08.06.2018 Aufrufe

FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2018

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Im Scheinwerferlicht zu stehen<br />

erscheint manchen als verlockende<br />

Aussicht. Das Publikum<br />

liebt ja auch die Stars, und diese<br />

Reihe hier, Spotlight, zehrt<br />

von den großen Namen und<br />

den Ansprüchen, die man gegenüber<br />

den ganz Großen des<br />

Kinos und der anderen Künste<br />

hegt. Womit aber auch schon<br />

der Druck angesprochen ist,<br />

der auf jenen lastet, die es ganz<br />

nach vorne, ganz weit nach<br />

oben geschafft haben.<br />

Also: Ist das Rampenlicht<br />

eher Fluch oder Segen? Will<br />

man darin stehen oder anderswo,<br />

lieber Kamel sein als Reiter?<br />

In der Adaption eines Romans<br />

des mit britischem<br />

Understatement gesegneten<br />

Literaten Nick Hornby ist ein<br />

legendärer Indie-Rocker (Ethan<br />

Hawke) untergetaucht, lässt<br />

sich aber doch zu einer Email<br />

aus dem Karriere-Off hinreißen,<br />

als die Freundin eines Fans<br />

eins seiner Alben im Internet<br />

verreißt. Die Kritik führt bei<br />

Hornby zu einer hübschen Romanze.<br />

Tragisch hingegen verlief<br />

die große Karriere von<br />

Whitney Houston, auf deren<br />

Spuren ein Dokumentarfilm<br />

wandelt. Auch Michael Jackson<br />

galt trotz allen Ruhms nicht als<br />

glücklicher Star – sein Tod löst<br />

bei einem ägyptischen Fan eine<br />

Sinnkrise aus, aber im Kino<br />

kann ja eine Kopie nochmal<br />

alles in einem anderen Licht<br />

erscheinen lassen.<br />

Ebenfalls Stars der Musikszene<br />

sind der Filmkomponist<br />

Ryuichi Sakamoto, dessen Arbeitsweise<br />

beim Fertigstellen<br />

seines aktuellen Albums dokumentarisch<br />

beleuchtet wird;<br />

und die Gründer des Labels<br />

Blue Note Records, die alles in<br />

die Wege leiteten, damit auch<br />

afroamerikanische Genies wie<br />

Miles Davis oder Thelonious<br />

Monk die Laufbahn hatten, die<br />

ihnen talentgemäß zustand.<br />

it must schwing heißt dieser<br />

Film, was doch ein schönes<br />

Motto für die ganze Reihe ist.<br />

Denn irgendwas muss ja in<br />

Schwingung geraten, bei den<br />

Stars, bei den Charakteren, bei<br />

den Zuschauer*innen. Sonst<br />

geht das Scheinwerferlicht<br />

schnell aus.<br />

Spektakulär kann dabei alles<br />

Mögliche sein, zum Beispiel das<br />

minutiöse Mienenspiel von<br />

Charlotte Rampling. Die Ehefrau,<br />

die sie spielt, in Brüssel<br />

lebend, kämpft mit dem Daseinsschatten,<br />

in den sie durch<br />

ihren kriminellen Gatten hineingeworfen<br />

wird. Kelly MacDonald,<br />

hierzulande eher schändlich<br />

unbekannt, verkörpert auf<br />

der anderen Seite des Ozeans,<br />

in Connecticut, eine Hausfrau,<br />

die eine Leidenschaft fürs Puzzeln<br />

entwickelt. Eine neue Identität<br />

setzt sich da zusammen,<br />

ein Puzzleprofi assistiert bei<br />

diesem Prozess und könnte als<br />

Partner in ganz anderen Dingen<br />

passen. Der indische Kinostar<br />

Irrfan Khan spielt diesen, sicherlich<br />

netten, Kerl und taucht<br />

auch noch in der Wüste auf: als<br />

Kameltreiber, der sich in die<br />

Stimme einer Frau und damit in<br />

die ganze Frau verliebt. Die<br />

(Golshifteh Farahani) kennt sich<br />

aus in der mythischen Kunst<br />

des Skorpion-Singens, womit<br />

fatale Daseinsstiche geheilt<br />

werden sollen.<br />

Ein bisschen Magie darf<br />

schon sein, im französischen<br />

Kino sowieso. Jean Dujardin<br />

kehrt unverhofft unversehrt<br />

aus dem Krieg zurück, ist aber<br />

eher ein abgewrackter Held,<br />

der es mit der schlagfertigen<br />

Mélanie Laurent zu tun bekommt.<br />

Und Vincent Lindon<br />

soll als faktentreuer Journalist<br />

im Auftrag des Vatikans ein<br />

Marienwunder überprüfen. Ist<br />

das Licht, welches das Kino auf<br />

unsere Welt und all die Erscheinungen<br />

darin wirft, nicht<br />

sowieso: göttlich? Die hellsten<br />

Leuchten tauchen aus den irrsten<br />

Ecken auf, ein paar Raumfahrtpioniere<br />

kommen gar aus<br />

dem Schwabenländle. Und<br />

die letzten echten Regie-Cowboys<br />

reiten durch Schwabing:<br />

Münchens Bester Klaus Lemke<br />

gehört ins Rampenlicht,<br />

gemeinsam mit eigenwilligen<br />

Kinohelden wie einem<br />

88- jährigen Schneider aus Buenos<br />

Aires oder einer Handvoll<br />

spanischer Basketballer mit<br />

einer Handvoll Handicaps. Aber<br />

was heißt schon Handicap? Im<br />

richtigen Licht besehen sind es<br />

ja genau die Macken und Fehler,<br />

die eine Figur, einen Film zum<br />

Glänzen bringen.<br />

Michael Stadler<br />

SPOTLIGHT<br />

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