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FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2018

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In la niña santa vermischen sich erwachende<br />

Sexualität und Spiritualität zu<br />

einem Konglomerat unkontrollierbarer<br />

Gefühle. Die Erotik speist sich aus eindringlichen<br />

Blicken und indirekten Andeutungen,<br />

die von einer Sehnsucht<br />

erzählen, welche allen Figuren gemein<br />

ist. Der Skandal wird nicht auserzählt,<br />

la niña santa begnügt sich mit Details:<br />

Halboffene Türen, Blicke über die<br />

Schulter oder angeschnittene Wangen<br />

veranschaulichen die Zerrissenheit der<br />

Protagonisten. Die Grenzen zwischen<br />

Täter und Opfer, Schuld und Unschuld,<br />

Gut und Böse verschwimmen.<br />

SA 30.6. 20.30 UHR<br />

HFF KINO 2<br />

DI 3.7. 20.00 UHR<br />

FILMMUSEUM<br />

Noch stärker mit der Wahrnehmung<br />

des Zuschauers spielt Martels dritter<br />

Film la mujer sin cabeza. In dem<br />

Psychodrama gerät das Leben einer<br />

Frau nach einem scheinbar harmlosen<br />

Autounfall aus dem Gleichgewicht. Als<br />

Verónica auf einer ein samen Landstraße<br />

fährt, klingelt ihr Handy. Sie ist für einen<br />

Moment abgelenkt, stößt mit etwas<br />

zusammen, fährt jedoch einfach<br />

weiter. War es ein Tier? Oder ein<br />

Mensch? Zurück bleiben jedenfalls der<br />

Abdruck einer Kinderhand am Fenster<br />

und ein toter Hund am Straßenrand,<br />

den ihr Ehemann nach der Beichte seiner<br />

Frau entdeckt. Fortan taumelt Verónica<br />

wie betäubt durch den Alltag. Der<br />

Ehemann und der Rest der Familie spielen<br />

den Vorfall herunter, Schuldgefühle<br />

werden ausgeblendet. Distanziert<br />

blickt sie auf ihre bürgerliche Existenz,<br />

die einzelnen Handlungen ihres Alltages<br />

scheinen keinen Sinn mehr zu<br />

ergeben. Öfter bricht sie grundlos in<br />

Tränen aus. Leidet sie an Halluzinationen?<br />

Oder hat sie tatsächlich Sex mit<br />

dem Cousin ihres Mannes in einem Hotelzimmer?<br />

Dann macht die Feuerwehr<br />

eine grausame Entdeckung, die trotzdem<br />

alles offen lässt. Martel inszeniert<br />

die bürgerliche Verstörung meisterhaft,<br />

kritisiert unterschwellig die unmoralischen<br />

Selbstschutzmechanismen der<br />

argentinischen Mittelklasse. Verónica<br />

ist nicht mehr in der Lage, ihren Sinnen<br />

zu vertrauen, kämpft mit Verdrängung<br />

und Schuldfragen.<br />

LA NIÑA SANTA –<br />

DAS HEILIGE MÄDCHEN<br />

Argentinien, Spanien, Italien 2004 • Buch Lucrecia Martel, Juan Pablo<br />

Domenech • Darsteller Mercedes Morán, Carlos Belloso, Alejandro<br />

Urdapilleta, Julieta Zylberberg, Maria Alché • Länge 106 Min. • OmdU<br />

L E G U A S<br />

Argentinien u.a. 2015 • Länge 12 Min. • OmeU<br />

FR 29.6. 20.30 UHR<br />

HFF KINO 2<br />

DIE FRAU OHNE KOPF<br />

LA MUJER SIN CABEZA<br />

Argentinien, Spanien Frankreich 2007 • Buch Lucrecia Martel<br />

Darsteller Guillermo Arengo, Cesar Bordon, Claudia Cantero,<br />

Ines Efron, Daniel Genoud • Länge 87 Min. • OmeU<br />

MUTA<br />

Italien Argentinien 2011 • Buch Lucrecia Martel, Alejandro Ros • Darsteller<br />

María Alché, Julia Anderson,Cecilia Barros • Länge 6 Min. ohne Dialog<br />

Unter dem Verhalten der herrschenden<br />

Schicht brodeln rassistische<br />

Ressentiments, besonders im Umgang<br />

mit den Bediensteten. Nach neun Jahren<br />

Pause – und längerer Krankheit –<br />

drehte die Regisseurin zama, der nur<br />

auf den ersten Blick anders als ihre übrigen<br />

Werke erscheint: Mit einem<br />

männlichen Protagonisten, der sich im<br />

Jahre 1790 nach Lerma sehnt, einer<br />

Stadt in der Heimatprovinz Martels, in<br />

der all ihre anderen Filme spielen. Don<br />

Diego de Zama ist ein in Südamerika geborener<br />

Funktionär der spanischen Krone<br />

und wartet auf einen Brief des Königs,<br />

der ihm seine Versetzung nach<br />

Argentinien bestätigen soll. Das vergebliche<br />

Warten treibt den königstreuen<br />

Zama schließlich in die Arme einer<br />

Horde Soldaten, die eine Verbrecherbande<br />

verfolgt. zama begibt sich auf<br />

die historische Reise zu den Wurzeln<br />

des Rassismus – der Kolonialisierung<br />

Argentiniens – und endet in einer fiebrigen<br />

Banditenjagd. Dabei zeigt sich die<br />

Identitätskrise des weißen Mannes, der<br />

während der Kolonialzeit fremdbestimmt<br />

seiner eigentlichen Sehnsucht<br />

nicht folgen kann.<br />

Martels berührende Adaption des<br />

gleichnamigen Romans von Antonio Di<br />

Benetto erstaunt durch seinen ganz eigenen<br />

Rhythmus und starke visuelle<br />

Kontraste: Zivilisation und Wildnis stehen<br />

einander gegenüber, Kolonialherren<br />

in feiner Barockmontur befehligen<br />

spärlich gekleidete Eingeborene.<br />

Martel entlarvt die Machtverhältnisse<br />

MI 4.7. 17.30 UHR<br />

FILMMUSEUM<br />

durch ironisch ins Bild gerückte Brechungen:<br />

Die Perücken der Spanier sitzen<br />

schief, außerdem ist es viel zu heiß<br />

für die aufwendige Kluft der spanischen<br />

Funktionäre. Auch viele der<br />

umständlich verschifften Gegenstände<br />

erweisen sich als sinn- und funktionslos:<br />

Das Himmelbett passt zum Beispiel<br />

gar nicht in die einfache Lehmhütte, in<br />

die Zama umziehen muss.<br />

Die Sprachbarriere erschwert zusätzlich<br />

die Kommunikationsmöglichkeiten<br />

untereinander. Als Vertreter<br />

der Alten Welt ist der Funktionär<br />

Don Pedro de Zama gefangen in der<br />

Neuen Welt. Weit entfernt von seiner<br />

Familie wartet er jahrelang, lässt Erniedrigungen<br />

über sich ergehen und<br />

schluckt seine Enttäuschung jedes<br />

Mal herunter.<br />

RETROSPEKTIVE LUCRECIA MARTEL<br />

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