FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2018
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Im Scheinwerferlicht zu stehen<br />
erscheint manchen als verlockende<br />
Aussicht. Das Publikum<br />
liebt ja auch die Stars, und diese<br />
Reihe hier, Spotlight, zehrt<br />
von den großen Namen und<br />
den Ansprüchen, die man gegenüber<br />
den ganz Großen des<br />
Kinos und der anderen Künste<br />
hegt. Womit aber auch schon<br />
der Druck angesprochen ist,<br />
der auf jenen lastet, die es ganz<br />
nach vorne, ganz weit nach<br />
oben geschafft haben.<br />
Also: Ist das Rampenlicht<br />
eher Fluch oder Segen? Will<br />
man darin stehen oder anderswo,<br />
lieber Kamel sein als Reiter?<br />
In der Adaption eines Romans<br />
des mit britischem<br />
Understatement gesegneten<br />
Literaten Nick Hornby ist ein<br />
legendärer Indie-Rocker (Ethan<br />
Hawke) untergetaucht, lässt<br />
sich aber doch zu einer Email<br />
aus dem Karriere-Off hinreißen,<br />
als die Freundin eines Fans<br />
eins seiner Alben im Internet<br />
verreißt. Die Kritik führt bei<br />
Hornby zu einer hübschen Romanze.<br />
Tragisch hingegen verlief<br />
die große Karriere von<br />
Whitney Houston, auf deren<br />
Spuren ein Dokumentarfilm<br />
wandelt. Auch Michael Jackson<br />
galt trotz allen Ruhms nicht als<br />
glücklicher Star – sein Tod löst<br />
bei einem ägyptischen Fan eine<br />
Sinnkrise aus, aber im Kino<br />
kann ja eine Kopie nochmal<br />
alles in einem anderen Licht<br />
erscheinen lassen.<br />
Ebenfalls Stars der Musikszene<br />
sind der Filmkomponist<br />
Ryuichi Sakamoto, dessen Arbeitsweise<br />
beim Fertigstellen<br />
seines aktuellen Albums dokumentarisch<br />
beleuchtet wird;<br />
und die Gründer des Labels<br />
Blue Note Records, die alles in<br />
die Wege leiteten, damit auch<br />
afroamerikanische Genies wie<br />
Miles Davis oder Thelonious<br />
Monk die Laufbahn hatten, die<br />
ihnen talentgemäß zustand.<br />
it must schwing heißt dieser<br />
Film, was doch ein schönes<br />
Motto für die ganze Reihe ist.<br />
Denn irgendwas muss ja in<br />
Schwingung geraten, bei den<br />
Stars, bei den Charakteren, bei<br />
den Zuschauer*innen. Sonst<br />
geht das Scheinwerferlicht<br />
schnell aus.<br />
Spektakulär kann dabei alles<br />
Mögliche sein, zum Beispiel das<br />
minutiöse Mienenspiel von<br />
Charlotte Rampling. Die Ehefrau,<br />
die sie spielt, in Brüssel<br />
lebend, kämpft mit dem Daseinsschatten,<br />
in den sie durch<br />
ihren kriminellen Gatten hineingeworfen<br />
wird. Kelly MacDonald,<br />
hierzulande eher schändlich<br />
unbekannt, verkörpert auf<br />
der anderen Seite des Ozeans,<br />
in Connecticut, eine Hausfrau,<br />
die eine Leidenschaft fürs Puzzeln<br />
entwickelt. Eine neue Identität<br />
setzt sich da zusammen,<br />
ein Puzzleprofi assistiert bei<br />
diesem Prozess und könnte als<br />
Partner in ganz anderen Dingen<br />
passen. Der indische Kinostar<br />
Irrfan Khan spielt diesen, sicherlich<br />
netten, Kerl und taucht<br />
auch noch in der Wüste auf: als<br />
Kameltreiber, der sich in die<br />
Stimme einer Frau und damit in<br />
die ganze Frau verliebt. Die<br />
(Golshifteh Farahani) kennt sich<br />
aus in der mythischen Kunst<br />
des Skorpion-Singens, womit<br />
fatale Daseinsstiche geheilt<br />
werden sollen.<br />
Ein bisschen Magie darf<br />
schon sein, im französischen<br />
Kino sowieso. Jean Dujardin<br />
kehrt unverhofft unversehrt<br />
aus dem Krieg zurück, ist aber<br />
eher ein abgewrackter Held,<br />
der es mit der schlagfertigen<br />
Mélanie Laurent zu tun bekommt.<br />
Und Vincent Lindon<br />
soll als faktentreuer Journalist<br />
im Auftrag des Vatikans ein<br />
Marienwunder überprüfen. Ist<br />
das Licht, welches das Kino auf<br />
unsere Welt und all die Erscheinungen<br />
darin wirft, nicht<br />
sowieso: göttlich? Die hellsten<br />
Leuchten tauchen aus den irrsten<br />
Ecken auf, ein paar Raumfahrtpioniere<br />
kommen gar aus<br />
dem Schwabenländle. Und<br />
die letzten echten Regie-Cowboys<br />
reiten durch Schwabing:<br />
Münchens Bester Klaus Lemke<br />
gehört ins Rampenlicht,<br />
gemeinsam mit eigenwilligen<br />
Kinohelden wie einem<br />
88- jährigen Schneider aus Buenos<br />
Aires oder einer Handvoll<br />
spanischer Basketballer mit<br />
einer Handvoll Handicaps. Aber<br />
was heißt schon Handicap? Im<br />
richtigen Licht besehen sind es<br />
ja genau die Macken und Fehler,<br />
die eine Figur, einen Film zum<br />
Glänzen bringen.<br />
Michael Stadler<br />
SPOTLIGHT<br />
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