08.06.2018 Aufrufe

FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2018

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Das filmfest münchen zeigt Andrew Niccols neuen Science-Fiction-<br />

Thriller anon mit Clive Owen und Amanda Seyfried in den Hauptrollen.<br />

Der Oscar-nominierte Regisseur wird selbst bei der Award Ceremony<br />

und der Vorführung anwesend sein.<br />

Ich sehe was, was du nicht siehst.<br />

Stellen Sie sich vor, dieser Satz ist kein<br />

Kinderspiel, sondern die Aussage<br />

allein bringt eine ganze Weltordnung<br />

ins Schwanken. In Andrew Niccols<br />

neuem Sci-Fi-Thriller anon ist genau<br />

dies die Prämisse. Wie zuvor in seinen<br />

Erfolgen gattaca und in time hat der<br />

Regisseur eine dystopische Welt in<br />

einer unbestimmten, aber nicht allzu<br />

fernen Zukunft erschaffen: Augen<br />

sind hier nicht mehr ein „Fenster zur<br />

Seele“, sondern eine Plattform für<br />

Informationen, ein Bildschirm.<br />

SA 7.7. 18.00 UHR<br />

CARL-ORFF-SAAL<br />

Alle Menschen sind vernetzt im<br />

„Ether“, einem weltweiten System, das<br />

jeden überwachen kann. So werden<br />

wichtige Informationen über alles, was<br />

man sieht, direkt auf die Netzhaut<br />

gespielt. Geht man durch die Straßen,<br />

werden sofort Namen, Alter und Beruf<br />

jedes passierenden Individuums neben<br />

ihn oder sie projiziert, sowie Preise und<br />

Inhaltsstoffe neben die unterschiedlichsten<br />

Lebensmittel. Das Gesehene<br />

wird in einem „digitalen Gedächtnis“<br />

gespeichert und kann immer wieder<br />

abgespielt werden. Produktwerbungen,<br />

in unserer Gegenwart noch auf leuchtenden<br />

Werbetafeln zu sehen, laufen<br />

im „Ether“ auf Hausmauern, abgestimmt<br />

auf den Geschmack jedes<br />

einzelnen Betrachters.<br />

In dieser Welt ein Polizist zu sein,<br />

scheint simpel. Detective Sal Frieland,<br />

gespielt von Clive Owen, verbringt<br />

den Großteil seines Tages damit, Verbrechen<br />

aus den Augen von Opfern<br />

und Tätern zu betrachten und dann<br />

die entsprechenden Personen zu<br />

verhaften. Passiert eine neue Straftat,<br />

werden die betreffenden Aufnahmen<br />

sofort auf seine Augen geladen, und<br />

der Fall ist damit bald erledigt.<br />

Doch dann geschehen Morde, von<br />

denen es nur Material aus der Sicht<br />

des Killers gibt. Dieser hackt sich<br />

nämlich in die Augen seiner Zielpersonen<br />

ein, so dass diese dabei zusehen<br />

müssen, wie der Mörder sich<br />

ihnen nähert und schließlich tötet.<br />

Das ist vor dem Tod auch noch Psychoterror<br />

für die Opfer und stellt die<br />

Polizei vor ein Problem: Wer kann sich<br />

so leicht Zugriff auf die Augen anderer<br />

verschaffen? Und wer erschießt<br />

Menschen, die scheinbar nichts miteinander<br />

zu tun haben? Sal stürzt sich<br />

mit Begeisterung für das Unbekannte<br />

in den Fall und ermittelt undercover in<br />

der Hackerszene.<br />

Wie auch schon in früheren Filmen<br />

inszeniert Andrew Niccol das futuristische<br />

Katz-und-Maus-Spiel zwischen<br />

Polizist und Täter als Film noir.<br />

In Rauch- und Whiskeyschwaden<br />

gehüllt verbringt der wortkarge Detective<br />

viel Zeit im scheinbaren Stillstand.<br />

Er muss ja auch nicht durch die<br />

Welt laufen und ermitteln, die Welt<br />

spielt sich in seinen Augen ab. Clive<br />

Owen hat sich schon in andere dystopische<br />

Settings, beispielsweise in<br />

children of men, hervorragend eingefügt;<br />

das In-Sich-Gekehrte steht<br />

ihm gut. Seine graugrünen Augen<br />

führen uns nicht nur ins „Ether“, sondern<br />

auch in Sals immer größer werdende<br />

Verzweiflung. Als er auf eine<br />

Frau trifft, die außerhalb des „Ethers“<br />

zu leben scheint, ist er gleichermaßen<br />

fasziniert und überfordert: Ist sie eine<br />

Femme fatale, also die Killerin? Und<br />

wie nimmt man es mit jemandem auf,<br />

der manipulieren kann, was man gerade<br />

vor den eigenen Augen sieht?<br />

Amanda Seyfrieds mysteriöse<br />

Anon – ihren Namen erfährt man<br />

nicht, sie ist schlichtweg anonym – ist<br />

für Sal Frieland nicht greifbar. Ihr<br />

ANON<br />

Wunsch unter dem Radar zu leben,<br />

wirkt in einer Welt, in der alle sich<br />

bereitwillig transparent machen, rätselhaft.<br />

Andrew Niccol schafft, dass<br />

sich diese (alb)traumhafte Zukunftswelt<br />

sehr lebensnah anfühlt.<br />

Gerade jetzt kurz nach den Änderungen<br />

im EU-Datenschutzgesetz und<br />

dem neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetz<br />

könnte der Film nicht aktueller<br />

sein. Während das Sehen-und-<br />

Gesehenwerden in unserer Zeit der<br />

sozialen Medien gang und gäbe ist,<br />

entzieht sich Anon dem Blick, um ihr<br />

Leben in Freiheit zu führen. In einer<br />

Gesellschaft, die keine verstohlenen<br />

oder geheimen Blicke zulässt, geht es<br />

vielleicht auch gar nicht darum, gesehen<br />

zu werden. Es geht vielmehr darum,<br />

Menschen ihre Blicke zu stehlen.<br />

„Das System funktioniert nur, wenn<br />

wir unseren Augen trauen können“,<br />

ist der Leitsatz von Sals Vorgesetzten.<br />

Anon ist eine Störung in diesem System,<br />

doch ob sie sich so leicht beheben<br />

lässt?<br />

Barbara Oswald<br />

Der Abschlussfilm anon wird im Rahmen<br />

der Verleihung des ARRI/OSRAM Awards<br />

und des CineVision Awards gezeigt. Als<br />

Stargast erwarten wir Regisseur Andrew<br />

Niccol. Tickets im freien Verkauf erhältlich.<br />

ABSCHLUSSFILM<br />

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