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Beirut: Stadt, Kunst, Kultur und Mode - Dubai Media AG

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■ Libanon<br />

Paris des<br />

Nahen Ostens<br />

16 DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN<br />

<strong>Beirut</strong>: <strong>Stadt</strong>, <strong>Kunst</strong>, <strong>Kultur</strong> <strong>und</strong> <strong>Mode</strong><br />

In kaum einer arabischen <strong>Stadt</strong> gibt man sich so offen<br />

<strong>und</strong> spendabel. Man interessiert sich für alles Neue, genießt<br />

die vielen Attraktionen der Hauptstadt, erfreut sich bewusst<br />

am Luxus, den man als Lebensgefühl versteht <strong>und</strong> selbstverständlich<br />

zur Schau stellt. Die <strong>Stadt</strong> hat viele Gesichter <strong>und</strong><br />

nichts hier ist so beständig wie der Wandel.<br />

Text: Barbara Schumacher | Fotos: Barbara Schumacher, Shutterstock, Assyla<br />

Die Jogger, die die Strecke zwischen<br />

den Rawsheh Felsen, dem Wahrzeichen<br />

<strong>Beirut</strong>s, dem neuen<br />

Leuchtturm am Fischerhafen <strong>und</strong><br />

dem „Maison de L’Artisan“ (<strong>Kunst</strong>handwerkszentrum)<br />

meistern, umr<strong>und</strong>en Feuerschlucker<br />

<strong>und</strong> Backgammon-Spieler. Die Jugend gibt sich<br />

modern <strong>und</strong> ausgelassen. Die Straßenmode der<br />

jungen Mädchen <strong>und</strong> Frauen ist eine farbenfrohe<br />

Mixtur aus Kopftuch mit Rüschen, engen<br />

T-Shirts mit Ausschnitt <strong>und</strong> Leggings, wozu<br />

knallige Accessoires getragen werden. Zu lauter<br />

Musik aus dem Autoradio wird spontan<br />

getanzt. Christen <strong>und</strong> Muslime begegnen sich<br />

selbstverständlich im Restaurant Casablanca<br />

<strong>und</strong> schwelgen in Nostalgie oder treffen sich<br />

zum Rauchen der Wasserpfeife <strong>und</strong> süßem<br />

Nichtstun im beliebten Café d’Orient, direkt<br />

am Meer in Ain El Mreisseh, mit Blick auf die<br />

Skyline oder zum Abendessen im stilvollen<br />

Restaurant Al Dirwandi im gleichen Gebäude,<br />

in dem auch das staatliche <strong>Kunst</strong>handwerkszentrum<br />

(Maison de l’Artisan) untergebracht<br />

ist. Dieses ist einen Besuch wert, nicht nur<br />

wegen der Architektur des Gebäudes <strong>und</strong> der<br />

geschmackvollen Innendekoration, sondern<br />

auch wegen der ausgezeichneten Waren: ob<br />

Kleidung, Möbel, Dekostoffe, Lampen, Kleinkunst:<br />

alles ist von libanesischen <strong>Kunst</strong>handwerkern<br />

handgefertigt <strong>und</strong> von ausgezeichneter<br />

Qualität (www.mda.gov.lb).<br />

Neues Zentrum<br />

Dem Verkehrs- <strong>und</strong> Baulärm entgeht man mitten<br />

in der <strong>Stadt</strong> im großartig wieder aufgebau-<br />

ten Zentrum, das komplett mit den neuen<br />

<strong>Beirut</strong> Souks als Fußgänger-Zone konzipiert ist.<br />

Dort sind bereits über 100 Geschäfte <strong>und</strong> Restaurants<br />

eröffnet, weitere kommen laufend<br />

hinzu. Der Wiederaufbau erfolgte dank der<br />

Weitsicht des am 14.2.2005 ermordeten Ministerpräsidenten<br />

Rafic Hariri, der ein entsprechendes<br />

Gesetz erließ, dafür sorgte, dass die<br />

Firma Solidere gegründet wurde, die für den<br />

Wiederaufbau zuständig ist <strong>und</strong> auch den<br />

Masterplan erstellte. Der frühere Slogan „Paris<br />

des Nahen Ostens“ gilt heute wieder. <strong>Beirut</strong> ist<br />

magischer Anziehungspunkt für Menschen aus<br />

aller Welt, vor allem aber aus den Golfstaaten,<br />

wobei die Saudis in der Mehrzahl sind: hier<br />

können Frauen <strong>und</strong> Männer gemeinsam in einem<br />

der ständig gut gefüllten Straßencafé sitzen,<br />

man genießt ungestraft ein Glas Wein <strong>und</strong>


auch sonst wird Freizügigkeit in jeder Hinsicht<br />

groß geschrieben: hier ist möglich, was in der<br />

Heimat verboten ist. Wer Einzelheiten wissen<br />

möchte: die Taxifahrer – meist Libanesen - sind<br />

eine authentische Informationsquelle <strong>und</strong> sie<br />

kennen auch die dunklen Seiten der glitzernden<br />

<strong>Stadt</strong>: Armut, Kriminalität, Wucher, ...<br />

Von Nejmeh Square (Place de l’Etoile<br />

mit Uhrturm) bis Grand Serail<br />

Um sich einen genauen Eindruck vom großartig<br />

gelungenen Wiederaufbau zu machen, begebe<br />

man sich in den Virgin’s Mega Book Store<br />

<strong>und</strong> frage nach dem Fotoband „<strong>Beirut</strong>’s Memory“<br />

von Ayman Traw. Das Buch ist in englischer,<br />

französischer <strong>und</strong> arabischer Sprache<br />

<strong>und</strong> stellt die zerstörten Straßenzüge <strong>und</strong> Gebäude<br />

aus gleichem Blickwinkel den renovierten<br />

Objekten gegenüber. So war z. B. der 1897<br />

erbaute Uhrturm - Wahrzeichen des zentralen<br />

Platzes Nejmeh Square mit Parlamentsbürogebäuden,<br />

Restaurants, Cafés <strong>und</strong> zwei Kirchen<br />

(wobei die griechisch orthodoxe Kathedrale<br />

Saint Georges wegen ihrer kostbaren Malereien<br />

<strong>und</strong> dem goldenen Altar besonders sehenswert<br />

ist), von dem sternförmig acht Straßen mit<br />

Nobelgeschäften <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong>galerien ausgehen<br />

- total zerstört <strong>und</strong> wurde neu aufgebaut. Um<br />

die Fußgängerzone braust der Verkehr auf breiten<br />

Straßen, die ein Quadrat bilden <strong>und</strong> in ihren<br />

Verlängerungen zu Messegelände <strong>und</strong> Ha-<br />

fen sowie in die anderen <strong>Stadt</strong>teile führen. Am<br />

Fuße des östlich gelegenen Grand Serail, den<br />

1853 erbauten osmanischen Militärbaracken,<br />

Sitz des französischen Gouverneurs <strong>und</strong> heute<br />

Regierungssitz befinden sich Ausgrabungen von<br />

Bädern aus römischer Zeit. Auch zwischen der<br />

Kathedrale <strong>und</strong> der abends angestrahlten größten<br />

Al Amine Moschee befindet sich eine<br />

Grabungsstätte der Archäologen, die hier phönizische<br />

Ursprünge freilegen. Nach Beendigung<br />

aller Ausgrabungen wird es für Besucher einen<br />

„Archäologiepfad“ geben.<br />

<strong>Stadt</strong>viertel mit traditioneller Architektur<br />

Restaurants oder Cafés in <strong>Beirut</strong> zu finden, ist<br />

kein Problem. Sehr zu empfehlen ist das Restaurant<br />

der französischen Kette Paul, eines ist<br />

im Neuen Zentrum in guter Gesellschaft von<br />

Dior <strong>und</strong> anderen namhaften <strong>Mode</strong>häusern,<br />

das andere in Saifi, Gouraud Street/Ecke<br />

George Hadded Street. Hier verkehren viele<br />

Einheimische, die in diesem <strong>Stadt</strong>viertel wohnen,<br />

in dem besonders viele Häuser aus den<br />

1920-1940-er Jahren erhalten oder renoviert<br />

wurden. „Sie werden hier einige Schilder mit<br />

der Aufschrift ‚Quartier de maisons<br />

traditionnelles’ (Viertel mit traditionellen Häusern)<br />

finden“, so Ahmed Khalil, der bei „Paul“<br />

jeden Tag seine Zeitung liest <strong>und</strong> in der Nähe<br />

wohnt. „Während es viele Informationen <strong>und</strong><br />

Bücher über die traditionelle libanesische Ar-<br />

chitektur vom 17. Jh. bis zum Ende des 1.<br />

Weltkriegs <strong>und</strong> dem Zusammenbruch des Osmanischen<br />

Weltreichs gibt, wurde die Epoche<br />

zwischen 1920 <strong>und</strong> 1940 lange vernachlässigt.<br />

Neuerdings engagiert sich die Fakultät für Architektur<br />

<strong>und</strong> Design der American University<br />

of <strong>Beirut</strong> (AUB) bei der Restaurierung alter<br />

Häuser aus dieser Zeit.“ Die meisten Architekten<br />

dieses Baustils sind heute nicht mehr bekannt,<br />

aber sie haben Bauten hinterlassen, die<br />

als moderne Architektur-Pionierleistung im<br />

Libanon gelten.<br />

Mit diesen Informationen ausgestattet, geht es<br />

entlang der Rue Gouraud, die gleich beim<br />

„Paul“ beginnt, auf Häuser-Entdeckungstour.<br />

Auf beiden Seiten der Straße, in der auch viele<br />

Nachtclubs, Pubs <strong>und</strong> Restaurants sind, <strong>und</strong><br />

in einigen Nebenstraßen wird man mühelos<br />

fündig <strong>und</strong> bew<strong>und</strong>ert großartige Bauten mit<br />

einer unglaublichen Vielfalt an Veranden <strong>und</strong><br />

Balustraden. Bei der Bewältigung der vielen<br />

Treppenstufen der St. Nicolas Stairs kann man<br />

zu beiden Seiten in <strong>Kunst</strong>ateliers Pause machen<br />

<strong>und</strong> gelangt schließlich zum Gebäude des berühmten<br />

Sursock <strong>Kunst</strong>museums, ein Haus der<br />

Handelsaristokratie des späten 19. Jh. Leider<br />

wird es auf unbestimmte Zeit renoviert wird<br />

<strong>und</strong> ist daher geschlossen. Entschädigung für<br />

diese Enttäuschung bietet das renovierte, lebhafte<br />

Saifi-Künstlerviertel mit seinen Boutiquen,<br />

<strong>Kunst</strong>galerien, Malern, Bildhauern,<br />

DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN 17


■ Libanon<br />

<strong>Mode</strong>designern, eleganten Geschäften,<br />

Straßencafés <strong>und</strong> Restaurants. Man wähnt sich<br />

im Pariser Quartier Latin.<br />

Wer noch mehr Häuser der 1920er bis 1940er<br />

Architektur sehen möchte, begebe sich in die<br />

folgenden Straßen: Rue May Ziadé (<strong>Stadt</strong>teil<br />

Kantari), Rue Abdel Wahaab el Inglizi<br />

(Yessouieh), Rue du Fleuve, Rue Sursock (beide<br />

in der Gegend Gemmayzé).<br />

Museen vom Feinsten<br />

Von den zugänglichen Museen <strong>Beirut</strong>s sollte<br />

man sich zwei nicht entgehen lassen, sie sind<br />

in außergewöhnlichen Gebäuden untergebracht<br />

<strong>und</strong> die Exponate haben Weltklasse.<br />

Nationalmuseum<br />

Das Museum in der Damaskus Straße im neopharaonischen<br />

Stil mit Säulenportal wurde<br />

nach achtjähriger Bauzeit 1942 eröffnet, im<br />

Krieg 1975-1991 stark beschädigt <strong>und</strong> 1999<br />

nach Renovierung wieder eröffnet. Es ist die<br />

perfekte Vorbereitung auf den Besuch der zahlreichen<br />

Altertümer des Landes, denn viele<br />

bestens erhaltene archäologische F<strong>und</strong>e aus<br />

<strong>Beirut</strong>, Byblos, Sidon, Tyrus, Eschmun,<br />

Baalbek, Niha <strong>und</strong> anderen Orten sind hier<br />

ausgestellt. Die ausgezeichnete Dokumentation<br />

macht das Museum auch zum Ziel von Forschern<br />

aus aller Welt. In einem spannenden<br />

Video wird gezeigt, wie man die kostbaren Exponate<br />

während des Bürgerkriegs schützte: Sarkophage<br />

wurde mit Eisenbeton, Mosaiken mit<br />

Plastikplanen <strong>und</strong> Zementschichten bedeckt,<br />

andere Exponate wurden im Keller eingemauert.<br />

Trotzdem wurde durch Granatfeuer viel<br />

zerstört <strong>und</strong> die 17.000 Bände umfassende Bibliothek<br />

fiel den Flammen zum Opfer. Zu den<br />

spektakulärsten Exponaten gehören: der Sarkophag<br />

von König Ahiram von Byblos (11. Jh.<br />

v. Chr.), der die älteste, erhaltene Inschrift des<br />

phönizischen Alphabets aufweist (des Prototyps<br />

der modernen westlichen Alphabete), das berühmte<br />

Mosaik der Sieben Weisen (Baalbek,<br />

römisch, 3. Jh), vier mit Reliefs geschmückte,<br />

römische Sarkophage aus dem 2. Jh. (Tyrus),<br />

Kultobjekte aus dem Eschmun-Tempel im Erdgeschoss<br />

<strong>und</strong> im ersten Stock eine außergewöhnliche<br />

Sammlung von Keramik, Glas, ein<br />

byzantinischer Goldschatz, Goldschmuck aus<br />

der Mamelukenzeit (1289-1516) <strong>und</strong> vieles<br />

mehr. Vom Obeliskentempel in Byblos stammen<br />

die berühmen, eng beieinander stehenden,<br />

noch teilweise mit Gold bedeckten, Statuetten<br />

mit der hohen Kopfbedeckung der<br />

Phönizier, die populäres Symbol der langen<br />

18 DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN<br />

Geschichte Libanons sind. Laufend kommen<br />

neu restaurierte Objekte hinzu. Mit Spannung<br />

sieht man der Wiedereröffnung des Untergeschosses<br />

entgegen, in dem auf die Besucher der<br />

spektakuläre Anblick von 26 weißen Marmorsarkophagen<br />

aus dem 4.-6. Jh. v. Chr. warten<br />

wird, von denen 19 im Jahr 1901 in der Nähe<br />

von Sidon gef<strong>und</strong>en wurden.<br />

Robert Mouawad Privatmuseum<br />

Außen europäisch, innen arabisch – dieses außergewöhnliche<br />

Museum in der Nähe des<br />

Präsidentenpalastes war die Privatvilla von<br />

Henri Pharaon, dessen Sammelleidenschaft<br />

nicht nur wertvolle Objekte islamischer <strong>Kunst</strong><br />

umfasste, sondern auch den Wunsch, die Innenarchitektur<br />

des Hauses mit kompletten<br />

Holzvertäfelungen nach syrischer Art <strong>und</strong> weiteren<br />

Elementen der islamischen <strong>Kunst</strong> auszustatten.<br />

Sein ganzes Leben hat er damit verbracht,<br />

einen Raum nach dem anderen entsprechend<br />

zu dekorieren – durchaus mit dem<br />

Gedanken, der Nachwelt einen Eindruck von<br />

<strong>Kunst</strong>werken voriger Jahrh<strong>und</strong>erte zu vermitteln.<br />

Das Haus – mit geschnitzten <strong>und</strong> bemalten<br />

Holzdecken, großen Terrassen <strong>und</strong> Veranden<br />

war ein lebendiger Treffpunkt für Persönlichkeiten<br />

aus Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>Kultur</strong><br />

<strong>und</strong> viele Berühmtheiten aus der ganzen Welt<br />

waren hier zu Gast. Als Robert Mouawad das<br />

Haus übernahm, machte er es sich zur Aufgabe,<br />

es in ein Museum zu verwandeln. Also<br />

wurden die 7 Räume im Erdgeschoss <strong>und</strong> die<br />

8 Räume im ersten Stock, die sich – arabischer<br />

Tradition gemäß - um eine geräumige Halle<br />

gruppieren, einzelnen Themen gewidmet wie<br />

Keramik, Glas, Porzellan, Schmuck, Grabstelen,<br />

Metall, Holz, Waffen, Teppiche etc. In<br />

der Bibliothek kann man z. B. den 5-bändigen<br />

Code des Justinian aus dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

eine 1694 in Hamburg gedruckte Bibel <strong>und</strong><br />

eine 10-bändige Bibelausgabe in Griechisch,<br />

Latein, Arabisch <strong>und</strong> Syriac aus dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

bew<strong>und</strong>ern. Zu den ältesten Stücken<br />

gehören phönizische Statuetten aus dem 5. Jh.<br />

v. Chr. <strong>und</strong> Grabstelen aus Palmyra aus dem 1.<br />

Jh. v. Chr. In der zentralen Halle befindet sich<br />

eine ungewöhnlich vielfältige Ausstellung von<br />

Karaffen <strong>und</strong> Wasserpfeifen aus dem 19. Jh.<br />

Aus dem 18. Jh. stammt der geschnitzte Steinkamin<br />

im Speisezimmer – aus dem Kouatli<br />

Palast in Damaskus. Und wer etwas für Edelsteine<br />

übrig hat, kann neben der kostbaren<br />

Schmucksammlung den angeblich zweitgrößten<br />

Diamanten der Welt bestaunen. Bei<br />

der Aussortierung, neuen Zusammenstellung<br />

<strong>und</strong> Anordnung der Exponate hat Robert<br />

Mouawad sich bemüht, museale Methoden zu<br />

berücksichtigen. Nach Abschluss des Museumsbesuchs<br />

kann man im umgebenden Park, der<br />

zu dem Gr<strong>und</strong>stück gehört, zwischen blühenden,<br />

exotischen Büschen, Palmen <strong>und</strong> Statuen<br />

lustwandeln <strong>und</strong> dem Gesang der Vögel lauschen.<br />

<strong>Kunst</strong>szene in <strong>Beirut</strong><br />

Viele Künstler sprechen offen aus, was manche<br />

Libanesen nur denken: „Libanon ist ein<br />

verrücktes Land, es ist einzigartig auf der Welt<br />

<strong>und</strong> es ist voller Überraschungen. Das Land ist<br />

klein <strong>und</strong> es gibt knapp vier Millionen Einwohner,<br />

von denen die Hälfte Libanesen sind,<br />

die andere Hälfe Immigranten. Die vielen religiösen<br />

Sekten sind Gift für Körper <strong>und</strong> Seele,<br />

das Land hat 50 Mrd. Dollar Schulden <strong>und</strong><br />

produziert kaum etwas. Lange Zeit mussten wir<br />

uns daran gewöhnen, dass es Elektrizität, sauberes<br />

Wasser, sichere Straßen <strong>und</strong> Einrichtungen,<br />

Rechtsprechung, <strong>und</strong> tausend weitere Dinge<br />

nicht gab. Aber trotz alledem ist es ein Super-Land<br />

mit einer Super-Hauptstadt, ein oft<br />

chaotisches Land, in dem W<strong>und</strong>er geschehen.“<br />

Mit all dem Chaos <strong>und</strong> den W<strong>und</strong>ern setzen<br />

sich die Künstler engagiert auseinander <strong>und</strong><br />

scheinen – oft von Ironie zerfressen – nie zu<br />

resignieren.<br />

Malerei <strong>und</strong> Bildhauerei haben in <strong>Beirut</strong> eine<br />

lange Tradition <strong>und</strong> viele libanesische Künstler<br />

sind weltbekannt. In <strong>Beirut</strong> existieren – bei<br />

steigender Tendenz - weit über 100 <strong>Kunst</strong>galerien<br />

mit Gemälden <strong>und</strong> Skulpturen zeitgenössischer<br />

Künstler. Weniger traditionelle<br />

<strong>Kunst</strong>formen, wie man sie auch auf den Biennalen<br />

der Welt sieht, gibt es im 2008 gegründeten<br />

<strong>Beirut</strong> Art Center (BAC), das den Video-,<br />

Computer-, Installations-, Graffiti- <strong>und</strong><br />

Performancekünstlern in jeweils eigenen Räumen<br />

als Plattform für zeitgenössische <strong>Kunst</strong><br />

dient – als Spielwiese für die „Jungen Wilden“.<br />

Die Non-Profit-Einrichtung wurde von der<br />

Künstlerin Lamia Joreige <strong>und</strong> der Kuratorin<br />

Sandra Dagher gegründet. BAC ist ein schneeweißes,<br />

zweistöckiges Gebäude in einem Industriegebiet<br />

von <strong>Beirut</strong>.<br />

In den traditionellen <strong>Kunst</strong>galerien sind Vernissagen<br />

an der Tagesordnung, stets fachk<strong>und</strong>ig<br />

begleitet <strong>und</strong> kommentiert von der lokalen<br />

Presse. Attraktive Galerien (die meisten sind<br />

täglich von 11-19 Uhr, außer sonntags geöffnet)<br />

befinden sich u. a. im neuen <strong>Stadt</strong>zentrum,<br />

in Al Hamra <strong>und</strong> im Saifi Village <strong>und</strong>


immer gibt es nach den Gesprächen mit den<br />

Galeristen <strong>und</strong> Künstlern neue Einsichten in<br />

Lebensart <strong>und</strong> Landesk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> das, was die<br />

Bevölkerung bewegt.<br />

Aida Cherfan Fine Art Gallery<br />

Nicht weit vom Uhrturm am Place de l’Etoile<br />

in der Rue Hussein El-Ahdab befindet sich die<br />

seit 10 Jahren existierende Aida Cherfan Fine<br />

Art Galerie (www.aidacherfan.com). Ausgestellt<br />

werden zeitgenössische libanesische <strong>und</strong> internationale<br />

Künstler. Zu den libanesischen<br />

Künstlern, die die Galerie vertritt, gehört z. B.<br />

der bekannte <strong>und</strong> vielfach ausgezeichnete Maler<br />

Ali Chams: auf großformatiger Leinwand<br />

hält er Impressionen aus seinem Heimatdorf<br />

Wadanieh fest – abstrakte Landschaften im<br />

Licht der Sonne. Aida Cherfan, die Besitzerin<br />

der Galerie, ist persönlich anwesend: „Mir geht<br />

es darum, ein andauerndes Vertrauensverhältnis<br />

zu den von uns vertretenen Künstlern aufzubauen.<br />

Ali Chams gehört zu den Künstlern,<br />

deren Werke regelmäßig ausgestellt werden.<br />

Seine Bilder verkaufen sich bestens <strong>und</strong> mir<br />

persönlich gefallen sie sehr gut – sie verbreiten<br />

gute Stimmung.“<br />

Agial Art Gallery<br />

Eine weitere bekannte Galerie ist die Agial Art<br />

Gallery (www.agialart.com), in der Nähe des<br />

Haupteingangs zur American University of<br />

<strong>Beirut</strong>, in der Abdel Aziz Straße in Al Hamra.<br />

In dieser Galerie hat man eine Vorliebe für die<br />

Künstlerin Tagreed Darghouth, 1979 in Saida<br />

geboren, mit <strong>Kunst</strong>studium in Paris <strong>und</strong> <strong>Beirut</strong>.<br />

Gruppenausstellungen hatte sie seit 1998 im<br />

Libanon, Frankreich, Jordanien, Argentinien,<br />

Türkei, Soloausstellungen bisher nur in <strong>Beirut</strong><br />

– auch im Goethe Institut <strong>Beirut</strong> waren ihre<br />

Werke zu sehen; das war 2006, als sie von Saleh<br />

Barakat, dem Gründer von Agial für die Galerie<br />

entdeckt wurde. In ihrer neuesten Gemäldeserie<br />

schockt sie die Galeriebesucher mit<br />

Frauenportraits, die sich unter dem Titel<br />

„Mirror, Mirror, …“ einem Thema widmen,<br />

das im Libanon ganz aktuell ist: der chirurgischen<br />

Gesichtsoperation. „Ich will mit diesen<br />

Bildern in Frage stellen, ob diese Praktiken<br />

wirklich ethisch <strong>und</strong> moralisch akzeptabel sind<br />

in einer Zeit, wo die Mutter ihrer Tochter zum<br />

Geburtstag eine Gesichtsoperation schenkt.<br />

Sind die Frauen Opfer von fragwürdigen<br />

Schönheitsidealen, die sich am Westen orientieren?“,<br />

so die Künstlerin. Carol A. Chehab,<br />

Creative Designer bei Agial empfiehlt den Besuch<br />

der nächsten Galerie aus besonderem<br />

Anlass.<br />

Das klassische Nationalmuseum in <strong>Beirut</strong> (oben).<br />

Das Robert Mouawad Privatmuseum ist außen<br />

europäisch (Mitte) <strong>und</strong> innen arabisch (unten).<br />

DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN 19


■ Libanon<br />

20 DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN<br />

Aida Cherfan<br />

(oben), Tagreed<br />

Dargouth (Mitte),<br />

Odile Mazlum<br />

Andraos (unten)<br />

Maqam Galerie<br />

Zur Agial Galerie gehört die Partnergalerie<br />

Maqam (www.maqamart.com) im Saifi Village,<br />

die meist moderne libanesische <strong>Kunst</strong> ausstellt,<br />

im April 2010 jedoch eine Sensation parat hatte:<br />

in der Sonderausstellung „Noble Forms“<br />

wurden bisher nicht zugängliche Gemälde <strong>und</strong><br />

Gouaches aus den Jahren 1946-1956 der international<br />

hoch geschätzten Künstlerin Saloua<br />

Raouda Choucair (gebürtig 1916 in <strong>Beirut</strong>)<br />

ausgestellt. „Die Werke wurden von Tochter<br />

Hala (Jahrgang 1957) zur Verfügung gestellt<br />

<strong>und</strong> vor allem junge Besucher stürmten<br />

tagelang die Galerie“, so Joe Tarrab, der Galeriedirektor.<br />

„Saloua gilt als <strong>Kunst</strong>pionierin abstrakter<br />

Malerei in der arabischen Welt. Als<br />

Naturwissenschaftlerin mit abgeschlossenem<br />

Studium an der heutigen Lebanese American<br />

University glaubt sie an die arithmetische Basis<br />

der islamischen <strong>Kunst</strong>. Lange hat sie jegliches<br />

Figuratives verschmäht. Auch für ihre<br />

1957 begonnenen Holz-Skulpturen wurde sie<br />

berühmt. Sie bestehen aus einzelnen, kombinierbaren<br />

Teilen – wie ein arabisches Gedicht“,<br />

weiß Joe Tarrab. Saloua erfuhr die ausdrückliche<br />

Anerkennung berühmter Maler/innen wie<br />

Fernand Léger, Vasarély, Sonia Delaunay <strong>und</strong><br />

Kandinski, mit denen sie persönlich bekannt<br />

war. In den letzten Jahren verarbeitete sie ihre<br />

abstrakten Designs auch in Teppichen <strong>und</strong> seit<br />

Neuestem kreiert sie Schmuck aus Stein, Metall,<br />

Fiberglas <strong>und</strong> Plastik – wahre Hingucker.<br />

Einen Gesamtüberblick über ihr Leben <strong>und</strong><br />

Werk gibt der Band „Her life and art“ ISBN<br />

9953-417-17-2, Bestandteil der Galerie-Bibliothek,<br />

die von Joe Tarrab gepflegt wird.<br />

Alwane Art Center<br />

Die größte <strong>und</strong> wichtigste Galerie, deren Besuch<br />

man auf keinen Fall versäumen sollte, ist<br />

das Alwane Art Center von Odile Mazlum<br />

Andraos im Saifi Village. Odile ist Künstlerin,<br />

Eigentümerin <strong>und</strong> Direktorin des <strong>Kunst</strong>zentrums,<br />

das auch über eine museale Antikenabteilung<br />

verfügt. Sie hat in Frankreich <strong>Kunst</strong><br />

studiert <strong>und</strong> ist seit 1964 im <strong>Kunst</strong>handel tätig.<br />

Sie gilt als absolut professionell, genießt<br />

einen hervorragenden Ruf <strong>und</strong> ist höchst anspruchsvoll;<br />

es heißt, dass sie von 100 Künstlern,<br />

die sich bei ihr vorstellen, nur 1 oder 2<br />

akzeptiert. Vorrangig geht es ihr um die Glaubwürdigkeit<br />

der Künstler, deren Werke sie ausstellt.<br />

Wer bei ihr ausstellt, hat beste Chancen<br />

auf eine internationale Karriere, wie z. B. Zena<br />

Assi, die von Odile 2006 entdeckt wurde. Ihr<br />

eigenwilliger Malstil der chaotischen Hausansammlungen<br />

in den Vorstädten von <strong>Beirut</strong> mit<br />

wild wucherndem Antennenwald <strong>und</strong> schlaksigen<br />

jungen Leuten in gedeckten, eher dumpfen<br />

Farben kommt nicht nur im eigenen Land<br />

an, Zena Assi ist regelmäßig in der Galerie Art<br />

Sawa in <strong>Dubai</strong> – mit Ausstellungen <strong>und</strong> Workshops<br />

- zu Gast. Im April 2010 gehörte Haibat<br />

Balaa, eine libanesische Malerin mit <strong>Kunst</strong>studium<br />

in <strong>Beirut</strong>, die seit 1975 in Galerien in<br />

Frankreich, Ägypten <strong>und</strong> den Golfstaaten Ausstellungen<br />

hatte, zu den Glücklichen, zwei<br />

Wochen lang ihre Bilder bei Alwane zeigen zu<br />

dürfen. Auch sie befasst sich mit Architektur<br />

<strong>und</strong> Straßenbild der Hauptstadt unter dem<br />

Motto „Kontrast“, <strong>und</strong> ihre in Öl auf Leinwand<br />

kreierten Gemälde bestechen durch leuchtende<br />

Farben <strong>und</strong> abstrakt-gegenständliche Malweise.<br />

Künstler im Saifi Village<br />

Im Folgenden werden außergewöhnliche, international<br />

berühmte libanesische Künstler<br />

vorgestellt, die die <strong>Kunst</strong>welt im Libanon geprägt<br />

haben: Bildhauer, Maler <strong>und</strong> Kuratorin.<br />

Bildhauer Raffi Tokatlian<br />

Der Künstler, 1957 im Libanon geboren,<br />

stammt aus einer Künstlerfamilie, die 1915 aus<br />

Armenien eingewandert war. „Während meiner<br />

künstlerischen Erziehung spielten Bücher<br />

eine große Rolle. Ich verschlang Geschichten<br />

aus der griechischen <strong>und</strong> römischen Mythologie,<br />

war angezogen von der italienischen Renaissance,<br />

vor allem von Donatellos Skulpturen.<br />

Bei den Malern inspirierten mich<br />

Hieronymus Bosch <strong>und</strong> einige Surrealisten. Bei<br />

Rodin <strong>und</strong> Giacometti sprachen mich die<br />

menschlichen Formen an. Ich nenne den Stil<br />

meiner Skulpturen ‚surrealmythoklassisch’, das<br />

drückt am besten die vielen Einflüsse aus, die<br />

sich in meinem Werk spiegeln.“ Sein großes<br />

Studio in Saifi Village ist nicht nur Ausstellungs<strong>und</strong><br />

Verkaufsraum, sondern auch Ort der Kreation.<br />

Sein Werk kombiniert die tragische Geschichte<br />

seiner Familie. Die Objekte sind so<br />

dreidimensional, dass sie – je nach Blickwinkel<br />

– einen völlig verschiedenen Eindruck hinterlassen.<br />

Die Figuren in Menschengröße scheinen<br />

mit dramatischen <strong>und</strong> ekstatischen Gesten<br />

in Bewegung. Manche Figuren sehen aus<br />

als seien sie einer Halluzination aus der Büchse<br />

der Pandora entsprungen, Alpträume von<br />

Leidenschaft, die einen verfolgen. Diese Kreaturen<br />

der Vorstellungswelt des Künstlers sind<br />

voller Symbolik, Religion <strong>und</strong> Mythologie –<br />

einmal gesehen lassen sie einen nicht mehr los,<br />

auch wenn sie ihre Geheimnisse wahren <strong>und</strong>


sich nicht jedem vollständig erschließen. Eine<br />

seiner spektakulärsten Ausstellungen fand anlässlich<br />

der Biennale 2010 in Venedig statt. Ein<br />

höchst ungewöhnlicher Anblick bot sich den<br />

Besuchern: lebensgroße Bronzestatuen einer<br />

mitreißenden, dynamischen Monumentalität<br />

in einem Prachtraum des Palazzo Zenobio.<br />

Maler Amine El Bacha<br />

Höhepunkt der Künstlerkontakte ist das Treffen<br />

mit Amine El Bacha (Jahrgang 1932), der<br />

schon als Junge im Alter von 15 malte <strong>und</strong> aus<br />

einer Künstlerfamilie von Malern <strong>und</strong> Musikern<br />

stammt. Eigentlich wollte er Musiker werden,<br />

überließ dies aber seinem Bruder. Er studierte<br />

<strong>Kunst</strong> in <strong>Beirut</strong> <strong>und</strong> Paris <strong>und</strong> gehört<br />

heute zu den berühmtesten Malern des Libanon.<br />

Seit 1958 hatte er Ausstellungen in namhaften<br />

Galerien im Nahen Osten <strong>und</strong> Europa,<br />

seine Werke befinden sich in vielen Museen der<br />

Welt <strong>und</strong> haben so manches Auktionshaus von<br />

innen gesehen. Falls heute einmal eines in einer<br />

kommerziellen <strong>Kunst</strong>galerie – wie bei<br />

Alwane in <strong>Beirut</strong> - auftaucht, ist es unerschwinglich.<br />

„Ich male für mich selbst“, meint<br />

der Künstler <strong>und</strong> empfindet den Verkauf jedes<br />

Bildes als Verlust. Für die libanesische Tageszeitung<br />

An Nahar <strong>und</strong> das kuwaitische Monatsmagazin<br />

Al Arabi schreibt er regelmäßig Beiträge<br />

für den <strong>Kultur</strong>teil. In der internationalen<br />

Presse sind zahlreiche Artikel über ihn erschienen.<br />

Als er im Januar 2008 eine Solo-Ausstellung<br />

in der Green Art Gallery in <strong>Dubai</strong> hatte,<br />

nahm dies das renommierte, internationale<br />

<strong>Kunst</strong>magazin „Canvas“ zum Anlass für einen<br />

ausführlichen Artikel über den Künstler.<br />

„Die universale Analogie des einfachen Seins“<br />

könnte man in den Worten von Baudelaire diesen<br />

Maler beschreiben, in dessen von einer<br />

Brille bedeckten Augen man – von Neugier<br />

überwältigt - in unbändige Lebenskraft schaut,<br />

die durch seine <strong>Kunst</strong> erwächst. Er malt in so<br />

selbstverständlicher Weise, wie andere essen,<br />

reden, lachen oder sonstige Dinge des täglichen<br />

Lebens tun. Er geht mit wachen Augen durch<br />

<strong>Beirut</strong>, kein Kaffeehausaufenthalt wird ohne<br />

Skizzen beendet, die - jede ein Einzelstück -<br />

besitzenswerte <strong>Kunst</strong>werke sind. Sie dienen<br />

nicht als Vorlage für Gemälde. Er nutzt alle<br />

Techniken, seine Motive sind Menschen, Landschaften,<br />

Blumen, Gebäude <strong>und</strong> immer wieder<br />

Vögel - in einem Stil, der bei aller Abstraktheit<br />

das Reale erkennen lässt. Auf die Frage nach<br />

seinem sehnlichsten Wunsch meint er: „Ich<br />

wäre gern ein Vogel, daher sind so viele Vögel<br />

in meinen Bildern zu finden. Ich mag die Form<br />

des Vogels. Die Bedeutung sollen die <strong>Kunst</strong>-<br />

kritiker interpretieren.“ Während der Arbeit<br />

hört er klassische Musik, am liebsten<br />

Beethoven, Mozart, Händel, Haydn <strong>und</strong> Bach.<br />

Bei einigen seiner großformatigen Bilder wird<br />

man an Miró oder Matisse erinnert, dann<br />

kommt Picasso in den Sinn. Man vermutet<br />

richtig, dass er sich lange Zeit in Spanien <strong>und</strong><br />

Frankreich aufgehalten hat. Noch heute pendelt<br />

er zwischen <strong>Beirut</strong> <strong>und</strong> Paris. Auch Karikaturen<br />

fertigt er an – es gibt nichts, was er<br />

nicht schon einmal erfolgreich auf der großen<br />

Leinwand des Lebens probiert hat <strong>und</strong> immer<br />

sind die Ergebnisse einzigartige Werke, in denen<br />

die kleinste Figur, das einfachste Symbol<br />

seine Bedeutung hat. Seine Kalligraphie ist<br />

Phantasie. Geheimnis, Intimität, Ironie, Leidenschaft,<br />

Sinnlichkeit, Schamlosigkeit, Revolution,<br />

Subversivität, … drücken seine Bilder<br />

aus. Genau das war es, was keinen Geringeren<br />

als Raymond Audi, Präsident der Bank Audi<br />

(größte, weltweit agierende Bank des Libanon)<br />

dazu bewog, den Künstler damit zu beauftragen,<br />

den Jahresbericht der Bank zu illustrieren.<br />

Amine schuf einen <strong>Kunst</strong>band <strong>und</strong> als dieser<br />

im Jahr 1993 erschien, war das eine Sensation<br />

<strong>und</strong> an die Bankmanager stellte er hohe<br />

Ansprüche an deren Humor.<br />

Eine große Liebe gehört der Malerei auf Holz.<br />

Er begann damit als Junge, der einen verlorenen<br />

Holzschuh fand <strong>und</strong> ihn spontan mit lebendigen<br />

Motiven <strong>und</strong> Farben bemalte. Seitdem<br />

ist kein Stück Holz vor ihm sicher im Hinblick<br />

auf künstlerische Verschönerung. Viele<br />

Möbel wie Schränke <strong>und</strong> Truhen in seinem<br />

Atelier in Al Saifi sind von ihm bemalt, genauso<br />

wie Aufbewahrungsboxen <strong>und</strong> andere hölzerne<br />

Deko-Gegenstände. Das Atelier atmet<br />

künstlerische Vielfalt – die Wände sind vorrangig<br />

mit eigenen Werken dekoriert, an der<br />

Staffelei steht ein noch unfertiges Ölgemälde,<br />

vereinzelt sind Holzskulpturen zu sehen. Seit<br />

neuestem gibt es eine Schal-Kollektion mit seinen<br />

Motiven, aber die größte Überraschung<br />

sind Schmuckstücke aus Gold <strong>und</strong> Silber, vor<br />

allem Broschen, die Gesichter seiner Gemälde<br />

zeigen.<br />

Auf die Bemerkung, seine vielfältigen Werke<br />

sollten der Öffentlichkeit in einem Museum<br />

zugänglich sein, lächelt er verschmitzt, als höre<br />

er dies nicht zum ersten mal, geht voran in einen<br />

abgetrennten Teil des Ateliers, öffnet die<br />

Tür <strong>und</strong> gibt die Sicht frei auf mehr als 300<br />

Werke unterschiedlicher Größe <strong>und</strong> Techniken<br />

– ein Teil des Lebenswerks eines engagierten,<br />

phantastischen Malers. Ohne Zweifel wäre ein<br />

Museum mit diesen Werken eine weitere, ganz<br />

große Attraktion in <strong>Beirut</strong> <strong>und</strong> man kann nur<br />

Raffi Tokatlian (oben)<br />

Amine El Bacha mit Werk (unten)<br />

DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN 21


■ Libanon<br />

hoffen, dass dies eines nicht so fernen Tages<br />

Realität wird. Bis dahin muss man sich zufrieden<br />

geben mit dem im Februar 2010 erschienenen,<br />

DIN A3 großen, gewichtigen Bildband,<br />

der sich mit dem Titel „Beyrouth“ ausschließlich<br />

mit seinen Aquarellen <strong>und</strong> Zeichnung der<br />

Zeit von 1953 bis 2009 beschäftigt – mit Texten<br />

in Englisch, Französich <strong>und</strong> Arabisch. Das<br />

Buch ist erhältlich im Virgin Mega Store. Gefragt<br />

nach der nächsten großen Ausstellung<br />

meint er: „Ich bin vom <strong>Kultur</strong>verband in<br />

Kuwait zu einer Ausstellung im Oktober 2010<br />

eingeladen worden.“<br />

Kuratorin Mahita El Bacha<br />

Die Liebe zur <strong>Kunst</strong> hat Amine El Bacha einer<br />

seiner Töchter vererbt, die seit ihrer Kindheit<br />

die ständige Berührung mit <strong>Kunst</strong> wie das tägliche<br />

Brot empfindet. Mahita El Bacha machte<br />

ihren BA in Geschichte <strong>und</strong> Archäologie an der<br />

American University <strong>Beirut</strong> <strong>und</strong> den Magister<br />

in <strong>Kunst</strong>politik <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong>management an der<br />

City University in London. Parallel zu zahlreichen<br />

<strong>Kunst</strong>projekten in den Emiraten <strong>und</strong><br />

weiteren Ländern der arabischen Welt arbeitet<br />

sie an ihrer Doktorarbeit über <strong>Mode</strong>rne Arabische<br />

<strong>Kunst</strong> am Royal College of Art in<br />

London <strong>und</strong> ist daher ständig auf Reisen. Nachdem<br />

sie mehrere Jahre als Koordinatorin bei<br />

den Sharjah Biennalen von 2005 <strong>und</strong> 2007<br />

tätig war, danach <strong>Kultur</strong>projekte bei der<br />

Tourism Development and Investment<br />

Company (TDIC) in Abu Dhabi betreute, gelang<br />

ihr als Kuratorin im Rahmen des mit 1<br />

Mio. US Dollar dotierten Abraaj Capital Prize<br />

bei der Art <strong>Dubai</strong> 2010 ein Meisterstück, indem<br />

sie mit dem libanesischen Künstler<br />

Marwan Sahmarani (www.sahmarani.com)<br />

<strong>und</strong> seinem von Rubens <strong>und</strong> Michelangelo<br />

inspirierten, monumentalen, innovativen<br />

Werk, das Malerei, Zeichnung <strong>und</strong> Film vereint,<br />

diesen Preis gewann. Bis zum 10. Oktober<br />

2010 war das Werk sechs Wochen lang im<br />

New Yorker Museum of Art and Design aus-<br />

22 DUBAI M<strong>AG</strong>AZIN<br />

gestellt. „Nach <strong>Beirut</strong> komme ich regelmäßig<br />

zurück, ich brauche den künstlerischen Austausch<br />

mit meinem Vater.“ Niemand hätte die<br />

Biografie ihres Vaters für seinen <strong>Kunst</strong>band<br />

„Beyrouth“ besser formulieren können. Natürlich<br />

ist es auch Mahita, die die Website ihres<br />

Vaters pflegt (www.aminelbacha.com)<br />

<strong>Mode</strong>haus Bait Assyla<br />

Wenn ein <strong>Mode</strong>haus die Erlaubnis erhält, regelmäßig<br />

<strong>Mode</strong>nschauen, die es als sensationelle<br />

<strong>Kultur</strong>ereignisse zelebriert, vor der Kulisse<br />

der Tempelanlage von Baalbek mit speziellen<br />

Lichteffekten <strong>und</strong> professionellen <strong>Mode</strong>ls<br />

zu veranstalten, dann ist es hilfreich, aus Baalbek<br />

zu stammen, aber etwas ganz Besonderes<br />

muss man schon zu bieten haben. Dies ist Bait<br />

Assyla gelungen - bekannt im ganzen Land <strong>und</strong><br />

in der Region, auf deren internationalen <strong>Mode</strong>messen<br />

das <strong>Mode</strong>haus regelmäßig vertreten ist.<br />

<strong>Mode</strong>schöpfer Al Hares Haidar <strong>und</strong> seine Partnerin<br />

Najwa Sinno haben die Tradition der<br />

Jalabiyas weiterentwickelt zu fabelhaften, orientalischen<br />

Abendroben (Bilder siehe unten).<br />

Aber auch Röcke, Jacken, Hosen - alles in ungewöhnlichem<br />

Schnitt <strong>und</strong> Design – gehören<br />

zur Kollektion. Ursprünglich kommen beide<br />

aus ganz anderen Bereichen: Haidar hat in Paris<br />

Architektur studiert <strong>und</strong> Sinno war <strong>Kunst</strong>malerin.<br />

Nach dem Studium trafen sie sich<br />

1990 in ihrer Heimatstadt Baalbek <strong>und</strong> schmiedeten<br />

Pläne, etwas Besonderes zu kreieren, was<br />

Spaß machen sollte. Nach 5 Jahre langem<br />

Nachdenken wurde das Unternehmen Assyla<br />

gegründet. „Für uns bedeutet <strong>Mode</strong> machen<br />

<strong>Kultur</strong>, es macht Freude, es ist <strong>Kunst</strong>. Wir stecken<br />

unsere gesamte Zeit <strong>und</strong> Energie in die<br />

Entwicklung neuer Kollektionen. Viel Zeit<br />

kostet es, alte Stoffe der Beduinentradition der<br />

Bekaa Ebene aufzutreiben, die wir mit neuen<br />

Stoffen kombinieren. Wir haben viele Beduinen<br />

besucht, sie haben uns gastfre<strong>und</strong>lich in<br />

ihren Zelten bewirtet. Nicht nur die farben-<br />

frohen Kissen in den Zelten haben uns vielfältig<br />

inspiriert. Beduinenfrauen halfen uns am<br />

Anfang, die Kleidungsstücke zu nähen. Heute<br />

beschäftigen wir 50 Frauen in Baalbek in Heimarbeit“,<br />

so Haidar bei einem Treffen im eleganten<br />

<strong>Mode</strong>salon - stilecht in der Sid Akl Straße<br />

in <strong>Beirut</strong>s Saifi Village. Die Stoffe sind ausschließlich<br />

aus Seide, Baumwolle, Wolle <strong>und</strong><br />

Leinen <strong>und</strong> sämtliche Applikationen sind<br />

handgearbeitet, die Stickereien, die auf traditionellen<br />

Vorlagen beruhen, eingeschlossen. „Im<br />

Laufe der Jahre haben wir unser eigenes Design<br />

kreiert, geometrische Muster, immer orientalisch<br />

angehaucht. Die Stickerei, deren Ursprünge<br />

auf die Fatimiden zurückgehen, kann<br />

nur mit einer speziellen Nadel angefertigt werden.<br />

Der Stoff wird dazu auf einen Rahmen<br />

gespannt. Besonders gefragt sind unsere Jacken<br />

aus dem berühmten Seidenstraßen-Musterstoff<br />

mit Applikationen aus Kurdistan.“ Man<br />

ahnt es schon: jedes Gewand ist ein Einzelstück,<br />

in manchen steckt monatelange Arbeit, daher<br />

haben solche <strong>Kunst</strong>werke ihren Preis. Für die<br />

passenden Accessoires wird auch gesorgt. Die<br />

K<strong>und</strong>schaft für die teuren Abendroben sind<br />

wohlhabende Damen – Gattinnen von Ministern<br />

<strong>und</strong> Botschaftern, viele Unternehmerinnen.<br />

Die Jacken sind schon eher erschwinglich<br />

– mit r<strong>und</strong> 900 Euro ist man sensationell<br />

gekleidet <strong>und</strong> kann sich weltweit damit sehen<br />

lassen.<br />

Assyla ist auch in den Emiraten erhältlich: Im<br />

„Marks & Spencer Einkaufszentrum“, gegenüber<br />

dem alten Fort Al Hosn <strong>und</strong> der <strong>Kultur</strong>stiftung<br />

in Abu Dhabi, findet man das Geschäft<br />

im 1. Stock mit einem großen Sortiment <strong>und</strong><br />

fachk<strong>und</strong>iger Beratung. Die K<strong>und</strong>schaft für die<br />

Abendroben stammt auch hier aus den Scheichfamilien.<br />

„Auch Minister- <strong>und</strong> Botschaftsgattinen<br />

wissen zu schätzen, dass sie mit Sicherheit<br />

ein Einzelstück kaufen“, so Hinan Farook Sulaiman,<br />

exklusive Franchise-Nehmerin der Marke<br />

Assyla für die Emirate. ■

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