15.06.2018 Aufrufe

Profile Nr. 12 - Kunst- und Kulturmagazin

Profile ist das Kunst- und Kulturmagazin für Paderborn und Umgebung. Profile stellt Künstler und Künstlerinnen aus der Region vor - Kunstschaffende, Querdenker, Umdenker, Schräg-Denker, kreative Menschen

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In spürbarer Nähe zur<br />

Von Tobias Vorwerk<br />

Natur<br />

D<br />

ie Erzählung, die sich am Werk von Oksana Bergen<br />

ablesen lässt, fußt auf Installationen <strong>und</strong> Objekten<br />

aus Papier, geht jedoch über den Rahmen der<br />

reinen Darstellung <strong>und</strong> Materialität hinaus. Die komplexe<br />

Erzählstruktur <strong>und</strong> die eigens geschaffenen Techniken der<br />

Künstlerin finden ihren Ausdruck in einer persönlichen<br />

Rezeption der gesellschaftlichen <strong>und</strong> naturalistischen<br />

Wahrnehmung unserer gegenwärtigen Zeit. Bei ihrer Arbeit<br />

trifft man auf Paradoxie <strong>und</strong> Dystopie. In spürbarer Nähe<br />

zur Natur wirken die Werke zwischen Realität <strong>und</strong> Fiktion<br />

auf den visuellen Leser im ersten Moment klar, verständlich,<br />

harmlos, weich <strong>und</strong> schön. Immer wieder finden sich<br />

Bäume in ihren Andeutungen. Um die Symbole zu verstehen<br />

<strong>und</strong> Interpretationsräume zu öffnen, ist der Betrachter<br />

allerdings aufgefordert, durch ein Fenster in ihre Realität<br />

zu blicken. Sodann öffnet sich das Tor zur eigenen Illusion<br />

<strong>und</strong> Oksanas Erzählung kann gelesen werden. Ihre Realität<br />

<strong>und</strong> damit ihre Erzählung beginnt bereits im Kindesalter.<br />

Aufgewachsen am Flussufer der Petchora, in einem kleinen<br />

Dorf in Russland, erkannte sie schon in jungen Jahren ihre<br />

Leidenschaft <strong>und</strong> starke Bindung zur Natur. Sie entdeckte<br />

abstrakte Parallelen zum menschlichen Dasein. Fasziniert<br />

<strong>und</strong> neugierig von Abläufen <strong>und</strong> Zyklen der Natur war die<br />

kindliche Harmonie für sie ein Brunnen der kreativen Kraft,<br />

die sie in ihre <strong>Kunst</strong> einfließen ließ. Die spätere, jugendliche,<br />

Rebellion gegen alles Gesellschaftliche resultiert in Zeiten<br />

wirtschaftlicher Unterwerfung in <strong>Kunst</strong>werken, die das<br />

Innere eines Individuums transparent werden lassen.<br />

Während eines zweijährigen Auslandsaufenthaltes im<br />

chinesischen Nanjing entdeckte sie das Papier als Material<br />

für sich. Dieses recycelt sie <strong>und</strong> setzt Akzente, die das<br />

subjektive Erleben ganzer Generationen ausdrücken <strong>und</strong><br />

psychische Dynamiken deutlich werden lassen. Das Material<br />

erreicht auf unmittelbare Weise die Gefühle <strong>und</strong> Sinne<br />

des Betrachters. Es weckt Neugier, lässt möglicherweise<br />

ratlos auf das Werk schauen, in jedem Fall werden<br />

detaillierte Wahrnehmungen ausgelöst. Man würde es<br />

gerne berühren – das Papier – <strong>und</strong> erfahren, wie warm es<br />

ist, wie rau oder wie glatt. Ob weich oder hart. Nicht zuletzt<br />

unterstützt diese Anziehungskraft die Ästhetik von Oksanas<br />

Papierwelten. Das recycelte Material wird auf kreative Art<br />

entfremdet <strong>und</strong> steht für Nachhaltigkeit ebenso wie für<br />

Vergänglichkeit. Ihre innovative Technik, die Oksana sich<br />

durch Ausprobieren <strong>und</strong> Experimentieren selbst beibrachte,<br />

trifft dabei auf elementare Sinnfragen. Die Mortalität<br />

der Natur wird ihrem unausweichlichen Sieg über den<br />

Menschen gegenübergestellt. Heute lebt Oksana mit ihrer<br />

Familie in Paderborn, einer Stadt in Ostwestfalen, umgeben<br />

von der für sie so wichtigen Natur, aus der sie ihre Kraft<br />

<strong>und</strong> Kreativität schöpft. Wer sich selbst die Zeit schenkt,<br />

den Alltag auszublenden <strong>und</strong> in sich zu blicken, wird beim<br />

Lesen von Oksanas Werk belohnt mit einer ausgefeilten<br />

Darstellung der gegenwärtigen Zeit sowie des eigenen,<br />

vielleicht tief verborgenen, Ichs.<br />

Ein visueller Roman, der seinesgleichen sucht.<br />

„VOGEL”<br />

<strong>12</strong> x <strong>12</strong> cm, Papier,<br />

Scherenschnitt, 2017<br />

„IN SECHS TAGEN ZUM LEBEN”<br />

50 x 50 cm, Papierschnitt mit<br />

Skalpell, 2017<br />

„FEDER”<br />

28 x 20 cm, Papier<br />

2015<br />

„LEITKULTUR”<br />

30 cm, Papier, Nasswickeltechnik,<br />

2015<br />

Oksana Bergen<br />

7 <strong>Profile</strong>

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