FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2018
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nachvollziehbar, weil ihm etwas aufgezwängt<br />
wird, das Zähneputzen zum Beispiel.<br />
Da erfasst die Kamera von Ernst<br />
Kubitza, die sich meist dezent zurückhält<br />
und wunderbare Bilder in Schwarz-Weiß<br />
einfängt, die Distanz zwischen Vater und<br />
Sohn im Raum: auf der rechten Seite der<br />
Junge, der sich an eine Heizung haltsuchend<br />
anschmiegt, auf der linken der<br />
Vater, der in die Hocke geht und sich<br />
langsam auf Augenhöhe des Kindes nähert,<br />
von diesem aber wieder per Schrei<br />
auf Abstand gebracht wird. Während er<br />
ruhig auf den Sohn einredet, rennt der<br />
plötzlich an ihm vorbei zum Waschbecken<br />
und lässt Körpernähe wieder zu. So<br />
unberechenbar ist das Kind. So liebevoll<br />
geduldig ist der Vater mit ihm.<br />
3. ZWISCHEN<br />
MENSCHEN<br />
DI 3.7. 17.30 UHR<br />
FILMMUSEUM<br />
FR 6.7. 15.00 UHR<br />
FILMMUSEUM<br />
So unberechenbar sind auch die Filme<br />
Philip Grönings. Und so geduldig schaut<br />
er dem Spiel von Vater und Sohn, dem<br />
Spiel seiner Schauspieler Michael Schech<br />
(Vater) und Philipp Rankl (Sohn) zu, mit<br />
denen er, wie so oft bei Gröning, ohne<br />
elaboriertes Drehbuch arbeitet, ausgehend<br />
von einem Exposé, was all die Freiheiten<br />
gibt, sich einem Thema im Moment<br />
des Drehens anzunähern. Gröning<br />
entwickelt die Welt von Vater und Junge<br />
mit der Bereitschaft, Zeit verstreichen<br />
zu lassen, die Körper im Raum zu beobachten,<br />
Dinge entstehen zu lassen mit<br />
einem Einfühlungsvermögen, das dem<br />
des Vaters entspricht. Seinen Sohn vergleicht<br />
dieser einmal mit einer Festung,<br />
in der er eine Leere vermutet. Als das<br />
Kind erkrankt, erstarrt er selbst zur Festung.<br />
Und liegt gegen Ende auf dem<br />
Grund eines Sees, allein, weltentrückt.<br />
Die Familie als Wunschort für Intimität<br />
und Geborgenheit sowie Ersatzfamilien<br />
mit ähnlichen Hoffnungen stehen<br />
bei Gröning auf dem Prüfstand, sind von<br />
Konflikten geschüttelt, aber stellen oft<br />
eine, wie auch immer poröse, Festung<br />
gegenüber der Außenwelt dar. In l’amour,<br />
l’argent, l’amour (2002) bilden ein junger<br />
Herumtreiber und eine Prostituierte<br />
(plus Hund Kurt) ein furioses Team im<br />
Widerstand gegen eine vereinsamte wie<br />
brutalisierte Umwelt. Die Kartäusermönche<br />
in die grosse stille (2005) bilden<br />
eine eingeschworene Gemeinschaft in<br />
der Festung eines Klosters. Das Schweigen<br />
ist bei ihnen kein Zeichen von<br />
Sprachlosigkeit, sondern von ihrer Eintracht<br />
im Glauben. In die frau des polizisten<br />
(2013) blendet Gröning das Außen<br />
fast ganz aus. Denn das Paar, in dessen<br />
Ehe (mit Kind) sich die Gewalt einschleicht,<br />
bis sie Spuren hinterlässt, kapselt<br />
sich aus Scham gemeinsam ein.<br />
Die diesjährige Hommage an Philip<br />
Gröning konzentriert sich auf seinen<br />
neuen Film sowie sein Frühwerk, das zum<br />
Teil in der Nähe von München entstand.<br />
Die thematischen Fäden, die sich durch<br />
sein Werk ziehen, lassen sich so von ihrem<br />
momentanen Endpunkt direkt zu<br />
den Anfängen ziehen. In mein bruder<br />
heisst robert und ist ein idiot dringen<br />
die Zwillinge immer weiter in die nahegelegene<br />
Tankstelle ein und machen die<br />
Tankwarte, die sie schon seit ihrer Kindheit<br />
kennen, zu unfreiwilligen Partnern<br />
in einem eskalierenden Spiel. In sommer<br />
wirkt die neue Freundin des Vaters als<br />
Eindringling, die sich in eine leise Freundschaft<br />
zwischen dem Jungen und einem<br />
schwangeren Zimmermädchen, das ihm<br />
in ihrer Stille ähnelt, eifersüchtig einmischt.<br />
Die Natur bietet sich sowohl den<br />
Zwillingen als auch Vater und Sohn als<br />
idyllisches Spielfeld an, wird von Ernst<br />
Kubitza in sommer und von Gröning<br />
selbst in mein bruder heisst robert…<br />
betörend schön ins Auge der Kamera<br />
gerückt.<br />
Ihr unmittelbares menschliches Umfeld<br />
nehmen Grönings Figuren hingegen<br />
oft als Bedrohung wahr. In seinem Kurzfilm<br />
stachoviak!, einst gezeigt beim<br />
filmfest münchen 1988, führt diese<br />
Angst in die Paranoia und den Rückzug<br />
in die Privatsphäre einer Wohnung. Der<br />
zurückhaltende Postbeamte Bernhardt<br />
Stachoviak fühlt sich dabei von der<br />
Stadtgemeinschaft, von seinen direkten<br />
DIE TERRORISTEN!<br />
THE TERRORISTS!<br />
Deutschland 1992 • Regie Philip Gröning • Buch Philip Gröning,<br />
Michael Busch, Ralf Zöller • Darsteller Stephanie Philipp, Michael Schech,<br />
David Baalcke, Peter Cieslinski, Gerhard Fries • Länge 93 Min. • OF<br />
KURZFILMPROGRAMM<br />
MO 2.7. 17.00 UHR<br />
FILMMUSEUM<br />
STACHOVIAK!<br />
DO 5.7. 15.00 UHR<br />
FILMMUSEUM<br />
OPFER. ZEUGEN<br />
VICTIMS. WITNESSES<br />
Deutschland 1993 • Buch & Regie Philip<br />
Gröning Länge 22 Min. • OmeU<br />
Deutschland 1988 • Buch & Regie Philip<br />
Gröning Darsteller Peter Cieslinski, Tessi<br />
Tellmann • Länge 34 Min. • OF<br />
HOMMAGE PHILIP GRÖNING<br />
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