FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2018
Das kostenlose Filmfest Magazin finden Sie im Festivalzentrum Gasteig und an den Filmfest-Kinos in München. Hier können Sie online im Magazin stöbern.
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Zum filmfest münchen beschäftigt sich eine<br />
zweitägige Konferenz mit dem Thema Virtual Reality.<br />
Initiator ist Regisseur Edgar Reitz<br />
„Virtual Reality ist eine neue<br />
Kunstform“, erklärte der<br />
mehrfache Oscar-Preisträger<br />
Alejandro G. Iñárritu in<br />
seiner Dankesrede, als er im<br />
November 2017 für seine<br />
VR-Installation „Carne y<br />
Arena“ mit einem weiteren<br />
Academy Award ausgezeichnet<br />
wurde. Zahlreiche<br />
Filmemacher und Künstler<br />
beschäftigen sich mit dem<br />
neuen Medium, ihre Arbeiten<br />
werden auf internationalen<br />
Filmfestivals, in Museen und<br />
Kunstausstellungen gezeigt.<br />
Ein Überblick über die<br />
spannenden Entwicklungen<br />
künstlerischer Arbeiten ist<br />
nun auch in München im<br />
Rahmen der i4c Konferenz zu<br />
sehen, die auf Initiative des<br />
Filmemachers Edgar Reitz in<br />
den Räumen der Bayerischen<br />
Akademie der Schönen<br />
Künste stattfindet.<br />
Herr Reitz, was interessiert<br />
Sie an Virtual Reality?<br />
Zum einen ist da die Neugier auf<br />
die technischen Möglichkeiten.<br />
Daran knüpft sich für mich die<br />
philosophische Frage: In welche<br />
Bewusstseinsebenen können<br />
wir mithilfe dieser Erzählform<br />
eindringen, die uns bisher verschlossen<br />
waren? Welche neuen<br />
Erkenntnisse über das Verhältnis<br />
von Ich und Welt<br />
können wir gewinnen? Und wie<br />
können wir uns – unter Einbeziehung<br />
dieser neuen Möglichkeiten–<br />
die Zukunft des Kinos<br />
vorstellen?<br />
Wird VR denn das Kino<br />
revolutionieren?<br />
Es ist zu früh zu sagen, was wir<br />
Filmemacher daraus machen<br />
können oder wollen. Große<br />
Unternehmen beginnen jedenfalls,<br />
maßgebliche Beträge in<br />
die Hardware von VR zu investieren.<br />
Arri entwickelt zum<br />
Beispiel gerade eine 360°-Kamera<br />
für ein paar Millionen<br />
Euro. Als Autor bin ich vor<br />
allem interessiert daran, welche<br />
Stoffe ich mit Hilfe von VR<br />
darstellen kann und will. Eine<br />
neue technische Erfindung hat<br />
uns Filmleuten schon immer<br />
unser dramaturgisches Werkzeug<br />
erweitert. Auch die Digitalisierung<br />
bringt ganz neue Möglichkeiten<br />
des Erzählens mit<br />
sich. Als Filmemacher habe ich<br />
immer noch das Gefühl, in der<br />
Pionierphase einer jungen<br />
Kunst tätig zu sein, deren Möglichkeiten<br />
noch lange nicht ausgelotet<br />
sind. Wir machen einen<br />
Fehler, wenn wir VR nicht zur<br />
Kenntnis nehmen. Was VR ist,<br />
lässt sich nicht verbal vermitteln,<br />
das muss man erleben.<br />
Was ist das Besondere an<br />
einer VR-Experience?<br />
Die Aufführung in einem Kino<br />
hat bestimmte Anfangszeiten<br />
und eine bestimmte Dauer. Bei<br />
VR hat jeder seine individuelle<br />
Gebrauchsform: Man kann<br />
jederzeit kommen und gehen.<br />
Die VR- Experience ist verfügbar,<br />
man muss nur die Brille<br />
aufsetzen. Ich habe vor kurzem<br />
eine Experience in Frankfurt<br />
gesehen: 150 Leute mit VR-Brillen<br />
im Kino, die sich alle kreuz<br />
und quer umsehen. Das ist<br />
schon saukomisch. Jeder für<br />
sich. Völlig absurd. Aber das<br />
Erlebnis, mitten im Geschehen<br />
zu sein, ist frappierend.<br />
Macht das virtuelle<br />
Erzählen den klassischen<br />
Erzähler obsolet?<br />
Eine gut erzählte Geschichte<br />
entsteht nicht durch Anwenden<br />
von Regeln und Tricks, sondern<br />
ist das Ergebnis der erzählerischen<br />
Fantasie eines begabten<br />
Autors. Talent und Fantasie lassen<br />
sich nicht von den Autoren<br />
trennen. Man hätte einen Fellini<br />
auch mit einem Oscar nicht<br />
nach Hollywood locken können.<br />
Der war nicht verpflanzbar.<br />
Er war nur in seinem eigenen<br />
Gehäuse, in seiner eigenen Geschichte<br />
und in seiner Wohnung<br />
in Trastevere authentisch<br />
und real. Solche Existenzen<br />
(nennen wir sie die Autorenfilmer)<br />
haben das Kino zu einer<br />
Weltkultur gemacht. Das „serielle<br />
Storytelling“ und „virtuelle<br />
Storytelling" sind neue Modebegriffe<br />
geworden. Aber man<br />
kann kaum mehr als Standards<br />
und Dramaturgien industriell<br />
entwickeln. Eine gute Geschichte,<br />
die die magische Ausstrahlung<br />
hat, die Herzen zu<br />
berühren, ist immer das Werk<br />
eines guten Erzählers, der seine<br />
persönlichste Erfahrungswelt<br />
VIRTUAL REALITY<br />
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