong> unserem Aufgabenfeld: Die Begriffe Tradition<br />
und Innovation s<strong>in</strong>d für mich hier untrennbar mite<strong>in</strong>ander verbunden.<br />
Durch ihr Spannungsfeld entstehen doch erst unendliche<br />
künstlerische Prozesse. Andererseits bilden die beiden Begriffe für<br />
mich nicht die zwei Enden e<strong>in</strong>es Spektrums, sondern beide<br />
geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>en zirkulierenden und damit <strong>in</strong>spirierenden Kreislauf.<br />
Von l<strong>in</strong>ks nach rechts:<br />
Angelika Merkle ist Professor<strong>in</strong> für<br />
Klavierkammermusik<br />
Roland Glassl ist Professor für Bratsche<br />
und Ausbildungsdirektor<br />
Künstlerische Instrumentalausbildung.<br />
Laura Ruiz Ferreres ist Professor<strong>in</strong><br />
für Klar<strong>in</strong>ette.<br />
Ist nicht jeder Tradition <strong>in</strong> der Kunst e<strong>in</strong>e Innovation vorgeschaltet?<br />
Steht nicht zuerst e<strong>in</strong>e Vision, aus der sich e<strong>in</strong>e Invention und dann<br />
e<strong>in</strong>e Innovation entwickelt, welche eventuell irgendwann zur<br />
Tradition wird?<br />
Prof. Angelika Merkle Wir sollten wirklich zunächst klären, wie beide<br />
Begriffe zu verstehen s<strong>in</strong>d. Traditionen, die wir unreflektiert<br />
übernehmen und – der Def<strong>in</strong>ition gemäß – überliefern, laufen sich<br />
tot. Die Begriffe Tradition und Innovation brauchen e<strong>in</strong>e Brücke, die<br />
sie mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>det, und diese Brücke heißt für mich:<br />
Offenheit.<br />
Glassl Und e<strong>in</strong>e neue Wortschöpfung <strong>in</strong> der Mischung von beidem<br />
fällt mir auch schon e<strong>in</strong>: Tradovation!<br />
Merkle Es gibt doch immer wieder musikalisch zu entdeckende<br />
Neuheiten <strong>in</strong> komplexen Musikwerken, zum Beispiel kle<strong>in</strong>ste<br />
motivische Verflechtungen bei Schumann und Brahms. Um<br />
Tradition s<strong>in</strong>nvoll überlebensfähig zu machen, muss ich e<strong>in</strong>erseits<br />
e<strong>in</strong>en neugierigen Umgang mit dem Überlieferten suchen, andererseits<br />
Innovationen gegenüber offen se<strong>in</strong>. Das heißt: Das Vertraute
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 TRADITION und INNOVATION<br />
sollten wir e<strong>in</strong>er ständigen Prüfung unterziehen, um Gewohnheiten<br />
zu entfliehen. Ich denke auch, dass zeitgenössische Komponisten<br />
e<strong>in</strong> großes Wissensfundament von Traditionen benötigen, um<br />
wirklich etwas Innovatives zu schaffen. Wer Tradition überw<strong>in</strong>den<br />
will, muss sie gut kennen.<br />
FiT Traditionsbewusstse<strong>in</strong> als Fundament e<strong>in</strong>er soliden Ausbildung<br />
ist also e<strong>in</strong> Muss?<br />
Prof. Laura Ruiz Ferreres Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele<br />
Studierende aus dem Ausland gezielt e<strong>in</strong> Studium <strong>in</strong> Deutschland<br />
anstreben, weil sie hier viele musikalische Traditionen gezielt<br />
kennenlernen können, die ihnen woanders vielleicht verborgen<br />
bleiben. Auch ich schätze diese Möglichkeit, sich so auf das<br />
professionelle Musikleben vorbereiten zu können. Deutsche<br />
Tradition hat für Klar<strong>in</strong>ettisten ja e<strong>in</strong>e ganz besondere Bedeutung:<br />
Das deutsche System des Klar<strong>in</strong>ettespiels gilt als Pflichtsystem <strong>in</strong><br />
allen professionellen Orchestern und ist damit e<strong>in</strong>e Tradition, um<br />
die e<strong>in</strong> Profi-Klar<strong>in</strong>ettist nicht herum kommt.<br />
FiT Wie kann sich Innovation im täglichen Musizieren äußern?<br />
Merkle Nehmen wir die Kammermusik: Als im Ensemble Spielender<br />
ist es selbstverständlich, <strong>in</strong> jedem Moment wach zu agieren und zu<br />
reagieren, so kann im Konzert e<strong>in</strong>e zusätzliche Plattform für neue<br />
Ideen entstehen, Anregungen und Kritikpunkte für die nächste Pro-<br />
be liefern. Der Konzertsaal und das Publikum s<strong>in</strong>d ebenfalls variable<br />
Größen, aber auch veränderte Körperdispositionen und <strong>in</strong>terdiszipli-<br />
näre E<strong>in</strong>flüsse gehören dazu.<br />
Glassl Als Künstler muss ich mich doch ständig fragen, woher ich<br />
komme (Tradition) und woh<strong>in</strong> ich gehen will (Innovation). Wenn ich<br />
e<strong>in</strong>e dieser Fragen aufgebe, habe ich aufgehört, Künstler zu se<strong>in</strong>,<br />
denn nur durch das In-Frage-Stellen, durch permanente Selbstrefle-<br />
xion, aber stets mit fundiertem Wissen und Können, s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> der<br />
Lage, auf e<strong>in</strong> im Inneren leuchtendes Ziel h<strong>in</strong>zusteuern.<br />
Als Lehrender muss ich mir dessen bewusst se<strong>in</strong>, dass ich als<br />
Vermittler „handwerklicher“ Grundkenntnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er über<br />
Jahrhunderte gewachsenen Tradition stehe. Gleichzeitig aber ist<br />
Innovation gefragt, da wir auf jeden Studierenden <strong>in</strong>dividuell<br />
reagieren müssen, Ideen f<strong>in</strong>den müssen, welcher Weg hier der<br />
geeignete ist, um nicht nur das Handwerk gut zu vermitteln,<br />
sondern um Horizonte zu weiten, die Persönlichkeit zu stärken, den<br />
wissenschaftlichen und künstlerischen Anspruch der Studierenden<br />
zu erhöhen.<br />
Ruiz Ferreres Ich habe <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em bisherigen Musikerleben viele<br />
Jahre Zeit gehabt, beispielsweise „me<strong>in</strong>en“ Mozart zu f<strong>in</strong>den, eben<br />
die Art, wie ich se<strong>in</strong> Klar<strong>in</strong>ettenkonzert fühle. Dabei war es mir<br />
wichtig, e<strong>in</strong>e traditionsreiche Grundlage für die Entscheidung zu<br />
haben, wie Mozart bei mir kl<strong>in</strong>gen soll. Um dies herauszuf<strong>in</strong>den,<br />
war und ist mir der Kontakt mit historischen Instrumenten und<br />
traditionellen Klangfarben wichtig. Diese Basis bereichert mich<br />
ungeme<strong>in</strong>, me<strong>in</strong>en Mozart neu zu gestalten, ihm me<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividu-<br />
ellen Stempel zu geben.<br />
FiT Gibt es falsche Tradition und falsche Innovation?<br />
Glassl E<strong>in</strong>e „falsche Tradition“ kann entstehen, wenn ich unreflek-<br />
tiert Vorhandenes schlicht kopiere. E<strong>in</strong>e große Gefahr ist der<br />
jederzeit mögliche Zugriff auf alle möglichen Bild- und Tonträger.<br />
Me<strong>in</strong>en Studierenden rate ich – falls überhaupt noch möglich –, e<strong>in</strong><br />
neues Werk ganz unvore<strong>in</strong>genommen zu lesen, das Werk im<br />
Inneren entstehen und sich entfalten zu lassen, es künstlerisch zu<br />
verstehen und zu erlernen. Wenn dieser Prozess dann sehr weit<br />
fortgeschritten ist, dann kann es durchaus e<strong>in</strong>e wertvolle zusätz-<br />
liche Inspirationsquelle se<strong>in</strong>, sich Vergleichsaufnahmen anzuhören.<br />
Merkle Auf der anderen Seite kann es Innovation der Innovation<br />
willen geben, die unerträglich werden kann – nämlich dann, wenn<br />
e<strong>in</strong> Künstler se<strong>in</strong> Ego so über Werke kippt, dass das Werk kaum<br />
mehr erkennbar bleibt.<br />
Glassl Als Künstler sollen uns <strong>in</strong>novative Ideen bei der Interpretation<br />
beflügeln, um etwas auf den Moment bezogen E<strong>in</strong>maliges zu<br />
schaffen. Aber letztlich geht es nicht um uns; wir stehen nicht im<br />
Mittelpunkt, sondern s<strong>in</strong>d Vermittler, Botschafter der Musik.<br />
9
10 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Innovation ist für mich auch dann wenig erstrebenswert, wenn sie<br />
sich auf e<strong>in</strong>e Event- und Projektkultur beschränkt, bei dem <strong>in</strong>terdis-<br />
zipl<strong>in</strong>ärer Austausch ohne fundiertes handwerkliches Können, also<br />
ohne Bezug zur Basis stattf<strong>in</strong>det. Hat er jedoch e<strong>in</strong> hohes Niveau,<br />
kann daraus Wunderbares entstehen.<br />
Ruiz Ferreres Um noch e<strong>in</strong>mal auf Mozarts Klar<strong>in</strong>ettenkonzert<br />
zurückzukommen: In ihm schlummern beispielsweise viele<br />
traditionelle Symbole der Freimaurer. Als Lehrende bemühe ich<br />
mich, sie den Schülern nicht e<strong>in</strong>fach „vorzukauen“ – das wäre<br />
Tradition ohne <strong>in</strong>novative Impulse -, sondern sie selbst derlei<br />
entdecken zu lassen. Dabei ist mir die Freiheit der jungen Musiker<br />
das wichtigste. Ideen sollen von ihnen kommen, über die wir<br />
geme<strong>in</strong>sam diskutieren können – das ist me<strong>in</strong>es Erachtens e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>novatives Arbeiten.<br />
FiT Wie können die Hochschule und ihre Lehrenden Rahmenbed<strong>in</strong>-<br />
gungen schaffen, um ihre Sudierenden sowohl traditionsbewusst<br />
als auch <strong>in</strong>novativ zu fördern?<br />
Glassl Die <strong>HfMDK</strong> bietet dafür e<strong>in</strong> breites Angebotsspektrum, das<br />
es vor 20 Jahren so sicher nicht gegeben hat. Am auffälligsten<br />
f<strong>in</strong>det hier Innovation <strong>in</strong> den peripheren Angeboten statt, also<br />
solchen, die Studierende außerhalb ihres Pflichtkanons wahrneh-<br />
men können – seien es Projekte der Abteilung Historische Interpre-<br />
tationspraxis oder des Instituts für zeitgenössische Musik. Dabei<br />
s<strong>in</strong>d wir als Hauptfachlehrer gefordert, die Studierenden anzuleiten<br />
und zu motivieren, ihren Musizier-Horizont zum richtigen Zeitpunkt<br />
zu erweitern, ohne dass sie sich im Strudel der Möglichkeiten<br />
verlieren. Innovation entsteht im allgeme<strong>in</strong>en durch Reibungen –<br />
Not, Ängste und Scheitern. Wir müssen den Studierenden Raum<br />
lassen, aus derlei Reibungen neue Energie und Ideen zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Merkle Das setzt jedoch voraus, dass die Vertrauensbasis stimmt<br />
und Scheitern ke<strong>in</strong> Tabu ist. Nur dann kann daraus etwas Neues<br />
wachsen. Mir ist es wichtig, dass wir – Lehrende, Studierende und<br />
Zuhörer – das Staunen nicht verlieren. E<strong>in</strong> Problem des heutigen,<br />
gesättigten Musikbetriebes ist, dass oft Hörerwartungen bestätigt<br />
werden wollen, auf der anderen Seite alles nach Neuheiten – leider<br />
oft mehr durch geschicktes Market<strong>in</strong>g denn durch „wahrhaftige“<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung erzielt – lechzt. Für mich gibt es so etwas wie<br />
e<strong>in</strong>e „emotionale Innovation“: Das können <strong>in</strong>nerhalb des sogenann-<br />
ten traditionellen Repertoires radikale Schnittstellen bei Schubert<br />
oder auch gänzlich unvermutete harmonische Weichen bei Haydn<br />
se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> mir unvergessliches Erlebnis war e<strong>in</strong>e Aufführung von<br />
Mahlers 9. S<strong>in</strong>fonie unter Leonard Bernste<strong>in</strong>: Das Konzert h<strong>in</strong>terließ<br />
e<strong>in</strong>e so nachdrückliche Wirkung, wie ich es seitdem selten im<br />
Konzertsaal erleben durfte. Wie bezw<strong>in</strong>gend – vor allem im Schluß-<br />
satz hörbar – Musik im Verhältnis zur Zeit wirken kann. Es gab ke<strong>in</strong><br />
körperliches „Entziehen“. Allerd<strong>in</strong>gs ist dieser Glücksfall unabhän-<br />
gig von der Besetzung: Auch e<strong>in</strong>e gut gespielte Bachfuge kann<br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Achse vermitteln.<br />
Ruiz Ferreres Das s<strong>in</strong>d die spannendsten Momente, wenn Reakti-<br />
onen auf und zur Musik geradezu körperlich spürbar werden. Das<br />
sollten wir Lehrenden nicht vergessen, wenn wir unseren Studieren-<br />
den unterschiedliche musikalische Erfahrungen ermöglichen<br />
wollen: Der musikalische Charakter prägt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unterrichts-<br />
raum ganz anders aus als auf der Bühne e<strong>in</strong>es Saales. Wichtig ist<br />
mir, dass die jungen Musiker alle ihre S<strong>in</strong>ne beim Musizieren<br />
wecken und e<strong>in</strong>setzen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen:<br />
Immerh<strong>in</strong> gibt es auch schon Neu<strong>in</strong>szenierungen von Opern, <strong>in</strong><br />
denen Gerüche <strong>in</strong> Musik „h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>komponiert“ werden.
Arbeitsphasen mit dem Hochschulorchester gehören zum verpflichtenden<br />
Bestandteil der Ausbildung für angehende Orchestermusiker.<br />
FiT Bei aller Leidenschaft für <strong>in</strong>novativen Entdeckergeist im<br />
Studium: Was für angehende Orchestermusiker zählt, ist doch das<br />
„Funktionieren“ im Augenblick des Probespiels, um e<strong>in</strong>e Runde<br />
weiter zu kommenm, oder?<br />
Glassl Das ist, auf den Moment des Probespiels bezogen, wohl wahr<br />
– leider. Was am Ende zählt, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> gut gespieltes klassisches<br />
Konzert, e<strong>in</strong> sehr gut gespieltes romantisches Konzert und<br />
hervorragend gespielte Orchesterstellen. Aber der Weg dorth<strong>in</strong> ist<br />
doch das Entscheidende! Daran wachsen wir zu künstlerischen<br />
Persönlichkeiten, die sich schließlich der Situation Probespiel<br />
stellen können. Auch wenn dies sche<strong>in</strong>bar wenige Möglichkeiten<br />
für <strong>in</strong>novative Freiheiten lässt: Jeder soll sich auch im Probespiel als<br />
Musiker und Künstler präsentieren, wie er ist, denn die oft auftre-<br />
tenden Gedanken, wie dieses oder jenes Orchester mich vielleicht<br />
gerne hätte, s<strong>in</strong>d dann fehl am Platz und verfälschen das sonst<br />
vielleicht stimmige und positive Bild. Me<strong>in</strong>en Studierenden<br />
vermittle ich übrigens, dass es e<strong>in</strong> beidseitiges Probespiel ist –<br />
sowohl für den Kandidaten als auch für das Orchester, das ihn<br />
e<strong>in</strong>geladen hat.<br />
Ruiz Ferreres Bei allem Wissen darum, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Probespiel<br />
traditionell die üblichen Orchesterstellen und Solokonzerte zählen<br />
– e<strong>in</strong> Klar<strong>in</strong>ettist kommt üblicherweise um das besagte Mozartkon-<br />
zert nicht herum –, halte ich es für das schlechteste Pr<strong>in</strong>zip, im<br />
Laufe des Studiums nur auf diesen begrenzten Ausschnitt des<br />
eigenen Repertoires zu schielen. Ich b<strong>in</strong> überzeugt davon, dass<br />
Orchester nicht den perfekt „funktionierenden“ Klar<strong>in</strong>ettisten<br />
suchen, sondern jemanden, der als Künstler mit persönlicher Note<br />
<strong>in</strong>teressant ist, <strong>in</strong> diesem Fall vor allem als Solist. E<strong>in</strong>e solche<br />
Persönlichkeit entwickelt sich meist nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten Horizont<br />
sowohl im traditionellen Bewusstse<strong>in</strong> als auch mit <strong>in</strong>novativem<br />
Entdeckergeist.<br />
Merkle Was für die Streicher und Bläser das Probespiel darstellt, ist<br />
bei Pianisten und Kammermusikensembles die – leider manchmal<br />
schmalspurige – Vorbereitung auf spezielle Wettbewerbspro-<br />
gramme. Im Unterricht fragen die Studierenden mitunter, ob für die<br />
Jury gespielt werden sollte. Natürlich verne<strong>in</strong>e ich das, denn dies<br />
würde bedeuten, nicht mehr authentisch zu se<strong>in</strong>. Auch hier zählt es,<br />
sich <strong>in</strong> den Dienst der Musik zu stellen, sich Traditionen und<br />
Innovationen gegenüber offen zu zeigen, die eigene Persönlichkeit<br />
weiter zu entwickeln, das heißt um Stärken zu wissen, Schwächen<br />
ehrlich zu erkennen. Für mich als Lehrende heißt es konsequenter-<br />
weise: Ich möchte mit me<strong>in</strong>en Studierenden auf der Suche nach<br />
dem Warum Wege erarbeiten, ihnen aber eben ke<strong>in</strong>e Fertiggerichte<br />
servieren! bjh<br />
11
12 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Versuchsanordnung <strong>in</strong> der Ausbildung<br />
Im <strong>Frankfurt</strong> LAB profitierten auch <strong>HfMDK</strong>-Studierende von den künstlerischen Laborbed<strong>in</strong>gungen –<br />
die „Versuchsanordnung Ausbildung“ funktioniert<br />
Von Sab<strong>in</strong>e Stenzel. Die Fragen an Rose Beermann stellte Philipp Schulte<br />
Die wichtigsten staatlichen Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen <strong>in</strong> der Region<br />
haben bereits vor Jahren begonnen, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Netzwerk<br />
untere<strong>in</strong>ander zu flechten, aus dem unter anderem die Hessische<br />
Theaterakademie (HTA) entstehen konnte. Als Ausbildungsmodell<br />
ist die HTA zweifelsohne e<strong>in</strong> spannendes Beispiel für die Nutzung<br />
<strong>in</strong>novativer Strukturen und hebt sich damit von eher traditionell<br />
geprägten Studienverbünden deutlich ab. Den Studierenden der<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> werden hier <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Ausbil-<br />
dungsmodule und Praxiserfahrungen geboten, die sie bestens auf<br />
die beruflichen Realitäten <strong>in</strong> den zeitgenössischen Künsten<br />
vorbereiten.<br />
E<strong>in</strong> wichtiges Merkmal der HTA ist es, dass sie räumlich nicht<br />
e<strong>in</strong>deutig verortet werden kann, wenngleich ihr Sitz an der <strong>HfMDK</strong><br />
ist. Sie funktioniert ausschließlich als Netzwerk, das besonders<br />
flexibel agieren kann. Aber auch flexible Strukturen brauchen<br />
konkrete Orte. Für Studierende s<strong>in</strong>d es wertvolle Erfahrungen, wenn<br />
sie Produktionen mit Stadt- und Staatstheatern oder im Rahmen<br />
von Festivals, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em professionellen Theaterumfeld und mit<br />
str<strong>in</strong>genter Zeitplanung durchführen. Der Erfolgsdruck und die<br />
Notwendigkeit zur öffentlichen Aufführung können aber auch<br />
e<strong>in</strong>engen und begrenzen. Daher ist es für das Ausbildungskonzept<br />
der HTA so wichtig, auch unter Laborbed<strong>in</strong>gungen zu arbeiten. Nur<br />
so entsteht <strong>in</strong> der künstlerischen Produktion wirklich Innovatives.<br />
Hier setzt das <strong>Frankfurt</strong> LAB mit geräumigen und flexibel nutzbaren<br />
Probenräumlichkeiten <strong>in</strong> der Schmidtstraße an: Für die Avantgarde<br />
und heute mittlerweile alle <strong>in</strong>ternationalen Produktionsorte<br />
zeitgenössischer Kunst ist es mehr oder weniger e<strong>in</strong>e Selbstver-<br />
ständlichkeit, dass die verschiedenen künstlerischen Sparten<br />
mite<strong>in</strong>ander arbeiten; das LAB aber geht e<strong>in</strong>en Schritt weiter und<br />
macht die Begegnungen der unterschiedlichsten Akteure im LAB<br />
nicht nur denkbar, sondern zur geradezu bestimmenden Arbeits-<br />
grundlage. Es gibt e<strong>in</strong> Neben- und Mite<strong>in</strong>ander von etablierten<br />
Künstlern mit Studierenden; man stellt die Verb<strong>in</strong>dung zu den<br />
Nachbarn und zur Öffentlichkeit sicher und sucht den Dialog mit<br />
ihnen, lässt sie auch an den Arbeitsprozessen teilhaben. Die<br />
Arbeitsweise ist flexibel, transparent und unbürokratisch, Grenzen<br />
werden konsequent ignoriert. Die Räumlichkeiten haben Werk-<br />
stattatmosphäre, bieten aber auch den passenden Rahmen für<br />
öffentliche Aufführungen. Das LAB ist e<strong>in</strong> Ort, an dem die Experi-<br />
mente gewünscht s<strong>in</strong>d und die Möglichkeit zum Scheitern <strong>in</strong>be-<br />
griffen ist. Damit gibt das <strong>Frankfurt</strong> LAB den Studierenden Raum<br />
und vor allem Zeit an e<strong>in</strong>em Ort mit hervorragender räumlicher,<br />
technischer und organisatorischer Infrastruktur für die künstlerische<br />
Produktion – also genau das, was bis vor wenigen Jahren schmerz-<br />
lich vermisst wurde.<br />
Konkrete Beispiele für das <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeiten zwischen den<br />
Ensembles und den Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen im <strong>Frankfurt</strong> LAB gibt<br />
es zahlreiche, zum Beispiel die Diplom<strong>in</strong>szenierung „I never went<br />
South“ von Lea Letzel: Die Student<strong>in</strong> des Studiengangs Ange-<br />
wandte Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
erarbeitete über mehrere Wochen h<strong>in</strong>weg zusammen mit den<br />
Stipendiaten der Internationalen Ensemble Modern Akademie und<br />
unter künstlerischen Leitung des Ensemble Modern e<strong>in</strong> szenisches<br />
Konzert. Im <strong>Frankfurt</strong> LAB wurde e<strong>in</strong>e Vorpremiere gezeigt.<br />
Anschließend hatte die Student<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>en Monat Zeit, bevor das<br />
Stück für die Premiere im ZKM Karlsruhe endgültig fertig se<strong>in</strong> sollte.<br />
Auch Rose Beermann, Student<strong>in</strong> des Masterstudiengangs Choreo-<br />
graphie und Performance, nutzte die Möglichkeiten des <strong>Frankfurt</strong><br />
LAB zur E<strong>in</strong>studierung ihres Stückes „Velocity Pumps“, das<br />
schließlich im Juni auf der Studiobühne im <strong>Frankfurt</strong>er Künstler-<br />
haus Mousonturm Premiere feierte. Sie resümiert Erfahrungen: „Die<br />
Atmosphäre im LAB ist sehr angenehm, konzentriert und trotzdem<br />
entspannt. Die technische Ausstattung ist vollkommen ausreichend.<br />
Die Möglichkeit zu bekommen, Ideen umzusetzen und praktisch<br />
auszuprobieren, ist me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach das Wichtigste bei e<strong>in</strong>er<br />
künstlerischen Ausbildung. E<strong>in</strong> Recherchieren und Reflektieren<br />
kann niemals e<strong>in</strong> konkretes künstlerisches Umsetzen ersetzen, denn<br />
es funktioniert über e<strong>in</strong>e andere Logik. Es muss e<strong>in</strong>en Ort geben,<br />
an dem dies stattf<strong>in</strong>den kann. Dafür ist das <strong>Frankfurt</strong> LAB bestens<br />
geeignet.“
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 09/2 13<br />
Foto ganz l<strong>in</strong>ks:<br />
„Neurosen des White Cubes.<br />
Teil 1: Neonregister“,<br />
e<strong>in</strong> Konzert von Lea Letzel und<br />
Fabian Offert<br />
Foto: Lea Letzel<br />
großes Foto:<br />
„Archiv 1,336–1,337“<br />
Performance von und mit<br />
Hika & Valborg<br />
Foto: Jörg Baumann<br />
Foto oben:<br />
Szenisches Konzert des<br />
Ensemble Modern, <strong>in</strong>szeniert von<br />
Studierenden der HTA<br />
Foto: Walter Vorjohann<br />
Foto unten l<strong>in</strong>ks:<br />
ID_<strong>Frankfurt</strong> experiment im<br />
LAB – Work <strong>in</strong> Progress/Works<br />
<strong>in</strong> Words<br />
Foto: Woeishi Lean
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Durch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Vision erfolgreich:<br />
das Projekt „Orpheus“<br />
In der <strong>HfMDK</strong>-Gesangsabteilung gehört Team Teach<strong>in</strong>g mittlerweile zum Selbstverständnis der Ausbildung<br />
– Studierende und Lehrende profitieren gleichermaßen<br />
Von Hedwig Fassbender, Professor<strong>in</strong> für Gesang<br />
Fast e<strong>in</strong> Jahrzehnt hat es gedauert, bis sich aus der geme<strong>in</strong>samen<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>es neuen, logischen und praxisbezogenen Konzepts<br />
der Gesangsausbildung im Rahmen der Umstellung auf Bachelor/<br />
Master <strong>in</strong>nerhalb des Dozenten-Teams der Gesangsabteilung das<br />
„Orpheus-Projekt“ herauskristallisiert hat:<br />
„Orpheus auf neuen Wegen“ – Gesangsausbildung im Team<br />
Mit dem Orpheus-Projekt vertritt die <strong>Frankfurt</strong>er Gesangsabteilung<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Gesangsausbildung <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>maliges Konzept:<br />
Anhand von vier Grundsätzen baut sich e<strong>in</strong> logischer und neuge-<br />
dachter pädagogischer Ansatz auf und aus, leitet die Studierenden<br />
von Anfang des Studiums an, zu eigenständigen Künstlern zu<br />
werden, und macht sie fit für den späteren Berufsalltag.<br />
Die vier Grundsätze lauten:<br />
1. Dozenten lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />
2. Dozenten und Studierende lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />
3. Studierende lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />
4. Orpheus begleitet <strong>in</strong> den Beruf<br />
Durch diesen Denkansatz wird die hierarchische Struktur der<br />
Ausbildung aufgebrochen; es entsteht e<strong>in</strong>e Atmosphäre des<br />
kreativen Mite<strong>in</strong>anders von Lehrenden und Studierenden, die es<br />
den Studierenden ermöglicht, sich selbst- und berufsbewusst <strong>in</strong><br />
den Strukturen ihrer späteren Arbeitswelt zurecht zu f<strong>in</strong>den – vom<br />
ersten Vors<strong>in</strong>gen bis zum Theater- und Konzertalltag.<br />
1. Dozenten lernen von- und mite<strong>in</strong>ander –<br />
Team-Teach<strong>in</strong>g & Offener Unterricht<br />
Im Team-Teach<strong>in</strong>g besuchen die Dozenten regelmäßig gegenseitig<br />
die Unterrichte und unterrichten geme<strong>in</strong>sam:<br />
Solorepetitoren besuchen die Gesangsunterrichte, um der E<strong>in</strong>haltung<br />
angemessener Tempi, der Lösung technischer Probleme und<br />
der musikalischen Gestaltung geme<strong>in</strong>sam nachzugehen. Gesangsdozenten<br />
besuchen die Unterrichte im Fach Liedgestaltung, um<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
geme<strong>in</strong>sam die besonderen technischen und musikalischen<br />
Aspekte im Liedgesang zu beleuchten.<br />
Gesangsdozenten nehmen an e<strong>in</strong>er Gruppenstunde im Fach Atem<br />
und Bewegung teil, und die Dozent<strong>in</strong> für dieses Fach besucht<br />
wiederum regelmäßig die E<strong>in</strong>zelunterrichte im Fach Gesang, um<br />
den Gesangsdozenten e<strong>in</strong>e Hilfestellung bei der Behebung von<br />
Verspannungen und Haltungsproblemen der Studierenden zu<br />
geben. Die Sprecherzieher korrigieren die Sprechtexte und die<br />
Aussprache beim szenischen Unterricht, und die Gesangsdozenten<br />
besuchen die Szene, um sich darüber zu <strong>in</strong>formieren, wie die<br />
sängerische Technik <strong>in</strong> der Szene verlässlich implementiert werden<br />
kann.<br />
15<br />
Offener Unterricht Gesang<br />
Hier unterrichtet e<strong>in</strong> Gesangsdozent die Studierenden se<strong>in</strong>er Klasse,<br />
die anderen Gesangsstudierenden und Dozenten hospitieren.<br />
Danach verlassen alle Studierenden den Raum, und die Dozenten<br />
haben die Möglichkeit zum Austausch mit dem Ziel, die eigenen<br />
Methoden zu reflektieren. Besonders die offenen Unterrichte<br />
erfordern viel Mut seitens der Dozenten – es ist oft seit dem<br />
eigenen Studium das erste Mal, dass die Lehrleistung wieder <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Gespräch evaluiert wird!<br />
2. Dozenten und Studierende lernen von- und<br />
mite<strong>in</strong>ander – Geme<strong>in</strong>same Auftritte<br />
Auch die geme<strong>in</strong>samen Auftritte von Dozenten und Studierenden<br />
spiegeln das zentrale Anliegen des Orpheus-Projektes wider: Lernen<br />
von- und mite<strong>in</strong>ander s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserer Abteilung nicht hierarchisch,<br />
sondern <strong>in</strong>teraktiv def<strong>in</strong>iert.<br />
Mentorensystem<br />
Jeder Jahrgang hat se<strong>in</strong>e Mentor<strong>in</strong>/se<strong>in</strong>en Mentor. Diese s<strong>in</strong>d als<br />
Studienberater tätig, geben aber auch Anstöße für Konzert- oder<br />
Museumsbesuche.<br />
Während Mentorensysteme im universitären Kontext schon länger<br />
e<strong>in</strong>geführt s<strong>in</strong>d, ist das Mentorensystem im Orpheus-Projekt unter<br />
allen deutschen Musikhochschulen das e<strong>in</strong>zige se<strong>in</strong>er Art.
16 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
3. Studierende lernen von- und mite<strong>in</strong>ander<br />
Das gegenseitige aufmerksame Zuhören und Beobachten von<br />
Auftritten der Kommilitonen ist die beste Methode, die eigenen<br />
Auftritte vergleichend zu verbessern. Durch die von Dozenten und<br />
Studierenden gelebte Achtung vore<strong>in</strong>ander und dem zugleich<br />
extrem hohen professionellen Anspruch wird die stets strenge Kritik<br />
wertschätzend geäußert und bleibt konstruktiv.<br />
Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Regelmäßiges Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g bildet vom Anfang des Studiums an<br />
e<strong>in</strong>en curricularen Schwerpunkt. Wir unterscheiden hierbei vier<br />
unterschiedliche Vors<strong>in</strong>g-Situationen, die nache<strong>in</strong>ander erprobt<br />
werden und <strong>in</strong> denen die Studierenden aus dem Schutzraum des<br />
E<strong>in</strong>zel-Unterrichts zum sicheren öffentlichen Auftritt außerhalb der<br />
Hochschule geführt werden.<br />
Klassenstunde<br />
Hier s<strong>in</strong>gen die Studierenden vor den Kommilitonen derselben<br />
Klasse. Jeder Gesangsdozent hält Klassenstunden ab, die Häufig-<br />
keit variiert je nach Klasse zwischen e<strong>in</strong>mal wöchentlich bis zu<br />
e<strong>in</strong>mal monatlich. Diese Klassenstunden s<strong>in</strong>d dem jeweiligen<br />
Lehrenden und se<strong>in</strong>er Klasse vorbehalten.<br />
Lunchtime-Konzerte<br />
Diese Konzerte s<strong>in</strong>d zugänglich für Lehrende und Studierende des<br />
Fachbereichs «Darstellende Kunst. Die Lunchtime-Konzerte werden<br />
auf Video aufgezeichnet, und jeder Studierende erhält se<strong>in</strong>en<br />
Ausschnitt des Konzerts zur Lernkontrolle.<br />
Öffentliche Hochschul-Konzerte/Szenenabende<br />
Hier f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e öffentlich zugängliche Vors<strong>in</strong>g-Situation im<br />
Rahmen von vier Konzerten und zwei Szenenabenden pro Studien-<br />
jahr im bekannten Rahmen statt.<br />
Öffentliche Konzerte/Operngastspiele außerhalb<br />
der Hochschule<br />
Hier wird jenen Studierenden e<strong>in</strong>e Auftrittsmöglichkeit gegeben, die<br />
sich im Rahmen der anderen Auftritts-Situationen bereits bewährt<br />
haben. Sie f<strong>in</strong>den im Rahmen von eigenen Produktionen statt, <strong>in</strong><br />
Kooperation mit den Theatern der Hessischen Theaterakademie<br />
(HTA), oder aber sie werden von der der <strong>HfMDK</strong> angeschlossenen<br />
Künstlerbörse vermittelt.<br />
4. Orpheus begleitet <strong>in</strong> den Beruf – Aufbau Netzwerk –<br />
Die Professionalisierungswoche<br />
Unter der Anleitung von Annette Berg (www.kultur-kompetentcoachen.de)<br />
veranstaltet die Abteilung seit drei Jahren vor dem<br />
jährlichen Intendantenvors<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>en Intensivkurs, <strong>in</strong> dem<br />
theoretisches Wissen über Theatersysteme <strong>in</strong> Deutschland und<br />
Europa, versicherungstechnische Fragen, Umgang mit Agenturen<br />
etc. vermittelt werden. Darüber h<strong>in</strong>aus f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel- und<br />
Gruppensitzungen e<strong>in</strong> Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Pianisten und Videodokumentation<br />
statt.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 Ich erfahre als Studierende die vorbehaltlose 17<br />
„Vielen Dank ... für die professionelle Vorbereitung und<br />
Präsentation, aber auch für das wichtige und <strong>in</strong>teressante<br />
anschließende Gespräch und den Austausch!<br />
Ich f<strong>in</strong>de Ihr Engagement für die Studierenden e<strong>in</strong>fach super!“<br />
Axel Mendrok, ZAV-Künstlervermittlung<br />
Vors<strong>in</strong>gen für Opern- und Konzert-Engagements<br />
Um den Studierenden die Kontakte <strong>in</strong>s Berufsleben zu erleichtern,<br />
veranstalten wir jährlich e<strong>in</strong> Vors<strong>in</strong>gen für Intendanten, Operndirektoren<br />
und namhafte <strong>in</strong>ternationale Agenturen sowie e<strong>in</strong> Vors<strong>in</strong>gen<br />
für Kantoren und Kirchenmusikdirektoren.<br />
Teilspielzeitverträge und Stückverträge<br />
Im Rahmen der Master-Ausbildung haben wir <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit<br />
mit den Häusern der Hessischen Theaterakademie e<strong>in</strong> Modell<br />
entwickelt, welches den Studierenden ermöglicht, e<strong>in</strong>en Teil der<br />
Master-Ausbildung im Rahmen e<strong>in</strong>es Teilspielzeit-Vertrages <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em der HTA-Theater zu absolvieren.<br />
Darüber bietet sich durch die hohe Zahl der Kooperationspartner<br />
und die hervorragende Qualität der an der <strong>HfMDK</strong> ausgebildeten<br />
SängerInnen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>drucksvolle Anzahl an Gast-Engagements im<br />
In- und Ausland.<br />
Produktionen<br />
Neben den regelmäßig stattf<strong>in</strong>denden öffentlichen Szeneabenden<br />
zum Semesterende f<strong>in</strong>den eigene Produktionen, zum Teil <strong>in</strong><br />
Koproduktion mit anderen Ausbildungsstätten der HTA, sowie<br />
Produktionen <strong>in</strong> Kooperation mit anderen Theatern statt.<br />
Unser Fazit: Das <strong>Frankfurt</strong>er Orpheus-Projekt zeichnet sich dadurch<br />
aus, dass hoch motivierte und fachlich kompetente Dozenten mit<br />
e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Vision das <strong>in</strong>dividuelle berufliche Image der<br />
Studierenden profilieren und ihnen so e<strong>in</strong>en ganz persönlichen Weg<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> erfolgreiches Berufsleben ebnen.<br />
Durch die vielfältigen Kontakte der Gesangsabteilung zu Opernhäusern,<br />
Festivals und Agenturen erhalten die Studierenden zahlreiche<br />
Auftrittsmöglichkeiten und können sich schon während des<br />
Studiums ihr eigenes künstlerisches Netzwerk aufbauen, das<br />
notwendige Grundlage e<strong>in</strong>er erfolgreichen Berufskarriere als<br />
Opern- und Konzertsänger ist.<br />
Das Feedback und die Engagements unserer Studierenden belegen<br />
e<strong>in</strong>drucksvoll, dass sich der im Orpheus-Projekt beschrittene Weg<br />
lohnt und sowohl qualitativ als auch emotional gestärkte Studierende<br />
hervorbr<strong>in</strong>gt. Die hervorragenden Ergebnisse und die ganz<br />
besondere Arbeitsweise haben sich herumgesprochen: Die <strong>HfMDK</strong><br />
entwickelt sich dank des Orpheus-Projektes zu e<strong>in</strong>er der führenden<br />
Adressen der Gesangsausbildung <strong>in</strong> Europa.<br />
Unterstützung wirklich aller Lehrenden, die<br />
nicht nur an der Hochschule ihre Arbeit tun,<br />
sondern für sie leben.<br />
Kateryna Kasper,<br />
11. Semester Gesang<br />
So sehe ich e<strong>in</strong>en der größten Vorteile des<br />
Gesangsstudiums <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> im Vergleich zu<br />
anderen Deutschen Musikhochschulen dar<strong>in</strong>,<br />
dass wir hier vielerlei Möglichkeiten geboten<br />
bekommen, uns auf das „wahre Leben“ nach<br />
dem Studium vorzubereiten und ausprobieren<br />
zu können.<br />
Sören Richter, Studierendenvertreter<br />
11. Semester Gesang<br />
Durch den offenen Unterricht, den die Leh-<br />
renden regelmäßig veranstalten, lernen wir die<br />
unterschiedlichen Wege des Lehrens kennen,<br />
was für unsere Entwicklung enorm wichtig ist.<br />
Ich habe das Glück, hier an der <strong>HfMDK</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong>/Ma<strong>in</strong> studieren zu dürfen, e<strong>in</strong>er<br />
Hochschule, an der man als Persönlichkeit<br />
mit se<strong>in</strong>en Stärken und trotz se<strong>in</strong>er Schwächen<br />
ernst genommen und gefördert wird!<br />
Nohad Becker, Konzertsänger<strong>in</strong><br />
Abschluss 2011<br />
Durch ihre Vielzahl an externen Projekten und<br />
Konzerten schafft die Gesangsabteilung der<br />
<strong>HfMDK</strong> den Studenten die Möglichkeit, sich<br />
auch außerhalb der Hochschule e<strong>in</strong>em breiten<br />
Publikum vorzustellen und Bühnenerfahrung<br />
zu sammeln.<br />
Désirée Hall, Gesang, Abschluss Juli 2011,<br />
jetzt Aufbaustudiengang Zeitgenössische<br />
Musik <strong>in</strong> Basel<br />
Neben dem sehr hohen Niveau der stimmtech-<br />
nischen Ausbildung kommen qualitativ sehr<br />
hochwertige Unterrichte <strong>in</strong> Fächern wie<br />
Korrepetition, Partienstudium und szenisches<br />
Studium h<strong>in</strong>zu.<br />
St<strong>in</strong>e Fischer, 11. Semester Gesang<br />
Hier versucht man geme<strong>in</strong>sam Wege zu f<strong>in</strong>den,<br />
um möglichst alle Studenten auf dem be-<br />
schwerlichen Weg zum professionellen Sänger<br />
zu begleiten.<br />
Lisa Rothländer, Studentenvertreter<strong>in</strong><br />
11. Semester Gesang
18 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Instrumentalpädagogik<br />
zwischen Tradition und Innovation<br />
Von Prof. em. Gerhard Mantel<br />
Die beiden Begriffe Tradition und Innovation sche<strong>in</strong>en zwei<br />
entgegengesetzten Blickrichtungen zu entsprechen: Tradition blickt<br />
auf die Vergangenheit, Innovation auf Gegenwart und Zukunft. Es<br />
erhebt sich allerd<strong>in</strong>gs die Frage, ob e<strong>in</strong>e solche vere<strong>in</strong>fachte<br />
Zuordnung zutrifft: Lässt sich Instrumentalpädagogik durch e<strong>in</strong><br />
solches Schema beschreiben oder gar bewerten? Beide Blickrichtungen<br />
s<strong>in</strong>d für sich schon außerordentlich ambivalent und werden<br />
häufig kontrovers diskutiert. Der Satz „das habe ich noch nie<br />
gehört“ kann je nach Sprachmelodie und Mimik äußerste Zustimmung<br />
oder tiefste Verachtung ausdrücken.<br />
Tradition<br />
Betrachten wir den Begriff der Tradition. Man mag zunächst geneigt<br />
se<strong>in</strong>, Tradition als etwas Altes, Überwundenes, heutigen Maßstäben<br />
nicht mehr Entsprechendes zu betrachten. Das hat e<strong>in</strong>erseits se<strong>in</strong>e<br />
Berechtigung, wenn man beobachtet, wie mancher Pädagoge <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Unterricht e<strong>in</strong>fach se<strong>in</strong>en methodischen Werdegang<br />
unkritisch wiederholt: Aus mir ist etwas geworden; also kann die<br />
dem zugrundeliegende Pädagogik nicht falsch gewesen se<strong>in</strong>.<br />
Deshalb bleibe ich auch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em eigenen Unterricht bei dieser<br />
erfolgreichen Methode.<br />
Andererseits vermittelt Tradition Orientierung, das Gefühl von<br />
Sicherheit: Jede Innovation beruht auf Tradition. Ohne Kenntnis der<br />
Tradition habe ich ke<strong>in</strong>e Vergleichsgröße <strong>in</strong> Bezug auf irgende<strong>in</strong>e<br />
Innovation. Und offensichtlich haben Künstler mit traditionellen<br />
Methoden immer schon Außerordentliches und Bewundernswertes<br />
geleistet. So könnte man paradox sagen, Innovation fängt bei der<br />
Kenntnis der Tradition an. Für die Praxis kann man sogar noch e<strong>in</strong>en<br />
Schritt weiter gehen und fragen: Wenn es an der Kenntnis der<br />
Tradition fehlt, lässt sich dann überhaupt etwas s<strong>in</strong>nvoll Innovatives<br />
erzeugen?<br />
Wie hat Mozart, wie hat Bach geübt? Auch die größten Meister<br />
müssen zu irgende<strong>in</strong>er Phase ihres Lebens sehr viel geübt haben,<br />
oder waren sie wirklich „nur“ so begabt, dass sie dies nicht<br />
brauchten? Wenn uns ke<strong>in</strong>e detaillierten pädagogischen, durch<br />
Reflexion erworbenen E<strong>in</strong>flussgrößen zur Verfügung stehen,<br />
Rechts:<br />
Lehramtsstudent<strong>in</strong> Theresa Lechthaler im<br />
Unterricht bei Vladislav Brunner.<br />
Unten:<br />
Allen Jacobson im Schnupperunterricht<br />
beim „Infotag für Schulmusikstudierende“.<br />
weichen wir, traditionsgemäß, gerne auf Begriffe wie Begabung,<br />
Genie, Intuition, Inspiration, Talent aus, ohne zu fragen, wo genau<br />
eigentlich Unterschiede <strong>in</strong> den Lernmethoden und deren Resultaten<br />
liegen.<br />
Wir sehen aus diesen Fragestellungen, dass der Rückgriff auf die<br />
Tradition uns ke<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlichen Verhaltensweisen vermitteln kann,<br />
die für jeden noch so ambitionierten jungen Musiker zuträfen. Tradition<br />
kann sowohl als Lernbasis als auch als Lernh<strong>in</strong>dernis ersche<strong>in</strong>en.<br />
Andererseits f<strong>in</strong>den wir auch auf der Suche nach <strong>in</strong>strumentalpädagogischer<br />
Innovation manchmal e<strong>in</strong>e unangemessene Fortschrittsgläubigkeit,<br />
die sich <strong>in</strong> diversen „Schulen“ oder „Techniken“<br />
offenbart, manchmal bis h<strong>in</strong> zu sektiererischen absoluten Wahrheitsansprüchen.<br />
Wo e<strong>in</strong>e absolute Wahrheit „droht“, sollte man<br />
sich darüber klar se<strong>in</strong>, dass vieles, was sich als absolut „richtig“<br />
ausgibt, lediglich e<strong>in</strong> bestimmter Blickw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es Lehrers se<strong>in</strong><br />
kann. Vielleicht ist es nur das Ergebnis se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen<br />
Lernbiographie oder sogar der se<strong>in</strong>es Lehrers. Es muss ke<strong>in</strong>eswegs<br />
unbed<strong>in</strong>gt auf den e<strong>in</strong>zelnen anwendbar se<strong>in</strong>. Menschen s<strong>in</strong>d so<br />
verschieden, dass manches, was für den e<strong>in</strong>en gilt, dem anderen<br />
geradezu schadet. H<strong>in</strong>zu kommt, dass manches, was für e<strong>in</strong><br />
bestimmtes Alter, für e<strong>in</strong>e bestimmte Lernphase gilt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
anderen Lernphase h<strong>in</strong>derlich se<strong>in</strong> kann.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Innovation<br />
E<strong>in</strong> Musiker kann sich fragen: Was wäre aus mir geworden mit<br />
e<strong>in</strong>er für mich ganz persönlich besseren, „maßgeschneiderten“,<br />
<strong>in</strong>novativeren Instrumentalpädagogik? Welche zusätzlichen<br />
E<strong>in</strong>flüsse haben den „erfolgreichen“ Instrumentalisten geprägt wie<br />
Elternhaus, Freunde, Kammermusik, Gelegenheit zu Aufführungen,<br />
Bewertungen, auch Druck – oder gerade Abwesenheit von Druck.<br />
Das Thema Druck kann als Beispiel dienen: Man hört und liest<br />
heute überall, dass man nur ohne Druck, locker, spielerisch,<br />
„<strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch motiviert“, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand des Glücks richtig lernen<br />
kann. Kommt das Glück („Flow“) vor dem Üben, beim Üben, durch<br />
das Üben, nach dem Üben, trotz des Übens? Was hat es mit den<br />
grausamen Details <strong>in</strong> Biographien von Menuh<strong>in</strong> und Lang Lang auf<br />
sich, die unter dem Druck – fast – zerbrochen s<strong>in</strong>d? Wie kommt es<br />
(ich habe es selbst erlebt), dass „schwärzeste“ Pädagogik ohne<br />
jede methodische Hilfe <strong>in</strong> manchen Fällen hervorragende Resultate<br />
erzielt? Survival of the fittest? Ehrgeiz? Konkurrenz? Oder e<strong>in</strong>fach<br />
Begabung? Widerstand als Kraftquelle? Diszipl<strong>in</strong> als Teil des<br />
Selbstkonzepts? Gehorsam und Familienehre? S<strong>in</strong>d es vielleicht<br />
sogar Eigenschaften oder E<strong>in</strong>flüsse, die mit Musik gar nichts zu tun<br />
haben? Lassen sich solche E<strong>in</strong>flüsse def<strong>in</strong>ieren und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>novative Strategie ummünzen? Offene Fragen, die durchaus noch<br />
<strong>in</strong>novative Forschung brauchen.<br />
Kybernetik <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik<br />
E<strong>in</strong> echter Paradigmenwechsel <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik ist die<br />
Erkenntnis, dass jede pädagogische oder übebed<strong>in</strong>gte „Maßnahme“<br />
nicht monokausal, sondern kybernetisch angelegt ist. Monokausal<br />
hieße: Wenn du dies machst, geschieht das. Kybernetisch h<strong>in</strong>gegen<br />
heißt: Wenn du dies machst, br<strong>in</strong>gt dich das, was dann geschieht,<br />
dazu, etwas Drittes, vielleicht Neues, vielleicht sogar Unbekanntes<br />
zu machen, und dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weitgehend unbewussten, aber<br />
immer aktiven Kreislauf. Daraus folgt zw<strong>in</strong>gend, dass auch durch<br />
Reflexion erworbene E<strong>in</strong>sichten sich rückwirkend auf den unbe-<br />
wussten, <strong>in</strong>tuitiven Bereich unseres Tuns auswirken.<br />
Wenn wir von Innovation sprechen, erhebt sich die Frage, auf<br />
welchem Parameter, unter welchem Aspekt etwas Neues wirksam<br />
se<strong>in</strong> kann. Hier geht es nicht mehr um den unbewussten Rekurs auf<br />
me<strong>in</strong>e Begabung, sondern um scharfe Beobachtung, um die Suche<br />
nach Regeln und Begründungen, um die Entdeckung möglicher<br />
Verallgeme<strong>in</strong>erungen, um Transfer, um Handhabbarkeit von<br />
künstlerischen Parametern und um das Wissen von deren Wir-<br />
kungen. Sogar Mozart muss so gedacht haben, wenn er schreibt<br />
„Die Leute sollen we<strong>in</strong>en, nicht ich“!<br />
Überspitzt ausgedrückt: Wenn Tradition mit Begriffen wie Talent<br />
und Begabung arbeitet, sollte Innovation sich schwerpunktartig<br />
mehr um Reflexion bemühen. Natürlich können neue E<strong>in</strong>sichten<br />
auch <strong>in</strong>tuitiv erworben werden, aber ihre pädagogische Verfügbar-<br />
keit erfordert Reflexion: So kann <strong>in</strong>strumentalpädagogische<br />
Innovation entstehen.<br />
Innovative Instrumentalpädagogik muss sich also mit der Frage<br />
beschäftigen: Wie entstehen diese Wirkungen, wor<strong>in</strong> bestehen sie<br />
überhaupt, kann ich sie bee<strong>in</strong>flussen, kann ich sie anderen<br />
vermitteln, welche Voraussetzungen kann ich schaffen, welche<br />
Methoden gibt es, welche kann ich erf<strong>in</strong>den? Statt traditionell zu<br />
fragen, wie begabt jemand ist, stünde <strong>in</strong>novativ die Frage: Wie<br />
begabe ich als Lehrer jemanden? Vielleicht gibt es sogar traditio-<br />
nelle Methoden, die ich nur wieder neu entdecken muss?<br />
In diesen Zusammenhang fällt auch die Tatsache, dass jeder<br />
Übeprozess e<strong>in</strong> Entwicklungsprozess ist, und zwar sowohl <strong>in</strong> Bezug<br />
auf kurzfristige Problemlösungen als auch auf langfristige Persön-<br />
lichkeitsentwicklung. Hier taucht die Frage auf, welche Rolle <strong>in</strong><br />
beiden Fällen der Zeitaufwand und mit ihm die Geduld e<strong>in</strong>es<br />
Spielers spielt: Wie viel Zeit ist zur Lösung e<strong>in</strong>er zu def<strong>in</strong>ierenden<br />
Aufgabe erforderlich? In welchem Bereich spielt sich die Zahl von<br />
Wiederholungen ab? Welche Konsequenzen hat die Beantwortung<br />
solcher Fragen auf das Selbstkonzept e<strong>in</strong>es Musikers?<br />
19
20 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Auf allen diesen Überlegungen folgt für e<strong>in</strong>e Institution wie e<strong>in</strong>e<br />
Musikhochschule zw<strong>in</strong>gend: So wichtig die Förderung außerge-<br />
wöhnlicher Talente ist, als unverzichtbarer Nachweis für das<br />
angestrebte und erreichte künstlerische Niveau – die „künstlerisch-<br />
wissenschaftliche“ Innovation entsteht nicht so sehr durch den<br />
Blick auf Begriffe wie Begabung und Intuition, sondern durch<br />
Reflexion und Forschung. Hier gibt es Nachholbedarf, vielleicht<br />
sogar e<strong>in</strong> Umdenken, denn die Leistung e<strong>in</strong>er Spitzenbegabung ist<br />
natürlich immer spektakulärer als e<strong>in</strong>e auch noch so fundamentale<br />
neue methodische Erkenntnis (Anmerkung: Auch Spitzenbega-<br />
bungen profitieren von neuen methodischen Erkenntnissen!).<br />
Innovation <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik<br />
Hier seien nun zusammenfassend e<strong>in</strong> paar Aspekte genannt, die der<br />
Innovation, dem Fortschritt <strong>in</strong> der Instrumentalpädagogik, dienen<br />
können:<br />
1. Wie schon angedeutet, gibt es Wirkungszusammenhänge, die<br />
auch für denjenigen gelten, der davon ke<strong>in</strong>e Ahnung hat. Sie haben<br />
schon immer zum Menschen gehört und s<strong>in</strong>d unabhängig von<br />
pädagogischen, stilistischen oder sonstigen Traditionen a priori<br />
wirksam. Alle Bereiche (körperlich-emotional-mental) s<strong>in</strong>d aufs<br />
Innigste mite<strong>in</strong>ander kybernetisch vernetzt. Mit dieser E<strong>in</strong>sicht<br />
können wir Übemethoden schaffen und verstehen, die sche<strong>in</strong>bar<br />
unzusammenhängende Bereiche des Körpers mite<strong>in</strong>ander verknüp-<br />
fen oder die sogar emotionale Bef<strong>in</strong>dlichkeiten mit körperlichen<br />
Aktivitäten oder Zuständen verb<strong>in</strong>den. Als Beispiel: Ausdrucksbe-<br />
wegungen generieren Ausdruck, denn jede Bewegung hat auch e<strong>in</strong>e<br />
Empf<strong>in</strong>dungskomponente. Als Symbol für solche geheimnisvollen<br />
Vernetzungen könnte hier e<strong>in</strong> aus mehreren Achsen bestehendes<br />
Mobile dienen: Wo immer ich es berühre, ändert sich das ganze<br />
Gebilde, nicht nur die gerade berührte Achse.<br />
2. Raum für Fortschritt gäbe es auch <strong>in</strong> der Kenntnis von re<strong>in</strong><br />
physikalischen Sachverhalten. Im Streicherbereich z. B. grassieren<br />
immer noch Jahrhunderte alte Vorstellungen, die zwar plausibel<br />
kl<strong>in</strong>gen, aber nachweislich falsch s<strong>in</strong>d. Die falsche Vorstellung e<strong>in</strong>es<br />
physikalischen Sachverhalts erzeugt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>adäquate körperliche<br />
Reaktion beim Spieler, die, negativ kybernetisch vernetzt, als<br />
emotionale oder mentale Störung auftreten kann.<br />
3. E<strong>in</strong> entscheidender Aspekt bei dem, was wir als Innovation<br />
bezeichnen können, ist auch der ganze Bereich der Unterrichtskom-<br />
munikation. Noch zu häufig ersche<strong>in</strong>t das Verhältnis Lehrer/Schüler<br />
als E<strong>in</strong>bahnstraße, ja sogar als „Machtgefälle“, wo doch neben<br />
<strong>in</strong>dividuellen Erfahrungen e<strong>in</strong>deutige wissenschaftliche Befunde<br />
darüber zur Verfügung stehen, dass es sich beim Unterricht um e<strong>in</strong><br />
System handelt, dessen Beteiligte sich wechselseitig bee<strong>in</strong>flussen.<br />
E<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>sicht kann e<strong>in</strong>en Lehrer dann zu der konstruktiven<br />
Frage br<strong>in</strong>gen: „Was muss ich auf der Suche nach e<strong>in</strong>er Problemlö-<br />
sung bei mir selbst ändern“, anstatt: „Was muss der Schüler tun,<br />
damit er me<strong>in</strong>en Vorstellungen entspricht?“<br />
4. Auch die Lernpsychologie hat noch nicht überall E<strong>in</strong>lass<br />
gefunden und bietet Spielraum für <strong>in</strong>strumentalpädagogische<br />
Innovation: Welches s<strong>in</strong>d optimale Lernbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten Studierenden, wo liegen Störungen vor, wo s<strong>in</strong>d die<br />
Grenzen und Möglichkeiten unserer Aufmerksamkeit, wie ändern sie<br />
sich im Laufe des Lebens?<br />
5. Ebenso harrt der methodische Bereich im Instrumentalunterricht<br />
noch auf so manche Innovation: Welche Strategie habe ich zur<br />
Verfügung, um e<strong>in</strong> Problem zu lösen? Gibt es vielleicht sogar e<strong>in</strong>e<br />
Strategie zur Erf<strong>in</strong>dung von Methoden? Um e<strong>in</strong> Problem, e<strong>in</strong>en<br />
Parameter bearbeiten zu können, muss ich ihn – verbal oder<br />
non-verbal – def<strong>in</strong>ieren können (Dass jede Wiederholung naturge-<br />
mäß mit e<strong>in</strong>er Bewertung verknüpft wird, ist selbstverständlich).<br />
So gesehen, bedeutet Innovation auf dem Feld der Instrumentalpä-<br />
dagogik nichts anderes als e<strong>in</strong>e Verbreiterung des Angebots von<br />
<strong>in</strong>dividuellen Entwicklungsmöglichkeiten für jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />
Lernenden.<br />
Wohl verstanden, kann der spannende Diskurs zwischen Tradition<br />
und Innovation als Quelle von <strong>in</strong>spirierenden Informationen und<br />
Anregungen gesehen werden, durch welche künstlerische Arbeit<br />
S<strong>in</strong>n und Richtung erfährt.<br />
L<strong>in</strong>ks:<br />
Meisterkurs mit Ferenc Rados im Kle<strong>in</strong>en Saal der <strong>HfMDK</strong>.
Foto: Kronberg Academy, Andreas Malkmus<br />
GFF<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 21<br />
Gesellschaft der Freunde<br />
und Förderer der<br />
Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst<br />
<strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Seit 2007 gibt es die Gesellschaft der Freunde und Förderer der<br />
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am<br />
Ma<strong>in</strong> e.V. Die Freunde und Förderer engagieren sich für optimale<br />
Studienbed<strong>in</strong>gungen und mehr Spielraum für junge begabte<br />
und leidenschaftliche Künstler<strong>in</strong>nen und Künstler.<br />
Sie fördern große Opernproduktionen, Stipendien für talentierte<br />
Studienanfänger oder für ausländische Studierende, hochklassige<br />
Abschlusskonzerte, Gastprofessuren, Arbeitsphasen mit renom-<br />
mierten Dirigenten, Mentaltra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, Instrumental-, Tanz- und<br />
Gesangsworkshops, den Kauf besonderer Instrumente und mehr.<br />
Als Mitglied im Fördervere<strong>in</strong> genießen Sie viele exklusive Angebote.<br />
Vor allem aber haben Sie teil an der Entwicklung der Hochschule<br />
für Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />
der besten Hochschulen für Musik, Theater und Tanz im nationalen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Vergleich. Werden auch Sie Freund und<br />
Förderer – wir freuen uns auf Sie!<br />
Kontakt<br />
Beate Eichenberg<br />
Telefon 069 154 007 137<br />
<strong>in</strong>fo@hfmdk-freunde.de<br />
www.hfmdk-freunde.de<br />
Spendenkonto Nr. 80 65 070<br />
bei der Deutschen Bank <strong>Frankfurt</strong>,<br />
Bankleitzahl 500 700 24
22 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Unten und rechte Seite:<br />
„Geschw<strong>in</strong>de, ihr wirbelnden<br />
W<strong>in</strong>de“ – diese weltliche<br />
Kantate von Johann Sebastian<br />
Bach g<strong>in</strong>g im Großen Saal als<br />
von Stefan Bastians<br />
durch<strong>in</strong>szeniertes Dramma<br />
per Musica über die Bühne.<br />
Aufführende waren Instrumentalisten<br />
der Abteilung<br />
Historische Interpretationspraxis<br />
und Gesangsstudierende<br />
der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Im Zangengriff gegen<br />
Erstarrung<br />
Michael Schneider und Gerhard Müller-Hornbach erklä-<br />
ren, warum Historische Interpretationspraxis <strong>in</strong>novativ<br />
mit Traditionen bricht und zeitgenössische Musik ohne<br />
Traditionsbewusstse<strong>in</strong> undenkbar ist<br />
Wer an der Hochschule über die Begriffe Tradition und Innovation<br />
nachdenkt, kommt nicht an zwei wichtigen E<strong>in</strong>richtungen vorbei,<br />
die die <strong>HfMDK</strong> seit dem Jahr 2005 bereichern: die Abteilung für<br />
Historische Interpretationspraxis unter Leitung von Prof. Michael<br />
Schneider und das Institut für zeitgenössische Musik unter der<br />
Direktion von Prof. Gerhard Müller-Hornbach. Das folgende<br />
Interview lässt beide über das Spannungsfeld von „Tradition und<br />
Innovation“ <strong>in</strong> ihrer täglichen Arbeit nachdenken. Schnell wird<br />
dabei klar: Die Begriffsassoziationen „historisch – traditionell“ und<br />
„zeitgenössisch – <strong>in</strong>novativ“ s<strong>in</strong>d stereotyp und greifen zu kurz,<br />
um die Tätigkeitsfelder h<strong>in</strong>reichend zu umschreiben.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Schneider, wie sehr versteht sich die Abteilung<br />
Historische Interpretationspraxis als e<strong>in</strong>e Hüter<strong>in</strong> von Traditionen?<br />
Prof. Michael Schneider In vieler H<strong>in</strong>sicht gar nicht: Die Art unseres<br />
Arbeitens <strong>in</strong> der Historischen Interpretationspraxis ergibt sich<br />
vielmehr aus der Annahme e<strong>in</strong>es Traditionsbruchs. Unser Zugang<br />
beruht darauf, dass uns die direkten Überlieferungen als <strong>in</strong>terpretatorischer<br />
Zugang für die Musik vergangener Epochen nicht<br />
ausreichend ersche<strong>in</strong>en und dass es <strong>in</strong> jedem Falle neben dem<br />
künstlerischen Anteil der „Interpretation“ auch des forschenden<br />
Anteils, eben des „Historischen“ bedarf. Der Bruch besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass sich Stil, Geschmack und soziale Funktionen und damit fast
alle Parameter des Musizierens seit dem 18. Jahrhundert vollkom-<br />
men verändert haben. Die über das 19. Jahrhundert tradierten<br />
Zugangswege taugen zum größten Teil nicht mehr für Verständnis<br />
und Darstellung von Musik davor liegender Epochen. Das gilt zum<br />
Beispiel für die Bedeutung des puren Notentextes. Da haben sich<br />
unglaubliche Veränderungen vollzogen, was Phrasierung oder Dyna-<br />
mik angehen, aber auch die pure Anzahl der Töne, die gespielt<br />
werden sollen. Ich selbst b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Pionier der Historischen Interpre-<br />
tationspraxis; Pioniere fanden sich <strong>in</strong> den 70er Jahren <strong>in</strong> der<br />
Generation unserer Lehrer. Ich hatte auch teilweise auf dem<br />
„modernen“ Cello e<strong>in</strong>e Ausbildung genossen, die ausschließlich auf<br />
Tradierung durch übermächtige Lehrerpersönlichkeiten beruhte und<br />
<strong>in</strong> der nichts h<strong>in</strong>terfragt werden durfte. Ich er<strong>in</strong>nere mich noch sehr<br />
gut, wie ich es als e<strong>in</strong>e ungeheure Befreiung empfand, alles neu<br />
denken zu dürfen – neu anhand der Quellen zu h<strong>in</strong>terfragen – und<br />
zu völlig anderen Ergebnissen zu kommen – das war Innovation pur.<br />
FiT Woher kam dieser Befreiungsdrang?<br />
Schneider Das Unwohlse<strong>in</strong> an der „Tradition“ lässt sich ja relativ<br />
weit zurückverfolgen, denken wir an Gustav Mahlers Diktum<br />
“Tradition ist Schlamperei“. Ich vertrete sogar die Theorie, dass<br />
e<strong>in</strong>er der entscheidenden Impulse auch von der Neuen Wiener<br />
Schule und ihrer Kritik an der damaligen „Aufführungspaxis“<br />
ausg<strong>in</strong>g. Deren Komponisten wie Schönberg, Berg und Webern<br />
beschäftigten sich ja auch stark mit der Interpretation der Musik<br />
vergangener Jahrhunderte wie der von Bach, Mozart, Beethoven<br />
und Schubert. E<strong>in</strong>e Interpretenpersönlichkeit wie Rudolf Kolisch<br />
spielte dabei e<strong>in</strong>e große Rolle, man denke nur an se<strong>in</strong>e Forschungen<br />
und Äußerungen zum Tempo bei Beethoven.<br />
Prof. Gerhard Müller-Hornbach Übrigens spielte die Zweite Wiener<br />
Schule auch für die Entwicklung der zeitgenössischen Musik e<strong>in</strong>e<br />
enorm wichtige Rolle. Deren Komponisten waren sehr traditionsbe-<br />
wusst und wollten ke<strong>in</strong>en Bruch; vielmehr hatten sie e<strong>in</strong>e starke<br />
Aff<strong>in</strong>ität dazu, Traditionen weiterzuführen und Traditionelles als<br />
<strong>in</strong>novativen Impuls zu verwenden, Altes auf Aktuelles zu beziehen<br />
und so die Vergangenheit mit anderen Augen zu sehen. Für mich<br />
s<strong>in</strong>d die Kenntnis von Traditionszusammenhängen und das<br />
Nachvollziehen von Traditionsverläufen und Entwicklungssträngen<br />
untrennbar mit der Suche nach Innovation verbunden.<br />
FiT Folglich ist die zeitgenössische Musik traditioneller, als es<br />
äußerlich sche<strong>in</strong>en könnte?<br />
Müller-Hornbach In jedem Fall hat <strong>in</strong> der Szene der zeitgenössischen<br />
Musik e<strong>in</strong> Umdenken stattgefunden: Die Forderung, dass nur das<br />
absolut Neue, noch nie Dagewesene das e<strong>in</strong>zig Gültige sei, ist vom<br />
Tisch. Die Tradition der Avantgarde ist damit jedenfalls gebrochen.<br />
FiT Wie lässt sich der Begriff „<strong>in</strong>novativ“ h<strong>in</strong>reichend def<strong>in</strong>ieren?<br />
Schneider Ich bezweifle, dass man ihn im Präsens verwenden kann<br />
im S<strong>in</strong>ne von „Ich werde jetzt mal <strong>in</strong>novativ“. Es geht beim<br />
Musikmachen und dem dazu gehörigen Forschen darum, der Musik<br />
optimal gerecht zu werden. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> mag man dann <strong>in</strong>nova-<br />
tive Impulse ausf<strong>in</strong>dig machen, weil e<strong>in</strong> bestimmter Zugang neue<br />
und vielleicht für die orig<strong>in</strong>äre Wirkung der Musik geeignetere<br />
Wege gezeigt hat.<br />
23
24 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Müller-Hornbach Die Frage führt mich gedanklich auf die Gründung<br />
der beiden Institute an der <strong>HfMDK</strong> zurück, nämlich des Instituts für<br />
Historische Interpretationspraxis und des Instituts für zeitgenös-<br />
sische Musik im Jahr 2005: Wir Initiatoren hatten erkannt, dass es<br />
e<strong>in</strong>e gewisse Erstarrung <strong>in</strong> der Pflege des Repertoires gab – da<br />
wurde etwas konserviert. Und wir waren uns e<strong>in</strong>ig, dass wir diese<br />
Erstarrung aufbrechen wollten.<br />
Schneider Ganz richtig – und wir haben sie von beiden Seiten<br />
regelrecht „<strong>in</strong> die Zange genommen“.<br />
FiT Ist die Operation geglückt?<br />
Müller-Hornbach Ja. Ich nehme zum<strong>in</strong>dest wahr, dass bei unseren<br />
Studierenden e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> dafür gewachsen ist, kritische Fragen<br />
zu stellen und nicht alles protestlos h<strong>in</strong>zunehmen. Mir sche<strong>in</strong>t auch<br />
ihre Neugierde gewachsen zu se<strong>in</strong> und ihr Mut, selbstverantwortlich<br />
auf die Suche zu gehen und das damit verbundene Risiko <strong>in</strong> Kauf<br />
zu nehmen. So entsteht e<strong>in</strong>e Haltung, die ich im eigentlichen S<strong>in</strong>ne<br />
als künstlerisch bezeichnen möchte.<br />
Schneider Der Erfolg unserer Arbeit trägt ja schon dann Früchte,<br />
wenn Studierende <strong>in</strong> die Bibliothek gehen und sich e<strong>in</strong>e Notenaus-<br />
gabe im Urtext und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bearbeiteten Fassung besorgen.<br />
Projekte <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und ganzen<br />
Fachbereichen gehören zu unserem Alltag. Ich verweise nur auf<br />
unsere diesjährige Großproduktion für das Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival<br />
<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Fachbereich der Darstellenden Künste<br />
oder die regelmäßigen geme<strong>in</strong>samen Projekte für unsere jährliche<br />
„Barocknacht“.<br />
FiT Erklären Sie diese veränderte Haltung näher.<br />
Schneider Es ist die Haltung, nicht gleich aus dem Bauch heraus los<br />
zu fiedeln und zu „<strong>in</strong>terpretieren“, sondern erst e<strong>in</strong>mal Mühe darauf<br />
zu verwenden, e<strong>in</strong>e aus der jeweiligen Epoche erkennbare Idee<br />
e<strong>in</strong>es Stückes zu entwickeln und sich dann ehrfürchtig und demütig<br />
der Musik zu nähern. Es geht dabei natürlich auch darum, den<br />
notwendigen künstlerischen Eigenanteil zu eruieren, denn Wissen<br />
um historische Zusammenhänge oder Verwendung Alter Instru-<br />
mente alle<strong>in</strong> ergeben noch ke<strong>in</strong>e Musik!<br />
Müller-Hornbach Auf die Arbeit des zeitgenössischen Komponisten<br />
übertragen, würde ich ergänzen: Etwas Innovatives zu f<strong>in</strong>den,<br />
besteht nicht aus dem Bemühen darum. Was hier eher <strong>in</strong>teressiert,<br />
ist das Authentische – die unverwechselbare Perspektive e<strong>in</strong>es<br />
Künstlers zu e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit.<br />
FiT Welche Haltung lehnen Sie entsprechend ab?<br />
Schneider Zum Beispiel re<strong>in</strong>en Pragmatismus, der mir extrem gegen<br />
den Strich geht und gegen den wir gerade unter unseren eigenen<br />
HIP-Studierenden kämpfen müssen. Dies führt uns zur Erkenntnis,<br />
dass es auch <strong>in</strong> der rund e<strong>in</strong> halbes Jahrhundert alten Geschichte<br />
der HIP bereits wieder ungute und nicht h<strong>in</strong>terfragte Traditionen<br />
gibt. Jedenfalls lauert die wenig künstlerische Tendenz, sich <strong>in</strong><br />
kurzer Zeit im Hauptfachunterricht möglichst viel imitatorisch<br />
abzuschauen, um damit möglichst schnell den Anforderungen e<strong>in</strong>es<br />
neu gewachsenen Musikmarkts zu entsprechen. Das ist Kunstge-<br />
werbe, aber ke<strong>in</strong>e Kunst. Wir Lehrenden bemühen uns, die<br />
Studierenden zu stimulieren, möglichst selbstständig <strong>in</strong> die Materie<br />
e<strong>in</strong>zudr<strong>in</strong>gen, nicht zuletzt mit Hilfe der theoretisch-aufführungs-<br />
praktischen Inhalte e<strong>in</strong>es HIP-Studiums. Dabei begegne ich<br />
bee<strong>in</strong>druckenden Belegen von ernsthafter Beschäftigung mit der<br />
Materie: wenn mir beispielsweise e<strong>in</strong> taiwanesischer Student als<br />
Diplom-Abschlussarbeit e<strong>in</strong>e von ihm selbst nach den Quellen<br />
edierte Telemann-Kantate vorlegt.<br />
Müller-Hornbach Die Tendenz, sich Fertigkeiten oberflächlich ohne<br />
eigene Reflexion und wirkliche Ause<strong>in</strong>andersetzung anzueignen, ist<br />
das, was ich bei verme<strong>in</strong>tlichen Künstlern missbillige. E<strong>in</strong> Beispiel:<br />
Studierende eignen sich diverse Kompositionstechniken an, um<br />
damit etwas zu schreiben, das an der Oberfläche gekonnt wirkt,<br />
äußerlich den Standards Neuer Musik entspricht und auf Festivals<br />
oder bei Wettbewerben womöglich erfolgreich ist. Wenn ihre Arbeit<br />
dabei jedoch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise auf e<strong>in</strong>er tiefer gehenden Ause<strong>in</strong>an-<br />
dersetzung mit der Tradition und der aktuellen Situation, mit der<br />
Frage nach dem eigenen Standpunkt, der eigenen Persönlichkeit<br />
und nach dem S<strong>in</strong>n des eigenen Tuns im gesellschaftlichen Kontext<br />
basiert, fehlt mir e<strong>in</strong>e echte künstlerische Haltung! Ihr Tun ist dann<br />
jedenfalls wenig <strong>in</strong>novativ im eigentlichen S<strong>in</strong>ne. Vielen Studieren-<br />
den muss erst klar werden, dass wahre Innovation nicht auf<br />
Unkenntnis wachsen kann, sondern dass e<strong>in</strong>e Orientierung im<br />
aktuellen Umfeld ebenso wichtig ist wie die Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit Traditionsverläufen und Traditionsbrüchen der Vergangenheit.<br />
FiT Welche direkten Berührungspunkte gab und gibt es an unserer<br />
Hochschule zwischen der Historischen Interpretationspraxis und der<br />
zeitgenössischen Musik?<br />
Schneider Da fällt mir sofort e<strong>in</strong> Blockflötenstück von Gerhard<br />
Müller-Hornbach e<strong>in</strong>, das wir mittlerweile als Standardwerk Neuer<br />
Musik betrachten. Im nächsten Semester werde ich Stockhausens<br />
„Tierkreis“ neu arrangieren und auf Initiative von Dr. Julia Cloot, der<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> des Instituts für zeitgenössische Musik, im<br />
Senckenbergmuseum aufführen – gleich neben den D<strong>in</strong>osauriern.<br />
Müller-Hornbach Als ich e<strong>in</strong> zweisemestriges Intensivsem<strong>in</strong>ar – <strong>in</strong>s-<br />
besondere für die Studierenden der Kompositionsklasse – zum<br />
Thema Tonhöhen veranstaltete, führte uns Cembaloprofessor Harald<br />
Hoeren <strong>in</strong> alte Stimmungssysteme e<strong>in</strong>; er vermittelte dabei e<strong>in</strong>e<br />
ungeheure Vielfalt im Umgang mit Tonhöhen und gab den Sem<strong>in</strong>ar-
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
teilnehmern e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck davon, dass die gleichstufige Klavier-<br />
stimmung der heutigen Zeit nicht das Maß aller D<strong>in</strong>ge ist. Das<br />
Mite<strong>in</strong>ander gestaltete sich als e<strong>in</strong>e sehr fruchtbare Zusammenar-<br />
beit, <strong>in</strong> der deutlich wurde, wie sehr sich die Erfahrungen <strong>in</strong> der HIP<br />
mit Fragestellungen berühren, die im heutigen Komponieren <strong>in</strong><br />
Bezug auf Mikrotonalität, Spektralität und ähnliches brandaktuell<br />
s<strong>in</strong>d. Bemerkenswert f<strong>in</strong>de ich auch die Tatsache, dass e<strong>in</strong>ige<br />
Studierende der Internationale Ensemble Modern Akademie (IEMA)<br />
sich entschlossen haben, zeitgleich e<strong>in</strong> Studium der Historischen<br />
Interpretationspraxis aufzunehmen.<br />
FiT Welche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen halten Sie für erforderlich, um<br />
Ihre Arbeit an der Hochschule noch effizienter ausüben zu können?<br />
Schneider Was wir am dr<strong>in</strong>gendsten brauchen, ist mehr Platz! Wie<br />
wir Sem<strong>in</strong>are mit 35 Teilnehmern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum im C-Gebäude ab-<br />
halten müssen, ist unzumutbar und macht den Ruf nach e<strong>in</strong>em<br />
Neubau noch e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glicher. E<strong>in</strong>en für unsere Zwecke geeigneten<br />
Probenraum haben wir übrigens auch nicht.<br />
Schwerpunktthema EXZELLENZ und ELITE<br />
Oben l<strong>in</strong>ks:<br />
Prof. Michael Schneider leitet die Abteilung<br />
Historische Interpretationspraxis.<br />
Mitte:<br />
Prof. Gerhard Müller-Hornbach ist Direktor des<br />
Instituts für zeitgenössische Musik.<br />
Die weiteren Motive zeigen Studierende der<br />
Internationale Ensemble Modern Akademie und<br />
Historischen Interpretationspraxis.<br />
Müller-Hornbach Stichwort Raum: Die räumliche Trennung der<br />
Studienorte der IEMA-Studierenden – ihre Probenraäume bef<strong>in</strong>den<br />
sich beim Ensemble Modern <strong>in</strong> der Schwedlerstraße, während sie<br />
an der Hochschule e<strong>in</strong>geschrieben s<strong>in</strong>d – , führt zu logistischen<br />
Reibungsverlusten, die man mit e<strong>in</strong>em Neubau und e<strong>in</strong>er räum-<br />
lichen Zusammenführung auf dem Kulturcampus Bockenheim<br />
kompensieren wird. Inhaltlich erachte ich es für s<strong>in</strong>nvoll und<br />
notwendig, sowohl die Historische Interpretationspraxis als auch<br />
die zeitgenössische Musik <strong>in</strong> den sonstigen Studiengängen stärker<br />
zu repräsentieren und zu verankern – <strong>in</strong> der Lehrerausbildung<br />
beispielsweise f<strong>in</strong>det beides bisher kaum statt. Auch die personelle<br />
Ausstattung unseres Bereiches lässt erhebliche Wünsche offen: Die<br />
dr<strong>in</strong>gend notwendige Besetzung der zweiten, seit langem vakanten<br />
Kompositionsprofessur und e<strong>in</strong>e hauptamtliche Verankerung der<br />
elektronischen Musik im Lehrkörper s<strong>in</strong>d zwei Beispiele.<br />
Schneider Natürlich s<strong>in</strong>d derlei Überlegungen auch e<strong>in</strong>e Frage der<br />
personellen Ressourcen, gerade <strong>in</strong> unserer vergleichsweise kle<strong>in</strong>en<br />
Abteilung s<strong>in</strong>d da schnell Grenzen des Möglichen erreicht.<br />
Außerdem s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>nerhalb unseres Studiengangs noch nicht alle<br />
<strong>in</strong>haltlichen Wünsche erfüllt, zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e wichtige Innovation<br />
noch nicht.<br />
FiT Die da wäre?<br />
Schneider Bei uns ist die Erkenntnis gewachsen, dass man Alte<br />
Musik nur angemessen <strong>in</strong>terpretieren kann, wenn man improvisie-<br />
ren kann, wie es damals üblich war. Diese Art von freiem und<br />
kreativem Umgang mit der musikalischen Vorlage ist übrigens e<strong>in</strong><br />
Beispiel, wie Tradition und Innovation Hand <strong>in</strong> Hand gehen können:<br />
e<strong>in</strong>e Tradition aufzugreifen und sie <strong>in</strong>novativ mit eigenen Ideen zu<br />
neuem Leben zu erwecken. bjh<br />
25
26<br />
Überschaubar und chancenreich<br />
Der Ausbildungsbereich Kirchenmusik ist kle<strong>in</strong>er geworden, die Berufschancen se<strong>in</strong>er Absolventen s<strong>in</strong>d<br />
zugleich überdurchschnittlich<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
Von Prof. Gerd Wachowski,<br />
Direktor des Ausbildungsbereichs Kirchenmusik<br />
Kirchenmusiker<strong>in</strong>nen und Kirchenmusiker evangelischer oder<br />
katholischer Konfession verantworten und gestalten die Musik <strong>in</strong><br />
den Gottesdiensten und Konzertveranstaltungen der sie anstellenden<br />
Kirchengeme<strong>in</strong>den. Sie begleiten den Geme<strong>in</strong>degesang,<br />
leiten und betreuen Chöre, Instrumentalensembles und andere<br />
musikalische Gruppen und pflegen auch die eigenen <strong>in</strong>strumentalen<br />
und künstlerischen Fähigkeiten. In e<strong>in</strong>er fortschreitend säkularisierten<br />
Gesellschaft und bei e<strong>in</strong>em fortschreitenden Verlust von<br />
liturgischer Kultur und ästhetischer Qualität vieler Gottesdienste<br />
kommt den Vertretern dieses Berufes als wichtiges B<strong>in</strong>deglied<br />
zwischen den Amtskirchen und deren zunehmend entfremdeten<br />
Mitgliedern e<strong>in</strong>e wachsende Bedeutung zu. Kirchenmusiker<strong>in</strong>nen<br />
und Kirchenmusiker s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem kulturellen Umfeld wichtige<br />
Multiplikatoren, und ihre künstlerische und pädagogische Arbeit<br />
erlangt nicht selten überregionale Beachtung und Anerkennung.<br />
Wer heute <strong>in</strong> Deutschland an e<strong>in</strong>er der staatlichen oder der<br />
kirchlichen Hochschulen e<strong>in</strong> Kirchenmusikstudium aufnimmt, tut<br />
das <strong>in</strong> der Erwartung, nach erfolgreichem Ende der breit gefächerten<br />
Ausbildung e<strong>in</strong>e Festanstellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de zu<br />
erhalten und aktiv am christlichen Verkündigungsauftrag (Wort und<br />
Musik) mitzuwirken. Nach traditionellem und meistens auch<br />
heutigem Verständnis vollzieht sich diese musikalische Arbeit<br />
schwerpunktmäßig <strong>in</strong> den Bereichen Orgel (Literaturspiel und<br />
Geme<strong>in</strong>debegleitung/Improvisation) und Chorleitung. Die künstlerische<br />
Ausbildung <strong>in</strong> diesen Fächern alle<strong>in</strong> ist jedoch nicht ausreichend.<br />
Um auf die Dauer kompetent und erfolgreich <strong>in</strong> diesem<br />
Beruf zu arbeiten, s<strong>in</strong>d vielmehr zahlreiche zusätzliche Fertigkeiten<br />
erforderlich.<br />
Rahmenordnung liefert Vorgaben<br />
Das Kirchenmusikdiplom, das an unserer <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule <strong>in</strong><br />
der Mitte der neunziger Jahre die frühere „Staatliche Prüfung für<br />
Chorleiter und Organisten“ ablöste und für Studienanfänger bis<br />
2010 Gültigkeit hatte, umfasste 30 Unterrichtsfächer und davon<br />
alle<strong>in</strong> 21 Prüfungsfächer. Bei der Umstellung der Diplomstudiengänge<br />
Kirchenmusik B und A auf Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
standen die verantwortlichen Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter der<br />
Kirchenmusikerausbildung an den staatlichen und kirchlichen<br />
Hochschulen vor der Frage, ob und <strong>in</strong> welchem Maße die Ausbildung<br />
entschlackt und konzentriert und auch auf neue Anforderungen<br />
der kirchenmusikalischen Praxis (etwa weniger Gewicht auf<br />
künstlerische Fächer, dafür mehr Gewicht auf Popularmusik und<br />
K<strong>in</strong>der- und Jugendchorarbeit) ausgerichtet werden könnte. Die<br />
beiden entsprechenden Gremien, nämlich die „Konferenz der Leiter<br />
der kirchlichen und der staatlichen Ausbildungsstätten für Kirchenmusik<br />
<strong>in</strong> der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland“ (Direktorenkonferenz)<br />
und die „Konferenz der Leiter<strong>in</strong>nen und Leiter der Ausbildungsstätten<br />
für katholische Kirchenmusik <strong>in</strong> Deutschland“ (KdL),<br />
haben sich im Jahre 2008 nach mehrjähriger <strong>in</strong>tensiver Diskussionsarbeit<br />
auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Empfehlung verständigt: die<br />
„Rahmenordnung für die berufsqualifizierenden Studiengänge <strong>in</strong><br />
Kirchenmusik“. Diese Rahmenordnung bildet die Grundlage für alle<br />
kirchenmusikalischen Bachelor- und Masterstudiengänge, die<br />
<strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>geführt s<strong>in</strong>d und von der ausgehend<br />
die Institute die Studien- und Prüfungsordnungen nach ihren<br />
jeweiligen personellen und <strong>in</strong>frastrukturellen Möglichkeiten und<br />
Schwerpunktsetzungen modifizieren.<br />
Ist das Kirchenmusikstudium, so wie es diese neue Rahmenordnung<br />
konzipiert, denn zeitgemäß? Diese Frage wird nicht nur von<br />
zahlreichen theologischen Verantwortungsträgern, sondern<br />
<strong>in</strong>sbesondere auch von vielen Protagonisten der Popularmusik <strong>in</strong><br />
der Kirche und teilweise sogar auch von Studierenden selbst mit<br />
e<strong>in</strong>er oft unverhüllten Skepsis gestellt.<br />
Kirche und Gesellschaft erwarten die Pflege<br />
musikalischer Traditionen<br />
Der oben geschilderte Diskussionsprozess um e<strong>in</strong>e Neuformulierung<br />
der kirchenmusikalischen Ausbildung, an dem der Verfasser<br />
dieser Zeilen jahrelang selbst aktiv beteiligt war, mündete schließlich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en von vielen als relativ konservativ bzw. wenig <strong>in</strong>novativ<br />
ausgerichtet betrachteten Kompromiss, der die neuen Anforderungen<br />
berücksichtigt, an den bewährten Ausbildungs<strong>in</strong>halten<br />
jedoch festhält. Grundlage dafür waren die folgende Überlegungen:<br />
Die Kirchen und auch die Gesellschaft erwarten von den Kirchenmusiker<strong>in</strong>nen<br />
und Kirchenmusikern die konsequente Pflege und<br />
Tradierung der vielfältigen und wertvollen Orgelmusik aller<br />
Stilepochen und auch der ebenso vielfältigen und teils kostbaren
Instrumente sowie der umfangreichen, bedeutenden Chormusik<br />
vom Mittelalter bis zur Moderne. Tatsächlich werden <strong>in</strong> zahllosen<br />
kirchenmusikalischen Aufführungen, sei es im gottesdienstlichen<br />
Kontext, sei es im re<strong>in</strong>en Kirchenkonzert, professionelle und<br />
exemplarische künstlerische Leistungen realisiert. Gerade <strong>in</strong><br />
mittleren und größeren Städten bilden Kirchenkonzerte mit<br />
Orgel- oder Chormusik <strong>in</strong> katholischen und evangelischen Kirchen<br />
e<strong>in</strong>en umfangreichen und wichtigen Bestandteil des Angebots an<br />
ernster Musik. Um dieser Aufgabenstellung und Verantwortung<br />
gerecht zu werden, ist e<strong>in</strong> Festhalten an e<strong>in</strong>er hochqualifizierten<br />
künstlerischen Ausbildung mit entsprechenden Unterrichts- und<br />
Übungszeiten unverzichtbar. Auch im Bereich der theologisch-litur-<br />
gischen Ausbildung s<strong>in</strong>d Kürzungsmöglichkeiten begrenzt, wenn<br />
die Berufs<strong>in</strong>haber <strong>in</strong> der Verkündigungsarbeit und <strong>in</strong> der gottes-<br />
dienstlichen Praxis als kompetente Partner ernstgenommen werden<br />
sollen. Neue Anforderungen seitens der kirchlichen Anstellungsträ-<br />
ger werden als berechtigt erkannt, ihnen wird durch e<strong>in</strong>e entspre-<br />
chende Aufstockung des Unterrichtsumfangs und der geforderten<br />
Prüfungsleistungen etwa <strong>in</strong> den Fächern Popularmusik und<br />
K<strong>in</strong>derchorleitung entsprochen. Gerade im letzteren Bereich hat<br />
sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass e<strong>in</strong>e Intensivierung der päda-<br />
gogischen Arbeit <strong>in</strong>sbesondere im K<strong>in</strong>der- und Jugendchorbereich<br />
unerlässlich ist, um den chorischen Nachwuchs zu rekrutieren.<br />
E<strong>in</strong>ige Ausbildungs<strong>in</strong>halte werden im Umfang reduziert oder ganz<br />
gestrichen.<br />
Chors<strong>in</strong>gen bzw. Chorleitung<br />
Individuelle Neigungen kommen zum Tragen<br />
zählt zu e<strong>in</strong>er ähnlich wichtigen<br />
Ausbildungssäule im<br />
Kirchenmusikstudium wie<br />
das Hauptfach Orgelspiel<br />
(im Bild Johannes Schwab).<br />
Kle<strong>in</strong>es Bild:<br />
Chorleitungsprofessor W<strong>in</strong>fried<br />
Toll bei der Arbeit mit dem<br />
Hochschulchor.<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Neuerung und Verbesserung der Ausbildung bedeutet<br />
die Tatsache, dass die Studierenden im stark erweiterten Bereich<br />
der wahlobligatorischen Fächer ihr Studium <strong>in</strong>dividuellen Nei-<br />
gungen entsprechend organisieren können. Um nicht wie bisher die<br />
künstlerischen Hauptfächer vom ersten bis zum letzten Studien-<br />
semsester leisten zu müssen, s<strong>in</strong>d im Studium Kirchenmusik<br />
entsprechend den Möglichkeiten der jeweiligen Hochschulen<br />
verschiedene Schwerpunktsetzungen vorgesehen. So können die<br />
Studierenden an unserer <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule <strong>in</strong> den beiden<br />
letzten Semestern des Masterstudiums im „Vertiefungsmodul<br />
Künstlerische Kernfächer“ zwischen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>strumentalen (Orgel,<br />
Improvisation, Klavier/Cembalo) oder kantoralen (Chorleitung,<br />
Orchesterleitung, Gesang) Modulvariante wählen. E<strong>in</strong> erheblicher<br />
Nachteil des neuen gestuften Ausbildungssystems ist me<strong>in</strong>es<br />
Erachtens, dass es nicht mehr wie bisher die Möglichkeit gibt, die<br />
27
28<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
höchste kirchenmusikalische Qualifikation (bisher Diplom A, jetzt<br />
Master) <strong>in</strong> zehn Semestern direkt zu erlangen. Das bedeutet für die<br />
Hochschulen, die <strong>in</strong> der Vergangenheit – wie auch <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> –<br />
das grundständige A-Diplom ohne zwischengeschaltetes B-Diplom<br />
angeboten haben, dass sich durch die neuen Ausbildungsstrukturen<br />
die Kosten der Ausbildung für den höchsten berufsqualifizierenden<br />
Abschluss wegen des um 20% längeren Studiums (acht Semester<br />
Bachelor zuzüglich vier Semester Master) erhöhen. Was sich im<br />
Gegensatz zu den Prüfungsordnungen nicht geändert hat, ist der<br />
Umstand, dass das Studium der Kirchenmusik wegen des kosten<strong>in</strong>tensiven<br />
E<strong>in</strong>zelunterrichts <strong>in</strong> bis zu neun Fächern (Orgel-Literaturspiel,<br />
Geme<strong>in</strong>debegleitung/Improvisation, Klavier, Gesang, Chorleitung,<br />
Orchesterleitung, Generalbassspiel, Partiturspiel, Musiktheorie)<br />
und nicht zuletzt aufgrund der kostspieligen <strong>in</strong>strumentalen<br />
Infrastruktur e<strong>in</strong>e der teuersten Ausbildungen überhaupt ist. So<br />
verfügt unsere Hochschule über zwei größere Orgeln im Großen<br />
und Kle<strong>in</strong>en Saal, e<strong>in</strong>e historische italienische Orgel sowie weitere<br />
sechs Pfeifenorgeln und e<strong>in</strong>e elektronische Orgel als Übungs<strong>in</strong>strumente,<br />
die naturgemäß regelmäßiger Wartung bedürfen.<br />
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Samstag von 8.30<br />
bis 11.30 Uhr<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Absolventen haben<br />
überdurchschnittliche Chancen<br />
Zum kommenden W<strong>in</strong>tersemesterbeg<strong>in</strong>n wird es voraussichtlich<br />
15 bis 16 Studierende <strong>in</strong> diesem Studiengang geben. Die Studierendenzahlen<br />
s<strong>in</strong>d wie auch an allen anderen Hochschulen <strong>in</strong><br />
diesem Bereich kont<strong>in</strong>uierlich zurückgegangen. Auch die personelle<br />
Ausstattung ist an der unteren Grenze des me<strong>in</strong>es Erachtens<br />
Vertretbaren angelangt. Nachdem sich die Hochschulleitung mit<br />
Ihrem Entschluss durchgesetzt hat, die vor e<strong>in</strong>igen Jahren durch<br />
Erreichen der Altersgrenze freigewordenen C4-Stellen Orgel (Prof.<br />
Daniel Roth) und Chorleitung (Prof. Wolfgang Schäfer) nicht wieder<br />
zu besetzen, ist die Attraktivität der <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule für viele<br />
potentielle Kirchenmusikstudierende erheblich zurückgegangen,<br />
handelt es sich bei den Fächern Orgel und Chorleitung doch um die<br />
beiden Hauptsäulen der Kirchenmusikausbildung. Dennoch darf ich<br />
zufrieden feststellen, dass die drei verbleibenden Professoren<br />
unseres Ausbildungsbereichs (Mart<strong>in</strong> Lücker, Orgelliteraturspiel;<br />
W<strong>in</strong>fried Toll, Chorleitung; Gerd Wachowski, Orgelliteraturspiel und<br />
Orgelimprovisation) e<strong>in</strong>e erfolgreiche künstlerische Ausbildungsarbeit<br />
leisten. Die hervorragenden Ergebnisse unserer effizienten<br />
Unterrichtstätigkeit werden immer wieder anerkennend hervorgehoben,<br />
und unsere Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventen haben nach<br />
me<strong>in</strong>er Erfahrung überdurchschnittliche Chancen am Arbeitsmarkt.<br />
Soweit ich das übersehen kann, konnten sich fast alle Diplomanden<br />
nicht nur der letzten fünf bis zehn Jahre an lebensunterhaltsichernden<br />
und teilweise auch überregional bedeutenden Kirchenmusikerstellen<br />
oder <strong>in</strong> anderen Positionen (z.B. Lektor<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Notenverlag) etablieren.<br />
Das Kirchenmusikstudium erfordert von den Studierenden überdurchschnittliche<br />
Belastbarkeit und e<strong>in</strong>en hohen Arbeitse<strong>in</strong>satz.<br />
Unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzungen für e<strong>in</strong> erfolgreiches Studium s<strong>in</strong>d<br />
daher neben den als selbstverständlich vorausgesetzten spieltechnischen<br />
Fähigkeiten und musiktheoretischen Vorkenntnissen e<strong>in</strong>e<br />
hohe Allgeme<strong>in</strong>bildung, e<strong>in</strong>schlägige Sachkenntnisse und vor allem<br />
überdurchschnittliche Gesprächsbereitschaft und die Fähigkeit zum<br />
e<strong>in</strong>fühlsamen Umgang mit Menschen. Die überschaubare Größe<br />
unseres Ausbildungsbereichs und die damit bestehende enge<br />
soziale Kontrolle, das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Lehrenden<br />
und Studierenden untere<strong>in</strong>ander und zahlreiche geme<strong>in</strong>same<br />
Unternehmungen wie Chorprojekte und Orgelexkursionen und<br />
andere fördern diese Fähigkeiten, begünstigen e<strong>in</strong>en engen<br />
Zusammenhalt, schaffen e<strong>in</strong> angenehmes und fruchtbares Arbeitsklima<br />
und bewirken, dass es nur ausnahmsweise und selten zu<br />
Studienabbrüchen kommt.
Musiker – fe<strong>in</strong>motorische Bewegungskünstler<br />
Die <strong>HfMDK</strong> hält für Musiker viele <strong>in</strong>novative Angebote bereit, die Beweglichkeit ihres Körpers neu zu<br />
entdecken und zu schulen<br />
Im Dezember letzten<br />
Jahres präsentierten Lehrende und<br />
Studierende der Darstellenden<br />
Studiengänge ihre tägliche Arbeit<br />
für Lehrende und Kommilitonen<br />
des gleichen Fachbereichs.<br />
Im Team Teach<strong>in</strong>g erlebten sie auch<br />
die Körperarbeit von<br />
Prof. Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender<br />
(im Foto rechts) mit den Gesangsstudierenden<br />
Nohad Becker und<br />
Samuel Berlad.<br />
Von Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender, Professor<strong>in</strong> für Körperbildung und Bewegungslehre, und<br />
Ulf Henrik Göhle, Motologe, Dipl.-Musiklehrer und <strong>HfMDK</strong>-Lehrbeauftragter<br />
In den letzen zehn Jahren ist die Bedeutung des Musikerkörpers und se<strong>in</strong>er Beweglichkeit wieder stark <strong>in</strong> den Fokus geraten, unter<br />
anderem durch die Bestandsaufnahmen der Musikermediz<strong>in</strong>. Dies führte auch an der <strong>HfMDK</strong> neben der E<strong>in</strong>führung von Musikphysiologie<br />
und Musikmediz<strong>in</strong> zur Diskussion von bewegungsexperimentellen Körperverfahren <strong>in</strong> der musikpädagogischen Arbeit. Innovative Ausbildungs<strong>in</strong>stitute<br />
wie die <strong>Frankfurt</strong>er Hochschule bieten bereits seit mehreren Jahren Körperverfahren wie Alexandertechnik, Feldenkrais oder<br />
Dispok<strong>in</strong>esis an. Was an der <strong>HfMDK</strong> unter dem Obertitel TAB (THE ARTIST’S BODY) entwickelt wurde, ist jedoch – im bundesweiten<br />
Vergleich der Musikhochschulen – e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen und breiten Spektrum an Körpertechniken, se<strong>in</strong>em Theorie-Praxis-Bezug<br />
und se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Ausrichtung.<br />
Musiker<strong>in</strong>nen und Musiker s<strong>in</strong>d fe<strong>in</strong>motorische Bewegungskünstler.<br />
Sie erbr<strong>in</strong>gen beim Instrumentalspiel sensomotorische und<br />
psychomotorische Höchstleistungen, die den ganzen Menschen<br />
und viele verschiedene Systeme beanspruchen: Muskeln, Skelett,<br />
Nerven, Herz und Kreislauf, die S<strong>in</strong>ne, Haut, Atmung und Psyche.<br />
Im Interesse e<strong>in</strong>er hohen Leistungsfähigkeit über e<strong>in</strong>en langen<br />
Karriereweg h<strong>in</strong>weg s<strong>in</strong>d Studierende heute gefordert, mehr<br />
Verantwortung für ihren Gesundheits- und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszustand zu<br />
übernehmen. Für e<strong>in</strong>e ausdrucksvolle Präsenz s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Körper-<br />
Geist-Zentrierung und e<strong>in</strong> entsprechendes Auftrittstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
notwendig, unterstützt durch imag<strong>in</strong>ative Verfahren, mentales<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und Video-Feedback.<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
Das erweiterte Modell von THE ARTIST’S BODY ist e<strong>in</strong> sehr<br />
komplexes Wesen, das sparten- und fächerübergreifend denkt,<br />
entwicklungs- und lernfähig ist und folgende „KörperSysteme“<br />
be<strong>in</strong>haltet:<br />
TAB Symposien<br />
THE ARTIST’S BODY ist e<strong>in</strong> Forum für Begegnung und Austausch.<br />
Es bietet Studierenden und Dozenten aus der <strong>HfMDK</strong> und anderer<br />
Hochschulen und Universitäten wie auch <strong>in</strong>teressierten Künstlern,<br />
BewegungsForschern und KörperArbeitern die Möglichkeit, sich zu<br />
<strong>in</strong>formieren, zu reflektieren, zu spüren, sich geme<strong>in</strong>sam zu bewegen<br />
und dabei neue Erfahrungen zu sammeln.<br />
29
30 TRADITION und INNOVATION<br />
Impression aus dem Symposium TAB1<br />
Foto: Udo Hesse<br />
THE ARTIST’S BODY bietet Vorträge, Sem<strong>in</strong>are, Praxisblöcke,<br />
Paneldiskussionen und Performance-Programme an. TAB3 f<strong>in</strong>det<br />
vom 20.–22. Oktober 2011 an der <strong>HfMDK</strong> statt, schließt an die<br />
Fragestellungen von TAB1_Körper & Körperwahrnehmung <strong>in</strong> der<br />
Künstlerischen Ausbildung und TAB2_KörperPräsenz & Bühne an<br />
und richtet den Fokus auf unser grundlegendes Verständnis von<br />
„Körper“. TAB3 untersucht bestehende Körperbilder, die damit<br />
verbundenen Menschenbilder und geht der Frage nach, welche<br />
Körper- und Menschenbilder den bestehenden Wertesystemen zu<br />
Grunde liegen.<br />
TAB3 ist auch e<strong>in</strong>e gute Gelegenheit, die Arbeitsansätze von<br />
Dozent<strong>in</strong>nen und Dozenten der Workshopreihen MSBL/KIT_11/12<br />
kennen zu lernen.<br />
MSBL/KIT<br />
Seit 2004 wurden regelmäßige Wochenendworkshops unter der<br />
Bezeichnung „Musikspezifische Bewegungslehre“ (MSBL) und<br />
„Körper im Theater“ veranstaltet. Im Rahmen dieser Workshoprei-<br />
hen stellten die e<strong>in</strong>geladenen GastdozentInnen ihre Methoden vor,<br />
unter anderem Alexandertechnik, Feldenkrais, Qigong, Ideok<strong>in</strong>ese,<br />
Dispok<strong>in</strong>ese, Gyrok<strong>in</strong>esis und Atem-Schulen. Bei der Auswahl der<br />
Methoden und Referenten wurde vor allem darauf Wert gelegt, dass<br />
der praktische Bezug zur künstlerischen Ausbildung und der<br />
Transfer des Gelernten und Erfahrenen auf die musikalische Praxis<br />
sichtbar wurde.<br />
Diese Workshopreihen werden bereits zum sechsten Mal angebo-<br />
ten. Für das Studienjahr 2011/2012 s<strong>in</strong>d zehn <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är<br />
ausgerichtete Intensiv-Sem<strong>in</strong>are zu Musikspezifischer Bewegungs-<br />
lehre und Körper im Theater geplant. Folgende Angebote <strong>in</strong> MSBL<br />
stehen im Programm:<br />
Andreas Burzik: Üben im Flow, 18.–20. Januar 2012<br />
Klaus Gratza: Tai Chi und Kung Fu, 10.–12. Februar 2012<br />
Thomas Lange: Resonanzlehre/Improvisation, 20.–22. April 2012<br />
Nadia Kevan/Ron Murdock: AlexanderTechnik<br />
Dr. Liane Simmel: Spiraldynamik, 20.-22. Juli 2012<br />
MSBL/KIT am Morgen<br />
Auch e<strong>in</strong> regelmäßiges tägliches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu Körperwahrnehmung &<br />
Bewegung bietet die <strong>HfMDK</strong> an. Die Kurse s<strong>in</strong>d für Studierende<br />
aller Fachbereiche offen. Die AG Körper & Bewegung möchte<br />
spartenübergreifendes Denken <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> fördern und durch<br />
konkrete kont<strong>in</strong>uierliche Angebote den Austausch zwischen<br />
Studierenden und Dozenten aller Fachbereiche anregen. Zur Zeit<br />
gibt es regelmäßige Kurse <strong>in</strong> Yoga, Gyrok<strong>in</strong>esis, Tai Chi und Qigong.<br />
HANDAPPARAT Körper & Bewegung<br />
Im Bereich „HANDAPPARAT_KÖRPER & BEWEGUNG“ f<strong>in</strong>den<br />
<strong>in</strong>teressierte Leser<strong>in</strong>nen und Leser Materialien, Texte, Diagramme<br />
und Skizzen, die für das 1. Symposium THE ARTIST’S BODY_Körper<br />
und Körperwahrnehmung <strong>in</strong> der Künstlerischen Ausbildung<br />
geschrieben wurden, sowie weitere ergänzende Texte.<br />
Thematisch werden die Inhalte <strong>in</strong> drei Blöcken zusammengefasst:<br />
• Musikspezifische Bewegungslehre (MSBL),<br />
• Ästhetische und Kulturelle Bildung,<br />
• Texte im Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis.<br />
Mit diesem HANDAPPARAT KÖRPER & BEWEGUNG entsteht e<strong>in</strong><br />
Wissenspool, <strong>in</strong> den sowohl die Erfahrungen von Dozenten und<br />
Studierenden der <strong>HfMDK</strong> als auch vieler weiterer Menschen –<br />
Künstler, Wissenschaftler und Pädagogen – e<strong>in</strong>fließen.<br />
Langfristig soll der HANDAPPARAT KÖRPER & BEWEGUNG<br />
Studierende und Dozenten dabei unterstützen, Körper-Wissen und<br />
Bewegungs-Forschung mit Künstlerischer Praxis und gesellschaft-<br />
lichen Fragestellungen zu verb<strong>in</strong>den.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2
<strong>HfMDK</strong> FOREN<br />
Körper / Körperwahrnehmung / Bewegung s<strong>in</strong>d elementare Themen<br />
von wachsender Bedeutung für die künstlerische Ausbildung und<br />
betreffen alle Studierenden und Dozenten der <strong>HfMDK</strong> gleicherma-<br />
ßen. Der Aufbau und die E<strong>in</strong>richtung der Informations- und<br />
Austauschplattform www.tab.hfmdk-frankfurt.<strong>in</strong>fo ist e<strong>in</strong> sichtbares<br />
Zeichen, dass <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> Körper wahrgenommen werden,<br />
Bewegung zu erleben ist und <strong>in</strong>ter-/transdiszipl<strong>in</strong>är gedacht wird.<br />
Im fünften KörperSystem, den <strong>HfMDK</strong> FOREN, wird der Blick nach<br />
<strong>in</strong>nen gerichtet. Hier können sich Studierende wie DozentInnen der<br />
<strong>HfMDK</strong> e<strong>in</strong>en Überblick über die <strong>in</strong>dividuellen Arbeitsweisen und<br />
unterschiedlichen Ansätze der Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen verschaf-<br />
fen, die im Bereich Körper, Körperwahrnehmung und Bewegung<br />
tätig s<strong>in</strong>d. Die <strong>HfMDK</strong> FOREN s<strong>in</strong>d als Plattform gedacht, auf der<br />
Lehrende sowohl sich selbst als auch ihre Ideen und Methoden<br />
vorstellen können, die über alle offenen Kurse <strong>in</strong>formiert, die im<br />
Augenblick <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> angeboten werden, die aber zugleich<br />
e<strong>in</strong>en Rückblick auf Kongresse, Symposien und Vortragsreihen<br />
darstellt, die seit 1991 <strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong> stattgefunden haben, und<br />
schließlich auch e<strong>in</strong>e Vorschau auf geplante Aktivitäten bietet.<br />
Die <strong>HfMDK</strong> FOREN werden hoffentlich dazu beitragen, den<br />
Informationsfluss zu verbessern, mehr Transparenz zu schaffen und<br />
den Austausch zwischen Menschen und Sparten anzuregen.<br />
Die „somatische Wende“ <strong>in</strong> den Künsten<br />
Der „musikalische Körper“ ist also wieder als aktuelles Thema <strong>in</strong><br />
der Bildungslandschaft verortet. Insbesondere <strong>in</strong> den Künsten<br />
sche<strong>in</strong>t sich diese „somatische Wende“, die schon <strong>in</strong> der Psycholo-<br />
gie und Wahrnehmungsforschung vollzogen wurde, abzuzeichnen.<br />
Dabei ist vor allem von Bedeutung, dass nicht nur mediz<strong>in</strong>isches<br />
Präventionsdenken Körpererfahrung und Bewegungsschulung <strong>in</strong> die<br />
Curricula gebracht hat, sondern auch die oben genannte Erkenntnis,<br />
dass für alle Lern- und Entwicklungsprozesse Körper und Bewegung<br />
von tragender Bedeutung s<strong>in</strong>d. Durch die KörperSysteme des<br />
erweiterten Modells THE ARTIST’S BODY haben Studierende wie<br />
DozentInnen die Möglichkeit, Methoden und Ansätze verschiedener<br />
Körper- und Bewegungslehren kennenzulernen, die Lern- und<br />
Entwicklungsprozesse im künstlerischen wie pädagogischen<br />
Studium unterstützen und fördern. Sie können sich über neue<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse <strong>in</strong>formieren, <strong>in</strong> Workshops geme<strong>in</strong>-<br />
sam praktische Erfahrungen sammeln, künstlerisches Arbeiten,<br />
Recherche, Praxis und Theorie mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den.<br />
Durch vielfältige, qualitativ hochwertige Angebote und kont<strong>in</strong>uier-<br />
liche Information soll mehr Bewusstse<strong>in</strong> für die Wichtigkeit dieses<br />
Themenkomplexes erreicht werden, um <strong>in</strong> Kooperation und Dialog<br />
mit allen Fachbereichen langfristig Bewegungslehre und <strong>in</strong>terdiszi-<br />
pl<strong>in</strong>äres Arbeiten <strong>in</strong> den Curricula aller künstlerischen Studiengänge<br />
der <strong>HfMDK</strong> zu verankern, die Qualität der künstlerischen Ausbildung<br />
zu verbessern und neue Entwicklungen zu fördern. Diese Öffnung<br />
wird weiter zur Schärfung des Profils der <strong>HfMDK</strong> beitragen.<br />
Der<br />
unter den<br />
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Tradition und weltbekannt für den unverwechselbar berührenden Klang<br />
sowie die herausragende Qualität der Instrumente. Die Wahl von erstklassigen<br />
Materialien und vor allem die überaus sorgfältige Verarbeitung, die auch<br />
heute noch zum Großteil <strong>in</strong> Handarbeit gemacht wird, zeichnen jeden e<strong>in</strong>zelnen<br />
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32 TRADITION und INNOVATION<br />
Altes Handwerk, neue Methoden<br />
Peter Kupke über Wandel und Bestätigkeit der Anforderungen auf der Bühne<br />
und damit auch im Schauspielstudium<br />
Seit den 50er Jahren bewegt sich Peter Kupke professionell auf<br />
Schauspielbühnen: Der diplomierte Schauspieler und Theaterwissenschaftler<br />
erkannte aber schon als Berufsanfänger se<strong>in</strong>e weiteren<br />
Stärken als Regisseur, Dramaturg, Oberspielleiter, Schauspieldirektor<br />
– und Dozent für Schauspielstudierende. Seit über 20 Jahren<br />
profitieren <strong>HfMDK</strong>-Schauspielstudierende, die mit ihm Rollenstudium<br />
betreiben, von se<strong>in</strong>em reichen Erfahrungsschatz. Wir wollten<br />
von ihm wissen, welche Traditionen <strong>in</strong> Studium und Beruf des<br />
Schauspielers unerschütterlich bleiben und welchen Erneuerungsprozessen<br />
sie unterworfen s<strong>in</strong>d.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Herr Kupke, seit den 80er Jahren lehren Sie an der<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> der Schauspielabteilung. Wie sehr hat sich das Schauspielstudium<br />
währenddessen gewandelt?<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Peter Kupke Wenn ich mir die Stunden- und Lehrpläne, vor allem die Kupke In <strong>Frankfurt</strong> haben wir das Glück, e<strong>in</strong> Schauspiel vor Ort zu<br />
Strukturierung des Grundunterrichts von vor 25 Jahren ansehe und haben, <strong>in</strong> dem viele Künstler arbeiten, die sich sozusagen an der „<br />
mit heute vergleiche, hat sich äußerlich nur wenig verändert. Das Front“ des Neusten, Innovativsten bef<strong>in</strong>den, was Schauspiel<br />
Handwerk des Schauspielens und dessen Vermittlung s<strong>in</strong>d im gegenwärtig zu bieten hat. Sicher ist es für junge Schauspieler<br />
wesentlichen gleich geblieben. Was sich aber stark geändert hat, anregend, solche Kollegen auf der Bühne zu erleben. Nur zu<br />
s<strong>in</strong>d die Inhalte und Methoden. Natürlich hat die Entwicklung der erkennen, dass etwas neu aussieht, hilft den Lernenden alle<strong>in</strong><br />
Medien zur Konsequenz gehabt, dass das Arbeiten vor der Kamera jedoch nicht; die Studierenden müssen das Neue im Kern erfassen<br />
und dem Mikrofon Teil der Ausbildung geworden s<strong>in</strong>d. Auch der und für sich analysieren. Als Lehrer kann ich da nur e<strong>in</strong> Wegführer<br />
Ansatz des Physiodramas, der mit der Professur von Yurgen se<strong>in</strong>, der darauf h<strong>in</strong>führt, dass der Studierende D<strong>in</strong>ge selbst erkennt<br />
Schoora bei uns E<strong>in</strong>zug gehalten hat, ist e<strong>in</strong>e nennenswerte<br />
Innovation.<br />
und damit umzugehen lernt.<br />
FiT Wor<strong>in</strong> liegen die <strong>in</strong>haltlichen Veränderungen außer den beiden<br />
genannten Innovationen?<br />
Kupke Das Ziel der Ausbildung ist, am Ende des Studiums junge<br />
Schauspieler zu entlassen, die im gegenwärtigen Theater bestehen<br />
können. Und genau dieses ist e<strong>in</strong>em ständigen Wandel unterworfen.<br />
Me<strong>in</strong>er Beobachtung nach wandelt sich das Theater zyklisch im<br />
Laufe von sieben bis zehn Jahren. Dieser oder jener Künstler gefällt<br />
dann plötzlich nicht mehr, oder dieser und jener Künstler, der immer<br />
noch gefällt, hat sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Rollenverständnis verändert<br />
und damit der ständigen Entwicklung des Theaters angepasst.<br />
Sie müssen nur e<strong>in</strong>en Film aus den 30er Jahren anschauen und<br />
vergleichen, wie sehr sich die zeitspezifische Ästhetik geändert<br />
hat, die Art, Gefühle auszudrücken oder wie der Rezipient das<br />
Gesehene deutet.<br />
FiT Womit hängt dieser Wandel zusammen?<br />
Kupke E<strong>in</strong>e Erklärung dafür könnte se<strong>in</strong>, dass die mittlere Generation<br />
des Theaterpublikums bestimmt, was gefällt und <strong>in</strong> der<br />
öffentlichen Wahrnehmung als neuer Trend ankommt. E<strong>in</strong> anderes<br />
Phänomen könnte se<strong>in</strong>, dass im Prozess der <strong>in</strong>ternationalen Öffnung<br />
e<strong>in</strong>e Beschäftigung mit anderen Schauspieltraditionen und –praktiken<br />
<strong>in</strong> Gang gekommen ist. Plötzlich nimmt e<strong>in</strong> lettischer<br />
Regisseur maßgeblich E<strong>in</strong>fluss auf die Weiterentwicklung des<br />
Schauspiels <strong>in</strong> Mitteleuropa. Diese Phänomene und Paradigmenwechsel<br />
müssen wir im Auge haben, wenn wir Schauspieler<br />
ausbilden.<br />
FiT Wie können sich die Studierenden darauf e<strong>in</strong>stellen?
FiT S<strong>in</strong>d denn nur die aktuellen Zeitgenossen gute Bühnenvorbilder?<br />
Kupke Natürlich nicht. Es gibt großartige Schauspieler vergangener<br />
Generationen, die <strong>in</strong> ihrer Verwandlungsfähigkeit so e<strong>in</strong>malig s<strong>in</strong>d,<br />
dass man noch heute von ihnen lernen kann. Da die schauspiele-<br />
rische Mitteilung jedoch an das reale Erleben gekoppelt ist, lässt<br />
sich dieses Erbe am ehesten durch ältere Lehrer weitertragen, die<br />
solche Schauspielkoriphäen noch selbst erlebt haben. Vor diesem<br />
H<strong>in</strong>tergrund können sie heute jungen Schauspielern e<strong>in</strong> kritisches<br />
und urteilsstarkes Gegenüber se<strong>in</strong>.<br />
FiT Sie erwähnten eben das „Handwerk“ des Schauspiels, das sich<br />
offenbar jenseits von Überlieferung und Erneuerung nicht verändert<br />
hat. Was ist das?<br />
Kupke Die Ausbildung zum Schauspieler ist <strong>in</strong> ihrer Grundfrage<br />
nicht änderbar, sie lautet: Wie f<strong>in</strong>det <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Rolle die<br />
Verwandlung des Schauspielers statt? In der Aufnahmeprüfung<br />
wählen wir diejenigen aus, von denen wir me<strong>in</strong>en, dass sie sich am<br />
besten verwandeln können – eben das tra<strong>in</strong>ieren wir mit ihnen<br />
weiter. Schlichte Imitation von Vorbildern, die gerade modern s<strong>in</strong>d,<br />
reicht nicht aus – sie würde nur vom Kern der Sache wegführen;<br />
aber genau das Wesen der Verwandlung ist der Kern, muss erfasst<br />
und begriffen werden.<br />
FiT Was bedeutet für Sie <strong>in</strong>novatives Unterrichten?<br />
Kupke Leider ist die Zahl der Planstellen für fest an Theatern<br />
engagierte Schauspieler <strong>in</strong> den letzten Jahren zurückgegangen.<br />
Dies bedeutet, dass die Schauspielschulen jährlich mehr Absol-<br />
venten entlassen als die Fluktuation Stellen <strong>in</strong> den Festengage-<br />
ments freimacht. Daher müssen wir schlichtweg dafür sorgen, dass<br />
unsere Absolventen besonders gut s<strong>in</strong>d und auf die zurzeit<br />
vorhandenen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> der Theaterlandschaft bestmöglich<br />
vorbereitet s<strong>in</strong>d. Wir können den Studierenden den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />
Theaterwelt ermöglichen. Daran arbeiten wir. bjh<br />
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33
34 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Motion Bank – E<strong>in</strong> Aufbewahrungsort für Bewegung<br />
Das Projekt Motion Bank hat sich zum Ziel gesetzt, das digitale Archiv von Onl<strong>in</strong>e-Partituren von Choreographien<br />
auszubauen und öffentlich nutzbar zu machen. Zugleich leistet es Ausbildungs- und Forschungsarbeit, an der die<br />
Abteilung Zeitgenössischer und Klassischer Tanz der <strong>HfMDK</strong> vielschichtig beteiligt ist. Der Nutzen der Zusammenarbeit<br />
ist doppelseitig.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 35<br />
Von Célest<strong>in</strong>e Hennermann, Tanzdramaturg<strong>in</strong> und Co-Organisator<strong>in</strong><br />
der Motion Bank-Workshopreihe<br />
Wie archiviert man zeitgenössischen Tanz? Welche Mittel der<br />
Verwahrung und Aufschreibung bieten die Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />
Rekonstruierung von Bewegung im Tanz? Wie kann das Ephemere<br />
des Tanzes festgehalten werden? Und wie können uns heutige<br />
Technologien mit ihren sich wandelnden Impulsen zu neuen Formen<br />
von Notationen verhelfen?<br />
Diese Fragen beschäftigen den Choreografen William Forsythe nicht<br />
erst mit der Gründung von Motion Bank. Anfang der 1990er Jahre,<br />
als das digitale Video aufkam, wandte er sich an das Zentrum für<br />
Die Aufnahme zeigt e<strong>in</strong> Standbild aus e<strong>in</strong>er<br />
analysierten Videoaufzeichnung, die<br />
die Allignments illustrieren, wie Forsythe die<br />
Beziehung von Zeit und Raum beschreibt.<br />
Foto: Synchronous Objects Project,<br />
The Ohio State University und The Forsythe<br />
Company<br />
Kunst und Medientechnologie (ZKM) <strong>in</strong> Karlsruhe. Dort entstand die<br />
CD-ROM „Improvisation Technologies“. Es galt, Forsythes Improvisationsmethode<br />
zu visualisieren, jedoch entpuppte sich dieses<br />
„Werkzeug für den analytischen Blick auf Tanz“ („A Tool for the<br />
Analytical Dance Eye“) schnell zu e<strong>in</strong>em virtuellen Proberaum. E<strong>in</strong>e<br />
„Schule des Sehens“ von Tanzbewegungen wurde <strong>in</strong>s Leben<br />
gerufen. Was zunächst als <strong>in</strong>ternes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>strument für die<br />
Tänzer des Ballett <strong>Frankfurt</strong> gedacht war, wird weltweit heute noch<br />
als Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode für Tanzkompanien e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Als logische Konsequenz folgte 2010 die Gründung von Motion<br />
Bank, e<strong>in</strong> auf vier Jahre angelegtes Projekt der Forsythe Company,<br />
<strong>in</strong> dem die choreografische Praxis sowie die Archivierung von<br />
Bewegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten Kontext erforscht werden. Der Schwerpunkt<br />
dabei liegt auf der Erstellung digitaler Onl<strong>in</strong>e-Partituren.<br />
Synchrone Objekte<br />
Das Pilotprojekt „Synchronous Objects for One Flat Th<strong>in</strong>g, reproduced“,<br />
das <strong>in</strong> Zusammenarbeit zwischen William Forsythe und<br />
Tanzwissenschaftlern und Kommunikationsdesignern von der Ohio<br />
State University entstand, zeigt, wie vielschichtig Onl<strong>in</strong>e-Partituren<br />
<strong>in</strong> ihren Darstellungsformen und Nutzungsoberflächen s<strong>in</strong>d. Im<br />
Internet der Öffentlichkeit zugänglich visualisiert das Projekt die<br />
choreografischen Strukturen der Forsythe-Arbeit „One Flat Th<strong>in</strong>g,<br />
reproduced“ (2000). Das Ergebnis ist so vielseitig wie die Choreografie<br />
selbst: von Bildanalyse und Animationstechnik zu Diagrammen<br />
und geometrischen Objekten – der Versuch, das Bewegungsmuster<br />
und die Synchronizität der Choreografie e<strong>in</strong>zufangen und<br />
sichtbar zu machen, diese flüchtige Raum-Schrift zu buchstabieren.<br />
Ziel von Motion Bank ist es, das digitale Archiv von Onl<strong>in</strong>e-Partituren<br />
von Choreografien auszubauen und über die Motion Bank-<br />
Website öffentlich zugänglich zu machen. In Zusammenarbeit mit<br />
ausgewählten Gastchoreografen (Deborah Hay, Jonathan Burrows<br />
und Matteo Fargion sowie Bruno Beltrão) und mehreren Ausbildungs<strong>in</strong>stituten<br />
werden neue Ideen und Technologien für Aufschreibungssysteme<br />
entwickelt. Die ausgewählten Choreografen gehören<br />
drei verschiedenen Künstlergenerationen an und wurden wegen<br />
ihrer unterschiedlichen, charakteristischen und <strong>in</strong>dividuellen<br />
Handschriften ausgewählt. Im Zuge der Erstellung der Partituren<br />
werden die Choreografen auf neue Weise erkunden, wie die<br />
besonderen Qualitäten computergestützter Aufnahme- und<br />
Gestaltungstechniken nutzbar zu machen s<strong>in</strong>d, wenn es um die<br />
Herausforderung geht, Tanz zu dokumentieren, zu notieren und zu<br />
präsentieren sowie die künstlerische Praxis zu bereichern.
36 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Im Labor mit Deborah Hay<br />
Den Anfang machte die New Yorker Choreograf<strong>in</strong> Deborah Hay:<br />
Ihr geht es um die soziale Dimension von Bewegung und um die Er-<br />
forschung von natürlicher Körpersprache im Tanz. Für Motion Bank<br />
wurde das Stück „No Time to Fly“ aus dem Jahre 2010 analysiert.<br />
Die Performer Ros Warby, Jean<strong>in</strong>e Durn<strong>in</strong>g und Juliette Mapp<br />
adaptierten das Solo <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Deborah Hay.<br />
Ausgangspunkt der Arbeit war e<strong>in</strong>e bereits existierende Partitur, e<strong>in</strong><br />
von Hay selbst verfasstes kle<strong>in</strong>es Buch mit Texten, Zeichnungen<br />
und e<strong>in</strong>igen choreografischen Anweisungen. Dieses Objekt ist<br />
„– manche nennen es poetisch, jedenfalls ist es metaphorisch,<br />
nicht objektiv lesbar und es ist nicht ganz klar, wie man von der<br />
Partitur zum Tanz kommt. Deshalb gibt Deborah Hay die Partitur<br />
drei Tänzern, mit denen sie schon lange zusammenarbeitet, die ihre<br />
Texte kennen und wissen, wie sie daraus Bewegungsmaterial<br />
entwickelt“ (Scott deLahunta, Projektleiter Motion Bank, Tanzwis-<br />
senschaftler). Mehrmals wurden die drei Tänzer<strong>in</strong>nen dabei gefilmt,<br />
wie sie das Solo alle<strong>in</strong>e performten. Im Anschluss wurden die<br />
unterschiedlichen Versionen des gleichen Stücks analysiert, um der<br />
Struktur der Choreografie auf die Spur zu kommen. Gesucht wurde<br />
nach e<strong>in</strong>er „Metapartitur“, die den Zusammenhang zwischen realem<br />
Tanz <strong>in</strong> Echtzeit, Videoaufzeichnung und den choreografischen<br />
Notizen erklärt. Deborah Hay selbst hat zuvor noch nie mit Video<br />
oder Computer gearbeitet. Die nächsten Arbeiten an den Onl<strong>in</strong>e-<br />
Partituren von Jonathan Burrows und Matteo Fargion sowie von<br />
Bruno Beltrão mit se<strong>in</strong>er Grupo de Rua werden mit Spannung<br />
erwartet. Das Solo von Deborah Hay ist vom 13.-15. Oktober 2011<br />
im <strong>Frankfurt</strong> LAB zu sehen. Die Aufführungen der anderen Choreo-<br />
grafen folgen.<br />
Ausbildung und Diskurs<br />
Motion Bank will nicht nur e<strong>in</strong>e Onl<strong>in</strong>e-Bibliothek erstellen, Motion<br />
Bank leistet gleichzeitig Ausbildungs- und Forschungsarbeit.<br />
An der Entwicklung der Onl<strong>in</strong>e-Partituren s<strong>in</strong>d folgende Instituti-<br />
onen beteiligt: the Advanced Comput<strong>in</strong>g Center for the Arts and<br />
Design an der Ohio State University, das Frauenhofer-Institut für<br />
Graphische Datenverarbeitung IGD, die Hochschule Darmstadt<br />
(h_da) und die Hochschule für Gestaltung (hfg) Offenbach. Neben<br />
der Zusammenarbeit mit der Palucca Hochschule für Tanz Dresden<br />
steht vor allem die Ausbildungsarbeit mit der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> (<strong>HfMDK</strong>) im Mittelpunkt. Sich<br />
gegenseitig befruchtend profitieren beide Institutionen von e<strong>in</strong>em<br />
engen künstlerischen Austausch. So s<strong>in</strong>d Mitglieder von Motion<br />
Bank an etlichen Veranstaltungen der <strong>HfMDK</strong> beteiligt, und<br />
Dozenten aus dem Ausbildungsbereich Zeitgenössischer und<br />
Klassischer Tanz (ZuKT) unterstützen durch <strong>in</strong>haltliche Beratung.<br />
Motion Bank selbst bietet auch e<strong>in</strong>e eigene Workshopreihe an. Hier<br />
werden die Themen Notation und Partitur aus verschiedenen<br />
Blickw<strong>in</strong>keln beleuchtet. Die Workshops werden von Choreografen,<br />
Künstlern und Mediengestaltern geleitet, sie f<strong>in</strong>den halbjährlich im<br />
<strong>Frankfurt</strong> LAB statt. Zielpublikum s<strong>in</strong>d Studierende und Praktiker<br />
aus den Darstellenden Künsten und auch anderen Diszipl<strong>in</strong>en.<br />
www.theforsythecompany.de > Motion Bank<br />
Motion Bank wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, das<br />
Hessische M<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft und Kunst, den kulturfonds<br />
frankfurt_rhe<strong>in</strong>_ma<strong>in</strong> und Frau Susanne Klatten.
Das Siegerteam der ersten<br />
“HörSpiele” mit ihrer Siegertrophäe.<br />
Foto: Felix Ste<strong>in</strong>er<br />
HörSpiele<br />
E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Perspektive auf das Hören, die durchaus zur Tradition werden könnte<br />
Von Jacob Bussmann<br />
Im vergangenen Sommersemester fanden an der Hochschule die<br />
ersten „HörSpiele um das goldene Ohr“ statt – wahrsche<strong>in</strong>lich die<br />
ersten dieser Art <strong>in</strong> der Geschichte des gesamten Musikhochschulwesens.<br />
Sieben Mannschaften traten <strong>in</strong> sieben Diszipl<strong>in</strong>en mit je<br />
sieben Teilaufgaben gegene<strong>in</strong>ander an. Insgesamt 69 Neugierige,<br />
darunter Studierende unterschiedlicher Semester und Studiengänge,<br />
Professoren, Lehrbeauftragte, der Tonmeister der <strong>HfMDK</strong> sowie<br />
zwei Mitarbeiter<strong>in</strong>nen der Bibliothek, waren der E<strong>in</strong>ladung von Prof.<br />
Hervé Laclau und dem HörSpiele-Komitee (Christ<strong>in</strong>a Belau, Konrad<br />
He<strong>in</strong>z und Ruth Wach<strong>in</strong>ger) gefolgt – immerh<strong>in</strong> war <strong>in</strong> der Ankündigung<br />
versprochen worden: Hören macht glücklich!<br />
Warum HörSpiele? Für Prof. Laclau war e<strong>in</strong> wichtiger Beweggrund,<br />
die spielerische, lustige, ja vielleicht beglückende Seite se<strong>in</strong>es<br />
Faches erlebbar zu machen. Im Alltag wird man als Studierender <strong>in</strong><br />
den Hörkursen oft mit se<strong>in</strong>en Unzulänglichkeiten konfrontiert; dabei<br />
bleibt die Konfrontation e<strong>in</strong>e persönliche. Um diesen Individualismus<br />
zu durchbrechen, hatte Hervé Laclau die HörSpiele als<br />
Teamwettbewerb angelegt. Sie s<strong>in</strong>d Prof. Laclaus gelungener<br />
Versuch, e<strong>in</strong>e neue und <strong>in</strong>novative Perspektive auf se<strong>in</strong> traditionell<br />
mit Stress und Leistungsdruck verknüpftes Fach zu ermöglichen.<br />
Der Spaß begann bereits bei der Formierung der sieben Mannschaften<br />
per Losverfahren: Erstsemester, lange<strong>in</strong>gesessene<br />
<strong>HfMDK</strong>ler, Lehrende und Mitarbeiter fanden sich für die Dauer der<br />
Spiele <strong>in</strong> durchmischten Teams zusammen und entwickelten schnell<br />
geme<strong>in</strong>samen Ehrgeiz. Im ersten Spiel g<strong>in</strong>g es darum zu zählen,<br />
wie oft e<strong>in</strong> bestimmter Ton jeweils <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klangbeispiel vorkommt:<br />
Die Bandbreite <strong>in</strong> den sieben Teilaufgaben reichte von Null<br />
– der nachgefragte Ton Fis kam <strong>in</strong> Bergs Passacaglia-Thema gar<br />
nicht vor – bis unzählbar. Auf e<strong>in</strong>e Kooperation aller Teams kam es<br />
bei e<strong>in</strong>em weiteren Spiel an – der Titel hätte lauten können:<br />
„S<strong>in</strong>gen für den Gegner“. Drei Spieler jedes Teams sollten geme<strong>in</strong>-<br />
sam e<strong>in</strong>en Akkord s<strong>in</strong>gen, wobei jeder nur se<strong>in</strong>en eigenen Ton<br />
kannte. Obwohl es sich „nur“ um e<strong>in</strong> Spiel handelte, waren<br />
selbstverständlich alle Aufgabenstellungen und Klangbeispiele von<br />
der aus den Kursen bekannten Präzision und Klarheit geprägt. In<br />
e<strong>in</strong>em anderen Spiel mussten bekannte Stücke erkannt werden, die<br />
verfremdet am Klavier vorgespielt wurden. Während beispielsweise<br />
die Umkehrung der Nationalhymne durch ihren Rhythmus recht<br />
schnell zu erkennen war, erwies sich „Happy Birthday“ rückwärts<br />
schon als schwieriger. Oder wieso klang „Für Elise“ hier so<br />
verschoben und schräg? Weil nämlich die rechte Hand ganz normal<br />
<strong>in</strong> a-Moll gespielt wurde, die l<strong>in</strong>ke allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> as-Moll. Spektakulär<br />
g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> der sechsten Runde zu, <strong>in</strong> der Ruth Wach<strong>in</strong>ger und Hervé<br />
Laclau im Tonstudio alle Register der Manipulation gezogen hatten:<br />
Zu erkennen gab es hier verschiedenartig Verfremdetes: e<strong>in</strong>e<br />
Collage aus Mozarts g-Moll-S<strong>in</strong>fonie, das „Gute Nacht“ aus<br />
Schuberts W<strong>in</strong>terreise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em aberwitzigen Tempo, e<strong>in</strong>e zwar <strong>in</strong><br />
Echtzeit ablaufende, aber nur <strong>in</strong> sekundenbruchteilkurzen Zeitfen-<br />
stern zu hörende Aufnahme von Beethovens Fünfter, die Erken-<br />
nungsmelodie der Sendung mit der Maus, aus der alle hohen<br />
Frequenzen herausgefiltert wurden, Bachs d-Moll-Toccata für Orgel<br />
rückwärts abgespielt, e<strong>in</strong>e mit Störgeräuschen verfremdete Version<br />
von „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“ sowie e<strong>in</strong> Konglomerat<br />
gleichzeitig erkl<strong>in</strong>gender Stellen aus Carm<strong>in</strong>a Burana. Nach dem<br />
Wettkampf labten sich die Hörathleten im Foyer an e<strong>in</strong>em Buffet<br />
und feierten ausgelassen. Unterschriften der Siegermannschaft<br />
werden bis zum nächsten Wettkampf um das goldene Ohr die<br />
Trophäe zieren, die von nun an ihren festen Platz im Hörschulungs-<br />
raum A 210 hat. Alle beteiligten wissen jetzt: Hören macht glück-<br />
lich. Die Hörspiele sollten zur Tradition werden!<br />
37
38 TRADITION und INNOVATION<br />
Fit für die Vielfalt der Kulturen und des Lernens<br />
Von Professor Dr. Werner Jank, Ausbildungsdirektor Lehrämter<br />
Unterricht und Pädagogik s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits stets der Tradition<br />
verpflichtet und konservativ im S<strong>in</strong>n von konservierend: Sie haben<br />
die Aufgabe, das <strong>in</strong> der Gesellschaft angesammelte Wissen und<br />
Können der nächsten Generation zugänglich zu machen. Sie s<strong>in</strong>d<br />
andererseits zugleich der Innovation verpflichtet: Sie müssen jungen<br />
Menschen die Offenheit für den gesellschaftlichen Wandel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
noch unbekannte Zukunft mitgeben, die neue Aufgaben bereithalten<br />
und <strong>in</strong>novative Lösungen erfordern wird. Deshalb stehen<br />
Unterricht und natürlich auch der Musikunterricht – <strong>in</strong> welcher<br />
Institution auch immer – grundsätzlich im Spannungsfeld von<br />
Tradition und Innovation.<br />
Zwei Bezugspunkte für den Musikunterricht und die Musikpädagogik<br />
aus diesem Spannungsfeld will ich herausgreifen:<br />
• das Verständnis von Musik und Musikkultur<br />
• die Vorstellung davon, wie das Lernen gestaltet se<strong>in</strong> soll<br />
Musik und Musikkultur<br />
Aus der Perspektive von Tradition und Innovation fallen e<strong>in</strong>em hier<br />
gleich die alten Gegensatzpaare e<strong>in</strong>: Hochkultur – Massenkultur,<br />
„Klassik“ – Populäre Musik, U-Musik – E-Musik, Kunstwerkorientierung<br />
– Schülerorientierung. Diese Gegensatzpaare wirken aus<br />
heutiger Sicht genauso angestaubt, wie sie auch tatsächlich s<strong>in</strong>d.<br />
Trotzdem haben sie nach wie vor E<strong>in</strong>fluss. Das zeigte vor wenig<br />
Spontane Spielbegeisterung der<br />
Instrumentalisten von morgen: Posaunist<br />
Michael Me<strong>in</strong><strong>in</strong>ger mit Grundschülern<br />
der Gründerrodeschule bei den<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Musiktagen für Schulen.<br />
Foto rechts oben:<br />
Prof. Dr. Werner Jank beim Infotag für<br />
Schulmusik<strong>in</strong>teressierte an der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Foto rechts unten:<br />
<strong>HfMDK</strong>-Student<strong>in</strong> Vanessa Katz auf der<br />
Bühne mit Gymnasiast<strong>in</strong>nen der<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Liebigschule: Geme<strong>in</strong>sam<br />
führten Studierende und Schüler im<br />
Studium entstandene Arrangements im<br />
Rahmen mehrerer Konzerte <strong>in</strong> großer<br />
Besetzung auf – e<strong>in</strong> gelungenes Beispiel<br />
für e<strong>in</strong>e musikpädagogische Kooperati-<br />
on, von der alle Beteiligten profitierten.<br />
„K<strong>in</strong>der sollen nicht dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig<br />
möglichen bessern Zustande des menschlichen Geschlechts (…)<br />
angemessen, erzogen werden.“<br />
Immanuel Kant: Über Pädagogik, 1803/1983, A 17<br />
mehr als fünf Jahren e<strong>in</strong>e „Bildungsoffensive durch Neuorientierung<br />
des Musikunterrichts“ (Gauger 2004). Ihr Kernstück bildete e<strong>in</strong><br />
primär historisch orientierter Werkkanon nach dem Motto „Best of<br />
Classics“. Zu Recht wurden die Rückwärtsgewandtheit, ideolo-<br />
gische Fixierung und Aktualitäts- und Schülerferne kritisiert (Kaiser<br />
u.a. 2006). Hier wurde e<strong>in</strong> veralteter (Hoch-)Kulturbegriff wiederbe-<br />
lebt und zum pädagogischen Kampfbegriff stilisiert.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Demgegenüber sieht die junge Diszipl<strong>in</strong> der Kulturwissenschaft<br />
Kultur – und damit ihre ästhetischen Formen wie Musik, Theater,<br />
Tanz usw. – <strong>in</strong> unserer ebenso pluralistischen wie globalisierten,<br />
„transkulturellen“ Welt als e<strong>in</strong>e Form gesellschaftlicher Praxis:<br />
Durch unser Handeln <strong>in</strong> der Welt, <strong>in</strong> der wir leben, geben wir den<br />
D<strong>in</strong>gen Bedeutungen und entwickeln unser Welt- und Selbstver-<br />
ständnis. Unser musikalisches, tänzerisches, szenisches Handeln ist<br />
Teil dieses lebenslangen Prozesses, <strong>in</strong> und mit dem wir unsere<br />
Weltsicht und unsere eigene, <strong>in</strong>dividuelle kulturelle Identität formen.<br />
Diese Identitäten können ästhetisch ganz verschieden ausgeprägt<br />
werden, je nach bevorzugten Stilen und ihren sozialen Kontexten<br />
und je nach der Intensität, mit der jemand Musik oder andere<br />
ästhetische Ausdrucksmittel zu e<strong>in</strong>em Teil se<strong>in</strong>es Lebens macht.<br />
Im Unterricht an der Musikhochschule begegnen uns (fast) nur<br />
solche Studierende, die sich früh so spezialisiert haben, dass ihr<br />
spezifisch künstlerisch-ästhetisches Profil den Anforderungen
unserer Eignungsprüfungen entspricht. Aber das ist e<strong>in</strong> Sonderfall.<br />
Der „Normalfall“, mit dem unsere Absolvent<strong>in</strong>nen und Absolventen<br />
später als Künstler und/oder Pädagogen zu tun haben, ist die<br />
Vielfalt unterschiedlicher Menschen, für die Musik, Theater oder<br />
Tanz auf ganz verschiedene Weise bedeutsam ist.<br />
Es liegt auf der Hand, dass sich niemand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zeitlich be-<br />
grenzten Studium diese schier unendliche kulturelle Vielfalt<br />
aneignen kann. Aufgabe von Musikunterricht – gleich, ob im<br />
K<strong>in</strong>dergarten oder <strong>in</strong> der professionellen Ausbildung an der<br />
Hochschule – ist es deshalb nicht, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Angebot die kulturelle<br />
Vielfalt möglichst vollständig abzubilden. Vielmehr geht es darum,<br />
junge Menschen nicht frühzeitig normativ e<strong>in</strong>zuengen, sondern sie<br />
zur Offenheit für diese Vielfalt zu motivieren und sie dabei zu<br />
unterstützen, ihre eigene, persönliche kulturelle Identität im<br />
Rahmen dieser Vielfalt zu entfalten. Dazu braucht es, bei den<br />
Studierenden ebenso wie bei den Lehrenden, den Mut zum<br />
Experiment mit ungewissem Ausgang, zur Offenheit für das kreative<br />
Spielen mit der Vielfalt, zum Überschreiten von vorgegebenen oder<br />
verme<strong>in</strong>tlichen Grenzen. Jedoch lässt sich solches nicht ohne<br />
weiteres planen und als Lernziel unterrichten. Förderlich ist<br />
sicherlich e<strong>in</strong> entsprechend breit gefächertes Studien- bzw.<br />
Lehrangebot, verbunden mit der Möglichkeit für die Studierenden,<br />
aus verschiedenen Angeboten ihre Schwerpunkte zu wählen. Im<br />
H<strong>in</strong>blick auf ihren späteren Beruf gilt das besonders für die<br />
Studierenden des Lehramts. Wir brauchen <strong>in</strong> der Schule weder den<br />
e<strong>in</strong>seitigen Beethoven-Spezialisten noch den ebenso e<strong>in</strong>seitigen<br />
Jazz-Adepten oder Metal-Freak, sondern aufgeschlossene Lehre-<br />
r<strong>in</strong>nen und Lehrer, die <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, ihre kulturelle Offenheit und<br />
kreative Phantasie auch <strong>in</strong> ihren Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern zu<br />
entzünden.<br />
Musik lernen<br />
Natürlich glaubt niemand an e<strong>in</strong>en „Nürnberger Trichter“ des<br />
Lernens, mit Hilfe dessen den Schülern das Wissen direkt <strong>in</strong>s<br />
Gehirn geträufelt wird. Aber traditionell s<strong>in</strong>d wir gewohnt, Lehren<br />
als das primär sprachliche Vermitteln von Wissen und Bedeutungen<br />
an die Lernenden zu sehen, die idealerweise diese Inhalte möglichst<br />
umfassend aufnehmen. Solche Vorstellungen des Lernens wurden<br />
schon zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts kritisiert: „Bedeutungen<br />
entstehen aus dem sozialen Verkehr heraus; sie s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>fach<br />
vorhanden, um anschließend ausgedrückt zu werden. Wir sollten<br />
e<strong>in</strong>sehen, dass wir dem K<strong>in</strong>d die D<strong>in</strong>ge, die es benötigt, nicht <strong>in</strong> der<br />
Art und Weise geben können, wie man e<strong>in</strong>en leeren Behälter füllt.<br />
Bedeutung muss im k<strong>in</strong>dlichen Bewusstse<strong>in</strong> über den Umgang mit<br />
anderen Personen entstehen“ (Mead 2008, S. 199).<br />
Auf den großen Entwicklungspsychologen Jean Piaget geht die<br />
Erkenntnis zurück, dass wir unser Verständnis und unsere Auffas-<br />
sung von der Wirklichkeit entwickeln und verändern, <strong>in</strong>dem wir uns<br />
handelnd mit der Welt ause<strong>in</strong>andersetzen. In der Folge orientieren<br />
sich seit etwa 20 Jahren Pädagogik, Didaktik und Lerntheorie – und<br />
mit gebührender Verzögerung auch die Musikpädagogik – zuneh-<br />
mend an der Erkenntnistheorie des Konstruktivismus: „Die Wirklich-<br />
keit, <strong>in</strong> der ich lebe, ist e<strong>in</strong> Konstrukt des Gehirns“ (Roth 1997,<br />
S. 21) 1 . „Lernen heißt Hervorbr<strong>in</strong>gen durch Selbsttätigkeit, Wahr-<br />
nehmung, Deutung und Orientierung …, heißt Entwickeln von<br />
Selbstorganisationspotenzialen …, geschieht situativ und <strong>in</strong>terak-<br />
tiv“ (Schäfer-Lembeck 2010, S. 159–162). Das ist e<strong>in</strong>e Provokation<br />
für die Rolle des Lehrenden: Im konstruktivistischen Verständnis ist<br />
er nicht mehr Vermittler von Wissen, E<strong>in</strong>stellungen und Können,<br />
sondern Gestalter von Lehrarrangements, der für die Lernenden<br />
e<strong>in</strong>e gute Lernumgebung <strong>in</strong>szeniert, ohne letztlich sicher se<strong>in</strong> zu<br />
können, dass das von ihm Gelehrte auch tatsächlich <strong>in</strong> der von ihm<br />
<strong>in</strong>tendierten Weise als Lernergebnis bei den Schülern ankommt. E<strong>in</strong><br />
solches, an der Vielfalt der <strong>in</strong>dividuellen Lernwege und -potenziale<br />
orientiertes Verständnis des Lernens und Lehrens passt gut zu dem<br />
oben skizzierten offenen Verständnis von Kultur.<br />
Vor allem für den Musikunterricht <strong>in</strong> der allgeme<strong>in</strong> bildenden<br />
Schule erweist sich die konstruktivistische Sichtweise des Lernens<br />
als große Herausforderung. Das <strong>in</strong>novative Potenzial e<strong>in</strong>es konstruk-<br />
tivistisch veränderten Blickes auf das Lernen und Lehren ist noch<br />
1 Sehr schöne Beispiele und e<strong>in</strong>e gute E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> wesentliche Aspekte<br />
e<strong>in</strong>es konstruktivistischen Verständnisses vom Musiklernen gibt Spychiger<br />
(2008).<br />
39
40 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
längst nicht ausgeschöpft – weder für den Musikunterricht an der<br />
allgeme<strong>in</strong> bildenden Schule noch für den Instrumental- und<br />
Vokalunterricht. Erste <strong>in</strong>novative Antworten geben unter anderem<br />
Unterrichtskonzeptionen, die das eigene Musizieren und musikbe-<br />
zogene Handeln der Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler als wichtigste<br />
Grundlage musikalischen Lernens <strong>in</strong> das Zentrum des Unterrichts<br />
rücken: Konstruktivistische musikdidaktische Modelle (etwa<br />
Hametner 2006), der Aufbauende Musikunterricht (Fuchs 2010,<br />
Jank/Schmidt-Oberländer 2010) und auf gewisse Weise auch<br />
verschiedene Klassenmusiziermodelle für Streicher-, Bläser- oder<br />
S<strong>in</strong>gklassen und <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> z. B. das Projekt „Prima-<br />
canta“ an den Grundschulen.<br />
Literatur:<br />
Fuchs, Mechtild: Musik <strong>in</strong> der Grundschule neu denken – neu gestalten.<br />
Theorie und Praxis e<strong>in</strong>es aufbauenden Musikunterrichts. Rum/Innsbruck,<br />
Essl<strong>in</strong>gen 2010<br />
Gauger, Jörg-Dieter (Hrsg.): Bildungsoffensive durch Neuorientierung des<br />
Musikunterrichts; Initiative „Bildung durch Persönlichkeit“, hrsg. im Auftrag<br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., St. August<strong>in</strong> 2004<br />
Hametner, Stephan: Musik als Anstiftung. Theorie und Praxis e<strong>in</strong>er systemisch-konstrukivistischen<br />
Musikpädagogik. Heidelberg 2006<br />
Jank, Werner/Schmidt-Oberländer, Gero (Hrsg.): Music Step by Step.<br />
Aufbauender Musikunterricht <strong>in</strong> der Sekundarstufe I. Rum/Innsbruck,<br />
Essl<strong>in</strong>gen 2010<br />
Kaiser, Hermann Josef, u.a.: Bildungsoffensive Musikunterricht? Das<br />
Grundsatzpapier der Konrad-Adenauer-Stiftung <strong>in</strong> der Diskussion. Regensburg<br />
2006<br />
Kant, Immanuel: Über Pädagogik (1803). In: Kant – Werke, hrsg. von Wilhelm<br />
Weischedel, Bd. 10, S. 691-761<br />
Mead, George Herbert: Philosophie der Erziehung (1910/11). Hrsg. und e<strong>in</strong>gel.<br />
von Daniel Tröhler und Gert Biesta. Bad Heilbrunn 2008<br />
Roth, Gerhard: Das Gehirn und se<strong>in</strong>e Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie<br />
und ihre philosophischen Konsequenzen. <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> 1997<br />
Schäfer-Lembeck, Hans-Ulrich: Musik lernen? In: Wallbaum, Christopher<br />
(Hrsg.): Perspektiven der Musikdidaktik : drei Schulstunden im Licht der<br />
Theorien / hrsg. von Christopher Wallbaum. - Hildesheim [u.a.] : Olms, 2010,<br />
S. 159-182<br />
Spychiger, Maria: Musiklernen als Ko-Konstruktion? Überlegungen zum<br />
Verhältnis <strong>in</strong>dividueller und sozialer Dimensionen musikbezogener Erfahrung<br />
und Lernprozesse. E<strong>in</strong>führung des Konstrukts der Koord<strong>in</strong>ation. In: Diskussion<br />
Musikpädagogik, 40/2008, S. 4-12<br />
Grundversorgung
Vom Wagnis zur Ovation:<br />
„San Giovanni Battista“ im Kloster Eberbach<br />
Das Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival lud zum zweiten Mal zu zwei Konzert- und Oratorienabenden mit Aufführenden der<br />
<strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> e<strong>in</strong> – junge Künstler meisterten schwierige Produktionsbed<strong>in</strong>gungen bravourös<br />
Mit Nils Cooper führte e<strong>in</strong> Alumnus der <strong>HfMDK</strong>, e<strong>in</strong>st Student <strong>in</strong><br />
der Opernklasse, Regie über Alessandro Stradellas „San Giovanni<br />
Battista“. Im nachfolgenden Interview lässt Nils Cooper das<br />
hochkarätige Gastspiel beim Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festival Revue<br />
passieren.<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> Welche E<strong>in</strong>drücke s<strong>in</strong>d die stärksten, die Sie mit<br />
der Produktion von „San Giovanni Battista“ verb<strong>in</strong>den?<br />
Nils Cooper Zunächst e<strong>in</strong>mal wird mir diese Produktion <strong>in</strong> sehr guter<br />
Er<strong>in</strong>nerung bleiben, da die Arbeit mit den Studierenden, mit<br />
Michael Schneider und der Hochschule hervorragend lief und große<br />
Freude gemacht hat. Nach fünf <strong>in</strong>tensiven Probenwochen waren die<br />
letzten Tage e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger „Rausch“ von viel Arbeit, wenig Zeit und<br />
noch weniger Schlaf und großen Herausforderungen, die wir – so<br />
f<strong>in</strong>de ich – gut haben meistern können.<br />
FiT Wor<strong>in</strong> bestanden die Herausforderungen?<br />
Cooper Die größte und schönste war die Basilika selbst. Der<br />
mächtige Raum mit mehr als 40 Metern Publikumstiefe stellte an<br />
uns enorme Anforderungen. Außerdem verfügte er über ke<strong>in</strong>erlei<br />
Bühnen- oder Beleuchtungstechnik. Da unsere Aufführungen Teil<br />
des Festivals waren und die Basilika fast immer belegt war, blieb<br />
uns vor der Premiere nur e<strong>in</strong> Tag, um unsere Bühne aufzubauen, sie<br />
auszuleuchten und uns auf den Raum e<strong>in</strong>zustellen. Natürlich haben<br />
wir weit im Vorfeld mit Instrumentalisten und Sängern die akus-<br />
tischen Gegebenheiten getestet; aber das gesamte Ganze erklang<br />
<strong>in</strong> der Basilika erstmals mit der Generalprobe am Vorabend der<br />
Premiere.<br />
FiT E<strong>in</strong> wagemutiges Unterfangen – sowohl für die Aufführenden<br />
als auch für den Veranstalter.<br />
Cooper In der Tat wagemutig, aber auch sehr reizvoll! Das Rhe<strong>in</strong>gau<br />
Musik Festival hatte mit anderen szenischen Produktionen, die nicht<br />
für die Basilika entwickelt worden waren, die Erfahrung gemacht,<br />
dass das Publikum <strong>in</strong> den h<strong>in</strong>teren Reihen nichts mitkriegen konnte.<br />
Es galt also Ängste abzubauen und um Vertrauen zu werben.<br />
Daraus ist e<strong>in</strong> sehr gutes Arbeitsverhältnis entstanden. Ich b<strong>in</strong> sehr<br />
erleichtert, dass das Konzept aufgegangen ist. In manchen Punkten<br />
hatten der Ausstatter Jan Meier und ich auch etwas gepokert und<br />
konnten bis zur Generalprobe nicht sicher se<strong>in</strong>, ob unser Bühnen-<br />
konzept funktioniert.<br />
FiT Wor<strong>in</strong> bestand dieses Konzept im H<strong>in</strong>blick auf den schwer<br />
bespielbaren Raum?<br />
Todesszene aus Stradellas<br />
„San Giovanni Battista“ mit den<br />
Sängern Annika Gerhards,<br />
Michael Hofstetter<br />
und Constanze Meijer.<br />
Cooper Zunächst mussten wir e<strong>in</strong>e Bühne schaffen, die es auch<br />
dem Zuschauer <strong>in</strong> der 58. Reihe ermöglicht, etwas zu sehen. Die<br />
Idee war, e<strong>in</strong>en riesigen Altar anzudeuten, auf dem wir den<br />
sperrigen biblischen Stoff von Johannes dem Täufer und se<strong>in</strong>er<br />
Enthauptung ansiedeln konnten. Dabei war klar, dass spätestens ab<br />
Reihe 20 die Mimik der Sänger nicht mehr wahrnehmbar se<strong>in</strong><br />
41
42 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
würde. Trotzdem galt es, die extremen Seelenzustände, <strong>in</strong> denen<br />
sich die Protagonisten der Oper bef<strong>in</strong>den, sichtbar zu machen. Also<br />
habe ich bei dieser Arbeit die Sänger dazu angehalten, ihren Körper<br />
sehr stark zu verwenden. Man sagt, <strong>in</strong> den Proben sei me<strong>in</strong>e<br />
Aufforderung an die Sänger „mach`s größer, größer“ zu e<strong>in</strong>em<br />
mantraartigen Appell geworden. In den fünfwöchigen Proben <strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> war es für alle Beteiligten e<strong>in</strong>e Herausforderung, auf<br />
etwas h<strong>in</strong>zuarbeiten, was sie eigentlich noch nicht kannten – näm-<br />
lich auf die ganz veränderte Atmosphäre der riesigen Basilika von<br />
Kloster Eberbach.<br />
FiT Zur Atmosphäre gehört auch die entsprechende Lichstimmung.<br />
Cooper: E<strong>in</strong> abenteuerliches Thema: Daniela Kabs und ich konnten<br />
morgens um 4 Uhr am Tag der Generalprobe mit dem E<strong>in</strong>leuchten<br />
der Bühne beg<strong>in</strong>nen. Zu dumm nur, dass uns um 6 Uhr bereits die<br />
aufgehende Sonne durch die Kirchenfenster entgegenstrahlte. So<br />
habe ich gegen das Sonnenlicht e<strong>in</strong>geleuchtet und ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />
Lichtstimmung sehen können, bevor die Generalprobe begann.<br />
FiT Wie s<strong>in</strong>d die Sänger und das Orchester mit den Herausforde-<br />
rungen dieser Produktion umgegangen?<br />
Cooper Ich b<strong>in</strong> sehr froh darüber, wie alle Beteiligten sich auf das<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>gelassen und ihr Bestes gegeben haben. Vor allem<br />
bei der Generalprobe war ihre konzentrierte Anspannung zu spüren,<br />
die sich nach der Probe <strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar Tränen entlud. Bis zur Premiere<br />
am folgenden Tag hatten sie die E<strong>in</strong>drücke so gut verarbeitet und<br />
umgesetzt, dass die Premiere e<strong>in</strong>e erneute Qualitätssteigerung<br />
zeigte. Das hälftig auf beide Seiten der Bühne aufgeteilte Orchester<br />
hatte sich rasch auf den achtsekündigen Nachhall e<strong>in</strong>gestellt. Ich<br />
habe besonders geschätzt, wie Michael Schneider als musikalischer<br />
Leiter den Studierenden und auch mir als Regisseur auf unprätenti-<br />
öse, freundliche und extrem fachkundige Art und Weise begegnet<br />
ist. Diese Art hat uns alle ermutigt, noch besser zu werden.<br />
Außerdem muss gesagt werden, dass alle Künstler von Daniela<br />
Kabs auf fantastische Art und Weise betreut worden s<strong>in</strong>d!<br />
FiT Ihrer Ansicht nach hatten Sie ja sogar zwei Premieren.<br />
Cooper F<strong>in</strong>de ich schon. Die erste Vorstellung hatte die Deutsche<br />
Bank Stiftung für ihre geladenen Gäste „gekauft“. Auch diese<br />
Zuhörer waren wahns<strong>in</strong>nig aufmerksam und haben unsere Arbeit<br />
herzlich gewürdigt. Die zweite Vorstellung war öffentlich, es kamen<br />
Freunde, Fans und Fachpublikum. Dieser Abend war von e<strong>in</strong>er ganz<br />
anderen Stimmung geprägt – es schwirrte etwas im Raum,<br />
feierlich-erwartungsvoll.<br />
FiT Als Regisseur dieser Inszenierung s<strong>in</strong>d sie an die Hochschule<br />
„zurückgekehrt“. Was g<strong>in</strong>g Ihnen dabei durch den Kopf?<br />
Cooper: Für mich war es menschlich berührend, dorth<strong>in</strong> als<br />
Regisseur zurückzukehren, wo ich vor e<strong>in</strong>em Jahrzehnt als „Figaro“<br />
zum ersten Mal selber auf der Bühne stand. Vor allem aber war ich<br />
positiv überrascht über den gewachsenen Standard und das<br />
professionelle Können <strong>in</strong> der Gesangsabteilung – da ist seitdem<br />
Enormes geleistet worden.<br />
FiT In welcher H<strong>in</strong>sicht?<br />
Cooper Me<strong>in</strong>er Ansicht nach wird heute viel genauer und zielgerich-<br />
teter gearbeitet als zur Zeit me<strong>in</strong>es Gesangsstudiums. Damit me<strong>in</strong>e<br />
ich vor allem das Bemühen, die Studierenden so zu professionali-<br />
sieren, dass sie später mit großen Chancen <strong>in</strong> Arbeit und Brot<br />
kommen, also Sie zu Persönlichkeiten zu formen, die dem Anspruch<br />
der Realität <strong>in</strong> der Konzert- und Opernwelt gewachsen s<strong>in</strong>d.<br />
FiT Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe befasst sich mit dem<br />
Spannungsfeld „zwischen Tradition und Innovation“. Wie würden<br />
Sie die Stradella-Produktion <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>ordnen?
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2 TRADITION und INNOVATION<br />
Cooper Ich mag den Begriff „Innovation“ im Theater nicht. Es soll<br />
nicht darum gehen, etwas Neues zu „erf<strong>in</strong>den“. Was ich viel<br />
spannender f<strong>in</strong>de, ist die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Zeit, <strong>in</strong> der<br />
man lebt. Mit Stradella hatte ich mich mit e<strong>in</strong>em fast 2000 Jahre<br />
alten Stoff und e<strong>in</strong>er fast 400 Jahre alten Musik zu beschäftigen<br />
und damit e<strong>in</strong>e große Tradition fortzusetzen. Ich habe mich gefragt,<br />
was ich tun kann, um <strong>in</strong> den Zuschauern von heute etwas auszu-<br />
lösen. Ich hatte das Glück, mit „Giovanni“ Themen berühren zu<br />
können, die auch heute hochaktuell s<strong>in</strong>d: Identität, Schuld und<br />
Entfremdung von sich selber, S<strong>in</strong>nhaftigkeit überhaupt. Es war für<br />
mich spannend, diese Themen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em uralt-archaischen Raum,<br />
der Basilika, zu <strong>in</strong>szenieren, und ich habe dies ebenfalls mit teils<br />
alten Formen getan, <strong>in</strong> dem ich ikonografische Darstellungen <strong>in</strong> die<br />
Gestik der Darsteller habe e<strong>in</strong>fließen lassen. Ich möchte so arbeiten,<br />
dass ich mit den Darstellern geme<strong>in</strong>sam mit Zärtlichkeit, Genauig-<br />
keit, Vorsicht und mit grossem Respekt vor dem Publikum Momente<br />
schaffe, die es jedem Zuschauer ermöglichen, während der<br />
Aufführung se<strong>in</strong> ganz persönliches Erlebnis zu haben. Und wenn<br />
man den Begriff „<strong>in</strong>novativ“ dann doch noch bemühen möchte,<br />
bedeutet er für mich: <strong>in</strong> der anonymen Welt von heute Inseln zu<br />
schaffen, <strong>in</strong> der man sich als Mensch erleben kann. bjh<br />
L<strong>in</strong>ks: Michael Schneider<br />
(musikalische Leitung) und<br />
Nils Cooper (Regie)<br />
im Dialog vor der Generalprobe<br />
<strong>in</strong> Kloster Eberbach.<br />
Die Vorbereitungen erstreckten sich über anderthalb Jahre und<br />
das Ziel war hochgesteckt: Nach Monteverdis „L´Orfeo“ im<br />
Jahr 2007 präsentierte die <strong>HfMDK</strong> im August dieses Jahres<br />
mit Alessandro Stradellas Oratorium „San Giovanni Battista“<br />
zum zweiten Mal e<strong>in</strong>e szenische Arbeit im Kloster Eberbach.<br />
Im Rahmen des Rhe<strong>in</strong>gau Musik Festivals sangen und<br />
musizierten Künstler der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> der Basilika der Klosteran-<br />
lage und ernteten mit zwei Vorstellungen überzeugendes Lob.<br />
„Es war schon e<strong>in</strong> Traum, solch e<strong>in</strong>e Produktion <strong>in</strong> der<br />
vorlesungsfreien Zeit zu haben“, resümiert Produktionsleiter<strong>in</strong><br />
Daniela Kabs, Leiter<strong>in</strong> des Künstlerischen Betriebsbüros (KBB)<br />
an der <strong>HfMDK</strong>, die Endphase der Inszenierung, die auch sie<br />
vor deutlich größere logistische Herausforderungen gestellt<br />
habe als die meisten anderen Produktionen, die im Laufe e<strong>in</strong>es<br />
Jahres im KBB gestemmt werden. Dass der anfängliche<br />
Begriff von der „halbszenischen Aufführung“ – also e<strong>in</strong><br />
Konzert <strong>in</strong> Kostümen - nichts mehr mit der m<strong>in</strong>utiös durch<strong>in</strong>-<br />
szenierten Darbietung am Ende der Vorbereitung zu tun haben<br />
würde, wurde bald klar, als Regisseur Nils Cooper und der für<br />
die Ausstattung verantwortliche Jan Meier mit ihrer Umset-<br />
zung begannen. Insgesamt fünf Wochen dauerte die Proben-<br />
phase bis zur Premiere. Drei atmosphärisch edle Wandelkon-<br />
zerte mit Kammermusikensembles von Lehrenden und<br />
Studierenden g<strong>in</strong>gen an beiden Abenden den Stradella-Auf-<br />
führungen im Kloster Eberbach voraus. Klar def<strong>in</strong>ierte<br />
Kompetenzbereiche, wachsendes Vertrauen zwischen den<br />
Produktionspartnern und hohe Professionalität auch auf der<br />
Seite des Festivals nennt Daniela Kabs als Merkmale der<br />
gesamten Produktion. E<strong>in</strong>zig schade blieb, dass angesichts der<br />
Semesterferien die Hochschulöffentlichkeit so wenig von „San<br />
Giovanni“ mitbekam und se<strong>in</strong>e Früchte ausschließlich im<br />
Rhe<strong>in</strong>gau geerntet wurden. Für Daniela Kabs fügt sich die<br />
Inszenierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e immer ausgeprägtere Professionalisierung<br />
der Hochschule. Als zugleich für die <strong>HfMDK</strong>-Künstlerbörse<br />
Verantwortliche beobachtet sie, wie stark die Anfragen<br />
externer Veranstalter für Solisten oder Ensembles der<br />
Hochschule zugenommen haben. „Die Hochschule ist als<br />
Veranstalter längst ke<strong>in</strong> Geheimtipp mehr. Und dass sie als<br />
Künstlerbörse zu e<strong>in</strong>er gefragten Anlaufstelle geworden ist,<br />
macht nicht nur die Hochschule bekannter: Ihre Studierenden<br />
bekommen durch sie professionelle Auftrittsmöglichkeiten, die<br />
ke<strong>in</strong> Vorspiel <strong>in</strong> der Hochschule <strong>in</strong> dieser Form ersetzen kann.“<br />
bjh<br />
43<br />
E<strong>in</strong> Traum von Produktion
44 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Jahresbericht 2010<br />
der Gesellschaft der Freunde und Förderer<br />
der Hochschule für Musik und Darstellende<br />
Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V.<br />
Die Gesellschaft der Freunde und Förderer (GFF) der Hochschule für<br />
Musik und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong> e.V. unterstützt<br />
die Hochschule dabei, ihre guten Beziehungen zu Spender<strong>in</strong>nen<br />
und Spendern, Sponsoren und Kooperationspartnern <strong>in</strong> der Region<br />
zu pflegen und auszubauen.<br />
Am 31. 12. 2010 verzeichnete der Vere<strong>in</strong> 146 Mitgliedschaften,<br />
darunter 119 Privatmitglieder <strong>in</strong>klusive Familienmitgliedschaften<br />
und 27 Unternehmensmitgliedschaften. Das bedeutet e<strong>in</strong>en<br />
Zuwachs im Jahr 2010 um 33 Privatmitgliedschaften und zwei<br />
Unternehmensmitglieder. Zwei Privatmitglieder und e<strong>in</strong> Firmenmit-<br />
glied schieden zum Jahresende aus.<br />
Den Vorstand bilden Dr. Clemens Börsig (Vorsitzender), Wolfgang<br />
Kirsch (stellvertretender Vorsitzender) und Thomas Rietschel<br />
(Beisitzer). Der Vorstand wurde von der Mitgliederversammlung am<br />
10. 5. 2010 für weitere drei Jahre im Amt bestätigt.<br />
Beratendes Gremium des Vorstands ist das Kuratorium. Ihm<br />
gehören an: Prof. Gerd Albrecht (Dirigent), Prof. He<strong>in</strong>er Goebbels<br />
(Komponist), Dr. Gerhard Hess (Rechtsanwalt/ Notar a.D.), Bernd<br />
Loebe (Intendant der Oper <strong>Frankfurt</strong>), Andreas Mölich-Zebhauser<br />
(Intendant des Festspielhauses Baden-Baden), Prof. Felix Semmel-<br />
roth (Dezernent für Kultur und Wissenschaft der Stadt <strong>Frankfurt</strong>),<br />
Prof. Dr. Maria Spychiger (Vizepräsident<strong>in</strong> der <strong>HfMDK</strong>), Thomas<br />
Rietschel (Präsident der <strong>HfMDK</strong>) und Ruth Wagner (Staatsm<strong>in</strong>iste-<br />
r<strong>in</strong> a.D.). Neue Mitglieder seit 2010 s<strong>in</strong>d Gerhard Hess, Felix<br />
Semmelroth, Ruth Wagner und Maria Spychiger, die den ehema-<br />
ligen Vizepräsidenten der <strong>HfMDK</strong>, Michael Schneider, ablöst.<br />
Im Jahr 2010 fanden vier Vorstandssitzungen, am 9. 2., 10. 5.,<br />
13. 7. und 17. 11. statt.<br />
Folgende Fördermaßnahmen wurden beschlossen:<br />
1. Unterstützung der Produktion „Mond.F<strong>in</strong>sternis.Asphalt“<br />
(50.000 Euro)<br />
Die GFF förderte die erste Produktion e<strong>in</strong>es zeitgenössischen<br />
Musiktheaters der <strong>HfMDK</strong>. „Mond.F<strong>in</strong>sternis.Asphalt“ wurde im<br />
Bockenheimer Depot uraufgeführt und anschließend noch zweimal<br />
gespielt.<br />
2. Instrumente (41.672 Euro)<br />
Mit e<strong>in</strong>em Fagott und e<strong>in</strong>em Piccolo-Cello verbesserte die GFF die<br />
Ausstattung der Hochschule mit hochwertigen und besonderen<br />
Instrumenten.<br />
3. Starterstipendien (24.000 Euro)<br />
Zehn hochbegabte Studienanfänger aus den Ausbildungsbereichen<br />
Gesang, Tanz, Schauspiel, Musikpädagogik und Instrumentalausbildung<br />
erhielten e<strong>in</strong> Stipendium <strong>in</strong> Höhe von 200 Euro pro Monat.<br />
4. Gastprofessur für den Ausbildungsbereich Schauspiel und<br />
Regie (25.000 Euro)<br />
Die Gastprofessur 2010 teilten sich Birgit M<strong>in</strong>ichmayr und<br />
Udo Samel. M<strong>in</strong>ichmayr arbeitete mit den Schauspielstudierenden<br />
des 3. Semesters, Samel mit den Studierenden des 6. Semesters.<br />
5. Stipendien für ausländische Studierende (10.000 Euro)<br />
Die GFF stellte 10.000 Euro für sozial bedürftige ausländische<br />
Studierende zur Verfügung. Die Summe verdoppelte der Deutsche<br />
Akademische Austauschdienst im Stipendienprogramm „Stibet III“<br />
auf 20.000 Euro.<br />
6. Orchestrierung der Konzertexam<strong>in</strong>a (11.340 Euro)<br />
Die Schlagzeuger<strong>in</strong> Agnieszka Koprowska-Born, die Geiger<strong>in</strong> Ana<br />
Feitosa und die Cellisten Matthias Wilde und Claude Frochaux<br />
stellten sich für ihr Prüfungskonzert im „Konzertexamen“ e<strong>in</strong><br />
Orchester zusammen.<br />
7. Gastdirigat beim Hochschulorchester (5.000 Euro)<br />
Zum zweiten Mal ermöglichten die Freunde und Förderer das<br />
Engagement e<strong>in</strong>es Gastdirigenten für e<strong>in</strong>e Arbeitsphase mit<br />
dem Hochschulorchester. Krzysztof Penderecki arbeitete vom<br />
17.–22. Mai mit dem Orchester.<br />
8. Workshops (5.150 Euro)<br />
Die GFF unterstützte e<strong>in</strong> mentales Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für Sänger<strong>in</strong>nen und<br />
Sänger und e<strong>in</strong>en Gesangsworkshop mit Kammersänger Kurt Moll<br />
für zehn hervorragende Gesangsstudierende der höheren Semester.<br />
9. B.I.D.E. Barcelona International Dance Exchange 2010<br />
(1.400 Euro)<br />
Vier Studierende des Masterstudiengangs Zeitgenössische<br />
Tanzpädagogik erhielten Stipendien für ihre Teilnahme an B.I.D.E.<br />
2010.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
10. Maritime Rites (5.000 Euro)<br />
Am 19.6.2010 führte die <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> Kooperation mit vielen<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Institutionen und mit e<strong>in</strong>hundert Musikern die „Maritime<br />
Rites“ von Alv<strong>in</strong> Curran an den <strong>Frankfurt</strong>er Ma<strong>in</strong>ufern auf.<br />
11. Opernprojekt Zaide (6.600 Euro)<br />
Die verlorengegangen Dialoge und die Melologe der Oper Zaide von<br />
W.A. Mozart hat Feridun Zaimoglu neu geschrieben. Aufgeführt<br />
wurde die Oper beim Zeltfestival Merzig und beim Höchster<br />
Schlossfest <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>.<br />
12. „wie sie, wenn sie“ von L<strong>in</strong>a L<strong>in</strong>dheimer (2.000 Euro)<br />
Abschluss<strong>in</strong>szenierung von L<strong>in</strong>a L<strong>in</strong>dheimer, Studierende des<br />
Master-Studiengangs „Choreographie und Performance”. Drei<br />
Aufführungen im <strong>Frankfurt</strong> LAB und der TiL-Studiobühne, Giessen.<br />
13. Reisekostenübernahme für Wettbewerbsteilnahme<br />
(239 Euro)<br />
Die frühere Starterstipendiat<strong>in</strong> Annika Gerhards nahm im November<br />
am Bundeswettbewerb Gesang <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> teil. Sie errang den 3. Preis<br />
im Juniorwettbewerb.<br />
Daneben gab es zweckbestimmte Zuwendungen für die Neue<br />
Musik Nacht 2010 und das Schulprojekt Response <strong>in</strong> Höhe von<br />
8.300 Euro.<br />
F<strong>in</strong>anzen 2010<br />
Die GFF hatte im Geschäftsjahr 2010 E<strong>in</strong>nahmen <strong>in</strong> Höhe von<br />
221.734 Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus Mitgliedsbeiträgen<br />
<strong>in</strong> Höhe von 29.150 Euro, Zuwendungen <strong>in</strong> Höhe von<br />
190.829 Euro und Erträgen aus Z<strong>in</strong>sen von 1.755 Euro.<br />
Die Ausgaben beliefen sich auf 205.227 Euro. Hiervon entfielen<br />
195.700 Euro auf Fördermaßnahmen, 7.467 Euro auf Mitgliederwerbung<br />
bzw. -veranstaltungen und 2.060 Euro auf Verwaltungskosten.<br />
Aus den im Vorjahr gebildeten Rücklagen <strong>in</strong> Höhe von<br />
57.725 Euro wurden im Jahr 2010 30.700 Euro für e<strong>in</strong>en Instrumentenkauf<br />
aufgelöst. Im Gegenzug wurden <strong>in</strong> 2010 neue Rücklagen<br />
von <strong>in</strong>sgesamt 19.800 Euro für zwei Projekte und die Anschaffung<br />
e<strong>in</strong>es weiteren Instruments gebildet. Die zweckgebundenen<br />
Rücklagen betragen zum Jahresende 46.825 Euro.<br />
Die Freunde und Förderer bei<br />
ihrem Jahrestreffen am<br />
31. Mai im Kle<strong>in</strong>en Saal der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Das Guthaben des Vere<strong>in</strong>s belief sich am 31.12. 2010 auf<br />
282.227 Euro. Das Vere<strong>in</strong>sergebnis 2010 ist e<strong>in</strong> Überschuss von<br />
16.507 Euro beziehungsweise nach den beschriebenen Veränderungen<br />
<strong>in</strong> den Rücklagen e<strong>in</strong> Überschuss von 27.407 Euro.<br />
Unterstützung der Freunde und Förderer für Projekte des<br />
Fördervere<strong>in</strong>s:<br />
45<br />
• Die Deutsche Bank AG förderte die Projekte der GFF mit mehreren<br />
Zuwendungen.<br />
• Die DZ BANK Stiftung, die Con Moto Foundation und Rolf und<br />
Beatrix W<strong>in</strong>dmöller übernahmen mehrere Starterstipendien.<br />
• Kather<strong>in</strong>e Fürstenberg-Raettig und Lutz Raettig luden zum<br />
Hauskonzert e<strong>in</strong>.<br />
• Privatpersonen und die Unternehmensmitglieder AKA Ausfuhrkreditgesellschaft,<br />
Albert und Barbara von Metzler-Stiftung,<br />
DZ BANK, Deutsche Bank, KPMG, Messe <strong>Frankfurt</strong>, Sparkassenund<br />
Giroverband Hessen-Thür<strong>in</strong>gen, Union Investment Stiftung<br />
und VR-LEASING spendeten für das zeitgenössische Musiktheater<br />
Mond.F<strong>in</strong>sternis.Asphalt.<br />
• Private Freunde und Förderer und Unternehmensmitglieder<br />
unterstützten den Stipendienfonds für ausländische Studierende.<br />
• Weitere Mitglieder erhöhten ihren jährlichen Mitgliedsbeitrag oder<br />
baten bei privaten Feiern um Spenden anstelle von Geschenken.<br />
• Die GFF erhielt e<strong>in</strong>e größere Zuwendung aus e<strong>in</strong>em Nachlass.<br />
Unterstützung der Freunde und Förderer für Hochschulprojekte:<br />
• Dr. Bernhard und Elke Scheuble vergaben 2010 zum dritten Mal<br />
das mit 10.000 Euro ausgestattete Bernhard Scheuble-Stipendium<br />
für exzellente Studienvorhaben im Ausland.<br />
• Birgit Pennekamp und Peter Meier unterstützten zwei Fagottisten<br />
mit e<strong>in</strong>em monatlichen Stipendium zum Lebensunterhalt.<br />
• Die DZ Bank AG war Sponsor des <strong>HfMDK</strong> Jazzfest 2010.<br />
• Die con moto foundation fördert das „Schulprojekt Response“.<br />
• Viele Förderer halfen mit ihrer Expertise, machten Lobbyarbeit für<br />
den Umzug der <strong>HfMDK</strong> nach Bockenheim, öffneten Türen <strong>in</strong> die<br />
eigenen Netzwerke oder zu neuen Förderern.<br />
• Freunde und Förderer engagierten Studierende über die Künstlerbörse<br />
der <strong>HfMDK</strong> zu privaten Festen und für Veranstaltungen von<br />
Unternehmen und Verbänden.
46 <strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Mitgliederb<strong>in</strong>dung / <strong>in</strong>terne und externe Kommunikation<br />
Die Freunde und Förderer der Hochschule wurden über alle<br />
Vere<strong>in</strong>saktivitäten <strong>in</strong>formiert. Neben persönlichen E<strong>in</strong>ladungen zu<br />
Aufführungen und Informationen zu besonderen Hochschulereignis-<br />
sen erhielten sie das Hochschulmagaz<strong>in</strong> „<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>“ und den<br />
E-Newsletter der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Die „Kunstübungen“ s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e exklusive Kooperation von Hochschu-<br />
le und Gesellschaft der Freunde und Förderer. Am 21. Januar 2010<br />
präsentierte sich mit „Musiklehrer fallen nicht vom Himmel“ <strong>in</strong> den<br />
3. Kunstübungen der Ausbildungsbereich Musikpädagogik.<br />
„Ich s<strong>in</strong>ge wie der Vogel s<strong>in</strong>gt…“, die 4. Kunstübungen, richtete die<br />
Gesangsabteilung am 18. November aus. Dieser Blick auf die<br />
Ausbildungsarbeit der <strong>HfMDK</strong> ist beliebt, und es kommen durch-<br />
schnittlich 50 bis 70 Besucher zu jeder Veranstaltung.<br />
Über den Fördervere<strong>in</strong> berichtet wurde <strong>in</strong> den Hochschulmedien<br />
„<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong>“ und „O-Töne“ und auf den Webseiten der<br />
Hochschule und der GFF. Die Informationsbroschüre der GFF lag<br />
bei den Hochschulkonzerten aus und wurde an zahlreiche Interes-<br />
senten verschickt. Multiplikatoren aus Politik und Gesellschaft,<br />
Medienvertreter sowie die Lehrenden und Mitarbeiter der <strong>HfMDK</strong><br />
erhielten E<strong>in</strong>ladungen zur Jahresfeier der GFF, zu den Kunstü-<br />
bungen und zu besonderen Aufführungen wie Workshops und<br />
Generalproben.<br />
Die Hochschulöffentlichkeit und ihre Gremien wurden regelmäßig<br />
zu den Planungen und Aktivitäten der GFF <strong>in</strong>formiert.<br />
Ausblick 2011<br />
Fundrais<strong>in</strong>g und Mitgliederwerbung<br />
Für das Jahr 2011 gelten als drei Schwerpunkte der Vere<strong>in</strong>sarbeit<br />
1. die Unterstützung der Lehre, 2. die Förderung künstlerischer<br />
Projekte mit großer Ausstrahlung und 3. der Ausbau des Stipendi-<br />
enangebots der <strong>HfMDK</strong>. Hierzu sollen die Mitgliederbasis zum<br />
31.12.2011 auf 140 persönliche Mitglieder und 35 Unternehmens-<br />
mitgliedschaften ausgebaut und die Spendene<strong>in</strong>nahmen gesteigert<br />
werden. Neben freien Zuwendungen wirbt die GFF wieder zweckge-<br />
bundene Spenden e<strong>in</strong>, unter anderem für das Starter- und das<br />
Deutschland-Stipendium und für das DAAD-Stipendienprogramm<br />
für ausländische Studierende.<br />
Über 2011 h<strong>in</strong>aus engagiert sich die GFF für zwei weitere <strong>HfMDK</strong>-<br />
Meilenste<strong>in</strong>e: 2013 feiert die Hochschule den 75. Jahrestag ihrer<br />
Gründung. Dieses Jubiläum und der ab 2015 geplante Umzug der<br />
<strong>HfMDK</strong> zum Kulturcampus Bockenheim s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> besonderer Weise<br />
dafür geeignet, die Förder-Aktivitäten der GFF weiter auszubauen.<br />
Kunstübungen<br />
Die 5. „Kunstübungen“ f<strong>in</strong>den am 7. Dezember statt. Prof. Susanne<br />
Stoodt <strong>in</strong>formiert mit Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen zur Ausbildung der<br />
Jungstudierenden an der <strong>HfMDK</strong>.<br />
Bewilligte Förderprojekte (Stand 30. 4. 2011)<br />
2011 wurden bis Ende April 25.500 Euro für folgende Förderanträ-<br />
ge bewilligt:<br />
• „Arrangieren und Ensemblearbeit“ – e<strong>in</strong> Kooperationsprojekt von<br />
L3-Studierenden und Gymnasiasten (Antrag Prof. Ralph Abele<strong>in</strong>)<br />
• Workshop mit Andrew York im Symposium „Die Gitarre im<br />
Unterricht“ (Antrag Prof. Christopher Brandt)<br />
• „farben der frühe“, Klavierzyklus für sieben Instrumente von<br />
Mathias Spahl<strong>in</strong>ger (Antrag Dr. Julia Cloot)<br />
• Meisterkurs Barockgesang mit Kai Wessel und Gesangsworkshop<br />
mit Mart<strong>in</strong> Kränzle (Anträge Prof. Hedwig Fassbender)<br />
• Austauschprojekt der Gesangsabteilung mit der Musikhochschule<br />
Budapest (Antrag Jürgen Esser, Lehrbeauftragter)<br />
• „Re-Cherche. Aufnahme“ – e<strong>in</strong> künstlerisch-wissenschaftliches<br />
Rechercheprojekt <strong>in</strong> Polen (Antrag: Jan-Tage Kühl<strong>in</strong>g, Studieren-<br />
der im 3. Semester Regie)<br />
• Kauf der Software „Observer“ für wissenschaftliche Beobach-<br />
tungsstudien (Antrag Prof. Dr. Maria Spychiger).<br />
Auch 2011 erhalten zehn Starterstipendiaten <strong>in</strong>sgesamt 24.000<br />
Euro. Für das Stipendien-programm STIBET III für ausländische<br />
Studierende stellt die GFF 15.000 Euro zur Verfügung, die vom<br />
DAAD verdoppelt werden.<br />
Stipendiaten und Stipendiengeber lernten sich beim<br />
Jahrestreffen der Freunde und Förderer persönlich<br />
kennen – hier der Förderer Gerhard Müller im Gespräch<br />
mit der Sopranist<strong>in</strong> Mar<strong>in</strong>a Unruh.<br />
Die Gastprofessur von Susanne Wolff (Deutsches Theater <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>)<br />
im Ausbildungsbereich Schauspiel, die Arbeit des Generalmusikdi-<br />
rektors der Oper <strong>Frankfurt</strong>, Sebastian Weigle, mit dem Hochschul-<br />
orchester, die Orchestrierung der öffentlichen Abschlussprüfungen<br />
im Konzertexamen und der Masterstudiengang zeitgenössische<br />
Tanzpädagogik (MaZTP) werden mit 85.000 Euro gefördert.<br />
Zweckbestimmt haben Spender für e<strong>in</strong>e Studienreise der Schau-<br />
spieler des 6. Semesters und für das Stipendium e<strong>in</strong>er Gesangsstu-<br />
dierenden 5.300 Euro gespendet.
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Oben: Studierende und Dozenten der Ballettabteilung 1995/1996<br />
50 Jahre TANZausbildung<br />
Mit der E<strong>in</strong>gliederung e<strong>in</strong>er Privatschule begann im W<strong>in</strong>tersemester 1961 die Erfolgsgeschichte des Zeitgenös-<br />
sischen und Klassischen Tanzes (ZuKT) an der <strong>HfMDK</strong><br />
Von Prof. Dieter Heitkamp, Ausbildungsdirektor Zeitgenössischer<br />
und Klassischer Tanz<br />
ZuKT verb<strong>in</strong>det Tradition mit Innovation und hat im Oktober 2011<br />
Grund zum Feiern. Die Tanzabteilung der <strong>HfMDK</strong> wird 50 Jahre jung.<br />
Es ist sehr viel <strong>in</strong> Bewegung gesetzt worden seit der Gründung der<br />
Tanzabteilung im Jahre 1961. Mit Freude, Dankbarkeit und Stolz<br />
blicken wir zurück, spüren den Resonanzen nach, bauen auf den<br />
Erfahrungen auf, gestalten die Gegenwart und schauen mutig nach<br />
vorn. Der nachfolgende Text skizziert die wichtigsten Entwicklungsschritte<br />
der <strong>HfMDK</strong>-Tanzabteilung.<br />
1961–1980<br />
Im W<strong>in</strong>tersemester 1961 wurde die Privatschule von Tatjana<br />
Fickelscher-Luhowenko <strong>in</strong> die Hochschule <strong>in</strong>tegriert und <strong>in</strong>stitutionalisiert.<br />
Der Aufbau und die Ausrichtung der Tanzabteilung<br />
während der ersten 19 Jahre wurden durch den Leiter Prof. Peter<br />
Ahrenkiel (Klassischer Tanz) und die Dozent<strong>in</strong>nen Prof. Tatjana<br />
Fickelscher-Luhowenko (Klassischer Tanz), Prof. Brigitte Mietzner-<br />
Sommer (Folklore Tanz, Klassischer Tanz für K<strong>in</strong>der) und Prof.<br />
Marianne Seippel-Schöner (Moderner und Freier Tanz) geprägt.<br />
Um 1970 kam e<strong>in</strong>e Tanzpädagogen-Ausbildung h<strong>in</strong>zu.<br />
Ab 1969 kooperierte die Tanzabteilung mit dem Ballett der<br />
Städtischen Bühnen (Direktion John Neumeier, 1969-1973) beim<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsleiter Ray Barra („Bühnenklasse“). Die<br />
Kooperation wurde unter der Ballettdirektion von Alfonso Catà<br />
(1973-1976) mit den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsleitern Kent Stowell und Francia<br />
Russell fortgesetzt. Das Studium schloss mit e<strong>in</strong>er „Künstlerischen<br />
Reifeprüfung Tanz“ ab. Studierende hatten die Möglichkeit, <strong>in</strong><br />
Ballettproduktionen der Oper <strong>Frankfurt</strong> und des Staatstheaters<br />
Darmstadt zu tanzen. Es entwickelte sich e<strong>in</strong>e enge Arbeitsbeziehung<br />
mit der K<strong>in</strong>derballettschule des Dr. Hoch’s Konservatorium.<br />
47<br />
1980–1998<br />
1980 übernahm Prof. Egbert Strolka die Leitung der Ballettabteilung.<br />
Er entwickelte geme<strong>in</strong>sam mit den Dozenten Prof. Susanne<br />
Noodt (Internationale Folklore, Moderner Tanz), Prof. Russell Falen<br />
(Klassischer Tanz), Prof. Angela Schmidt (ab 1986, Klassischer Tanz)<br />
sowie den Korrepetitoren und Lehrbeauftragten das Ausbildungskonzept<br />
weiter. Die zweite Entwicklungsphase der Tanzabteilung<br />
war ge- kennzeichnet durch die Verfe<strong>in</strong>erung der Vermittlung des<br />
Klassischen Tanzes, die vermehrte E<strong>in</strong>beziehung Moderner Tanztechniken,<br />
die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>ternational renommierter Gastdozenten<br />
und die Öffnung für Entwicklungen aus der Freien Tanzszene.
48 TRADITION und INNOVATION<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Choreographen wie Mauricio Wa<strong>in</strong>rot, Royston Maldoom, Anna<br />
Markard, Anne Wooliams, Tsutomu Ben Ida, Günter Pick, Stefan<br />
Haufe, Dick O‘Swanborn, Dieter Heitkamp und Lothar Höfgen<br />
studierten Stücke e<strong>in</strong> oder schufen neue Choreographien mit den<br />
Studierenden. Neu e<strong>in</strong>gerichtet wurde der Aufbaustudiengang<br />
Tanz- und Bühnentanzpädagogik. 1985 erfolgte die Gründung der<br />
„Jungen Ballettkompanie Hessen“. Die Studierenden wirkten <strong>in</strong><br />
vielen Ballettproduktionen der Städtischen Bühnen <strong>Frankfurt</strong> und<br />
der Staatstheater <strong>in</strong> Wiesbaden und Ma<strong>in</strong>z mit. Jährliche Auffüh-<br />
rungsreihen fanden zunächst im Theater am Turm, dann im<br />
Staatstheater Wiesbaden und nach dem Umzug 1990 <strong>in</strong> den<br />
Neubau der <strong>HfMDK</strong> <strong>in</strong> der Eschersheimer Landstrasse im Kle<strong>in</strong>en<br />
Saal der Hochschule statt.<br />
Ab 1998<br />
Durch den Übergang von zwei Professoren <strong>in</strong> den Ruhestand und<br />
den Diskussionsverlauf der Studienstrukturreform drohte die<br />
Schließung der Ballettabteilung. Diese konnte durch<br />
den <strong>in</strong>tensiven Widerstand des Kollegiums mit Unterstützung<br />
weiterer Dozenten erfolgreich abgewendet werden. Dieter Heitkamp<br />
(Tanzfabrik Berl<strong>in</strong>) erhielt e<strong>in</strong>e Vertretungsprofessur für die durch<br />
den Weggang von Prof. Strolka frei gewordene Stelle. Das neu<br />
gebildete Leitungsteam, bestehend aus den Professoren Dieter<br />
Heitkamp, Susanne Noodt, Angela Schmidt, James Schar (künstlerischer<br />
Mitarbeiter) und Marc Spradl<strong>in</strong>g (<strong>Frankfurt</strong> Ballett / 2000<br />
Die Festzeitschrift 50 Jahre Tanzausbildung<br />
lädt auf 108 Seiten <strong>in</strong> 8 Kapiteln und<br />
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fax 069 154007–108<br />
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und e<strong>in</strong>e Rechnung.<br />
Vertretungsprofessur für Klassischen Tanz), entwickelte e<strong>in</strong> neues<br />
Ausbildungskonzept. Die Ballettabteilung wurde <strong>in</strong> den Ausbildungsbereich<br />
Zeitgenössischer und Klassischer Tanz (ZuKT)<br />
umgewandelt. Das Theorieangebot wurde erweitert, Körperbewusstheitsmethoden<br />
<strong>in</strong>s Curriculum aufgenommen und zusätzlich<br />
zur bestehenden Ausrichtung auf Klassischen Tanz e<strong>in</strong> weiterer<br />
Schwerpunkt auf Zeitgenössichen Tanz gelegt. 1999 erhielt William<br />
Forsythe e<strong>in</strong>e Honorarprofessur.<br />
Es entwickelte sich e<strong>in</strong>e rege und sehr fruchtbare Arbeitsbeziehung<br />
mit dem Ballett <strong>Frankfurt</strong>, die mit The Forsythe Company weiter<br />
ausgebaut wird. Auch mit anderen Theatern, Tanzensembles und<br />
Choreographen aus der Freien Tanzszene hat sich e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher<br />
Austausch entwickelt. 2001 wurde Prof. Dieter Heitkamp zum<br />
Direktor des Ausbildungsbereichs ZuKT gewählt.<br />
Das Jahr 2007 war der Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er weiteren Entwicklungsphase<br />
der Tanzabteilung. Das Studienprogramm des Diplomstudiengangs<br />
Bühnentanz wurde erneut komplett überabeitet und der Bachelorstudiengang<br />
ZuKT_BAtanz e<strong>in</strong>geführt. Mit Unterstützung von<br />
Tanzlabor_21/ E<strong>in</strong> Projekt von Tanzplan Deutschland wurden zwei<br />
neue Masterstudiengänge e<strong>in</strong>gerichtet: Der MAztp für Zeitgenössische<br />
Tanzpädagogik und der MA CuP für Choreographie<br />
und Performance <strong>in</strong> Kooperation mit dem Institut für Angewandte<br />
Theaterwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen.<br />
Foto:<br />
Valent<strong>in</strong> Fanel
Fit for stage<br />
Die Sopranist<strong>in</strong> Ursula Targler-Sell ist seit Februar 2011<br />
Professor<strong>in</strong> für Gesang an der <strong>HfMDK</strong><br />
Von Prof. Ursula Targler-Sell<br />
Alles f<strong>in</strong>g an, wie man es eben so kennt: Im Vorschulalter machte<br />
ich e<strong>in</strong>e steile Karriere beim Weihnachtskrippenspiel, während der<br />
Schulzeit war ich immer diejenige, die bei Festakten dem jeweiligen<br />
M<strong>in</strong>isterpräsidenten (sprich Landeshauptmann; ich stamme aus<br />
Österreich) oder Kard<strong>in</strong>al e<strong>in</strong> Ständchen im Dirndlkleid brachte, und<br />
der Kirchenchor me<strong>in</strong>er Heimatgeme<strong>in</strong>de Laxenburg bei Wien<br />
ermunterte mich bereits als Teenager zu regelmäßiger solistischer<br />
Äußerung. Klavierunterricht seit dem fünften Lebensjahr tat e<strong>in</strong><br />
Übriges, um mich der Musik verfallen zu lassen. Dessen ungeachtet<br />
me<strong>in</strong>te ich, nach der Matura Mediz<strong>in</strong> an der Universität Wien<br />
studieren zu müssen. Sehr bald kamen die Studien „Gesangspädagogik“<br />
und „Stimmbildung“ (Sologesang) an der Wiener Musikhochschule<br />
dazu und verdrängten schließlich die Mediz<strong>in</strong> vollends.<br />
Zum Leidwesen me<strong>in</strong>er Gesangsprofessor<strong>in</strong>, Kammersänger<strong>in</strong><br />
Hilde Rössel-Majdan, me<strong>in</strong>er Lied-Professoren Erik Werba und<br />
Kammersänger Walter Berry sowie me<strong>in</strong>es Pädagogikprofessors<br />
Kurt Hofbauer hatte ich bereits während des Studiums sehr viele<br />
„Gigs“ und <strong>in</strong>teressante Auftrittsangebote: Zu den frühen musikalischen<br />
Ausflügen zählten e<strong>in</strong>e Opern-Uraufführung <strong>in</strong> Bologna,<br />
Konzerttourneen durch Frankreich und Belgien, die Aufnahme <strong>in</strong>s<br />
Opernstudio der Wiener Staatsoper, ergänzt durch die Unterrichtstätigkeit<br />
am Wiener Musikgymnasium und der Musikhochschule<br />
und die stimmbildnerische Betreuung des K<strong>in</strong>derchores der Wiener<br />
Staatsoper.<br />
Heute weiß ich, dass dieser Weg des „learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g“ für mich<br />
genau der richtige war – <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Erstengagement am Theater<br />
Koblenz (1990-99) hatte ich niemals die Bangigkeiten e<strong>in</strong>es Anfängers<br />
und nur sehr überschaubares Lampenfieber.<br />
Mit e<strong>in</strong>em Satz: Ich war FIT FOR STAGE!<br />
Es folgte e<strong>in</strong>e sehr schöne und <strong>in</strong>teressante, aber auch Energie<br />
raubende Karrierezeit: Das Erarbeiten von über 40 großen Opernpartien<br />
und e<strong>in</strong>es umfassenden Konzertrepertoires, Gastspiele an<br />
über 20 Theatern, Opernpreise, Tourneen <strong>in</strong> Europa und Kanada<br />
sowie Unterrichtstätigkeit mussten mit Heirat, Familiengründung,<br />
Umzügen und Hausbau koord<strong>in</strong>iert werden. Der Regierungsumzug<br />
Bonn/Berl<strong>in</strong> hatte 1999 me<strong>in</strong>en Ehemann <strong>in</strong> die neue Hauptstadt<br />
gebracht; ich zog mit unserer Tochter h<strong>in</strong>terher.<br />
Als letztes Jahr der Ruf an die <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong> kam, endete<br />
unsere „Berl<strong>in</strong>-Periode“ und damit auch me<strong>in</strong>e siebenjährige<br />
Lehrtätigkeit an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ am Gendarmenmarkt.<br />
Es sche<strong>in</strong>t, als wären wir nun sesshaft geworden: ich an<br />
der <strong>HfMDK</strong>, me<strong>in</strong> Mann im Direktorium der BaF<strong>in</strong> <strong>in</strong> Bonn. Abends<br />
treffen wie uns im schönen Vallendar bei Koblenz, wo auch unsere<br />
Tochter das Gymnasium besucht. Das Rhe<strong>in</strong>land ist auch der<br />
Ausgangspunkt für unser geme<strong>in</strong>sames Hobby: ausgedehnte<br />
Touren <strong>in</strong> die Eifel, den Hunsrück und den Westerwald mit unseren<br />
schweren Motorrädern.<br />
Was aber erwartet nun e<strong>in</strong>en Studierenden, der <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Klasse<br />
aufgenommen wurde?<br />
Ganz im Geiste des Mottos dieser Ausgabe unterstütze ich junge<br />
Sänger beim Erlernen des Spagats zwischen altbewährter, solider<br />
gesangstechnischer Ausbildung und den modernen Anforderungen<br />
e<strong>in</strong>er Karriere. Die Fähigkeit, zwischen der behutsamen Entwicklung<br />
se<strong>in</strong>es Stimmfaches und e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teressanten Sängerpersönlichkeit<br />
e<strong>in</strong>erseits sowie dem Funktionieren im schnelllebigen und anstrengenden<br />
Bühnenalltag andererseits die Balance halten zu können,<br />
gibt meist den Ausschlag, ob er als Sternschnuppe schnell verglüht<br />
oder e<strong>in</strong> Fixstern am Bühnenhimmel wird.<br />
49<br />
Durch me<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Vorbildung b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> der glücklichen<br />
Lage, den Mythos der S<strong>in</strong>gphysiologie zu entzaubern und körperliche<br />
Vorgänge während des S<strong>in</strong>gens verständlich zu vermitteln.<br />
Nach e<strong>in</strong>em spannenden, horizonterweiternden und effektiven<br />
Studium im geschützten (Klassen-)Raum der Hochschule möchte<br />
ich me<strong>in</strong>en erfolgreichen Absolventen ebenfalls das Prädikat<br />
verleihen: „FIT FOR STAGE“! Übrigens: Für Hospitanten steht me<strong>in</strong>e<br />
Tür immer offen.
50<br />
„Unsere Institutionen s<strong>in</strong>d höchst ätherisch, re<strong>in</strong> deklarativ und<br />
spirituell, sie s<strong>in</strong>d Produkte „mächtiger“ Phantasie, und nur solange<br />
jeder diese Phantasie teilt und ihr „vertraut“, funktionieren<br />
diese Produkte; wird die Phantasie unglaubwürdig, dann beg<strong>in</strong>nt<br />
das System sich aufzudröseln.“<br />
John Searle<br />
Die Zukunft des Theaters<br />
Prof. Thomas Schmidt leitet seit e<strong>in</strong>em Jahr den Studien-<br />
gang Theater- und Orchestermanagement<br />
Von Prof. Thomas Schmidt<br />
Wenn man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie aufwächst, die <strong>in</strong> der vierten Generation<br />
eng mit dem Theater und der Musik verbunden ist, bleibt die<br />
Berührung damit nicht aus.<br />
Die ersten Jahre – me<strong>in</strong>e Eltern studierten damals noch – ver-<br />
brachte ich <strong>in</strong> Leipzig bei me<strong>in</strong>en Großeltern. Me<strong>in</strong>e Großmutter,<br />
Altist<strong>in</strong> an der Leipziger Oper und Absolvent<strong>in</strong> des <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Konservatoriums, und me<strong>in</strong> Großvater, Schauspieler, brachten mir<br />
das Theater nahe: immer Musik, immer e<strong>in</strong> Flügel, auf dem gespielt<br />
wurde, Textbücher, Rollen, die ständig memoriert wurden. Später,<br />
mit der Schulzeit, g<strong>in</strong>g ich mit me<strong>in</strong>en Eltern nach Erfurt. Die<br />
meiste Zeit im Theater, im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbecken des Schwimmvere<strong>in</strong>s,<br />
auf dem Fußballplatz. Me<strong>in</strong>e Großmutter als Fischweib <strong>in</strong> Paul<br />
Dessaus Oper „Die Verurteilung des Lukullus“, me<strong>in</strong> Großvater als<br />
„Wilhelm Tell“, me<strong>in</strong> Vater als Hamlet. Das hat mich geprägt und<br />
als Sehnsucht nie mehr verlassen: das Spiel, die Musik, die Bühne,<br />
der Geruch des Theaters, die Figuren, die Verwandlungen, die Kraft<br />
e<strong>in</strong>es Textes und die Präsenz der Menschen vor und h<strong>in</strong>ter der<br />
Bühne.<br />
Nach dem Abitur habe ich Sprachen und Wirtschaftswissenschaf-<br />
ten studiert und anschließend e<strong>in</strong>ige Monate auf der Insel Mauritius<br />
im Indischen Ozean gearbeitet; später kamen längere Aufenthalte <strong>in</strong><br />
Westafrika und <strong>in</strong> den USA h<strong>in</strong>zu.<br />
Dem Theater b<strong>in</strong> ich immer treu geblieben, als Assistent, Autor,<br />
Dramaturg und Produzent freier Produktionen, als Gründer e<strong>in</strong>er<br />
freien Gruppe <strong>in</strong> Erfurt und e<strong>in</strong>es Festivals, bis 2003 der Ruf ans<br />
Nationaltheater und zur Staatskapelle Weimar kam, wo ich seit<br />
<strong>in</strong>zwischen acht Jahren die Geschäfte führe. In dieser Zeit habe ich<br />
auch damit begonnen zu unterrichten, Wissen weiterzugeben und<br />
die Praxis mit der Lehre zu verb<strong>in</strong>den: <strong>in</strong> den Fächern Theaterma-<br />
nagement an der Hochschule für Musik <strong>in</strong> Weimar und Ästhetik an<br />
der Universität Erfurt.<br />
Mit der Vorbereitung auf das Auswahlgespräch für die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Professur wurde mir sehr schnell klar, dass der Masterstudiengang<br />
Theater- und Orchestermanagement, der sich als e<strong>in</strong>ziger <strong>in</strong><br />
Deutschland auf die Vorbereitung junger Menschen auf leitende<br />
Berufe im Theater und Orchester konzentriert, e<strong>in</strong>e riesige Chance<br />
bietet: im Vergleich zur Vielzahl der angebotenen Kulturmanage-<br />
ment-Studiengänge, die nicht die notwendige berufliche Speziali-<br />
sierung anbieten und im H<strong>in</strong>blick auf den Bedarf an gut ausgebil-<br />
deten Theatermanagern mit Reformqualitäten. Der Verbund mit der<br />
von He<strong>in</strong>er Goebbels geleiteten Hessischen Theaterakademie, die,<br />
ebenfalls e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> Deutschland, alle Theater Hessens sowie die<br />
Häuser <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z, Heidelberg und Karlsruhe mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>det,<br />
gibt der Ausbildung e<strong>in</strong>en weiteren praktischen Rückhalt.<br />
Im W<strong>in</strong>tersemester 2010/2011 habe ich dann die Leitung dieses<br />
Studiengangs von Prof. Theo Umberg übernommen. Ich arbeite mit<br />
motivierten und engagierten Studenten, exzellenten Lehrbeauftrag-<br />
ten und wunderbaren Kollegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von der Ausnahmedrama-<br />
turg<strong>in</strong> Marion Tiedtke geleiteten Fachbereich, der Raum für<br />
Diskussionen und Visionen über die Zukunft der Ausbildung und<br />
des Theaters gibt.<br />
Die Frage der Zukunftsfähigkeit<br />
In der Ausbildung lege ich e<strong>in</strong>en großen Schwerpunkt auf die<br />
systemischen Anforderungen an das Theater- und Orchesterma-<br />
nagement <strong>in</strong> der Verknüpfung mit den sich verändernden Rahmen-<br />
bed<strong>in</strong>gungen, den Produktionsprozessen und dem Agieren der<br />
Kulturpolitik. Mir geht es um die Verb<strong>in</strong>dung, die Balance und die<br />
Rückkopplung zwischen Theorie und Praxis, um das große Thema<br />
Zukunftsfähigkeit kultureller Systeme, um die Vorbereitung der<br />
Studierenden auf freie und <strong>in</strong>stitutionelle Theater, die sich perma-<br />
nent weiter entwickeln und immer wieder neue, sich verändernde<br />
Herausforderungen an uns alle stellen. Im Unterricht müssen wir<br />
uns damit ause<strong>in</strong>ander setzen, dass sich das e<strong>in</strong>malige, historisch<br />
gewachsene und künstlerisch sehr produktive deutsche Theater-<br />
und Orchestersystem aufgrund se<strong>in</strong>er Dichte und Größe – nirgend-<br />
wo auf der Welt gibt es mehr Theater und Orchester – se<strong>in</strong>er hohen<br />
staatlichen Subventionierung, se<strong>in</strong>er weitgehend abgeschirmten<br />
Produktionsabläufe und se<strong>in</strong>er Neigung zur „Überproduktion“ <strong>in</strong>
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
e<strong>in</strong>er besonders privilegierten, aber deshalb auch fragilen und<br />
krisenanfälligen Situation bef<strong>in</strong>det. Zu ke<strong>in</strong>er Zeit befanden sich<br />
mehr deutsche Theater und Orchester als heute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er struktu-<br />
rellen und f<strong>in</strong>anziellen Krise. Be<strong>in</strong>ahe wöchentlich lesen wir <strong>in</strong> den<br />
Feuilletons von Insolvenzen, von Zwangsfusionen, von Personalab-<br />
bau <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren und größeren Theatern und Orchestern. Aufgrund<br />
des kulturellen Förderalismus <strong>in</strong> Deutschland haben sich <strong>in</strong> den 16<br />
Bundesländern 16 verschiedene Theatersysteme entwickelt, die<br />
– strukturell und <strong>in</strong>haltlich – kaum noch Ähnlichkeiten mite<strong>in</strong>ander<br />
aufweisen. Das Nord-Süd-Gefälle, vor allem h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Zukunftsaussichten zum Beispiel zwischen den Theatern <strong>in</strong><br />
Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hamburg und Schleswig-Hol-<br />
ste<strong>in</strong> auf der e<strong>in</strong>en und Bayern und Baden- Württemberg auf der<br />
anderen Seite ist eklatant. Im Norden drohende Kürzungen,<br />
Schließungen und akutes Krisenmanagement, während die Theater<br />
und Orchester im Süden – noch – aus dem Vollen schöpfen<br />
können.<br />
Große Veränderungen stehen bevor<br />
Es ist absehbar, dass sich die Theater- und Orchestersysteme <strong>in</strong><br />
Deutschland <strong>in</strong> den nächsten Jahren verändern werden. Viele<br />
TRADITION und INNOVATION<br />
Transformationsprozesse f<strong>in</strong>den schon im Kle<strong>in</strong>en statt, dort, wo<br />
kluge Kulturpolitik Theater bei Modernisierungsprozessen unter-<br />
stützt, dort, wo weitsichtige Theater- und Orchestermanager immer<br />
wieder neue Freiräume für die Kunst zurückerobern, dort, wo<br />
Produktionsprozesse aus der freien Szene oder dem Film <strong>in</strong> das<br />
Theater e<strong>in</strong>fließen oder mite<strong>in</strong>ander gekoppelt werden, dort, wo<br />
Künstlerische Leiter, Manager und Dramaturgen aus anderen<br />
europäischen Ländern ihre Erfahrungen übertragen, und dort, wo<br />
neue Netzwerke und Kooperationen entstehen, aus denen <strong>in</strong><br />
absehbarer Zukunft neue, trag- und zukunftsfähige Theater- und<br />
Orchestersysteme gewebt werden. Deshalb ist das Masterstudium<br />
zugleich auch e<strong>in</strong> sich ständig fortentwickelndes Forschungspro-<br />
gramm, <strong>in</strong> dem wir geme<strong>in</strong>sam Krisen, Reformen und Verände-<br />
rungen analysieren und daraus mögliche Zukunftsszenarien<br />
entwickeln, während wir parallel die hierzu passenden handwerk-<br />
lichen Grundlagen <strong>in</strong> allen wichtigen Managementbereichen und<br />
Sparten (Schauspiel, Oper, Tanz, Konzert, Festival) legen, die die<br />
zukünftige Arbeit <strong>in</strong> den Theatern und Orchestern, <strong>in</strong> der freien<br />
Szene und den Festivals erfordert.<br />
51
52<br />
Erfolge unserer Studierenden –<br />
e<strong>in</strong>e Auswahl<br />
Rajissa Dubitsky, Viol<strong>in</strong>e<br />
(Klasse Prof. Walter Forchert), ist ab der<br />
nächsten Spielzeit Stimmführer<strong>in</strong> im<br />
Philharmonischen Orchester Augsburg.<br />
Isabelle Müller, Harfe<br />
(Klasse Prof. Francoise Friedrich), hat den<br />
1. Preis beim 2. Harfenwettbewerb der<br />
Harp Academy gewonnen.<br />
Jonathan de Weerd, Trompete<br />
(Klasse Prof. Klaus Schuhwerk), hat das<br />
Probespiel für die Solotrompete bei den<br />
Niederrhe<strong>in</strong>ischen S<strong>in</strong>fonikern, Orchester der<br />
Theater Krefeld und Mönchengladbach,<br />
gewonnen.<br />
Das aus <strong>Frankfurt</strong> stammende<br />
Notos Quartett mit S<strong>in</strong>dri Lederer, Viol<strong>in</strong>e<br />
(Klasse Prof. Uwe Mart<strong>in</strong> Haiberg, UdK-<br />
Berl<strong>in</strong>), Liisa Randalu, Viola (Klasse<br />
Prof. Roland Glassl), Florian Streich,<br />
Violoncello (Klasse Prof. Michael Sanderl<strong>in</strong>g),<br />
und Antonia Köster, Klavier (ehem. Klasse<br />
Ian Founta<strong>in</strong>, Royal Academy of Music,<br />
London), hat <strong>in</strong> London den renommierten<br />
<strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb „The Parkhouse<br />
Award“ und zwei Wochen später den<br />
ersten Preis des Charles Hennen Concours<br />
<strong>in</strong> Heerlen/Niederlande gewonnen.<br />
Den diesjährigen Günther-Rühle-Preis <strong>in</strong><br />
der mittlerweile 16. Woche der jungen<br />
Schauspieler, die alljährlich die Deutsche<br />
Akademie der Darstellenden Künste <strong>in</strong><br />
Bensheim ausrichtet, hat der bisherige dritte<br />
Jahrgang Schauspiel der <strong>HfMDK</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
am Ma<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>er Inszenierung „DNA“<br />
von Dennis Kelly (Regie: Robert Schuster)<br />
gewonnen.<br />
Impressum<br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> – Magaz<strong>in</strong> der Hochschule für Musik<br />
und Darstellende Kunst <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Eschersheimer Landstraße 29–39, 60322 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong>,<br />
www.hfmdk-frankfurt.de<br />
Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der <strong>HfMDK</strong><br />
Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle<br />
sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de; Telefon 069/154 007 170<br />
Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de<br />
Autoren Jacob Bussmann, Beate Eichenberg, Prof. Hedwig<br />
Fassbender, Björn Hadem (bjh), Prof. Dieter Heitkamp, Célest<strong>in</strong>e<br />
Hennermann, Prof. Dr. Werner Jank, Prof. em. Gerhard Mantel,<br />
Dr. Stephan Pauly, Prof. Dr. Mart<strong>in</strong>a Peter-Bolaender, Berno Odo<br />
Polzer, Thomas Rietschel, Prof. Thomas Schmidt, Philipp Schulte,<br />
Sab<strong>in</strong>e Stenzel, Prof. Ursula Targler-Sell, Prof. Gerd Wachowski<br />
Alejandro Aldana, Viol<strong>in</strong>e<br />
(Klasse Prof. Walter Forchert), ist ab Herbst<br />
stellvertretender Konzertmeister im brasilianischen<br />
nationalen S<strong>in</strong>fonieorchester.<br />
Kateryna Kasper, Sopran<br />
(Klasse Prof. Hedwig Fassbender), schaffte es<br />
im Queen-Sonia-Wettbewerb <strong>in</strong> Oslo unter<br />
die 6 F<strong>in</strong>alisten und wurde mit dem Preis für<br />
die beste Interpretation e<strong>in</strong>es norwegischen<br />
Liedes ausgezeichnet.<br />
Sebastian Kohlhepp, Tenor<br />
(Klasse Prof. Hedwig Fassbender), erhielt<br />
e<strong>in</strong>en Vertrag als lyrischer Tenor am Badischen<br />
Staatstheater Karlsruhe.<br />
Publikationen unserer Lehrenden<br />
CD-Serie mit Mart<strong>in</strong> Lücker<br />
Beim Label „Querstand“ (Verlagsgruppe<br />
Kamprad, www.vkjk.de) s<strong>in</strong>d drei CDs<br />
erschienen, die der <strong>HfMDK</strong>-Orgelprofessor<br />
Mart<strong>in</strong> Lücker e<strong>in</strong>gespielt hat. Den ersten<br />
Tonträger, „9/11 In Memoriam“ (Bestellnummer:<br />
VKJK1130), hat der renommierte<br />
Konzertorganist und Orgelpädagoge <strong>in</strong><br />
Er<strong>in</strong>nerung an die Terroranschläge vom<br />
11. September 2001 produziert. Er enthält<br />
Werke von Maurice Duruflé (Prélude),<br />
Maximilian Schnaus (Rhapsodie „Wie liegt<br />
die Stadt so wüst“), Johann Sebastian Bach<br />
(Choralbearbeitungen aus den „Leipziger<br />
Chorälen“ und Contrapunctus 14), Frank<br />
Gerhardt („Lectiones No. 2“) und Franz Liszt<br />
(„We<strong>in</strong>en, Klagen, Sorgen, Zagen“). Das<br />
gleiche Programm erklang als Gedenkkonzert<br />
zum 10. Jahrestag <strong>in</strong> der evangelischen<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Hauptkirche St. Kathar<strong>in</strong>en, an<br />
der Mart<strong>in</strong> Lücker seit fast drei Jahrzehnten<br />
als Organist tätig ist. Sämtliche Aufnahmen<br />
hat Mart<strong>in</strong> Lücker an der dortigen Rieger-Or-<br />
gel e<strong>in</strong>gespielt. So auch die CD „Romantische<br />
Welten“ (VKJK1131) mit Werken von<br />
Niels Wilhelm Gade (Drei Tonstücke op. 22),<br />
César Franck (Trois Pièces pour Grand<br />
Orgue), Josef Labor (Sonate h-Moll op. 15)<br />
und Max Reger (Phantasie über den Choral<br />
„Wachet auf, ruft uns die Stimme“ op 52,<br />
Nr. 2). „Große Orgelmusik“ ist der Titel von<br />
„Volume 3“ (VKJK1132), auf der Mart<strong>in</strong><br />
Lücker César Francks „Trois Chorals pour<br />
Grand Orgue“, Paul H<strong>in</strong>demiths „Sonate I für<br />
Orgel“ und Johann Sebastian Bachs Passacaglia<br />
c-Moll BWV 582 <strong>in</strong>terpretiert. Alle<br />
E<strong>in</strong>spielungen s<strong>in</strong>d im Handel erhältlich.<br />
Rückspiegel – IzM hat Buch über<br />
Zeitgenössisches Komponieren im Dialog mit<br />
älterer Musik herausgegeben<br />
Das Verhältnis zwischen Tradition und<br />
Innovation im Musikschaffen des 20. und<br />
21. Jahrhunderts ist Thema e<strong>in</strong>er Buchpublikation,<br />
die das Institut für zeitgenössische<br />
Musik 2010 herausgegeben hat. In den<br />
vergangenen Jahrzehnten hat sich e<strong>in</strong>e<br />
Strömung zeitgenössischen Komponierens<br />
verstärkt: der E<strong>in</strong>bezug von alten Klängen,<br />
Strukturen oder ganzen Werken durch<br />
Bearbeitung, Zitat, Hommage, Variation und<br />
Transformation. Der Blick <strong>in</strong> den musikgeschichtlichen<br />
Rückspiegel beim Suchen und<br />
Erf<strong>in</strong>den neuer Klänge ist zu e<strong>in</strong>em produktiven<br />
kompositorischen Ansatz geworden.<br />
Quer durch das Spektrum neuer Musik hat<br />
er an Anziehungskraft gewonnen hat, nicht<br />
nur für Komponisten, sondern auch für<br />
Interpreten und Hörer. Rückspiegel. Zeitgenössisches<br />
Komponieren im Dialog mit<br />
älterer Musik. Hrsg. von Christian Thorau,<br />
Julia Cloot und Marion Saxer.<br />
Schott Music: Ma<strong>in</strong>z 2010, 39,95 Euro<br />
Fotos Jörg Baumann, Valent<strong>in</strong> Fanel, Björn Hadem (57), Udo Hesse,<br />
Woeishi Lean, Wolfgang Lienbacher (3), Felix Ste<strong>in</strong>er, Walter<br />
Vorjohann, Synchronous Objects Project<br />
Layout Opak Werbeagentur GmbH,<br />
Münchener Str. 45, 60329 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 2011)<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsweise jeweils zu Beg<strong>in</strong>n des Semesters<br />
Druck VARIO PLUS Druck GmbH,<br />
Fl<strong>in</strong>schstr. 61, 60388 <strong>Frankfurt</strong> am Ma<strong>in</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong> <strong>in</strong> <strong>Takt</strong> 11/2<br />
Drittmittelkonto Account for Private funds<br />
Konto 200 138 090, BLZ 500 502 01, Fraspa 1822<br />
Überweisungen aus dem Ausland International Payments<br />
IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90; SWIFT-BIC: HELADEF1822
Perfektion hat seit über e<strong>in</strong>em<br />
Jahrhundert bei uns Tradition<br />
Vor über 100 Jahren wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Werkstatt <strong>in</strong> Hamamatsu mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />
engagierten Mannschaft von Handwerkern die ersten Klaviere und Flügel gebaut.<br />
Dies war der Geburtsort der heutigen Yamaha Premium-Palette: des erstklassigen<br />
und namhaften CFIII-Konzertflügels sowie der S6- und S4-Premium-Flügel, die heute<br />
von führenden Pianisten weltweit für die besten Instrumente gehalten werden.<br />
Die über Generationen h<strong>in</strong>weg erworbenen Fertigkeiten, mit Bedacht ausgewählte<br />
Herstellungsverfahren und Materialien, sensible H<strong>in</strong>wendung zu jedem Detail und<br />
unübertroffene Innovationen s<strong>in</strong>d die Basis für die heutigen Instrumente. Dabei<br />
haben die Yamaha-Klavierbauer stets e<strong>in</strong>e Vision vor Augen: Das Erreichen höchster<br />
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schwebt und zu den glücklichsten Momenten e<strong>in</strong>es Spiel- und Musikgenusses führt.<br />
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