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Nummer 45 - Die Jüdische Zeitung

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<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

„Das wird ein weiterer, langer, langweiliger<br />

Nachmittag. <strong>Die</strong> letzten paar Tage der Ferien<br />

sind immer langweilig“, reklamierte Eli zu<br />

Gedalja. Gedalja hatte ihn nach dem Mittagessen<br />

angerufen, in der Hoffnung etwas für<br />

den Nachmittag zu arrangieren, doch Eli war<br />

niedergeschlagen. „Meine Mutter ist heute<br />

mit der Wäsche beschäftigt, mein Vater ist<br />

bei der Arbeit. Vielleicht könnte ich meine<br />

Eltern überreden, dass ich das Auto nehmen<br />

darf, doch ich wüsste nicht, wohin wir gehen<br />

sollen. An solchen Tagen wünsche ich mir,<br />

dass wir in einer grossen Stadt leben, wo<br />

immer etwas läuft. Ausserdem“, fügte Eli<br />

missmutig hinzu, „muss ich heute meinen<br />

kleinen Bruder BD beschäftigen.“<br />

Alle nannten Boruch Dowid - BD. Er war der<br />

jüngste der Familie und hatte diesen Übernamen<br />

erhalten, lange bevor er das ABC kannte.<br />

Gedalja war nicht entmutigt. „BD ist kein<br />

Baby mehr, weisst du. Er ist schon in der<br />

fünften Klasse. Was tut er jetzt?“<br />

„Er liest die Enzyklopädie und wird sicher<br />

eine Million Fragen haben, die ich nicht<br />

beantworten kann“,<br />

brummte Eli.<br />

„Komm schon, der<br />

Tag ist noch nicht<br />

vorbei“, beharrte Gedalja.<br />

„Machen wir<br />

etwas Interessantes,<br />

bevor wir zurück in<br />

die Jeschiwa müssen.<br />

Wir sind schon in der<br />

zwölften Klasse. Wir<br />

sollten imstande sein,<br />

uns selber zu beschäftigen…<br />

He, weisst du<br />

was?“<br />

„Vielleicht werden<br />

meine Eltern uns erlauben,<br />

das Kanu zu<br />

benutzen, das wir in<br />

der Garage haben. Es<br />

ist lange her, seit meine<br />

Brüder es benutzt<br />

haben.“<br />

Eli konnte sich erinnern,<br />

das Kanu gesehen<br />

zu haben, es<br />

hing auf Haken in der<br />

Garage. Das würde<br />

etwas sein – auf dem<br />

See Kanu zu fahren.<br />

Gedalja erzählte immer<br />

davon, wie er<br />

mit seinen älteren<br />

Brüdern Kanu fuhr,<br />

doch nun war er der<br />

jüngste zu Hause und<br />

niemand konnte mit<br />

ihm gehen und das<br />

14<br />

Du sorgst dich zu viel<br />

für <strong>Die</strong> kinDer<br />

Kanu wartete geduldig.<br />

„Das tönt wirklich gut. Du frag Deine Eltern<br />

wegen dem Kanu, ich werde wegen dem Auto<br />

fragen. Nur einen Moment, ok?“ Eli legte das<br />

Telefon auf den Tisch und ging zur Waschküche.<br />

„Mami, kann ich das Auto haben, um<br />

mit Gedalja wegzugehen?“<br />

„Eli, du hast gerade erst die Prüfung bestanden.<br />

Bist du sicher, dass du t schon andere im<br />

Auto mitnehmen kannst? Und du nimmst BD<br />

mit, nicht wahr? Nimm dein Handy für den<br />

Notfall… doch sprich nicht darauf, während<br />

du fährst…und nimm deinen Ausweis mit…<br />

sprich nicht mit Fremden… und wenn es ein<br />

Problem hat, dann rufe sofort die Polizei oder<br />

den Notruf… und bitte halte beide Hände auf<br />

dem Steuerrad.“<br />

Sie hatte die ganze Wäsche zu Ende gefaltet<br />

Nr. <strong>45</strong>, 5. Kislew 5771 / 12. November 2010<br />

und Eli folgte ihr den Gang hinunter. „Denk<br />

daran, die Strassen werden rutschig, wenn<br />

es regnet… und vergiss nicht, die Türen zu<br />

schliessen, während du fährst, für den Fall,<br />

dass jemand hineinklettern und euch entführen<br />

will.“ Sie steckte ihre Hand in ihre Handtasche<br />

und gab Eli die Schlüssel, „Du wirst vorsichtig<br />

sein, Eli, ok?“<br />

„Danke für die Schlüssel, Mami, doch das<br />

war eine ganze Verkehrskundelektion in vier<br />

Minuten. Du machst dir zu viel Sorgen.“<br />

„Das ist meine Aufgabe, Eli“, sagte seine<br />

Mutter. „Das gehört zu meinem Job.“<br />

Als Eli zurück beim Telefon war, hörte er,<br />

wie Gedalja zu seiner Mutter sprach. „Mami,<br />

können wir das Kanu benutzen?... Ja, Eli hat<br />

einen Ausweis… Ja, er ist ein sehr guter Fahrer…<br />

Ja, wir können alle schwimmen… Ja,<br />

wir haben die Rettungswesten dabei… Ja, wir<br />

werden uns sichern … Ja, wir werden wieder<br />

zuhause sein, bevor es dunkel ist… Mami,<br />

Kanu fahren ist eine normale Sache und nichts<br />

geschieht je. Du machst dir zu viel Sorgen.“<br />

Endlich kam Gedalja zurück ans Telefon.

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