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Nr. 2 August 2007, 27.Jg.


Foto: BDLI e.V. / Rolls-Royce Deutschland<br />

Foto: Walter G. Allgoewer/JOKER<br />

2<br />

Inhalt<br />

Neue Bahntechnik in Paderborn<br />

S.16<br />

Internationale<br />

Geisteswissenschaftler diskutieren<br />

in der Freien Universität Berlin<br />

S.29<br />

Die chilenische Bildhauerin<br />

Alejandra Ruddoff arbeitet in<br />

Potsdam an ihrer Skulptur<br />

S.4<br />

Rolls-Royce ist Hersteller von<br />

Flugtriebwerken und Kooperationspartner<br />

der Technischen Universität Darmstadt<br />

S.10<br />

Titel:<br />

Mit erneuerbaren Energien<br />

gegen den Klimawandel<br />

S.24<br />

Foto: Martin Schmidt-Roßleben<br />

Abb.: RailCab – Neue Bahntechnik Paderborn<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Dialog Seite 4<br />

Frauenpower aus Chile S. 4<br />

Brief aus der Mongolei S. 7<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt S. 7<br />

Spektrum Deutschland Seite 8<br />

Hochschule Seite 10<br />

Keine verlängerte Werkbank<br />

Hochschulen und Unternehmen als Partner S. 10<br />

Yoga auf dem Dach<br />

Sommerschule für Architekturstudenten S. 12<br />

Neues vom Campus S. 13<br />

Wissenschaft & Wirtschaft Seite 15<br />

Ortstermin Seite 16<br />

Labor für Denker<br />

Ost-Westfalen: Bielefeld und Paderborn S. 16<br />

Europa Seite 18<br />

Mobilität steht im Zentrum<br />

Die vierte Bologna-Konferenz S. 18<br />

Arbeiten weltweit Seite 20<br />

Dynamik und Inselromantik<br />

Zwei Deutsche in Irland S. 20<br />

Rätsel Seite 22<br />

Sprachecke Seite 23<br />

Trends Seite 24<br />

TITEL:<br />

Rückenwind für Klimaschutz S. 24<br />

<strong>DAAD</strong> Report Seite 29<br />

Bekenntnis zur Vielfalt<br />

Die Internationalität der Geisteswissenschaften S. 29<br />

„Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />

Diskussion zur Sprachenpolitik in Berlin<br />

Gestern Stipendiat – und heute ...:<br />

S. 31<br />

Mahmoud Hamdy Zaqzouq S. 33<br />

Stipendiaten forschen S. 34<br />

Nachrichten S. 36<br />

Köpfe S. 41<br />

Bücher von unseren Lesern S. 42<br />

Impressum S. 42<br />

Deutsche Chronik Seite 43<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Mehr als 80 Prozent der Deutschen achten<br />

darauf, dass das Licht nicht dauernd<br />

brennt, 70 Prozent lassen elektrische Geräte<br />

nicht auf Standby stehen, und jeder Dritte hat<br />

die Wärmedämmung in seiner Wohnung verbessert.<br />

Dies hat das Institut für Demoskopie<br />

Allensbach herausgefunden. Wenn man den<br />

Umfrage-Ergebnissen glauben darf, liegt der<br />

Klimaschutz den Deutschen sehr am Herzen.<br />

Die bereits heute sichtbaren Auswirkungen<br />

des Klimawandels – von Unwetterkatastrophen<br />

bis zum Schmelzen des „ewigen“ Eises – sind<br />

laut Weltklimabericht der UN zu einem großen<br />

Teil von Menschen gemacht. Das schreckt<br />

viele Bürger auf. Unsere Titelgeschichte (ab<br />

Seite 24) handelt von zahlreichen Initiativen,<br />

dem Klimakollaps entgegenzusteuern – etwa<br />

durch die Nutzung erneuerbarer Energien wie<br />

Sonne, Wind oder Biomasse.<br />

Angesichts der alarmierenden Prognosen ist<br />

klar: Die bisherigen Anstrengungen müssen<br />

um ein Vielfaches verstärkt werden – und sie<br />

müssen international sein. Deshalb hat Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel in diesem Jahr als<br />

Ratspräsidentin der Europäischen Union und<br />

als Gastgeberin beim G8-Gipfel in Heiligendamm<br />

das Thema Klimaschutz zur Chefsache<br />

gemacht. Und deshalb tun sich Forscher über<br />

Grenzen hinweg zusammen, um nach neuen<br />

Lösungen zu suchen.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Ob Klimaschutz, Wissenschaft oder Sprache:<br />

Internationalität auf allen Gebieten<br />

Ohne weltweite Kooperation geht es auch<br />

in den Geisteswissenschaften nicht.<br />

Über die Bedeutung der „Internationalität der<br />

Geis teswissenschaften in einer globalisierten<br />

Welt“ waren sich die Teilnehmer eines gleichnamigen,<br />

vom <strong>DAAD</strong> gemeinsam mit der<br />

Freien Universität Berlin veranstalteten Kongresses<br />

einig (Bericht auf Seite 29). Echte Zusammenarbeit<br />

setzt voraus, dass man sich mit<br />

den Wissenschaftstraditionen des jeweiligen<br />

Partners und seines Landes auseinandersetzt,<br />

so ein Ergebnis.<br />

Im Plenum saßen 150 ausländische Doktoranden,<br />

derzeit <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten an deutschen<br />

Hochschulen. Sie hätten so manches<br />

über die Situation der Geisteswissenschaften<br />

bei sich daheim erzählen können. Weil das<br />

beim Berliner Kongress zu kurz kam, regte der<br />

bulgarische <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Daniel Smilovski,<br />

der in Kiel im Bereich Europäische Ethnologie<br />

promoviert, eine eigene Tagung der Doktoranden<br />

an. 60 haben bereits ihr Interesse<br />

angemeldet. Sie wollen unter anderem die Fra-<br />

Editorial<br />

ge diskutieren, wie sie als Ausländer die deutsche<br />

Wissenschaftskultur „vor Ort verändern<br />

und bereichern“ können. Die Tagung, die im<br />

November in Gießen stattfinden soll, wird vom<br />

<strong>DAAD</strong> unterstützt. Letter wird berichten.<br />

Internationalität bedeutet nicht Vereinheitlichung.<br />

Darin waren sich die Geisteswissenschaftler<br />

einig. <strong>Dass</strong>elbe gilt nach Meinung<br />

von Experten auch für die Sprache in<br />

der Wissenschaft. Warum neben Englisch,<br />

als der unbestrittenen Lingua franca für die<br />

internationale Kommunikation, Deutsch als<br />

Fachsprache weiterhin eine Rolle spielen soll,<br />

diskutierten Teilnehmer einer <strong>DAAD</strong>-Tagung<br />

zum Thema: „Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />

(Bericht auf Seite 31).<br />

Über die Mehrsprachigkeit ihrer Leser freut<br />

sich die Letter-Redaktion und wünscht eine<br />

gute Lektüre!<br />

3<br />

Abb.: www.digitalstock.de


4<br />

Dialog<br />

Ein Kunstwerk der chilenischen Bildhauerin<br />

Alejandra Ruddoff ist in Deutschland zum<br />

„Wahrzeichen“ geworden<br />

Hochzeitspaare, Schulklassen und Touristen<br />

lassen sich vor der Skulptur fotografieren,<br />

und Autofahrer grüßen täglich<br />

hinüber zu dem überlebensgroßen grauen<br />

Menschen, der dort – mitten im Potsdamer<br />

Verkehr – kraftvoll „nach vorn“ strebt. „Nach<br />

vorn“ – das ist der Name, den die Chilenin<br />

Alejandra Ruddoff ihrem Werk gegeben hat.<br />

Und wenn sie berichtet, wie die Skulptur entstanden<br />

und wie sie an den prominenten Platz<br />

an der Potsdamer „Humboldt-Brücke“ gelangt<br />

ist, dann erzählt sie zugleich die Geschichte<br />

einer langjährigen deutsch-chilenischen Beziehung.<br />

Die begann mit dem österreichischen Großvater<br />

und der italienischen Großmutter, die<br />

nach Chile auswanderten. „Mein Vater sprach<br />

manchmal Deutsch, und ich habe in Santiago<br />

de Chile eine deutsche Ursulinenschule<br />

besucht“, erzählt Alejandra Ruddoff, die 1960<br />

in Santiago geboren wurde. Mit dem Kunststudium<br />

an der Universidad de Chile folgte<br />

die junge Alejandra ihrer „Berufung“, wie<br />

sie sagt. Doch zur Zeit der Pinochet-Diktatur<br />

herrschten an der Hochschule chaotische Zustände,<br />

und das Studium befriedigte sie nicht.<br />

Nach dem Magis ter in der Fachrichtung Bildhauerei<br />

wollte sie dringend weiterlernen.<br />

Lehrjahre<br />

Sie veräußerte einige Bildhauerarbeiten, kaufte<br />

davon ein Flugticket und reiste 1986 mit<br />

Rucksack und 300 Dollar nach Deutschland<br />

– ins Ungewisse. Vorher hatte sie sich beim<br />

<strong>DAAD</strong> um ein Stipendium beworben. „Ob ich<br />

es bekommen würde, wusste ich nicht, aber<br />

ich wollte in Deutschland unbedingt meinen<br />

Professor finden“, erinnert sie sich. Eine<br />

dreimonatige „Irrfahrt“ quer durch Deutschland<br />

führte sie zu Kunstakademien von Bremen<br />

bis Stuttgart – bis sie ihren künftigen<br />

„Lehrmeister“ in München fand. Der Bildhauer<br />

Hans Ladner an der Münchner Akademie<br />

für Bildende Künste wollte die junge Chilenin<br />

dann auch gleich in seiner Werkstatt arbeiten<br />

lassen. Doch dieser Traum erfüllte sich für<br />

Alejandra Ruddoff erst, als sie 1987 mit dem<br />

heiß ersehnten Stipendium nach München<br />

zurückkehrte.<br />

Es wurde „das wichtigste Jahr“ ihrer Ausbildung.<br />

Erst bei Hans Ladner holte sie sich das<br />

handwerkliche Rüstzeug – vom Zeichnen bis<br />

Fotos: Martin Schmidt-Roßleben<br />

Frauenpower aus Chile<br />

zu Aktstudien. „Das braucht man, bevor man<br />

abstrakt arbeiten kann“, ist Alejandra Ruddoff<br />

überzeugt. Als ihr der <strong>DAAD</strong> ein weiteres Stipendium<br />

gab, kehrte sie 1991 für zwei Jahre<br />

zurück – mitsamt ihren zwei kleinen Kindern<br />

Daniel und Elisa.<br />

Zum Studium, das sie mit dem deutschen<br />

Diplom abschloss, gehörten Arbeitstreffen<br />

mit internationalen Künstlerkollegen, Wettbewerbe<br />

und Praxis-Seminare, die für ihre<br />

Kunst wegweisend wurden. So die Arbeit in<br />

den Hallen der Automobilfabrik BMW, wo sie<br />

sich gemeinsam mit anderen Ladner-Schülern<br />

mit Energie, Bewegung und Geschwindigkeit<br />

auseinandersetzte. Faktoren, die sich seitdem<br />

in vielen ihrer Werke finden, so in „Hommage<br />

an den Wind“ aus dem Jahr 2000: Vier Säulen<br />

aus Stahl, jede neun Meter hoch, sind<br />

Sinnbild für Dynamik: Die Skulptur „Nach vorn“<br />

hat ihren Standort in Potsdam. Alejandra<br />

Ruddoff arbeitet an einem Modell<br />

für die endgültige Form, oben mit<br />

Michael Dinné vom Volkswagen<br />

Design Center<br />

mit einer Konstruktion gekrönt, die sich bei<br />

starkem Wind bewegt – eine Allegorie auf das<br />

Verstreuen von Samen in der Natur. Die von<br />

der chilenischen Regierung prämierte Arbeit<br />

säumt eine Landstraße in Patagonien im südlichen<br />

Chile.<br />

„Nach vorn“<br />

Einen Standort im öffentlichen Raum wünschte<br />

sich Alejandra Ruddoff auch für ihr 1995 erstmals<br />

als kleines Modell konzipiertes Werk<br />

„Nach vorn“. 1997 kam sie nach Deutschland,<br />

um die Skulptur in voller Größe und bestehend<br />

aus Styrodur sowie einer Beschichtung<br />

von Glasfaser und Polyester in einer Berliner<br />

Werkstatt zu realisieren.<br />

Zur gleichen Zeit entwickelte im nahen Potsdam<br />

Martin Schmidt-Roßleben als Beauftrag-


ter der Stadt ein Konzept für den Kultur- und<br />

Gewerbestandort „Schiffbauergasse“. Auf historischem<br />

Gelände entsteht ein gemeinsamer<br />

Ort für High-Tech-Unternehmen und eine<br />

lebendige Kunst- und Theaterszene. Es war<br />

ein Berliner Galerist, der Schmidt-Roßleben<br />

auf die Skulptur „Nach vorn“ aufmerksam<br />

machte. Die Stadt erwärmte sich schnell für<br />

das teils abstrakte, teils figürliche Werk – versinnbildlicht<br />

es doch Dynamik und Bewegung<br />

des Standorts: Auf einem Rasenstück an der<br />

verkehrsreichen Humboldt-Brücke, unmittelbar<br />

neben der Schiffbauergasse, wurde die<br />

Skulptur 2002 als neues „Wahrzeichen“ feierlich<br />

enthüllt.<br />

Vollendung in Metall<br />

Die Figur, eingespannt in die Kurbelwelle,<br />

die sie vorantreibt, ist auch für die Künstlerin<br />

selbst Symbol des modernen Menschen und<br />

seiner positiven Energie. Gleichzeitig stellen<br />

die großen Scheiben historische Fixpunkte<br />

dar, „vielleicht die Französische Revolution<br />

oder die deutsche Wiedervereinigung“, erklärt<br />

Ruddoff. „Der Mensch hat seinen Anteil an<br />

der Geschichte – eine harte und komplizierte<br />

Arbeit. Deutlich zeigt die Entwicklung von<br />

unten nach oben, ins Unendliche.“ Das sah<br />

der Schriftsteller und damalige chilenische<br />

Botschafter Antonio Skármeta, übrigens auch<br />

ehemaliger <strong>DAAD</strong>-Stipendiat, bei der Enthüllungsfeier<br />

2002 ganz ähnlich: Er erkannte in<br />

der „abgerundeten Bewegung“ der Skulptur<br />

etwas „Übersinnliches“, die „nicht abgeschlossene<br />

Geschichte der aufregenden menschlichen<br />

Schöpfung“.<br />

Als die Skulptur 2005 zerstört wurde –<br />

Vandalen hatten ihr den Kopf abgeschlagen<br />

–, kam Alejandra Ruddoff nach Potsdam, um<br />

sie zu reparieren. Damals wurde der Plan gefasst,<br />

der Plastik eine dauerhaftere Form zu<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

geben und sie in Metall zu gießen – ein teures<br />

Unternehmen, für das die Stadt kaum Mittel<br />

zur Verfügung hat.<br />

Doch nun zeigt sich, dass um die Chilenin<br />

und ihr Kunstwerk in Potsdam ein echter<br />

Freundes- und Sponsorenkreis entstanden ist.<br />

Das Volkswagen Design Center, das sich mit<br />

seinem neuen Atelier in der Schiffbauergasse<br />

niedergelassen hat und dort mit modernster<br />

Technik schnittige neue Autos entwirft, gab<br />

der Künstlerin die Möglichkeit, vor Ort ein Modell<br />

als Grundform für den Guss herzustellen.<br />

Und viele Freunde des Kunstwerks – von der<br />

Bürgerinitiative „Pro Schiffbauergasse“ bis<br />

hin zur chilenischen Botschaft – setzen sich<br />

dafür ein, dass die Finanzierung gelingt und<br />

die Vollendung der Skulptur in den nächsten<br />

Jahren realisiert werden kann.<br />

Für Alejandra Ruddoff, die sich mit zahlreichen<br />

Ausstellungen weit über Chile hinaus<br />

einen Namen gemacht hat und seit 2000 auch<br />

als Dozentin für Bildhauerei und Komposition<br />

an der Kunstfakultät der Universidad de Chile<br />

tätig ist, reißt der Kontakt nach Deutschland<br />

somit nicht ab. Den Platz an der Humboldt-<br />

Brücke – benannt nach dem Südamerika-Forscher<br />

Alexander von Humboldt – bezeichnet<br />

sie selbst als „ideal“ für ihr Werk. Dies bildet<br />

übrigens keineswegs die einzige Verbindung<br />

von Potsdam nach Chile. Die chilenische<br />

Staatspräsidentin Michelle Bachelet, die unter<br />

der Pinochet-Diktatur von 1975 bis 1979 im<br />

deutschen Exil lebte, wohnte damals in Potsdam<br />

und fand hier ein zweites Zuhause. Auch<br />

sie ist eine prominente Befürworterin des Ruddoffschen<br />

Werks.<br />

Leonie Loreck<br />

Dialog<br />

Die Chilenin Paz Aburto möchte<br />

als Ausstellungs-Macherin<br />

Grenzen überwinden<br />

Auf die Frage, warum sie Kuratorin ist, antwortet<br />

Paz Aburto kurz und bündig: „Wegen<br />

der Demokratie und des Kapitalismus.“<br />

Seit Beginn der 80er Jahre, so erzählt sie, habe<br />

sich in Chile der Kapitalismus entwickelt,<br />

nach Ende der Pinochet-Diktatur 1989 sei die<br />

Demokratie gefolgt. Beides revolutionierte<br />

die Kunstszene des Landes. „Mit der Demokratie<br />

begann ein großes staatliches Förderprogramm<br />

für die Kunst, was geradezu eine<br />

Explosion von Künstlern, Kunst-Projekten,<br />

Ausstellungen, Galerien und Kunstschulen zur<br />

Folge hatte“, erzählt die 30-jährige Chilenin.<br />

Schon als Studentin der Literatur an der<br />

Universidad de Chile in Santiago begann sie,<br />

über die chilenische Kunst zu schreiben. Die<br />

exponierte Lage ihrer Studentenbude direkt<br />

gegenüber vom Museum für Zeitgenössische<br />

Kunst kam ihr dabei sehr entgegen, erzählt<br />

sie lachend. Als sie 2003 zu einem Deutsch-<br />

Sprachkurs nach Essen kam, hatte sie 60 Kilo<br />

Material über 40 moderne chilenische Künstler<br />

im Gepäck und den Auftrag, daraus den<br />

Katalog für eine große Ausstellung über die<br />

neue Entwicklung der chilenischen Malerei<br />

vorzubereiten.<br />

Kritischer Diskurs<br />

Bis heute gibt es in Chile einen großen Markt<br />

für traditionelle Kunsttexte, doch das bloße<br />

Beschreiben von Kunst befriedigte Paz Aburto<br />

schon bald nicht mehr. „In Chile wird viel interessante<br />

Kunst produziert, aber die Kataloge<br />

haben oft nur repräsentative Funktion. Viel<br />

5


6<br />

Dialog<br />

wichtiger ist für diesen Kontext das Kuratieren<br />

von Ausstellungen, wobei Kunst nicht nur erklärt<br />

wird, sondern die Zusammenarbeit von<br />

Künstler und Kurator den kritischen Diskurs<br />

produziert.“<br />

„Kuratorischer Diskurs als Legitimationsform<br />

der Kunst“ ist dann auch der Titel ihrer<br />

Doktorarbeit, an der sie seit 2004 als <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiatin an der Humboldt-Universität<br />

zu Berlin arbeitet. Gefragt, warum sie gerade<br />

Deutschland als Studienort gewählt habe,<br />

spricht Paz Aburto von Hegel und Winckelmann<br />

und deren Einfluss auf die taditionelle<br />

Kunstgeschichte und schlägt den Bogen bis<br />

zu den Kuratoren der großen Kasseler Kunstschau,<br />

der „documenta“, die seit den 70er<br />

Jahren die eurozentrische Sicht und lineare<br />

Chronologie traditioneller Kunstbetrachtung<br />

aufgebrochen haben.<br />

Keine Einbahnstraßen<br />

Kunstbeziehungen machen vor fernen Grenzen<br />

nicht Halt – diese Überzeugung leitet<br />

Paz Aburto, wenn sie sich als Ausstellungs-<br />

Macherin betätigt. Im vorigen Jahr assistierte<br />

sie der berühmten Kuratorin Catherine David<br />

bei einem Berliner Projekt, das irakischer<br />

Kunst und Kultur in Berlin eine Plattform bot.<br />

Zuvor hatte sie an einem Seminar über zeitgenössische<br />

arabische Kunst teilgenommen, das<br />

Catherine David an der Humboldt-Universität<br />

abgehalten hatte. Paz Aburto referierte dort<br />

über die chilenische Künstlerin Claudia Aravena<br />

Abughosch, deren Mutter Palästinenserin<br />

Paz Aburto vor dem Werk<br />

„Die stille Revolution“<br />

von Demian Schopf<br />

ABSTRACT<br />

Women at Work: Chile<br />

One creates works of art; the other exhibits art.<br />

Both are from Chile. Alejandra Ruddoff,<br />

sculptor and <strong>DAAD</strong> alumna, found her<br />

“taskmaster” 20 years ago at the Academy<br />

of Fine Arts in Munich. Today, she is one of<br />

the foremost artists in Chile. Her sculpture<br />

called “Nach vorn” (“Forward”) has become<br />

a landmark in the city of Potsdam.<br />

Curator Paz Aburto is doing her doctorate on<br />

a <strong>DAAD</strong> scholarship at Humboldt-Universität<br />

in Berlin. As a creator of exhibitions, her<br />

work includes presenting Chilean artists in<br />

Germany and introducing German artists in<br />

Chile. For Aburto, the focal point of working<br />

with artists is “critical discourse” about art.<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

ist und die sich in ihrem preisgekrönten „Palästina-Projekt“<br />

filmisch mit Fragen der Emigration<br />

auseinandersetzt.<br />

Junge Kuratoren aus verschiedenen lateinamerikanischen<br />

Ländern stellten im vergangenen<br />

Jahr in einer Ausstellung in Weimar<br />

moderne Kunst aus ihrer jeweiligen Region<br />

vor. Paz Aburto präsentierte neben anderen<br />

chilenischen Künstlern ihren Landsmann Demian<br />

Schopf. Er hat als <strong>DAAD</strong>-Stipendiat in<br />

Deutschland studiert und sich inzwischen einen<br />

Namen gemacht. Bei seinen Installationen<br />

– oft zu politischen Themen – arbeitet er mit<br />

Fotografie, Video und Computer.<br />

Die Kuratorin akzeptiert für die Kunst keine<br />

Einbahnstraßen: In diesem Jahr war in Santiago<br />

de Chile eine Ausstellung der deutschen<br />

Künstlerin Meggie Schneider zu sehen, die<br />

dort ihr chilenisches „Lebendiges Archiv“<br />

präsentierte. Sie hatte zwei Monate lang das<br />

Fernsehverhalten chilenischer Bürger studiert<br />

und auf Video gebannt.<br />

Im Dokumentationszentrum des Palacio la<br />

Moneda, des Präsidentenpalastes in Santiago,<br />

zeigten die Künstlerin und ihre Kuratorin das<br />

Ergebnis. Paz Aburto: „In dieser monumentalen<br />

Architektur gab es bisher überhaupt<br />

keinen öffentlichen Treffpunkt. Wir haben die<br />

Ausstellung dort in einen TV-Raum integriert,<br />

also einen häuslichen Bereich, der zum Ort<br />

für öffentliche Diskussionen über Kunst geworden<br />

ist.“<br />

Die chilenische Kunst bleibt nach Ansicht<br />

von Paz Aburto bis heute zu sehr in nationalen<br />

Grenzen verhaftet oder sieht höchstens<br />

ihre traditionellen Beziehungen zu Europa.<br />

Viele wissen von dem großen Einfluss des<br />

deutschen Fluxus-Künstlers Wolf Vostell auf<br />

die chilenische Videokunst, aber die parallelen<br />

Strukturen etwa in der brasilianischen<br />

oder argentinischen Kunst werden übersehen,<br />

meint sie. Für die junge Kuratorin gibt es noch<br />

viel zu tun.<br />

Leonie Loreck


Brief aus der Mongolei<br />

von Shirchinbaatar Gontschig<br />

„Seit mehreren Jahren pflege ich enge Kontakte<br />

zu Professor Christian Wetzel an der<br />

Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy<br />

in Leipzig. Bei unserer Zusammenarbeit,<br />

die vom <strong>DAAD</strong> gefördert wird,<br />

geht es im Bereich der Forschung um spezifisch<br />

europäische Fragestellungen in meiner<br />

Instrumentengattung, der Oboe, aber auch um<br />

den bilateralen Austausch von Lehr- und Lernmethoden.<br />

Die Situation der mongolischen Musiker und<br />

Musikwissenschaftler ist immer noch schwierig.<br />

Es fehlt an Literatur, Notenmaterial, Instrumenten<br />

und Ersatzteilen. Das in Ulan-Bator<br />

verfügbare Material ist veraltet und stammt<br />

zum Teil noch aus Sowjetzeiten. Bei meinem<br />

letzten Besuch konnte ich – von meinem<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendium – umfangreiches Material<br />

(Literatur, Noten und Instrumentenzubehör)<br />

für meine mongolischen Studenten erwerben.<br />

Dies hat die materielle Situation an unserer<br />

Hochschule kurzfristig verbessert. Der hohe<br />

Verschleiß besonders an Mundstücken für die<br />

Oboe führt aber immer wieder zu Engpässen.<br />

Meinem Forschungsaufenthalt in Leipzig<br />

2004 habe ich zu verdanken, dass ich damit<br />

beginnen konnte, ein mongolisches Standardwerk<br />

über „Lehr- und Lernmethoden für Oboe<br />

an Schulen und Hochschulen in der Mongolei“<br />

zu verfassen. Seit 2004 habe ich mich auch<br />

intensiv mit dem von Mozart komponierten<br />

C-Dur-Oboenkonzert für Orchester befasst.<br />

Es ist ein einzigartiges Werk und gehört zum<br />

Pflichtprogramm von internationalen Musik-<br />

Wettbewerben. Ansätze der Methodik besonders<br />

zu diesem Stück verwende ich in meiner<br />

Lehre.<br />

Während meines jüngsten Aufenthalts in<br />

Leipzig von April bis Mai 2007 habe ich meine<br />

Beschäftigung mit dem Mozart-Konzert<br />

vertieft, viele weitere Anregungen, Ideen und<br />

Erfahrungen gesammelt und mit Kollegen diskutiert.<br />

Es ist für mich eine Bereicherung, die<br />

europäische Musikwelt kennenzulernen, die<br />

deutsche Musikkultur live zu erleben und den<br />

westlichen Lehrbetrieb zu studieren, zumal<br />

Oboe ursprünglich ein europäisches Blasinstrument<br />

ist.<br />

Inzwischen hat ein Leipziger Kollege bei uns<br />

auch die mongolische Musikkultur kennengelernt.<br />

Unseren Austausch, der die deutschmongolischen<br />

Kulturbeziehungen beleben<br />

kann, werden wir fortsetzen.“<br />

Shirchinbaatar Gontschig ist Professor für<br />

Oboe am Musik- und Tanzkolleg in Ulan-Bator.<br />

Er hat zahlreiche Kompositionen für Oboe geschrieben.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Ehrgeiziges Ziel<br />

Im Bologna-Prozess sind noch Wünsche offen<br />

Von Christian Bode<br />

Foto: Eric Lichtenscheidt<br />

In ganz Europa grenzenlos forschen, lehren<br />

und studieren können; einen Abschluss<br />

machen, der überall anerkannt wird und beruflich<br />

in ganz Europa genutzt werden kann:<br />

So lautet das ebenso einfache wie ehrgeizige<br />

Ziel, das sich die Bildungsminister der Europäischen<br />

Union (EU) gesetzt haben. Es soll<br />

für den gesamten Bologna-Raum mit seinen<br />

mittlerweile 46 Staaten gelten, von Coimbra<br />

bis Chabarovsk.<br />

Dies alles formuliert sich in ministeriellen<br />

Communiqués recht einfach, aber der Teufel<br />

steckt im Detail. Nur mit Enthusiasmus, Mut<br />

zum Unterschied und gegenseitigem Respekt<br />

lassen sich die Barrieren überwinden, die die<br />

Nationalstaaten im Laufe jahrhundertelanger<br />

Konflikte zwischen sich aufgetürmt haben.<br />

Der Bologna-Prozess bietet eine einmalige<br />

Chance und hat inzwischen eine nie für<br />

möglich gehaltene Dynamik angenommen.<br />

Universitäten vernetzen sich, und die nationalen<br />

Konzepte zur Hochschulpolitik werden<br />

aufein ander abgestimmt. Die Fortschritte<br />

sind unverkennbar: harmonisierte Abschluss-<br />

Systeme, anrechenbare Kreditpunkte, bessere<br />

Informationen über Studienmöglichkeiten und<br />

das ständig wachsende Erasmus-Programm,<br />

das in einigen Jahren über 300 000 Studierende<br />

pro Jahr über die Grenzen von mehr als<br />

30 Ländern Europas bewegen wird – das alles<br />

Dialog<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />

Dr. Christian Bode ist<br />

Generalsekretär des <strong>DAAD</strong><br />

sind Errungenschaften, die noch vor einem<br />

Jahrzehnt utopisch erschienen.<br />

Und doch gibt es auch Probleme und Sorgen,<br />

die den Prozess begleiten; ebenso wie weitere<br />

Wünsche und Hoffnungen. Die oftmals zu eng<br />

gestrickten dreijährigen Bachelor-Studiengänge<br />

etwa lassen zu wenig Raum für längere<br />

Auslandserfahrungen. Die Anrechnung von<br />

erbrachten Leistungen ist häufig noch kleinherzig<br />

bis kleinkariert. Außerdem ist ein Auslandsaufenthalt<br />

für viele zu teuer, die nationalen<br />

Förderprogramme sind zu klein dimensioniert<br />

und die Fremdsprachen-Kompetenz<br />

der Teilnehmer ist oft unzureichend.<br />

Es ist daher nur folgerichtig, dass die europäischen<br />

Bildungsminister nicht zuletzt auf<br />

Betreiben der deutschen Seite die „grenzenlose<br />

Mobilität“ auf der Ministerkonferenz in<br />

London im Mai dieses Jahres wieder dorthin<br />

gerückt haben, wo sie am Anfang des Bologna-<br />

Prozesses stand: an die Spitze der Agenda.<br />

Zur Verbesserung der Mobilität wurden dabei<br />

unter anderem die Einrichtung gemeinsamer<br />

Studiengänge mit ausländischen Hochschulen<br />

und flexiblere Curricula mit Mobilitätsfenstern<br />

während des Bachelor-Studiums vorgeschlagen.<br />

Der <strong>DAAD</strong> befürwortet diese Vorschläge<br />

nachdrücklich und wird bei deren Umsetzung<br />

die deutschen Hochschulen im Rahmen seiner<br />

Möglichkeiten unterstützen.<br />

7


Foto: Youssef Alroui<br />

8<br />

Spektrum Deutschland<br />

Deutsche Welle<br />

Bloggen für<br />

eine bessere Welt<br />

Die Deutsche Welle (DW),<br />

die Rundfunk- und Fernsehprogramme<br />

aus und<br />

über Deutschland in mehr<br />

als 30 Sprachen in die Welt<br />

trägt, engagiert sich für Meinungsfreiheit<br />

im Internet.<br />

Mit dem „Deutsche Welle<br />

International Weblog Award<br />

– The BOBs“ prämiert der<br />

Sender seit 2004 vor allem<br />

Blogs, so genannte Online-<br />

Tagebücher, die sich kritisch<br />

mit der politischen und<br />

gesellschaftlichen Entwicklung<br />

des jeweiligen Landes<br />

auseinandersetzen.<br />

Das US-amerikanische<br />

Weblog „Sunlight Founda-<br />

Foto: Julia Fuchs<br />

tion“ erhielt 2006 den ersten<br />

Preis, weil es sich partei-<br />

übergreifend für mehr Transparenz<br />

bei US-Regierung und Behörden<br />

einsetzt. Ein Sonderpreis<br />

ging an zwei persische Blogs, die<br />

Menschenrechtsverletzungen im<br />

Iran anprangerten.<br />

Neue Vorschläge können ab<br />

31. August 2007 eingereicht werden<br />

– im letzten Jahr waren es immerhin<br />

5 500. Eine internationale<br />

Expertenjury nominiert die Kandi-<br />

daten; die Gewinner werden dann<br />

durch eine dreiwöchige Internet-<br />

Abstimmung und durch eine Jury<br />

aus renommierten Bloggern für<br />

den Publikumspreis ermittelt. Die<br />

Preisverleihung der BOBs 2007<br />

findet am 15. November in Berlin<br />

statt. aj<br />

Informationen: www.thebobs.com<br />

http://blogs.dw-world.de/bobsblog<br />

Blühende Kunst in Kassel: „Mohnfeld/Poppy Field“ von Sanja Iveković<br />

Documenta<br />

Sehen ist eine Lust<br />

Kassel hat einen roten Platz:<br />

Die kroatische Künstlerin Sanja<br />

Iveković hat ein Meer von rotem<br />

Klatschmohn auf dem zentralen<br />

Friedrichplatz gepflanzt, zwei<br />

Mal am Tag erklingen Revolutionslieder<br />

afghanischer Frauen. In<br />

der nur einige Schritte entfernten<br />

Documenta-Halle vereint der aus<br />

Mali stammende Abdoulaye Konaté<br />

auf seinen Wandtüchern die<br />

israelische Flagge und das Palästinensertuch<br />

als weltweit bekannte<br />

Symbole für den andauernden<br />

Konflikt im Nahen Osten. In der<br />

Neuen Galerie zeigt die Palästinenserin<br />

Ahlam Shibli in ihrer Fo-<br />

„Die Macht der Sprache im Bild“ war das<br />

Motto eines vom Goethe-Institut organisierten<br />

internationalen Wettbewerbs. Die<br />

prämierten Fotos, darunter „Somewhere<br />

... Boys“ von Alaoui Moulay Youssef<br />

aus Marokko, wurden im Juni bei einem<br />

mehrtägigen Festival in Berlin ausgestellt.<br />

Das Festival „Die Macht der Sprache“<br />

mit Gesprächsrunden, Lesungen und<br />

Symposien bildete den Abschluss einer<br />

zweijährigen Veranstaltungsreihe, bei der<br />

das Goethe-Institut die Sprache in den<br />

Mittelpunkt von weltweit 35 Projekten<br />

gestellt hatte (siehe auch Seite 31).<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


toserie „Arab al-Abaih“ das Leben<br />

in jordanischen Flüchtlingslagern.<br />

Die 12. Documenta bietet den<br />

Besuchern in Kassel über 500<br />

Kunstwerke aus aller Welt: Gemälde,<br />

Installationen, Fotografien,<br />

Skulpturen, Zeichnungen und<br />

Filme werden in kleinen dunklen<br />

Kabinetten, lichten Museumsräumen<br />

oder dem eigens für die<br />

Documenta erbauten Aue-Pavillon<br />

– einem fast 10 000 Quadratmeter<br />

großen Gewächshaus – gezeigt.<br />

Beziehungen zwischen scheinbar<br />

völlig fremden Formen entstehen:<br />

Fotografien von künstlerischen<br />

Frisuren aus Nigeria bilden einen<br />

Zusammenhang mit asiatischer<br />

Kalligraphie im selben Raum.<br />

Die seit 1955 alle fünf Jahre stattfindende<br />

Schau wurde dieses Mal<br />

von Roger M. Buergel und Ruth<br />

Noack konzipiert. Sie stellen drei<br />

Grundfragen an die Kunst und ihr<br />

Publikum: Ist die Moderne unsere<br />

Antike? Was ist das bloße Leben?<br />

Und in Bezug auf die Bildung: Was<br />

tun? In einer globalisierten Welt<br />

kann das heißen: Schafft es die<br />

Menschheit, einen gemeinsamen<br />

Horizont zu erkennen? Ist Kunst<br />

Medium dieser Erkenntnis?<br />

Die Besucher werden überwältigt<br />

von der Vielfalt, können sich<br />

nicht alles erklären, setzen sich<br />

auf die 1001 chinesischen Holzstühle,<br />

die der chinesische Künstler<br />

Ai Weiwei überall aufgestellt<br />

hat, und kommen ins Grübeln<br />

und Diskutieren – der Idealfall für<br />

jeden Ausstellungsmacher. lb<br />

Bis 23. September täglich von<br />

10 bis 20 Uhr. www.documenta.de<br />

Einbürgerung<br />

Mehr Ausländer<br />

werden Deutsche<br />

Die Zahl der Einbürgerungen von<br />

Ausländern in Deutschland ist im<br />

vergangenen Jahr – zum ersten<br />

Mal seit 2000 – wieder angestiegen.<br />

Fast 125 000 Ausländer erhielten<br />

die deutsche Staatsangehörigkeit,<br />

das waren 7600 mehr<br />

als im Jahr zuvor. Im Jahr 2000,<br />

als das neue Einbürgerungsrecht<br />

in Kraft trat, war die Zahl der Ausländer,<br />

die Deutsche wurden, mit<br />

178 000 am höchsten. Danach war<br />

sie von Jahr zu Jahr gesunken.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Der Anstieg im Jahr 2006 wird auf<br />

Vereinfachungen im Verfahren<br />

zurückgeführt. Die größte Gruppe<br />

der neuen Bundesbürger stammt<br />

aus der Türkei (33 500), gefolgt<br />

von Bürgern aus Serbien und<br />

Montenegro (12 600) sowie Polen<br />

(fast 7000). Llo<br />

Europäisches Schulbuch<br />

Geschichte nicht<br />

mehr einseitig<br />

Die europäischen Bildungsminister<br />

wollen auch im Schulunterricht<br />

Grenzen abbauen. So berieten<br />

sie kürzlich erstmals über ein<br />

gemeinsames Geschichtsbuch für<br />

alle 27 Staaten der Europäischen<br />

Union (EU). Historiker aus verschiedenen<br />

EU-Ländern wollen<br />

nun ausloten, wie realistisch ein<br />

Blick auf die Vergangenheit aus<br />

27 Blickwinkeln ist.<br />

Vorbilder sind ein Serbisch-Kroatisches<br />

Geschichtsbuch und das<br />

deutsch-französische Schulbuch,<br />

mit dem seit dem vergangenen<br />

Jahr Schüler und Schülerinnen<br />

in beiden Ländern lernen. Zehn<br />

deutsche und französische Historiker<br />

entwickelten das 336 Seiten<br />

starke Werk „Europa und die Welt<br />

seit 1945“. Die Schüler bekommen<br />

einen neuen Blick für die Nachkriegsgeschichte:<br />

Die Résistance,<br />

die Aufarbeitung der Judenverfolgung<br />

oder die Rolle der USA werden<br />

in beiden Ländern sehr unterschiedlich<br />

gesehen und bewertet.<br />

Ein weiterer Band soll 2008 erscheinen.<br />

Er behandelt die Zeit<br />

von Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

bis 1945. In diesem Zeitraum bekämpften<br />

sich beide Länder in etlichen<br />

Kriegen. lb<br />

Friedenspreis<br />

Ehrung für<br />

Holocaust-Forscher<br />

Der jüdische Historiker Saul Friedländer<br />

(74) aus Los Angeles erhält<br />

den diesjährigen Friedenspreis<br />

des Deutschen Buchhandels. Damit<br />

ehrt die Jury einen Forscher,<br />

der mehrere Standardwerke über<br />

die Juden-Vernichtung unter Hitler<br />

publiziert hat. Friedländer<br />

wirkte als Professor für Politikwissenschaft<br />

und Geschichte an den<br />

Preisträger<br />

Saul Friedländer<br />

Universitäten Genf, Tel Aviv<br />

und zuletzt Los Angeles.<br />

Friedländer, der 1932 als<br />

Kind jüdischer Eltern in<br />

Prag geboren wurde, überlebte<br />

die Nazizeit als Kind<br />

unter falschem Namen in<br />

Frankreich in einem katholischen<br />

Internat. Seine Eltern<br />

wurden in Auschwitz<br />

ermordet.<br />

Die Jury begründete die<br />

Preisverleihung so: Friedländer<br />

dokumentiere stilsicher<br />

„die klassische Triade der Gewalt:<br />

die Täter und ihre Obsessionen,<br />

die Opfer und ihre Verzweiflung,<br />

die schweigende Menge der Zuschauer<br />

mit ihrer Lust und ihrem<br />

Schrecken“.<br />

Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen<br />

gehört das zweibändige<br />

Spektrum Deutschland<br />

Werk „Das Dritte Reich und die<br />

Juden“. Die Preisübergabe findet<br />

während der Buchmesse in<br />

Frankfurt am Main am 14. Oktober<br />

in der Paulskirche statt. Der<br />

Preis wird seit 1950 alljährlich für<br />

besondere Verdienste um Frieden<br />

und Toleranz verliehen. Er ist mit<br />

25 000 Euro dotiert. C.K.<br />

Anzeige<br />

9<br />

Foto: Isolde Ohlbaum


10<br />

Hochschule<br />

Keine verlängerte Werkbank<br />

Strategische Partnerschaften zwischen Hochschulen<br />

und Unternehmen bringen Erfolge<br />

Bis das Wissen aus deutschen Hochschulen zu neuen Produkten und<br />

Arbeitsplätzen führt, vergeht zu viel Zeit. Darin sind sich Politiker und<br />

Wirtschaftsvertreter einig. Noch sind die meisten Projekte zwischen<br />

Hochschulen und Unternehmen zu kurzfristig und punktuell. Doch<br />

das soll sich ändern.<br />

ren kooperiert die TU Darmstadt mit Rolls-<br />

Royce, einem der größten Hersteller von<br />

Flugtriebwerken weltweit<br />

Das Thema hat Konjunktur: Die Hochschulrektorenkonferenz<br />

befasste sich<br />

auf ihrer Jahrestagung mit „Hochschule und<br />

Wirtschaft“. Vor zehn Jahren hätte die Furcht<br />

vor dem Ende der Freiheit von Forschung und<br />

Lehre jedem Gedanken an solch ein Tagungsthema<br />

den Garaus gemacht.<br />

Kritik gibt es auf beiden Seiten. „In Unternehmen<br />

findet man in der Regel keinerlei Verständnis<br />

für die zeitraubenden und oftmals<br />

unberechenbaren Entscheidungsprozesse in<br />

den Hochschulen“, sagt ein Fachhochschul-<br />

Vertreter. Aus der Technischen Universität<br />

Hamburg-Harburg ist zu hören, dass manche<br />

Firmen glauben, „große Projekte kostengünstig<br />

mit einer Diplomarbeit lösen zu können“.<br />

Auf der anderen Seite warnt ein Unternehmer<br />

davor, Industriekooperationen nur als<br />

Geldquelle zu sehen. „Überzogene Drittmittelsucht<br />

der Hochschulen ist stark destruktiv.“<br />

Und ein Hochtechnologie-Betrieb macht die<br />

Erfahrung, „dass Doktoranden in der Industrie<br />

oft Schwierigkeiten haben, einen Betreuer<br />

an der Hochschule zu finden, da dort geringes<br />

Interesse an dieser Form der Zusammenarbeit<br />

besteht.“<br />

Zwei Kulturen<br />

Zwei Kulturen, in denen nach der je eigenen<br />

Logik gedacht und gearbeitet wird. „Wissenschaftler<br />

haben mehr Zeit und Gelegenheit,<br />

über viele Dinge nachzudenken. In der Wirtschaft<br />

stehen das Produkt und die zur Erlangung<br />

der Marktreife notwendigen Prozesse im<br />

Vordergrund. Kurze Durchlaufzeiten, Termintreue<br />

und meist große Teams sind wichtig“,<br />

betont Professor Joachim Milberg, Aufsichts-<br />

ratsvorsitzender der BMW Group und Präsi-<br />

dent der Innovationsakademie acatech. Als<br />

Grenzgänger meint er jedoch: „Beide Seiten<br />

können eine Menge voneinander lernen und<br />

sich gegenseitig befruchten.“<br />

Es gibt auch bereits Erfolge: Das finanzielle<br />

Volumen von Forschungskooperationen<br />

stieg binnen zwölf Jahren um das Doppelte<br />

auf mehr als 1,32 Milliarden Euro. „Nichts<br />

hat sich in der Hochschulfinanzierung in den<br />

vergangenen Jahren so stark verändert wie<br />

die Partnerschaft mit Unternehmen“, sagt<br />

Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft, der größten Wissenschaftsförderin<br />

des Landes. Erfolgreich sind<br />

dabei weniger die Einzelprojekte als vor allem<br />

Partnerschaften, die langfristig und strategisch<br />

angelegt sind und die von beiden Seiten<br />

Foto: BDLI e.V. / Rolls-Royce Deutschland Bewährte Zusammenarbeit: Seit vielen Jah-<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


mit festen Ansprechpartnern betrieben werden.<br />

Diese Form der Kooperation nimmt zu.<br />

Das ergab eine Studie des Stifterverbandes<br />

für die Deutsche Wissenschaft, die erstmals<br />

eine Gesamtschau der Situation gibt. Über 200<br />

Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />

und Verbände wurden zu Hürden<br />

und Perspektiven der Zusammenarbeit befragt.<br />

Strategische Partnerschaften finden sich besonders<br />

bei Fachhochschulen und Technischen<br />

Universitäten. „Für Ingenieurwissenschaftler<br />

ist es üblich, mit der Industrie zusammenzuarbeiten,<br />

denn sie bewegen sich zwischen der<br />

rein wissenschaftlichen Arbeit und der Anwendung“,<br />

sagt Professor Johannes Janicka<br />

von der Technischen Universität Darmstadt.<br />

Sein Fachbereich „Energie- und Kraftwerkstechnik“<br />

kooperiert seit vielen Jahren mit<br />

Rolls-Royce, einem der größten Hersteller<br />

von Flugtriebwerken weltweit. Dazu hat der<br />

Konzern „University Technology Centres“ an<br />

renommierten europäischen Hochschulen,<br />

darunter auch Cambridge, gegründet. Als<br />

einzige deutsche Vertreter ihres Fachgebietes<br />

haben die Darmstädter den Vorteil, dass sie<br />

bei Forschungsvorhaben von Rolls-Royce mit<br />

verschiedenen Bundesministerien, aber auch<br />

mit der Europäischen Union stets eingebunden<br />

sind.<br />

Seine wissenschaftliche Freiheit sieht der<br />

Darmstädter Professor nicht berührt. „Wir<br />

sind keine verlängerte Werkbank von Rolls-<br />

Royce. Die Projekte definieren wir selbst und<br />

entscheiden, was wir machen und was nicht.“<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Die Liste von Kooperationen, die bis zu gemeinsamen<br />

Institutsgründungen reichen, ist vielfältig:<br />

Beispielsweise hat Airbus Deutschland<br />

mit der Technischen Universität Hamburg-<br />

Harburg das Technologiezentrum Hamburg-<br />

Finkenwerder gegründet. Der Chemiegigant<br />

BASF errichtet ein Katalyse-Labor an der Universität<br />

Heidelberg. Der Automobilkonzern<br />

VW betreibt seit 2001 gemeinsam mit der TU<br />

Braunschweig das Zentrum für Mechatronik.<br />

Bis Ende 2007 will Siemens zwölf „Centers for<br />

Knowledge Interchange“ an deutschen Hochschulen<br />

aufbauen: Aachen, München (TU),<br />

Stuttgart, Karlsruhe, Freiberg und Greifswald<br />

gehören bereits dazu. Der Software-Hersteller<br />

SAP unterhält „Campus-based Engineering<br />

Centers“ in Darmstadt, Dresden und Karlsruhe.<br />

Die Dresdner Bank fördert das „Institute<br />

for Law and Finance“ an der Universität<br />

Frankfurt am Main.<br />

Stiftungsprofessur ist „in“<br />

Gemeinsame Institutsgründungen sind allerdings<br />

noch nicht alltäglich. Eine häufigere<br />

Form langfristiger Zusammenarbeit sind Stiftungsprofessuren.<br />

Bundesweit gibt es etwa<br />

450 solcher Professuren, schätzt Melanie<br />

Schreiber vom Stifterverband. Viele Unternehmen<br />

finanzieren sie für eine gewisse Zeit – in<br />

der Erwartung, dass sie später zu Dauerprofessuren<br />

an der jeweiligen Hochschule werden.<br />

Hochschule<br />

Das gelingt jedoch nicht immer. „Wir profitieren stark von unserer engen Kooperation<br />

mit der Deutschen Telekom“, sagt Professor<br />

Karsten Buse. Der Physiker ist seit dem<br />

Jahr 2000 Inhaber des Stiftungslehrstuhls der<br />

Deutschen Telekom an der Universität Bonn<br />

und hat 22 Mitarbeiter. „Wir können praxisnah<br />

ausbilden, weil wir wissen, worauf es in<br />

der Industrie ankommt. Außerdem haben wir<br />

einen Informationsvorsprung. Wir erfahren<br />

durch die Arbeit mit dem Partner, welche Themen<br />

relevant sind oder künftig werden.“<br />

Darüber hinaus schätzt Karsten Buse die zusätzlichen<br />

Kontakte, „die wir normalerweise<br />

nicht hätten“, und natürlich die finanziellen<br />

Mittel, die er flexibel nutzen kann. Buses<br />

Team arbeitet eng mit den Telekom Labs an<br />

der TU Berlin zusammen. „Wir sind frei bei<br />

dem, was wir machen. Das ist im Stiftungsvertrag<br />

festgehalten“, so der Physiker. Inzwischen<br />

sind aus der Kooperation neun gemeinsame<br />

Patentanmeldungen hervorgegangen.<br />

Hochschule und Wirtschaft – das Duo bleibt<br />

ein Dauerbrenner. Selbst der Wissenschaftsrat,<br />

das höchste Beratungsgremium von Bund<br />

und Ländern, meldet sich – das erste Mal seit<br />

fast 20 Jahren – zu diesem Thema zu Wort:<br />

Er empfiehlt, dass Professoren, die sich für<br />

Kooperationen mit der Wirtschaft engagieren,<br />

Abb.: CKI TU München<br />

ABSTRACT<br />

Long-term Strategy Pays Off<br />

Education and business: how they go together<br />

is a hot topic in Germany. Politicians and entrepreneurs<br />

complain that it takes too long for<br />

new knowledge from colleges and universities<br />

to lead to innovative products, and to jobs.<br />

But things have changed between higher education<br />

and the business sector: the financial<br />

volume of joint research projects has tripled<br />

within twelve years, attaining more than 1.32<br />

billion. Among these co-operative schemes,<br />

individual projects have been less successful<br />

than long-term, strategically oriented partnerships<br />

that are managed professionally by<br />

permanent liaisons on both sides. This form of<br />

co-operation is on the rise, a study has found.<br />

The list of co-operative projects is diverse. For<br />

example, Airbus Deutschland has founded<br />

a joint technology centre with TU Hamburg-<br />

Harburg, and VW has a similar partnership<br />

with TU Braunschweig. Furthermore, the chemical<br />

giant BASF is currently building a catalysis<br />

laboratory at the University of Heidelberg. By<br />

the end of 2007, Siemens will have set up twelve<br />

Centres for Knowledge Interchange at German<br />

universities. More often, long-term co-operation<br />

takes the form of endowed professorships.<br />

nicht nur weniger lehren müssen, sondern<br />

auch mehr Lohn erhalten. Uschi Heidel<br />

11


12<br />

Hochschule<br />

arum in die Ferne schweifen, wenn<br />

„Wdas Gute liegt so nah!“ Nach diesem<br />

Motto von Goethe sollten Berliner Stadtbewohner<br />

handeln, wenn sie ihr Freizeitvergnügen<br />

suchen. Das jedenfalls meinen internationale<br />

Studierende, die in diesem Sommer an der<br />

Technischen Fachhochschule Berlin (TFH) an<br />

einem Sommerkurs für Architektur teilnahmen.<br />

Dabei entwickelten sie Freizeitlandschaften<br />

für die Flachdächer von 12 Wohnhäusern<br />

im Zentrum von Berlin.<br />

Wichtigstes Argument: Das Pendeln zwischen<br />

Wohnort und Freizeitangeboten, die oft<br />

in der weiteren Umgebung von Berlin liegen,<br />

verbraucht kostbare Energie. Wem also Nachhaltigkeit<br />

und Klimaschutz am Herzen liegen,<br />

sucht Erholung am besten daheim auf dem<br />

Dach – in einer Freizeit-Oase, die wiederum<br />

nach neuesten Erkenntnissen des energiesparenden<br />

Bauens errichtet ist. Wie das geht,<br />

zeigten die 37 angehenden Architekten verschiedener<br />

Nationalität – die meisten von der<br />

Yoga auf dem Dach<br />

Nachhaltige Freizeit-Oasen für Berliner<br />

Foto: Reiner Zensen<br />

TFH und von der City University of New York –<br />

nach vierwöchiger Arbeit an eindrucksvollen<br />

Entwürfen Anfang Juli in einer Ausstellung in<br />

Berlin.<br />

Die „Summer Academy for Architecture, Reurbanization<br />

and Sustainability“, die in diesem<br />

Jahr zum zweiten Mal stattfand, ist eine Initiative<br />

von Robert Demel. Der TFH-Professor für<br />

Nachhaltiges Bauen hat sechs Jahre lang als<br />

Architekt in New York gearbeitet. „Wenn es<br />

um Nachhaltigkeit geht, kommt von den Amerikanern<br />

spontan: Darin seid Ihr Deutschen<br />

gut!“ Das erklärt auch das große Interesse von<br />

Studierenden aus den USA an dem Sommerkurs.<br />

Calista Ho vom City College New York<br />

ist erstaunt über das breite Wissen der Deutschen<br />

über Nachhaltigkeit, wie sie sagt. Und<br />

auch darüber, „dass es sogar an den Hochschulen<br />

ein Thema ist“.<br />

Bei einem Besuch im Frühjahr in den USA<br />

konnten sich die deutschen Studierenden ein<br />

Bild davon machen, dass das ökologische Bau-<br />

Modellfoto: Sto-Stiftung/Gerhard Zwickert, Luftfoto: WBM<br />

en auch dort im Trend liegt. „Aber das Energiesparen<br />

spielt noch keine so große Rolle“,<br />

berichtet Johanna Schack von der TFH. Sie<br />

hat gemeinsam mit dem gebürtigen Türken<br />

Onur Ekmekci aus New York und dem Inder<br />

Sankhalp Sahu aus Bhopal einen Freizeit-Ort<br />

auf dem 22 Meter hoch gelegenen Dach des<br />

Hauses Sperlingsgasse 1 entwickelt.<br />

Von dort sorgt schon der Blick über den Berliner<br />

Dom und den Fernsehturm bis zum Horizont<br />

für Entspannung, fanden die Studenten und<br />

entwarfen zwei Räume: einen für Yoga und einen<br />

fürs Meditieren. Beide sind aus Holz, weil<br />

diese Konstruktion leicht ist, aber auch abbaubar<br />

und wiederverwendbar, also nachhaltig.<br />

Sonnenpanels auf dem Dach und Kühlung per<br />

Westwind sorgen dafür, dass der Dachaufbau<br />

hinsichtlich des Energieverbrauchs weit unter<br />

dem gesetzlich vorgeschriebenen Wert liegt.<br />

Andere Modelle bieten den Hausbewohnern<br />

für ihre exklusive Erholung Bibliothek oder<br />

Galerie, Sauna oder Kinderspielplatz und fast<br />

immer Grünbepflanzung.<br />

Für den Praxisbezug der Sommerakademie,<br />

die von der Essener Sto-Stiftung und neben<br />

weiteren Förderern für drei Jahre auch vom<br />

<strong>DAAD</strong> unterstützt wird, sorgte die Wohnungsbaugesellschaft<br />

Berlin-Mitte: Sie stellte die<br />

Wohnhäuser, meist Plattenbauten aus den<br />

60er und 70er Jahren, für die architektonischen<br />

Planungen zur Verfügung. Keineswegs<br />

ohne eigenes Interesse: „Wir stehen vor<br />

der Sanierung vieler Häuser und waren selbst<br />

gespannt auf die Modelle der Studenten. So<br />

eine Dachlandschaft wäre das Sahnehäubchen<br />

für manches Haus!“ Pressesprecherin Steffi<br />

Pianka schließt die Realisierung eines der<br />

Entwürfe keineswegs aus.<br />

Infos: www.summer-academy-berlin.eu Llo<br />

Experimente auf Berlins Dächern:<br />

Johanna Schack, Sankhalp Sahu und Onur<br />

Ekmekci mit ihrem Modell eines Yoga- und<br />

Meditationszentrums (oben)<br />

„The Pink View – Bistro auf dem Dach“ von<br />

Glenn De Roche, Michael Perez, Askarzadeh<br />

und Siamak (links)<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


NEUES VOM CAMPUS<br />

Berlin<br />

Kein Geld zum Studieren<br />

Ungleiche Bildungschancen hat<br />

die 18. Sozialerhebung des Deutschen<br />

Studentenwerks (DSW)<br />

dem deutschen Hochschulsystem<br />

bescheinigt. In Deutschland schaffen<br />

vor allem Kinder aus Akademiker-Familien<br />

den Hochschulzugang<br />

(83 Prozent), aber nur<br />

knapp ein Viertel der Kinder von<br />

Nicht-Akademikern (23 Prozent).<br />

Die Sozialerhebung des DSW wird<br />

seit 55 Jahren durchgeführt, um<br />

Daten über die wirtschaftliche<br />

und soziale Lage der Studierenden<br />

zu erhalten. Für die aktuelle<br />

Erhebung, die das DSW im Juni in<br />

Berlin vorstellte, wurden mehr als<br />

17 000 Studierende befragt.<br />

Rolf Dobischat, Präsident des<br />

DSW, hält die soziale Auslese des<br />

deutschen Hochschulsystems für<br />

beschämend und fordert daher<br />

eine deutliche Erhöhung des BAföGs,<br />

der staatlichen Unterstützung<br />

für Studierende. Denn wie<br />

der Sozialreport zeigt, liegt die<br />

niedrige Studienquote bei Nicht-<br />

Akademiker-Kindern in der ungeklärten<br />

Finanzierung des Studiums<br />

begründet.<br />

Auch für den Auslandsaufenthalt<br />

während des Studiums spielen die<br />

sozialen Unterschiede eine Rolle.<br />

So gehen Studierende von Fachhochschulen<br />

seltener ins Ausland<br />

als Universitäts-Studenten. Grund<br />

dafür ist laut DSW, dass an den<br />

Fachhochschulen wesentlich mehr<br />

Studierende aus sozial schwachen<br />

Familien lernen, denen das Geld<br />

für einen Auslandsaufenthalt<br />

fehlt. Die Quote für Auslandsaufenthalte<br />

ist jedoch insgesamt<br />

rückläufig und hat mit 29 Prozent<br />

das Niveau von 2003 erreicht.<br />

Für das Bundesbildungsministerium<br />

ist der Sozialreport des<br />

DSW ein Ansporn zum Handeln:<br />

Mit der für den Herbst geplanten<br />

BAföG-Novelle will der Bund nicht<br />

nur einen Kinderbetreuungszuschlag<br />

zahlen und die BAföG-Sätze<br />

erhöhen, sondern auch die Fördergrenze<br />

nach oben verschieben. Dadurch<br />

sollen mehr Studierende die<br />

staatliche Unterstützung erhalten.<br />

Die Studie „Die wirtschaftliche und<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

soziale Lage der Studierenden in<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

2006“ ist im Internet einzusehen<br />

unter: www.sozialerhebung.de aj<br />

Freiburg<br />

Amerika kommt<br />

aus Freiburg<br />

Die Albert-Ludwigs-Universität<br />

in Freiburg feiert in diesem Jahr<br />

nicht nur ihr 550. Jubiläum, sondern<br />

auch den 500. Namenstag<br />

von Amerika. Denn es war der<br />

Freiburger Wissenschaftler Martin<br />

Waldseemüller, der den Kontinent<br />

so taufte.<br />

Der Kartograph fertigte 1507<br />

eine für damalige Verhältnisse<br />

einzigartige Weltkarte an: Auf<br />

12 Holzschnitten von fast drei<br />

Quadratmetern Größe bildete er<br />

alle bis dato bekannten Länder<br />

ab – auch jenes, das Christopher<br />

Kolumbus 1492 entdeckt hatte. In<br />

der Begleitschrift, der „Cosmographiae<br />

Introductio“, die der Kartograph<br />

zusammen mit dem Dichter<br />

Matthias Ringmann verfasste, erklärte<br />

Waldseemüller die Namensgebung<br />

für den neuen Kontinent.<br />

Beide hielten Amerigo Vespucci<br />

für den Entdecker und wählten<br />

ihn daher als Namenspatron. Aus<br />

„Amerigo“ wurde „America“, weil<br />

„sowohl Europa als auch Asia<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Frauennamen sind“, wie Waldseemüller<br />

schrieb.<br />

Schon gegen Ende des Mittelalters<br />

gab es Raubkopien, mithilfe<br />

derer Waldseemüllers Karten<br />

verbreitet wurden – und mit ihnen<br />

der Name America. Bis zu<br />

seinem Tod 1522 bemühte sich<br />

der Kartograph vergeblich, seinen<br />

Irrtum rückgängig zu machen und<br />

„America“ stattdessen „Brasilien“<br />

oder „Papageienland“ zu nennen.<br />

„America“ war längst ein gängiger<br />

Begriff geworden.<br />

Ende des 19. Jahrhunderts wurden<br />

die Karten von Waldseemüller<br />

in einer Baden-Württembergischen<br />

Schlossbibliothek wiederentdeckt<br />

– und weckten die Begehrlich-<br />

Hochschule 13<br />

Amerika auf der Weltkarte von 1507:<br />

Der italienische Seefahrer Amerigo Vespucci<br />

(1441–1512) war der Namenspatron (unten)<br />

Foto: picture-alliance/MAXPPP<br />

keit der USA. Diese wollten die<br />

Namens urkunde selbst besitzen,<br />

aber die Karte gehörte zum deutschen<br />

Kulturgut und war damit<br />

unverkäuflich. Erst 2003 gelang es<br />

der Library of Congress, beim damaligen<br />

Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder eine Sondergenehmigung<br />

zu bekommen und das Dokument<br />

für angeblich zehn Millionen Euro<br />

zu erwerben. Danach verschwanden<br />

die Holztafeln für vier Jahre in<br />

den Werkstätten des Restaurators.<br />

Nun wurden sie erstmals der Öffentlichkeit<br />

präsentiert. Am 1. Mai<br />

dieses Jahres übergab Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel während<br />

eines Amerika-Besuchs in einer<br />

feierlichen Zeremonie die historische<br />

Weltkarte offiziell den USA.<br />

Der Albert-Ludwigs-Universität<br />

bleiben immerhin noch die Begleitschrift<br />

des Kartographen und<br />

eine Sonderbriefmarke „500 Jahre<br />

Weltkarte Martin Waldseemüller“.<br />

aj<br />

Frankfurt am Main/Panama<br />

Pilzreiches Panama<br />

Für Pilzforscher ist Panama ein<br />

wahres Paradies. Als Bindeglied<br />

zwischen Nord- und Südamerika<br />

beherbergt das Land vielfältige<br />

tropische Organismen, die sowohl<br />

aus dem einen wie aus dem anderen<br />

Kontinent stammen. Der „Biodiversitäts-Hotspot“<br />

bietet eine<br />

überbordende Fülle verschiedener<br />

Pflanzen-, Tier- und Pilzarten.<br />

Doch im Vergleich zur Pflanzenwelt<br />

ist das Reich der Pilze noch<br />

relativ unerforscht.<br />

Während heute circa 9500 Gefäßpflanzen-Arten<br />

bekannt sind,<br />

zählt die Liste der Pilze nur etwa<br />

1800. „Dabei weiß man, dass es<br />

in den Tropen etwa fünf Mal mehr<br />

Pilz- als Pflanzen-Arten gibt“, erklärt<br />

die Frankfurter Mykologin<br />

Professor Meike Piepenbring,<br />

die in Panama forscht. Die große<br />

Artenvielfalt der ökologisch so


14<br />

Hochschule<br />

wichtigen Pilze ist bisher weitgehend<br />

unerforscht, weil Mykologie<br />

(Pilzkunde) als Fach in Europa bisher<br />

nur an wenigen Universitäten<br />

unterrichtet wird, in tropischen<br />

Ländern wie Panama so gut wie<br />

gar nicht.<br />

Bevor im Jahr 2003 die Universidad<br />

Autónoma de Chiriquí und die<br />

Universität Frankfurt eine Kooperation<br />

begannen, in die auch die<br />

Universidad de Panamá eingebunden<br />

ist, studierten ausschließlich<br />

ausländische Mykologen die Pilze<br />

Panamas. „Ihre Forschungsergebnisse<br />

waren weltweit zerstreut,“<br />

berichtet Meike Piepenbring. Als<br />

sie vor 15 Jahren mit ihren Forschungen<br />

begann, gingen in ihre<br />

erste Checkliste von Pilzen in<br />

Panama Daten aus rund 300 verschiedenen<br />

Publikationen ein.<br />

Damit dieses Wissen auch einheimischen<br />

Forschern zugänglich<br />

wird, lehrt die Frankfurter Professorin<br />

bereits seit 1998 im Rahmen<br />

von <strong>DAAD</strong>-finanzierten Kurzzeitdozenturen<br />

an den beiden pana-<br />

Foto: Meike Piepenbring<br />

maischen Universitäten. 2006<br />

kam ein <strong>DAAD</strong>-Austauschprogramm<br />

hinzu, das vor allem auf<br />

die Verbesserung der Lehre zielt.<br />

Jetzt geht es neben Projekten zur<br />

Mykologie unter anderem auch<br />

um die Ökologie, Mikrobiologie,<br />

Zoologie oder Mooskunde.<br />

In ihrem jeweiligen Forschungsgebiet<br />

leisten alle an dem Austausch<br />

Beteiligten – deutsche und<br />

panamaische Hochschullehrer<br />

und Studierende – Pionierarbeit:<br />

Arten werden gesammelt, beschrieben<br />

und benannt. Für die<br />

pharmazeutische Anwendung<br />

von Pilzen ist es wichtig, deren<br />

Inhaltsstoffe zu bestimmen. Viele<br />

Arten enthalten Wirkstoffe gegen<br />

menschliche Krankheiten – etwa<br />

der Bakterien vernichtende Penicillin-Pilz.<br />

Die Zeit drängt, denn<br />

die Artenvielfalt Panamas ist inzwischen<br />

durch Waldzerstörung<br />

und Klimaveränderung bedroht.<br />

Arten sterben aus, noch bevor der<br />

Mensch sie kennengelernt hat.<br />

Anne Hardy<br />

Pilzbefall auf dem Bananenblatt<br />

Bundesweit<br />

Mehr Professorinnen<br />

Der Anteil von Frauen in der deutschen<br />

Professorenschaft hat sich<br />

in den vergangenen zehn Jahren<br />

nahezu verdoppelt. Während<br />

1995 erst 8 Prozent Frauen einen<br />

Lehrstuhl innehatten, waren es<br />

2006 bereits 15 Prozent. Wie das<br />

Statistische Bundesamt in Wiesbaden<br />

im Juli mitteilte, erreichte<br />

die Zahl der Professorinnen im<br />

Jahr 2006 mit rund 5 700 einen<br />

neuen Höchststand. Insgesamt<br />

waren 256 800 Beschäftigte an<br />

deutschen Hochschulen Frauen,<br />

das sind 51 Prozent.<br />

HOCHSCHULE IM INTERNET<br />

Das Studentenradio Uniwelle<br />

Tübingen der Eberhard Karls<br />

Universität berichtet sieben Stunden<br />

pro Woche über Themen rund<br />

um die Hochschule. Seit kurzem<br />

stehen die jüngsten Sendungen<br />

des Sonntags<strong>magazin</strong>s „Unimax“<br />

zum Nachhören als Audiodatei<br />

im Internet, darunter Vorträge<br />

von Tübinger Professoren aus<br />

dem Studium Generale der Universität.<br />

Außerdem sind über<br />

300 ausgewählte Sendungen zum<br />

Nachhören in einer Datenbank<br />

gespeichert. Das Studentenradio<br />

will mit dem on-demand-Angebot<br />

vor allem auch Alumni aus dem<br />

Ausland ansprechen.<br />

www.uni-tuebingen.de/uniradio<br />

Ein monatliches Politiker- und<br />

Themenranking stellen die<br />

Kommunikationswissenschaftler<br />

der Hochschule Hohenheim auf<br />

ihrem neuen Webportal Mediaskop<br />

auf. Die Wissenschaftler<br />

werten 26 Leitmedien – von der<br />

Tageszeitung bis zum Nachrichtenjournal<br />

– aus. So ermitteln sie<br />

die Top-Ten – derzeit Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel und die „Arbeitsmarktpolitik“.<br />

Das Online-<br />

Angebot will eine Übersicht geben<br />

über die aktuellen Entwicklungen<br />

und die medial vermittelte öffentliche<br />

Meinung in Deutschland.<br />

www.uni-hohenheim.de/mediaskop<br />

Bundesbildungsministerin Annette<br />

Schavan sprach von einem<br />

positiven Trend, der allerdings verstärkt<br />

werden müsse. Im internationalen<br />

Vergleich ist der Frauenanteil<br />

an der Hochschullehrerschaft<br />

in Deutschland immer noch sehr<br />

gering. Verschiedene Programme<br />

für die Gleichstellung der Frauen,<br />

zum Beispiel von Seiten der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft,<br />

sollen die Chancen von Wissenschaftlerinnen<br />

erhöhen.<br />

Am höchsten ist der Anteil der<br />

weiblichen Lehrkräfte bisher in<br />

den Sprach-, Kultur- und Kunstwissenschaften.<br />

Hier ist jeder<br />

vierte Lehrstuhl mit einer Frau<br />

besetzt. In Mathematik und Naturwissenschaften<br />

sind es lediglich<br />

10 Prozent. Llo<br />

Europaweit einzigartig ist die<br />

Gartenbaubibliothek an der<br />

Technischen Universität Berlin.<br />

Diese größte deutsche Sammlung<br />

botanischer Literatur und gärtnerischer<br />

Gebrauchstexte enthält<br />

54 000 Monographien und Zeitschriften,<br />

davon mehr als 3 500<br />

Bücher und 4 000 Journale aus<br />

der Zeit vor 1900. Das älteste Buch<br />

stammt von 1543. Unter www.<br />

gartenbaubuecherei.de.vu lässt sich<br />

nicht nur die bemerkenswerte<br />

Geschichte der Bücherei nachlesen,<br />

sondern man bekommt auch<br />

Einblick in etliche digitalisierte<br />

Werke. aj/Llo<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: TU Berlin


WISSENSCHAFT UND WIRTSCHAFT<br />

IT-Branche<br />

50 Millionen für Nachwuchs<br />

Um den Bedarf an qualifizierten<br />

Nachwuchswissenschaftlern zu<br />

decken, arbeiten führende Unternehmen<br />

der IT-Branche eng mit<br />

Hochschulen zusammen, darunter<br />

Deutschlands zweitgrößtes Software-Unternehmen,<br />

die Software<br />

AG in Darmstadt-Eberstadt. Ihr<br />

„University Relations Program“<br />

mit einem Volumen von 50 Millionen<br />

Euro soll Studierende mit<br />

den neuesten IT-Trends vertraut<br />

machen, insbesondere mit der so<br />

genannten „serviceorientierten<br />

Architektur“ (SOA).<br />

Kern dieses Trends ist die Modernisierung<br />

und Integration bestehender<br />

Softwaresysteme von<br />

Firmen und Institutionen: Unterschiedlichste<br />

Programme und Anwendungen<br />

können miteinander<br />

verbunden und mit modernen<br />

Eingabemasken versehen werden.<br />

In diesem Wachstumsmarkt will<br />

die Software AG ihre Marktführerschaft<br />

behaupten und die Zahl von<br />

derzeit 1000 Experten auf dem<br />

deutschen Markt in den nächsten<br />

Jahren verdreifachen.<br />

Das Förderprogramm beinhaltet<br />

die Vergabe kostenloser Lizenzen<br />

der Produkte der Software AG an<br />

deutsche Hochschulen. Dazu kommen<br />

Seminare mit Referenten des<br />

Unternehmens, Unternehmensbesuche<br />

und interdisziplinäre<br />

Diskussionsrunden. Zwei Pilotprojekte<br />

laufen an der Hochschule<br />

Darmstadt sowie der TU Darmstadt.<br />

Für die zweite Phase im<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Wintersemester 2007/08 haben<br />

deutschlandweit 54 Lehrstühle<br />

Interesse angemeldet.<br />

Ingenieurmangel<br />

Wachstumsbremse<br />

Im Jahr 2006 konnten 48 000 geplante<br />

neue Ingenieurstellen mangels<br />

geeigneter Bewerber nicht<br />

besetzt werden. Dies ergab eine<br />

Befragung des Instituts der deutschen<br />

Wirtschaft bei 3 300 Unternehmen<br />

verschiedener Branchen.<br />

Das habe der deutschen Wirtschaft<br />

einen Verlust an Wertschöpfung<br />

in Höhe von mindestens 3,5 Milliarden<br />

Euro eingebracht, so die<br />

Berechnung. Besonders betroffen<br />

von dem Fachkräftemangel sind<br />

der Maschinenbau, die Elektroindustrie<br />

und allgemein der Bereich<br />

Forschung und Entwicklung.<br />

Allianz-<br />

Gastprofessor<br />

liest über die<br />

Architektur des<br />

Felsendoms in<br />

Jerusalem<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Foto: Hagenguth/<strong>DAAD</strong><br />

Ingenieurmangel bremst die Wirtschaft<br />

Für 2007, das mit beachtlichen<br />

Konjunkturzahlen aufwarten<br />

kann, erwartet das Institut erneut<br />

eine erhebliche Schere zwischen<br />

den geplanten 50 000 Stellen und<br />

Bewerbern. Deshalb spricht das<br />

Wirtschaftsinstitut von einer „eingebauten<br />

Wachstumsbremse“ in<br />

Deutschland.<br />

Die Ursache sehen Industrievertreter<br />

im nachlassenden Interesse<br />

am Ingenieurstudium: Mitte der<br />

neunziger Jahre waren knapp ein<br />

Viertel der Hochschulabsolventen<br />

Ingenieurwissenschaftler. Dieser<br />

Anteil ist inzwischen auf rund ein<br />

Sechstel gesunken.<br />

Allianz-Gastprofessur<br />

Dialog der Kulturen<br />

Warum sollte ein globaler Finanzdienstleistungskonzerngeisteswissenschaftliche<br />

Studien<br />

fördern? Weil er weiß, dass die<br />

globalen Finanz- und Kapitalströme<br />

nicht nur in der digitalen<br />

Datenwelt fließen, sondern von<br />

menschlichen Vorurteilen, Emotionen<br />

und Fehlurteilen beeinflusst<br />

werden: Der oft beschworene „Zusammenprall<br />

der Kulturen“ soll<br />

durch den „Dialog der Kulturen“<br />

möglichst verhindert werden. Mit<br />

diesem Ziel stiftete der Allianz-<br />

Konzern im Sommer 2003 die<br />

„Gastprofessur für islamische und<br />

jüdische Studien“ an der Münch-<br />

Hochschule 15<br />

nerLudwig-Maximilians-Universität (LMU). Auslöser für die Initiative<br />

waren die Anschläge vom 11.<br />

September 2001 in den USA.<br />

Die Professur wird alternierend<br />

an Dozenten aus den Bereichen<br />

Jüdische und Islamische Studien<br />

vergeben und erfreut sich bei<br />

Wissenschaftlern und Studierenden<br />

großer Resonanz. Im Sommer<br />

2007 ist der aus Syrien stammende<br />

und am Massachusetts Institute<br />

of Technology (MIT) lehrende<br />

Nasser Rabbat Allianz-Gastprofessor.<br />

Sein Thema: Die Architektur<br />

der Dynastie der Umayyaden, zu<br />

deren bekanntesten Beispielen die<br />

großen Moscheen in Damaskus<br />

und der Felsendom in Jerusalem<br />

gehören.<br />

„Die Zwischenbilanz ist äußerst<br />

positiv. Die Allianz-Gastprofessoren<br />

haben einen wichtigen<br />

Anstoß dafür gegeben, dass die<br />

Jüdischen und Islamischen Studien<br />

und vor allem die fruchtbare<br />

Verbindung zwischen beiden zu<br />

einem der Schwerpunkte an der<br />

LMU wurde“, sagt Professor Michael<br />

Brenner, Leiter der Abteilung<br />

für jüdische Geschichte und<br />

Kultur am Historischen Seminar<br />

der LMU.<br />

In öffentlichen Vorträgen haben<br />

die Gastdozenten zudem eine<br />

breitere Öffentlichkeit angesprochen.<br />

Auch die Allianz-Zentrale in<br />

München legt ihren Mitarbeitern<br />

nahe, die Vorlesungen zu besuchen,<br />

um ihren Horizont über diese<br />

Kulturkreise zu erweitern. KS


16<br />

Ortstermin<br />

Labor für Denker<br />

Hochschulstandorte in Ost-Westfalen:<br />

Bielefeld und Paderborn<br />

Aus Bielefeld stammen weltberühmte Geisteswissenschaftler<br />

und die bekannteste<br />

Tiefkühlpizza Deutschlands. Paderborns<br />

Informationstechnologie betreibt Spitzenforschung.<br />

Die Bielefelder Universität ist wahrscheinlich<br />

die einzige in Deutschland, die Zähne<br />

hat. So werden die einzelnen Bauteile genannt,<br />

in denen die Fakultäten untergebracht<br />

sind. Es gibt eine große überdachte Haupthalle,<br />

von der aus die Fachbereiche abgehen: Der<br />

C-Zahn gehört den Literaturwissenschaftlern,<br />

gleich daneben befinden sich die Labore der<br />

Physiker, im Bauteil W sind die Wirtschaftswissenschaften<br />

untergebracht, und im A-Zahn<br />

treffen sich alle zum Mittagessen – hier ist die<br />

Mensa. Zwischen Audi-Max und Schwimmbad,<br />

die das jeweilige Ende der Halle bilden,<br />

orientiert sich jeder Neuankömmling schnell.<br />

Da alles so wunderbar beieinander liegt, wird<br />

die Hochschule in Bielefeld auch die „Universität<br />

der kurzen Wege“ genannt.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Geistesgrößen prägen Bielefeld:<br />

der Historiker Hans-Ulrich Wehler (li),<br />

der Soziologe Niklas Luhmann und<br />

der Mediävist Bernhard Jussen (re)<br />

Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb<br />

Mehr Kapazität, weniger Fläche: „Chip-Pagode“<br />

im Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn<br />

Überschaubar wie die Universität ist Bielefeld<br />

selbst: Zwar zählt die Stadt mit ihren 325 000<br />

Einwohnern zu den deutschen Großstädten,<br />

aber Hektik kommt selten auf. Von der sprichwörtlichen<br />

Sturheit der Westfalen ist in der<br />

Stadt am Teutoburger Wald nichts zu spüren.<br />

Die Menschen sind sehr offen. Vielleicht trägt<br />

dazu auch bei, dass es hier Bethel gibt, einen<br />

Ortsteil, in dem behinderte Menschen ganz<br />

selbstverständlich in das alltägliche Treiben<br />

integriert werden. Die Behinderten leben in<br />

Wohngemeinschaften oder Heimen zusammen,<br />

arbeiten in Werkstätten und werden sozial,<br />

medizinisch und pädagogisch betreut.<br />

Eldorado für Historiker<br />

Übersichtlich sind auch Bildung und Wissenschaft<br />

mit vier Hochschulen: Universität,<br />

Fachhochschule, Fachhochschule des Mittelstands<br />

sowie Kirchliche Hochschule Bethel.<br />

Die Universität Bielefeld ist vor allem wegen<br />

ihrer Geisteswissenschaften berühmt. Sie beheimatet<br />

die bundesweit einzige Fakultät für<br />

Soziologie, an der Niklas Luhmann über Jahrzehnte<br />

hinweg arbeitete. Er gilt als Begründer<br />

der „Systemtheorie“, einer wichtigen Grundlage<br />

der Soziologie.<br />

Die Fakultät für Pädagogik zählt zu den besten<br />

in Europa. Hier gründete Hartmut von<br />

Hentig, einer der einflussreichsten deutschen<br />

Pädagogen, seine berühmte Laborschule, in<br />

der regelmäßiger Unterrichtsbetrieb mit pädagogischer<br />

Forschung kombiniert wird.<br />

Foto: DFG<br />

Foto: Siegmann/images.de<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Weltruf genießen die Bielefelder Geschichtswissenschaften.<br />

Mitverantwortlich dafür ist<br />

Hans-Ulrich Wehler. Er schreibt seit Jahren an<br />

einer Deutschen Gesellschaftsgeschichte, die,<br />

obwohl noch unvollendet, bereits zu den Standardwerken<br />

für deutsche Historiker zählt.<br />

Wehler hat die „Bielefelder Schule“ mitbegründet,<br />

eine sozialwissenschaftlich geprägte<br />

Richtung innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft.<br />

Sein Arbeitsgebiet nennt er<br />

„His torische Sozialwissenschaft“, für die er<br />

auf Methoden der Soziologie und der Psychologie<br />

zurückgreift. Die Vertreter der Bielefelder<br />

Schule wenden sich dagegen, die Geschichte an<br />

politischen Ereignissen festzumachen, lehnen<br />

die tragende Rolle von Einzelpersonen in der<br />

Geschichte ab und betonen stattdessen die Bedeutung<br />

sozialstruktureller Phänomene. Eine<br />

Forschungsrichtung, die auch Wissenschaftler<br />

aus dem Ausland nach Bielefeld lockt.<br />

Shoppen in<br />

Bielefeld:<br />

Haupthalle der Uni<br />

In der mittelalterlichen Historik setzt die Uni<br />

ebenfalls Maßstäbe: Bernhard Jussen erhielt<br />

in diesem Jahr den mit 2,5 Millionen Euro<br />

dotierten Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

– eine Art deutschen<br />

Nobelpreis. In seinen interdisziplinär und<br />

international angelegten Projekten geht es unter<br />

anderem um Mentalitäten und moralische<br />

Handlungskategorien, aus denen politische<br />

und gesellschaftliche Aktivitäten entwickelt<br />

werden.<br />

Um den Studierenden nach ihrem Fachstudium<br />

den Übergang ins Arbeitsleben zu erleichtern,<br />

bietet die Bielefelder Universität ein<br />

einjähriges, studienbegleitendes Programm<br />

„Studierende und Wirtschaft“ an. Zahlreiche<br />

Großunternehmen sind rund um Bielefeld angesiedelt,<br />

so der Medienkonzern Bertelsmann,<br />

der Lebensmittelproduzent Dr. Oetker – von<br />

ihm stammt die bekannte Tiefkühlpizza – der<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Haushaltsgerätehersteller Miele, die Süßwarenfirma<br />

Storck und Seidensticker – weltweit<br />

ein Name für hochwertige Blusen und<br />

Hemden.<br />

Hohe IT-Dichte in Paderborn<br />

Der Teutoburger Wald verbindet Bielefeld<br />

mit dem Hochschulstandort Paderborn. Die<br />

140 000-Einwohner-Stadt, aus der Computerpionier<br />

Heinz Nixdorf stammt, ist für ihre<br />

Unternehmen der Informationstechnologie<br />

(IT) bekannt – immerhin hat die Stadt eine<br />

der höchsten IT-Dichten in ganz Deutschland.<br />

Zwei Drittel der Firmen sind Ausgründungen<br />

aus der Paderborner Universität, die in diesem<br />

Bereich zur bundesweiten Forschungsspitze<br />

zählt.<br />

So entwickelten etwa Informatiker der Universität<br />

zusammen mit der Lufthansa neue<br />

Optimierungsmethoden gegen Störungen im<br />

Forschungsadressen der Region<br />

Fachhochschule Bielefeld: www.fh-bielefeld.de<br />

Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld:<br />

www.fhm-mittelstand.de<br />

Kirchliche Hochschule Bethel: www.kiho-bethel.de<br />

Universität Bielefeld: www.uni-bielefeld.de<br />

Fachhochschule Lippe und Höxter University of<br />

Applied Sciences: www.fh-luh.de<br />

Hochschule für Musik Detmold: www.hfm-detmold.de<br />

Fachhochschule der Wirtschaft,<br />

Standort Paderborn: www.bib.de/fhdw/Profil_P.aspx<br />

Katholische Fachhochschule NRW,<br />

Abt. Paderborn: www.kfhnw.de/paderborn/<br />

Universität Paderborn: www.uni-paderborn.de<br />

Fachhochschule Münster: www.fh-muenster.de<br />

Kunstakademie Münster: www.kunstakademie-muenster.de<br />

Philosophisch-theologische Hochschule Münster:<br />

www.pth-muenster.de/<br />

Westfälische Wilhelms-Universität Münster:<br />

www.uni-muenster.de<br />

Foto: Uni Bielefeld<br />

Ortstermin<br />

Flugbetrieb. Und ein Paderborner Informatiker<br />

war an der Entwicklung des Schachspielverderbers<br />

Hydra beteiligt, der Gewinnchancen<br />

im Schach aussichtslos machen soll.<br />

Die älteste Hochschule Westfalens, die eng<br />

mit den zwei ortsansässigen Fraunhofer-<br />

Instituten – dem Institut für Zuverlässigkeit<br />

und Mikrointegration (IZM) und dem Anwendungszentrum<br />

für Logistikorientierte Betriebswirtschaft<br />

(ALB) – zusammenarbeitet, macht<br />

aber auch mit einem fakultätsübergreifenden<br />

Projekt Schlagzeilen: Sieben Lehrstühle, vom<br />

Maschinenbau bis zur Elektrotechnik, entwickeln<br />

als Konsortium „Neue Bahntechnik<br />

Paderborn“ ein fahrerloses Taxi auf Schienen.<br />

Kein Fahrplan, kein Warten – einfach anrufen,<br />

einsteigen und das Ziel eingeben – lautet die<br />

Vision der Ingenieure. Railcab, so heißt das futuristische<br />

Taxi, sucht sich dann selbst seinen<br />

Weg durchs Schienennetz. Angelika Steffen<br />

ABSTRACT<br />

Incubator for Intellectuals<br />

Bielefeld University has been called “The<br />

Short-Distance University” because all of<br />

its faculties are conveniently located under<br />

one roof. The city of Bielefeld is just as manageable.<br />

Although it is a large city with a<br />

population of 325,000, life here does not<br />

have the hectic pace of a metropolis.<br />

The 18,000-student university is best-known<br />

for its humanities department. Bielefeld University<br />

is home to the country‘s only School<br />

of Sociology, where Niklas Luhmann worked<br />

for decades. The School of Pedagogical Studies<br />

is one of the best educational science<br />

faculties in Europe. This is where Hartmut<br />

von Hentig, one of the most influential educators<br />

in Germany, established his famous<br />

Laborschule (“laboratory school”), where<br />

educational theory and practice are tested.<br />

The science of history as studied in Bielefeld<br />

enjoys an international reputation thanks<br />

to academics such as Hans-Ulrich Wehler,<br />

one of the founders of the socio-scientifically<br />

influenced “Bielefeld School,” and medievalist<br />

Bernhard Jussen who was awarded the<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz Prize – rather<br />

like a German Nobel Prize – in 2007.<br />

The Teutoburg Forest connects Bielefeld to<br />

Paderborn, location of the oldest university in<br />

Westphalia. Paderborn, a city of 140,000 and<br />

birthplace of computer pioneer Heinz Nixdorf,<br />

is known for the information technology (IT)<br />

companies based here. Many of these are spinoffs<br />

from the University of Paderborn, which<br />

is at the forefront nationally in IT research.<br />

17


18<br />

Europa<br />

Drei Jahre vor dem vereinbarten<br />

Termin 2010 haben<br />

über 80 Prozent der Hochschulen<br />

Bachelor- und Masterabschlüsse<br />

eingeführt:<br />

Der gemeinsame europäische<br />

Hochschulraum ist<br />

auf gutem Weg. In London<br />

zogen die Wissenschaftsminister<br />

der 46 beteiligten<br />

Staaten Zwischenbilanz im<br />

„Bologna-Prozess“.<br />

Am Anfang stand die Vision<br />

der grenzenlosen<br />

Mobilität. Das war 1999 im<br />

italienischen Bologna, als<br />

die Bildungsminister von<br />

30 Ländern – 15 Staaten der<br />

Europäischen Union (EU),<br />

zehn Beitrittskandidaten aus<br />

Mittel- und Osteuropa sowie<br />

Island, Norwegen, Liechtenstein,<br />

Malta und die Schweiz<br />

– die Schaffung eines gemeinsamen<br />

europäischen Hochschulraums<br />

mit vergleichbarenHochschulabschlüssen<br />

und einem einheitlichen Punktesystem<br />

zur Anerkennung akademischer Leistungen<br />

(ECTS) vereinbarten.<br />

Inzwischen ist die Zahl der Länder auf 46 angewachsen:<br />

Hinzugekommen sind unter anderem<br />

die Balkanstaaten, die Türkei, Russland,<br />

Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien,<br />

die Ukraine und zuletzt Monte negro.<br />

Auch das Themenspektrum hat sich vergrößert:<br />

Der dritte Zyklus (Doktorat) ist ebenso<br />

im Gespräch wie die soziale Dimension der<br />

Mobilität, die Beschäftigungsfähigkeit der<br />

Studierenden und die Qualitätssicherung der<br />

Studiengänge. Beschlossen, aber erst teilweise<br />

umgesetzt, sind ausführliche Informationen<br />

zum Abschluss und den damit verbundenen<br />

Qualifikationen (Diploma Supplement).<br />

Im Mai dieses Jahres trafen sich die 46 Bildungsminister<br />

in London zur vierten Bologna-<br />

Nachfolgekonferenz und zogen eine positive<br />

Zwischenbilanz: Der gemeinsame europäische<br />

Hochschulraum hat dank zahlreicher<br />

Reformen in den einzelnen Ländern Gestalt<br />

Mobilität steht im Zentrum<br />

Der europäische Hochschulraum wächst zusammen<br />

angenommen. Sichtbares Zeichen sind die<br />

gestuften Abschlüsse Bachelor und Master,<br />

die 2003 erst rund die Hälfte aller Hochschulen<br />

im Angebot hatten, heute dagegen über<br />

80 Prozent. In Deutschland sind gut die Hälfte<br />

aller Studiengänge umgestellt.<br />

Aber führen Bachelor und Master tatsächlich<br />

zu grenzenloser Mobilität, wie es die Bildungsminister<br />

vor acht Jahren im Blick hatten? „Mobilität<br />

als Normalität – davon sind wir immer<br />

noch weit entfernt“, sagt Siegbert Wuttig, Leiter<br />

der Nationalen Agentur für EU-Hochschulprogramme<br />

im <strong>DAAD</strong>. Beispiel Deutschland:<br />

Hier nehmen gerade einmal 16 Prozent aller<br />

Studierenden die Chance wahr, sich im Ausland<br />

zu immatrikulieren. Nach dem Willen der<br />

Bundesregierung und des <strong>DAAD</strong> soll künftig<br />

die Hälfte der Studierenden mobil werden, 20<br />

Prozent wenigstens für ein Studiensemester.<br />

Dabei haben Bachelor-Studiengänge mit ihrem<br />

straffen Stundenplan und der kurzen Dauer<br />

von drei Jahren ein Auslandsstudium eher<br />

erschwert als befördert. In London rückten die<br />

Fotos: creativ collection/axeptDESIGN<br />

Minister die Mobilität<br />

von Studierenden, Wissenschaftlern<br />

und Lehrenden<br />

in den Bologna-<br />

Staaten erneut ins Zentrum.<br />

Sie forderten die<br />

Hochschulen auf, mehr<br />

grenzüberschreitende<br />

gemeinsame Studiengänge<br />

anzubieten und<br />

die Bachelor-Lehrpläne<br />

zu flexibilisieren.<br />

„Ziel des Bologna-Prozesses<br />

ist die Gestaltung<br />

von Vielfalt, nicht Harmonisierung“,<br />

sagte Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan. Für Deutschland bedeute<br />

mehr Mobilität, „dass es Bachelor-Studiengänge<br />

geben wird, die mit Auslandsaufenthalt<br />

dreieinhalb oder vier Jahre dauern.“ Gleichzeitig<br />

setzen die beteiligten Staaten mit der<br />

Akkreditierung der Studiengänge auf Qualität.<br />

Nun soll ein Qualitätsregister diejenigen<br />

Agenturen verzeichnen, die berechtigt sind,<br />

Studiengänge im Bologna-Raum zu akkreditieren.<br />

Eine Maßnahme, die nicht etwa mehr Bürokratie<br />

schaffen, sondern mehr Transparenz<br />

bei der Beurteilung garantieren soll.<br />

Nach innen wird der europäische Hochschulraum<br />

weiter gefestigt, nach außen wollen die<br />

Bildungsminister gezielter informieren und<br />

werben, um die Attraktivität Europas für Studierende<br />

und Wissenschaftler herauszustellen.<br />

Dabei geht es auch darum, in anderen<br />

Weltregionen den Bologna-Prozess als nachahmenswertes<br />

Modell bekannt zu machen.<br />

(Siehe Kommentar auf Seite 7)<br />

Katja Spross<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


NACHRICHTEN<br />

Technologieinstitut<br />

Klima und Energie<br />

Die 27 Forschungsminister der<br />

Europäischen Union (EU) haben<br />

sich im Juni auf den Start des<br />

European Institute of Technology<br />

(EIT) im Jahre 2008 geeinigt. Das<br />

EIT wird demnach keine Elite-<br />

Hochschule mit eigenen Studiengängen<br />

und Abschlüssen – wie es<br />

EU-Kommissionspräsident José<br />

Manuel Barroso 2005 als europäische<br />

Antwort auf das Massachusetts<br />

Institute of Technology in<br />

den USA vorgeschlagen hatte. Geplant<br />

ist vielmehr die Vernetzung<br />

von Universitäten, Forschungsinstituten<br />

und Unternehmen zu sogenannten<br />

„Wissens- und Innovationsgemeinschaften“.<br />

Dadurch soll die „europäische Innovationslücke“<br />

geschlossen, also<br />

die Umsetzung von Forschungsergebnissen<br />

in die Praxis verbessert<br />

werden, so Bundesforschungsministerin<br />

Annette Schavan.<br />

In den kommenden Jahren<br />

stehen die Themen Klimawandel<br />

und Energieeffizienz auf der<br />

Agenda der zunächst zwei Spitzenforschungsnetzwerke.<br />

Die<br />

Forschungsminister beschlossen<br />

auch einen Finanzrahmen und<br />

äußerten die Erwartung, dass Unternehmen<br />

die gemeinsame Forschung<br />

„substanziell“ mitfinanzieren.<br />

Aus dem laufenden EU-<br />

Haushalt sind 309 Millionen Euro<br />

von 2008 bis 2013 für den Aufbau<br />

des EIT vorgesehen. Allerdings<br />

muss das Europäische Parlament<br />

dem Vorhaben noch zustimmen.<br />

Lesebuch<br />

Generation ERASMUS<br />

„Wer im Ausland studiert, wird<br />

zunächst völlig verunsichert und<br />

muss sich neu erfinden. Das ist<br />

nicht nur gesund, es tut auch gut<br />

und macht Spaß!“ So erlebte Stefan<br />

Bufler seinen Aufenthalt als<br />

ERASMUS-Stipendiat im Norden<br />

Englands. Das Auslandsjahr bezeichnet<br />

er als „Initialzündung“:<br />

Es bescherte dem heutigen Professor<br />

für Kommunikationsdesign<br />

an der Fachhochschule Augsburg<br />

zehn weitere Jahre auf der Insel.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Den amüsanten, lesenswerten<br />

Beitrag von Stefan Bufler hat der<br />

<strong>DAAD</strong>, der in Deutschland die<br />

Aufgaben einer Nationalen Agentur<br />

für ERASMUS wahrnimmt, in<br />

einem Buch mit Erfahrungsberichten<br />

von insgesamt 28 ERASMUS-<br />

Stipendiaten zum 20. Geburtstag<br />

des EU-Programms herausgegeben.<br />

Mit „Generation ERASMUS –<br />

Auf dem Weg nach Europa“ ist ein<br />

Lesebuch, entstanden, das Lust<br />

auf den Blick über die Grenzen<br />

macht.<br />

Mehr als 1,5 Millionen Studierende<br />

konnten bisher mit ERASMUS<br />

einen Teil ihres Studiums im europäischen<br />

Ausland absolvieren,<br />

unter ihnen fast eine Viertel Million<br />

Deutsche. Bis 2012 sollen drei<br />

Millionen Studierende in Europa<br />

unterwegs gewesen sein. Dann<br />

geht es ihnen vielleicht wie Jessica<br />

Wilzer, die von Gießen nach Dijon<br />

wechselte: „Heute frage ich mich<br />

nicht mehr, wieso ich damals nach<br />

Frankreich gegangen bin, sondern<br />

eher, was passiert wäre, hätte ich<br />

es nicht getan. Ich wäre nicht dort,<br />

wo ich jetzt bin – nämlich wieder<br />

in Frankreich.“<br />

ERASMUS Mundus<br />

Starke zweite Runde<br />

ERASMUS fördert den Austausch<br />

von Studierenden innerhalb der<br />

Europäischen Union (EU), ERAS-<br />

MUS Mundus lockt seit 2004 Studierende<br />

von allen Kontinenten<br />

mit gut dotierten Stipendien an<br />

europäische Hochschulen. Das<br />

bisher speziell auf Master-Studierende<br />

aus Nicht-EU-Staaten<br />

zugeschnittene Programm soll vor<br />

allem den guten Stipendienmöglichkeiten<br />

in den USA etwas entgegensetzen.<br />

ERASMUS Mundus soll<br />

nun verlängert und finanziell deutlich<br />

besser ausgestattet werden.<br />

Von 2004 bis 2008 gibt die EU<br />

über 300 Millionen Euro für hochqualifizierte<br />

Studierende und hervorragende<br />

Masterstudiengänge<br />

aus, die mindestens drei europäische<br />

Hochschulen gemeinsam<br />

anbieten. Von 2009 bis 2013 steigt<br />

das Budget auf 950 Millionen<br />

Euro.<br />

Die Nachfrage der Studierenden<br />

ist groß. „Wir erhalten sieben Mal<br />

mehr Anträge, als wir Plätze anbieten<br />

können“, sagt EU-Bildungskommissar<br />

Ján Figel. Zum Ende<br />

der Laufzeit werden über 4100<br />

Studierende aus 100 Ländern ein<br />

Vertragsunterzeichnung in Kairo: <strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber<br />

(li.) und der ägyptische Unterstaatssekretär für kulturelle Angelegenheiten<br />

Ahmed Khairy<br />

Foto: <strong>DAAD</strong><br />

Europa<br />

europäisches Masterprogramm<br />

absolviert haben. Ab 2009 können<br />

sich auch Doktoranden und<br />

Studierende im Grundstudium für<br />

ein ERASMUS Mundus-Stipendium<br />

bewerben.<br />

Ägypten/EU<br />

Forschungsaustausch<br />

Ägypten erhält elf Millionen Euro<br />

von der Europäischen Union, um<br />

den Austausch von Forschern<br />

und Forschungsergebnissen zu<br />

fördern. Der Fokus liegt auf den<br />

Gebieten Biotechnologie, Informationstechnologie,<br />

erneuerbare<br />

Energien und Gesundheit. Dies<br />

gaben Politiker auf der ersten Euro-Mediterranen<br />

Konferenz zum<br />

Thema Hochschulbildung und<br />

wissenschaftliche Forschung in<br />

Kairo bekannt. Die Vereinbarung<br />

zwischen Ägypten und der Europäischen<br />

Union könnte ein Vorbild<br />

für andere arabische Länder sein,<br />

sagten ägyptische Forscher.<br />

Am Rande der Konferenz vereinbarten<br />

Deutschland und Ägypten<br />

zudem ein bilateral finanziertes<br />

Kurzzeitstipendienprogramm für<br />

ägyptische Doktoranden und Postdocs,<br />

die drei bis sechs Monate<br />

in Deutschland forschen können.<br />

Für das vom <strong>DAAD</strong> organisierte<br />

Programm stehen jährlich zwischen<br />

200 000 und 240 000 Euro<br />

zur Verfügung. KS<br />

19


20<br />

Arbeiten weltweit<br />

Foto: privat<br />

Dynamik und Inselromantik<br />

Irland: Wirtschaftlicher Erfolg und kulturelle Aufbruchstimmung<br />

Ein Aufkleber an der Tür ihres Dozenten in<br />

Galway beeinflusste Cora Pfafferotts Leben:<br />

Als die heute 27-Jährige das Emblem des<br />

„National Forum on Europe“ in der Universität<br />

sah, ahnte sie noch nicht, dass sie später<br />

dort ihre ersten Berufserfahrungen sammeln<br />

sollte. „Ich war von Galway, der irischsten aller<br />

irischen Städte fasziniert. Oft fuhr ich mit<br />

dem Fahrrad an den Atlantik und spürte, dass<br />

ich an der Peripherie Europas bin, der nächste<br />

Stopp ist Amerika“, erinnert sie sich an ihren<br />

Studienaufenthalt vor fünf Jahren. Die Landschaft,<br />

die Offenheit der Iren und ihr Interes-<br />

Foto: Bildagentur Huber/S. Damm<br />

Foto: Kathrin Grenzdörffer<br />

Das wirtschaftlich prosperierende Irland hat eine europäische Erfolgsgeschichte. Die<br />

Arbeitslosenquote ist eine der geringsten, die arbeitende Bevölkerung europaweit die<br />

jüngste. Europa lebt – das spüren Cora Pfafferott und Rolf Stehle in Dublin.<br />

se an europapolitischen Fragen brachten Cora<br />

Pfafferott auf die Idee, ihre Diplomarbeit über<br />

das „National Forum on Europe“ zu schreiben.<br />

Die von der irischen Regierung gegründete Institution<br />

in Dublin hat den Auftrag, die irische<br />

Bevölkerung über die Europäische Union (EU)<br />

zu informieren und mit ihr eine Europa-Debatte<br />

zu führen.<br />

Bei einem Besuch des Forums stieß Cora Pfafferott<br />

sofort auf Interesse und knüpfte erste<br />

Kontakte, bevor sie nach Berlin zurückkehrte.<br />

Als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin kam sie Anfang 2005<br />

in die irische Hauptstadt zurück, um Material<br />

für ihre Diplomarbeit zu sammeln. „Ich wollte<br />

ergründen, inwieweit das Forum tatsächlich<br />

alle gesellschaftlichen Gruppen erreicht.“ Dafür<br />

führte die Politologin Interviews, besuchte<br />

Veranstaltungen des Forums und beobachtete,<br />

wie in Irland über Europa gesprochen wird.<br />

Sie fand heraus, dass Jugendliche, Arbeiter<br />

und Frauen bei den Diskussionsveranstaltungen<br />

unterrepräsentiert sind und Europa<br />

eher ablehnend gegenüberstehen.<br />

Frauen für Europa begeistern<br />

Als Cora Pfafferott ihr Diplom in Händen hielt,<br />

war für sie längst klar, dass sie in Irland leben<br />

und arbeiten wollte: „Die Menschen sind<br />

sehr offen und interessiert, und Kontakte lassen<br />

sich leicht knüpfen.“ Mit einem One-Way-<br />

Ticket flog sie nach Dublin, mietete sich ein<br />

Zimmer und stellte sich erneut beim Forum<br />

vor – mit Erfolg: Die junge Deutsche sollte eine<br />

Strategie erarbeiten, um die Frauen besser zu<br />

erreichen und ihre Gedanken zu Europa zu<br />

erfahren.<br />

„Es ist wichtig, Frauen gezielt und an ihrem<br />

Wohnort anzusprechen, damit das ferne Europa<br />

nicht abstrakt bleibt“, erläutert Cora Pfafferott.<br />

Deshalb fuhr sie in verschiedene Städte<br />

und fragte die Frauen nach den Themen, die<br />

sie bewegen. Insgesamt fünf regionale Konferenzen<br />

organisierte sie, die Themen ähnelten<br />

sich: Armut, Beschäftigung, Frauen- und Menschenrechte,<br />

Erziehung und Bildung. „Die<br />

Menschen wissen zu wenig über die EU, die<br />

Kompetenzen und Entscheidungswege“, fasst<br />

sie ihre Arbeit der letzten Monate zusammen.<br />

Als Deutsche hatte sie durchaus Vorteile bei<br />

diesen Kontakten: „Ich bin keine irische Beamtin,<br />

habe den Blick von außen und konnte die<br />

Diskussionen neutral führen.“<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Europäische Koordinaten:<br />

Pulsierendes Dublin …<br />

Lebendige Kultur<br />

Auch Rolf Stehle erlebt ein junges, aufgeschlossenes<br />

Irland. Er ist seit einem Jahr<br />

Leiter des Goethe-Instituts in Dublin und begeistert<br />

vom kulturellen Leben dort. „Junge<br />

Leute leiten Galerien, Museen, Theater und<br />

Festivals, sie sind neugierig auf neue Strömungen<br />

in Europa“, beschreibt er die Stimmung.<br />

Der 52-Jährige ist ein Wiederholungstäter:<br />

Von 1984 bis 1987 unterrichtete er als <strong>DAAD</strong>-<br />

Lektor an der Universität in Limerick deutsche<br />

Sprache und Literatur. „Die Veränderungen<br />

in den vergangenen 20 Jahren sind enorm:<br />

Damals war Irland ein Auswanderungsland,<br />

junge Leute verließen in Scharen die Insel,<br />

und heute braucht Irland Arbeitskräfte aus<br />

dem Ausland, damit der wirtschaftliche Erfolg<br />

gesichert ist.“<br />

Rolf Stehle war bei seinen Stationen als<br />

„Kulturarbeiter“ schon mehrmals Zeuge<br />

von Umbruchsituationen. Nach dem Fall des<br />

Eisernen Vorhangs Anfang der 90er Jahre<br />

… und imposante Steilküsten am westlichen Rand der EU<br />

baute er ein neues Goethe-Institut in Bratislava<br />

mit auf und erlebte die Trennung Tschechiens<br />

und der Slowakei. Später lebte er vier<br />

Jahre als Institutsleiter in der libanesischen<br />

Hauptstadt Beirut, kurz nach den Attentaten<br />

vom 11. September 2001. Zurück in Europa<br />

erfährt er in Irland ebenfalls einen Wandel<br />

und eine Dynamik, die das kleine Land pulsieren<br />

lassen.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

„Die Romantik im „Irischen Tagebuch“ von<br />

Heinrich Böll, der Irland als Gegenentwurf zu<br />

den Aufbaujahren im Nachkriegsdeutschland<br />

skizzierte, trifft nicht mehr zu. Vielmehr geht<br />

es heute um die Spannung zwischen Modernisierung<br />

und der Bewahrung von Traditionen“,<br />

sagt der Germanist. Künstler und Intellektuelle<br />

suchen nach irischen Wurzeln und fragen<br />

nach der eigenen Mitgestaltung einer europäischen<br />

Zukunft – eine spannende Aufgabe für<br />

den Institutsleiter. Dabei gibt es viel Neues:<br />

Das Jazzfestival „12 points“ – der Titel spielt<br />

auf den seit 50 Jahren existierenden „Eurovision<br />

Song Contest“ an –, bei dem junge<br />

Gruppen aus zwölf europäischen Ländern antreten,<br />

startet in Dublin, bevor es auf die Reise<br />

durch Europa geht. Deutsche und irische<br />

Choreografen inszenieren mit gemischten<br />

Tanztheater-Ensembles. Der deutsch-irische<br />

Schriftsteller Hugo Hamilton begibt sich auf<br />

die Spuren von Heinrich Böll: Er spiegelt in<br />

seinem Buch „Die redselige Insel“ das Irlandbuch<br />

des deutschen Nobelpreisträgers und<br />

beschreibt das heutige moderne Irland.<br />

Rolf Stehle schätzt vor allem den Optimismus<br />

der Iren: „It could have been worse – das<br />

höre ich häufig. Außerdem begegnet mir eine<br />

große Neugier auf deutsche Kultur. Besonders<br />

Berlin hat es den jungen Iren angetan.“ Dabei<br />

beschränkt sich die Arbeit des Goethe-Instituts<br />

nicht mehr auf rein deutsche Kulturvermittlung.<br />

„Wir werden immer mehr zu einem<br />

europäischen Kulturinstitut und vernetzen<br />

uns mit anderen europäischen Kulturinstituten<br />

innerhalb und außerhalb Irlands.“<br />

Isabell Lisberg-Haag<br />

Foto: M. Baumann/adpic Bildagentur<br />

Arbeiten weltweit<br />

21


22 Rätsel<br />

In der deutschen Umgangssprache<br />

erhalten Adjektive oft durch Kombination<br />

mit einem Substantiv ihre besondere Anschaulichkeit.<br />

Einige Beispiele: bildschön, heilfroh, blutjung, spiegelglatt,<br />

schnurgerade.<br />

In unserem Rätsel sind die Substantive Brand, Feder,<br />

Feuer, Hauch, Kugel, Spott, Stein, Stock, Stroh, Pfeil<br />

den folgenden Adjektiven so voranzustellen, dass sinnvolle Verknüpfungen<br />

entstehen.<br />

dunkel<br />

schnell<br />

dumm<br />

reich<br />

rund<br />

rot<br />

billig<br />

zart<br />

aktuell<br />

leicht<br />

Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und zehn Trostpreise vergeben. Bei<br />

diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil,<br />

deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige<br />

Anschrift des Absenders angeben!<br />

DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />

1. Duden ­ Die deutsche Rechtschreibung. 24. Auflage (die seit 1. August 2006 gültige Rechtschreibung).<br />

Dudenverlag<br />

2. Die Blaue Blume. Traditional German Folk Songs. Von Sterndreher: CD New Earth Records<br />

3. Christiane Nüsslein­Volhard: Mein Kochbuch. Einfaches für besondere Anlässe. Insel Verlag<br />

(250 bewährte Rezepte der deutschen Nobelpreisträgerin für Physiologie oder Medizin)<br />

4. Hagen Schulze: Kleine Deutsche Geschichte. C.H. Beck Verlag<br />

Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />

Wer war’s? Professor Grübler fragt<br />

Anfang 1848 wütet eine Seuche unter den Ärmsten<br />

der Armen in Oberschlesien. Der preußische Staat ist<br />

alarmiert und schickt einen jungen Arzt in das Krisengebiet.<br />

Er soll den Ursachen der Epidemie – Fleckfieber – auf<br />

den Grund gehen. Der Bericht des Arztes fällt allerdings anders<br />

aus, als der Obrigkeit lieb ist. Der Mediziner erklärt nämlich,<br />

dass die unzureichenden hygienischen Verhältnisse, auf die<br />

er gestoßen ist, die unmittelbare Folge politischen Versagens seien.<br />

Daraufhin erfährt er so viele Anfeindungen, dass er seine Arbeitsstelle<br />

verliert.<br />

Doch der Arzt lässt sich nicht einschüchtern. Er erklärt: „Die Medizin ist<br />

eine soziale Wissenschaft, und die Politik ist nichts weiter als Medizin<br />

im Großen.“ Als in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland<br />

die Bildung von Parteien und die Teilnahme an Wahlen möglich wird, ist<br />

er führend an Reformbestrebungen beteiligt. Inzwischen zum Medizin-<br />

Professor aufgestiegen, übernimmt er eine Führungsrolle in der linksliberalen<br />

Deutschen Fortschrittspartei. Er wird Landtags- und Reichstagsabgeordneter.<br />

Einmal fühlt sich der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck<br />

so sehr von einer Äußerung des Arztes provoziert, dass er ihm eine<br />

Aufforderung zum Pistolen-Duell übermittelt. Doch der besonnene<br />

Parlamentarier lehnt diese altertümliche Form der Auseinandersetzung<br />

kategorisch ab.<br />

Der Arzt und Politiker leistet Bahnbrechendes. Er revolutioniert<br />

die Zellforschung und setzt sich erfolgreich dafür ein,<br />

dass in Berlin mehr Krankenhäuser errichtet werden. Er<br />

sorgt außerdem dafür, dass sich durch den Ausbau<br />

einer zentralen Trinkwasser-Versorgung, durch<br />

Kanalisation und staatliche Lebensmittel-<br />

Kontrollen die Lebensbedingungen der<br />

Menschen allmählich verbessern.<br />

Kurz nach seinem 80. Geburtstag stirbt<br />

er an den Folgen eines Sturzes, den er<br />

Bei richtigem Zusammenstellen der Wortpaare<br />

ergeben die Buchstaben in den besonders<br />

gekennzeichneten Feldern das Lösungswort.<br />

Dabei handelt es sich ebenfalls um eine<br />

Verbindung aus Substantiv und Adjektiv. Es<br />

drückt eine Eigenschaft aus, die wir all unseren<br />

Leserinnen und Lesern wünschen.<br />

Schreiben Sie das Lösungswort an ▼<br />

sich beim Aussteigen aus der Straßenbahn<br />

zugezogen hat.<br />

Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />

Unter den richtigen Lösungen werden<br />

fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />

ist ausgeschlossen. Bitte wählen<br />

Sie unter den links unten genannten<br />

Preisen.<br />

Senden Sie die Lösung an ▼<br />

Redaktion <strong>DAAD</strong> Letter<br />

Trio MedienService<br />

Chausseestraße 103<br />

10115 Berlin, Germany<br />

Fax: +49 30/28 09 61 97<br />

E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />

Einsendeschluss ist der 9. November 2007<br />

!<br />

Die Lösung und die Gewinner<br />

der vorigen Letter-Rätsel<br />

finden Sie auf Seite 42<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


SPRACHWERKSTATT<br />

Leben ohne Ruhm<br />

Substantive und Verben lassen sich häufig voneinander ableiten. Der Wortstamm bleibt<br />

gleich, doch die Substantive unterscheiden sich von den Verben oft entweder durch<br />

eine Vorsilbe wie Ge- (das Geschrei von schreien) oder eine neue Endung wie zum<br />

Beispiel -ung (die Hoffnung von hoffen). Manchmal fällt die Verb-Endung auch ganz<br />

weg (die Suche von suchen) oder aber das Substantiv ist sogar mit dem Verb identisch<br />

(das Bleiben von bleiben). Im folgenden Text sind aus den vorgegebenen Verben die<br />

richtigen Substantive zu bilden.<br />

„Ein wunderbares (mischen) _____ aus Sinn und Unsinn!“ nannte Johann Wolfgang<br />

von Goethe sein Theaterstück „Das Käthchen von Heilbronn“, und über die Briefe an<br />

seine (verloben) _____ Wilhelmine von Zenge urteilte Thomas Mann später, es seien<br />

„die seltsamsten Liebesbriefe der Welt“. Die (reden) _____ ist von einem Dramatiker,<br />

(erzählen) _____ und Essayisten, dessen Werke heute als (teilen) _____ der Weltliteratur<br />

gelten: Heinrich von Kleist. Der aus Frankfurt/Oder (gebären) _______ – er kam dort am<br />

18. Oktober 1877 zur Welt – hinterließ eine (dichten) _______, die sich weder der Klassik<br />

noch der Romantik zuordnen lässt. Ob „Penthesilea“, „Der zerbrochene Krug“ oder<br />

„Prinz Friedrich von Homburg“: Kleists wortgewaltige Dramen voller Ironie und Doppeldeutigkeiten<br />

sind unverändert auf den Bühnen deutscher Theater zu finden, und seine<br />

(erzählen) _____ wie „Die Marquise von O.“ oder „Michael Kohlhaas“ werden bis heute<br />

im (unterrichten) _______ an deutschen Schulen gelesen.<br />

Zeit seines (leben) _____ aber musste Kleist auf den literarischen (rühmen) _____ und<br />

die (anerkennen) _____ für seine Werke verzichten. Dies hatte Lebens- und Schaffenskrisen<br />

zur (folgen) _____ und führte zu häufigem (wechseln) _____ von Ort und Beruf. So<br />

verließ Kleist, mit 16 Jahren schon (verwaisen) _____, trotz seiner (befördern) _____ zum<br />

Leutnant 1799 das Militär. Er brach das (studieren) _____ ab und gab später auch den<br />

(dienen) _____ beim preußischen Staat auf. Seine (auseinandersetzen) ____ mit den<br />

(lehren) ____ von Kant und Rousseau führte ihn nach Paris und in die Schweiz. Kleists<br />

vorübergehender (entschließen) _____, sich dort als Bauer niederzulassen, bedeutete<br />

das (enden) _____ seiner (verloben) _____ . 1803 versuchte er vergeblich, sich durch<br />

den (eintreten) _____ in Napoleons Armee gegen England „in den Tod“ zu „stürzen“, wie<br />

er schrieb.<br />

Auf Kleists (verhaften) _____ als vermeintlicher (spionieren) _____ und die französische<br />

Gefangenschaft 1807 folgte zwar eine glücklichere Zeit in Dresden. Aber auch hier war<br />

die (herausgeben) _____ einer Kunstzeitschrift nicht von Erfolg gekrönt. Er ging nach Berlin,<br />

doch 1810 endete seine Tätigkeit als Redakteur damit, dass das (erscheinen) _____<br />

der Tageszeitung aus Gründen der (zensieren) _____ eingestellt wurde. Vereinsamt und<br />

ohne private oder berufliche Perspektive, nahm sich Kleist am 21. November 1811 auf<br />

einem Hügel vor den Toren Berlins das (leben) _____. Dort ist auch sein (begraben)<br />

______.<br />

Zur (erinnern) _____ an den 230. Geburtstag finden vom 9. bis 14. Oktober 2007 die<br />

Kleist-Festtage in Frankfurt/Oder statt. An dem Festival sind vierzehn Bühnen mit (aufführen)<br />

_____ rund um Kleist beteiligt.<br />

Christine Hardt<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

„Der zerbrochene Krug“ im<br />

Film: Emil Jannings in einer<br />

Inszenierung von 1937<br />

LÖSUNG: Gemisch; Verlobte; Rede; Erzähler;<br />

Teil; Gebürtige; Dichtung; Erzählungen;<br />

Unterricht; Lebens; Ruhm; Anerkennung;<br />

Folge; Wechsel; Waise; Beförderung; Studium;<br />

Auseinandersetzung; Dienst; Lehren; Entschluss;<br />

Ende; Verlobung; Eintritt; Verhaftung; Spion;<br />

Herausgabe; Erscheinen; Zensur; Leben; Grab;<br />

Erinnerung; Aufführungen.<br />

AUFGESPIESST<br />

Sprachecke<br />

Erinnern Sie sich?<br />

Natürlich gab es sie immer schon – aber so<br />

richtig angefangen mit den Gedenktagen hat<br />

es eigentlich erst vor ungefähr zwanzig Jahren.<br />

Seitdem erinnert man sich auf allen Kanälen<br />

und in allen Magazinen gerne an bedeutende<br />

Persönlichkeiten der Geschichte, bevorzugt an<br />

runden Geburts- oder Todestagen. Manchmal<br />

aber auch gleich ein ganzes Jahr lang: Goethe<br />

war 1999 dran, Nietzsche im Jahr 2000, Schiller<br />

dann 2005. Oder man gedenkt bedeutender<br />

historischer Ereignisse. Man erinnert sich an sie<br />

oder man gedenkt ihrer – so jedenfalls sollte es<br />

sein. Leider aber werden die schönen Verben<br />

erinnern und gedenken im alltäglichen Umgangsdeutsch<br />

immer wieder arg strapaziert, und<br />

leider fällt das inzwischen nur noch wenigen<br />

Deutschen unangenehm auf.<br />

Man erinnert einen Film, heißt es dann, oder<br />

man gedenkt dem Ende des Krieges. Beides<br />

ist falsch, und trotzdem hört man es nicht gerade<br />

selten. Eine beliebte Politikerfloskel lautet:<br />

Ich erinnere das. Oder noch öfter: Das erinnere<br />

ich so nicht. Wer entschuldigend darauf<br />

verweist, dass hier womöglich der Satzbau des<br />

Englischen ins Deutsche übernommen wurde<br />

(I don’t remember that), darf ruhig auch noch<br />

daran erinnern, dass man im Deutschen durchaus<br />

jemanden an etwas erinnern kann (Darf<br />

ich Dich daran erinnern, endlich Deine Schulden<br />

zu begleichen?). Man kann aber nie und<br />

nimmer etwas erinnern – zu einem reflexiven<br />

Verb wie erinnern gehört ein Reflexivpronomen,<br />

das sich auf das Subjekt des Satzes bezieht. Erinnern<br />

Sie sich?<br />

Und wer sich nicht nur erinnert, sondern sogar<br />

gedenkt – der braucht, man höre und staune,<br />

den angeblich im Aussterben begriffenen Genitiv.<br />

Den zweiten Fall also, um den viele Zeitgenossen<br />

einen großen Bogen machen, weil sie<br />

sich seines nicht (mehr) sicher sind. Heute gedenken<br />

wir eines bedeutenden Staatsmanns<br />

klingt aber einfach besser und würdiger als der<br />

ebenfalls korrekte, jedoch ein bisschen banale<br />

Satz: Heute denken wir an einen bedeutenden<br />

Staatsmann. Vielleicht denken Sie daran, wenn<br />

jemand mal wieder etwas erinnert oder dem<br />

Waldsterben gedenkt? Erinnern Sie sich doch<br />

einfach an<br />

23


24<br />

Trends<br />

Rückenwind für Klimaschutz<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Die Deutschen haben den Klimaschutz zu ihrem Thema gemacht: Politiker engagieren<br />

sich für die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen, Wissenschaftler<br />

forschen rund um den Klima-, Umwelt- und Energie-Komplex, und die<br />

Wirtschaft exportiert fleißig Umwelttechnologie. Kurz: Deutschland möchte<br />

Klimaschützer Nummer eins sein.<br />

Wo das Grün der Äcker niemals endet<br />

und irgendwann ins Blau der Nordsee<br />

taucht, wo akkurate Höfe von wirtschaftlicher<br />

Disziplin der Bauern künden und konservative<br />

Denkart ein Markenzeichen ist, da wächst<br />

ein avantgardistisches Unternehmen: Kunibert<br />

Ruhe und Olaf von Lehmden, Bauern<br />

a. D. und Akademiker, fertigen so erfolgreich<br />

Biogas-Anlagen, dass sie mit ihrer Firma an<br />

die Börse gehen können. Statt Massentierhal-<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: www.paul-langrock.de<br />

tung zu betreiben, wie es in ihrer Region südlich<br />

von Oldenburg Tradition ist, entdeckten<br />

sie das Energiepotential der Gülle, die Rüben-<br />

und Mais-Silage gären lässt und letztlich klimaschonend<br />

Strom erzeugt. Zurzeit errichten<br />

sie in Mecklenburg-Vorpommern den wohl<br />

weltweit größten „Biogas-Park“.<br />

Ähnliche Erfolgsgeschichten schreiben auch<br />

viele andere rührige Geister, die vom politisch<br />

propagierten Aufbruch ins „saubere“ Energie-<br />

Titel<br />

Trends<br />

Zeitalter profitieren. Sie scheinen Deutschland<br />

in ein Freiland-Labor für alternative Stromgewinnung<br />

zu verwandeln, in dem grundlagen-<br />

und anwendungsorientierte Forscher innovativen<br />

Entwicklungen den Weg bereiten.<br />

Das gilt auch für die Windkraft. Windräder<br />

zeichnen heute das norddeutsche Landschaftsbild,<br />

und bald wird 35 Kilometer vor der Insel<br />

Rügen im tiefen Wasser auch ein Offshore-<br />

Windpark stehen. Kein anderes Land erzeugt<br />

so viel Strom aus Wind wie Deutschland, das<br />

bislang ein Fünftel des Weltmarkts für Windkrafttechnologie<br />

besitzt.<br />

Im Süden der Republik wiederum expandiert<br />

die Stromgewinnung durch Sonnenenergie.<br />

Und auch da wird heftig in Forschung<br />

investiert. 60 Millionen Euro „spendiert“<br />

Bundesforschungsministerin Annette Schavan<br />

in den nächsten fünf Jahren allein für<br />

die Initiative für organische Photovoltaik, die<br />

Sonnenenergie in Strom umwandelt. Die Liste<br />

der Beteiligten liest sich wie das Who-is-who<br />

der deutschen Wirtschaft, die weitere 300<br />

Millionen Euro in das Projekt investieren will.<br />

Denn Sonnenenergie hat Zukunft. Eicke Weber,<br />

Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare<br />

Energiesysteme (ISE), prognostiziert, dass im<br />

Jahr 2050 mit Sonne ein Viertel des globalen<br />

Energiebedarfs gedeckt werden kann.<br />

„Goldgräberstimmung“ auch bei Erdwärme,<br />

dem unerschöpflichen Reservoir an Energie,<br />

die besonders wirtschaftlich zu verwerten<br />

ist, wenn sie in geringen Tiefen schlummert.<br />

So in der oberrheinischen Tiefebene: Im elsässischen<br />

Soultz-sous-Fôrets startete in den<br />

1990er Jahren ein europäisches Forschungsprojekt<br />

zu Geothermie. Und hier entstehen<br />

heute auf deutscher Seite weitere Erdwärme-<br />

Kraftwerke.<br />

Drohung Klimakollaps<br />

Hinter den Erfolgsgeschichten stecken, wie so<br />

oft, alarmierende Signale, vor allem die Warnungen<br />

des UN-Wissenschaftsrats (Intergovernmental<br />

Panel on Climate Change, IPCC)<br />

vor dem Klimakollaps sowie die gleichzeitige<br />

Verknappung und Verteuerung von Erdöl und<br />

Gas.<br />

Noch sind Öl, Gas und Steinkohle die wesentlichen<br />

Energieträger weltweit, sie sind jedoch<br />

auch Klimakiller. Denn fossile Brennstoffe<br />

produzieren Kohlendioxid – jenes langlebige<br />

Treibhausgas, das, ebenso wie Methan, die<br />

Atmosphäre aufheizt und extreme Wetterlagen<br />

wie Hitze, Stürme, Überschwemmungen<br />

fördert. Klimaerwärmung und Energieversorgung<br />

gehören so zum selben Komplex, und<br />

der belebt auch die politische Willensbildung.<br />

Selbst auf der kommunalen, bürgernahen<br />

Ebene werden allenthalben Klimathemen<br />

25


26<br />

Foto: Rainer Weisflog<br />

Trends<br />

Foto: pixelio.de<br />

Ungebremste Fahrlust:<br />

Noch sind die wenigsten<br />

Autos umweltfreundlich<br />

ABSTRACT<br />

Climate Protection Gaining Momentum<br />

Climate protection has become the number one<br />

topic in Germany. Politicians are committed to<br />

reducing greenhouse gas emissions, scientists<br />

are researching all aspects of the climate-environment-energy<br />

complex, and industry is busily<br />

exporting environmental technology. More than<br />

80 percent of Germans are in favor of a “reorientation<br />

toward alternative energy sources with<br />

lower carbon dioxide emissions”, according to<br />

a survey conducted by the polling firm EMNID.<br />

A lot of people are hoping that geothermal<br />

power, solar energy, wind and water power,<br />

wood-pellet and biomass heating will triumph.<br />

Both as president of the European Council<br />

and at the G8 summit in Heiligendamm,<br />

Chancellor Angela Merkel has set ambitious<br />

goals for climate protection. In her<br />

own country, she has called for a 40-percent<br />

reduction of CO2 emissions by 2020, putting<br />

Germany at the forefront in CO2 reduction.<br />

Alternative energy technologies are subsidized<br />

and have been an important economic factor<br />

for quite some time already. Today, Germany<br />

accounts for one-fifth of the world market in<br />

wind power technology. Moreover, protection<br />

of the climate is a driving force for research.<br />

The Federal Ministry of Education and Research<br />

has earmarked some 1.2 million euro<br />

for projects related to the climate in the current<br />

legislative period. The European Union is<br />

keeping pace; in addition to numerous other<br />

projects, the EU is providing 309 million euro<br />

to fund the new European Technology Institute<br />

(EIT) which will carry out top-level research in<br />

fields such as climate, energy and environment.<br />

Energie aus Gülle und Getreide:<br />

Biogasanlage in Brandenburg<br />

diskutiert und Initiativen für Windräder, Biogasanlagen<br />

oder andere Umweltvorhaben gegründet.<br />

Denn das „Energieeinspeisegesetz“,<br />

das ins Stromnetz eingeleitete Kilowattstunden<br />

aus erneuerbaren Energien in Bargeld<br />

verwandelt, sprich subventioniert, macht<br />

Klimaschutz auch lukrativ. Und alternative<br />

Energietechniken schaffen zunehmend Arbeitsplätze<br />

– was ihren guten Ruf erheblich<br />

steigert.<br />

Seit Veröffentlichung des IPCC-Reports im<br />

Februar 2007 jedenfalls kann der Klimadebatte<br />

hierzulande niemand mehr entgehen.<br />

Schon gar nicht angesichts der durch die Medien<br />

geisternden Bilder von wollig weichen<br />

Eisbären auf Eisschollen, die immer kleiner<br />

werden, weil die Arktis taut. Kontrovers diskutiert<br />

wird meist nur der anthropogene, also<br />

der vom Menschen bewirkte Anteil am Klimawandel.<br />

Alternative Energien erwünscht<br />

„Hysterie“ nennen einige Kritiker das zunehmend<br />

schlechte Umweltgewissen der<br />

Deutschen und verweisen darauf, dass die<br />

Forschung den von Menschen verantworteten<br />

Prozentsatz am Klimawandel bisher nicht<br />

definitiv beziffern kann. Sie wettern gegen<br />

die „Verspargelung der Landschaft“ durch<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Foto: picture-alliance/dpa Foto: Paul Langrock/Zenit/laif<br />

Unterirdische Entsorgung:<br />

Anlage zur Speicherung von Kohlendioxid<br />

in Ketzin bei Potsdam<br />

Blickpunkt Klima in Forschung und Lehre<br />

Basis der Klimaforschung sind globale Modelle. Forscher des Max-Planck-<br />

Instituts für Meteorologie in Hamburg haben die Klimaentwicklung von 1860<br />

bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf Grund von Einflussfaktoren wie etwa<br />

Treibhausgasen simuliert und mit einem Temperaturanstieg von bis zu vier<br />

Grad Celsius bis 2100 ein Erwärmungstempo ohne erdgeschichtliche Parallelen<br />

aufgezeigt.<br />

Am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie entwickelten Forscher ein<br />

Modell, das die Kosten-, Forschungs- und politischen Aufwendungen darstellt,<br />

die für das vorgegebene Klimaziel erforderlich sind – bei Einsatz unterschiedlicher<br />

Energieträger.<br />

An der Fundierung dieser Modelle arbeiten deutsche Wissenschaftler unter<br />

anderem im Rahmen des europäischen Projekts EPICA zur Klimageschichte<br />

(European Project for Ice Coring in Antarctica): Mit bis zu 800 Meter tiefer<br />

„Kernbohrung“ rekonstruieren sie den klimatischen Wandel über 500 000<br />

Jahre.<br />

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung an der<br />

Humboldt-Universität Berlin berechneten die wirtschaftlichen Auswirkungen<br />

und stellten fest, dass Deutschland künftig drei Prozent seines Bruttosozialprodukts<br />

zur Behebung von Klimaschäden aufwenden muss. Der Wissenschaftliche<br />

Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Windräder, die aus ihrer Sicht zu wenig effizient<br />

produzieren. Oder sie werten Biogasanlagen<br />

ab, weil sie Monokulturen förderten.<br />

Andere Kritiker denunzieren die ausgeprägte<br />

Sorge um Klima und Umwelt als jenen deutschen<br />

Geist der Frühromantik, der die „erhabene<br />

Natur“ irrational mystifiziere.<br />

Die Mehrheit der Bevölkerung aber hält<br />

Handeln für opportun. Schließlich könne sich<br />

ein dicht besiedelter, rohstoffarmer und energiehungriger<br />

Industriestaat wie Deutschland<br />

weder ökologische Störungen noch einseitige<br />

Abhängigkeiten von wenigen Ressourcen-Lieferanten<br />

leisten, so die Mehrheitsmeinung.<br />

Über 80 Prozent der Deutschen favorisieren<br />

denn auch die „Umorientierung auf alternative<br />

Energieträger mit weniger Kohlendioxid-<br />

Emissionen“, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts<br />

EMNID zeigt. Sie hoffen<br />

auf den Siegeszug von Erdwärme und Solar-<br />

Titel<br />

Trends<br />

energie, Wind- und Wasserkraft, Holzpellet-<br />

oder Biomasse-Heizung.<br />

Zehn Millionen Umweltbewusste sind außerdem<br />

in der „Klima-Allianz“ aktiv, einem<br />

lockeren Bündnis von Kirchen, Umwelt- und<br />

Entwicklungsorganisationen, die Politiker<br />

zum Handeln treiben wollen. Fest stehen die<br />

Deutschen hinter dem Kyoto-Abkommen –<br />

auch wenn nur wenige wissen, dass die 1997<br />

in Japan von der Europäischen Union (EU)<br />

versprochene Acht-Prozent-Reduktion des<br />

Ausstoßes an Treibhausgasen bis 2012 kaum<br />

eingehalten werden kann.<br />

Politischer Aufbruch<br />

Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel macht<br />

Druck. Ökonomie und Ökologie sieht sie nicht<br />

mehr als Gegensätze, sondern als Gespann<br />

in die Zukunft. Das prägt die Ziele, die sich<br />

die EU unter Merkels Ratspräsidentschaft im<br />

Chefsache: Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

machte beim G8-Gipfel den Klimaschutz<br />

zum Thema<br />

thematisiert soziale und politische Weiterungen: Wassermangel, Ernterückgänge<br />

oder extreme Stürme in einigen Weltregionen führen zu Unruhen und<br />

Migrationsströmen.<br />

Der Klimawandel beschäftigt auch die Sozialwissenschaften. So fördert das<br />

Wissenschaftszentrum Berlin mit seinem Projekt „Integriertes Küstenzonen-<br />

Management“ den Dialog möglichst vieler Akteure und Interessengruppen,<br />

der zu Lösungen konflikthafter ökologischer, ökonomischer und sozialer<br />

Vorstellungen führen soll. Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung<br />

schließlich arbeiten daran, dass die Nachhaltigkeits-Vision<br />

überhaupt Wirklichkeit werden kann.<br />

Auf der technischen „Lösungsebene“ ist die Forschungsvielfalt in Deutschland<br />

enorm – vor allem zu Klimaneutralen Energiesystemen mit Sonnen-, Windoder<br />

Biomasse-Energie. Gleichzeitig sind Klima und Umweltschutz auch Themen<br />

von Studiengängen an deutschen Hochschulen.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt fördert der <strong>DAAD</strong> Postgraduierte aus Entwicklungsländern<br />

an deutschen Hochschulen. Er vergibt Stipendien für<br />

Aufbaustudiengänge mit Entwicklungsländer-Bezug, darunter etliche mit<br />

umweltwissenschaftlicher Thematik. Zum Beispiel: „Renewable Energy“ an<br />

der Universität Oldenburg, „Sustainable Energy Systems and Management“<br />

an der Universiät Flensburg oder „Tropical Forestry and Management“ an der<br />

Technischen Universität Dresden.(Informationen: www.daad.de/en/download/<br />

development/Postgraduate_Courses_2008-09.pdf) Ruth Kuntz-Brunner, Llo<br />

27


28<br />

Abb.: Autodesk/Marine Current Turbines<br />

Foto: Joerg Lantelme<br />

Trends<br />

Klimaschonende Techniken: Strom gewinnen<br />

aus der Energie der Meeresströmung (oben)<br />

und per Solardach<br />

ersten Halbjahr 2007 setzte: Bis 2020 soll der<br />

Ausstoß an Treibhausgasen, gemessen am Jahr<br />

1990, um mindestens 20 Prozent reduziert<br />

werden, bis 2050 um mindestens 60 Prozent.<br />

Von Deutschland erwartet die Kanzlerin noch<br />

mehr: Der CO2-Ausstoß soll bis 2020 um 40<br />

Prozent sinken – ohne die von der EU zugeteilten<br />

Emissionszertifikate als „Ablasshandel“<br />

einzusetzen. Auf dem diesjährigen G8-Gipfel<br />

in Heiligendamm an der deutschen Ostsee<br />

konnte die Kanzlerin selbst US-Präsident<br />

George W. Bush, der das Kyoto-Abkommen<br />

nicht unterschrieben hat, einige Zugeständnisse<br />

zum Klimaschutz abringen.<br />

Auch gegen deutsche Konzern- und Verbandschefs<br />

verteidigte Merkel auf einem innerdeutschen<br />

„Gipfel“ Anfang Juli erfolgreich ihr<br />

Energiekonzept. Die Kernpunkte: Energie sparen,<br />

Energie effizienter nutzen, erneuerbare<br />

Energien einsetzen. Von der Industrie verlangt<br />

das Energiepaket faktisch Wachstum mit weniger<br />

Energieverbrauch. Bei der vorgegebenen<br />

„Messlatte auf Weltrekordniveau“, wie Jürgen<br />

Thumann, Präsident des Bundesverbands der<br />

Deutschen Industrie, urteilt, sind die Verbraucher<br />

ebenfalls gefordert: Ihr Anteil erschöpft<br />

sich künftig nicht allein im Kauf von Energiesparlampen;<br />

effiziente Heizsysteme oder Isolierung<br />

ihrer Häuser müssen folgen.<br />

Ohne „dritte industrielle Revolution“, wie<br />

sie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in<br />

Anlehnung an den ehemaligen französischen<br />

Präsidenten Jacques Chirac fordert, ist die<br />

Wende im Klimaschutz nicht zu machen. Und<br />

die bedingt eine „massive Steigerung der Energieforschung“.<br />

Forschungsmotor Klima<br />

In der Wissenschaft hat diese Revolution freilich<br />

schon begonnen – zumal sie sich auch<br />

lohnt. So gibt das Bundesforschungsministerium<br />

für Projekte zu Klima, Energie und<br />

Ressourcen-Effizienz in der laufenden Legislaturperiode<br />

rund 1,2 Milliarden Euro. Davon<br />

erhielten Spitzenvertreter aus Wissenschaft<br />

und Wirtschaft auf einem „Klimaforschungsgipfel“<br />

im Mai dieses Jahres 255 Millionen<br />

Euro. Denn umweltschonende Technologie<br />

soll auch in Zukunft ein Wirtschaftsfaktor<br />

deutscher Machart bleiben.<br />

Die EU hält fleißig mit. Von den 54,4 Milliarden<br />

Euro, die EU-Forschungskommissar Janez<br />

Potočnik letztlich für das 7. Forschungsrahmenprogramm<br />

bekam, stehen mehrere Milliarden<br />

direkt oder indirekt für Klimaschutz bereit.<br />

Neben dieser „Breitenforschung“ soll das<br />

neue Europäische Technologie-Institut (EIT)<br />

– ein Netzwerk von Top-Forschungseinrich-<br />

tungen – im Bereich Klima/Energie/Umwelt<br />

gezielt Spitzenforschung betreiben. In der ersten<br />

Ausbauphase soll das EIT 309 Millionen<br />

Euro erhalten.<br />

Der Klimaforschungs-Treck allerdings ist<br />

längst unterwegs. Wissenschaftler erstellen<br />

Modelle, auf deren Plattform Szenarien entworfen<br />

werden, wohin das Weltklima steuert.<br />

Und sie münzen die apokalyptische Terminologie<br />

auch in rationale Forschung um, die –<br />

zumindest längerfristig – Lösungswege zeigt.<br />

So versuchen sie, die „schmutzige“, aber heimische<br />

Kohlekraft zu säubern, indem sie das<br />

emittierte CO2 trennen und „entsorgen“. Mitte<br />

dieses Jahres ist dazu im brandenburgischen<br />

Ketzin die erste europäische Testanlage zur<br />

Speicherung von Kohlendioxid eröffnet worden.<br />

Auch die „klimaneutrale“, aber risikobehaftete<br />

und daher wenig populäre Atomkraft<br />

wird – obwohl die Regierungskoalition aus<br />

dieser Energiequelle aussteigen will – weiter<br />

erforscht.<br />

„Blinder Fleck“<br />

Auf europäischer Ebene beteiligen sich deutsche<br />

Wissenschaftler beispielsweise an der<br />

Entwicklung eines Kernfusionsreaktors, der<br />

irgendwann die ultimative Lösung aller Energieprobleme<br />

liefern könnte. Denn kontrollierte<br />

Kernfusion ist der Sonne abgeschaut<br />

und ebenso nachhaltig. Der Grundbrennstoff<br />

Deuterium, ein Wasserstoffisotop, ist im Wasser<br />

enthalten, und die zweite Komponente,<br />

Tritium, wird im Reaktor aus dem ebenfalls<br />

reichlich verfügbaren Lithium erzeugt. Diese<br />

Energieproduktion verschmutzt die Umwelt<br />

nicht, löst keine risikobehaftete Kettenreaktion<br />

aus, und die Reaktorabfälle sind nach hundert<br />

Jahren quasi nicht mehr radioaktiv und<br />

wiederverwertbar.<br />

Deutsche Wissenschaftler loten aber auch<br />

kurzfristige Lösungen aus, wie das Potenzial<br />

von Brennstoffzellen, die, wenn sie mit Wasserstoff<br />

arbeiten, ein vielversprechender Weg<br />

für den Fahrzeugantrieb sind. Doch ausgerechnet<br />

die wichtigste deutsche Industrie, die<br />

Autoindustrie, gibt wenig Fahrt in Richtung<br />

Sparmobil. Während japanische Hybridvehikel<br />

den US-Markt erobern, bremst die Autolobby<br />

in der EU partiell den Fortschritt aus.<br />

Auch in der Bevölkerung endet das Bewusstsein<br />

für den Klimaschutz allzu oft beim Auto.<br />

So „verfährt“ jeder, der darf, jährlich bis zu tausend<br />

Liter Benzin, und viele fordern weiterhin<br />

auf deutschen Autobahnen die umweltschädliche<br />

„freie Fahrt ohne Tempolimit“. Auch das<br />

Musterland Deutschland hat im Klimaschutz<br />

seine „blinden Flecken“. Ruth Kuntz-Brunner<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Bekenntnis zur Vielfalt<br />

Wie international sind die Geisteswissenschaften?<br />

Mehr Internationalität in Forschung und<br />

Lehre forderten Geisteswissenschaftler bei<br />

einem Kongress des <strong>DAAD</strong> und der Freien<br />

Universität in Berlin.<br />

Kann man einem Japaner, der als Sinologe<br />

über die deutsch-chinesischen Beziehungen<br />

promoviert, noch etwas Neues erzählen<br />

über die Internationalität der Wissenschaft?<br />

Doch, man kann. 300 Vertreter geisteswissenschaftlicher<br />

Disziplinen waren auf<br />

Einladung des <strong>DAAD</strong> und der Freien Universität<br />

(FU) Berlin Anfang Juni zu dem Kongress<br />

„Internationalität der Geisteswissenschaften<br />

in einer globalisierten Welt“ nach Berlin gekommen.<br />

Und die Besucher waren nicht wenig<br />

erstaunt über die hier ausgebreitete Fülle von<br />

Erfahrungen, Initiativen und Plänen rund um<br />

die Internationalisierung ihrer Fachgebiete.<br />

Der Kongress war der Beitrag des <strong>DAAD</strong> zum<br />

„Jahr der Geisteswissenschaften“, einer Initiative<br />

des Bundesbildungsministeriums (Letter<br />

berichtete in Heft 1/2007). Die deutschen Geisteswissenschaften<br />

fühlen sich unterschätzt,<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Im Henry-Ford-Bau<br />

der Freien Universität Berlin<br />

sind zweifellos unterfinanziert und suchen<br />

gezielt neue Wege, ihre Bedeutung öffentlich<br />

bekannt zu machen. Ihr Renommee im internationalen<br />

Kontext wurde in Berlin nicht bezweifelt<br />

– auch wenn noch viel zu tun bleibt.<br />

„Kaum ein Land leistet sich so viel Aufwand<br />

für geisteswissenschaftliche Einrichtungen<br />

mit internationalen Bezügen wie Deutschland“,<br />

sagte der Historiker Ulrich Herbert.<br />

Da würde ihm Fridah Kanana Erastus aus<br />

Kenia zustimmen. Die Linguistin promoviert<br />

über einen Vergleich der kenianischen Sprachen<br />

Meru, Tharaka und Chuka. „Bei mir zu<br />

Hause an der Kenyatta University gibt es dazu<br />

keine Bücher“, erzählt sie. „Aber in der Afrikanistik<br />

in Frankfurt habe ich nicht nur mehr als<br />

genug Forschungsliteratur gefunden, sondern<br />

ich kann dort auch noch Suaheli und Haussa<br />

lernen.“<br />

„Global village“<br />

Die Afrikanerin war eine von rund 150 ausländischen<br />

Doktoranden, die zu dem Kongress<br />

geladen waren. Sie forschen zurzeit mit<br />

<strong>DAAD</strong> 29<br />

ABSTRACT<br />

Committed to Diversity<br />

At a conference jointly organized by the<br />

<strong>DAAD</strong> and Freie Universität Berlin, humanists<br />

called for a more international approach<br />

in research and education. This conference<br />

was the <strong>DAAD</strong>‘s contribution to the Year of<br />

the Humanities 2007, declared by Germany‘s<br />

Federal Ministry of Research and Education.<br />

The humanities in Germany have been<br />

feeling undervalued, and they are certainly<br />

under-financed. Thus the search is on for<br />

ways to acquaint the general public with<br />

the significance of this important field.<br />

There was no doubt at the Berlin conference<br />

with regard to the international reputation<br />

of humanities in Germany, but there is still<br />

a lot to be done. Globalization is opening up<br />

doors to new areas of research that in many<br />

cases cannot be adequately addressed except<br />

in international cooperation. According to<br />

Ansgar Nünning, cultural scientist in Gießen,<br />

this necessitates reflection on the different<br />

national scientific traditions, which in turn<br />

become themselves a topic of research. All were<br />

agreed that implementing an international<br />

approach means maintaining diversity.<br />

A lack of international standards was noted<br />

by conference participants, particularly in the<br />

realm of education. <strong>DAAD</strong> president Theodor<br />

Berchem pointed to the state-run “Excellence<br />

Initiative” promoting research, and called for<br />

similar measures to be introduced in education.<br />

International programs provide models<br />

for developing programs for promoting young<br />

educators. Conference organizers invited 150<br />

doctoral candidates from overseas currently<br />

in Germany on <strong>DAAD</strong> scholarships, who plan<br />

to discuss direct experiences relating to this<br />

topic at their own conference this autumn.<br />

Foto: Reiner Zensen


30<br />

<strong>DAAD</strong><br />

<strong>DAAD</strong>-Förderung an deutschen Hochschulen,<br />

und Internationalität ist für sie der ganz<br />

normale Alltag. Der Australier Samuel Peter<br />

Koehne fühlt sich in der „Gemeinschaft der<br />

Geisteswissenschaftler“ wie in einem „global<br />

village“. Der Historiker verfolgt den Weg der<br />

Tempel-Gesellschaft von Deutschland über<br />

Palästina nach Australien, wohin die kleine<br />

religiöse Gemeinschaft 1941 deportiert wurde.<br />

Koehnes Interesse am Schicksal dieser<br />

Christen in der Nazizeit führte ihn nach Stuttgart,<br />

wo die Templer gegründet wurden und<br />

Internationalität mit<br />

inbegriffen: Doktoranden<br />

Samuel Koehne …<br />

Kap-Hyun Park<br />

wo er nicht nur die Archive nutzt, sondern<br />

auch in die schwäbische Mentalität und Sprache<br />

eintaucht.<br />

Mentalität und Sprache beschäftigen auch<br />

den Koreaner Kap-Hyun Park, der an der Universität<br />

Duisburg-Essen über den Philosophen<br />

Kant und den Begriff des Erhabenen forscht.<br />

Internationalität bedeutet für den Philosophen<br />

vor allem, Unterschiede erkennen zu können.<br />

Das „Erhabene“ habe in Korea eine ganz andere<br />

Bedeutung als in Deutschland oder in<br />

Frankreich, wo der Begriff in den 80er Jahren<br />

heftig diskutiert wurde. Der Globetrotter in<br />

Sachen Philosophie plant deshalb auch einen<br />

Forschungsaufenthalt in Frankreich.<br />

Gemeinsam forschen<br />

Schon immer haben Geisteswissenschaftler<br />

Grenzen überschritten, nationale ebenso wie<br />

die ihres Faches. Die Globalisierung schafft jedoch<br />

neue Arbeitsfelder, glaubt der Münchner<br />

Theologe Friedrich Wilhelm Graf und verweist<br />

auf den rasant gestiegenen wissenschaftlichen<br />

Deutungsbedarf angesichts der globalen Entwicklung<br />

der Religionen. <strong>Dass</strong> solche Themen<br />

auch internationale Forschungskooperationen<br />

verlangen, meint der Gießener Literatur- und<br />

Kulturwissenschaftler Ansgar Nünning. Doch<br />

hier gibt es noch jede Menge Lernbedarf.<br />

Nünning berichtet von einem Treffen europäischer<br />

Forscher aus 25 Ländern, die darüber<br />

diskutierten, wie aus der Vielzahl europäischer<br />

Literaturgeschichten eine Geschichte<br />

der europäischen Literatur entstehen könne.<br />

Nünning: „Die Wissenschaftler sprachen mit<br />

Motomu Koike<br />

René Dietrich<br />

ganz verschiedenen Stimmen – es war ein<br />

Babel-Erlebnis“. Die Differenzen beginnen<br />

schon bei der nationalspezifischen Praxis der<br />

Literaturgeschichtsschreibung: Während man<br />

in England die großen Autoren in den Mittelpunkt<br />

stellt, orientiert man sich in Deutschland<br />

an Strömungen in der Literatur. Ganz zu<br />

schweigen von den gravierenden Unterschieden<br />

in den historischen Erfahrungen.<br />

Eine europäische Literaturgeschichte müsste<br />

nach Nünnings Ansicht genau dies widerspiegeln<br />

und ein Bekenntnis zur kulturellen Viel-<br />

falt ablegen. Dazu sei allerdings eine Reflexion<br />

der spezifischen Wissenschaftstraditionen<br />

notwendig, die damit selbst zum Forschungsgegenstand<br />

würden. Nur so könnten sich neue<br />

internationale Forschungsansätze und Konzepte<br />

der Zusammenarbeit herausbilden.<br />

Neue Standards in der Lehre<br />

Nünning praktiziert vor diesem Hintergrund<br />

internationale Kooperation in der Lehre. Damit<br />

fand er bei seinen Kollegen offene Ohren,<br />

wurden doch der Lehre in den Geisteswissenschaften<br />

die größten Defizite bescheinigt.<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor Berchem verwies auf<br />

die Exzellenzinitiative, mit der die Forschung<br />

durch öffentliche Gelder gefördert wird, und<br />

verlangte „vergleichbare Maßnahmen für die<br />

Lehre, um den eigenen wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs nachhaltig zu fördern“. Allgemein<br />

beklagt wurde ein Mangel an internationalen<br />

Fridah Kanana Erastus<br />

Standards in der Lehre an deutschen Hochschulen.<br />

Von solchem Mangel freilich wollte der Sinologe<br />

und <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Motomu Koike<br />

nichts wissen. Er forscht über die deutschchinesischen<br />

Beziehungen am Anfang des<br />

vorigen Jahrhunderts und schätzt nicht nur<br />

die deutschen Archive, sondern auch das Doktorandenkolloquium<br />

an der Freien Universität<br />

Berlin, wo er der einzige Japaner unter lauter<br />

chinesischen und deutschen Sinologen ist.<br />

Hier, so berichtet er, diskutiere er keineswegs<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Fotos: Reiner Zensen


„Sokrates Wall“ – Foto von Hakan Temucin,<br />

Türkei, aus dem Wettbewerb „Die Macht der<br />

Sprache im Bild“ des Goethe-Instituts<br />

nur mit Philologen über Forschungsthemen<br />

zu China, sondern auch mit Wirtschaftswissenschaftlern<br />

und Politologen.<br />

Ähnliche Erfahrungen macht der deutsche<br />

Literaturwissenschaftler René Dietrich, der an<br />

der Universität Gießen über amerikanische<br />

Lyrik promoviert. Das vom <strong>DAAD</strong> geförderte<br />

Internationale Promotionsprogramm (IPP)<br />

„Literatur- und Kulturwissenschaft“ bietet<br />

ihm neben intensiver Betreuung auch ein<br />

internationales Umfeld. Angesiedelt ist das<br />

IPP in dem von Ansgar Nünning gegründeten<br />

Graduiertenzentrum Kulturwissenschaften.<br />

Hier promovieren junge Wissenschaftler aus<br />

28 Ländern, Gastdozenten aus aller Welt unterstützen<br />

die Lehre. Die Gießener Initiative<br />

wird jetzt unter dem Dach eines „International<br />

Graduate Centre“ im Rahmen der Exzellenzinitiative<br />

gefördert.<br />

Die Krise der geisteswissenschaftlichen Lehre<br />

ist für den Historiker Christoph Anz allerdings<br />

erst dann behoben, wenn die Studierenden<br />

auch auf Berufsleben und Arbeitsmarkt<br />

vorbereitet werden. Der frühere Max-Planck-<br />

Forscher, der seit kurzem im zentralen Personalwesen<br />

der BMW Group in München die<br />

Bildungspolitik des Auto-Konzerns verantwortet,<br />

empfiehlt als Vorbild England, wo Geisteswissenschaftler<br />

über das Fachwissen hinaus<br />

Schlüsselqualifikationen für die unternehmerische<br />

Praxis erwerben. „Die Unternehmen<br />

erwarten keine punktgenaue Ausbildung“, erklärt<br />

Anz, „aber sie suchen Persönlichkeiten.“<br />

Positive Fremderfahrung<br />

Ob es um die Mobilität der europäischen<br />

Studierenden durch den so genannten Bolognaprozess<br />

ging, um die Frage einer Lingua<br />

franca im Wissenschaftsbetrieb oder die Rettung<br />

der „Kleinen Fächer“, die von Haus aus<br />

höchste interkulturelle Kompetenz vermitteln:<br />

Den Befürwortern der Internationalisierung<br />

ging es nicht um Vereinheitlichung, sondern<br />

um die Bewahrung von Vielfalt. Internationalität<br />

soll auch weiterhin in Fremd- und Lernerfahrung<br />

münden, wie es der Historiker Paul<br />

Nolte formulierte.<br />

Damit die zahlreichen Appelle zur Internationalisierung<br />

nicht verhallen, kündigten die<br />

ausländischen Doktoranden, die diesmal nur<br />

im Publikum saßen, für den Herbst eine eigene<br />

Tagung an. Dann wollen sie ihre Erfahrungen<br />

als internationale Geisteswissenschaftler in<br />

den Mittelpunkt der Diskussionen stellen.<br />

Leonie Loreck<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: Hakan Temucin<br />

Die Tagung war Teil des mehrtägigen<br />

Events „Die Macht der Sprache“, mit dem<br />

das Goethe-Institut Mitte Juni zahlreiche Besucher<br />

in die Berliner Akademie der Künste<br />

am Pariser Platz lockte (siehe auch Seite 8).<br />

Es ging dabei um verschiedenste Aspekte der<br />

deutschen und internationalen Sprachenpolitik.<br />

Den Kongressbeitrag „Wissenschaft ist<br />

mehrsprachig“ organisierte der <strong>DAAD</strong> gemeinsam<br />

mit dem von mehreren Professoren<br />

neu gegründeten „Arbeitskreis Deutsch als<br />

Wissenschaftssprache e.V.“ (ADAWIS).<br />

Das Thema Sprache liege im Trend, stellte<br />

Werner Roggausch vom <strong>DAAD</strong> bei der Begrüßung<br />

der Gäste fest: Vom Streit um die Rolle<br />

der Sprachen in der Europäischen Union über<br />

die deutsche Rechtschreibreform bis hin zur<br />

Bedeutung der deutschen Sprache für die Integration<br />

von Migranten – Sprachenpolitik ist<br />

ein Dauerbrenner. Ist die Wissenschaftssprache<br />

da eher ein Randthema? Keineswegs, wie<br />

sich in Berlin herausstellte.<br />

Niveauverlust befürchtet<br />

Die meisten Teilnehmer waren sich einig:<br />

Die Mehrsprachigkeit von Wissenschaft ist<br />

das Ideal – aber eben ein höchst gefährdetes<br />

Ideal, das es heute vehement zu verteidigen<br />

gilt. Zwar hielt man angesichts der Globalisierung<br />

die Kompetenz von Wissenschaftlern in<br />

der englischen Sprache für unbestritten notwendig.<br />

Doch der frühere sächsische Wissen-<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Kreativ nur in der Muttersprache<br />

„Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />

Diese These diskutierten Wissenschaftler und Sprachinteressierte bei einem Symposium<br />

des <strong>DAAD</strong> in Berlin. Sie erteilten dem Englischen als alleiniger Sprache in der Wissenschaft<br />

eine Absage und fanden dafür viele Gründe.<br />

schaftsminister Hans Joachim Meyer gab zu<br />

bedenken: „Was heute in steigendem Maße<br />

an unseren Universitäten praktiziert wird, ist<br />

der Versuch, einen Studien- und Forschungsaufenthalt<br />

in einem englischsprachigen Land<br />

in Deutschland zu simulieren.“ Für die deutschen<br />

Studierenden sei dies aber – so Meyer<br />

– „zumindest für den Zeitraum von mehr als<br />

einer Generation“ mit der Gefahr eines Niveauverlusts<br />

verbunden. Dies schade dem<br />

wissenschaftlichen Rang Deutschlands.<br />

Meyer sprach den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftlern<br />

aus dem Herzen, als er es<br />

„lächerlich“ nannte, wenn „in Deutschland von<br />

deutschen Wissenschaftlern vor einem überwiegend<br />

deutschen Publikum über deutsche<br />

Themen der deutschen Geschichte und Gesellschaft<br />

Vorträge und Diskussionen in Englisch<br />

gehalten werden.“ Er warnte davor, dass in der<br />

Forschung „mit den englischen Begriffen auch<br />

deren semantischer Gehalt und deren kulturelle<br />

Aufladung“ übernommen werde und<br />

dadurch die zu erforschende Wirklichkeit des<br />

eigenen Landes „nur noch als Materialsammlung<br />

und Illustrationsquelle“ fungiere.<br />

Fern von Gesellschaft<br />

Mit ihrer Kritik standen die Geisteswissenschaftler<br />

keineswegs allein da. Überraschend<br />

ablehnend äußerte sich auch der Münchner<br />

Biomedizin-Professor und Immunologe Ralph<br />

Mocikat über Englisch als Lingua franca in<br />

31


32<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Foto: Babak Saed, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2007<br />

den Naturwissenschaften. Mocikat, der auch<br />

Mitbegründer von ADAWIS ist, warnt aus<br />

mehreren Gründen vor dem – in seinem Fach<br />

bereits üblichen – ausschließlichen Gebrauch<br />

des Englischen, sei es bei Publikationen, nationalen<br />

Tagungen oder sogar im internen Laborgespräch.<br />

Er registriert nicht nur, dass sich die deutschen<br />

Kollegen in Englisch häufig weniger gut<br />

und facettenreich ausdrücken können als in<br />

ABSTRACT<br />

Creativity rooted in native language<br />

“Science is multilingual”: Scholars in the field<br />

of cultural studies and others interested in<br />

language discussed this topic at a symposium<br />

put on by the <strong>DAAD</strong> in Berlin. The event<br />

was part of the 3-day “Power of Language”<br />

festival held in mid-June by the Goethe Institute<br />

and hosted by the Berliner Akademie<br />

der Künste (Academy of Arts, Berlin).<br />

Symposium participants rejected English as<br />

the sole language of science. While agreeing<br />

that English is indispensable as a means<br />

of communication, they felt that the use of<br />

English as the lingua franca actually lowers<br />

standards in research and education. Professor<br />

Ralph Mocikat of the Institute of Molecular<br />

Immunology in Munich pointed out that the<br />

sole use of English not only abrogates German<br />

technical terminology, it also isolates research<br />

from society. Moreover, reducing English to<br />

the language of function also curtails creative<br />

thinking, which is rooted in an individual‘s<br />

mother tongue. Participants argued for multilingualism<br />

in the sciences, and at the same time<br />

for a return to greater reliance on translations.<br />

Die Akademie der Künste in Berlin mit einer Installation von Babak Saed: After Babel<br />

ihrer eigenen Sprache, sondern sieht auch die<br />

Gefahr, dass durch den Gebrauch von Englisch<br />

als reduzierter Funktionssprache das kreative<br />

Denken eingeschränkt werde. Kreativität sei<br />

nun einmal in der Muttersprache verwurzelt.<br />

Der Mediziner fürchtet darüber hinaus den<br />

Verlust einer deutschen Fachsprache. Für<br />

viele Fachbegriffe gebe es schon heute keine<br />

deutschen Vokabeln mehr. „Dadurch wird die<br />

Wissenschaft von der Gesellschaft abgekoppelt“,<br />

meint Mocikat und nennt ein Beispiel:<br />

Forschungsergebnisse aus der Medizin gelangen<br />

aufgrund der Sprachbarriere nicht mehr<br />

zum Patienten.<br />

Dies untermauerte der Berliner Medizinprofessor<br />

Wolfgang Haße mit Zahlen: Eine Befragung<br />

der Berliner Chirurgischen Gesellschaft<br />

ergab, dass nur gut 14 Prozent der Mediziner<br />

die eigenen Englischkennntisse als sicher,<br />

knapp 33 Prozent als gut einschätzen. Mehr<br />

als 90 Prozent lehnen englischsprachige Vorträge<br />

auf nationalen Kongressen ab, 87 Prozent<br />

verlangen Simultanübersetzungen. Der<br />

Ruf nach – allerdings exzellenten – Simultanübersetzungen<br />

bei Kongressen mit gemischtnationalem<br />

Publikum war denn auch in Berlin<br />

nicht zu überhören.<br />

Mangelnde Unterstützung<br />

Wird Internationalität nicht mit Englisch<br />

gleichgesetzt, kann die Alternative nur die<br />

Mehrsprachigkeit sein. Dies sieht auch die<br />

VolkswagenStiftung so und hat eine entsprechende<br />

Initiative entwickelt: Unter dem Motto<br />

„Deutsch plus – Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />

fördert sie künftig mehrsprachige Studienangebote,<br />

die Übersetzung deutschsprachiger<br />

Wissenschaftspublikationen sowie<br />

Forschungsvorhaben zu Fragen der sprachlichen<br />

Prägung wissenschaftlichen Denkens<br />

und Arbeitens.<br />

Politische Unterstützung fordern die Anhänger<br />

der Mehrsprachigkeit von den Hochschul-<br />

und Wissenschaftsorganisationen. Deren<br />

Vertreter ließen erkennen, dass die Frage der<br />

Wissenschaftssprache in ihren Institutionen<br />

zwar im Einzelfall diskutiert wird, doch bisher<br />

keine Konzepte vorliegen. Die Geschichtsprofessorin<br />

Luise Schorn-Schütte, Vizepräsidentin<br />

der Deutschen Forchungsgemeinschaft<br />

(DFG), formulierte allerdings die Vison eines<br />

idealen, DFG-geförderten Graduiertenkollegs,<br />

in dem die Teilnehmer aus drei Ländern alle<br />

drei Sprachen können – so dass, wer in seiner<br />

Muttersprache vorträgt, von den anderen verstanden<br />

wird.<br />

Wie weit wir von diesem Ideal noch entfernt<br />

sind, erklärte die finnische Germanistin<br />

Irma Hyvärinen: Während in Finnland Gymnasiasten<br />

bereits drei Sprachen neben ihrer<br />

Muttersprache lernen, ist das Ziel der Europäischen<br />

Union, zwei Fremdsprachen zur Pflicht<br />

zu machen, erst zu 28 Prozent verwirklicht.<br />

Hyvärinen erhielt bei der Tagung den Jakob-<br />

und Wilhelm-Grimm-Preis des <strong>DAAD</strong>, der<br />

alljährlich an ausländische Wissenschaftler<br />

für Verdienste um die Germanistik und deutsche<br />

Landeskunde vergeben wird (Letter<br />

berichtete in Heft 1/2007). Die Finnin ist ein<br />

herausragendes Beispiel für die vielbeschworene<br />

Mehrsprachigkeit: Sie forscht nicht nur<br />

vergleichend über die deutsche und finnische<br />

Sprache, sondern sie hat auch in vier verschiedenen<br />

Sprachen Gedichte geschrieben.<br />

Informationen: www.adawis.de<br />

Leonie Loreck<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


Gleich in der Eingangshalle<br />

seines Kairoer Amtssitzes<br />

liegt eine kostbare, überdimensionale<br />

Ausgabe des Korans<br />

aufgeschlagen da. Und auf den<br />

Fluren begegnen einem Männer<br />

in langen, dunklen Gewändern,<br />

mit der typischen Kopfbedeckung<br />

der muslimischen Gelehrten.<br />

Seit gut elf Jahren ist der ehemalige<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiat Mahmoud Hamdy Zaqzouq<br />

Ägyptens Minister für religiöse Angelegenheiten.<br />

In seinem Büro hängen die Porträts<br />

sämtlicher Vorgänger bis zurück ins Jahr<br />

1878. „Ich bin jetzt am längsten da“, meint er,<br />

und ein verschmitztes Lächeln huscht über<br />

das sonst ernste Gesicht des 73-Jährigen.<br />

Dabei hat der renommierte Islamwissenschaftler<br />

sein hohes Amt in politisch schwierigsten<br />

Zeiten zu erfüllen. Kaum ein Interview,<br />

in dem Minister Zaqzouq nicht zu Terror und<br />

islamischem Fundamentalismus Stellung nehmen<br />

muss. „Der Gipfel der islamischen Werte<br />

ist die Barmherzigkeit. So steht es ausdrücklich<br />

im Koran“, erklärt er immer wieder. Gewalt<br />

habe aber nichts mit Barmherzigkeit zu<br />

tun.<br />

„Moderate Stimme“<br />

Dr. Mahmoud Zaqzouq sei „eine moderate<br />

Stimme in einer extremistischen Welt“, charakterisierte<br />

ein ägyptisches Nachrichten<strong>magazin</strong><br />

den Politiker, der kraft seines Amtes<br />

auch Präsident des obersten islamischen Rates<br />

ist. Sein so genanntes „Awqaf“-Ministerium<br />

ist dem arabischen Begriff nach zuständig für<br />

die Verwaltung religiöser Stiftungen im Land,<br />

auch für die der koptisch-christlichen Kirche<br />

in Ägypten, der nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung<br />

angehören. Doch Zaqzouq ist deutlich<br />

mehr als nur ein Verwalter.<br />

So erließ er kurz nach seinem Amtsantritt<br />

ein Gesetz darüber, dass niemand in den gut<br />

98 000 ägyptischen Moscheen predigen darf,<br />

der dafür nicht die Zulassung durch das Ministerium<br />

bekommen hat. „Das war nötig“,<br />

sagt Zaqzouq. „Für die Sicherheit unseres<br />

Landes. Hätte mein Ministerium nicht die<br />

Kontrolle über die Moscheen übernommen,<br />

hätten die Extremisten sie besetzt und<br />

ihre gefährlichen Auffassungen überall<br />

durchsetzen können.“ Auch die Vollverschleierung<br />

von Frauen lehnt der<br />

Ägypter strikt ab. „Das ist nicht der<br />

Islam. Das sind falsche Vorbilder“,<br />

so Zaqzouq, der zu Beginn des<br />

Jahres eigens 50 junge Frauen als<br />

Predigerinnen verpflichtete, um die<br />

„richtigen“ Signale zu setzen.<br />

Mahmoud Zaqzouq selbst ist seit langem<br />

ein international anerkannter<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Gestern Stipendiat – und heute...<br />

Mahmoud Hamdy Zaqzouq<br />

Ägyptischer Minister für religiöse Angelegenheiten<br />

Botschafter des Islams. Regelmäßig ist er zu<br />

Vorträgen eingeladen. Erst im Juni sprach er<br />

auf dem Evangelischen Kirchentag in Köln.<br />

Denn: Nichts sei wichtiger als der Dialog.<br />

„Wenn die Menschen den wahren Islam verstehen<br />

wollen, dann sollen sie in den Koran<br />

schauen und nicht die Nachrichten“, fordert<br />

Zaqzouq.<br />

Bindungen an Deutschland<br />

Nach dem Kirchentag in Köln hat der mächtige<br />

Mann vom Nil übrigens seine Tochter<br />

getroffen. Sie arbeitet als Ärztin am Rhein.<br />

Das <strong>DAAD</strong>-Stipendium, das Zaqzouq zum<br />

Philosophie-Studium an der Universität München<br />

nutzte, prägte auch sein Privatleben: Seine<br />

Frau kommt aus Deutschland. Er lernte<br />

sie beim gemeinsamen „Büffeln“ für die<br />

Lateinprüfung, das Große Latinum, kennen.<br />

In Ägypten hatte Mahmoud Zaqzouq<br />

an der Al Azhar-Universität<br />

studiert, dem geistigen Zentrum der<br />

islamischen Welt. Dort habe er auch<br />

Deutsch gelernt. „Mein Professor hatte<br />

in Hamburg promoviert“, erzählt der<br />

Politiker. Und der habe ihn zu dem Stipendium<br />

ermutigt. Als Zaqzouq 1962<br />

nach Deutschland ging, gehörte<br />

er zu den fünf ersten<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Stipendiaten, die nach Gründung der<br />

<strong>DAAD</strong>-Außenstelle in Kairo ausgewählt<br />

wurden.<br />

„Obwohl es 1964 politische Spannungen<br />

wegen der Anerkennung Israels<br />

gab, waren die Menschen zu uns<br />

immer sehr, sehr nett“, erinnert sich<br />

Zaqzouq. Nach der Promotion 1968 in<br />

München lehrte er in Kairo, Tripolis<br />

und Katar, wurde an der altehrwürdigen Al<br />

Azhar-Universität von den Professoren-Kollegen<br />

gleich vier Mal hintereinander zum Dekan<br />

der theologischen Fakultät gewählt und 1995<br />

zum Vizepräsidenten der Uni.<br />

Eine steile Wissenschaftskarriere, die ein abruptes<br />

„Ende“ fand. „Ich war gerade zwei Monate<br />

Vizepräsident, als mich Hosni Mubarak<br />

zum Minister ernannte“, berichtet Zaqzouq.<br />

Und wieder ist da ein hintergründiges Lächeln.<br />

Seinem Professor sei es ähnlich gegangen. Der<br />

sei nämlich direkt vor ihm Ägyptens Minister<br />

für religiöse Angelegenheiten gewesen.<br />

Cornelia Wegerhoff<br />

33<br />

Foto: Ikhlis Abbis


Foto: Schumacher<br />

34<br />

<strong>DAAD</strong><br />

STIPENDIATEN FORSCHEN<br />

Molekularbiologie<br />

Geheimnisse der RNA-Welt<br />

Vieles spricht heute dafür, dass<br />

sich das Leben auf der Erde aus<br />

einer „RNA-Welt“ entwickelt hat,<br />

die vor etwa vier Milliarden Jahren<br />

den Übergang von der unbelebten<br />

frühen Erde zum zellulären<br />

Leben markierte. Die DNA, das<br />

Schwestermolekül der RNA, entstand<br />

erst später. „In den letzten<br />

zehn Jahren hat die Erforschung<br />

der so genannten nicht-codierten<br />

Ribonucleinsäure (ncRNA) gezeigt,<br />

dass diese eine der wichtigsten<br />

Klassen regulatorischer<br />

Moleküle in der Zelle sind“, sagt<br />

Heiko Schumacher.<br />

Der Biologe aus Kassel kennt sich<br />

aus mit RNA: Schon für seine vom<br />

<strong>DAAD</strong> geförderte Diplomarbeit<br />

hatte er sich an der Universität<br />

Uppsala mit einer neu entdeckten<br />

RNA-Familie in einem einzelligen<br />

Schleimpilz beschäftigt. Ein<br />

zweites <strong>DAAD</strong>-Stipendium führte<br />

ihn Ende 2005 nach Kreta. In<br />

Heraklion arbeitet der 27-Jährige<br />

nun für seine Doktorarbeit am<br />

Institut für Molekularbiologie &<br />

Biotechnologie (IMBB) – eine zum<br />

wiederholten Male als bestes Forschungsinstitut<br />

Griechenlands<br />

ausgezeichnete Einrichtung.<br />

„Innerhalb des wachsenden<br />

Forschungsgebietes der ncRNA<br />

befasse ich mich mit ‚kleinen<br />

RNAs’, winzigen RNA-Molekülen,<br />

Rot statt Grün: Das grün fluoreszierende<br />

Protein einer Pflanze wird durch<br />

RNA-Moleküle ausgeschaltet<br />

die mit Ausnahme von Bakterien<br />

in allen Organismen auftreten<br />

und eine fundamentale Rolle bei<br />

der Abwehr von Viren spielen.“<br />

Sie bewirken etwa, dass ein Virus<br />

erkannt und gezielt bekämpft<br />

werden kann. Schumachers spezielles<br />

Forschungsobjekt ist das<br />

Protein Eri-1. Es sorgt dafür, dass<br />

der Abwehr-Mechanismus in der<br />

richtigen Stärke eingesetzt wird<br />

und nach einer erfolgreichen Bekämpfung<br />

einer Virus-Infektion<br />

das gesamte System wieder in den<br />

Normalzustand zurückkehrt. „Ein<br />

präzises Verständnis der Virenabwehr<br />

ist wichtig, um effektivere<br />

und schonende Therapien zu entwickeln.“<br />

Auch nach der Dissertation<br />

möchte Heiko Schumacher seinen<br />

Forschungsobjekten treu bleiben:<br />

„Ich hoffe auf eine Postdoc-Stelle<br />

in einem guten Labor, um meine<br />

wissenschaftliche Karriere auf<br />

dem Gebiet der RNA-Forschung<br />

fortsetzen zu können.“<br />

Literaturwissenschaft<br />

Roman und Film<br />

Verfilmte Romane haben es oft<br />

schwer; verglichen mit der Vorlage<br />

schneiden die Filme in der Kritik<br />

häufig nicht gut ab. „Besser oder<br />

schlechter ist aber nicht die Frage“,<br />

meint Eszter Kurutzné Torma. Die<br />

Literaturwissenschaftlerin muss<br />

es wissen, denn sie hat im Rahmen<br />

ihrer Doktorarbeit moderne<br />

englische Romanverfilmungen<br />

untersucht. „Beides – Vorlage und<br />

Verfilmung – sind unterschiedliche<br />

Medien, die nicht verglichen<br />

werden sollten. Literatur ist nicht,<br />

wie häufig behauptet, die höhere<br />

Kunstform.“ Adaption heißt das<br />

Forschungsgebiet, mit dem sich<br />

die Ungarin beschäftigt.<br />

Ein weiterer Aspekt ihrer Arbeit<br />

betrifft den Einfluss der aktu-<br />

ellen Politik auf die Filmproduktion.<br />

„Dieser Einfluss ist eindeutig<br />

nachzuweisen und ich versuche,<br />

ihn mithilfe verschiedener Filme<br />

zu analysieren.“<br />

Dazu hat sie sich Filme wie<br />

Orlando (Buch: Virginia Woolf,<br />

Film: Sally Potter), Room at the<br />

Top (John Braine/Jack Clayton),<br />

A Clockwork Orange (Anthony<br />

Burgess/Stanley Kubrick) und Remains<br />

of the Day (Kazuo Ishiguro/<br />

James Ivory) genauer angesehen.<br />

„Häufig wurde Kritik an bestehenden<br />

Verhältnissen versteckt<br />

geäußert, verpackt in so genannte<br />

Heritagefilme, bei denen der ak-<br />

Von Buchstaben zu Bildern: Sally Potter verfilmte Virginia Woolfs „Orlando“<br />

tuelle Bezug in ein historisches<br />

Umfeld verlegt wurde“, so die<br />

<strong>DAAD</strong>-Jahresstipendiatin, die<br />

1979 in Budapest geboren wurde<br />

und heute in Berlin lebt.<br />

Als Gastdozentin unterrichtet sie<br />

zurzeit an der Universität Potsdam<br />

„Adaption: From Novel to Film“.<br />

Im Januar möchte sie ihre Doktorprüfung<br />

an der Eötvös Loránd<br />

Universität in Budapest ablegen,<br />

wo sie auch Anglistik studiert hat.<br />

„Literatur war immer mein Lieblingsfach<br />

und da ich auch Filme<br />

sehr mag, habe ich beides für die<br />

Dissertation verbunden.“<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: CINETEXT


Foto: Patio13, Schule für Straßenkinder<br />

Pädagogik<br />

Bildung für Straßenkinder<br />

Im März 2006 gründete die Pädagogische<br />

Hochschule Heidelberg<br />

in Kooperation mit vier deutschen<br />

und drei kolumbianischen Hochschulen<br />

das Kompetenzzentrum<br />

Straßenkinderpädagogik Patio13,<br />

das auf den Forschungen der<br />

deutsch-kolumbianischen Bildungsinitiative<br />

„Patio13 – Schule<br />

für Straßenkinder“ aufbaut. Im<br />

Innenhof (patio) eines alten Gebäudes<br />

in den Slums von Medellín<br />

werden bereits seit 2001 Straßenkinder<br />

im Lesen und Schreiben<br />

unterrichtet.<br />

Starrer Unterricht ist hier nicht<br />

möglich, und die Lehrer wissen<br />

nie, wie viele Kinder am nächsten<br />

Tag kommen. Einer, der sich bei<br />

Patio13 engagiert, ist Christian<br />

Ortiz Palacio. Der 21-jährige Kolumbianer<br />

studiert Ingenieurwissenschaften<br />

mit Schwerpunkt Biologie<br />

und möchte später promovieren.<br />

Parallel dazu hat er im letzten<br />

Jahr mit einem Grundschulpädagogik-Studium<br />

begonnen. „Ich<br />

arbeite seit drei Jahren mit den<br />

Straßenkindern und liebe diese<br />

Arbeit. Schwerpunkt des Lernens<br />

sind Fächer wie Mathematik, Spanisch,<br />

aber auch Sozial- und Naturwissenschaften.<br />

Wir versuchen<br />

dabei stets, die Realität der Kinder<br />

in den Unterricht einzubeziehen“,<br />

sagt der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat, der<br />

zurzeit einen Studienaufenthalt<br />

in Heidelberg absolviert. Seine<br />

Motivation: „Ich sehe das Studium<br />

als echte Möglichkeit, mit<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

meinem Wissen zur Entwicklung<br />

der kolumbianischen Gesellschaft<br />

beizutragen.“<br />

Im Herbst wird erstmalig ein<br />

neuer Masterstudiengang „Pädagogik<br />

für Kinder und Jugendliche<br />

der Straße“ starten, den die Heidelberger<br />

Pädagogen entwickelt<br />

haben und der das Rüstzeug für<br />

die Vermittlung einer Grundbildung<br />

an Straßenkinder geben<br />

will. Studienorte sind Heidelberg,<br />

Freiburg, Medellín und Bogotá.<br />

„Die Nachfrage ist bereits sehr<br />

groß“, berichtet Professor Hartwig<br />

Weber, wissenschaftlicher Leiter<br />

des Kompetenzzentrums Patio13.<br />

„Und wir hoffen, dass künftig<br />

mehr Studierende aus Kolumbien<br />

über <strong>DAAD</strong>-Stipendien an unserem<br />

Masterstudiengang teilnehmen<br />

können.“<br />

Stadtzentrum<br />

Kairo: Traditionelle<br />

Architektur<br />

statt modernem<br />

Verkehrschaos<br />

Architektur<br />

Moderne Karawanserei<br />

„Ich hatte schon immer großes<br />

Interesse an alten Hochkulturen“,<br />

sagt Martina Wende. „In der Architektur<br />

verwendete man damals<br />

Geometrien, die auf der Grundlage<br />

von Naturgesetzen entstanden waren<br />

und den Gebäuden bis heute<br />

eine starke Ausstrahlung und Ästhetik<br />

verleihen.“ Martina Wende<br />

hat an der Fachhochschule Frankfurt<br />

am Main Architektur studiert<br />

und arbeitet seit einigen Monaten<br />

in einem großen Architekturbüro<br />

in Großbritannien.<br />

Für ihre vom <strong>DAAD</strong> geförderte<br />

Diplomarbeit reiste sie nach Kairo.<br />

Ursprünglich wollte sie dort<br />

nur ein Hochbauobjekt planen,<br />

doch die junge Architektin weitete<br />

ihre Arbeit bald auf eine umfassende<br />

städtebauliche Planung<br />

aus. „Mein Planungsgebiet war<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Schule im Freien: Straßenkinder lernen<br />

Lesen und Schreiben<br />

die Stadtmitte Kairos, etwa 20 000<br />

Quadratmeter groß. Dieses Gebiet<br />

war früher eng verzahnt mit der<br />

Altstadt, heute ist sie nur noch ein<br />

völlig überlasteter Verkehrsknotenpunkt.“<br />

Die Architektin erstellte zunächst<br />

ein Verkehrskonzept mit Ringstraßen<br />

und Entlastungsachsen, lagerte<br />

die überlastete Hauptbusstation<br />

aus und wandte sich erst dann ihrem<br />

eigentlichen Planungsobjekt<br />

zu: Einem mehrgeschossigen Gebäude<br />

im Stil einer traditionellen<br />

Karawanserei.<br />

Früher gab es dort Ställe für<br />

die Kamele, darüber Räume,<br />

in denen Waren getauscht und<br />

Handel getrieben wurde, sowie<br />

Wohnbereiche der Händler in<br />

den beiden obersten Geschossen.<br />

„Meine Planung integriert die typisch<br />

islamische Geometrie. Der<br />

Goldene Schnitt ist allerdings im<br />

islamischen Raum ein anderer als<br />

bei uns.“ Er drückt das Verhältnis<br />

von Länge zu Breite aus und beeinflusst<br />

auch die Gestaltung von<br />

Fassaden und Plätzen.<br />

Im letzten Jahr wurde ihre Diplomarbeit<br />

als Hauptprojekt von<br />

vier Abschlussarbeiten im Deutschen<br />

Architekturmuseum in<br />

Frankfurt ausgestellt. Mit ihrem<br />

Projekt in Kairo möchte Martina<br />

Wende neues Interesse am Zentrum<br />

wecken und einen Wettbewerbsimpuls<br />

anregen.<br />

Doris Bünnagel<br />

Foto: Wende<br />

35


36<br />

<strong>DAAD</strong><br />

NACHRICHTEN<br />

Foto: <strong>DAAD</strong><br />

Alumnitreffen<br />

Zwischen Tiflis<br />

und São Paulo<br />

Aus Armenien, Aserbaidschan<br />

und Georgien kamen die Teilnehmer<br />

eines <strong>DAAD</strong>-Seminars im<br />

April dieses Jahres in Tiflis, Georgien. <strong>DAAD</strong>-<br />

Generalsekretär Christian Bode begrüßte die<br />

rund 300 ehemaligen <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten in<br />

der Staatlichen Iwane-Dschawachischwili-Universität<br />

in Tiflis. Es war das zweite Seminar<br />

in dieser Region. Aufgrund der politisch angespannten<br />

Lage können die Treffen bisher nur<br />

in Georgien organisiert werden. Das Interesse<br />

daran ist bei den Alumni aus der Region jedoch<br />

sehr groß.<br />

Im interdisziplinären Tagungsprogramm<br />

war ein zentrales Thema das Verhältnis zu<br />

Europa. Neben Wirtschaft, Politik und Kultur<br />

ging es auch um technische Entwicklungen<br />

sowie um Perspektiven der Telepathologie<br />

und der Tele medizin. Welchen Stellenwert<br />

das Treffen im Gastgeberland hat, zeigte die<br />

Teilnahme des georgischen Bildungsministers<br />

Alexander Lomaia.<br />

Hochschulstrukturen standen im Mittelpunkt<br />

einer Alumnikonferenz Anfang Juni in<br />

Kairo: Auf Wunsch der ägyptischen Seite diskutierten<br />

150 Alumni über die Förderung des<br />

wissenschaftlichen Nachwuchses in Ägypten<br />

und Deutschland. Lassen sich zum Beispiel<br />

Juniorprofessuren, Graduiertenkollegs, International<br />

Research Schools und Wissenschaftler-Netzwerke<br />

auf die ägyptische Hochschullandschaft<br />

übertragen? Welche Strukturen<br />

müssen gegeben sein, damit solche Modelle<br />

erfolgreich sind? Zum Abschluss der Tagung<br />

gab es einen Überblick über europäische Bildungsprogramme<br />

und Initiativen, da diese<br />

die Wissenschaftsförderung in Deutschland<br />

immer stärker beeinflussen.<br />

An der zunehmenden Europäisierung der<br />

Bildungspolitik wirkt der <strong>DAAD</strong> längst aktiv<br />

mit. Der Aufbau eines Alumni-Netzwerkes<br />

an der Schaltstelle in Brüssel, Belgien, steckt<br />

jedoch noch in den Kinderschuhen. Das soll<br />

sich ändern: Die offizielle Eröffnung seines<br />

Brüsseler Büros Anfang Juni nutzte der <strong>DAAD</strong>,<br />

um die Brüsseler Alumni zu einer ersten informellen<br />

Zusammenkunft zu bitten. 40 Alumni<br />

folgten der Einladung, weitere Treffen sollen<br />

folgen.<br />

Eine Premiere stellte auch das gesamtamerikanische<br />

<strong>DAAD</strong>-Alumnitreffen in São Paulo,<br />

Brasilien, dar. <strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor<br />

Premiere: Alumni aus ganz Amerika trafen sich in São Paulo<br />

Berchem konnte rund 100 ehemalige Stipendiaten<br />

aus allen Teilen Amerikas sowie aus<br />

Deutschland begrüßen. Drei Tage lang beschäftigten<br />

sich die Alumni mit der Bedeutung von<br />

internationaler Mobilität für die Biographien<br />

von Wissenschaftlern und für die Entwicklung<br />

der Wissenschaft.<br />

Zwar ist „wissenschaftliche Wanderschaft“<br />

kein Phänomen der Neuzeit, wie Berchem erläuterte,<br />

aber in einer globalisierten Welt hat<br />

sie vielschichtige Auswirkungen.<br />

Als ein Ergebnis des Seminars<br />

regten die Alumni an, zu einzelnen<br />

Forschungsgebieten Datenbanken<br />

aufzubauen. CW<br />

Alumni-Recherche<br />

Eigenes Internetportal<br />

Unter dem Titel „World-class connections<br />

made in Germany“ startete<br />

der <strong>DAAD</strong> im Juni die weltweite<br />

Suche nach Deutschland-Alumni.<br />

Im Auftrag des Auswärtigen Amts<br />

entwickelte der <strong>DAAD</strong> für Alumni<br />

aus dem Ausland ein eigenes Internetportal.<br />

„Alumni, die in Deutschland<br />

studiert, geforscht oder gelehrt<br />

haben, sind Teil eines persönlichen<br />

Netzwerks. Dies wollen wir stärken“,<br />

sagt Cay Etzold, im <strong>DAAD</strong> zuständig<br />

für Alumni-Programme.<br />

Die ehemaligen Studierenden<br />

oder Wissenschaftler sind aufgerufen,<br />

sich in das Internetportal www.<br />

germany-alumni.org einzutragen.<br />

Sie können dort fachliche Kontakte<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


knüpfen und erhalten Informationen über die<br />

Entwicklung der Wissenschaft in Deutschland<br />

sowie ein auf sie zugeschnittenes Angebot an<br />

Veranstaltungen. Die Suche be gann – unterstützt<br />

von Medienkampagnen – in Ägypten,<br />

der Türkei und Griechenland. In Kürze geht<br />

der Aufruf nach Japan und die USA, weitere<br />

Länder folgen. KS<br />

<strong>DAAD</strong>-Bilanz<br />

Rekordjahr 2006<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor Berchem präsentierte<br />

in Bonn die Rekordbilanz 2006: Im Vergleich<br />

zum Vorjahr wuchs der <strong>DAAD</strong>-Haushalt<br />

um 15,5 Millionen Euro auf 263,3 Millionen<br />

Euro. Allein das Auswärtige Amt steigerte seine<br />

Zuwendungen an den <strong>DAAD</strong> um 8,6 Millionen<br />

Euro.<br />

Wie das Budget stieg auch die Zahl der geförderten<br />

Stipendiaten: um 3 800 auf jetzt 55 229.<br />

Darunter sind etwa 18 000 Professoren, wissenschaftliche<br />

Mitarbeiter und Doktoranden.<br />

Aus dem Ausland stammten mehr als 33 000<br />

Stipendiaten, aus Deutschland über 21 000.<br />

In Bezug auf die Fächerverteilung liegen bei<br />

Ausländern erstmals die Rechts-, Wirtschafts-<br />

und Sozialwissenschaften vorn (23 Prozent),<br />

gefolgt von Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften<br />

(jeweils 21 Prozent). Die<br />

deutschen Stipendiaten studieren ebenfalls<br />

am häufigsten Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

(28 Prozent), gefolgt von<br />

Mathematik und Naturwissenschaften (23<br />

Prozent).<br />

Der Löwenanteil des Budgets – 129 Millionen<br />

Euro – fließt nach wie vor in Stipendien.<br />

57 Millionen Euro gab der <strong>DAAD</strong> 2006<br />

für die Internationalisierung der deutschen<br />

Hochschulen aus. Theodor Berchem nannte<br />

als einen Schwerpunkt die Förderung von 34<br />

Studienangeboten deutscher Hochschulen im<br />

Ausland. In die Förderung von Germanistik<br />

und deutscher Sprache im Ausland investierte<br />

der <strong>DAAD</strong> 36 Millionen Euro. Die Hälfte davon<br />

fließt in das weltweite Netz von Lektoren,<br />

die an Hochschulen in 87 Ländern der Welt<br />

sowohl Deutsch und Landeskunde unterrichten<br />

als auch über Studienmöglichkeiten in<br />

Deutschland informieren.<br />

„Das Jahr 2006 liefert eindrucksvolle Zahlen,<br />

aber es könnte noch besser gehen“, sagte der<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsident. Berchem wünscht sich „an<br />

erster Stelle deutlich höhere Stipendiensätze“,<br />

um international konkurrenzfähig zu bleiben.<br />

Die Anzahl der rund 2,3 Millionen mobilen<br />

Studierenden weltweit könne sich in der kommenden<br />

Dekade verdoppeln. „Wir müssen<br />

uns anstrengen, weiterhin die Weltelite für<br />

Studium oder Promotion nach Deutschland zu<br />

holen“, forderte Berchem. KS<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

<strong>DAAD</strong>-Präsident<br />

Stefan Hormuth wird neuer Präsident<br />

Stefan Hormuth, Psychologie-Professor und<br />

Präsident der Universität Gießen, wurde im<br />

Juni zum neuen <strong>DAAD</strong>-Präsidenten gewählt.<br />

Er löst im Januar 2008 Professor Theodor<br />

Berchem ab, der dieses Amt 20 Jahre innehatte.<br />

Der gebürtige Heidelberger ist selbst <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiat. 1975 erhielt er ein Graduiertenstipendium<br />

für die University of Texas in Austin.<br />

Er forschte und unterrichtete mehrere Jahre<br />

in den USA, wo er auch promovierte. Nach<br />

der Habilitation an der Universität Heidelberg<br />

wurde er dort 1987 Professor für Sozial- und<br />

Ökologische Psychologie. 1990 wechselte er<br />

an die Universität Gießen. Bevor er 1997 zum<br />

Foto: Anja Feldmann<br />

Foto: Uni Gießen<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Präsidenten der Gießener Uni gewählt wurde,<br />

war er von 1993 bis 1997 an der Technischen<br />

Universität Dresden tätig.<br />

Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit, die<br />

sich unter anderem mit Fragestellungen zum<br />

Thema „Veränderungen der Mensch-Umwelt-<br />

Beziehungen“ beschäftigt, tritt Hormuth seit<br />

langem in verschiedenen Gremien für die Internationalisierung<br />

der deutschen Hochschulen<br />

ein. Er ist seit 2001 Mitglied der deutschen<br />

Fulbright-Kommission.<br />

100 Jahre Tongji-Universität<br />

Sonderstipendien für Chinesen<br />

„Die Tongji-Universität ist von Chinesen und<br />

Deutschen gemeinsam gegründet worden,<br />

und ihre Gründerväter handelten als echte<br />

Partner“, sagte Bundespräsident Horst Köhler<br />

in seiner Festansprache zum 100-jährigen Jubiläum<br />

der Universität im Mai in Shanghai.<br />

Köhler hielt sich zu einem offiziellen Besuch<br />

in China auf.<br />

An der Tongji-Universität gibt es sieben<br />

Hochschuleinrichtungen mit ausländischer<br />

Beteiligung, darunter das Chinesisch-Deutsche<br />

Hochschulkolleg (CDHK), eine Kooperation<br />

der Tongji mit dem <strong>DAAD</strong> und mehr als zwei<br />

Dutzend deutschen und chinesischen Unternehmen.<br />

Die Leistungen dieser Kooperation<br />

im wissenschaftlichen Austausch würdigte<br />

Köhler mit der Vergabe von zwölf Sonderstipendien<br />

an herausragende Studierende, die<br />

damit ihren Studienaufenthalt in Deutschland<br />

finanzieren können.<br />

Sie treten in die Fußstapfen von Tongji-<br />

Präsident Wan Gang, der in Deutschland<br />

Bundespräsident Horst Köhler mit Tongji-<br />

Präsident Wan Gang in Shanghai<br />

37


38<br />

Foto: Eric Lichtenscheidt<br />

<strong>DAAD</strong><br />

promovierte und als Manager bei dem Automobilkonzern<br />

Audi arbeitete. Wenige Tage<br />

vor dem Jubiläum wurde Wan Gang zum Forschungsminister<br />

der Volksrepublik berufen<br />

und will auch in diesem Amt das CDHK weiter<br />

fördern. Anja Feldmann<br />

Hochschulmanagement<br />

Standards für den Hochschulmarkt<br />

In einer „Bonn Declaration“ setzen sich Hochschulmanager<br />

aus Europa, Ostafrika, Zentral-<br />

und Südamerika, Südostasien und der<br />

arabischen Welt für eine länderübergreifende,<br />

regionale Qualitätssicherung im Hochschulstudium<br />

ein. Die Deklaration ist das Ergebnis<br />

einer vom <strong>DAAD</strong> und der Hochschulrektorenkonferenz<br />

im Juni veranstalteten Tagung des<br />

„Dialogue on Innovative Higher Education<br />

Strategies“ (DIES).<br />

Die Unterzeichner befürworten regionale<br />

Zusammenarbeit bei der Akkreditierung und<br />

Evaluation von Studienprogrammen sowie bei<br />

der Anerkennung von Abschlüssen. Damit wollen<br />

sie vor allem der Mobilität von Lernenden<br />

und Lehrenden sowie den Erwartungen des internationalen<br />

Arbeitsmarktes gerecht werden.<br />

Die Weltbank unterstützt die Bemühungen um<br />

vergleichbare Studienangebote mit einer millionenschweren<br />

„Global Initiative for Quality<br />

Assurance Capacity“ (GIQAC).<br />

Dabei gehen die Experten davon aus, dass<br />

Gemeinsamkeiten nur durch interne Verfahren<br />

und Erfahrungen in den einzelnen Hochschulen<br />

entstehen können. Daraus erwachsen<br />

nationale Standards und schließlich internationale<br />

Vergleichskriterien. Auf Vergleichbarkeit,<br />

nicht Einheitlichkeit zielt die Qualitätssicherung.<br />

Denn die Verschiedenheiten bleiben<br />

kreativer Ausdruck von Kultur und Entwicklung.<br />

Informationen: www.inqaahe.org H.H.<br />

Einstimmen auf das Konzert: Mitglieder des „Arab Youth Philharmonic Orchestra“ in Bonn<br />

Arabisches Jugendorchester<br />

Gastspiel in Bonn und Bayreuth<br />

Im Juli 2007 gastierte das „Arab Youth Philharmonic<br />

Orchestra“ erstmals in Deutschland.<br />

Stationen der Tournee waren Bonn und<br />

Bayreuth. Dort nahm das Jugendorchester am<br />

traditionellen „Festival Junger Künstler“ am<br />

Rande der Richard-Wagner-Festspiele teil.<br />

Auf dem Programm standen Werke von Schumann<br />

und Mendelssohn sowie des jungen algerischen<br />

Komponisten Salim Dada.<br />

Das 2006 mit Hilfe des <strong>DAAD</strong> aus der Taufe<br />

gehobene panarabische Ensemble vereinigt<br />

45 junge Musiker. Dirigiert wird es von Walter<br />

Mik, dem Akademischen Musikdirektor<br />

der Universität Bonn und Leiter des Bonner<br />

Collegium Musicum. Während einer Ägyptenreise<br />

entwickelte er bereits vor Jahren gemeinsam<br />

mit dem ehemaligen Leiter des Kairoer<br />

Konservatoriums, <strong>DAAD</strong>-Alumnus Fawsy<br />

al Shamy, die Idee zu dem Jugendorchester.<br />

Sie wählten Musikstudenten aus vielen arabischen<br />

Ländern aus und führten sie in einem<br />

Ensemble zusammen.<br />

Damit unterstützen sie nicht nur den<br />

deutsch-arabischen Dialog, sondern auch<br />

den Austausch in der arabischen Region.<br />

„Wir kommen aus vielen unterschiedlichen<br />

Ländern und können sehr gut Erfahrungen<br />

und Informationen austauschen. Außerdem<br />

ist es für unsere Entwicklung als Musiker<br />

sehr hilfreich, dass wir einen Dirigenten aus<br />

Deutschland haben“, sagt die Geigerin Hivron<br />

Mirkhan aus Syrien.<br />

Der <strong>DAAD</strong> fördert das Orchester in seinem<br />

Sonderprogramm „Deutsch-Arabisch/<br />

Vertragsunterzeichnung: Unternehmens-Chef<br />

Rovnaq Abdullayev (rechts) und <strong>DAAD</strong>-<br />

Generalsekretär Christian Bode in Baku<br />

Iranischer Hochschuldialog“, das 2002 als<br />

Reaktion auf die Anschläge des 11. September<br />

ins Leben gerufen worden war. KS<br />

Aserbaidschan<br />

Öl-Unternehmen zahlt Stipendien<br />

Der Präsident der „State Oil Company of Azerbaijan“<br />

(SOCAR), Rovnaq Abdullayev, und<br />

<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian Bode unterzeichneten<br />

im April in Baku einen Vertrag<br />

über die Entsendung von SOCAR-Stipendiaten<br />

an deutsche Hochschulen. Noch in diesem<br />

Jahr will das staatliche Öl-Unternehmen zehn<br />

Stipendien vergeben – später sollen es mehr<br />

werden.<br />

SOCAR möchte qualifizierte Nachwuchskräfte<br />

für seine großen Unternehmensbereiche –<br />

von der Öl- und Gasförderung bis zum Betreiben<br />

von Krankenhäusern – gewinnen. Gefördert<br />

werden aserbaidschanische Bewerber für<br />

Bachelor- und Master-Studiengänge, sowie die<br />

Promotion in den Fächern Energie-Ingenieur-<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


wesen, Raffinerie und Verfahrenstechnik,<br />

Wirtschaft, Jura und Medizin.<br />

Die Ausbildung an deutschen Hochschulen<br />

genießt seit jeher einen sehr guten Ruf im<br />

Südkaukasus. Neu ist, dass die Rohstoffländer<br />

– Paradebeispiel ist gerade Aserbaidschan –<br />

nun über die Mittel verfügen, ein eigenes Stipendienprogramm<br />

zu starten. Bislang hat vor<br />

allem die deutsche Seite den akademischen<br />

Austausch finanziert. KS<br />

Cassandra Pyle Award<br />

Amerikanischer Preis für Christian Bode<br />

<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian Bode wurde<br />

mit dem Cassandra Pyle Award der amerikanischen<br />

Organisation NAFSA (Association of<br />

International Educators) ausgezeichnet. Der<br />

Preis würdigt seine langjährige Tätigkeit im<br />

Bereich des internationalen Austauschs.<br />

Die Auszeichnung erhielt Bode im Rahmen<br />

der Jahreskonferenz der NAFSA Ende Mai in<br />

Minneapolis. An ihr nahmen rund 7 000 Experten<br />

aus Politik, Bildungs- und Austauschorganisationen,<br />

darunter auch der ehemalige<br />

US-Außenminister Colin Powells, teil. Die Namensgeberin<br />

des Preises, Cassandra Pyle, hat<br />

sich mehr als ein Vierteljahrhundert, unter<br />

anderem als NAFSA-Präsidentin, für die internationale<br />

Zusammenarbeit eingesetzt.<br />

Deutschland/Russland<br />

Lomonosov erfolgreich<br />

Das bilaterale Stipendienprogramm „Michail<br />

Lomonosov“ erlebt eine Neuauflage. Wegen<br />

des großen Erfolges seit 2004 haben der russische<br />

Minister für Bildung und Wissenschaft,<br />

Andrej Fursenko, und <strong>DAAD</strong>-Vizepräsident<br />

Max Huber im April in Moskau die Verlängerung<br />

des Programms um weitere vier Jahre<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: <strong>DAAD</strong><br />

vertraglich vereinbart. Nach dem Vorbild von<br />

Michail Lomonosov, des russischen Universalgelehrten<br />

aus dem 18. Jahrhundert, der<br />

in Deutschland studierte, können junge russische<br />

Natur- und Ingenieurwissenschaftler<br />

– Doktoranden für sechs Monate, Doktoren<br />

und Nachwuchswissenschaftler für drei Monate<br />

– an deutschen Instituten ihrer Wahl<br />

forschen.<br />

Das russische Bildungsministerium und der<br />

<strong>DAAD</strong> kommen für die Stipendien wie bisher<br />

gemeinsam auf und unterstreichen damit das<br />

beiderseitige Interesse. Bislang kamen 390<br />

hochqualifizierte Bewerber in den Genuss einer<br />

Förderung. Sie wählten nicht nur Hochschulen<br />

(vor allem der neuen Bundesländer),<br />

sondern auch außeruniversitäre Forschungslabors,<br />

etwa der Max-Planck-Gesellschaft, als<br />

Forschungsstätten. H.H.<br />

<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident<br />

Max Huber ist 70<br />

Seit 1996 ist Max G. Huber Vizepräsident<br />

des <strong>DAAD</strong>. Im Juni feierte er seinen 70. Geburtstag<br />

und wurde gleichzeitig erneut in<br />

seinem Amt bestätigt. Der Physikprofessor<br />

war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002<br />

Leiter des Instituts für theoretische Kernphysik<br />

der Universität Bonn und ist außerdem<br />

Beauftragter der Bundesregierung für das<br />

Internationale Hochschulmarketing.<br />

Junge Forscher nach Deutschland zu holen,<br />

ist seit langem ein besonderes Anliegen<br />

Max Hubers: „Noch vor rund einem<br />

hal ben Jahrzehnt hatten die Wörter Markt<br />

und Marketing an den Hochschulen einen<br />

beinah unanständigen Beigeschmack. Heute<br />

ist es eine Selbstverständlichkeit, dass<br />

die deutschen Hochschulen sich in Qualität<br />

und Dienstleistungsorientierung an der<br />

Konkurrenz messen lassen müssen.“ Ihm<br />

geht es auch darum, in der Welt bekannt<br />

zu machen, was deutsche Hochschulen in<br />

Studium, Forschung und insbesondere bei<br />

der Betreuung anzubieten haben.<br />

Huber studierte zunächst Mathematik und<br />

Physik an der Universität seiner Heimatstadt<br />

Freiburg und habilitierte sich 1968 an der<br />

Universität Frankfurt. Zuvor hatte er bereits<br />

als Wissenschaftler in den USA gearbeitet.<br />

Seit 1969 unterrichtete er an der Universität<br />

Erlangen-Nürnberg und wechselte 1983 an<br />

die Universität Bonn, deren Rektor er fünf<br />

Jahre lang (1992 bis 1997) war. db<br />

Kanada/USA<br />

Sprungbrett in die Karriere<br />

Naturwissenschaftlern und Technikern mit<br />

einem ersten Studienabschluss in Kanada<br />

Foto: Martina Ludwig<br />

<strong>DAAD</strong><br />

oder den USA bietet der <strong>DAAD</strong> für zwei bis<br />

vier Sommermonate Praktikantenstellen bei<br />

Unternehmen in Deutschland (Research Internships<br />

in Science and Engineering/RISE<br />

professional). Die Firmen suchen die für<br />

sie interessantesten Kandidaten selbst aus.<br />

Deutschkenntnisse sind dabei nicht unbedingt<br />

entscheidend.<br />

Das Stipendium plus Praktikantenhonorar<br />

deckt sämtliche Kosten des Aufenthalts im<br />

Lande Humboldts, bestätigten die Stipendiaten<br />

des ersten Jahrgangs (2007) bei einer<br />

Zwischenbilanz im Juni in Bonn. Sie betonten,<br />

wie vorteilhaft Auslandserfahrung bei der Bewerbung<br />

um einen Arbeitsplatz oder für das<br />

Graduiertenstudium sei. „Internationalität gilt<br />

auch in Nordamerika als Beweis für persönliche<br />

Motivation und Anpassung an die Globalisierung“,<br />

erklärte ein Teilnehmer.<br />

Der <strong>DAAD</strong> hatte auf Anhieb insgesamt<br />

gut 100 Praktikantenstellen bei deutschen<br />

Großfirmen eingeworben, darunter bei dem<br />

RISE-Stipendiatinnen<br />

in einem Industrieunternehmen<br />

Elektrounternehmen Bosch und dem Chemiekonzern<br />

Bayer. Für jedes zweite Angebot fand<br />

sich auf Anhieb der „richtige“ Kandidat oder<br />

die „richtige“ Kandidatin. Einige der Praktikanten<br />

gehen anschließend in den Beruf, die<br />

meisten wollen ein PhD-Studium in Biologie,<br />

Chemie, Physik, Geologie oder Ingenieurwissenschaften<br />

aufnehmen.<br />

Informationen:<br />

www.daad.de/rise-pro/de H.H.<br />

39


40<br />

<strong>DAAD</strong><br />

Ruhestand<br />

Abschied vom <strong>DAAD</strong><br />

Dorothea Fitterling ist ein<br />

echtes <strong>DAAD</strong>-Kind. Ihre<br />

Eltern begegneten sich<br />

bei einem <strong>DAAD</strong>-Alumni-<br />

Treffen 1935 in Berlin-Köpenick<br />

– und es war Liebe<br />

auf den ersten Blick. Beide<br />

hatten Anfang der 30er<br />

Jahre als <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

in den USA studiert.<br />

Tochter Dorothea wurde<br />

1941 in Berlin geboren. Damals<br />

konnte keiner ahnen,<br />

dass sie eines Tages beim<br />

<strong>DAAD</strong> den internationalen Austausch – auch<br />

mit Amerika – voranbringen würde.<br />

Ende Juli nahm Dorothea Fitterling Abschied<br />

vom <strong>DAAD</strong>, für den sie seit 1991 tätig<br />

war, zuletzt als Leiterin der Programmabteilung<br />

Nord. Das Studium der Geschichte und<br />

Politikwissenschaft in Frankfurt am Main<br />

und Berlin hatte sie zunächst in den Zeitungsund<br />

Fernseh-Journalismus geführt. Von 1970<br />

bis 1976 leitete sie die Pressestelle der Technischen<br />

Universität (TU) Berlin, danach fast 15<br />

Jahre das Akademische Auslandsamt der TU.<br />

Diese Tätigkeit unterbrach sie 1986 für einen<br />

zweijährigen Aufenthalt in Australien, wo sie<br />

an der Universität von Melbourne als Tutorin<br />

arbeitete.<br />

Als Dorothea Fitterling, die mit dem Hamburger<br />

Klimaforscher Klaus Fraedrich verheiratet<br />

ist, 1991 nach Bonn ging, war sie mit den<br />

Regeln des internationalen Austauschs bereits<br />

bestens vertraut. Im Rückblick auf 16 Jahre<br />

Foto: <strong>DAAD</strong><br />

Auf einen Klick<br />

Der <strong>DAAD</strong> im Internet<br />

www.daad.de/<strong>magazin</strong><br />

Nachrichten und Berichte über<br />

das weltweite Engagement des<br />

<strong>DAAD</strong> – informativ und aktuell.<br />

www.daad.de/alumni<br />

Das <strong>DAAD</strong>-Portal für alle<br />

Alumni mit Infos zu Alumni-<br />

Vereinen, Alumni-Kalender,<br />

Alumni-VIP-Galerie und<br />

Alumni-Adressdatenbank.<br />

beim <strong>DAAD</strong> sagt sie: „Am meisten hat mich<br />

der Umgang mit den Menschen fasziniert.“ Ihnen,<br />

den in- und ausländischen Wissenschaftlern,<br />

Stipendiaten und Alumni, begegnete sie<br />

nicht nur mit Sachkenntnis, sondern mit ganz<br />

persönlicher Zuwendung. Davon profitierte<br />

stets auch die Letter-Redaktion, die ihr für<br />

ihr langjähriges Engagement im Letter-Beirat<br />

von Herzen dankt. Llo<br />

Publikation<br />

In Japan verliebt<br />

Einen Japan-Reiseführer der persönlichen Art<br />

hat Dierk Stuckenschmidt geschrieben. Titel<br />

des Buches: „Japans 99 irdische Paradiese“.<br />

Der langjährige Leiter des <strong>DAAD</strong>-Büros in<br />

Tokio, der mit einer Japanerin verheiratet ist,<br />

ist nicht nur ein genauer Kenner der von ihm<br />

beschriebenen Reiseziele, sondern er liebt sie<br />

auch.<br />

Das Buch beginnt mit Tokio, doch im Mittelpunkt<br />

stehen die Sehenswürdigkeiten rund um<br />

Kyoto, gefolgt von detaillierten Betrachtungen<br />

der Regionen Chugoku, Kyushu, Shikoku, Tahoku<br />

und Hokkaido sowie den Gebieten West-<br />

und Mittelhonshu. Stuckenschmidt geht es<br />

nicht um die messbaren Superlative – er lockt<br />

Foto: Dierk Stuckenschmidt<br />

den Besucher weder zum größten Buddha noch<br />

zur höchsten Pagode. Für ihn bedeutet das Reisen<br />

durch Japan nicht Sightseeing, sondern<br />

Kunstbegegnung. Er schreibt für Reisende mit<br />

Zeit und Anspruch: „Eine Kunstbegegnung hat<br />

typischerweise drei Teile – Vorbereitung und<br />

Anreise, das Durchschreiten des Kunstraumes<br />

und das Abschiednehmen.“ Die Reise durch<br />

Japan ähnelt einer Pilgerreise, die Parallele<br />

zum Kerngedanken des Zen-Buddhismus ist<br />

nicht zu übersehen: Der Weg ist das Ziel.<br />

Das Buch mit 468 Seiten, zahlreichen Fotografien<br />

und Kartenskizzen sowie einem<br />

umfangreichen Index ist im Rostinger<br />

Hof-Verlag, Königswinter, erschienen und<br />

kostet 28,50 Euro. kri<br />

Nachruf<br />

<strong>DAAD</strong> trauert um Peter Kasprzyk<br />

Viele Letter-Leser und -Leserinnen in Afrika<br />

erinnern sich an Dr. Peter Kasprzyk. Als<br />

langjähriger Leiter des Afrika-Referats beim<br />

<strong>DAAD</strong> war er der „gute Geist“ zahlreicher Stipendiaten,<br />

darunter vieler Germanisten, die<br />

heute als Hochschullehrer an Deutschabteilungen<br />

im subsaharischen Afrika tätig sind.<br />

Peter Kasprzyk starb am 1. Juni dieses Jahres<br />

im Alter von 75 Jahren in Ebingen, Baden-<br />

Württemberg.<br />

Nach einer Ausbildung zum Buchhändler studierte<br />

Kasprzyk Philologie an der Universität<br />

Tübingen und promovierte über Friedrich<br />

Hölderlin. In den 60er Jahren arbeitete er in<br />

Bonn zunächst für den „World University Service“,<br />

danach beim <strong>DAAD</strong>, wo er bis zu seiner<br />

Pensionierung 1996 in verschiedenen Referaten<br />

tätig war.<br />

Kasprzyk interessierte sich schon früh für<br />

den afrikanischen Kontinent, den er später<br />

häufig bereiste. Als Afrika-Referent beim<br />

<strong>DAAD</strong> setzte er sich besonders für die Entstehung<br />

von Deutschabteilungen an Universitäten<br />

im frankophonen subsaharischen Afrika ein.<br />

Dabei verlor er nie die Frage aus dem Blick,<br />

welchen Sinn der Deutschunterricht und der<br />

Germanistikbetrieb für afrikanische Entwicklungsländer<br />

haben könnte. Auf Tagungen und<br />

Seminaren diskutierte er mit afrikanischen<br />

Germanisten über die Möglichkeit, wie sie an<br />

der gesellschaftlichen Entwicklung ihrer Länder<br />

mitwirken könnten.<br />

Bei all seinen Initiativen beeindruckte er<br />

durch sein Engagement für die Stipendiaten<br />

und die Sorge um die Menschen, mit denen<br />

er zu tun hatte. Der Kontakt zum <strong>DAAD</strong>, den<br />

deutschen Hochschullehrern, die ihn bei seiner<br />

Arbeit für Afrika unterstützt hatten, und<br />

zu afrikanischen Alumni brach bis zuletzt<br />

nicht ab.<br />

Japanisches Paradies: Auf den Kanälen von Yanagawa<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


KÖPFE<br />

Die Italienerin Sylvia Bolgherini<br />

ist die diesjährige<br />

Preisträgerin des Ladislao Mittner-Preises.Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan überreichte<br />

der 34-jährigen Politikwissenschaftlerin<br />

aus Neapel im Mai<br />

in Rom die vom <strong>DAAD</strong> gestiftete<br />

Auszeichnung, die neben einem<br />

Preisgeld von 5 000 Euro auch<br />

ein vierwöchiges Stipendium<br />

für Deutschland umfasst – einen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Foto: <strong>DAAD</strong><br />

Bonus, den Bolgherini besonders<br />

zu schätzen weiß: „Deutschland<br />

war meine erste Liebe“, sagt sie.<br />

Ihr erster Auslandsaufenthalt<br />

führte sie 1997 nach Heidelberg.<br />

Er sollte acht Monate dauern und<br />

endete nach drei Jahren.<br />

Seitdem hat sich die Nachwuchsforscherin<br />

intensiv mit der deutschen<br />

Regionalpolitik befasst. Sie<br />

absolvierte weitere Studienaufenthalte<br />

in den USA, Paris, Athen<br />

und Barcelona, promovierte an<br />

der Universität Florenz und unterrichtet<br />

seit 2005 im Fachbereich<br />

Soziologie der neapolitanischen<br />

Universität Federico II. Dort hatte<br />

sie sich mit dem Forschungsprojekt<br />

„Multilevel Governance zwischen<br />

den Regionen und der EU“<br />

einen Namen gemacht. Zurzeit arbeitet<br />

sie an einer vergleichenden<br />

Studie zur deutsch-italienischen<br />

Zusammenarbeit von Kommunen.<br />

Obwohl noch am Anfang ihrer Karriere,<br />

hat Bolgherini bereits viel<br />

publiziert – als echte Europäerin<br />

in vier verschiedenen Sprachen.<br />

Der nach dem italienischen<br />

Germanisten Ladislao Mittner<br />

(1902–75) benannte Preis wird alljährlich<br />

vom <strong>DAAD</strong> an italienische<br />

Wissenschaftler vergeben, die den<br />

Dialog zwischen beiden Ländern<br />

pflegen. kri<br />

Der berühmte amerikanische<br />

Videokünstler Matthew<br />

Buckingham hat sich von einer<br />

Berlinerin zu einem eindrucksvollen<br />

Kunstwerk inspirieren lassen.<br />

Im Jahr 2003, als er mit einem<br />

Stipendium des Berliner Künstlerprogramms<br />

des <strong>DAAD</strong> in Berlin<br />

lebte, hörte er zum ersten Mal von<br />

Charlotte Wolff (1897–1986). Das<br />

Leben der jüdischen Ärztin und<br />

Psychologin, die sich schon früh<br />

zu ihrer lesbischen Veranlagung<br />

bekannte und als Wissenschaftlerin<br />

darüber schrieb, faszinierte<br />

ihn. „Sie ist bis heute eine Identifikationsfigur“,<br />

meint Buckingham.<br />

Charlotte Wolff lebte in Berlin,<br />

flüchtete 1938 aus dem nationalsozialistischen<br />

Deutschland und<br />

wohnte bis zu ihrem Tod in London.<br />

In ihrer – auf Englisch geschriebenen<br />

– Autobiographie erzählt<br />

sie, wie sie 1978 zum ersten<br />

Mal nach der Flucht per Flugzeug<br />

nach Berlin zurückkehrt.<br />

Buckingham, der in all seinen<br />

Werken akribische historische<br />

Recherche mit der Faszination für<br />

Einzelschicksale, Orte und Namen<br />

verbindet, richtet sein Interesse<br />

auf diese Rückkehr: Ein Videofilm<br />

erfasst in ruhigen Bildern das Innere<br />

eines leeren Flugzeugs aus<br />

den 70er Jahren, während daneben<br />

autobiographische Zitate<br />

die Stationen von Wolffs Leben<br />

kommentieren. Das Werk „Everything<br />

I Need“, das der Künstler<br />

mit Unterstützung des <strong>DAAD</strong> herstellte,<br />

wurde in diesem Sommer<br />

im Berliner Museum „Hamburger<br />

Bahnhof“ erstmals dem Publikum<br />

gezeigt. Die Ausstellung,<br />

mit weiteren bedeutenden Video-<br />

und Fotoarbeiten des Künstlers,<br />

wurde vom BKP mitorganisiert.<br />

(Bis 14. Oktober 2007)<br />

Foto: BKP<br />

Der Bonner Sinologie-Professor<br />

Wolfgang Kubin wird mit<br />

dem bedeutendsten Literaturpreis<br />

Chinas ausgezeichnet. Den mit<br />

8 000 Euro dotierten „Pamir International<br />

Poetry Price“ erhält er<br />

sowohl für seine zahlreichen wissenschaftlichen<br />

Werke als auch für<br />

die Übersetzung chinesischer Gegenwartsliteratur.<br />

Der 61-jährige<br />

Wissenschaftler gehörte 1974 zu<br />

den ersten <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten in<br />

China. Damals ging der frisch promovierte<br />

Sinologe, der in Bochum<br />

auch Japanologie, Philosophie und<br />

Germanistik studiert hatte, nach<br />

Peking, um die chinesische Hochsprache<br />

zu studieren. Seit 1985<br />

unterrichtet er an der Universität<br />

Bonn und hielt enge Verbindung<br />

zum <strong>DAAD</strong>, unter anderem durch<br />

seine jahrelange Tätigkeit in der<br />

Auswahlkommission.<br />

Kubin ist Herausgeber und Autor<br />

einer zehnbändigen „Geschichte<br />

der chinesischen Literatur“, deren<br />

siebten Band er zurzeit fertigstellt.<br />

Mit seinen Übersetzungen moderner<br />

chinesischer Dichtung – von<br />

Autoren wie Lu Xun, Yang Lian,<br />

Gu Cheng und Bei Dao – fand er<br />

auch in China viel Aufmerksamkeit.<br />

Mit kritischen Thesen zum<br />

Zustand der chinesischen Gegenwartsliteratur<br />

löste er dort im vergangenen<br />

Jahr eine landesweite<br />

Debatte aus.<br />

Kubin, der auch selbst als<br />

Schriftsteller tätig ist, wird im<br />

September in Hongkong „Creative<br />

Writing“ unterrichten. Den Preis,<br />

der von dem Konsortium „Pamir<br />

Investment Group“ gestiftet wird,<br />

nimmt er am 16. Oktober in Peking<br />

entgegen. Weitere Preisträgerin<br />

ist die chinesische Dichterin<br />

Zhai Yongming, die Kubin ebenfalls<br />

übersetzt hat.<br />

Foto: Uni Bonn<br />

<strong>DAAD</strong><br />

<strong>Dass</strong> er gestorben ist, ist nicht<br />

logisch. Nachdem er 90 geworden<br />

war, hätte man sich ihn<br />

mit 900 mühelos vorstellen können.“<br />

Dies schrieb Peter Esterházy<br />

Ende Juli in der „Süddeutschen<br />

Zeitung“ – und gemeint war sein<br />

Schriftstellerkollege George Tabori,<br />

der am 23. Juli im Alter von 93<br />

Jahren in Berlin gestorben ist. Die<br />

deutsche Theaterszene ist ohne<br />

den weltberühmten Dramatiker<br />

kaum zu denken. Seit der aus<br />

Ungarn gebürtige Jude 1971 als<br />

Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms<br />

des <strong>DAAD</strong> endgültig<br />

nach Deutschland zurückkehrte,<br />

feierte er auf deutschsprachigen<br />

Bühnen – von Wien bis Berlin –<br />

große Erfolge.<br />

Tabori, dessen Vater in Auschwitz<br />

von den Nazis ermordet<br />

wurde, lebte in zwölf Ländern und<br />

schrieb mehr als 30 Theaterstücke<br />

– alle in englischer Sprache. Aufsehen<br />

erregten seine Werke, in<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

denen er die Nazizeit auf die<br />

Bühne brachte. Sie sind – so die<br />

Hitler-Farce „Mein Kampf“ (1987)<br />

oder das Auschwitz-Stück „Die<br />

Kannibalen“ (1968) – von seinem<br />

schwarzen, zugleich tief humanen<br />

Humor geprägt.<br />

Seit den 90er Jahren lebte Tabori<br />

ganz in Berlin und inszenierte bis<br />

zuletzt seine eigenen und viele<br />

andere Stücke der Weltliteratur<br />

am früheren Brecht-Theater, dem<br />

„Berliner Ensemble“. Dort hatte<br />

im Mai dieses Jahres sein letztes<br />

Stück „Gesegnete Mahlzeit“ Premiere.<br />

„Es gab sehr wenige Menschen,<br />

die nicht in ihn verliebt<br />

gewesen wären. Ich gehöre nicht<br />

zu diesen wenigen“, bekennt Peter<br />

Esterházy, der nicht nur die ungarische<br />

Herkunft mit Tabori gemeinsam<br />

hat: Auch er war <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiat im Berliner Künstlerprogramm.<br />

Llo<br />

41


42<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

<strong>DAAD</strong><br />

BüCHER VON UNSEREN LESERN<br />

Idol aus Amerika: Hollywood-Star James Dean<br />

1955 in „Rebel without a cause“<br />

Amerikanische Spuren<br />

„Amerika ist anders!“ Diese<br />

Aussage des Schriftstellers Carl<br />

Zuckmayer, der einige Jahre im<br />

amerikanischen Exil verbracht<br />

hat, stellen die Herausgeber dem<br />

in deutsch-amerikanischer Kooperation<br />

entstandenen Band voran.<br />

Darin gehen 24 Autoren und Autorinnen<br />

anhand vielfältiger Beispiele<br />

aus der deutschsprachigen<br />

Literatur und Publizistik des 20.<br />

Jahrhunderts dieser Andersartigkeit<br />

nach.<br />

Die Vereinigten Staaten von<br />

Amerika waren immer schon ferne<br />

Projektionsfläche für Modernität<br />

und Fortschritt, aber auch für<br />

Kulturpessimismus. Im 20., dem<br />

„amerikanischen“, Jahrhundert<br />

werden die Widersprüche, die<br />

Ambivalenz von Faszination und<br />

Abwehr in Texten und Bildern europäischer<br />

Künstler eklatant deutlich.<br />

In einem aufschlussreichen<br />

Beitrag über deutsche Intellektuelle<br />

im Nachkriegsdeutschland<br />

und ihr Verhältnis zu den USA<br />

erklärt Mitherausgeber Alexander<br />

Stephan, wie die politische,<br />

wirtschaftliche und kulturelle<br />

Entwicklung zu einem Sonderfall<br />

der Amerikanisierung und des<br />

gleichzeitigen Anti-Amerikanismus<br />

führte.<br />

Aus dem gleichen Projektzusammenhang<br />

entstand ein zweites<br />

Buch, das den Blick auf die Kul-<br />

turpolitik und die populäre Kultur<br />

erweitert. Es wird deutlich, dass<br />

die amerikanische Nachkriegs-<br />

Kulturpolitik wenig zur Amerikanisierung<br />

beigetragen hat. Filme<br />

aus Hollywood und der Rock’n<br />

Roll waren weit einflussreicher.<br />

Aktuelle deutsch-amerikanische<br />

Wechselwirkungen besonders in<br />

der bildenden Kunst, in Film und<br />

Massenmedien werden hier eingehend<br />

untersucht.<br />

Alexander Stephan lehrt als Professor<br />

of German und „Eminent<br />

Scholar“ an der Ohio State University<br />

in Columbus, Ohio; Jochen<br />

Vogt ist Professor für Germanistik<br />

und Medienpraxis an der Universität<br />

Duisburg-Essen. Beide wurden<br />

mehrfach vom <strong>DAAD</strong> gefördert.<br />

Jochen Vogt, Alexander Stephan<br />

(Hrsg.): Das Amerika der Autoren.<br />

Von Kafka bis 9/11. Wilhelm Fink<br />

Verlag, München 2006<br />

Alexander Stephan, Jochen Vogt<br />

(Hrsg.): America on my mind. Zur<br />

Amerikanisierung der deutschen<br />

Kultur seit 1945. Wilhelm Fink<br />

Verlag, München 2006<br />

Jüdisches Leben<br />

Die deutsche Wiedervereinigung<br />

und die Auflösung der Sowjetunion<br />

führten in Deutschland zu<br />

gesellschaftspolitischen Veränderungen<br />

auch in Bezug auf die jüdische<br />

Bevölkerung. Ihre Zahl ist<br />

stark angestiegen durch die Ein-<br />

Juden in Deutschland: An der neuen<br />

Synagoge von Bad Segeberg<br />

wanderung von Juden aus Russland<br />

und Osteuropa, so dass jüdische<br />

Kultur hierzulande wieder<br />

sichtbar wird. Der amerikanische<br />

Germanistikprofessor und Kulturwissenschaftler<br />

Jeffrey M. Peck<br />

von der Georgetown University in<br />

Washington hat untersucht, wie<br />

Juden nach der Wende in Deutschland,<br />

besonders in Berlin, leben.<br />

Zahlreiche Aufenthalte, teils mit<br />

<strong>DAAD</strong>-Förderung, ermöglichten<br />

ihm, sich als teilnehmenden Beobachter<br />

zu positionieren.<br />

Mit seinem interdisziplinären<br />

Ansatz gelingt es Peck, ein vielschichtiges<br />

Bild zu zeichnen. In<br />

seiner Untersuchung finden sich<br />

neben der Analyse von Ereignissen<br />

und unterschiedlichen Text sorten<br />

auch persönliche Eindrücke. Antisemitische<br />

Vorkommnisse werden<br />

keineswegs ausgelassen, doch es<br />

überwiegt die Einschätzung, dass<br />

sich gerade auch unter Mitwirkung<br />

der jüdischen Bevölkerung<br />

in Deutschland eine multikulturelle<br />

Gesellschaft entwickelt.<br />

Peck hat ab Herbst 2007 den<br />

vom <strong>DAAD</strong> geförderten Walter-<br />

Benjamin-Lehrstuhl für deutschjüdische<br />

Geschichte und Kultur<br />

an der Humboldt-Universität zu<br />

Berlin inne.<br />

Jeffrey M. Peck: Being Jewish in<br />

the New Germany. Rutgers University<br />

Press, New Brunswick, NJ,<br />

2006 HS<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Rätsel-Lösungen<br />

Die Lösung des vorigen Letter-Rätsels lautet:<br />

MONDSCHEIN.<br />

Die Lösung ergibt sich aus folgenden Wörtern: Sturmflut,<br />

Wolke, Regen, Wind, Glatteis, Schnee, Hagel, Erdbeben,<br />

Hitze, Nebel.<br />

Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />

Tamara Davitaia, Tbilissi/Georgien; Chris Epplett,<br />

Lethbridge/Kanada; Rodolfo C. Matin, Valdivia/Chile;<br />

Tao Wang, Nanjing/V. R. China; Ting Chen, Richardson/<br />

USA; Djilali Bassou, Sidi Bel Abbes/Algerien; S. Ursula<br />

Tapia Guerrero, Santiago/Chile; Ma Liyun, Beijing/V. R.<br />

China; Jasmina Čaušević, Brekovica Bihać,/Bosnien<br />

und Herzegowina; Anna Mercedes Hempel Sandoval,<br />

Asuncion/Paraguay.<br />

Einen Trostpreis erhalten:<br />

Anna Dembovscaia, Ribniza/Moldawien; Harumi Oguro,<br />

Kanagawa/Japan; Jolanta Le´snik, Szczecin/Polen; Jolanta<br />

Szamburska, Lodz/Polen; Deborah Sabadash, Toronto/<br />

Kanada; Maria Tomagova-Jurenikova, Bratislava/Slowakei;<br />

Natalja Gorowaja, Chabarowsk/Russland; Juliana Adelia<br />

Panero, Buenos Aires/Argentinien; Ihsan Mungan,<br />

Istanbul/Türkei; Marciel J. Stadnik, Florianópolis/Brasilien.<br />

Wer war’s?<br />

OTTO LILIENTHAL<br />

Einen Preis erhalten:<br />

Ohad Rix, Nes Ziona/Israel; Béla Nemoda, Cegléd/Ungarn;<br />

Ivan Laputska, Minsk/Weißrussland; Hanh Vu, Ho Chi<br />

Minh City/Vietnam; Hector Badano, Montevideo/Uruguay.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter<br />

Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Germany<br />

Tel.: +49-228-882-0, Fax: +49-228-882-444<br />

E-Mail: postmaster@daad.de<br />

Redaktion: Dr. Leonie Loreck (Llo) (verantwortlich),<br />

Dr. Isabell Lisberg-Haag (lb) (verantw. Seiten 20-21, 34-35),<br />

Katja Sproß (KS) (verantw. Seiten 15-19), Uschi Heidel (uwh)<br />

(verantw. Seiten 10-11)<br />

Weitere Autoren: Doris Bünnagel (db), Anja Feldmann,<br />

Christine Hardt, Hermann Horstkotte (H.H.) Klaus Hübner<br />

(Michel), Ruth Kuntz-Brunner, Anja Janus (aj),<br />

Christoph Kessler (C.K.), Kerstin Rippel (kri),<br />

Angelika Steffen, Claudia Wallendorf (CW) Cornelia Wegerhoff<br />

übersetzungen Abstracts: Elizabeth Crawford, Tony Crawford<br />

Koordination: Sabine Pauly<br />

Redaktionsbeirat: Dorothea Fitterling, Dr. Sebastian Fohrbeck,<br />

Claudius Habbich, Alexander Haridi, Francis Hugenroth (Vorsitz),<br />

Dr. Dorothea Jecht, Dr. Markus Motz, Dr. Anette Pieper,<br />

Friederike Schomaker, Dr. Siegbert Wuttig<br />

Gestaltung/Titel: axeptDESIGN, Berlin<br />

Titelfotos: Figuren: axeptDESIGN,<br />

Eiswürfel: David Chasy/Photodisc<br />

Herstellung: Königsdruck, Berlin<br />

Verlag: TrioService GmbH<br />

Kaiserstr. 139-141<br />

53113 Bonn, Germany<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Chausseestr. 103, 12159 Berlin<br />

Tel.: +49-30-91709362, Fax: +49-30-28096197<br />

E-Mail: loreck@trio-medien.de<br />

Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in<br />

jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter erscheint dreimal im Jahr.<br />

Einzelpreis 4,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />

inklusive Porto und MwSt.<br />

Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />

Ein Teil der Ausgabe enthält ein Faltblatt<br />

des <strong>DAAD</strong>-Freundeskreises.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07


2. April<br />

Angebot für Mütter<br />

Die Bundesregierung beschließt<br />

einen Plan zur besseren Kleinkind-<br />

Betreuung. Ziel ist es, bis 2013 für<br />

ein Drittel aller Kleinkinder einen<br />

Betreuungsplatz („Krippe“) zur<br />

Verfügung zu stellen. Dadurch soll<br />

jungen Müttern die Doppelrolle<br />

in Beruf und Familie erleichtert<br />

werden.<br />

19. April<br />

Wachstum nimmt zu<br />

Führende Institute für Wirtschaftsforschung<br />

rechnen mit einer weiteren<br />

Belebung der Konjunktur.<br />

Sie sagen für 2008 in Deutschland<br />

eine Wachstumsrate von 2,4 Prozent<br />

voraus.<br />

28. April<br />

Trauer um Weizsäcker<br />

Im Alter von 94 Jahren stirbt der<br />

Physiker und Philosoph Carl Friedrich<br />

von Weizsäcker. Er war der<br />

Bruder des früheren Bundespräsidenten<br />

Richard von Weizsäcker.<br />

Der Verstorbene hatte mit Büchern<br />

wie „Der bedrohte Friede“ immer<br />

wieder vor Kriegen und atomaren<br />

Katastrophen gewarnt.<br />

1. Mai<br />

Weniger Arbeitslose<br />

Die Zahl der Arbeitslosen geht auf<br />

3,97 Millionen zurück. Erstmals<br />

seit 2002 liegt damit die Marke<br />

unter vier Millionen.<br />

8. Mai<br />

Ja zur Integration<br />

Die CDU stellt ein neues Grundsatzprogramm<br />

vor. Mit Blick auf<br />

die rund sieben Millionen Ausländer<br />

wird die Bundesrepublik<br />

erstmals als „Integrationsland“<br />

bezeichnet. Zugleich wird auf die<br />

Notwendigkeit einer „Leitkultur“<br />

verwiesen.<br />

13. Mai<br />

Erfolg für Linksbündnis<br />

Bei den Bürgerschaftswahlen<br />

in Bremen, dem kleinsten deutschen<br />

Bundesland, erleiden die<br />

Regierungsparteien SPD und CDU<br />

Verluste. Erstmals gelingt einem<br />

Bündnis links von der SPD mit<br />

8,4 Prozent der Sprung in das<br />

Landesparlament. Die Kandidaten<br />

schließen sich im Juni der neuen<br />

Partei „Die Linke“ an. Aufgrund<br />

des Wahlergebnisses beendet Bremens<br />

Bürgermeister Jens Böhrn-<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />

Deutsche Chronik<br />

Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. April bis 31. Juli 2007)<br />

sen (SPD) die Zusammenarbeit<br />

mit der CDU und geht ein Bündnis<br />

mit den Grünen ein.<br />

19. Mai<br />

Stuttgart jubelt<br />

Die Mannschaft von VfB Stuttgart<br />

wird Deutscher Fussballmeister<br />

2007.<br />

28. Mai<br />

Immendorf gestorben<br />

Der Maler Jörg Immendorf stirbt<br />

im Alter von 61 Jahren an einer<br />

Nervenkrankheit. Er galt als einer<br />

der größten zeitgenössischen<br />

Künstler.<br />

7. Juni<br />

Weitreichende Pläne<br />

Die Staats- und Regierungschefs<br />

von acht führenden Industriestaaten<br />

(G8-Gruppe) verständigen<br />

sich bei einem Treffen in Heiligendamm<br />

an der Ostsee auf weitreichende<br />

Ziele zu Klimaschutz und<br />

Entwicklungshilfe. Mit Kanzlerin<br />

Angela Merkel als Gastgeberin<br />

unterzeichnen sie ein Dokument,<br />

wonach der Kohlendioxid-Ausstoß<br />

bis 2050 halbiert und die Finanzhilfen<br />

für Afrika stark ausgeweitet<br />

werden sollen.<br />

11. Juni<br />

Geld für Nazi-Opfer<br />

Das Hilfswerk für die Entschädigung<br />

von ehemaligen Zwangsarbeitern<br />

erklärt die Auszahlungen<br />

für beendet. Insgesamt wurden<br />

rund 4,4 Milliarden Euro an etwa<br />

1,7 Millionen Menschen ausgezahlt.<br />

Die Betroffenen hatten während<br />

des Zweiten Weltkriegs unter<br />

oft unmenschlichen Bedingungen<br />

für die Nazi-Kriegsmaschinerie arbeiten<br />

müssen.<br />

14. Juni<br />

Deutsche Sprache verlangt<br />

Der Bundestag ändert das Aufenthalts-<br />

und Asylrecht. Bis zuletzt<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Pause im Strandkorb:<br />

die Teilnehmer des G8-Gipfels<br />

mit Gastgeberin Angela Merkel<br />

(7. Juni)<br />

umstritten war der so genannte<br />

Ehegatten-Nachzug. Künftig gilt:<br />

Ein ausländischer Partner erwirbt<br />

durch die Heirat mit einer<br />

in Deutschland lebenden Person<br />

nicht automatisch das Aufenthaltsrecht.<br />

Vielmehr wird ein ständiges<br />

Wohnen nur dann erlaubt, wenn<br />

der Partner mindestens 18 Jahre<br />

alt ist und Grundkenntnisse der<br />

deutschen Sprache nachweisen<br />

kann.<br />

16. Juni<br />

Chance für Linke<br />

Bei einem Parteitag in Berlin formiert<br />

sich „Die Linke“ als neue<br />

Partei. Hervorgegangen ist sie<br />

aus dem Zusammenschluss von<br />

Linkspartei-PDS und der gewerkschaftsnahen<br />

Kleinpartei WASG.<br />

Laut Umfragen sympathisieren<br />

etwa zehn bis 15 Prozent der Wähler<br />

mit der neuen Linken.<br />

28. Juni<br />

Pannen bei Atom-Anlagen<br />

Die Atom-Industrie erlebt einen<br />

schwarzen Tag. Auf dem Gelände<br />

des Atomkraftwerks Krümmel<br />

kommt es zu einem Trafo-Brand.<br />

Am gleichen Tag geht auch der<br />

Atommeiler Brunsbüttel nach<br />

fehlerhaft vorgenommenen Reparaturarbeiten<br />

wegen eines Kurzschlusses<br />

vom Netz. Das Betreiber-Unternehmen<br />

Vattenfall unterrichtet<br />

die Bevölkerung und die<br />

Bundesregierung zunächst nur<br />

unvollständig über die Störfälle.<br />

Am 18. Juli tritt der Chef von Vattenfall<br />

Deutschland, Klaus Rauscher,<br />

von seinem Amt zurück.<br />

29. Juni<br />

Weniger Lohn<br />

Die Beschäftigten der Telefongesellschaft<br />

Telekom müssen in<br />

einem neuen Tarifvertrag Gehaltskürzungen<br />

von 6,5 Prozent hinnehmen.<br />

Vorausgegangen war ein<br />

wochenlanger Streik. Ursprünglich<br />

wollte die Arbeitgeber-Seite<br />

noch massivere Lohnkürzungen<br />

durchsetzen.<br />

4. Juli<br />

„Gläserne“ Politiker<br />

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

in Karlsruhe<br />

müssen die Bundestagsabgeordneten<br />

künftig ihre Nebeneinkünfte<br />

offenlegen. Betroffen<br />

davon sind rund 600 Politiker.<br />

12. Juli<br />

Migranten protestieren<br />

Das Kanzleramt veranstaltet mit<br />

zahlreichen Ausländer-Organisationen<br />

einen „Integrationsgipfel“.<br />

Drei große türkische Verbände<br />

boykottieren das Treffen. Ihre<br />

Begründung: Das neue Zuwanderungsgesetz<br />

diskriminiere<br />

türkische Migranten, weil das<br />

„Nachholen“ eines Ehepartners<br />

erschwert werde.<br />

13. Juli<br />

Saurier als Attraktion<br />

Im Naturkundemuseum Berlin<br />

beginnt eine Ausstellung mit dem<br />

größten Dinosaurier-Skelett der<br />

Welt. Es stammt aus Tansania, ist<br />

15 Meter lang und 13 Meter hoch.<br />

19. Juli<br />

Riesenprojekt der Bahn<br />

Die Bahn AG beschließt endgültig<br />

den Ausbau des Schienennetzes<br />

im Raum Stuttgart. Der Stuttgarter<br />

Hauptbahnhof soll von einem<br />

Kopf- zu einem Durchgangsbahnhof<br />

umgestaltet werden. Durch<br />

Neubau einer Schnellbahn-Trasse<br />

soll der Flughafen in acht Minuten<br />

erreichbar sein und sich die<br />

Fahrtzeit bis Ulm wesentlich verkürzen.<br />

Die Kosten werden auf 4,8<br />

Milliarden Euro geschätzt. Etwa<br />

2016 soll das Bau-Vorhaben abgeschlossen<br />

sein.<br />

22. Juli<br />

Ulrich Mühe tot<br />

Der Schauspieler Ulrich Mühe erliegt<br />

im Alter von 54 Jahren einem<br />

Krebsleiden. Er war Hauptdarsteller<br />

des mit einem Oscar ausgezeichneten<br />

Films „Das Leben der<br />

Anderen“.<br />

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