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Nr. 2 August 2007, 27.Jg.
Foto: BDLI e.V. / Rolls-Royce Deutschland<br />
Foto: Walter G. Allgoewer/JOKER<br />
2<br />
Inhalt<br />
Neue Bahntechnik in Paderborn<br />
S.16<br />
Internationale<br />
Geisteswissenschaftler diskutieren<br />
in der Freien Universität Berlin<br />
S.29<br />
Die chilenische Bildhauerin<br />
Alejandra Ruddoff arbeitet in<br />
Potsdam an ihrer Skulptur<br />
S.4<br />
Rolls-Royce ist Hersteller von<br />
Flugtriebwerken und Kooperationspartner<br />
der Technischen Universität Darmstadt<br />
S.10<br />
Titel:<br />
Mit erneuerbaren Energien<br />
gegen den Klimawandel<br />
S.24<br />
Foto: Martin Schmidt-Roßleben<br />
Abb.: RailCab – Neue Bahntechnik Paderborn<br />
Foto: Reiner Zensen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Dialog Seite 4<br />
Frauenpower aus Chile S. 4<br />
Brief aus der Mongolei S. 7<br />
<strong>DAAD</strong>-Standpunkt S. 7<br />
Spektrum Deutschland Seite 8<br />
Hochschule Seite 10<br />
Keine verlängerte Werkbank<br />
Hochschulen und Unternehmen als Partner S. 10<br />
Yoga auf dem Dach<br />
Sommerschule für Architekturstudenten S. 12<br />
Neues vom Campus S. 13<br />
Wissenschaft & Wirtschaft Seite 15<br />
Ortstermin Seite 16<br />
Labor für Denker<br />
Ost-Westfalen: Bielefeld und Paderborn S. 16<br />
Europa Seite 18<br />
Mobilität steht im Zentrum<br />
Die vierte Bologna-Konferenz S. 18<br />
Arbeiten weltweit Seite 20<br />
Dynamik und Inselromantik<br />
Zwei Deutsche in Irland S. 20<br />
Rätsel Seite 22<br />
Sprachecke Seite 23<br />
Trends Seite 24<br />
TITEL:<br />
Rückenwind für Klimaschutz S. 24<br />
<strong>DAAD</strong> Report Seite 29<br />
Bekenntnis zur Vielfalt<br />
Die Internationalität der Geisteswissenschaften S. 29<br />
„Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />
Diskussion zur Sprachenpolitik in Berlin<br />
Gestern Stipendiat – und heute ...:<br />
S. 31<br />
Mahmoud Hamdy Zaqzouq S. 33<br />
Stipendiaten forschen S. 34<br />
Nachrichten S. 36<br />
Köpfe S. 41<br />
Bücher von unseren Lesern S. 42<br />
Impressum S. 42<br />
Deutsche Chronik Seite 43<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Mehr als 80 Prozent der Deutschen achten<br />
darauf, dass das Licht nicht dauernd<br />
brennt, 70 Prozent lassen elektrische Geräte<br />
nicht auf Standby stehen, und jeder Dritte hat<br />
die Wärmedämmung in seiner Wohnung verbessert.<br />
Dies hat das Institut für Demoskopie<br />
Allensbach herausgefunden. Wenn man den<br />
Umfrage-Ergebnissen glauben darf, liegt der<br />
Klimaschutz den Deutschen sehr am Herzen.<br />
Die bereits heute sichtbaren Auswirkungen<br />
des Klimawandels – von Unwetterkatastrophen<br />
bis zum Schmelzen des „ewigen“ Eises – sind<br />
laut Weltklimabericht der UN zu einem großen<br />
Teil von Menschen gemacht. Das schreckt<br />
viele Bürger auf. Unsere Titelgeschichte (ab<br />
Seite 24) handelt von zahlreichen Initiativen,<br />
dem Klimakollaps entgegenzusteuern – etwa<br />
durch die Nutzung erneuerbarer Energien wie<br />
Sonne, Wind oder Biomasse.<br />
Angesichts der alarmierenden Prognosen ist<br />
klar: Die bisherigen Anstrengungen müssen<br />
um ein Vielfaches verstärkt werden – und sie<br />
müssen international sein. Deshalb hat Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel in diesem Jahr als<br />
Ratspräsidentin der Europäischen Union und<br />
als Gastgeberin beim G8-Gipfel in Heiligendamm<br />
das Thema Klimaschutz zur Chefsache<br />
gemacht. Und deshalb tun sich Forscher über<br />
Grenzen hinweg zusammen, um nach neuen<br />
Lösungen zu suchen.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Ob Klimaschutz, Wissenschaft oder Sprache:<br />
Internationalität auf allen Gebieten<br />
Ohne weltweite Kooperation geht es auch<br />
in den Geisteswissenschaften nicht.<br />
Über die Bedeutung der „Internationalität der<br />
Geis teswissenschaften in einer globalisierten<br />
Welt“ waren sich die Teilnehmer eines gleichnamigen,<br />
vom <strong>DAAD</strong> gemeinsam mit der<br />
Freien Universität Berlin veranstalteten Kongresses<br />
einig (Bericht auf Seite 29). Echte Zusammenarbeit<br />
setzt voraus, dass man sich mit<br />
den Wissenschaftstraditionen des jeweiligen<br />
Partners und seines Landes auseinandersetzt,<br />
so ein Ergebnis.<br />
Im Plenum saßen 150 ausländische Doktoranden,<br />
derzeit <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten an deutschen<br />
Hochschulen. Sie hätten so manches<br />
über die Situation der Geisteswissenschaften<br />
bei sich daheim erzählen können. Weil das<br />
beim Berliner Kongress zu kurz kam, regte der<br />
bulgarische <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Daniel Smilovski,<br />
der in Kiel im Bereich Europäische Ethnologie<br />
promoviert, eine eigene Tagung der Doktoranden<br />
an. 60 haben bereits ihr Interesse<br />
angemeldet. Sie wollen unter anderem die Fra-<br />
Editorial<br />
ge diskutieren, wie sie als Ausländer die deutsche<br />
Wissenschaftskultur „vor Ort verändern<br />
und bereichern“ können. Die Tagung, die im<br />
November in Gießen stattfinden soll, wird vom<br />
<strong>DAAD</strong> unterstützt. Letter wird berichten.<br />
Internationalität bedeutet nicht Vereinheitlichung.<br />
Darin waren sich die Geisteswissenschaftler<br />
einig. <strong>Dass</strong>elbe gilt nach Meinung<br />
von Experten auch für die Sprache in<br />
der Wissenschaft. Warum neben Englisch,<br />
als der unbestrittenen Lingua franca für die<br />
internationale Kommunikation, Deutsch als<br />
Fachsprache weiterhin eine Rolle spielen soll,<br />
diskutierten Teilnehmer einer <strong>DAAD</strong>-Tagung<br />
zum Thema: „Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />
(Bericht auf Seite 31).<br />
Über die Mehrsprachigkeit ihrer Leser freut<br />
sich die Letter-Redaktion und wünscht eine<br />
gute Lektüre!<br />
3<br />
Abb.: www.digitalstock.de
4<br />
Dialog<br />
Ein Kunstwerk der chilenischen Bildhauerin<br />
Alejandra Ruddoff ist in Deutschland zum<br />
„Wahrzeichen“ geworden<br />
Hochzeitspaare, Schulklassen und Touristen<br />
lassen sich vor der Skulptur fotografieren,<br />
und Autofahrer grüßen täglich<br />
hinüber zu dem überlebensgroßen grauen<br />
Menschen, der dort – mitten im Potsdamer<br />
Verkehr – kraftvoll „nach vorn“ strebt. „Nach<br />
vorn“ – das ist der Name, den die Chilenin<br />
Alejandra Ruddoff ihrem Werk gegeben hat.<br />
Und wenn sie berichtet, wie die Skulptur entstanden<br />
und wie sie an den prominenten Platz<br />
an der Potsdamer „Humboldt-Brücke“ gelangt<br />
ist, dann erzählt sie zugleich die Geschichte<br />
einer langjährigen deutsch-chilenischen Beziehung.<br />
Die begann mit dem österreichischen Großvater<br />
und der italienischen Großmutter, die<br />
nach Chile auswanderten. „Mein Vater sprach<br />
manchmal Deutsch, und ich habe in Santiago<br />
de Chile eine deutsche Ursulinenschule<br />
besucht“, erzählt Alejandra Ruddoff, die 1960<br />
in Santiago geboren wurde. Mit dem Kunststudium<br />
an der Universidad de Chile folgte<br />
die junge Alejandra ihrer „Berufung“, wie<br />
sie sagt. Doch zur Zeit der Pinochet-Diktatur<br />
herrschten an der Hochschule chaotische Zustände,<br />
und das Studium befriedigte sie nicht.<br />
Nach dem Magis ter in der Fachrichtung Bildhauerei<br />
wollte sie dringend weiterlernen.<br />
Lehrjahre<br />
Sie veräußerte einige Bildhauerarbeiten, kaufte<br />
davon ein Flugticket und reiste 1986 mit<br />
Rucksack und 300 Dollar nach Deutschland<br />
– ins Ungewisse. Vorher hatte sie sich beim<br />
<strong>DAAD</strong> um ein Stipendium beworben. „Ob ich<br />
es bekommen würde, wusste ich nicht, aber<br />
ich wollte in Deutschland unbedingt meinen<br />
Professor finden“, erinnert sie sich. Eine<br />
dreimonatige „Irrfahrt“ quer durch Deutschland<br />
führte sie zu Kunstakademien von Bremen<br />
bis Stuttgart – bis sie ihren künftigen<br />
„Lehrmeister“ in München fand. Der Bildhauer<br />
Hans Ladner an der Münchner Akademie<br />
für Bildende Künste wollte die junge Chilenin<br />
dann auch gleich in seiner Werkstatt arbeiten<br />
lassen. Doch dieser Traum erfüllte sich für<br />
Alejandra Ruddoff erst, als sie 1987 mit dem<br />
heiß ersehnten Stipendium nach München<br />
zurückkehrte.<br />
Es wurde „das wichtigste Jahr“ ihrer Ausbildung.<br />
Erst bei Hans Ladner holte sie sich das<br />
handwerkliche Rüstzeug – vom Zeichnen bis<br />
Fotos: Martin Schmidt-Roßleben<br />
Frauenpower aus Chile<br />
zu Aktstudien. „Das braucht man, bevor man<br />
abstrakt arbeiten kann“, ist Alejandra Ruddoff<br />
überzeugt. Als ihr der <strong>DAAD</strong> ein weiteres Stipendium<br />
gab, kehrte sie 1991 für zwei Jahre<br />
zurück – mitsamt ihren zwei kleinen Kindern<br />
Daniel und Elisa.<br />
Zum Studium, das sie mit dem deutschen<br />
Diplom abschloss, gehörten Arbeitstreffen<br />
mit internationalen Künstlerkollegen, Wettbewerbe<br />
und Praxis-Seminare, die für ihre<br />
Kunst wegweisend wurden. So die Arbeit in<br />
den Hallen der Automobilfabrik BMW, wo sie<br />
sich gemeinsam mit anderen Ladner-Schülern<br />
mit Energie, Bewegung und Geschwindigkeit<br />
auseinandersetzte. Faktoren, die sich seitdem<br />
in vielen ihrer Werke finden, so in „Hommage<br />
an den Wind“ aus dem Jahr 2000: Vier Säulen<br />
aus Stahl, jede neun Meter hoch, sind<br />
Sinnbild für Dynamik: Die Skulptur „Nach vorn“<br />
hat ihren Standort in Potsdam. Alejandra<br />
Ruddoff arbeitet an einem Modell<br />
für die endgültige Form, oben mit<br />
Michael Dinné vom Volkswagen<br />
Design Center<br />
mit einer Konstruktion gekrönt, die sich bei<br />
starkem Wind bewegt – eine Allegorie auf das<br />
Verstreuen von Samen in der Natur. Die von<br />
der chilenischen Regierung prämierte Arbeit<br />
säumt eine Landstraße in Patagonien im südlichen<br />
Chile.<br />
„Nach vorn“<br />
Einen Standort im öffentlichen Raum wünschte<br />
sich Alejandra Ruddoff auch für ihr 1995 erstmals<br />
als kleines Modell konzipiertes Werk<br />
„Nach vorn“. 1997 kam sie nach Deutschland,<br />
um die Skulptur in voller Größe und bestehend<br />
aus Styrodur sowie einer Beschichtung<br />
von Glasfaser und Polyester in einer Berliner<br />
Werkstatt zu realisieren.<br />
Zur gleichen Zeit entwickelte im nahen Potsdam<br />
Martin Schmidt-Roßleben als Beauftrag-
ter der Stadt ein Konzept für den Kultur- und<br />
Gewerbestandort „Schiffbauergasse“. Auf historischem<br />
Gelände entsteht ein gemeinsamer<br />
Ort für High-Tech-Unternehmen und eine<br />
lebendige Kunst- und Theaterszene. Es war<br />
ein Berliner Galerist, der Schmidt-Roßleben<br />
auf die Skulptur „Nach vorn“ aufmerksam<br />
machte. Die Stadt erwärmte sich schnell für<br />
das teils abstrakte, teils figürliche Werk – versinnbildlicht<br />
es doch Dynamik und Bewegung<br />
des Standorts: Auf einem Rasenstück an der<br />
verkehrsreichen Humboldt-Brücke, unmittelbar<br />
neben der Schiffbauergasse, wurde die<br />
Skulptur 2002 als neues „Wahrzeichen“ feierlich<br />
enthüllt.<br />
Vollendung in Metall<br />
Die Figur, eingespannt in die Kurbelwelle,<br />
die sie vorantreibt, ist auch für die Künstlerin<br />
selbst Symbol des modernen Menschen und<br />
seiner positiven Energie. Gleichzeitig stellen<br />
die großen Scheiben historische Fixpunkte<br />
dar, „vielleicht die Französische Revolution<br />
oder die deutsche Wiedervereinigung“, erklärt<br />
Ruddoff. „Der Mensch hat seinen Anteil an<br />
der Geschichte – eine harte und komplizierte<br />
Arbeit. Deutlich zeigt die Entwicklung von<br />
unten nach oben, ins Unendliche.“ Das sah<br />
der Schriftsteller und damalige chilenische<br />
Botschafter Antonio Skármeta, übrigens auch<br />
ehemaliger <strong>DAAD</strong>-Stipendiat, bei der Enthüllungsfeier<br />
2002 ganz ähnlich: Er erkannte in<br />
der „abgerundeten Bewegung“ der Skulptur<br />
etwas „Übersinnliches“, die „nicht abgeschlossene<br />
Geschichte der aufregenden menschlichen<br />
Schöpfung“.<br />
Als die Skulptur 2005 zerstört wurde –<br />
Vandalen hatten ihr den Kopf abgeschlagen<br />
–, kam Alejandra Ruddoff nach Potsdam, um<br />
sie zu reparieren. Damals wurde der Plan gefasst,<br />
der Plastik eine dauerhaftere Form zu<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
geben und sie in Metall zu gießen – ein teures<br />
Unternehmen, für das die Stadt kaum Mittel<br />
zur Verfügung hat.<br />
Doch nun zeigt sich, dass um die Chilenin<br />
und ihr Kunstwerk in Potsdam ein echter<br />
Freundes- und Sponsorenkreis entstanden ist.<br />
Das Volkswagen Design Center, das sich mit<br />
seinem neuen Atelier in der Schiffbauergasse<br />
niedergelassen hat und dort mit modernster<br />
Technik schnittige neue Autos entwirft, gab<br />
der Künstlerin die Möglichkeit, vor Ort ein Modell<br />
als Grundform für den Guss herzustellen.<br />
Und viele Freunde des Kunstwerks – von der<br />
Bürgerinitiative „Pro Schiffbauergasse“ bis<br />
hin zur chilenischen Botschaft – setzen sich<br />
dafür ein, dass die Finanzierung gelingt und<br />
die Vollendung der Skulptur in den nächsten<br />
Jahren realisiert werden kann.<br />
Für Alejandra Ruddoff, die sich mit zahlreichen<br />
Ausstellungen weit über Chile hinaus<br />
einen Namen gemacht hat und seit 2000 auch<br />
als Dozentin für Bildhauerei und Komposition<br />
an der Kunstfakultät der Universidad de Chile<br />
tätig ist, reißt der Kontakt nach Deutschland<br />
somit nicht ab. Den Platz an der Humboldt-<br />
Brücke – benannt nach dem Südamerika-Forscher<br />
Alexander von Humboldt – bezeichnet<br />
sie selbst als „ideal“ für ihr Werk. Dies bildet<br />
übrigens keineswegs die einzige Verbindung<br />
von Potsdam nach Chile. Die chilenische<br />
Staatspräsidentin Michelle Bachelet, die unter<br />
der Pinochet-Diktatur von 1975 bis 1979 im<br />
deutschen Exil lebte, wohnte damals in Potsdam<br />
und fand hier ein zweites Zuhause. Auch<br />
sie ist eine prominente Befürworterin des Ruddoffschen<br />
Werks.<br />
Leonie Loreck<br />
Dialog<br />
Die Chilenin Paz Aburto möchte<br />
als Ausstellungs-Macherin<br />
Grenzen überwinden<br />
Auf die Frage, warum sie Kuratorin ist, antwortet<br />
Paz Aburto kurz und bündig: „Wegen<br />
der Demokratie und des Kapitalismus.“<br />
Seit Beginn der 80er Jahre, so erzählt sie, habe<br />
sich in Chile der Kapitalismus entwickelt,<br />
nach Ende der Pinochet-Diktatur 1989 sei die<br />
Demokratie gefolgt. Beides revolutionierte<br />
die Kunstszene des Landes. „Mit der Demokratie<br />
begann ein großes staatliches Förderprogramm<br />
für die Kunst, was geradezu eine<br />
Explosion von Künstlern, Kunst-Projekten,<br />
Ausstellungen, Galerien und Kunstschulen zur<br />
Folge hatte“, erzählt die 30-jährige Chilenin.<br />
Schon als Studentin der Literatur an der<br />
Universidad de Chile in Santiago begann sie,<br />
über die chilenische Kunst zu schreiben. Die<br />
exponierte Lage ihrer Studentenbude direkt<br />
gegenüber vom Museum für Zeitgenössische<br />
Kunst kam ihr dabei sehr entgegen, erzählt<br />
sie lachend. Als sie 2003 zu einem Deutsch-<br />
Sprachkurs nach Essen kam, hatte sie 60 Kilo<br />
Material über 40 moderne chilenische Künstler<br />
im Gepäck und den Auftrag, daraus den<br />
Katalog für eine große Ausstellung über die<br />
neue Entwicklung der chilenischen Malerei<br />
vorzubereiten.<br />
Kritischer Diskurs<br />
Bis heute gibt es in Chile einen großen Markt<br />
für traditionelle Kunsttexte, doch das bloße<br />
Beschreiben von Kunst befriedigte Paz Aburto<br />
schon bald nicht mehr. „In Chile wird viel interessante<br />
Kunst produziert, aber die Kataloge<br />
haben oft nur repräsentative Funktion. Viel<br />
5
6<br />
Dialog<br />
wichtiger ist für diesen Kontext das Kuratieren<br />
von Ausstellungen, wobei Kunst nicht nur erklärt<br />
wird, sondern die Zusammenarbeit von<br />
Künstler und Kurator den kritischen Diskurs<br />
produziert.“<br />
„Kuratorischer Diskurs als Legitimationsform<br />
der Kunst“ ist dann auch der Titel ihrer<br />
Doktorarbeit, an der sie seit 2004 als <strong>DAAD</strong>-<br />
Stipendiatin an der Humboldt-Universität<br />
zu Berlin arbeitet. Gefragt, warum sie gerade<br />
Deutschland als Studienort gewählt habe,<br />
spricht Paz Aburto von Hegel und Winckelmann<br />
und deren Einfluss auf die taditionelle<br />
Kunstgeschichte und schlägt den Bogen bis<br />
zu den Kuratoren der großen Kasseler Kunstschau,<br />
der „documenta“, die seit den 70er<br />
Jahren die eurozentrische Sicht und lineare<br />
Chronologie traditioneller Kunstbetrachtung<br />
aufgebrochen haben.<br />
Keine Einbahnstraßen<br />
Kunstbeziehungen machen vor fernen Grenzen<br />
nicht Halt – diese Überzeugung leitet<br />
Paz Aburto, wenn sie sich als Ausstellungs-<br />
Macherin betätigt. Im vorigen Jahr assistierte<br />
sie der berühmten Kuratorin Catherine David<br />
bei einem Berliner Projekt, das irakischer<br />
Kunst und Kultur in Berlin eine Plattform bot.<br />
Zuvor hatte sie an einem Seminar über zeitgenössische<br />
arabische Kunst teilgenommen, das<br />
Catherine David an der Humboldt-Universität<br />
abgehalten hatte. Paz Aburto referierte dort<br />
über die chilenische Künstlerin Claudia Aravena<br />
Abughosch, deren Mutter Palästinenserin<br />
Paz Aburto vor dem Werk<br />
„Die stille Revolution“<br />
von Demian Schopf<br />
ABSTRACT<br />
Women at Work: Chile<br />
One creates works of art; the other exhibits art.<br />
Both are from Chile. Alejandra Ruddoff,<br />
sculptor and <strong>DAAD</strong> alumna, found her<br />
“taskmaster” 20 years ago at the Academy<br />
of Fine Arts in Munich. Today, she is one of<br />
the foremost artists in Chile. Her sculpture<br />
called “Nach vorn” (“Forward”) has become<br />
a landmark in the city of Potsdam.<br />
Curator Paz Aburto is doing her doctorate on<br />
a <strong>DAAD</strong> scholarship at Humboldt-Universität<br />
in Berlin. As a creator of exhibitions, her<br />
work includes presenting Chilean artists in<br />
Germany and introducing German artists in<br />
Chile. For Aburto, the focal point of working<br />
with artists is “critical discourse” about art.<br />
Foto: Reiner Zensen<br />
ist und die sich in ihrem preisgekrönten „Palästina-Projekt“<br />
filmisch mit Fragen der Emigration<br />
auseinandersetzt.<br />
Junge Kuratoren aus verschiedenen lateinamerikanischen<br />
Ländern stellten im vergangenen<br />
Jahr in einer Ausstellung in Weimar<br />
moderne Kunst aus ihrer jeweiligen Region<br />
vor. Paz Aburto präsentierte neben anderen<br />
chilenischen Künstlern ihren Landsmann Demian<br />
Schopf. Er hat als <strong>DAAD</strong>-Stipendiat in<br />
Deutschland studiert und sich inzwischen einen<br />
Namen gemacht. Bei seinen Installationen<br />
– oft zu politischen Themen – arbeitet er mit<br />
Fotografie, Video und Computer.<br />
Die Kuratorin akzeptiert für die Kunst keine<br />
Einbahnstraßen: In diesem Jahr war in Santiago<br />
de Chile eine Ausstellung der deutschen<br />
Künstlerin Meggie Schneider zu sehen, die<br />
dort ihr chilenisches „Lebendiges Archiv“<br />
präsentierte. Sie hatte zwei Monate lang das<br />
Fernsehverhalten chilenischer Bürger studiert<br />
und auf Video gebannt.<br />
Im Dokumentationszentrum des Palacio la<br />
Moneda, des Präsidentenpalastes in Santiago,<br />
zeigten die Künstlerin und ihre Kuratorin das<br />
Ergebnis. Paz Aburto: „In dieser monumentalen<br />
Architektur gab es bisher überhaupt<br />
keinen öffentlichen Treffpunkt. Wir haben die<br />
Ausstellung dort in einen TV-Raum integriert,<br />
also einen häuslichen Bereich, der zum Ort<br />
für öffentliche Diskussionen über Kunst geworden<br />
ist.“<br />
Die chilenische Kunst bleibt nach Ansicht<br />
von Paz Aburto bis heute zu sehr in nationalen<br />
Grenzen verhaftet oder sieht höchstens<br />
ihre traditionellen Beziehungen zu Europa.<br />
Viele wissen von dem großen Einfluss des<br />
deutschen Fluxus-Künstlers Wolf Vostell auf<br />
die chilenische Videokunst, aber die parallelen<br />
Strukturen etwa in der brasilianischen<br />
oder argentinischen Kunst werden übersehen,<br />
meint sie. Für die junge Kuratorin gibt es noch<br />
viel zu tun.<br />
Leonie Loreck
Brief aus der Mongolei<br />
von Shirchinbaatar Gontschig<br />
„Seit mehreren Jahren pflege ich enge Kontakte<br />
zu Professor Christian Wetzel an der<br />
Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy<br />
in Leipzig. Bei unserer Zusammenarbeit,<br />
die vom <strong>DAAD</strong> gefördert wird,<br />
geht es im Bereich der Forschung um spezifisch<br />
europäische Fragestellungen in meiner<br />
Instrumentengattung, der Oboe, aber auch um<br />
den bilateralen Austausch von Lehr- und Lernmethoden.<br />
Die Situation der mongolischen Musiker und<br />
Musikwissenschaftler ist immer noch schwierig.<br />
Es fehlt an Literatur, Notenmaterial, Instrumenten<br />
und Ersatzteilen. Das in Ulan-Bator<br />
verfügbare Material ist veraltet und stammt<br />
zum Teil noch aus Sowjetzeiten. Bei meinem<br />
letzten Besuch konnte ich – von meinem<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendium – umfangreiches Material<br />
(Literatur, Noten und Instrumentenzubehör)<br />
für meine mongolischen Studenten erwerben.<br />
Dies hat die materielle Situation an unserer<br />
Hochschule kurzfristig verbessert. Der hohe<br />
Verschleiß besonders an Mundstücken für die<br />
Oboe führt aber immer wieder zu Engpässen.<br />
Meinem Forschungsaufenthalt in Leipzig<br />
2004 habe ich zu verdanken, dass ich damit<br />
beginnen konnte, ein mongolisches Standardwerk<br />
über „Lehr- und Lernmethoden für Oboe<br />
an Schulen und Hochschulen in der Mongolei“<br />
zu verfassen. Seit 2004 habe ich mich auch<br />
intensiv mit dem von Mozart komponierten<br />
C-Dur-Oboenkonzert für Orchester befasst.<br />
Es ist ein einzigartiges Werk und gehört zum<br />
Pflichtprogramm von internationalen Musik-<br />
Wettbewerben. Ansätze der Methodik besonders<br />
zu diesem Stück verwende ich in meiner<br />
Lehre.<br />
Während meines jüngsten Aufenthalts in<br />
Leipzig von April bis Mai 2007 habe ich meine<br />
Beschäftigung mit dem Mozart-Konzert<br />
vertieft, viele weitere Anregungen, Ideen und<br />
Erfahrungen gesammelt und mit Kollegen diskutiert.<br />
Es ist für mich eine Bereicherung, die<br />
europäische Musikwelt kennenzulernen, die<br />
deutsche Musikkultur live zu erleben und den<br />
westlichen Lehrbetrieb zu studieren, zumal<br />
Oboe ursprünglich ein europäisches Blasinstrument<br />
ist.<br />
Inzwischen hat ein Leipziger Kollege bei uns<br />
auch die mongolische Musikkultur kennengelernt.<br />
Unseren Austausch, der die deutschmongolischen<br />
Kulturbeziehungen beleben<br />
kann, werden wir fortsetzen.“<br />
Shirchinbaatar Gontschig ist Professor für<br />
Oboe am Musik- und Tanzkolleg in Ulan-Bator.<br />
Er hat zahlreiche Kompositionen für Oboe geschrieben.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Ehrgeiziges Ziel<br />
Im Bologna-Prozess sind noch Wünsche offen<br />
Von Christian Bode<br />
Foto: Eric Lichtenscheidt<br />
In ganz Europa grenzenlos forschen, lehren<br />
und studieren können; einen Abschluss<br />
machen, der überall anerkannt wird und beruflich<br />
in ganz Europa genutzt werden kann:<br />
So lautet das ebenso einfache wie ehrgeizige<br />
Ziel, das sich die Bildungsminister der Europäischen<br />
Union (EU) gesetzt haben. Es soll<br />
für den gesamten Bologna-Raum mit seinen<br />
mittlerweile 46 Staaten gelten, von Coimbra<br />
bis Chabarovsk.<br />
Dies alles formuliert sich in ministeriellen<br />
Communiqués recht einfach, aber der Teufel<br />
steckt im Detail. Nur mit Enthusiasmus, Mut<br />
zum Unterschied und gegenseitigem Respekt<br />
lassen sich die Barrieren überwinden, die die<br />
Nationalstaaten im Laufe jahrhundertelanger<br />
Konflikte zwischen sich aufgetürmt haben.<br />
Der Bologna-Prozess bietet eine einmalige<br />
Chance und hat inzwischen eine nie für<br />
möglich gehaltene Dynamik angenommen.<br />
Universitäten vernetzen sich, und die nationalen<br />
Konzepte zur Hochschulpolitik werden<br />
aufein ander abgestimmt. Die Fortschritte<br />
sind unverkennbar: harmonisierte Abschluss-<br />
Systeme, anrechenbare Kreditpunkte, bessere<br />
Informationen über Studienmöglichkeiten und<br />
das ständig wachsende Erasmus-Programm,<br />
das in einigen Jahren über 300 000 Studierende<br />
pro Jahr über die Grenzen von mehr als<br />
30 Ländern Europas bewegen wird – das alles<br />
Dialog<br />
<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />
Dr. Christian Bode ist<br />
Generalsekretär des <strong>DAAD</strong><br />
sind Errungenschaften, die noch vor einem<br />
Jahrzehnt utopisch erschienen.<br />
Und doch gibt es auch Probleme und Sorgen,<br />
die den Prozess begleiten; ebenso wie weitere<br />
Wünsche und Hoffnungen. Die oftmals zu eng<br />
gestrickten dreijährigen Bachelor-Studiengänge<br />
etwa lassen zu wenig Raum für längere<br />
Auslandserfahrungen. Die Anrechnung von<br />
erbrachten Leistungen ist häufig noch kleinherzig<br />
bis kleinkariert. Außerdem ist ein Auslandsaufenthalt<br />
für viele zu teuer, die nationalen<br />
Förderprogramme sind zu klein dimensioniert<br />
und die Fremdsprachen-Kompetenz<br />
der Teilnehmer ist oft unzureichend.<br />
Es ist daher nur folgerichtig, dass die europäischen<br />
Bildungsminister nicht zuletzt auf<br />
Betreiben der deutschen Seite die „grenzenlose<br />
Mobilität“ auf der Ministerkonferenz in<br />
London im Mai dieses Jahres wieder dorthin<br />
gerückt haben, wo sie am Anfang des Bologna-<br />
Prozesses stand: an die Spitze der Agenda.<br />
Zur Verbesserung der Mobilität wurden dabei<br />
unter anderem die Einrichtung gemeinsamer<br />
Studiengänge mit ausländischen Hochschulen<br />
und flexiblere Curricula mit Mobilitätsfenstern<br />
während des Bachelor-Studiums vorgeschlagen.<br />
Der <strong>DAAD</strong> befürwortet diese Vorschläge<br />
nachdrücklich und wird bei deren Umsetzung<br />
die deutschen Hochschulen im Rahmen seiner<br />
Möglichkeiten unterstützen.<br />
7
Foto: Youssef Alroui<br />
8<br />
Spektrum Deutschland<br />
Deutsche Welle<br />
Bloggen für<br />
eine bessere Welt<br />
Die Deutsche Welle (DW),<br />
die Rundfunk- und Fernsehprogramme<br />
aus und<br />
über Deutschland in mehr<br />
als 30 Sprachen in die Welt<br />
trägt, engagiert sich für Meinungsfreiheit<br />
im Internet.<br />
Mit dem „Deutsche Welle<br />
International Weblog Award<br />
– The BOBs“ prämiert der<br />
Sender seit 2004 vor allem<br />
Blogs, so genannte Online-<br />
Tagebücher, die sich kritisch<br />
mit der politischen und<br />
gesellschaftlichen Entwicklung<br />
des jeweiligen Landes<br />
auseinandersetzen.<br />
Das US-amerikanische<br />
Weblog „Sunlight Founda-<br />
Foto: Julia Fuchs<br />
tion“ erhielt 2006 den ersten<br />
Preis, weil es sich partei-<br />
übergreifend für mehr Transparenz<br />
bei US-Regierung und Behörden<br />
einsetzt. Ein Sonderpreis<br />
ging an zwei persische Blogs, die<br />
Menschenrechtsverletzungen im<br />
Iran anprangerten.<br />
Neue Vorschläge können ab<br />
31. August 2007 eingereicht werden<br />
– im letzten Jahr waren es immerhin<br />
5 500. Eine internationale<br />
Expertenjury nominiert die Kandi-<br />
daten; die Gewinner werden dann<br />
durch eine dreiwöchige Internet-<br />
Abstimmung und durch eine Jury<br />
aus renommierten Bloggern für<br />
den Publikumspreis ermittelt. Die<br />
Preisverleihung der BOBs 2007<br />
findet am 15. November in Berlin<br />
statt. aj<br />
Informationen: www.thebobs.com<br />
http://blogs.dw-world.de/bobsblog<br />
Blühende Kunst in Kassel: „Mohnfeld/Poppy Field“ von Sanja Iveković<br />
Documenta<br />
Sehen ist eine Lust<br />
Kassel hat einen roten Platz:<br />
Die kroatische Künstlerin Sanja<br />
Iveković hat ein Meer von rotem<br />
Klatschmohn auf dem zentralen<br />
Friedrichplatz gepflanzt, zwei<br />
Mal am Tag erklingen Revolutionslieder<br />
afghanischer Frauen. In<br />
der nur einige Schritte entfernten<br />
Documenta-Halle vereint der aus<br />
Mali stammende Abdoulaye Konaté<br />
auf seinen Wandtüchern die<br />
israelische Flagge und das Palästinensertuch<br />
als weltweit bekannte<br />
Symbole für den andauernden<br />
Konflikt im Nahen Osten. In der<br />
Neuen Galerie zeigt die Palästinenserin<br />
Ahlam Shibli in ihrer Fo-<br />
„Die Macht der Sprache im Bild“ war das<br />
Motto eines vom Goethe-Institut organisierten<br />
internationalen Wettbewerbs. Die<br />
prämierten Fotos, darunter „Somewhere<br />
... Boys“ von Alaoui Moulay Youssef<br />
aus Marokko, wurden im Juni bei einem<br />
mehrtägigen Festival in Berlin ausgestellt.<br />
Das Festival „Die Macht der Sprache“<br />
mit Gesprächsrunden, Lesungen und<br />
Symposien bildete den Abschluss einer<br />
zweijährigen Veranstaltungsreihe, bei der<br />
das Goethe-Institut die Sprache in den<br />
Mittelpunkt von weltweit 35 Projekten<br />
gestellt hatte (siehe auch Seite 31).<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
toserie „Arab al-Abaih“ das Leben<br />
in jordanischen Flüchtlingslagern.<br />
Die 12. Documenta bietet den<br />
Besuchern in Kassel über 500<br />
Kunstwerke aus aller Welt: Gemälde,<br />
Installationen, Fotografien,<br />
Skulpturen, Zeichnungen und<br />
Filme werden in kleinen dunklen<br />
Kabinetten, lichten Museumsräumen<br />
oder dem eigens für die<br />
Documenta erbauten Aue-Pavillon<br />
– einem fast 10 000 Quadratmeter<br />
großen Gewächshaus – gezeigt.<br />
Beziehungen zwischen scheinbar<br />
völlig fremden Formen entstehen:<br />
Fotografien von künstlerischen<br />
Frisuren aus Nigeria bilden einen<br />
Zusammenhang mit asiatischer<br />
Kalligraphie im selben Raum.<br />
Die seit 1955 alle fünf Jahre stattfindende<br />
Schau wurde dieses Mal<br />
von Roger M. Buergel und Ruth<br />
Noack konzipiert. Sie stellen drei<br />
Grundfragen an die Kunst und ihr<br />
Publikum: Ist die Moderne unsere<br />
Antike? Was ist das bloße Leben?<br />
Und in Bezug auf die Bildung: Was<br />
tun? In einer globalisierten Welt<br />
kann das heißen: Schafft es die<br />
Menschheit, einen gemeinsamen<br />
Horizont zu erkennen? Ist Kunst<br />
Medium dieser Erkenntnis?<br />
Die Besucher werden überwältigt<br />
von der Vielfalt, können sich<br />
nicht alles erklären, setzen sich<br />
auf die 1001 chinesischen Holzstühle,<br />
die der chinesische Künstler<br />
Ai Weiwei überall aufgestellt<br />
hat, und kommen ins Grübeln<br />
und Diskutieren – der Idealfall für<br />
jeden Ausstellungsmacher. lb<br />
Bis 23. September täglich von<br />
10 bis 20 Uhr. www.documenta.de<br />
Einbürgerung<br />
Mehr Ausländer<br />
werden Deutsche<br />
Die Zahl der Einbürgerungen von<br />
Ausländern in Deutschland ist im<br />
vergangenen Jahr – zum ersten<br />
Mal seit 2000 – wieder angestiegen.<br />
Fast 125 000 Ausländer erhielten<br />
die deutsche Staatsangehörigkeit,<br />
das waren 7600 mehr<br />
als im Jahr zuvor. Im Jahr 2000,<br />
als das neue Einbürgerungsrecht<br />
in Kraft trat, war die Zahl der Ausländer,<br />
die Deutsche wurden, mit<br />
178 000 am höchsten. Danach war<br />
sie von Jahr zu Jahr gesunken.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Der Anstieg im Jahr 2006 wird auf<br />
Vereinfachungen im Verfahren<br />
zurückgeführt. Die größte Gruppe<br />
der neuen Bundesbürger stammt<br />
aus der Türkei (33 500), gefolgt<br />
von Bürgern aus Serbien und<br />
Montenegro (12 600) sowie Polen<br />
(fast 7000). Llo<br />
Europäisches Schulbuch<br />
Geschichte nicht<br />
mehr einseitig<br />
Die europäischen Bildungsminister<br />
wollen auch im Schulunterricht<br />
Grenzen abbauen. So berieten<br />
sie kürzlich erstmals über ein<br />
gemeinsames Geschichtsbuch für<br />
alle 27 Staaten der Europäischen<br />
Union (EU). Historiker aus verschiedenen<br />
EU-Ländern wollen<br />
nun ausloten, wie realistisch ein<br />
Blick auf die Vergangenheit aus<br />
27 Blickwinkeln ist.<br />
Vorbilder sind ein Serbisch-Kroatisches<br />
Geschichtsbuch und das<br />
deutsch-französische Schulbuch,<br />
mit dem seit dem vergangenen<br />
Jahr Schüler und Schülerinnen<br />
in beiden Ländern lernen. Zehn<br />
deutsche und französische Historiker<br />
entwickelten das 336 Seiten<br />
starke Werk „Europa und die Welt<br />
seit 1945“. Die Schüler bekommen<br />
einen neuen Blick für die Nachkriegsgeschichte:<br />
Die Résistance,<br />
die Aufarbeitung der Judenverfolgung<br />
oder die Rolle der USA werden<br />
in beiden Ländern sehr unterschiedlich<br />
gesehen und bewertet.<br />
Ein weiterer Band soll 2008 erscheinen.<br />
Er behandelt die Zeit<br />
von Mitte des 18. Jahrhunderts<br />
bis 1945. In diesem Zeitraum bekämpften<br />
sich beide Länder in etlichen<br />
Kriegen. lb<br />
Friedenspreis<br />
Ehrung für<br />
Holocaust-Forscher<br />
Der jüdische Historiker Saul Friedländer<br />
(74) aus Los Angeles erhält<br />
den diesjährigen Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels. Damit<br />
ehrt die Jury einen Forscher,<br />
der mehrere Standardwerke über<br />
die Juden-Vernichtung unter Hitler<br />
publiziert hat. Friedländer<br />
wirkte als Professor für Politikwissenschaft<br />
und Geschichte an den<br />
Preisträger<br />
Saul Friedländer<br />
Universitäten Genf, Tel Aviv<br />
und zuletzt Los Angeles.<br />
Friedländer, der 1932 als<br />
Kind jüdischer Eltern in<br />
Prag geboren wurde, überlebte<br />
die Nazizeit als Kind<br />
unter falschem Namen in<br />
Frankreich in einem katholischen<br />
Internat. Seine Eltern<br />
wurden in Auschwitz<br />
ermordet.<br />
Die Jury begründete die<br />
Preisverleihung so: Friedländer<br />
dokumentiere stilsicher<br />
„die klassische Triade der Gewalt:<br />
die Täter und ihre Obsessionen,<br />
die Opfer und ihre Verzweiflung,<br />
die schweigende Menge der Zuschauer<br />
mit ihrer Lust und ihrem<br />
Schrecken“.<br />
Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen<br />
gehört das zweibändige<br />
Spektrum Deutschland<br />
Werk „Das Dritte Reich und die<br />
Juden“. Die Preisübergabe findet<br />
während der Buchmesse in<br />
Frankfurt am Main am 14. Oktober<br />
in der Paulskirche statt. Der<br />
Preis wird seit 1950 alljährlich für<br />
besondere Verdienste um Frieden<br />
und Toleranz verliehen. Er ist mit<br />
25 000 Euro dotiert. C.K.<br />
Anzeige<br />
9<br />
Foto: Isolde Ohlbaum
10<br />
Hochschule<br />
Keine verlängerte Werkbank<br />
Strategische Partnerschaften zwischen Hochschulen<br />
und Unternehmen bringen Erfolge<br />
Bis das Wissen aus deutschen Hochschulen zu neuen Produkten und<br />
Arbeitsplätzen führt, vergeht zu viel Zeit. Darin sind sich Politiker und<br />
Wirtschaftsvertreter einig. Noch sind die meisten Projekte zwischen<br />
Hochschulen und Unternehmen zu kurzfristig und punktuell. Doch<br />
das soll sich ändern.<br />
ren kooperiert die TU Darmstadt mit Rolls-<br />
Royce, einem der größten Hersteller von<br />
Flugtriebwerken weltweit<br />
Das Thema hat Konjunktur: Die Hochschulrektorenkonferenz<br />
befasste sich<br />
auf ihrer Jahrestagung mit „Hochschule und<br />
Wirtschaft“. Vor zehn Jahren hätte die Furcht<br />
vor dem Ende der Freiheit von Forschung und<br />
Lehre jedem Gedanken an solch ein Tagungsthema<br />
den Garaus gemacht.<br />
Kritik gibt es auf beiden Seiten. „In Unternehmen<br />
findet man in der Regel keinerlei Verständnis<br />
für die zeitraubenden und oftmals<br />
unberechenbaren Entscheidungsprozesse in<br />
den Hochschulen“, sagt ein Fachhochschul-<br />
Vertreter. Aus der Technischen Universität<br />
Hamburg-Harburg ist zu hören, dass manche<br />
Firmen glauben, „große Projekte kostengünstig<br />
mit einer Diplomarbeit lösen zu können“.<br />
Auf der anderen Seite warnt ein Unternehmer<br />
davor, Industriekooperationen nur als<br />
Geldquelle zu sehen. „Überzogene Drittmittelsucht<br />
der Hochschulen ist stark destruktiv.“<br />
Und ein Hochtechnologie-Betrieb macht die<br />
Erfahrung, „dass Doktoranden in der Industrie<br />
oft Schwierigkeiten haben, einen Betreuer<br />
an der Hochschule zu finden, da dort geringes<br />
Interesse an dieser Form der Zusammenarbeit<br />
besteht.“<br />
Zwei Kulturen<br />
Zwei Kulturen, in denen nach der je eigenen<br />
Logik gedacht und gearbeitet wird. „Wissenschaftler<br />
haben mehr Zeit und Gelegenheit,<br />
über viele Dinge nachzudenken. In der Wirtschaft<br />
stehen das Produkt und die zur Erlangung<br />
der Marktreife notwendigen Prozesse im<br />
Vordergrund. Kurze Durchlaufzeiten, Termintreue<br />
und meist große Teams sind wichtig“,<br />
betont Professor Joachim Milberg, Aufsichts-<br />
ratsvorsitzender der BMW Group und Präsi-<br />
dent der Innovationsakademie acatech. Als<br />
Grenzgänger meint er jedoch: „Beide Seiten<br />
können eine Menge voneinander lernen und<br />
sich gegenseitig befruchten.“<br />
Es gibt auch bereits Erfolge: Das finanzielle<br />
Volumen von Forschungskooperationen<br />
stieg binnen zwölf Jahren um das Doppelte<br />
auf mehr als 1,32 Milliarden Euro. „Nichts<br />
hat sich in der Hochschulfinanzierung in den<br />
vergangenen Jahren so stark verändert wie<br />
die Partnerschaft mit Unternehmen“, sagt<br />
Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft, der größten Wissenschaftsförderin<br />
des Landes. Erfolgreich sind<br />
dabei weniger die Einzelprojekte als vor allem<br />
Partnerschaften, die langfristig und strategisch<br />
angelegt sind und die von beiden Seiten<br />
Foto: BDLI e.V. / Rolls-Royce Deutschland Bewährte Zusammenarbeit: Seit vielen Jah-<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
mit festen Ansprechpartnern betrieben werden.<br />
Diese Form der Kooperation nimmt zu.<br />
Das ergab eine Studie des Stifterverbandes<br />
für die Deutsche Wissenschaft, die erstmals<br />
eine Gesamtschau der Situation gibt. Über 200<br />
Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />
und Verbände wurden zu Hürden<br />
und Perspektiven der Zusammenarbeit befragt.<br />
Strategische Partnerschaften finden sich besonders<br />
bei Fachhochschulen und Technischen<br />
Universitäten. „Für Ingenieurwissenschaftler<br />
ist es üblich, mit der Industrie zusammenzuarbeiten,<br />
denn sie bewegen sich zwischen der<br />
rein wissenschaftlichen Arbeit und der Anwendung“,<br />
sagt Professor Johannes Janicka<br />
von der Technischen Universität Darmstadt.<br />
Sein Fachbereich „Energie- und Kraftwerkstechnik“<br />
kooperiert seit vielen Jahren mit<br />
Rolls-Royce, einem der größten Hersteller<br />
von Flugtriebwerken weltweit. Dazu hat der<br />
Konzern „University Technology Centres“ an<br />
renommierten europäischen Hochschulen,<br />
darunter auch Cambridge, gegründet. Als<br />
einzige deutsche Vertreter ihres Fachgebietes<br />
haben die Darmstädter den Vorteil, dass sie<br />
bei Forschungsvorhaben von Rolls-Royce mit<br />
verschiedenen Bundesministerien, aber auch<br />
mit der Europäischen Union stets eingebunden<br />
sind.<br />
Seine wissenschaftliche Freiheit sieht der<br />
Darmstädter Professor nicht berührt. „Wir<br />
sind keine verlängerte Werkbank von Rolls-<br />
Royce. Die Projekte definieren wir selbst und<br />
entscheiden, was wir machen und was nicht.“<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Die Liste von Kooperationen, die bis zu gemeinsamen<br />
Institutsgründungen reichen, ist vielfältig:<br />
Beispielsweise hat Airbus Deutschland<br />
mit der Technischen Universität Hamburg-<br />
Harburg das Technologiezentrum Hamburg-<br />
Finkenwerder gegründet. Der Chemiegigant<br />
BASF errichtet ein Katalyse-Labor an der Universität<br />
Heidelberg. Der Automobilkonzern<br />
VW betreibt seit 2001 gemeinsam mit der TU<br />
Braunschweig das Zentrum für Mechatronik.<br />
Bis Ende 2007 will Siemens zwölf „Centers for<br />
Knowledge Interchange“ an deutschen Hochschulen<br />
aufbauen: Aachen, München (TU),<br />
Stuttgart, Karlsruhe, Freiberg und Greifswald<br />
gehören bereits dazu. Der Software-Hersteller<br />
SAP unterhält „Campus-based Engineering<br />
Centers“ in Darmstadt, Dresden und Karlsruhe.<br />
Die Dresdner Bank fördert das „Institute<br />
for Law and Finance“ an der Universität<br />
Frankfurt am Main.<br />
Stiftungsprofessur ist „in“<br />
Gemeinsame Institutsgründungen sind allerdings<br />
noch nicht alltäglich. Eine häufigere<br />
Form langfristiger Zusammenarbeit sind Stiftungsprofessuren.<br />
Bundesweit gibt es etwa<br />
450 solcher Professuren, schätzt Melanie<br />
Schreiber vom Stifterverband. Viele Unternehmen<br />
finanzieren sie für eine gewisse Zeit – in<br />
der Erwartung, dass sie später zu Dauerprofessuren<br />
an der jeweiligen Hochschule werden.<br />
Hochschule<br />
Das gelingt jedoch nicht immer. „Wir profitieren stark von unserer engen Kooperation<br />
mit der Deutschen Telekom“, sagt Professor<br />
Karsten Buse. Der Physiker ist seit dem<br />
Jahr 2000 Inhaber des Stiftungslehrstuhls der<br />
Deutschen Telekom an der Universität Bonn<br />
und hat 22 Mitarbeiter. „Wir können praxisnah<br />
ausbilden, weil wir wissen, worauf es in<br />
der Industrie ankommt. Außerdem haben wir<br />
einen Informationsvorsprung. Wir erfahren<br />
durch die Arbeit mit dem Partner, welche Themen<br />
relevant sind oder künftig werden.“<br />
Darüber hinaus schätzt Karsten Buse die zusätzlichen<br />
Kontakte, „die wir normalerweise<br />
nicht hätten“, und natürlich die finanziellen<br />
Mittel, die er flexibel nutzen kann. Buses<br />
Team arbeitet eng mit den Telekom Labs an<br />
der TU Berlin zusammen. „Wir sind frei bei<br />
dem, was wir machen. Das ist im Stiftungsvertrag<br />
festgehalten“, so der Physiker. Inzwischen<br />
sind aus der Kooperation neun gemeinsame<br />
Patentanmeldungen hervorgegangen.<br />
Hochschule und Wirtschaft – das Duo bleibt<br />
ein Dauerbrenner. Selbst der Wissenschaftsrat,<br />
das höchste Beratungsgremium von Bund<br />
und Ländern, meldet sich – das erste Mal seit<br />
fast 20 Jahren – zu diesem Thema zu Wort:<br />
Er empfiehlt, dass Professoren, die sich für<br />
Kooperationen mit der Wirtschaft engagieren,<br />
Abb.: CKI TU München<br />
ABSTRACT<br />
Long-term Strategy Pays Off<br />
Education and business: how they go together<br />
is a hot topic in Germany. Politicians and entrepreneurs<br />
complain that it takes too long for<br />
new knowledge from colleges and universities<br />
to lead to innovative products, and to jobs.<br />
But things have changed between higher education<br />
and the business sector: the financial<br />
volume of joint research projects has tripled<br />
within twelve years, attaining more than 1.32<br />
billion. Among these co-operative schemes,<br />
individual projects have been less successful<br />
than long-term, strategically oriented partnerships<br />
that are managed professionally by<br />
permanent liaisons on both sides. This form of<br />
co-operation is on the rise, a study has found.<br />
The list of co-operative projects is diverse. For<br />
example, Airbus Deutschland has founded<br />
a joint technology centre with TU Hamburg-<br />
Harburg, and VW has a similar partnership<br />
with TU Braunschweig. Furthermore, the chemical<br />
giant BASF is currently building a catalysis<br />
laboratory at the University of Heidelberg. By<br />
the end of 2007, Siemens will have set up twelve<br />
Centres for Knowledge Interchange at German<br />
universities. More often, long-term co-operation<br />
takes the form of endowed professorships.<br />
nicht nur weniger lehren müssen, sondern<br />
auch mehr Lohn erhalten. Uschi Heidel<br />
11
12<br />
Hochschule<br />
arum in die Ferne schweifen, wenn<br />
„Wdas Gute liegt so nah!“ Nach diesem<br />
Motto von Goethe sollten Berliner Stadtbewohner<br />
handeln, wenn sie ihr Freizeitvergnügen<br />
suchen. Das jedenfalls meinen internationale<br />
Studierende, die in diesem Sommer an der<br />
Technischen Fachhochschule Berlin (TFH) an<br />
einem Sommerkurs für Architektur teilnahmen.<br />
Dabei entwickelten sie Freizeitlandschaften<br />
für die Flachdächer von 12 Wohnhäusern<br />
im Zentrum von Berlin.<br />
Wichtigstes Argument: Das Pendeln zwischen<br />
Wohnort und Freizeitangeboten, die oft<br />
in der weiteren Umgebung von Berlin liegen,<br />
verbraucht kostbare Energie. Wem also Nachhaltigkeit<br />
und Klimaschutz am Herzen liegen,<br />
sucht Erholung am besten daheim auf dem<br />
Dach – in einer Freizeit-Oase, die wiederum<br />
nach neuesten Erkenntnissen des energiesparenden<br />
Bauens errichtet ist. Wie das geht,<br />
zeigten die 37 angehenden Architekten verschiedener<br />
Nationalität – die meisten von der<br />
Yoga auf dem Dach<br />
Nachhaltige Freizeit-Oasen für Berliner<br />
Foto: Reiner Zensen<br />
TFH und von der City University of New York –<br />
nach vierwöchiger Arbeit an eindrucksvollen<br />
Entwürfen Anfang Juli in einer Ausstellung in<br />
Berlin.<br />
Die „Summer Academy for Architecture, Reurbanization<br />
and Sustainability“, die in diesem<br />
Jahr zum zweiten Mal stattfand, ist eine Initiative<br />
von Robert Demel. Der TFH-Professor für<br />
Nachhaltiges Bauen hat sechs Jahre lang als<br />
Architekt in New York gearbeitet. „Wenn es<br />
um Nachhaltigkeit geht, kommt von den Amerikanern<br />
spontan: Darin seid Ihr Deutschen<br />
gut!“ Das erklärt auch das große Interesse von<br />
Studierenden aus den USA an dem Sommerkurs.<br />
Calista Ho vom City College New York<br />
ist erstaunt über das breite Wissen der Deutschen<br />
über Nachhaltigkeit, wie sie sagt. Und<br />
auch darüber, „dass es sogar an den Hochschulen<br />
ein Thema ist“.<br />
Bei einem Besuch im Frühjahr in den USA<br />
konnten sich die deutschen Studierenden ein<br />
Bild davon machen, dass das ökologische Bau-<br />
Modellfoto: Sto-Stiftung/Gerhard Zwickert, Luftfoto: WBM<br />
en auch dort im Trend liegt. „Aber das Energiesparen<br />
spielt noch keine so große Rolle“,<br />
berichtet Johanna Schack von der TFH. Sie<br />
hat gemeinsam mit dem gebürtigen Türken<br />
Onur Ekmekci aus New York und dem Inder<br />
Sankhalp Sahu aus Bhopal einen Freizeit-Ort<br />
auf dem 22 Meter hoch gelegenen Dach des<br />
Hauses Sperlingsgasse 1 entwickelt.<br />
Von dort sorgt schon der Blick über den Berliner<br />
Dom und den Fernsehturm bis zum Horizont<br />
für Entspannung, fanden die Studenten und<br />
entwarfen zwei Räume: einen für Yoga und einen<br />
fürs Meditieren. Beide sind aus Holz, weil<br />
diese Konstruktion leicht ist, aber auch abbaubar<br />
und wiederverwendbar, also nachhaltig.<br />
Sonnenpanels auf dem Dach und Kühlung per<br />
Westwind sorgen dafür, dass der Dachaufbau<br />
hinsichtlich des Energieverbrauchs weit unter<br />
dem gesetzlich vorgeschriebenen Wert liegt.<br />
Andere Modelle bieten den Hausbewohnern<br />
für ihre exklusive Erholung Bibliothek oder<br />
Galerie, Sauna oder Kinderspielplatz und fast<br />
immer Grünbepflanzung.<br />
Für den Praxisbezug der Sommerakademie,<br />
die von der Essener Sto-Stiftung und neben<br />
weiteren Förderern für drei Jahre auch vom<br />
<strong>DAAD</strong> unterstützt wird, sorgte die Wohnungsbaugesellschaft<br />
Berlin-Mitte: Sie stellte die<br />
Wohnhäuser, meist Plattenbauten aus den<br />
60er und 70er Jahren, für die architektonischen<br />
Planungen zur Verfügung. Keineswegs<br />
ohne eigenes Interesse: „Wir stehen vor<br />
der Sanierung vieler Häuser und waren selbst<br />
gespannt auf die Modelle der Studenten. So<br />
eine Dachlandschaft wäre das Sahnehäubchen<br />
für manches Haus!“ Pressesprecherin Steffi<br />
Pianka schließt die Realisierung eines der<br />
Entwürfe keineswegs aus.<br />
Infos: www.summer-academy-berlin.eu Llo<br />
Experimente auf Berlins Dächern:<br />
Johanna Schack, Sankhalp Sahu und Onur<br />
Ekmekci mit ihrem Modell eines Yoga- und<br />
Meditationszentrums (oben)<br />
„The Pink View – Bistro auf dem Dach“ von<br />
Glenn De Roche, Michael Perez, Askarzadeh<br />
und Siamak (links)<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
NEUES VOM CAMPUS<br />
Berlin<br />
Kein Geld zum Studieren<br />
Ungleiche Bildungschancen hat<br />
die 18. Sozialerhebung des Deutschen<br />
Studentenwerks (DSW)<br />
dem deutschen Hochschulsystem<br />
bescheinigt. In Deutschland schaffen<br />
vor allem Kinder aus Akademiker-Familien<br />
den Hochschulzugang<br />
(83 Prozent), aber nur<br />
knapp ein Viertel der Kinder von<br />
Nicht-Akademikern (23 Prozent).<br />
Die Sozialerhebung des DSW wird<br />
seit 55 Jahren durchgeführt, um<br />
Daten über die wirtschaftliche<br />
und soziale Lage der Studierenden<br />
zu erhalten. Für die aktuelle<br />
Erhebung, die das DSW im Juni in<br />
Berlin vorstellte, wurden mehr als<br />
17 000 Studierende befragt.<br />
Rolf Dobischat, Präsident des<br />
DSW, hält die soziale Auslese des<br />
deutschen Hochschulsystems für<br />
beschämend und fordert daher<br />
eine deutliche Erhöhung des BAföGs,<br />
der staatlichen Unterstützung<br />
für Studierende. Denn wie<br />
der Sozialreport zeigt, liegt die<br />
niedrige Studienquote bei Nicht-<br />
Akademiker-Kindern in der ungeklärten<br />
Finanzierung des Studiums<br />
begründet.<br />
Auch für den Auslandsaufenthalt<br />
während des Studiums spielen die<br />
sozialen Unterschiede eine Rolle.<br />
So gehen Studierende von Fachhochschulen<br />
seltener ins Ausland<br />
als Universitäts-Studenten. Grund<br />
dafür ist laut DSW, dass an den<br />
Fachhochschulen wesentlich mehr<br />
Studierende aus sozial schwachen<br />
Familien lernen, denen das Geld<br />
für einen Auslandsaufenthalt<br />
fehlt. Die Quote für Auslandsaufenthalte<br />
ist jedoch insgesamt<br />
rückläufig und hat mit 29 Prozent<br />
das Niveau von 2003 erreicht.<br />
Für das Bundesbildungsministerium<br />
ist der Sozialreport des<br />
DSW ein Ansporn zum Handeln:<br />
Mit der für den Herbst geplanten<br />
BAföG-Novelle will der Bund nicht<br />
nur einen Kinderbetreuungszuschlag<br />
zahlen und die BAföG-Sätze<br />
erhöhen, sondern auch die Fördergrenze<br />
nach oben verschieben. Dadurch<br />
sollen mehr Studierende die<br />
staatliche Unterstützung erhalten.<br />
Die Studie „Die wirtschaftliche und<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
soziale Lage der Studierenden in<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
2006“ ist im Internet einzusehen<br />
unter: www.sozialerhebung.de aj<br />
Freiburg<br />
Amerika kommt<br />
aus Freiburg<br />
Die Albert-Ludwigs-Universität<br />
in Freiburg feiert in diesem Jahr<br />
nicht nur ihr 550. Jubiläum, sondern<br />
auch den 500. Namenstag<br />
von Amerika. Denn es war der<br />
Freiburger Wissenschaftler Martin<br />
Waldseemüller, der den Kontinent<br />
so taufte.<br />
Der Kartograph fertigte 1507<br />
eine für damalige Verhältnisse<br />
einzigartige Weltkarte an: Auf<br />
12 Holzschnitten von fast drei<br />
Quadratmetern Größe bildete er<br />
alle bis dato bekannten Länder<br />
ab – auch jenes, das Christopher<br />
Kolumbus 1492 entdeckt hatte. In<br />
der Begleitschrift, der „Cosmographiae<br />
Introductio“, die der Kartograph<br />
zusammen mit dem Dichter<br />
Matthias Ringmann verfasste, erklärte<br />
Waldseemüller die Namensgebung<br />
für den neuen Kontinent.<br />
Beide hielten Amerigo Vespucci<br />
für den Entdecker und wählten<br />
ihn daher als Namenspatron. Aus<br />
„Amerigo“ wurde „America“, weil<br />
„sowohl Europa als auch Asia<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Frauennamen sind“, wie Waldseemüller<br />
schrieb.<br />
Schon gegen Ende des Mittelalters<br />
gab es Raubkopien, mithilfe<br />
derer Waldseemüllers Karten<br />
verbreitet wurden – und mit ihnen<br />
der Name America. Bis zu<br />
seinem Tod 1522 bemühte sich<br />
der Kartograph vergeblich, seinen<br />
Irrtum rückgängig zu machen und<br />
„America“ stattdessen „Brasilien“<br />
oder „Papageienland“ zu nennen.<br />
„America“ war längst ein gängiger<br />
Begriff geworden.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts wurden<br />
die Karten von Waldseemüller<br />
in einer Baden-Württembergischen<br />
Schlossbibliothek wiederentdeckt<br />
– und weckten die Begehrlich-<br />
Hochschule 13<br />
Amerika auf der Weltkarte von 1507:<br />
Der italienische Seefahrer Amerigo Vespucci<br />
(1441–1512) war der Namenspatron (unten)<br />
Foto: picture-alliance/MAXPPP<br />
keit der USA. Diese wollten die<br />
Namens urkunde selbst besitzen,<br />
aber die Karte gehörte zum deutschen<br />
Kulturgut und war damit<br />
unverkäuflich. Erst 2003 gelang es<br />
der Library of Congress, beim damaligen<br />
Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder eine Sondergenehmigung<br />
zu bekommen und das Dokument<br />
für angeblich zehn Millionen Euro<br />
zu erwerben. Danach verschwanden<br />
die Holztafeln für vier Jahre in<br />
den Werkstätten des Restaurators.<br />
Nun wurden sie erstmals der Öffentlichkeit<br />
präsentiert. Am 1. Mai<br />
dieses Jahres übergab Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel während<br />
eines Amerika-Besuchs in einer<br />
feierlichen Zeremonie die historische<br />
Weltkarte offiziell den USA.<br />
Der Albert-Ludwigs-Universität<br />
bleiben immerhin noch die Begleitschrift<br />
des Kartographen und<br />
eine Sonderbriefmarke „500 Jahre<br />
Weltkarte Martin Waldseemüller“.<br />
aj<br />
Frankfurt am Main/Panama<br />
Pilzreiches Panama<br />
Für Pilzforscher ist Panama ein<br />
wahres Paradies. Als Bindeglied<br />
zwischen Nord- und Südamerika<br />
beherbergt das Land vielfältige<br />
tropische Organismen, die sowohl<br />
aus dem einen wie aus dem anderen<br />
Kontinent stammen. Der „Biodiversitäts-Hotspot“<br />
bietet eine<br />
überbordende Fülle verschiedener<br />
Pflanzen-, Tier- und Pilzarten.<br />
Doch im Vergleich zur Pflanzenwelt<br />
ist das Reich der Pilze noch<br />
relativ unerforscht.<br />
Während heute circa 9500 Gefäßpflanzen-Arten<br />
bekannt sind,<br />
zählt die Liste der Pilze nur etwa<br />
1800. „Dabei weiß man, dass es<br />
in den Tropen etwa fünf Mal mehr<br />
Pilz- als Pflanzen-Arten gibt“, erklärt<br />
die Frankfurter Mykologin<br />
Professor Meike Piepenbring,<br />
die in Panama forscht. Die große<br />
Artenvielfalt der ökologisch so
14<br />
Hochschule<br />
wichtigen Pilze ist bisher weitgehend<br />
unerforscht, weil Mykologie<br />
(Pilzkunde) als Fach in Europa bisher<br />
nur an wenigen Universitäten<br />
unterrichtet wird, in tropischen<br />
Ländern wie Panama so gut wie<br />
gar nicht.<br />
Bevor im Jahr 2003 die Universidad<br />
Autónoma de Chiriquí und die<br />
Universität Frankfurt eine Kooperation<br />
begannen, in die auch die<br />
Universidad de Panamá eingebunden<br />
ist, studierten ausschließlich<br />
ausländische Mykologen die Pilze<br />
Panamas. „Ihre Forschungsergebnisse<br />
waren weltweit zerstreut,“<br />
berichtet Meike Piepenbring. Als<br />
sie vor 15 Jahren mit ihren Forschungen<br />
begann, gingen in ihre<br />
erste Checkliste von Pilzen in<br />
Panama Daten aus rund 300 verschiedenen<br />
Publikationen ein.<br />
Damit dieses Wissen auch einheimischen<br />
Forschern zugänglich<br />
wird, lehrt die Frankfurter Professorin<br />
bereits seit 1998 im Rahmen<br />
von <strong>DAAD</strong>-finanzierten Kurzzeitdozenturen<br />
an den beiden pana-<br />
Foto: Meike Piepenbring<br />
maischen Universitäten. 2006<br />
kam ein <strong>DAAD</strong>-Austauschprogramm<br />
hinzu, das vor allem auf<br />
die Verbesserung der Lehre zielt.<br />
Jetzt geht es neben Projekten zur<br />
Mykologie unter anderem auch<br />
um die Ökologie, Mikrobiologie,<br />
Zoologie oder Mooskunde.<br />
In ihrem jeweiligen Forschungsgebiet<br />
leisten alle an dem Austausch<br />
Beteiligten – deutsche und<br />
panamaische Hochschullehrer<br />
und Studierende – Pionierarbeit:<br />
Arten werden gesammelt, beschrieben<br />
und benannt. Für die<br />
pharmazeutische Anwendung<br />
von Pilzen ist es wichtig, deren<br />
Inhaltsstoffe zu bestimmen. Viele<br />
Arten enthalten Wirkstoffe gegen<br />
menschliche Krankheiten – etwa<br />
der Bakterien vernichtende Penicillin-Pilz.<br />
Die Zeit drängt, denn<br />
die Artenvielfalt Panamas ist inzwischen<br />
durch Waldzerstörung<br />
und Klimaveränderung bedroht.<br />
Arten sterben aus, noch bevor der<br />
Mensch sie kennengelernt hat.<br />
Anne Hardy<br />
Pilzbefall auf dem Bananenblatt<br />
Bundesweit<br />
Mehr Professorinnen<br />
Der Anteil von Frauen in der deutschen<br />
Professorenschaft hat sich<br />
in den vergangenen zehn Jahren<br />
nahezu verdoppelt. Während<br />
1995 erst 8 Prozent Frauen einen<br />
Lehrstuhl innehatten, waren es<br />
2006 bereits 15 Prozent. Wie das<br />
Statistische Bundesamt in Wiesbaden<br />
im Juli mitteilte, erreichte<br />
die Zahl der Professorinnen im<br />
Jahr 2006 mit rund 5 700 einen<br />
neuen Höchststand. Insgesamt<br />
waren 256 800 Beschäftigte an<br />
deutschen Hochschulen Frauen,<br />
das sind 51 Prozent.<br />
HOCHSCHULE IM INTERNET<br />
Das Studentenradio Uniwelle<br />
Tübingen der Eberhard Karls<br />
Universität berichtet sieben Stunden<br />
pro Woche über Themen rund<br />
um die Hochschule. Seit kurzem<br />
stehen die jüngsten Sendungen<br />
des Sonntags<strong>magazin</strong>s „Unimax“<br />
zum Nachhören als Audiodatei<br />
im Internet, darunter Vorträge<br />
von Tübinger Professoren aus<br />
dem Studium Generale der Universität.<br />
Außerdem sind über<br />
300 ausgewählte Sendungen zum<br />
Nachhören in einer Datenbank<br />
gespeichert. Das Studentenradio<br />
will mit dem on-demand-Angebot<br />
vor allem auch Alumni aus dem<br />
Ausland ansprechen.<br />
www.uni-tuebingen.de/uniradio<br />
Ein monatliches Politiker- und<br />
Themenranking stellen die<br />
Kommunikationswissenschaftler<br />
der Hochschule Hohenheim auf<br />
ihrem neuen Webportal Mediaskop<br />
auf. Die Wissenschaftler<br />
werten 26 Leitmedien – von der<br />
Tageszeitung bis zum Nachrichtenjournal<br />
– aus. So ermitteln sie<br />
die Top-Ten – derzeit Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel und die „Arbeitsmarktpolitik“.<br />
Das Online-<br />
Angebot will eine Übersicht geben<br />
über die aktuellen Entwicklungen<br />
und die medial vermittelte öffentliche<br />
Meinung in Deutschland.<br />
www.uni-hohenheim.de/mediaskop<br />
Bundesbildungsministerin Annette<br />
Schavan sprach von einem<br />
positiven Trend, der allerdings verstärkt<br />
werden müsse. Im internationalen<br />
Vergleich ist der Frauenanteil<br />
an der Hochschullehrerschaft<br />
in Deutschland immer noch sehr<br />
gering. Verschiedene Programme<br />
für die Gleichstellung der Frauen,<br />
zum Beispiel von Seiten der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft,<br />
sollen die Chancen von Wissenschaftlerinnen<br />
erhöhen.<br />
Am höchsten ist der Anteil der<br />
weiblichen Lehrkräfte bisher in<br />
den Sprach-, Kultur- und Kunstwissenschaften.<br />
Hier ist jeder<br />
vierte Lehrstuhl mit einer Frau<br />
besetzt. In Mathematik und Naturwissenschaften<br />
sind es lediglich<br />
10 Prozent. Llo<br />
Europaweit einzigartig ist die<br />
Gartenbaubibliothek an der<br />
Technischen Universität Berlin.<br />
Diese größte deutsche Sammlung<br />
botanischer Literatur und gärtnerischer<br />
Gebrauchstexte enthält<br />
54 000 Monographien und Zeitschriften,<br />
davon mehr als 3 500<br />
Bücher und 4 000 Journale aus<br />
der Zeit vor 1900. Das älteste Buch<br />
stammt von 1543. Unter www.<br />
gartenbaubuecherei.de.vu lässt sich<br />
nicht nur die bemerkenswerte<br />
Geschichte der Bücherei nachlesen,<br />
sondern man bekommt auch<br />
Einblick in etliche digitalisierte<br />
Werke. aj/Llo<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: TU Berlin
WISSENSCHAFT UND WIRTSCHAFT<br />
IT-Branche<br />
50 Millionen für Nachwuchs<br />
Um den Bedarf an qualifizierten<br />
Nachwuchswissenschaftlern zu<br />
decken, arbeiten führende Unternehmen<br />
der IT-Branche eng mit<br />
Hochschulen zusammen, darunter<br />
Deutschlands zweitgrößtes Software-Unternehmen,<br />
die Software<br />
AG in Darmstadt-Eberstadt. Ihr<br />
„University Relations Program“<br />
mit einem Volumen von 50 Millionen<br />
Euro soll Studierende mit<br />
den neuesten IT-Trends vertraut<br />
machen, insbesondere mit der so<br />
genannten „serviceorientierten<br />
Architektur“ (SOA).<br />
Kern dieses Trends ist die Modernisierung<br />
und Integration bestehender<br />
Softwaresysteme von<br />
Firmen und Institutionen: Unterschiedlichste<br />
Programme und Anwendungen<br />
können miteinander<br />
verbunden und mit modernen<br />
Eingabemasken versehen werden.<br />
In diesem Wachstumsmarkt will<br />
die Software AG ihre Marktführerschaft<br />
behaupten und die Zahl von<br />
derzeit 1000 Experten auf dem<br />
deutschen Markt in den nächsten<br />
Jahren verdreifachen.<br />
Das Förderprogramm beinhaltet<br />
die Vergabe kostenloser Lizenzen<br />
der Produkte der Software AG an<br />
deutsche Hochschulen. Dazu kommen<br />
Seminare mit Referenten des<br />
Unternehmens, Unternehmensbesuche<br />
und interdisziplinäre<br />
Diskussionsrunden. Zwei Pilotprojekte<br />
laufen an der Hochschule<br />
Darmstadt sowie der TU Darmstadt.<br />
Für die zweite Phase im<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Wintersemester 2007/08 haben<br />
deutschlandweit 54 Lehrstühle<br />
Interesse angemeldet.<br />
Ingenieurmangel<br />
Wachstumsbremse<br />
Im Jahr 2006 konnten 48 000 geplante<br />
neue Ingenieurstellen mangels<br />
geeigneter Bewerber nicht<br />
besetzt werden. Dies ergab eine<br />
Befragung des Instituts der deutschen<br />
Wirtschaft bei 3 300 Unternehmen<br />
verschiedener Branchen.<br />
Das habe der deutschen Wirtschaft<br />
einen Verlust an Wertschöpfung<br />
in Höhe von mindestens 3,5 Milliarden<br />
Euro eingebracht, so die<br />
Berechnung. Besonders betroffen<br />
von dem Fachkräftemangel sind<br />
der Maschinenbau, die Elektroindustrie<br />
und allgemein der Bereich<br />
Forschung und Entwicklung.<br />
Allianz-<br />
Gastprofessor<br />
liest über die<br />
Architektur des<br />
Felsendoms in<br />
Jerusalem<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Foto: Hagenguth/<strong>DAAD</strong><br />
Ingenieurmangel bremst die Wirtschaft<br />
Für 2007, das mit beachtlichen<br />
Konjunkturzahlen aufwarten<br />
kann, erwartet das Institut erneut<br />
eine erhebliche Schere zwischen<br />
den geplanten 50 000 Stellen und<br />
Bewerbern. Deshalb spricht das<br />
Wirtschaftsinstitut von einer „eingebauten<br />
Wachstumsbremse“ in<br />
Deutschland.<br />
Die Ursache sehen Industrievertreter<br />
im nachlassenden Interesse<br />
am Ingenieurstudium: Mitte der<br />
neunziger Jahre waren knapp ein<br />
Viertel der Hochschulabsolventen<br />
Ingenieurwissenschaftler. Dieser<br />
Anteil ist inzwischen auf rund ein<br />
Sechstel gesunken.<br />
Allianz-Gastprofessur<br />
Dialog der Kulturen<br />
Warum sollte ein globaler Finanzdienstleistungskonzerngeisteswissenschaftliche<br />
Studien<br />
fördern? Weil er weiß, dass die<br />
globalen Finanz- und Kapitalströme<br />
nicht nur in der digitalen<br />
Datenwelt fließen, sondern von<br />
menschlichen Vorurteilen, Emotionen<br />
und Fehlurteilen beeinflusst<br />
werden: Der oft beschworene „Zusammenprall<br />
der Kulturen“ soll<br />
durch den „Dialog der Kulturen“<br />
möglichst verhindert werden. Mit<br />
diesem Ziel stiftete der Allianz-<br />
Konzern im Sommer 2003 die<br />
„Gastprofessur für islamische und<br />
jüdische Studien“ an der Münch-<br />
Hochschule 15<br />
nerLudwig-Maximilians-Universität (LMU). Auslöser für die Initiative<br />
waren die Anschläge vom 11.<br />
September 2001 in den USA.<br />
Die Professur wird alternierend<br />
an Dozenten aus den Bereichen<br />
Jüdische und Islamische Studien<br />
vergeben und erfreut sich bei<br />
Wissenschaftlern und Studierenden<br />
großer Resonanz. Im Sommer<br />
2007 ist der aus Syrien stammende<br />
und am Massachusetts Institute<br />
of Technology (MIT) lehrende<br />
Nasser Rabbat Allianz-Gastprofessor.<br />
Sein Thema: Die Architektur<br />
der Dynastie der Umayyaden, zu<br />
deren bekanntesten Beispielen die<br />
großen Moscheen in Damaskus<br />
und der Felsendom in Jerusalem<br />
gehören.<br />
„Die Zwischenbilanz ist äußerst<br />
positiv. Die Allianz-Gastprofessoren<br />
haben einen wichtigen<br />
Anstoß dafür gegeben, dass die<br />
Jüdischen und Islamischen Studien<br />
und vor allem die fruchtbare<br />
Verbindung zwischen beiden zu<br />
einem der Schwerpunkte an der<br />
LMU wurde“, sagt Professor Michael<br />
Brenner, Leiter der Abteilung<br />
für jüdische Geschichte und<br />
Kultur am Historischen Seminar<br />
der LMU.<br />
In öffentlichen Vorträgen haben<br />
die Gastdozenten zudem eine<br />
breitere Öffentlichkeit angesprochen.<br />
Auch die Allianz-Zentrale in<br />
München legt ihren Mitarbeitern<br />
nahe, die Vorlesungen zu besuchen,<br />
um ihren Horizont über diese<br />
Kulturkreise zu erweitern. KS
16<br />
Ortstermin<br />
Labor für Denker<br />
Hochschulstandorte in Ost-Westfalen:<br />
Bielefeld und Paderborn<br />
Aus Bielefeld stammen weltberühmte Geisteswissenschaftler<br />
und die bekannteste<br />
Tiefkühlpizza Deutschlands. Paderborns<br />
Informationstechnologie betreibt Spitzenforschung.<br />
Die Bielefelder Universität ist wahrscheinlich<br />
die einzige in Deutschland, die Zähne<br />
hat. So werden die einzelnen Bauteile genannt,<br />
in denen die Fakultäten untergebracht<br />
sind. Es gibt eine große überdachte Haupthalle,<br />
von der aus die Fachbereiche abgehen: Der<br />
C-Zahn gehört den Literaturwissenschaftlern,<br />
gleich daneben befinden sich die Labore der<br />
Physiker, im Bauteil W sind die Wirtschaftswissenschaften<br />
untergebracht, und im A-Zahn<br />
treffen sich alle zum Mittagessen – hier ist die<br />
Mensa. Zwischen Audi-Max und Schwimmbad,<br />
die das jeweilige Ende der Halle bilden,<br />
orientiert sich jeder Neuankömmling schnell.<br />
Da alles so wunderbar beieinander liegt, wird<br />
die Hochschule in Bielefeld auch die „Universität<br />
der kurzen Wege“ genannt.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Geistesgrößen prägen Bielefeld:<br />
der Historiker Hans-Ulrich Wehler (li),<br />
der Soziologe Niklas Luhmann und<br />
der Mediävist Bernhard Jussen (re)<br />
Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb<br />
Mehr Kapazität, weniger Fläche: „Chip-Pagode“<br />
im Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn<br />
Überschaubar wie die Universität ist Bielefeld<br />
selbst: Zwar zählt die Stadt mit ihren 325 000<br />
Einwohnern zu den deutschen Großstädten,<br />
aber Hektik kommt selten auf. Von der sprichwörtlichen<br />
Sturheit der Westfalen ist in der<br />
Stadt am Teutoburger Wald nichts zu spüren.<br />
Die Menschen sind sehr offen. Vielleicht trägt<br />
dazu auch bei, dass es hier Bethel gibt, einen<br />
Ortsteil, in dem behinderte Menschen ganz<br />
selbstverständlich in das alltägliche Treiben<br />
integriert werden. Die Behinderten leben in<br />
Wohngemeinschaften oder Heimen zusammen,<br />
arbeiten in Werkstätten und werden sozial,<br />
medizinisch und pädagogisch betreut.<br />
Eldorado für Historiker<br />
Übersichtlich sind auch Bildung und Wissenschaft<br />
mit vier Hochschulen: Universität,<br />
Fachhochschule, Fachhochschule des Mittelstands<br />
sowie Kirchliche Hochschule Bethel.<br />
Die Universität Bielefeld ist vor allem wegen<br />
ihrer Geisteswissenschaften berühmt. Sie beheimatet<br />
die bundesweit einzige Fakultät für<br />
Soziologie, an der Niklas Luhmann über Jahrzehnte<br />
hinweg arbeitete. Er gilt als Begründer<br />
der „Systemtheorie“, einer wichtigen Grundlage<br />
der Soziologie.<br />
Die Fakultät für Pädagogik zählt zu den besten<br />
in Europa. Hier gründete Hartmut von<br />
Hentig, einer der einflussreichsten deutschen<br />
Pädagogen, seine berühmte Laborschule, in<br />
der regelmäßiger Unterrichtsbetrieb mit pädagogischer<br />
Forschung kombiniert wird.<br />
Foto: DFG<br />
Foto: Siegmann/images.de<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Weltruf genießen die Bielefelder Geschichtswissenschaften.<br />
Mitverantwortlich dafür ist<br />
Hans-Ulrich Wehler. Er schreibt seit Jahren an<br />
einer Deutschen Gesellschaftsgeschichte, die,<br />
obwohl noch unvollendet, bereits zu den Standardwerken<br />
für deutsche Historiker zählt.<br />
Wehler hat die „Bielefelder Schule“ mitbegründet,<br />
eine sozialwissenschaftlich geprägte<br />
Richtung innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft.<br />
Sein Arbeitsgebiet nennt er<br />
„His torische Sozialwissenschaft“, für die er<br />
auf Methoden der Soziologie und der Psychologie<br />
zurückgreift. Die Vertreter der Bielefelder<br />
Schule wenden sich dagegen, die Geschichte an<br />
politischen Ereignissen festzumachen, lehnen<br />
die tragende Rolle von Einzelpersonen in der<br />
Geschichte ab und betonen stattdessen die Bedeutung<br />
sozialstruktureller Phänomene. Eine<br />
Forschungsrichtung, die auch Wissenschaftler<br />
aus dem Ausland nach Bielefeld lockt.<br />
Shoppen in<br />
Bielefeld:<br />
Haupthalle der Uni<br />
In der mittelalterlichen Historik setzt die Uni<br />
ebenfalls Maßstäbe: Bernhard Jussen erhielt<br />
in diesem Jahr den mit 2,5 Millionen Euro<br />
dotierten Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
– eine Art deutschen<br />
Nobelpreis. In seinen interdisziplinär und<br />
international angelegten Projekten geht es unter<br />
anderem um Mentalitäten und moralische<br />
Handlungskategorien, aus denen politische<br />
und gesellschaftliche Aktivitäten entwickelt<br />
werden.<br />
Um den Studierenden nach ihrem Fachstudium<br />
den Übergang ins Arbeitsleben zu erleichtern,<br />
bietet die Bielefelder Universität ein<br />
einjähriges, studienbegleitendes Programm<br />
„Studierende und Wirtschaft“ an. Zahlreiche<br />
Großunternehmen sind rund um Bielefeld angesiedelt,<br />
so der Medienkonzern Bertelsmann,<br />
der Lebensmittelproduzent Dr. Oetker – von<br />
ihm stammt die bekannte Tiefkühlpizza – der<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Haushaltsgerätehersteller Miele, die Süßwarenfirma<br />
Storck und Seidensticker – weltweit<br />
ein Name für hochwertige Blusen und<br />
Hemden.<br />
Hohe IT-Dichte in Paderborn<br />
Der Teutoburger Wald verbindet Bielefeld<br />
mit dem Hochschulstandort Paderborn. Die<br />
140 000-Einwohner-Stadt, aus der Computerpionier<br />
Heinz Nixdorf stammt, ist für ihre<br />
Unternehmen der Informationstechnologie<br />
(IT) bekannt – immerhin hat die Stadt eine<br />
der höchsten IT-Dichten in ganz Deutschland.<br />
Zwei Drittel der Firmen sind Ausgründungen<br />
aus der Paderborner Universität, die in diesem<br />
Bereich zur bundesweiten Forschungsspitze<br />
zählt.<br />
So entwickelten etwa Informatiker der Universität<br />
zusammen mit der Lufthansa neue<br />
Optimierungsmethoden gegen Störungen im<br />
Forschungsadressen der Region<br />
Fachhochschule Bielefeld: www.fh-bielefeld.de<br />
Fachhochschule des Mittelstands Bielefeld:<br />
www.fhm-mittelstand.de<br />
Kirchliche Hochschule Bethel: www.kiho-bethel.de<br />
Universität Bielefeld: www.uni-bielefeld.de<br />
Fachhochschule Lippe und Höxter University of<br />
Applied Sciences: www.fh-luh.de<br />
Hochschule für Musik Detmold: www.hfm-detmold.de<br />
Fachhochschule der Wirtschaft,<br />
Standort Paderborn: www.bib.de/fhdw/Profil_P.aspx<br />
Katholische Fachhochschule NRW,<br />
Abt. Paderborn: www.kfhnw.de/paderborn/<br />
Universität Paderborn: www.uni-paderborn.de<br />
Fachhochschule Münster: www.fh-muenster.de<br />
Kunstakademie Münster: www.kunstakademie-muenster.de<br />
Philosophisch-theologische Hochschule Münster:<br />
www.pth-muenster.de/<br />
Westfälische Wilhelms-Universität Münster:<br />
www.uni-muenster.de<br />
Foto: Uni Bielefeld<br />
Ortstermin<br />
Flugbetrieb. Und ein Paderborner Informatiker<br />
war an der Entwicklung des Schachspielverderbers<br />
Hydra beteiligt, der Gewinnchancen<br />
im Schach aussichtslos machen soll.<br />
Die älteste Hochschule Westfalens, die eng<br />
mit den zwei ortsansässigen Fraunhofer-<br />
Instituten – dem Institut für Zuverlässigkeit<br />
und Mikrointegration (IZM) und dem Anwendungszentrum<br />
für Logistikorientierte Betriebswirtschaft<br />
(ALB) – zusammenarbeitet, macht<br />
aber auch mit einem fakultätsübergreifenden<br />
Projekt Schlagzeilen: Sieben Lehrstühle, vom<br />
Maschinenbau bis zur Elektrotechnik, entwickeln<br />
als Konsortium „Neue Bahntechnik<br />
Paderborn“ ein fahrerloses Taxi auf Schienen.<br />
Kein Fahrplan, kein Warten – einfach anrufen,<br />
einsteigen und das Ziel eingeben – lautet die<br />
Vision der Ingenieure. Railcab, so heißt das futuristische<br />
Taxi, sucht sich dann selbst seinen<br />
Weg durchs Schienennetz. Angelika Steffen<br />
ABSTRACT<br />
Incubator for Intellectuals<br />
Bielefeld University has been called “The<br />
Short-Distance University” because all of<br />
its faculties are conveniently located under<br />
one roof. The city of Bielefeld is just as manageable.<br />
Although it is a large city with a<br />
population of 325,000, life here does not<br />
have the hectic pace of a metropolis.<br />
The 18,000-student university is best-known<br />
for its humanities department. Bielefeld University<br />
is home to the country‘s only School<br />
of Sociology, where Niklas Luhmann worked<br />
for decades. The School of Pedagogical Studies<br />
is one of the best educational science<br />
faculties in Europe. This is where Hartmut<br />
von Hentig, one of the most influential educators<br />
in Germany, established his famous<br />
Laborschule (“laboratory school”), where<br />
educational theory and practice are tested.<br />
The science of history as studied in Bielefeld<br />
enjoys an international reputation thanks<br />
to academics such as Hans-Ulrich Wehler,<br />
one of the founders of the socio-scientifically<br />
influenced “Bielefeld School,” and medievalist<br />
Bernhard Jussen who was awarded the<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz Prize – rather<br />
like a German Nobel Prize – in 2007.<br />
The Teutoburg Forest connects Bielefeld to<br />
Paderborn, location of the oldest university in<br />
Westphalia. Paderborn, a city of 140,000 and<br />
birthplace of computer pioneer Heinz Nixdorf,<br />
is known for the information technology (IT)<br />
companies based here. Many of these are spinoffs<br />
from the University of Paderborn, which<br />
is at the forefront nationally in IT research.<br />
17
18<br />
Europa<br />
Drei Jahre vor dem vereinbarten<br />
Termin 2010 haben<br />
über 80 Prozent der Hochschulen<br />
Bachelor- und Masterabschlüsse<br />
eingeführt:<br />
Der gemeinsame europäische<br />
Hochschulraum ist<br />
auf gutem Weg. In London<br />
zogen die Wissenschaftsminister<br />
der 46 beteiligten<br />
Staaten Zwischenbilanz im<br />
„Bologna-Prozess“.<br />
Am Anfang stand die Vision<br />
der grenzenlosen<br />
Mobilität. Das war 1999 im<br />
italienischen Bologna, als<br />
die Bildungsminister von<br />
30 Ländern – 15 Staaten der<br />
Europäischen Union (EU),<br />
zehn Beitrittskandidaten aus<br />
Mittel- und Osteuropa sowie<br />
Island, Norwegen, Liechtenstein,<br />
Malta und die Schweiz<br />
– die Schaffung eines gemeinsamen<br />
europäischen Hochschulraums<br />
mit vergleichbarenHochschulabschlüssen<br />
und einem einheitlichen Punktesystem<br />
zur Anerkennung akademischer Leistungen<br />
(ECTS) vereinbarten.<br />
Inzwischen ist die Zahl der Länder auf 46 angewachsen:<br />
Hinzugekommen sind unter anderem<br />
die Balkanstaaten, die Türkei, Russland,<br />
Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien,<br />
die Ukraine und zuletzt Monte negro.<br />
Auch das Themenspektrum hat sich vergrößert:<br />
Der dritte Zyklus (Doktorat) ist ebenso<br />
im Gespräch wie die soziale Dimension der<br />
Mobilität, die Beschäftigungsfähigkeit der<br />
Studierenden und die Qualitätssicherung der<br />
Studiengänge. Beschlossen, aber erst teilweise<br />
umgesetzt, sind ausführliche Informationen<br />
zum Abschluss und den damit verbundenen<br />
Qualifikationen (Diploma Supplement).<br />
Im Mai dieses Jahres trafen sich die 46 Bildungsminister<br />
in London zur vierten Bologna-<br />
Nachfolgekonferenz und zogen eine positive<br />
Zwischenbilanz: Der gemeinsame europäische<br />
Hochschulraum hat dank zahlreicher<br />
Reformen in den einzelnen Ländern Gestalt<br />
Mobilität steht im Zentrum<br />
Der europäische Hochschulraum wächst zusammen<br />
angenommen. Sichtbares Zeichen sind die<br />
gestuften Abschlüsse Bachelor und Master,<br />
die 2003 erst rund die Hälfte aller Hochschulen<br />
im Angebot hatten, heute dagegen über<br />
80 Prozent. In Deutschland sind gut die Hälfte<br />
aller Studiengänge umgestellt.<br />
Aber führen Bachelor und Master tatsächlich<br />
zu grenzenloser Mobilität, wie es die Bildungsminister<br />
vor acht Jahren im Blick hatten? „Mobilität<br />
als Normalität – davon sind wir immer<br />
noch weit entfernt“, sagt Siegbert Wuttig, Leiter<br />
der Nationalen Agentur für EU-Hochschulprogramme<br />
im <strong>DAAD</strong>. Beispiel Deutschland:<br />
Hier nehmen gerade einmal 16 Prozent aller<br />
Studierenden die Chance wahr, sich im Ausland<br />
zu immatrikulieren. Nach dem Willen der<br />
Bundesregierung und des <strong>DAAD</strong> soll künftig<br />
die Hälfte der Studierenden mobil werden, 20<br />
Prozent wenigstens für ein Studiensemester.<br />
Dabei haben Bachelor-Studiengänge mit ihrem<br />
straffen Stundenplan und der kurzen Dauer<br />
von drei Jahren ein Auslandsstudium eher<br />
erschwert als befördert. In London rückten die<br />
Fotos: creativ collection/axeptDESIGN<br />
Minister die Mobilität<br />
von Studierenden, Wissenschaftlern<br />
und Lehrenden<br />
in den Bologna-<br />
Staaten erneut ins Zentrum.<br />
Sie forderten die<br />
Hochschulen auf, mehr<br />
grenzüberschreitende<br />
gemeinsame Studiengänge<br />
anzubieten und<br />
die Bachelor-Lehrpläne<br />
zu flexibilisieren.<br />
„Ziel des Bologna-Prozesses<br />
ist die Gestaltung<br />
von Vielfalt, nicht Harmonisierung“,<br />
sagte Bundesbildungsministerin<br />
Annette Schavan. Für Deutschland bedeute<br />
mehr Mobilität, „dass es Bachelor-Studiengänge<br />
geben wird, die mit Auslandsaufenthalt<br />
dreieinhalb oder vier Jahre dauern.“ Gleichzeitig<br />
setzen die beteiligten Staaten mit der<br />
Akkreditierung der Studiengänge auf Qualität.<br />
Nun soll ein Qualitätsregister diejenigen<br />
Agenturen verzeichnen, die berechtigt sind,<br />
Studiengänge im Bologna-Raum zu akkreditieren.<br />
Eine Maßnahme, die nicht etwa mehr Bürokratie<br />
schaffen, sondern mehr Transparenz<br />
bei der Beurteilung garantieren soll.<br />
Nach innen wird der europäische Hochschulraum<br />
weiter gefestigt, nach außen wollen die<br />
Bildungsminister gezielter informieren und<br />
werben, um die Attraktivität Europas für Studierende<br />
und Wissenschaftler herauszustellen.<br />
Dabei geht es auch darum, in anderen<br />
Weltregionen den Bologna-Prozess als nachahmenswertes<br />
Modell bekannt zu machen.<br />
(Siehe Kommentar auf Seite 7)<br />
Katja Spross<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
NACHRICHTEN<br />
Technologieinstitut<br />
Klima und Energie<br />
Die 27 Forschungsminister der<br />
Europäischen Union (EU) haben<br />
sich im Juni auf den Start des<br />
European Institute of Technology<br />
(EIT) im Jahre 2008 geeinigt. Das<br />
EIT wird demnach keine Elite-<br />
Hochschule mit eigenen Studiengängen<br />
und Abschlüssen – wie es<br />
EU-Kommissionspräsident José<br />
Manuel Barroso 2005 als europäische<br />
Antwort auf das Massachusetts<br />
Institute of Technology in<br />
den USA vorgeschlagen hatte. Geplant<br />
ist vielmehr die Vernetzung<br />
von Universitäten, Forschungsinstituten<br />
und Unternehmen zu sogenannten<br />
„Wissens- und Innovationsgemeinschaften“.<br />
Dadurch soll die „europäische Innovationslücke“<br />
geschlossen, also<br />
die Umsetzung von Forschungsergebnissen<br />
in die Praxis verbessert<br />
werden, so Bundesforschungsministerin<br />
Annette Schavan.<br />
In den kommenden Jahren<br />
stehen die Themen Klimawandel<br />
und Energieeffizienz auf der<br />
Agenda der zunächst zwei Spitzenforschungsnetzwerke.<br />
Die<br />
Forschungsminister beschlossen<br />
auch einen Finanzrahmen und<br />
äußerten die Erwartung, dass Unternehmen<br />
die gemeinsame Forschung<br />
„substanziell“ mitfinanzieren.<br />
Aus dem laufenden EU-<br />
Haushalt sind 309 Millionen Euro<br />
von 2008 bis 2013 für den Aufbau<br />
des EIT vorgesehen. Allerdings<br />
muss das Europäische Parlament<br />
dem Vorhaben noch zustimmen.<br />
Lesebuch<br />
Generation ERASMUS<br />
„Wer im Ausland studiert, wird<br />
zunächst völlig verunsichert und<br />
muss sich neu erfinden. Das ist<br />
nicht nur gesund, es tut auch gut<br />
und macht Spaß!“ So erlebte Stefan<br />
Bufler seinen Aufenthalt als<br />
ERASMUS-Stipendiat im Norden<br />
Englands. Das Auslandsjahr bezeichnet<br />
er als „Initialzündung“:<br />
Es bescherte dem heutigen Professor<br />
für Kommunikationsdesign<br />
an der Fachhochschule Augsburg<br />
zehn weitere Jahre auf der Insel.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Den amüsanten, lesenswerten<br />
Beitrag von Stefan Bufler hat der<br />
<strong>DAAD</strong>, der in Deutschland die<br />
Aufgaben einer Nationalen Agentur<br />
für ERASMUS wahrnimmt, in<br />
einem Buch mit Erfahrungsberichten<br />
von insgesamt 28 ERASMUS-<br />
Stipendiaten zum 20. Geburtstag<br />
des EU-Programms herausgegeben.<br />
Mit „Generation ERASMUS –<br />
Auf dem Weg nach Europa“ ist ein<br />
Lesebuch, entstanden, das Lust<br />
auf den Blick über die Grenzen<br />
macht.<br />
Mehr als 1,5 Millionen Studierende<br />
konnten bisher mit ERASMUS<br />
einen Teil ihres Studiums im europäischen<br />
Ausland absolvieren,<br />
unter ihnen fast eine Viertel Million<br />
Deutsche. Bis 2012 sollen drei<br />
Millionen Studierende in Europa<br />
unterwegs gewesen sein. Dann<br />
geht es ihnen vielleicht wie Jessica<br />
Wilzer, die von Gießen nach Dijon<br />
wechselte: „Heute frage ich mich<br />
nicht mehr, wieso ich damals nach<br />
Frankreich gegangen bin, sondern<br />
eher, was passiert wäre, hätte ich<br />
es nicht getan. Ich wäre nicht dort,<br />
wo ich jetzt bin – nämlich wieder<br />
in Frankreich.“<br />
ERASMUS Mundus<br />
Starke zweite Runde<br />
ERASMUS fördert den Austausch<br />
von Studierenden innerhalb der<br />
Europäischen Union (EU), ERAS-<br />
MUS Mundus lockt seit 2004 Studierende<br />
von allen Kontinenten<br />
mit gut dotierten Stipendien an<br />
europäische Hochschulen. Das<br />
bisher speziell auf Master-Studierende<br />
aus Nicht-EU-Staaten<br />
zugeschnittene Programm soll vor<br />
allem den guten Stipendienmöglichkeiten<br />
in den USA etwas entgegensetzen.<br />
ERASMUS Mundus soll<br />
nun verlängert und finanziell deutlich<br />
besser ausgestattet werden.<br />
Von 2004 bis 2008 gibt die EU<br />
über 300 Millionen Euro für hochqualifizierte<br />
Studierende und hervorragende<br />
Masterstudiengänge<br />
aus, die mindestens drei europäische<br />
Hochschulen gemeinsam<br />
anbieten. Von 2009 bis 2013 steigt<br />
das Budget auf 950 Millionen<br />
Euro.<br />
Die Nachfrage der Studierenden<br />
ist groß. „Wir erhalten sieben Mal<br />
mehr Anträge, als wir Plätze anbieten<br />
können“, sagt EU-Bildungskommissar<br />
Ján Figel. Zum Ende<br />
der Laufzeit werden über 4100<br />
Studierende aus 100 Ländern ein<br />
Vertragsunterzeichnung in Kairo: <strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber<br />
(li.) und der ägyptische Unterstaatssekretär für kulturelle Angelegenheiten<br />
Ahmed Khairy<br />
Foto: <strong>DAAD</strong><br />
Europa<br />
europäisches Masterprogramm<br />
absolviert haben. Ab 2009 können<br />
sich auch Doktoranden und<br />
Studierende im Grundstudium für<br />
ein ERASMUS Mundus-Stipendium<br />
bewerben.<br />
Ägypten/EU<br />
Forschungsaustausch<br />
Ägypten erhält elf Millionen Euro<br />
von der Europäischen Union, um<br />
den Austausch von Forschern<br />
und Forschungsergebnissen zu<br />
fördern. Der Fokus liegt auf den<br />
Gebieten Biotechnologie, Informationstechnologie,<br />
erneuerbare<br />
Energien und Gesundheit. Dies<br />
gaben Politiker auf der ersten Euro-Mediterranen<br />
Konferenz zum<br />
Thema Hochschulbildung und<br />
wissenschaftliche Forschung in<br />
Kairo bekannt. Die Vereinbarung<br />
zwischen Ägypten und der Europäischen<br />
Union könnte ein Vorbild<br />
für andere arabische Länder sein,<br />
sagten ägyptische Forscher.<br />
Am Rande der Konferenz vereinbarten<br />
Deutschland und Ägypten<br />
zudem ein bilateral finanziertes<br />
Kurzzeitstipendienprogramm für<br />
ägyptische Doktoranden und Postdocs,<br />
die drei bis sechs Monate<br />
in Deutschland forschen können.<br />
Für das vom <strong>DAAD</strong> organisierte<br />
Programm stehen jährlich zwischen<br />
200 000 und 240 000 Euro<br />
zur Verfügung. KS<br />
19
20<br />
Arbeiten weltweit<br />
Foto: privat<br />
Dynamik und Inselromantik<br />
Irland: Wirtschaftlicher Erfolg und kulturelle Aufbruchstimmung<br />
Ein Aufkleber an der Tür ihres Dozenten in<br />
Galway beeinflusste Cora Pfafferotts Leben:<br />
Als die heute 27-Jährige das Emblem des<br />
„National Forum on Europe“ in der Universität<br />
sah, ahnte sie noch nicht, dass sie später<br />
dort ihre ersten Berufserfahrungen sammeln<br />
sollte. „Ich war von Galway, der irischsten aller<br />
irischen Städte fasziniert. Oft fuhr ich mit<br />
dem Fahrrad an den Atlantik und spürte, dass<br />
ich an der Peripherie Europas bin, der nächste<br />
Stopp ist Amerika“, erinnert sie sich an ihren<br />
Studienaufenthalt vor fünf Jahren. Die Landschaft,<br />
die Offenheit der Iren und ihr Interes-<br />
Foto: Bildagentur Huber/S. Damm<br />
Foto: Kathrin Grenzdörffer<br />
Das wirtschaftlich prosperierende Irland hat eine europäische Erfolgsgeschichte. Die<br />
Arbeitslosenquote ist eine der geringsten, die arbeitende Bevölkerung europaweit die<br />
jüngste. Europa lebt – das spüren Cora Pfafferott und Rolf Stehle in Dublin.<br />
se an europapolitischen Fragen brachten Cora<br />
Pfafferott auf die Idee, ihre Diplomarbeit über<br />
das „National Forum on Europe“ zu schreiben.<br />
Die von der irischen Regierung gegründete Institution<br />
in Dublin hat den Auftrag, die irische<br />
Bevölkerung über die Europäische Union (EU)<br />
zu informieren und mit ihr eine Europa-Debatte<br />
zu führen.<br />
Bei einem Besuch des Forums stieß Cora Pfafferott<br />
sofort auf Interesse und knüpfte erste<br />
Kontakte, bevor sie nach Berlin zurückkehrte.<br />
Als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin kam sie Anfang 2005<br />
in die irische Hauptstadt zurück, um Material<br />
für ihre Diplomarbeit zu sammeln. „Ich wollte<br />
ergründen, inwieweit das Forum tatsächlich<br />
alle gesellschaftlichen Gruppen erreicht.“ Dafür<br />
führte die Politologin Interviews, besuchte<br />
Veranstaltungen des Forums und beobachtete,<br />
wie in Irland über Europa gesprochen wird.<br />
Sie fand heraus, dass Jugendliche, Arbeiter<br />
und Frauen bei den Diskussionsveranstaltungen<br />
unterrepräsentiert sind und Europa<br />
eher ablehnend gegenüberstehen.<br />
Frauen für Europa begeistern<br />
Als Cora Pfafferott ihr Diplom in Händen hielt,<br />
war für sie längst klar, dass sie in Irland leben<br />
und arbeiten wollte: „Die Menschen sind<br />
sehr offen und interessiert, und Kontakte lassen<br />
sich leicht knüpfen.“ Mit einem One-Way-<br />
Ticket flog sie nach Dublin, mietete sich ein<br />
Zimmer und stellte sich erneut beim Forum<br />
vor – mit Erfolg: Die junge Deutsche sollte eine<br />
Strategie erarbeiten, um die Frauen besser zu<br />
erreichen und ihre Gedanken zu Europa zu<br />
erfahren.<br />
„Es ist wichtig, Frauen gezielt und an ihrem<br />
Wohnort anzusprechen, damit das ferne Europa<br />
nicht abstrakt bleibt“, erläutert Cora Pfafferott.<br />
Deshalb fuhr sie in verschiedene Städte<br />
und fragte die Frauen nach den Themen, die<br />
sie bewegen. Insgesamt fünf regionale Konferenzen<br />
organisierte sie, die Themen ähnelten<br />
sich: Armut, Beschäftigung, Frauen- und Menschenrechte,<br />
Erziehung und Bildung. „Die<br />
Menschen wissen zu wenig über die EU, die<br />
Kompetenzen und Entscheidungswege“, fasst<br />
sie ihre Arbeit der letzten Monate zusammen.<br />
Als Deutsche hatte sie durchaus Vorteile bei<br />
diesen Kontakten: „Ich bin keine irische Beamtin,<br />
habe den Blick von außen und konnte die<br />
Diskussionen neutral führen.“<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Europäische Koordinaten:<br />
Pulsierendes Dublin …<br />
Lebendige Kultur<br />
Auch Rolf Stehle erlebt ein junges, aufgeschlossenes<br />
Irland. Er ist seit einem Jahr<br />
Leiter des Goethe-Instituts in Dublin und begeistert<br />
vom kulturellen Leben dort. „Junge<br />
Leute leiten Galerien, Museen, Theater und<br />
Festivals, sie sind neugierig auf neue Strömungen<br />
in Europa“, beschreibt er die Stimmung.<br />
Der 52-Jährige ist ein Wiederholungstäter:<br />
Von 1984 bis 1987 unterrichtete er als <strong>DAAD</strong>-<br />
Lektor an der Universität in Limerick deutsche<br />
Sprache und Literatur. „Die Veränderungen<br />
in den vergangenen 20 Jahren sind enorm:<br />
Damals war Irland ein Auswanderungsland,<br />
junge Leute verließen in Scharen die Insel,<br />
und heute braucht Irland Arbeitskräfte aus<br />
dem Ausland, damit der wirtschaftliche Erfolg<br />
gesichert ist.“<br />
Rolf Stehle war bei seinen Stationen als<br />
„Kulturarbeiter“ schon mehrmals Zeuge<br />
von Umbruchsituationen. Nach dem Fall des<br />
Eisernen Vorhangs Anfang der 90er Jahre<br />
… und imposante Steilküsten am westlichen Rand der EU<br />
baute er ein neues Goethe-Institut in Bratislava<br />
mit auf und erlebte die Trennung Tschechiens<br />
und der Slowakei. Später lebte er vier<br />
Jahre als Institutsleiter in der libanesischen<br />
Hauptstadt Beirut, kurz nach den Attentaten<br />
vom 11. September 2001. Zurück in Europa<br />
erfährt er in Irland ebenfalls einen Wandel<br />
und eine Dynamik, die das kleine Land pulsieren<br />
lassen.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
„Die Romantik im „Irischen Tagebuch“ von<br />
Heinrich Böll, der Irland als Gegenentwurf zu<br />
den Aufbaujahren im Nachkriegsdeutschland<br />
skizzierte, trifft nicht mehr zu. Vielmehr geht<br />
es heute um die Spannung zwischen Modernisierung<br />
und der Bewahrung von Traditionen“,<br />
sagt der Germanist. Künstler und Intellektuelle<br />
suchen nach irischen Wurzeln und fragen<br />
nach der eigenen Mitgestaltung einer europäischen<br />
Zukunft – eine spannende Aufgabe für<br />
den Institutsleiter. Dabei gibt es viel Neues:<br />
Das Jazzfestival „12 points“ – der Titel spielt<br />
auf den seit 50 Jahren existierenden „Eurovision<br />
Song Contest“ an –, bei dem junge<br />
Gruppen aus zwölf europäischen Ländern antreten,<br />
startet in Dublin, bevor es auf die Reise<br />
durch Europa geht. Deutsche und irische<br />
Choreografen inszenieren mit gemischten<br />
Tanztheater-Ensembles. Der deutsch-irische<br />
Schriftsteller Hugo Hamilton begibt sich auf<br />
die Spuren von Heinrich Böll: Er spiegelt in<br />
seinem Buch „Die redselige Insel“ das Irlandbuch<br />
des deutschen Nobelpreisträgers und<br />
beschreibt das heutige moderne Irland.<br />
Rolf Stehle schätzt vor allem den Optimismus<br />
der Iren: „It could have been worse – das<br />
höre ich häufig. Außerdem begegnet mir eine<br />
große Neugier auf deutsche Kultur. Besonders<br />
Berlin hat es den jungen Iren angetan.“ Dabei<br />
beschränkt sich die Arbeit des Goethe-Instituts<br />
nicht mehr auf rein deutsche Kulturvermittlung.<br />
„Wir werden immer mehr zu einem<br />
europäischen Kulturinstitut und vernetzen<br />
uns mit anderen europäischen Kulturinstituten<br />
innerhalb und außerhalb Irlands.“<br />
Isabell Lisberg-Haag<br />
Foto: M. Baumann/adpic Bildagentur<br />
Arbeiten weltweit<br />
21
22 Rätsel<br />
In der deutschen Umgangssprache<br />
erhalten Adjektive oft durch Kombination<br />
mit einem Substantiv ihre besondere Anschaulichkeit.<br />
Einige Beispiele: bildschön, heilfroh, blutjung, spiegelglatt,<br />
schnurgerade.<br />
In unserem Rätsel sind die Substantive Brand, Feder,<br />
Feuer, Hauch, Kugel, Spott, Stein, Stock, Stroh, Pfeil<br />
den folgenden Adjektiven so voranzustellen, dass sinnvolle Verknüpfungen<br />
entstehen.<br />
dunkel<br />
schnell<br />
dumm<br />
reich<br />
rund<br />
rot<br />
billig<br />
zart<br />
aktuell<br />
leicht<br />
Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne und zehn Trostpreise vergeben. Bei<br />
diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen und Lesern teil,<br />
deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige<br />
Anschrift des Absenders angeben!<br />
DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />
1. Duden Die deutsche Rechtschreibung. 24. Auflage (die seit 1. August 2006 gültige Rechtschreibung).<br />
Dudenverlag<br />
2. Die Blaue Blume. Traditional German Folk Songs. Von Sterndreher: CD New Earth Records<br />
3. Christiane NüssleinVolhard: Mein Kochbuch. Einfaches für besondere Anlässe. Insel Verlag<br />
(250 bewährte Rezepte der deutschen Nobelpreisträgerin für Physiologie oder Medizin)<br />
4. Hagen Schulze: Kleine Deutsche Geschichte. C.H. Beck Verlag<br />
Bitte geben Sie mit der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />
Wer war’s? Professor Grübler fragt<br />
Anfang 1848 wütet eine Seuche unter den Ärmsten<br />
der Armen in Oberschlesien. Der preußische Staat ist<br />
alarmiert und schickt einen jungen Arzt in das Krisengebiet.<br />
Er soll den Ursachen der Epidemie – Fleckfieber – auf<br />
den Grund gehen. Der Bericht des Arztes fällt allerdings anders<br />
aus, als der Obrigkeit lieb ist. Der Mediziner erklärt nämlich,<br />
dass die unzureichenden hygienischen Verhältnisse, auf die<br />
er gestoßen ist, die unmittelbare Folge politischen Versagens seien.<br />
Daraufhin erfährt er so viele Anfeindungen, dass er seine Arbeitsstelle<br />
verliert.<br />
Doch der Arzt lässt sich nicht einschüchtern. Er erklärt: „Die Medizin ist<br />
eine soziale Wissenschaft, und die Politik ist nichts weiter als Medizin<br />
im Großen.“ Als in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland<br />
die Bildung von Parteien und die Teilnahme an Wahlen möglich wird, ist<br />
er führend an Reformbestrebungen beteiligt. Inzwischen zum Medizin-<br />
Professor aufgestiegen, übernimmt er eine Führungsrolle in der linksliberalen<br />
Deutschen Fortschrittspartei. Er wird Landtags- und Reichstagsabgeordneter.<br />
Einmal fühlt sich der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck<br />
so sehr von einer Äußerung des Arztes provoziert, dass er ihm eine<br />
Aufforderung zum Pistolen-Duell übermittelt. Doch der besonnene<br />
Parlamentarier lehnt diese altertümliche Form der Auseinandersetzung<br />
kategorisch ab.<br />
Der Arzt und Politiker leistet Bahnbrechendes. Er revolutioniert<br />
die Zellforschung und setzt sich erfolgreich dafür ein,<br />
dass in Berlin mehr Krankenhäuser errichtet werden. Er<br />
sorgt außerdem dafür, dass sich durch den Ausbau<br />
einer zentralen Trinkwasser-Versorgung, durch<br />
Kanalisation und staatliche Lebensmittel-<br />
Kontrollen die Lebensbedingungen der<br />
Menschen allmählich verbessern.<br />
Kurz nach seinem 80. Geburtstag stirbt<br />
er an den Folgen eines Sturzes, den er<br />
Bei richtigem Zusammenstellen der Wortpaare<br />
ergeben die Buchstaben in den besonders<br />
gekennzeichneten Feldern das Lösungswort.<br />
Dabei handelt es sich ebenfalls um eine<br />
Verbindung aus Substantiv und Adjektiv. Es<br />
drückt eine Eigenschaft aus, die wir all unseren<br />
Leserinnen und Lesern wünschen.<br />
Schreiben Sie das Lösungswort an ▼<br />
sich beim Aussteigen aus der Straßenbahn<br />
zugezogen hat.<br />
Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />
Unter den richtigen Lösungen werden<br />
fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />
ist ausgeschlossen. Bitte wählen<br />
Sie unter den links unten genannten<br />
Preisen.<br />
Senden Sie die Lösung an ▼<br />
Redaktion <strong>DAAD</strong> Letter<br />
Trio MedienService<br />
Chausseestraße 103<br />
10115 Berlin, Germany<br />
Fax: +49 30/28 09 61 97<br />
E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />
Einsendeschluss ist der 9. November 2007<br />
!<br />
Die Lösung und die Gewinner<br />
der vorigen Letter-Rätsel<br />
finden Sie auf Seite 42<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
SPRACHWERKSTATT<br />
Leben ohne Ruhm<br />
Substantive und Verben lassen sich häufig voneinander ableiten. Der Wortstamm bleibt<br />
gleich, doch die Substantive unterscheiden sich von den Verben oft entweder durch<br />
eine Vorsilbe wie Ge- (das Geschrei von schreien) oder eine neue Endung wie zum<br />
Beispiel -ung (die Hoffnung von hoffen). Manchmal fällt die Verb-Endung auch ganz<br />
weg (die Suche von suchen) oder aber das Substantiv ist sogar mit dem Verb identisch<br />
(das Bleiben von bleiben). Im folgenden Text sind aus den vorgegebenen Verben die<br />
richtigen Substantive zu bilden.<br />
„Ein wunderbares (mischen) _____ aus Sinn und Unsinn!“ nannte Johann Wolfgang<br />
von Goethe sein Theaterstück „Das Käthchen von Heilbronn“, und über die Briefe an<br />
seine (verloben) _____ Wilhelmine von Zenge urteilte Thomas Mann später, es seien<br />
„die seltsamsten Liebesbriefe der Welt“. Die (reden) _____ ist von einem Dramatiker,<br />
(erzählen) _____ und Essayisten, dessen Werke heute als (teilen) _____ der Weltliteratur<br />
gelten: Heinrich von Kleist. Der aus Frankfurt/Oder (gebären) _______ – er kam dort am<br />
18. Oktober 1877 zur Welt – hinterließ eine (dichten) _______, die sich weder der Klassik<br />
noch der Romantik zuordnen lässt. Ob „Penthesilea“, „Der zerbrochene Krug“ oder<br />
„Prinz Friedrich von Homburg“: Kleists wortgewaltige Dramen voller Ironie und Doppeldeutigkeiten<br />
sind unverändert auf den Bühnen deutscher Theater zu finden, und seine<br />
(erzählen) _____ wie „Die Marquise von O.“ oder „Michael Kohlhaas“ werden bis heute<br />
im (unterrichten) _______ an deutschen Schulen gelesen.<br />
Zeit seines (leben) _____ aber musste Kleist auf den literarischen (rühmen) _____ und<br />
die (anerkennen) _____ für seine Werke verzichten. Dies hatte Lebens- und Schaffenskrisen<br />
zur (folgen) _____ und führte zu häufigem (wechseln) _____ von Ort und Beruf. So<br />
verließ Kleist, mit 16 Jahren schon (verwaisen) _____, trotz seiner (befördern) _____ zum<br />
Leutnant 1799 das Militär. Er brach das (studieren) _____ ab und gab später auch den<br />
(dienen) _____ beim preußischen Staat auf. Seine (auseinandersetzen) ____ mit den<br />
(lehren) ____ von Kant und Rousseau führte ihn nach Paris und in die Schweiz. Kleists<br />
vorübergehender (entschließen) _____, sich dort als Bauer niederzulassen, bedeutete<br />
das (enden) _____ seiner (verloben) _____ . 1803 versuchte er vergeblich, sich durch<br />
den (eintreten) _____ in Napoleons Armee gegen England „in den Tod“ zu „stürzen“, wie<br />
er schrieb.<br />
Auf Kleists (verhaften) _____ als vermeintlicher (spionieren) _____ und die französische<br />
Gefangenschaft 1807 folgte zwar eine glücklichere Zeit in Dresden. Aber auch hier war<br />
die (herausgeben) _____ einer Kunstzeitschrift nicht von Erfolg gekrönt. Er ging nach Berlin,<br />
doch 1810 endete seine Tätigkeit als Redakteur damit, dass das (erscheinen) _____<br />
der Tageszeitung aus Gründen der (zensieren) _____ eingestellt wurde. Vereinsamt und<br />
ohne private oder berufliche Perspektive, nahm sich Kleist am 21. November 1811 auf<br />
einem Hügel vor den Toren Berlins das (leben) _____. Dort ist auch sein (begraben)<br />
______.<br />
Zur (erinnern) _____ an den 230. Geburtstag finden vom 9. bis 14. Oktober 2007 die<br />
Kleist-Festtage in Frankfurt/Oder statt. An dem Festival sind vierzehn Bühnen mit (aufführen)<br />
_____ rund um Kleist beteiligt.<br />
Christine Hardt<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
„Der zerbrochene Krug“ im<br />
Film: Emil Jannings in einer<br />
Inszenierung von 1937<br />
LÖSUNG: Gemisch; Verlobte; Rede; Erzähler;<br />
Teil; Gebürtige; Dichtung; Erzählungen;<br />
Unterricht; Lebens; Ruhm; Anerkennung;<br />
Folge; Wechsel; Waise; Beförderung; Studium;<br />
Auseinandersetzung; Dienst; Lehren; Entschluss;<br />
Ende; Verlobung; Eintritt; Verhaftung; Spion;<br />
Herausgabe; Erscheinen; Zensur; Leben; Grab;<br />
Erinnerung; Aufführungen.<br />
AUFGESPIESST<br />
Sprachecke<br />
Erinnern Sie sich?<br />
Natürlich gab es sie immer schon – aber so<br />
richtig angefangen mit den Gedenktagen hat<br />
es eigentlich erst vor ungefähr zwanzig Jahren.<br />
Seitdem erinnert man sich auf allen Kanälen<br />
und in allen Magazinen gerne an bedeutende<br />
Persönlichkeiten der Geschichte, bevorzugt an<br />
runden Geburts- oder Todestagen. Manchmal<br />
aber auch gleich ein ganzes Jahr lang: Goethe<br />
war 1999 dran, Nietzsche im Jahr 2000, Schiller<br />
dann 2005. Oder man gedenkt bedeutender<br />
historischer Ereignisse. Man erinnert sich an sie<br />
oder man gedenkt ihrer – so jedenfalls sollte es<br />
sein. Leider aber werden die schönen Verben<br />
erinnern und gedenken im alltäglichen Umgangsdeutsch<br />
immer wieder arg strapaziert, und<br />
leider fällt das inzwischen nur noch wenigen<br />
Deutschen unangenehm auf.<br />
Man erinnert einen Film, heißt es dann, oder<br />
man gedenkt dem Ende des Krieges. Beides<br />
ist falsch, und trotzdem hört man es nicht gerade<br />
selten. Eine beliebte Politikerfloskel lautet:<br />
Ich erinnere das. Oder noch öfter: Das erinnere<br />
ich so nicht. Wer entschuldigend darauf<br />
verweist, dass hier womöglich der Satzbau des<br />
Englischen ins Deutsche übernommen wurde<br />
(I don’t remember that), darf ruhig auch noch<br />
daran erinnern, dass man im Deutschen durchaus<br />
jemanden an etwas erinnern kann (Darf<br />
ich Dich daran erinnern, endlich Deine Schulden<br />
zu begleichen?). Man kann aber nie und<br />
nimmer etwas erinnern – zu einem reflexiven<br />
Verb wie erinnern gehört ein Reflexivpronomen,<br />
das sich auf das Subjekt des Satzes bezieht. Erinnern<br />
Sie sich?<br />
Und wer sich nicht nur erinnert, sondern sogar<br />
gedenkt – der braucht, man höre und staune,<br />
den angeblich im Aussterben begriffenen Genitiv.<br />
Den zweiten Fall also, um den viele Zeitgenossen<br />
einen großen Bogen machen, weil sie<br />
sich seines nicht (mehr) sicher sind. Heute gedenken<br />
wir eines bedeutenden Staatsmanns<br />
klingt aber einfach besser und würdiger als der<br />
ebenfalls korrekte, jedoch ein bisschen banale<br />
Satz: Heute denken wir an einen bedeutenden<br />
Staatsmann. Vielleicht denken Sie daran, wenn<br />
jemand mal wieder etwas erinnert oder dem<br />
Waldsterben gedenkt? Erinnern Sie sich doch<br />
einfach an<br />
23
24<br />
Trends<br />
Rückenwind für Klimaschutz<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Die Deutschen haben den Klimaschutz zu ihrem Thema gemacht: Politiker engagieren<br />
sich für die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen, Wissenschaftler<br />
forschen rund um den Klima-, Umwelt- und Energie-Komplex, und die<br />
Wirtschaft exportiert fleißig Umwelttechnologie. Kurz: Deutschland möchte<br />
Klimaschützer Nummer eins sein.<br />
Wo das Grün der Äcker niemals endet<br />
und irgendwann ins Blau der Nordsee<br />
taucht, wo akkurate Höfe von wirtschaftlicher<br />
Disziplin der Bauern künden und konservative<br />
Denkart ein Markenzeichen ist, da wächst<br />
ein avantgardistisches Unternehmen: Kunibert<br />
Ruhe und Olaf von Lehmden, Bauern<br />
a. D. und Akademiker, fertigen so erfolgreich<br />
Biogas-Anlagen, dass sie mit ihrer Firma an<br />
die Börse gehen können. Statt Massentierhal-<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: www.paul-langrock.de<br />
tung zu betreiben, wie es in ihrer Region südlich<br />
von Oldenburg Tradition ist, entdeckten<br />
sie das Energiepotential der Gülle, die Rüben-<br />
und Mais-Silage gären lässt und letztlich klimaschonend<br />
Strom erzeugt. Zurzeit errichten<br />
sie in Mecklenburg-Vorpommern den wohl<br />
weltweit größten „Biogas-Park“.<br />
Ähnliche Erfolgsgeschichten schreiben auch<br />
viele andere rührige Geister, die vom politisch<br />
propagierten Aufbruch ins „saubere“ Energie-<br />
Titel<br />
Trends<br />
Zeitalter profitieren. Sie scheinen Deutschland<br />
in ein Freiland-Labor für alternative Stromgewinnung<br />
zu verwandeln, in dem grundlagen-<br />
und anwendungsorientierte Forscher innovativen<br />
Entwicklungen den Weg bereiten.<br />
Das gilt auch für die Windkraft. Windräder<br />
zeichnen heute das norddeutsche Landschaftsbild,<br />
und bald wird 35 Kilometer vor der Insel<br />
Rügen im tiefen Wasser auch ein Offshore-<br />
Windpark stehen. Kein anderes Land erzeugt<br />
so viel Strom aus Wind wie Deutschland, das<br />
bislang ein Fünftel des Weltmarkts für Windkrafttechnologie<br />
besitzt.<br />
Im Süden der Republik wiederum expandiert<br />
die Stromgewinnung durch Sonnenenergie.<br />
Und auch da wird heftig in Forschung<br />
investiert. 60 Millionen Euro „spendiert“<br />
Bundesforschungsministerin Annette Schavan<br />
in den nächsten fünf Jahren allein für<br />
die Initiative für organische Photovoltaik, die<br />
Sonnenenergie in Strom umwandelt. Die Liste<br />
der Beteiligten liest sich wie das Who-is-who<br />
der deutschen Wirtschaft, die weitere 300<br />
Millionen Euro in das Projekt investieren will.<br />
Denn Sonnenenergie hat Zukunft. Eicke Weber,<br />
Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare<br />
Energiesysteme (ISE), prognostiziert, dass im<br />
Jahr 2050 mit Sonne ein Viertel des globalen<br />
Energiebedarfs gedeckt werden kann.<br />
„Goldgräberstimmung“ auch bei Erdwärme,<br />
dem unerschöpflichen Reservoir an Energie,<br />
die besonders wirtschaftlich zu verwerten<br />
ist, wenn sie in geringen Tiefen schlummert.<br />
So in der oberrheinischen Tiefebene: Im elsässischen<br />
Soultz-sous-Fôrets startete in den<br />
1990er Jahren ein europäisches Forschungsprojekt<br />
zu Geothermie. Und hier entstehen<br />
heute auf deutscher Seite weitere Erdwärme-<br />
Kraftwerke.<br />
Drohung Klimakollaps<br />
Hinter den Erfolgsgeschichten stecken, wie so<br />
oft, alarmierende Signale, vor allem die Warnungen<br />
des UN-Wissenschaftsrats (Intergovernmental<br />
Panel on Climate Change, IPCC)<br />
vor dem Klimakollaps sowie die gleichzeitige<br />
Verknappung und Verteuerung von Erdöl und<br />
Gas.<br />
Noch sind Öl, Gas und Steinkohle die wesentlichen<br />
Energieträger weltweit, sie sind jedoch<br />
auch Klimakiller. Denn fossile Brennstoffe<br />
produzieren Kohlendioxid – jenes langlebige<br />
Treibhausgas, das, ebenso wie Methan, die<br />
Atmosphäre aufheizt und extreme Wetterlagen<br />
wie Hitze, Stürme, Überschwemmungen<br />
fördert. Klimaerwärmung und Energieversorgung<br />
gehören so zum selben Komplex, und<br />
der belebt auch die politische Willensbildung.<br />
Selbst auf der kommunalen, bürgernahen<br />
Ebene werden allenthalben Klimathemen<br />
25
26<br />
Foto: Rainer Weisflog<br />
Trends<br />
Foto: pixelio.de<br />
Ungebremste Fahrlust:<br />
Noch sind die wenigsten<br />
Autos umweltfreundlich<br />
ABSTRACT<br />
Climate Protection Gaining Momentum<br />
Climate protection has become the number one<br />
topic in Germany. Politicians are committed to<br />
reducing greenhouse gas emissions, scientists<br />
are researching all aspects of the climate-environment-energy<br />
complex, and industry is busily<br />
exporting environmental technology. More than<br />
80 percent of Germans are in favor of a “reorientation<br />
toward alternative energy sources with<br />
lower carbon dioxide emissions”, according to<br />
a survey conducted by the polling firm EMNID.<br />
A lot of people are hoping that geothermal<br />
power, solar energy, wind and water power,<br />
wood-pellet and biomass heating will triumph.<br />
Both as president of the European Council<br />
and at the G8 summit in Heiligendamm,<br />
Chancellor Angela Merkel has set ambitious<br />
goals for climate protection. In her<br />
own country, she has called for a 40-percent<br />
reduction of CO2 emissions by 2020, putting<br />
Germany at the forefront in CO2 reduction.<br />
Alternative energy technologies are subsidized<br />
and have been an important economic factor<br />
for quite some time already. Today, Germany<br />
accounts for one-fifth of the world market in<br />
wind power technology. Moreover, protection<br />
of the climate is a driving force for research.<br />
The Federal Ministry of Education and Research<br />
has earmarked some 1.2 million euro<br />
for projects related to the climate in the current<br />
legislative period. The European Union is<br />
keeping pace; in addition to numerous other<br />
projects, the EU is providing 309 million euro<br />
to fund the new European Technology Institute<br />
(EIT) which will carry out top-level research in<br />
fields such as climate, energy and environment.<br />
Energie aus Gülle und Getreide:<br />
Biogasanlage in Brandenburg<br />
diskutiert und Initiativen für Windräder, Biogasanlagen<br />
oder andere Umweltvorhaben gegründet.<br />
Denn das „Energieeinspeisegesetz“,<br />
das ins Stromnetz eingeleitete Kilowattstunden<br />
aus erneuerbaren Energien in Bargeld<br />
verwandelt, sprich subventioniert, macht<br />
Klimaschutz auch lukrativ. Und alternative<br />
Energietechniken schaffen zunehmend Arbeitsplätze<br />
– was ihren guten Ruf erheblich<br />
steigert.<br />
Seit Veröffentlichung des IPCC-Reports im<br />
Februar 2007 jedenfalls kann der Klimadebatte<br />
hierzulande niemand mehr entgehen.<br />
Schon gar nicht angesichts der durch die Medien<br />
geisternden Bilder von wollig weichen<br />
Eisbären auf Eisschollen, die immer kleiner<br />
werden, weil die Arktis taut. Kontrovers diskutiert<br />
wird meist nur der anthropogene, also<br />
der vom Menschen bewirkte Anteil am Klimawandel.<br />
Alternative Energien erwünscht<br />
„Hysterie“ nennen einige Kritiker das zunehmend<br />
schlechte Umweltgewissen der<br />
Deutschen und verweisen darauf, dass die<br />
Forschung den von Menschen verantworteten<br />
Prozentsatz am Klimawandel bisher nicht<br />
definitiv beziffern kann. Sie wettern gegen<br />
die „Verspargelung der Landschaft“ durch<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Foto: picture-alliance/dpa Foto: Paul Langrock/Zenit/laif<br />
Unterirdische Entsorgung:<br />
Anlage zur Speicherung von Kohlendioxid<br />
in Ketzin bei Potsdam<br />
Blickpunkt Klima in Forschung und Lehre<br />
Basis der Klimaforschung sind globale Modelle. Forscher des Max-Planck-<br />
Instituts für Meteorologie in Hamburg haben die Klimaentwicklung von 1860<br />
bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf Grund von Einflussfaktoren wie etwa<br />
Treibhausgasen simuliert und mit einem Temperaturanstieg von bis zu vier<br />
Grad Celsius bis 2100 ein Erwärmungstempo ohne erdgeschichtliche Parallelen<br />
aufgezeigt.<br />
Am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie entwickelten Forscher ein<br />
Modell, das die Kosten-, Forschungs- und politischen Aufwendungen darstellt,<br />
die für das vorgegebene Klimaziel erforderlich sind – bei Einsatz unterschiedlicher<br />
Energieträger.<br />
An der Fundierung dieser Modelle arbeiten deutsche Wissenschaftler unter<br />
anderem im Rahmen des europäischen Projekts EPICA zur Klimageschichte<br />
(European Project for Ice Coring in Antarctica): Mit bis zu 800 Meter tiefer<br />
„Kernbohrung“ rekonstruieren sie den klimatischen Wandel über 500 000<br />
Jahre.<br />
Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung an der<br />
Humboldt-Universität Berlin berechneten die wirtschaftlichen Auswirkungen<br />
und stellten fest, dass Deutschland künftig drei Prozent seines Bruttosozialprodukts<br />
zur Behebung von Klimaschäden aufwenden muss. Der Wissenschaftliche<br />
Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Windräder, die aus ihrer Sicht zu wenig effizient<br />
produzieren. Oder sie werten Biogasanlagen<br />
ab, weil sie Monokulturen förderten.<br />
Andere Kritiker denunzieren die ausgeprägte<br />
Sorge um Klima und Umwelt als jenen deutschen<br />
Geist der Frühromantik, der die „erhabene<br />
Natur“ irrational mystifiziere.<br />
Die Mehrheit der Bevölkerung aber hält<br />
Handeln für opportun. Schließlich könne sich<br />
ein dicht besiedelter, rohstoffarmer und energiehungriger<br />
Industriestaat wie Deutschland<br />
weder ökologische Störungen noch einseitige<br />
Abhängigkeiten von wenigen Ressourcen-Lieferanten<br />
leisten, so die Mehrheitsmeinung.<br />
Über 80 Prozent der Deutschen favorisieren<br />
denn auch die „Umorientierung auf alternative<br />
Energieträger mit weniger Kohlendioxid-<br />
Emissionen“, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts<br />
EMNID zeigt. Sie hoffen<br />
auf den Siegeszug von Erdwärme und Solar-<br />
Titel<br />
Trends<br />
energie, Wind- und Wasserkraft, Holzpellet-<br />
oder Biomasse-Heizung.<br />
Zehn Millionen Umweltbewusste sind außerdem<br />
in der „Klima-Allianz“ aktiv, einem<br />
lockeren Bündnis von Kirchen, Umwelt- und<br />
Entwicklungsorganisationen, die Politiker<br />
zum Handeln treiben wollen. Fest stehen die<br />
Deutschen hinter dem Kyoto-Abkommen –<br />
auch wenn nur wenige wissen, dass die 1997<br />
in Japan von der Europäischen Union (EU)<br />
versprochene Acht-Prozent-Reduktion des<br />
Ausstoßes an Treibhausgasen bis 2012 kaum<br />
eingehalten werden kann.<br />
Politischer Aufbruch<br />
Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel macht<br />
Druck. Ökonomie und Ökologie sieht sie nicht<br />
mehr als Gegensätze, sondern als Gespann<br />
in die Zukunft. Das prägt die Ziele, die sich<br />
die EU unter Merkels Ratspräsidentschaft im<br />
Chefsache: Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
machte beim G8-Gipfel den Klimaschutz<br />
zum Thema<br />
thematisiert soziale und politische Weiterungen: Wassermangel, Ernterückgänge<br />
oder extreme Stürme in einigen Weltregionen führen zu Unruhen und<br />
Migrationsströmen.<br />
Der Klimawandel beschäftigt auch die Sozialwissenschaften. So fördert das<br />
Wissenschaftszentrum Berlin mit seinem Projekt „Integriertes Küstenzonen-<br />
Management“ den Dialog möglichst vieler Akteure und Interessengruppen,<br />
der zu Lösungen konflikthafter ökologischer, ökonomischer und sozialer<br />
Vorstellungen führen soll. Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung<br />
schließlich arbeiten daran, dass die Nachhaltigkeits-Vision<br />
überhaupt Wirklichkeit werden kann.<br />
Auf der technischen „Lösungsebene“ ist die Forschungsvielfalt in Deutschland<br />
enorm – vor allem zu Klimaneutralen Energiesystemen mit Sonnen-, Windoder<br />
Biomasse-Energie. Gleichzeitig sind Klima und Umweltschutz auch Themen<br />
von Studiengängen an deutschen Hochschulen.<br />
Unter diesem Gesichtspunkt fördert der <strong>DAAD</strong> Postgraduierte aus Entwicklungsländern<br />
an deutschen Hochschulen. Er vergibt Stipendien für<br />
Aufbaustudiengänge mit Entwicklungsländer-Bezug, darunter etliche mit<br />
umweltwissenschaftlicher Thematik. Zum Beispiel: „Renewable Energy“ an<br />
der Universität Oldenburg, „Sustainable Energy Systems and Management“<br />
an der Universiät Flensburg oder „Tropical Forestry and Management“ an der<br />
Technischen Universität Dresden.(Informationen: www.daad.de/en/download/<br />
development/Postgraduate_Courses_2008-09.pdf) Ruth Kuntz-Brunner, Llo<br />
27
28<br />
Abb.: Autodesk/Marine Current Turbines<br />
Foto: Joerg Lantelme<br />
Trends<br />
Klimaschonende Techniken: Strom gewinnen<br />
aus der Energie der Meeresströmung (oben)<br />
und per Solardach<br />
ersten Halbjahr 2007 setzte: Bis 2020 soll der<br />
Ausstoß an Treibhausgasen, gemessen am Jahr<br />
1990, um mindestens 20 Prozent reduziert<br />
werden, bis 2050 um mindestens 60 Prozent.<br />
Von Deutschland erwartet die Kanzlerin noch<br />
mehr: Der CO2-Ausstoß soll bis 2020 um 40<br />
Prozent sinken – ohne die von der EU zugeteilten<br />
Emissionszertifikate als „Ablasshandel“<br />
einzusetzen. Auf dem diesjährigen G8-Gipfel<br />
in Heiligendamm an der deutschen Ostsee<br />
konnte die Kanzlerin selbst US-Präsident<br />
George W. Bush, der das Kyoto-Abkommen<br />
nicht unterschrieben hat, einige Zugeständnisse<br />
zum Klimaschutz abringen.<br />
Auch gegen deutsche Konzern- und Verbandschefs<br />
verteidigte Merkel auf einem innerdeutschen<br />
„Gipfel“ Anfang Juli erfolgreich ihr<br />
Energiekonzept. Die Kernpunkte: Energie sparen,<br />
Energie effizienter nutzen, erneuerbare<br />
Energien einsetzen. Von der Industrie verlangt<br />
das Energiepaket faktisch Wachstum mit weniger<br />
Energieverbrauch. Bei der vorgegebenen<br />
„Messlatte auf Weltrekordniveau“, wie Jürgen<br />
Thumann, Präsident des Bundesverbands der<br />
Deutschen Industrie, urteilt, sind die Verbraucher<br />
ebenfalls gefordert: Ihr Anteil erschöpft<br />
sich künftig nicht allein im Kauf von Energiesparlampen;<br />
effiziente Heizsysteme oder Isolierung<br />
ihrer Häuser müssen folgen.<br />
Ohne „dritte industrielle Revolution“, wie<br />
sie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in<br />
Anlehnung an den ehemaligen französischen<br />
Präsidenten Jacques Chirac fordert, ist die<br />
Wende im Klimaschutz nicht zu machen. Und<br />
die bedingt eine „massive Steigerung der Energieforschung“.<br />
Forschungsmotor Klima<br />
In der Wissenschaft hat diese Revolution freilich<br />
schon begonnen – zumal sie sich auch<br />
lohnt. So gibt das Bundesforschungsministerium<br />
für Projekte zu Klima, Energie und<br />
Ressourcen-Effizienz in der laufenden Legislaturperiode<br />
rund 1,2 Milliarden Euro. Davon<br />
erhielten Spitzenvertreter aus Wissenschaft<br />
und Wirtschaft auf einem „Klimaforschungsgipfel“<br />
im Mai dieses Jahres 255 Millionen<br />
Euro. Denn umweltschonende Technologie<br />
soll auch in Zukunft ein Wirtschaftsfaktor<br />
deutscher Machart bleiben.<br />
Die EU hält fleißig mit. Von den 54,4 Milliarden<br />
Euro, die EU-Forschungskommissar Janez<br />
Potočnik letztlich für das 7. Forschungsrahmenprogramm<br />
bekam, stehen mehrere Milliarden<br />
direkt oder indirekt für Klimaschutz bereit.<br />
Neben dieser „Breitenforschung“ soll das<br />
neue Europäische Technologie-Institut (EIT)<br />
– ein Netzwerk von Top-Forschungseinrich-<br />
tungen – im Bereich Klima/Energie/Umwelt<br />
gezielt Spitzenforschung betreiben. In der ersten<br />
Ausbauphase soll das EIT 309 Millionen<br />
Euro erhalten.<br />
Der Klimaforschungs-Treck allerdings ist<br />
längst unterwegs. Wissenschaftler erstellen<br />
Modelle, auf deren Plattform Szenarien entworfen<br />
werden, wohin das Weltklima steuert.<br />
Und sie münzen die apokalyptische Terminologie<br />
auch in rationale Forschung um, die –<br />
zumindest längerfristig – Lösungswege zeigt.<br />
So versuchen sie, die „schmutzige“, aber heimische<br />
Kohlekraft zu säubern, indem sie das<br />
emittierte CO2 trennen und „entsorgen“. Mitte<br />
dieses Jahres ist dazu im brandenburgischen<br />
Ketzin die erste europäische Testanlage zur<br />
Speicherung von Kohlendioxid eröffnet worden.<br />
Auch die „klimaneutrale“, aber risikobehaftete<br />
und daher wenig populäre Atomkraft<br />
wird – obwohl die Regierungskoalition aus<br />
dieser Energiequelle aussteigen will – weiter<br />
erforscht.<br />
„Blinder Fleck“<br />
Auf europäischer Ebene beteiligen sich deutsche<br />
Wissenschaftler beispielsweise an der<br />
Entwicklung eines Kernfusionsreaktors, der<br />
irgendwann die ultimative Lösung aller Energieprobleme<br />
liefern könnte. Denn kontrollierte<br />
Kernfusion ist der Sonne abgeschaut<br />
und ebenso nachhaltig. Der Grundbrennstoff<br />
Deuterium, ein Wasserstoffisotop, ist im Wasser<br />
enthalten, und die zweite Komponente,<br />
Tritium, wird im Reaktor aus dem ebenfalls<br />
reichlich verfügbaren Lithium erzeugt. Diese<br />
Energieproduktion verschmutzt die Umwelt<br />
nicht, löst keine risikobehaftete Kettenreaktion<br />
aus, und die Reaktorabfälle sind nach hundert<br />
Jahren quasi nicht mehr radioaktiv und<br />
wiederverwertbar.<br />
Deutsche Wissenschaftler loten aber auch<br />
kurzfristige Lösungen aus, wie das Potenzial<br />
von Brennstoffzellen, die, wenn sie mit Wasserstoff<br />
arbeiten, ein vielversprechender Weg<br />
für den Fahrzeugantrieb sind. Doch ausgerechnet<br />
die wichtigste deutsche Industrie, die<br />
Autoindustrie, gibt wenig Fahrt in Richtung<br />
Sparmobil. Während japanische Hybridvehikel<br />
den US-Markt erobern, bremst die Autolobby<br />
in der EU partiell den Fortschritt aus.<br />
Auch in der Bevölkerung endet das Bewusstsein<br />
für den Klimaschutz allzu oft beim Auto.<br />
So „verfährt“ jeder, der darf, jährlich bis zu tausend<br />
Liter Benzin, und viele fordern weiterhin<br />
auf deutschen Autobahnen die umweltschädliche<br />
„freie Fahrt ohne Tempolimit“. Auch das<br />
Musterland Deutschland hat im Klimaschutz<br />
seine „blinden Flecken“. Ruth Kuntz-Brunner<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Bekenntnis zur Vielfalt<br />
Wie international sind die Geisteswissenschaften?<br />
Mehr Internationalität in Forschung und<br />
Lehre forderten Geisteswissenschaftler bei<br />
einem Kongress des <strong>DAAD</strong> und der Freien<br />
Universität in Berlin.<br />
Kann man einem Japaner, der als Sinologe<br />
über die deutsch-chinesischen Beziehungen<br />
promoviert, noch etwas Neues erzählen<br />
über die Internationalität der Wissenschaft?<br />
Doch, man kann. 300 Vertreter geisteswissenschaftlicher<br />
Disziplinen waren auf<br />
Einladung des <strong>DAAD</strong> und der Freien Universität<br />
(FU) Berlin Anfang Juni zu dem Kongress<br />
„Internationalität der Geisteswissenschaften<br />
in einer globalisierten Welt“ nach Berlin gekommen.<br />
Und die Besucher waren nicht wenig<br />
erstaunt über die hier ausgebreitete Fülle von<br />
Erfahrungen, Initiativen und Plänen rund um<br />
die Internationalisierung ihrer Fachgebiete.<br />
Der Kongress war der Beitrag des <strong>DAAD</strong> zum<br />
„Jahr der Geisteswissenschaften“, einer Initiative<br />
des Bundesbildungsministeriums (Letter<br />
berichtete in Heft 1/2007). Die deutschen Geisteswissenschaften<br />
fühlen sich unterschätzt,<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Im Henry-Ford-Bau<br />
der Freien Universität Berlin<br />
sind zweifellos unterfinanziert und suchen<br />
gezielt neue Wege, ihre Bedeutung öffentlich<br />
bekannt zu machen. Ihr Renommee im internationalen<br />
Kontext wurde in Berlin nicht bezweifelt<br />
– auch wenn noch viel zu tun bleibt.<br />
„Kaum ein Land leistet sich so viel Aufwand<br />
für geisteswissenschaftliche Einrichtungen<br />
mit internationalen Bezügen wie Deutschland“,<br />
sagte der Historiker Ulrich Herbert.<br />
Da würde ihm Fridah Kanana Erastus aus<br />
Kenia zustimmen. Die Linguistin promoviert<br />
über einen Vergleich der kenianischen Sprachen<br />
Meru, Tharaka und Chuka. „Bei mir zu<br />
Hause an der Kenyatta University gibt es dazu<br />
keine Bücher“, erzählt sie. „Aber in der Afrikanistik<br />
in Frankfurt habe ich nicht nur mehr als<br />
genug Forschungsliteratur gefunden, sondern<br />
ich kann dort auch noch Suaheli und Haussa<br />
lernen.“<br />
„Global village“<br />
Die Afrikanerin war eine von rund 150 ausländischen<br />
Doktoranden, die zu dem Kongress<br />
geladen waren. Sie forschen zurzeit mit<br />
<strong>DAAD</strong> 29<br />
ABSTRACT<br />
Committed to Diversity<br />
At a conference jointly organized by the<br />
<strong>DAAD</strong> and Freie Universität Berlin, humanists<br />
called for a more international approach<br />
in research and education. This conference<br />
was the <strong>DAAD</strong>‘s contribution to the Year of<br />
the Humanities 2007, declared by Germany‘s<br />
Federal Ministry of Research and Education.<br />
The humanities in Germany have been<br />
feeling undervalued, and they are certainly<br />
under-financed. Thus the search is on for<br />
ways to acquaint the general public with<br />
the significance of this important field.<br />
There was no doubt at the Berlin conference<br />
with regard to the international reputation<br />
of humanities in Germany, but there is still<br />
a lot to be done. Globalization is opening up<br />
doors to new areas of research that in many<br />
cases cannot be adequately addressed except<br />
in international cooperation. According to<br />
Ansgar Nünning, cultural scientist in Gießen,<br />
this necessitates reflection on the different<br />
national scientific traditions, which in turn<br />
become themselves a topic of research. All were<br />
agreed that implementing an international<br />
approach means maintaining diversity.<br />
A lack of international standards was noted<br />
by conference participants, particularly in the<br />
realm of education. <strong>DAAD</strong> president Theodor<br />
Berchem pointed to the state-run “Excellence<br />
Initiative” promoting research, and called for<br />
similar measures to be introduced in education.<br />
International programs provide models<br />
for developing programs for promoting young<br />
educators. Conference organizers invited 150<br />
doctoral candidates from overseas currently<br />
in Germany on <strong>DAAD</strong> scholarships, who plan<br />
to discuss direct experiences relating to this<br />
topic at their own conference this autumn.<br />
Foto: Reiner Zensen
30<br />
<strong>DAAD</strong><br />
<strong>DAAD</strong>-Förderung an deutschen Hochschulen,<br />
und Internationalität ist für sie der ganz<br />
normale Alltag. Der Australier Samuel Peter<br />
Koehne fühlt sich in der „Gemeinschaft der<br />
Geisteswissenschaftler“ wie in einem „global<br />
village“. Der Historiker verfolgt den Weg der<br />
Tempel-Gesellschaft von Deutschland über<br />
Palästina nach Australien, wohin die kleine<br />
religiöse Gemeinschaft 1941 deportiert wurde.<br />
Koehnes Interesse am Schicksal dieser<br />
Christen in der Nazizeit führte ihn nach Stuttgart,<br />
wo die Templer gegründet wurden und<br />
Internationalität mit<br />
inbegriffen: Doktoranden<br />
Samuel Koehne …<br />
Kap-Hyun Park<br />
wo er nicht nur die Archive nutzt, sondern<br />
auch in die schwäbische Mentalität und Sprache<br />
eintaucht.<br />
Mentalität und Sprache beschäftigen auch<br />
den Koreaner Kap-Hyun Park, der an der Universität<br />
Duisburg-Essen über den Philosophen<br />
Kant und den Begriff des Erhabenen forscht.<br />
Internationalität bedeutet für den Philosophen<br />
vor allem, Unterschiede erkennen zu können.<br />
Das „Erhabene“ habe in Korea eine ganz andere<br />
Bedeutung als in Deutschland oder in<br />
Frankreich, wo der Begriff in den 80er Jahren<br />
heftig diskutiert wurde. Der Globetrotter in<br />
Sachen Philosophie plant deshalb auch einen<br />
Forschungsaufenthalt in Frankreich.<br />
Gemeinsam forschen<br />
Schon immer haben Geisteswissenschaftler<br />
Grenzen überschritten, nationale ebenso wie<br />
die ihres Faches. Die Globalisierung schafft jedoch<br />
neue Arbeitsfelder, glaubt der Münchner<br />
Theologe Friedrich Wilhelm Graf und verweist<br />
auf den rasant gestiegenen wissenschaftlichen<br />
Deutungsbedarf angesichts der globalen Entwicklung<br />
der Religionen. <strong>Dass</strong> solche Themen<br />
auch internationale Forschungskooperationen<br />
verlangen, meint der Gießener Literatur- und<br />
Kulturwissenschaftler Ansgar Nünning. Doch<br />
hier gibt es noch jede Menge Lernbedarf.<br />
Nünning berichtet von einem Treffen europäischer<br />
Forscher aus 25 Ländern, die darüber<br />
diskutierten, wie aus der Vielzahl europäischer<br />
Literaturgeschichten eine Geschichte<br />
der europäischen Literatur entstehen könne.<br />
Nünning: „Die Wissenschaftler sprachen mit<br />
Motomu Koike<br />
René Dietrich<br />
ganz verschiedenen Stimmen – es war ein<br />
Babel-Erlebnis“. Die Differenzen beginnen<br />
schon bei der nationalspezifischen Praxis der<br />
Literaturgeschichtsschreibung: Während man<br />
in England die großen Autoren in den Mittelpunkt<br />
stellt, orientiert man sich in Deutschland<br />
an Strömungen in der Literatur. Ganz zu<br />
schweigen von den gravierenden Unterschieden<br />
in den historischen Erfahrungen.<br />
Eine europäische Literaturgeschichte müsste<br />
nach Nünnings Ansicht genau dies widerspiegeln<br />
und ein Bekenntnis zur kulturellen Viel-<br />
falt ablegen. Dazu sei allerdings eine Reflexion<br />
der spezifischen Wissenschaftstraditionen<br />
notwendig, die damit selbst zum Forschungsgegenstand<br />
würden. Nur so könnten sich neue<br />
internationale Forschungsansätze und Konzepte<br />
der Zusammenarbeit herausbilden.<br />
Neue Standards in der Lehre<br />
Nünning praktiziert vor diesem Hintergrund<br />
internationale Kooperation in der Lehre. Damit<br />
fand er bei seinen Kollegen offene Ohren,<br />
wurden doch der Lehre in den Geisteswissenschaften<br />
die größten Defizite bescheinigt.<br />
<strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor Berchem verwies auf<br />
die Exzellenzinitiative, mit der die Forschung<br />
durch öffentliche Gelder gefördert wird, und<br />
verlangte „vergleichbare Maßnahmen für die<br />
Lehre, um den eigenen wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs nachhaltig zu fördern“. Allgemein<br />
beklagt wurde ein Mangel an internationalen<br />
Fridah Kanana Erastus<br />
Standards in der Lehre an deutschen Hochschulen.<br />
Von solchem Mangel freilich wollte der Sinologe<br />
und <strong>DAAD</strong>-Stipendiat Motomu Koike<br />
nichts wissen. Er forscht über die deutschchinesischen<br />
Beziehungen am Anfang des<br />
vorigen Jahrhunderts und schätzt nicht nur<br />
die deutschen Archive, sondern auch das Doktorandenkolloquium<br />
an der Freien Universität<br />
Berlin, wo er der einzige Japaner unter lauter<br />
chinesischen und deutschen Sinologen ist.<br />
Hier, so berichtet er, diskutiere er keineswegs<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Fotos: Reiner Zensen
„Sokrates Wall“ – Foto von Hakan Temucin,<br />
Türkei, aus dem Wettbewerb „Die Macht der<br />
Sprache im Bild“ des Goethe-Instituts<br />
nur mit Philologen über Forschungsthemen<br />
zu China, sondern auch mit Wirtschaftswissenschaftlern<br />
und Politologen.<br />
Ähnliche Erfahrungen macht der deutsche<br />
Literaturwissenschaftler René Dietrich, der an<br />
der Universität Gießen über amerikanische<br />
Lyrik promoviert. Das vom <strong>DAAD</strong> geförderte<br />
Internationale Promotionsprogramm (IPP)<br />
„Literatur- und Kulturwissenschaft“ bietet<br />
ihm neben intensiver Betreuung auch ein<br />
internationales Umfeld. Angesiedelt ist das<br />
IPP in dem von Ansgar Nünning gegründeten<br />
Graduiertenzentrum Kulturwissenschaften.<br />
Hier promovieren junge Wissenschaftler aus<br />
28 Ländern, Gastdozenten aus aller Welt unterstützen<br />
die Lehre. Die Gießener Initiative<br />
wird jetzt unter dem Dach eines „International<br />
Graduate Centre“ im Rahmen der Exzellenzinitiative<br />
gefördert.<br />
Die Krise der geisteswissenschaftlichen Lehre<br />
ist für den Historiker Christoph Anz allerdings<br />
erst dann behoben, wenn die Studierenden<br />
auch auf Berufsleben und Arbeitsmarkt<br />
vorbereitet werden. Der frühere Max-Planck-<br />
Forscher, der seit kurzem im zentralen Personalwesen<br />
der BMW Group in München die<br />
Bildungspolitik des Auto-Konzerns verantwortet,<br />
empfiehlt als Vorbild England, wo Geisteswissenschaftler<br />
über das Fachwissen hinaus<br />
Schlüsselqualifikationen für die unternehmerische<br />
Praxis erwerben. „Die Unternehmen<br />
erwarten keine punktgenaue Ausbildung“, erklärt<br />
Anz, „aber sie suchen Persönlichkeiten.“<br />
Positive Fremderfahrung<br />
Ob es um die Mobilität der europäischen<br />
Studierenden durch den so genannten Bolognaprozess<br />
ging, um die Frage einer Lingua<br />
franca im Wissenschaftsbetrieb oder die Rettung<br />
der „Kleinen Fächer“, die von Haus aus<br />
höchste interkulturelle Kompetenz vermitteln:<br />
Den Befürwortern der Internationalisierung<br />
ging es nicht um Vereinheitlichung, sondern<br />
um die Bewahrung von Vielfalt. Internationalität<br />
soll auch weiterhin in Fremd- und Lernerfahrung<br />
münden, wie es der Historiker Paul<br />
Nolte formulierte.<br />
Damit die zahlreichen Appelle zur Internationalisierung<br />
nicht verhallen, kündigten die<br />
ausländischen Doktoranden, die diesmal nur<br />
im Publikum saßen, für den Herbst eine eigene<br />
Tagung an. Dann wollen sie ihre Erfahrungen<br />
als internationale Geisteswissenschaftler in<br />
den Mittelpunkt der Diskussionen stellen.<br />
Leonie Loreck<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: Hakan Temucin<br />
Die Tagung war Teil des mehrtägigen<br />
Events „Die Macht der Sprache“, mit dem<br />
das Goethe-Institut Mitte Juni zahlreiche Besucher<br />
in die Berliner Akademie der Künste<br />
am Pariser Platz lockte (siehe auch Seite 8).<br />
Es ging dabei um verschiedenste Aspekte der<br />
deutschen und internationalen Sprachenpolitik.<br />
Den Kongressbeitrag „Wissenschaft ist<br />
mehrsprachig“ organisierte der <strong>DAAD</strong> gemeinsam<br />
mit dem von mehreren Professoren<br />
neu gegründeten „Arbeitskreis Deutsch als<br />
Wissenschaftssprache e.V.“ (ADAWIS).<br />
Das Thema Sprache liege im Trend, stellte<br />
Werner Roggausch vom <strong>DAAD</strong> bei der Begrüßung<br />
der Gäste fest: Vom Streit um die Rolle<br />
der Sprachen in der Europäischen Union über<br />
die deutsche Rechtschreibreform bis hin zur<br />
Bedeutung der deutschen Sprache für die Integration<br />
von Migranten – Sprachenpolitik ist<br />
ein Dauerbrenner. Ist die Wissenschaftssprache<br />
da eher ein Randthema? Keineswegs, wie<br />
sich in Berlin herausstellte.<br />
Niveauverlust befürchtet<br />
Die meisten Teilnehmer waren sich einig:<br />
Die Mehrsprachigkeit von Wissenschaft ist<br />
das Ideal – aber eben ein höchst gefährdetes<br />
Ideal, das es heute vehement zu verteidigen<br />
gilt. Zwar hielt man angesichts der Globalisierung<br />
die Kompetenz von Wissenschaftlern in<br />
der englischen Sprache für unbestritten notwendig.<br />
Doch der frühere sächsische Wissen-<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Kreativ nur in der Muttersprache<br />
„Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />
Diese These diskutierten Wissenschaftler und Sprachinteressierte bei einem Symposium<br />
des <strong>DAAD</strong> in Berlin. Sie erteilten dem Englischen als alleiniger Sprache in der Wissenschaft<br />
eine Absage und fanden dafür viele Gründe.<br />
schaftsminister Hans Joachim Meyer gab zu<br />
bedenken: „Was heute in steigendem Maße<br />
an unseren Universitäten praktiziert wird, ist<br />
der Versuch, einen Studien- und Forschungsaufenthalt<br />
in einem englischsprachigen Land<br />
in Deutschland zu simulieren.“ Für die deutschen<br />
Studierenden sei dies aber – so Meyer<br />
– „zumindest für den Zeitraum von mehr als<br />
einer Generation“ mit der Gefahr eines Niveauverlusts<br />
verbunden. Dies schade dem<br />
wissenschaftlichen Rang Deutschlands.<br />
Meyer sprach den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftlern<br />
aus dem Herzen, als er es<br />
„lächerlich“ nannte, wenn „in Deutschland von<br />
deutschen Wissenschaftlern vor einem überwiegend<br />
deutschen Publikum über deutsche<br />
Themen der deutschen Geschichte und Gesellschaft<br />
Vorträge und Diskussionen in Englisch<br />
gehalten werden.“ Er warnte davor, dass in der<br />
Forschung „mit den englischen Begriffen auch<br />
deren semantischer Gehalt und deren kulturelle<br />
Aufladung“ übernommen werde und<br />
dadurch die zu erforschende Wirklichkeit des<br />
eigenen Landes „nur noch als Materialsammlung<br />
und Illustrationsquelle“ fungiere.<br />
Fern von Gesellschaft<br />
Mit ihrer Kritik standen die Geisteswissenschaftler<br />
keineswegs allein da. Überraschend<br />
ablehnend äußerte sich auch der Münchner<br />
Biomedizin-Professor und Immunologe Ralph<br />
Mocikat über Englisch als Lingua franca in<br />
31
32<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Foto: Babak Saed, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2007<br />
den Naturwissenschaften. Mocikat, der auch<br />
Mitbegründer von ADAWIS ist, warnt aus<br />
mehreren Gründen vor dem – in seinem Fach<br />
bereits üblichen – ausschließlichen Gebrauch<br />
des Englischen, sei es bei Publikationen, nationalen<br />
Tagungen oder sogar im internen Laborgespräch.<br />
Er registriert nicht nur, dass sich die deutschen<br />
Kollegen in Englisch häufig weniger gut<br />
und facettenreich ausdrücken können als in<br />
ABSTRACT<br />
Creativity rooted in native language<br />
“Science is multilingual”: Scholars in the field<br />
of cultural studies and others interested in<br />
language discussed this topic at a symposium<br />
put on by the <strong>DAAD</strong> in Berlin. The event<br />
was part of the 3-day “Power of Language”<br />
festival held in mid-June by the Goethe Institute<br />
and hosted by the Berliner Akademie<br />
der Künste (Academy of Arts, Berlin).<br />
Symposium participants rejected English as<br />
the sole language of science. While agreeing<br />
that English is indispensable as a means<br />
of communication, they felt that the use of<br />
English as the lingua franca actually lowers<br />
standards in research and education. Professor<br />
Ralph Mocikat of the Institute of Molecular<br />
Immunology in Munich pointed out that the<br />
sole use of English not only abrogates German<br />
technical terminology, it also isolates research<br />
from society. Moreover, reducing English to<br />
the language of function also curtails creative<br />
thinking, which is rooted in an individual‘s<br />
mother tongue. Participants argued for multilingualism<br />
in the sciences, and at the same time<br />
for a return to greater reliance on translations.<br />
Die Akademie der Künste in Berlin mit einer Installation von Babak Saed: After Babel<br />
ihrer eigenen Sprache, sondern sieht auch die<br />
Gefahr, dass durch den Gebrauch von Englisch<br />
als reduzierter Funktionssprache das kreative<br />
Denken eingeschränkt werde. Kreativität sei<br />
nun einmal in der Muttersprache verwurzelt.<br />
Der Mediziner fürchtet darüber hinaus den<br />
Verlust einer deutschen Fachsprache. Für<br />
viele Fachbegriffe gebe es schon heute keine<br />
deutschen Vokabeln mehr. „Dadurch wird die<br />
Wissenschaft von der Gesellschaft abgekoppelt“,<br />
meint Mocikat und nennt ein Beispiel:<br />
Forschungsergebnisse aus der Medizin gelangen<br />
aufgrund der Sprachbarriere nicht mehr<br />
zum Patienten.<br />
Dies untermauerte der Berliner Medizinprofessor<br />
Wolfgang Haße mit Zahlen: Eine Befragung<br />
der Berliner Chirurgischen Gesellschaft<br />
ergab, dass nur gut 14 Prozent der Mediziner<br />
die eigenen Englischkennntisse als sicher,<br />
knapp 33 Prozent als gut einschätzen. Mehr<br />
als 90 Prozent lehnen englischsprachige Vorträge<br />
auf nationalen Kongressen ab, 87 Prozent<br />
verlangen Simultanübersetzungen. Der<br />
Ruf nach – allerdings exzellenten – Simultanübersetzungen<br />
bei Kongressen mit gemischtnationalem<br />
Publikum war denn auch in Berlin<br />
nicht zu überhören.<br />
Mangelnde Unterstützung<br />
Wird Internationalität nicht mit Englisch<br />
gleichgesetzt, kann die Alternative nur die<br />
Mehrsprachigkeit sein. Dies sieht auch die<br />
VolkswagenStiftung so und hat eine entsprechende<br />
Initiative entwickelt: Unter dem Motto<br />
„Deutsch plus – Wissenschaft ist mehrsprachig“<br />
fördert sie künftig mehrsprachige Studienangebote,<br />
die Übersetzung deutschsprachiger<br />
Wissenschaftspublikationen sowie<br />
Forschungsvorhaben zu Fragen der sprachlichen<br />
Prägung wissenschaftlichen Denkens<br />
und Arbeitens.<br />
Politische Unterstützung fordern die Anhänger<br />
der Mehrsprachigkeit von den Hochschul-<br />
und Wissenschaftsorganisationen. Deren<br />
Vertreter ließen erkennen, dass die Frage der<br />
Wissenschaftssprache in ihren Institutionen<br />
zwar im Einzelfall diskutiert wird, doch bisher<br />
keine Konzepte vorliegen. Die Geschichtsprofessorin<br />
Luise Schorn-Schütte, Vizepräsidentin<br />
der Deutschen Forchungsgemeinschaft<br />
(DFG), formulierte allerdings die Vison eines<br />
idealen, DFG-geförderten Graduiertenkollegs,<br />
in dem die Teilnehmer aus drei Ländern alle<br />
drei Sprachen können – so dass, wer in seiner<br />
Muttersprache vorträgt, von den anderen verstanden<br />
wird.<br />
Wie weit wir von diesem Ideal noch entfernt<br />
sind, erklärte die finnische Germanistin<br />
Irma Hyvärinen: Während in Finnland Gymnasiasten<br />
bereits drei Sprachen neben ihrer<br />
Muttersprache lernen, ist das Ziel der Europäischen<br />
Union, zwei Fremdsprachen zur Pflicht<br />
zu machen, erst zu 28 Prozent verwirklicht.<br />
Hyvärinen erhielt bei der Tagung den Jakob-<br />
und Wilhelm-Grimm-Preis des <strong>DAAD</strong>, der<br />
alljährlich an ausländische Wissenschaftler<br />
für Verdienste um die Germanistik und deutsche<br />
Landeskunde vergeben wird (Letter<br />
berichtete in Heft 1/2007). Die Finnin ist ein<br />
herausragendes Beispiel für die vielbeschworene<br />
Mehrsprachigkeit: Sie forscht nicht nur<br />
vergleichend über die deutsche und finnische<br />
Sprache, sondern sie hat auch in vier verschiedenen<br />
Sprachen Gedichte geschrieben.<br />
Informationen: www.adawis.de<br />
Leonie Loreck<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
Gleich in der Eingangshalle<br />
seines Kairoer Amtssitzes<br />
liegt eine kostbare, überdimensionale<br />
Ausgabe des Korans<br />
aufgeschlagen da. Und auf den<br />
Fluren begegnen einem Männer<br />
in langen, dunklen Gewändern,<br />
mit der typischen Kopfbedeckung<br />
der muslimischen Gelehrten.<br />
Seit gut elf Jahren ist der ehemalige<br />
<strong>DAAD</strong>-Stipendiat Mahmoud Hamdy Zaqzouq<br />
Ägyptens Minister für religiöse Angelegenheiten.<br />
In seinem Büro hängen die Porträts<br />
sämtlicher Vorgänger bis zurück ins Jahr<br />
1878. „Ich bin jetzt am längsten da“, meint er,<br />
und ein verschmitztes Lächeln huscht über<br />
das sonst ernste Gesicht des 73-Jährigen.<br />
Dabei hat der renommierte Islamwissenschaftler<br />
sein hohes Amt in politisch schwierigsten<br />
Zeiten zu erfüllen. Kaum ein Interview,<br />
in dem Minister Zaqzouq nicht zu Terror und<br />
islamischem Fundamentalismus Stellung nehmen<br />
muss. „Der Gipfel der islamischen Werte<br />
ist die Barmherzigkeit. So steht es ausdrücklich<br />
im Koran“, erklärt er immer wieder. Gewalt<br />
habe aber nichts mit Barmherzigkeit zu<br />
tun.<br />
„Moderate Stimme“<br />
Dr. Mahmoud Zaqzouq sei „eine moderate<br />
Stimme in einer extremistischen Welt“, charakterisierte<br />
ein ägyptisches Nachrichten<strong>magazin</strong><br />
den Politiker, der kraft seines Amtes<br />
auch Präsident des obersten islamischen Rates<br />
ist. Sein so genanntes „Awqaf“-Ministerium<br />
ist dem arabischen Begriff nach zuständig für<br />
die Verwaltung religiöser Stiftungen im Land,<br />
auch für die der koptisch-christlichen Kirche<br />
in Ägypten, der nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung<br />
angehören. Doch Zaqzouq ist deutlich<br />
mehr als nur ein Verwalter.<br />
So erließ er kurz nach seinem Amtsantritt<br />
ein Gesetz darüber, dass niemand in den gut<br />
98 000 ägyptischen Moscheen predigen darf,<br />
der dafür nicht die Zulassung durch das Ministerium<br />
bekommen hat. „Das war nötig“,<br />
sagt Zaqzouq. „Für die Sicherheit unseres<br />
Landes. Hätte mein Ministerium nicht die<br />
Kontrolle über die Moscheen übernommen,<br />
hätten die Extremisten sie besetzt und<br />
ihre gefährlichen Auffassungen überall<br />
durchsetzen können.“ Auch die Vollverschleierung<br />
von Frauen lehnt der<br />
Ägypter strikt ab. „Das ist nicht der<br />
Islam. Das sind falsche Vorbilder“,<br />
so Zaqzouq, der zu Beginn des<br />
Jahres eigens 50 junge Frauen als<br />
Predigerinnen verpflichtete, um die<br />
„richtigen“ Signale zu setzen.<br />
Mahmoud Zaqzouq selbst ist seit langem<br />
ein international anerkannter<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Gestern Stipendiat – und heute...<br />
Mahmoud Hamdy Zaqzouq<br />
Ägyptischer Minister für religiöse Angelegenheiten<br />
Botschafter des Islams. Regelmäßig ist er zu<br />
Vorträgen eingeladen. Erst im Juni sprach er<br />
auf dem Evangelischen Kirchentag in Köln.<br />
Denn: Nichts sei wichtiger als der Dialog.<br />
„Wenn die Menschen den wahren Islam verstehen<br />
wollen, dann sollen sie in den Koran<br />
schauen und nicht die Nachrichten“, fordert<br />
Zaqzouq.<br />
Bindungen an Deutschland<br />
Nach dem Kirchentag in Köln hat der mächtige<br />
Mann vom Nil übrigens seine Tochter<br />
getroffen. Sie arbeitet als Ärztin am Rhein.<br />
Das <strong>DAAD</strong>-Stipendium, das Zaqzouq zum<br />
Philosophie-Studium an der Universität München<br />
nutzte, prägte auch sein Privatleben: Seine<br />
Frau kommt aus Deutschland. Er lernte<br />
sie beim gemeinsamen „Büffeln“ für die<br />
Lateinprüfung, das Große Latinum, kennen.<br />
In Ägypten hatte Mahmoud Zaqzouq<br />
an der Al Azhar-Universität<br />
studiert, dem geistigen Zentrum der<br />
islamischen Welt. Dort habe er auch<br />
Deutsch gelernt. „Mein Professor hatte<br />
in Hamburg promoviert“, erzählt der<br />
Politiker. Und der habe ihn zu dem Stipendium<br />
ermutigt. Als Zaqzouq 1962<br />
nach Deutschland ging, gehörte<br />
er zu den fünf ersten<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Stipendiaten, die nach Gründung der<br />
<strong>DAAD</strong>-Außenstelle in Kairo ausgewählt<br />
wurden.<br />
„Obwohl es 1964 politische Spannungen<br />
wegen der Anerkennung Israels<br />
gab, waren die Menschen zu uns<br />
immer sehr, sehr nett“, erinnert sich<br />
Zaqzouq. Nach der Promotion 1968 in<br />
München lehrte er in Kairo, Tripolis<br />
und Katar, wurde an der altehrwürdigen Al<br />
Azhar-Universität von den Professoren-Kollegen<br />
gleich vier Mal hintereinander zum Dekan<br />
der theologischen Fakultät gewählt und 1995<br />
zum Vizepräsidenten der Uni.<br />
Eine steile Wissenschaftskarriere, die ein abruptes<br />
„Ende“ fand. „Ich war gerade zwei Monate<br />
Vizepräsident, als mich Hosni Mubarak<br />
zum Minister ernannte“, berichtet Zaqzouq.<br />
Und wieder ist da ein hintergründiges Lächeln.<br />
Seinem Professor sei es ähnlich gegangen. Der<br />
sei nämlich direkt vor ihm Ägyptens Minister<br />
für religiöse Angelegenheiten gewesen.<br />
Cornelia Wegerhoff<br />
33<br />
Foto: Ikhlis Abbis
Foto: Schumacher<br />
34<br />
<strong>DAAD</strong><br />
STIPENDIATEN FORSCHEN<br />
Molekularbiologie<br />
Geheimnisse der RNA-Welt<br />
Vieles spricht heute dafür, dass<br />
sich das Leben auf der Erde aus<br />
einer „RNA-Welt“ entwickelt hat,<br />
die vor etwa vier Milliarden Jahren<br />
den Übergang von der unbelebten<br />
frühen Erde zum zellulären<br />
Leben markierte. Die DNA, das<br />
Schwestermolekül der RNA, entstand<br />
erst später. „In den letzten<br />
zehn Jahren hat die Erforschung<br />
der so genannten nicht-codierten<br />
Ribonucleinsäure (ncRNA) gezeigt,<br />
dass diese eine der wichtigsten<br />
Klassen regulatorischer<br />
Moleküle in der Zelle sind“, sagt<br />
Heiko Schumacher.<br />
Der Biologe aus Kassel kennt sich<br />
aus mit RNA: Schon für seine vom<br />
<strong>DAAD</strong> geförderte Diplomarbeit<br />
hatte er sich an der Universität<br />
Uppsala mit einer neu entdeckten<br />
RNA-Familie in einem einzelligen<br />
Schleimpilz beschäftigt. Ein<br />
zweites <strong>DAAD</strong>-Stipendium führte<br />
ihn Ende 2005 nach Kreta. In<br />
Heraklion arbeitet der 27-Jährige<br />
nun für seine Doktorarbeit am<br />
Institut für Molekularbiologie &<br />
Biotechnologie (IMBB) – eine zum<br />
wiederholten Male als bestes Forschungsinstitut<br />
Griechenlands<br />
ausgezeichnete Einrichtung.<br />
„Innerhalb des wachsenden<br />
Forschungsgebietes der ncRNA<br />
befasse ich mich mit ‚kleinen<br />
RNAs’, winzigen RNA-Molekülen,<br />
Rot statt Grün: Das grün fluoreszierende<br />
Protein einer Pflanze wird durch<br />
RNA-Moleküle ausgeschaltet<br />
die mit Ausnahme von Bakterien<br />
in allen Organismen auftreten<br />
und eine fundamentale Rolle bei<br />
der Abwehr von Viren spielen.“<br />
Sie bewirken etwa, dass ein Virus<br />
erkannt und gezielt bekämpft<br />
werden kann. Schumachers spezielles<br />
Forschungsobjekt ist das<br />
Protein Eri-1. Es sorgt dafür, dass<br />
der Abwehr-Mechanismus in der<br />
richtigen Stärke eingesetzt wird<br />
und nach einer erfolgreichen Bekämpfung<br />
einer Virus-Infektion<br />
das gesamte System wieder in den<br />
Normalzustand zurückkehrt. „Ein<br />
präzises Verständnis der Virenabwehr<br />
ist wichtig, um effektivere<br />
und schonende Therapien zu entwickeln.“<br />
Auch nach der Dissertation<br />
möchte Heiko Schumacher seinen<br />
Forschungsobjekten treu bleiben:<br />
„Ich hoffe auf eine Postdoc-Stelle<br />
in einem guten Labor, um meine<br />
wissenschaftliche Karriere auf<br />
dem Gebiet der RNA-Forschung<br />
fortsetzen zu können.“<br />
Literaturwissenschaft<br />
Roman und Film<br />
Verfilmte Romane haben es oft<br />
schwer; verglichen mit der Vorlage<br />
schneiden die Filme in der Kritik<br />
häufig nicht gut ab. „Besser oder<br />
schlechter ist aber nicht die Frage“,<br />
meint Eszter Kurutzné Torma. Die<br />
Literaturwissenschaftlerin muss<br />
es wissen, denn sie hat im Rahmen<br />
ihrer Doktorarbeit moderne<br />
englische Romanverfilmungen<br />
untersucht. „Beides – Vorlage und<br />
Verfilmung – sind unterschiedliche<br />
Medien, die nicht verglichen<br />
werden sollten. Literatur ist nicht,<br />
wie häufig behauptet, die höhere<br />
Kunstform.“ Adaption heißt das<br />
Forschungsgebiet, mit dem sich<br />
die Ungarin beschäftigt.<br />
Ein weiterer Aspekt ihrer Arbeit<br />
betrifft den Einfluss der aktu-<br />
ellen Politik auf die Filmproduktion.<br />
„Dieser Einfluss ist eindeutig<br />
nachzuweisen und ich versuche,<br />
ihn mithilfe verschiedener Filme<br />
zu analysieren.“<br />
Dazu hat sie sich Filme wie<br />
Orlando (Buch: Virginia Woolf,<br />
Film: Sally Potter), Room at the<br />
Top (John Braine/Jack Clayton),<br />
A Clockwork Orange (Anthony<br />
Burgess/Stanley Kubrick) und Remains<br />
of the Day (Kazuo Ishiguro/<br />
James Ivory) genauer angesehen.<br />
„Häufig wurde Kritik an bestehenden<br />
Verhältnissen versteckt<br />
geäußert, verpackt in so genannte<br />
Heritagefilme, bei denen der ak-<br />
Von Buchstaben zu Bildern: Sally Potter verfilmte Virginia Woolfs „Orlando“<br />
tuelle Bezug in ein historisches<br />
Umfeld verlegt wurde“, so die<br />
<strong>DAAD</strong>-Jahresstipendiatin, die<br />
1979 in Budapest geboren wurde<br />
und heute in Berlin lebt.<br />
Als Gastdozentin unterrichtet sie<br />
zurzeit an der Universität Potsdam<br />
„Adaption: From Novel to Film“.<br />
Im Januar möchte sie ihre Doktorprüfung<br />
an der Eötvös Loránd<br />
Universität in Budapest ablegen,<br />
wo sie auch Anglistik studiert hat.<br />
„Literatur war immer mein Lieblingsfach<br />
und da ich auch Filme<br />
sehr mag, habe ich beides für die<br />
Dissertation verbunden.“<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: CINETEXT
Foto: Patio13, Schule für Straßenkinder<br />
Pädagogik<br />
Bildung für Straßenkinder<br />
Im März 2006 gründete die Pädagogische<br />
Hochschule Heidelberg<br />
in Kooperation mit vier deutschen<br />
und drei kolumbianischen Hochschulen<br />
das Kompetenzzentrum<br />
Straßenkinderpädagogik Patio13,<br />
das auf den Forschungen der<br />
deutsch-kolumbianischen Bildungsinitiative<br />
„Patio13 – Schule<br />
für Straßenkinder“ aufbaut. Im<br />
Innenhof (patio) eines alten Gebäudes<br />
in den Slums von Medellín<br />
werden bereits seit 2001 Straßenkinder<br />
im Lesen und Schreiben<br />
unterrichtet.<br />
Starrer Unterricht ist hier nicht<br />
möglich, und die Lehrer wissen<br />
nie, wie viele Kinder am nächsten<br />
Tag kommen. Einer, der sich bei<br />
Patio13 engagiert, ist Christian<br />
Ortiz Palacio. Der 21-jährige Kolumbianer<br />
studiert Ingenieurwissenschaften<br />
mit Schwerpunkt Biologie<br />
und möchte später promovieren.<br />
Parallel dazu hat er im letzten<br />
Jahr mit einem Grundschulpädagogik-Studium<br />
begonnen. „Ich<br />
arbeite seit drei Jahren mit den<br />
Straßenkindern und liebe diese<br />
Arbeit. Schwerpunkt des Lernens<br />
sind Fächer wie Mathematik, Spanisch,<br />
aber auch Sozial- und Naturwissenschaften.<br />
Wir versuchen<br />
dabei stets, die Realität der Kinder<br />
in den Unterricht einzubeziehen“,<br />
sagt der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat, der<br />
zurzeit einen Studienaufenthalt<br />
in Heidelberg absolviert. Seine<br />
Motivation: „Ich sehe das Studium<br />
als echte Möglichkeit, mit<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
meinem Wissen zur Entwicklung<br />
der kolumbianischen Gesellschaft<br />
beizutragen.“<br />
Im Herbst wird erstmalig ein<br />
neuer Masterstudiengang „Pädagogik<br />
für Kinder und Jugendliche<br />
der Straße“ starten, den die Heidelberger<br />
Pädagogen entwickelt<br />
haben und der das Rüstzeug für<br />
die Vermittlung einer Grundbildung<br />
an Straßenkinder geben<br />
will. Studienorte sind Heidelberg,<br />
Freiburg, Medellín und Bogotá.<br />
„Die Nachfrage ist bereits sehr<br />
groß“, berichtet Professor Hartwig<br />
Weber, wissenschaftlicher Leiter<br />
des Kompetenzzentrums Patio13.<br />
„Und wir hoffen, dass künftig<br />
mehr Studierende aus Kolumbien<br />
über <strong>DAAD</strong>-Stipendien an unserem<br />
Masterstudiengang teilnehmen<br />
können.“<br />
Stadtzentrum<br />
Kairo: Traditionelle<br />
Architektur<br />
statt modernem<br />
Verkehrschaos<br />
Architektur<br />
Moderne Karawanserei<br />
„Ich hatte schon immer großes<br />
Interesse an alten Hochkulturen“,<br />
sagt Martina Wende. „In der Architektur<br />
verwendete man damals<br />
Geometrien, die auf der Grundlage<br />
von Naturgesetzen entstanden waren<br />
und den Gebäuden bis heute<br />
eine starke Ausstrahlung und Ästhetik<br />
verleihen.“ Martina Wende<br />
hat an der Fachhochschule Frankfurt<br />
am Main Architektur studiert<br />
und arbeitet seit einigen Monaten<br />
in einem großen Architekturbüro<br />
in Großbritannien.<br />
Für ihre vom <strong>DAAD</strong> geförderte<br />
Diplomarbeit reiste sie nach Kairo.<br />
Ursprünglich wollte sie dort<br />
nur ein Hochbauobjekt planen,<br />
doch die junge Architektin weitete<br />
ihre Arbeit bald auf eine umfassende<br />
städtebauliche Planung<br />
aus. „Mein Planungsgebiet war<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Schule im Freien: Straßenkinder lernen<br />
Lesen und Schreiben<br />
die Stadtmitte Kairos, etwa 20 000<br />
Quadratmeter groß. Dieses Gebiet<br />
war früher eng verzahnt mit der<br />
Altstadt, heute ist sie nur noch ein<br />
völlig überlasteter Verkehrsknotenpunkt.“<br />
Die Architektin erstellte zunächst<br />
ein Verkehrskonzept mit Ringstraßen<br />
und Entlastungsachsen, lagerte<br />
die überlastete Hauptbusstation<br />
aus und wandte sich erst dann ihrem<br />
eigentlichen Planungsobjekt<br />
zu: Einem mehrgeschossigen Gebäude<br />
im Stil einer traditionellen<br />
Karawanserei.<br />
Früher gab es dort Ställe für<br />
die Kamele, darüber Räume,<br />
in denen Waren getauscht und<br />
Handel getrieben wurde, sowie<br />
Wohnbereiche der Händler in<br />
den beiden obersten Geschossen.<br />
„Meine Planung integriert die typisch<br />
islamische Geometrie. Der<br />
Goldene Schnitt ist allerdings im<br />
islamischen Raum ein anderer als<br />
bei uns.“ Er drückt das Verhältnis<br />
von Länge zu Breite aus und beeinflusst<br />
auch die Gestaltung von<br />
Fassaden und Plätzen.<br />
Im letzten Jahr wurde ihre Diplomarbeit<br />
als Hauptprojekt von<br />
vier Abschlussarbeiten im Deutschen<br />
Architekturmuseum in<br />
Frankfurt ausgestellt. Mit ihrem<br />
Projekt in Kairo möchte Martina<br />
Wende neues Interesse am Zentrum<br />
wecken und einen Wettbewerbsimpuls<br />
anregen.<br />
Doris Bünnagel<br />
Foto: Wende<br />
35
36<br />
<strong>DAAD</strong><br />
NACHRICHTEN<br />
Foto: <strong>DAAD</strong><br />
Alumnitreffen<br />
Zwischen Tiflis<br />
und São Paulo<br />
Aus Armenien, Aserbaidschan<br />
und Georgien kamen die Teilnehmer<br />
eines <strong>DAAD</strong>-Seminars im<br />
April dieses Jahres in Tiflis, Georgien. <strong>DAAD</strong>-<br />
Generalsekretär Christian Bode begrüßte die<br />
rund 300 ehemaligen <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten in<br />
der Staatlichen Iwane-Dschawachischwili-Universität<br />
in Tiflis. Es war das zweite Seminar<br />
in dieser Region. Aufgrund der politisch angespannten<br />
Lage können die Treffen bisher nur<br />
in Georgien organisiert werden. Das Interesse<br />
daran ist bei den Alumni aus der Region jedoch<br />
sehr groß.<br />
Im interdisziplinären Tagungsprogramm<br />
war ein zentrales Thema das Verhältnis zu<br />
Europa. Neben Wirtschaft, Politik und Kultur<br />
ging es auch um technische Entwicklungen<br />
sowie um Perspektiven der Telepathologie<br />
und der Tele medizin. Welchen Stellenwert<br />
das Treffen im Gastgeberland hat, zeigte die<br />
Teilnahme des georgischen Bildungsministers<br />
Alexander Lomaia.<br />
Hochschulstrukturen standen im Mittelpunkt<br />
einer Alumnikonferenz Anfang Juni in<br />
Kairo: Auf Wunsch der ägyptischen Seite diskutierten<br />
150 Alumni über die Förderung des<br />
wissenschaftlichen Nachwuchses in Ägypten<br />
und Deutschland. Lassen sich zum Beispiel<br />
Juniorprofessuren, Graduiertenkollegs, International<br />
Research Schools und Wissenschaftler-Netzwerke<br />
auf die ägyptische Hochschullandschaft<br />
übertragen? Welche Strukturen<br />
müssen gegeben sein, damit solche Modelle<br />
erfolgreich sind? Zum Abschluss der Tagung<br />
gab es einen Überblick über europäische Bildungsprogramme<br />
und Initiativen, da diese<br />
die Wissenschaftsförderung in Deutschland<br />
immer stärker beeinflussen.<br />
An der zunehmenden Europäisierung der<br />
Bildungspolitik wirkt der <strong>DAAD</strong> längst aktiv<br />
mit. Der Aufbau eines Alumni-Netzwerkes<br />
an der Schaltstelle in Brüssel, Belgien, steckt<br />
jedoch noch in den Kinderschuhen. Das soll<br />
sich ändern: Die offizielle Eröffnung seines<br />
Brüsseler Büros Anfang Juni nutzte der <strong>DAAD</strong>,<br />
um die Brüsseler Alumni zu einer ersten informellen<br />
Zusammenkunft zu bitten. 40 Alumni<br />
folgten der Einladung, weitere Treffen sollen<br />
folgen.<br />
Eine Premiere stellte auch das gesamtamerikanische<br />
<strong>DAAD</strong>-Alumnitreffen in São Paulo,<br />
Brasilien, dar. <strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor<br />
Premiere: Alumni aus ganz Amerika trafen sich in São Paulo<br />
Berchem konnte rund 100 ehemalige Stipendiaten<br />
aus allen Teilen Amerikas sowie aus<br />
Deutschland begrüßen. Drei Tage lang beschäftigten<br />
sich die Alumni mit der Bedeutung von<br />
internationaler Mobilität für die Biographien<br />
von Wissenschaftlern und für die Entwicklung<br />
der Wissenschaft.<br />
Zwar ist „wissenschaftliche Wanderschaft“<br />
kein Phänomen der Neuzeit, wie Berchem erläuterte,<br />
aber in einer globalisierten Welt hat<br />
sie vielschichtige Auswirkungen.<br />
Als ein Ergebnis des Seminars<br />
regten die Alumni an, zu einzelnen<br />
Forschungsgebieten Datenbanken<br />
aufzubauen. CW<br />
Alumni-Recherche<br />
Eigenes Internetportal<br />
Unter dem Titel „World-class connections<br />
made in Germany“ startete<br />
der <strong>DAAD</strong> im Juni die weltweite<br />
Suche nach Deutschland-Alumni.<br />
Im Auftrag des Auswärtigen Amts<br />
entwickelte der <strong>DAAD</strong> für Alumni<br />
aus dem Ausland ein eigenes Internetportal.<br />
„Alumni, die in Deutschland<br />
studiert, geforscht oder gelehrt<br />
haben, sind Teil eines persönlichen<br />
Netzwerks. Dies wollen wir stärken“,<br />
sagt Cay Etzold, im <strong>DAAD</strong> zuständig<br />
für Alumni-Programme.<br />
Die ehemaligen Studierenden<br />
oder Wissenschaftler sind aufgerufen,<br />
sich in das Internetportal www.<br />
germany-alumni.org einzutragen.<br />
Sie können dort fachliche Kontakte<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
knüpfen und erhalten Informationen über die<br />
Entwicklung der Wissenschaft in Deutschland<br />
sowie ein auf sie zugeschnittenes Angebot an<br />
Veranstaltungen. Die Suche be gann – unterstützt<br />
von Medienkampagnen – in Ägypten,<br />
der Türkei und Griechenland. In Kürze geht<br />
der Aufruf nach Japan und die USA, weitere<br />
Länder folgen. KS<br />
<strong>DAAD</strong>-Bilanz<br />
Rekordjahr 2006<br />
<strong>DAAD</strong>-Präsident Theodor Berchem präsentierte<br />
in Bonn die Rekordbilanz 2006: Im Vergleich<br />
zum Vorjahr wuchs der <strong>DAAD</strong>-Haushalt<br />
um 15,5 Millionen Euro auf 263,3 Millionen<br />
Euro. Allein das Auswärtige Amt steigerte seine<br />
Zuwendungen an den <strong>DAAD</strong> um 8,6 Millionen<br />
Euro.<br />
Wie das Budget stieg auch die Zahl der geförderten<br />
Stipendiaten: um 3 800 auf jetzt 55 229.<br />
Darunter sind etwa 18 000 Professoren, wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter und Doktoranden.<br />
Aus dem Ausland stammten mehr als 33 000<br />
Stipendiaten, aus Deutschland über 21 000.<br />
In Bezug auf die Fächerverteilung liegen bei<br />
Ausländern erstmals die Rechts-, Wirtschafts-<br />
und Sozialwissenschaften vorn (23 Prozent),<br />
gefolgt von Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften<br />
(jeweils 21 Prozent). Die<br />
deutschen Stipendiaten studieren ebenfalls<br />
am häufigsten Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
(28 Prozent), gefolgt von<br />
Mathematik und Naturwissenschaften (23<br />
Prozent).<br />
Der Löwenanteil des Budgets – 129 Millionen<br />
Euro – fließt nach wie vor in Stipendien.<br />
57 Millionen Euro gab der <strong>DAAD</strong> 2006<br />
für die Internationalisierung der deutschen<br />
Hochschulen aus. Theodor Berchem nannte<br />
als einen Schwerpunkt die Förderung von 34<br />
Studienangeboten deutscher Hochschulen im<br />
Ausland. In die Förderung von Germanistik<br />
und deutscher Sprache im Ausland investierte<br />
der <strong>DAAD</strong> 36 Millionen Euro. Die Hälfte davon<br />
fließt in das weltweite Netz von Lektoren,<br />
die an Hochschulen in 87 Ländern der Welt<br />
sowohl Deutsch und Landeskunde unterrichten<br />
als auch über Studienmöglichkeiten in<br />
Deutschland informieren.<br />
„Das Jahr 2006 liefert eindrucksvolle Zahlen,<br />
aber es könnte noch besser gehen“, sagte der<br />
<strong>DAAD</strong>-Präsident. Berchem wünscht sich „an<br />
erster Stelle deutlich höhere Stipendiensätze“,<br />
um international konkurrenzfähig zu bleiben.<br />
Die Anzahl der rund 2,3 Millionen mobilen<br />
Studierenden weltweit könne sich in der kommenden<br />
Dekade verdoppeln. „Wir müssen<br />
uns anstrengen, weiterhin die Weltelite für<br />
Studium oder Promotion nach Deutschland zu<br />
holen“, forderte Berchem. KS<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
<strong>DAAD</strong>-Präsident<br />
Stefan Hormuth wird neuer Präsident<br />
Stefan Hormuth, Psychologie-Professor und<br />
Präsident der Universität Gießen, wurde im<br />
Juni zum neuen <strong>DAAD</strong>-Präsidenten gewählt.<br />
Er löst im Januar 2008 Professor Theodor<br />
Berchem ab, der dieses Amt 20 Jahre innehatte.<br />
Der gebürtige Heidelberger ist selbst <strong>DAAD</strong>-<br />
Stipendiat. 1975 erhielt er ein Graduiertenstipendium<br />
für die University of Texas in Austin.<br />
Er forschte und unterrichtete mehrere Jahre<br />
in den USA, wo er auch promovierte. Nach<br />
der Habilitation an der Universität Heidelberg<br />
wurde er dort 1987 Professor für Sozial- und<br />
Ökologische Psychologie. 1990 wechselte er<br />
an die Universität Gießen. Bevor er 1997 zum<br />
Foto: Anja Feldmann<br />
Foto: Uni Gießen<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Präsidenten der Gießener Uni gewählt wurde,<br />
war er von 1993 bis 1997 an der Technischen<br />
Universität Dresden tätig.<br />
Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit, die<br />
sich unter anderem mit Fragestellungen zum<br />
Thema „Veränderungen der Mensch-Umwelt-<br />
Beziehungen“ beschäftigt, tritt Hormuth seit<br />
langem in verschiedenen Gremien für die Internationalisierung<br />
der deutschen Hochschulen<br />
ein. Er ist seit 2001 Mitglied der deutschen<br />
Fulbright-Kommission.<br />
100 Jahre Tongji-Universität<br />
Sonderstipendien für Chinesen<br />
„Die Tongji-Universität ist von Chinesen und<br />
Deutschen gemeinsam gegründet worden,<br />
und ihre Gründerväter handelten als echte<br />
Partner“, sagte Bundespräsident Horst Köhler<br />
in seiner Festansprache zum 100-jährigen Jubiläum<br />
der Universität im Mai in Shanghai.<br />
Köhler hielt sich zu einem offiziellen Besuch<br />
in China auf.<br />
An der Tongji-Universität gibt es sieben<br />
Hochschuleinrichtungen mit ausländischer<br />
Beteiligung, darunter das Chinesisch-Deutsche<br />
Hochschulkolleg (CDHK), eine Kooperation<br />
der Tongji mit dem <strong>DAAD</strong> und mehr als zwei<br />
Dutzend deutschen und chinesischen Unternehmen.<br />
Die Leistungen dieser Kooperation<br />
im wissenschaftlichen Austausch würdigte<br />
Köhler mit der Vergabe von zwölf Sonderstipendien<br />
an herausragende Studierende, die<br />
damit ihren Studienaufenthalt in Deutschland<br />
finanzieren können.<br />
Sie treten in die Fußstapfen von Tongji-<br />
Präsident Wan Gang, der in Deutschland<br />
Bundespräsident Horst Köhler mit Tongji-<br />
Präsident Wan Gang in Shanghai<br />
37
38<br />
Foto: Eric Lichtenscheidt<br />
<strong>DAAD</strong><br />
promovierte und als Manager bei dem Automobilkonzern<br />
Audi arbeitete. Wenige Tage<br />
vor dem Jubiläum wurde Wan Gang zum Forschungsminister<br />
der Volksrepublik berufen<br />
und will auch in diesem Amt das CDHK weiter<br />
fördern. Anja Feldmann<br />
Hochschulmanagement<br />
Standards für den Hochschulmarkt<br />
In einer „Bonn Declaration“ setzen sich Hochschulmanager<br />
aus Europa, Ostafrika, Zentral-<br />
und Südamerika, Südostasien und der<br />
arabischen Welt für eine länderübergreifende,<br />
regionale Qualitätssicherung im Hochschulstudium<br />
ein. Die Deklaration ist das Ergebnis<br />
einer vom <strong>DAAD</strong> und der Hochschulrektorenkonferenz<br />
im Juni veranstalteten Tagung des<br />
„Dialogue on Innovative Higher Education<br />
Strategies“ (DIES).<br />
Die Unterzeichner befürworten regionale<br />
Zusammenarbeit bei der Akkreditierung und<br />
Evaluation von Studienprogrammen sowie bei<br />
der Anerkennung von Abschlüssen. Damit wollen<br />
sie vor allem der Mobilität von Lernenden<br />
und Lehrenden sowie den Erwartungen des internationalen<br />
Arbeitsmarktes gerecht werden.<br />
Die Weltbank unterstützt die Bemühungen um<br />
vergleichbare Studienangebote mit einer millionenschweren<br />
„Global Initiative for Quality<br />
Assurance Capacity“ (GIQAC).<br />
Dabei gehen die Experten davon aus, dass<br />
Gemeinsamkeiten nur durch interne Verfahren<br />
und Erfahrungen in den einzelnen Hochschulen<br />
entstehen können. Daraus erwachsen<br />
nationale Standards und schließlich internationale<br />
Vergleichskriterien. Auf Vergleichbarkeit,<br />
nicht Einheitlichkeit zielt die Qualitätssicherung.<br />
Denn die Verschiedenheiten bleiben<br />
kreativer Ausdruck von Kultur und Entwicklung.<br />
Informationen: www.inqaahe.org H.H.<br />
Einstimmen auf das Konzert: Mitglieder des „Arab Youth Philharmonic Orchestra“ in Bonn<br />
Arabisches Jugendorchester<br />
Gastspiel in Bonn und Bayreuth<br />
Im Juli 2007 gastierte das „Arab Youth Philharmonic<br />
Orchestra“ erstmals in Deutschland.<br />
Stationen der Tournee waren Bonn und<br />
Bayreuth. Dort nahm das Jugendorchester am<br />
traditionellen „Festival Junger Künstler“ am<br />
Rande der Richard-Wagner-Festspiele teil.<br />
Auf dem Programm standen Werke von Schumann<br />
und Mendelssohn sowie des jungen algerischen<br />
Komponisten Salim Dada.<br />
Das 2006 mit Hilfe des <strong>DAAD</strong> aus der Taufe<br />
gehobene panarabische Ensemble vereinigt<br />
45 junge Musiker. Dirigiert wird es von Walter<br />
Mik, dem Akademischen Musikdirektor<br />
der Universität Bonn und Leiter des Bonner<br />
Collegium Musicum. Während einer Ägyptenreise<br />
entwickelte er bereits vor Jahren gemeinsam<br />
mit dem ehemaligen Leiter des Kairoer<br />
Konservatoriums, <strong>DAAD</strong>-Alumnus Fawsy<br />
al Shamy, die Idee zu dem Jugendorchester.<br />
Sie wählten Musikstudenten aus vielen arabischen<br />
Ländern aus und führten sie in einem<br />
Ensemble zusammen.<br />
Damit unterstützen sie nicht nur den<br />
deutsch-arabischen Dialog, sondern auch<br />
den Austausch in der arabischen Region.<br />
„Wir kommen aus vielen unterschiedlichen<br />
Ländern und können sehr gut Erfahrungen<br />
und Informationen austauschen. Außerdem<br />
ist es für unsere Entwicklung als Musiker<br />
sehr hilfreich, dass wir einen Dirigenten aus<br />
Deutschland haben“, sagt die Geigerin Hivron<br />
Mirkhan aus Syrien.<br />
Der <strong>DAAD</strong> fördert das Orchester in seinem<br />
Sonderprogramm „Deutsch-Arabisch/<br />
Vertragsunterzeichnung: Unternehmens-Chef<br />
Rovnaq Abdullayev (rechts) und <strong>DAAD</strong>-<br />
Generalsekretär Christian Bode in Baku<br />
Iranischer Hochschuldialog“, das 2002 als<br />
Reaktion auf die Anschläge des 11. September<br />
ins Leben gerufen worden war. KS<br />
Aserbaidschan<br />
Öl-Unternehmen zahlt Stipendien<br />
Der Präsident der „State Oil Company of Azerbaijan“<br />
(SOCAR), Rovnaq Abdullayev, und<br />
<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian Bode unterzeichneten<br />
im April in Baku einen Vertrag<br />
über die Entsendung von SOCAR-Stipendiaten<br />
an deutsche Hochschulen. Noch in diesem<br />
Jahr will das staatliche Öl-Unternehmen zehn<br />
Stipendien vergeben – später sollen es mehr<br />
werden.<br />
SOCAR möchte qualifizierte Nachwuchskräfte<br />
für seine großen Unternehmensbereiche –<br />
von der Öl- und Gasförderung bis zum Betreiben<br />
von Krankenhäusern – gewinnen. Gefördert<br />
werden aserbaidschanische Bewerber für<br />
Bachelor- und Master-Studiengänge, sowie die<br />
Promotion in den Fächern Energie-Ingenieur-<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
wesen, Raffinerie und Verfahrenstechnik,<br />
Wirtschaft, Jura und Medizin.<br />
Die Ausbildung an deutschen Hochschulen<br />
genießt seit jeher einen sehr guten Ruf im<br />
Südkaukasus. Neu ist, dass die Rohstoffländer<br />
– Paradebeispiel ist gerade Aserbaidschan –<br />
nun über die Mittel verfügen, ein eigenes Stipendienprogramm<br />
zu starten. Bislang hat vor<br />
allem die deutsche Seite den akademischen<br />
Austausch finanziert. KS<br />
Cassandra Pyle Award<br />
Amerikanischer Preis für Christian Bode<br />
<strong>DAAD</strong>-Generalsekretär Christian Bode wurde<br />
mit dem Cassandra Pyle Award der amerikanischen<br />
Organisation NAFSA (Association of<br />
International Educators) ausgezeichnet. Der<br />
Preis würdigt seine langjährige Tätigkeit im<br />
Bereich des internationalen Austauschs.<br />
Die Auszeichnung erhielt Bode im Rahmen<br />
der Jahreskonferenz der NAFSA Ende Mai in<br />
Minneapolis. An ihr nahmen rund 7 000 Experten<br />
aus Politik, Bildungs- und Austauschorganisationen,<br />
darunter auch der ehemalige<br />
US-Außenminister Colin Powells, teil. Die Namensgeberin<br />
des Preises, Cassandra Pyle, hat<br />
sich mehr als ein Vierteljahrhundert, unter<br />
anderem als NAFSA-Präsidentin, für die internationale<br />
Zusammenarbeit eingesetzt.<br />
Deutschland/Russland<br />
Lomonosov erfolgreich<br />
Das bilaterale Stipendienprogramm „Michail<br />
Lomonosov“ erlebt eine Neuauflage. Wegen<br />
des großen Erfolges seit 2004 haben der russische<br />
Minister für Bildung und Wissenschaft,<br />
Andrej Fursenko, und <strong>DAAD</strong>-Vizepräsident<br />
Max Huber im April in Moskau die Verlängerung<br />
des Programms um weitere vier Jahre<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: <strong>DAAD</strong><br />
vertraglich vereinbart. Nach dem Vorbild von<br />
Michail Lomonosov, des russischen Universalgelehrten<br />
aus dem 18. Jahrhundert, der<br />
in Deutschland studierte, können junge russische<br />
Natur- und Ingenieurwissenschaftler<br />
– Doktoranden für sechs Monate, Doktoren<br />
und Nachwuchswissenschaftler für drei Monate<br />
– an deutschen Instituten ihrer Wahl<br />
forschen.<br />
Das russische Bildungsministerium und der<br />
<strong>DAAD</strong> kommen für die Stipendien wie bisher<br />
gemeinsam auf und unterstreichen damit das<br />
beiderseitige Interesse. Bislang kamen 390<br />
hochqualifizierte Bewerber in den Genuss einer<br />
Förderung. Sie wählten nicht nur Hochschulen<br />
(vor allem der neuen Bundesländer),<br />
sondern auch außeruniversitäre Forschungslabors,<br />
etwa der Max-Planck-Gesellschaft, als<br />
Forschungsstätten. H.H.<br />
<strong>DAAD</strong>-Vizepräsident<br />
Max Huber ist 70<br />
Seit 1996 ist Max G. Huber Vizepräsident<br />
des <strong>DAAD</strong>. Im Juni feierte er seinen 70. Geburtstag<br />
und wurde gleichzeitig erneut in<br />
seinem Amt bestätigt. Der Physikprofessor<br />
war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2002<br />
Leiter des Instituts für theoretische Kernphysik<br />
der Universität Bonn und ist außerdem<br />
Beauftragter der Bundesregierung für das<br />
Internationale Hochschulmarketing.<br />
Junge Forscher nach Deutschland zu holen,<br />
ist seit langem ein besonderes Anliegen<br />
Max Hubers: „Noch vor rund einem<br />
hal ben Jahrzehnt hatten die Wörter Markt<br />
und Marketing an den Hochschulen einen<br />
beinah unanständigen Beigeschmack. Heute<br />
ist es eine Selbstverständlichkeit, dass<br />
die deutschen Hochschulen sich in Qualität<br />
und Dienstleistungsorientierung an der<br />
Konkurrenz messen lassen müssen.“ Ihm<br />
geht es auch darum, in der Welt bekannt<br />
zu machen, was deutsche Hochschulen in<br />
Studium, Forschung und insbesondere bei<br />
der Betreuung anzubieten haben.<br />
Huber studierte zunächst Mathematik und<br />
Physik an der Universität seiner Heimatstadt<br />
Freiburg und habilitierte sich 1968 an der<br />
Universität Frankfurt. Zuvor hatte er bereits<br />
als Wissenschaftler in den USA gearbeitet.<br />
Seit 1969 unterrichtete er an der Universität<br />
Erlangen-Nürnberg und wechselte 1983 an<br />
die Universität Bonn, deren Rektor er fünf<br />
Jahre lang (1992 bis 1997) war. db<br />
Kanada/USA<br />
Sprungbrett in die Karriere<br />
Naturwissenschaftlern und Technikern mit<br />
einem ersten Studienabschluss in Kanada<br />
Foto: Martina Ludwig<br />
<strong>DAAD</strong><br />
oder den USA bietet der <strong>DAAD</strong> für zwei bis<br />
vier Sommermonate Praktikantenstellen bei<br />
Unternehmen in Deutschland (Research Internships<br />
in Science and Engineering/RISE<br />
professional). Die Firmen suchen die für<br />
sie interessantesten Kandidaten selbst aus.<br />
Deutschkenntnisse sind dabei nicht unbedingt<br />
entscheidend.<br />
Das Stipendium plus Praktikantenhonorar<br />
deckt sämtliche Kosten des Aufenthalts im<br />
Lande Humboldts, bestätigten die Stipendiaten<br />
des ersten Jahrgangs (2007) bei einer<br />
Zwischenbilanz im Juni in Bonn. Sie betonten,<br />
wie vorteilhaft Auslandserfahrung bei der Bewerbung<br />
um einen Arbeitsplatz oder für das<br />
Graduiertenstudium sei. „Internationalität gilt<br />
auch in Nordamerika als Beweis für persönliche<br />
Motivation und Anpassung an die Globalisierung“,<br />
erklärte ein Teilnehmer.<br />
Der <strong>DAAD</strong> hatte auf Anhieb insgesamt<br />
gut 100 Praktikantenstellen bei deutschen<br />
Großfirmen eingeworben, darunter bei dem<br />
RISE-Stipendiatinnen<br />
in einem Industrieunternehmen<br />
Elektrounternehmen Bosch und dem Chemiekonzern<br />
Bayer. Für jedes zweite Angebot fand<br />
sich auf Anhieb der „richtige“ Kandidat oder<br />
die „richtige“ Kandidatin. Einige der Praktikanten<br />
gehen anschließend in den Beruf, die<br />
meisten wollen ein PhD-Studium in Biologie,<br />
Chemie, Physik, Geologie oder Ingenieurwissenschaften<br />
aufnehmen.<br />
Informationen:<br />
www.daad.de/rise-pro/de H.H.<br />
39
40<br />
<strong>DAAD</strong><br />
Ruhestand<br />
Abschied vom <strong>DAAD</strong><br />
Dorothea Fitterling ist ein<br />
echtes <strong>DAAD</strong>-Kind. Ihre<br />
Eltern begegneten sich<br />
bei einem <strong>DAAD</strong>-Alumni-<br />
Treffen 1935 in Berlin-Köpenick<br />
– und es war Liebe<br />
auf den ersten Blick. Beide<br />
hatten Anfang der 30er<br />
Jahre als <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />
in den USA studiert.<br />
Tochter Dorothea wurde<br />
1941 in Berlin geboren. Damals<br />
konnte keiner ahnen,<br />
dass sie eines Tages beim<br />
<strong>DAAD</strong> den internationalen Austausch – auch<br />
mit Amerika – voranbringen würde.<br />
Ende Juli nahm Dorothea Fitterling Abschied<br />
vom <strong>DAAD</strong>, für den sie seit 1991 tätig<br />
war, zuletzt als Leiterin der Programmabteilung<br />
Nord. Das Studium der Geschichte und<br />
Politikwissenschaft in Frankfurt am Main<br />
und Berlin hatte sie zunächst in den Zeitungsund<br />
Fernseh-Journalismus geführt. Von 1970<br />
bis 1976 leitete sie die Pressestelle der Technischen<br />
Universität (TU) Berlin, danach fast 15<br />
Jahre das Akademische Auslandsamt der TU.<br />
Diese Tätigkeit unterbrach sie 1986 für einen<br />
zweijährigen Aufenthalt in Australien, wo sie<br />
an der Universität von Melbourne als Tutorin<br />
arbeitete.<br />
Als Dorothea Fitterling, die mit dem Hamburger<br />
Klimaforscher Klaus Fraedrich verheiratet<br />
ist, 1991 nach Bonn ging, war sie mit den<br />
Regeln des internationalen Austauschs bereits<br />
bestens vertraut. Im Rückblick auf 16 Jahre<br />
Foto: <strong>DAAD</strong><br />
Auf einen Klick<br />
Der <strong>DAAD</strong> im Internet<br />
www.daad.de/<strong>magazin</strong><br />
Nachrichten und Berichte über<br />
das weltweite Engagement des<br />
<strong>DAAD</strong> – informativ und aktuell.<br />
www.daad.de/alumni<br />
Das <strong>DAAD</strong>-Portal für alle<br />
Alumni mit Infos zu Alumni-<br />
Vereinen, Alumni-Kalender,<br />
Alumni-VIP-Galerie und<br />
Alumni-Adressdatenbank.<br />
beim <strong>DAAD</strong> sagt sie: „Am meisten hat mich<br />
der Umgang mit den Menschen fasziniert.“ Ihnen,<br />
den in- und ausländischen Wissenschaftlern,<br />
Stipendiaten und Alumni, begegnete sie<br />
nicht nur mit Sachkenntnis, sondern mit ganz<br />
persönlicher Zuwendung. Davon profitierte<br />
stets auch die Letter-Redaktion, die ihr für<br />
ihr langjähriges Engagement im Letter-Beirat<br />
von Herzen dankt. Llo<br />
Publikation<br />
In Japan verliebt<br />
Einen Japan-Reiseführer der persönlichen Art<br />
hat Dierk Stuckenschmidt geschrieben. Titel<br />
des Buches: „Japans 99 irdische Paradiese“.<br />
Der langjährige Leiter des <strong>DAAD</strong>-Büros in<br />
Tokio, der mit einer Japanerin verheiratet ist,<br />
ist nicht nur ein genauer Kenner der von ihm<br />
beschriebenen Reiseziele, sondern er liebt sie<br />
auch.<br />
Das Buch beginnt mit Tokio, doch im Mittelpunkt<br />
stehen die Sehenswürdigkeiten rund um<br />
Kyoto, gefolgt von detaillierten Betrachtungen<br />
der Regionen Chugoku, Kyushu, Shikoku, Tahoku<br />
und Hokkaido sowie den Gebieten West-<br />
und Mittelhonshu. Stuckenschmidt geht es<br />
nicht um die messbaren Superlative – er lockt<br />
Foto: Dierk Stuckenschmidt<br />
den Besucher weder zum größten Buddha noch<br />
zur höchsten Pagode. Für ihn bedeutet das Reisen<br />
durch Japan nicht Sightseeing, sondern<br />
Kunstbegegnung. Er schreibt für Reisende mit<br />
Zeit und Anspruch: „Eine Kunstbegegnung hat<br />
typischerweise drei Teile – Vorbereitung und<br />
Anreise, das Durchschreiten des Kunstraumes<br />
und das Abschiednehmen.“ Die Reise durch<br />
Japan ähnelt einer Pilgerreise, die Parallele<br />
zum Kerngedanken des Zen-Buddhismus ist<br />
nicht zu übersehen: Der Weg ist das Ziel.<br />
Das Buch mit 468 Seiten, zahlreichen Fotografien<br />
und Kartenskizzen sowie einem<br />
umfangreichen Index ist im Rostinger<br />
Hof-Verlag, Königswinter, erschienen und<br />
kostet 28,50 Euro. kri<br />
Nachruf<br />
<strong>DAAD</strong> trauert um Peter Kasprzyk<br />
Viele Letter-Leser und -Leserinnen in Afrika<br />
erinnern sich an Dr. Peter Kasprzyk. Als<br />
langjähriger Leiter des Afrika-Referats beim<br />
<strong>DAAD</strong> war er der „gute Geist“ zahlreicher Stipendiaten,<br />
darunter vieler Germanisten, die<br />
heute als Hochschullehrer an Deutschabteilungen<br />
im subsaharischen Afrika tätig sind.<br />
Peter Kasprzyk starb am 1. Juni dieses Jahres<br />
im Alter von 75 Jahren in Ebingen, Baden-<br />
Württemberg.<br />
Nach einer Ausbildung zum Buchhändler studierte<br />
Kasprzyk Philologie an der Universität<br />
Tübingen und promovierte über Friedrich<br />
Hölderlin. In den 60er Jahren arbeitete er in<br />
Bonn zunächst für den „World University Service“,<br />
danach beim <strong>DAAD</strong>, wo er bis zu seiner<br />
Pensionierung 1996 in verschiedenen Referaten<br />
tätig war.<br />
Kasprzyk interessierte sich schon früh für<br />
den afrikanischen Kontinent, den er später<br />
häufig bereiste. Als Afrika-Referent beim<br />
<strong>DAAD</strong> setzte er sich besonders für die Entstehung<br />
von Deutschabteilungen an Universitäten<br />
im frankophonen subsaharischen Afrika ein.<br />
Dabei verlor er nie die Frage aus dem Blick,<br />
welchen Sinn der Deutschunterricht und der<br />
Germanistikbetrieb für afrikanische Entwicklungsländer<br />
haben könnte. Auf Tagungen und<br />
Seminaren diskutierte er mit afrikanischen<br />
Germanisten über die Möglichkeit, wie sie an<br />
der gesellschaftlichen Entwicklung ihrer Länder<br />
mitwirken könnten.<br />
Bei all seinen Initiativen beeindruckte er<br />
durch sein Engagement für die Stipendiaten<br />
und die Sorge um die Menschen, mit denen<br />
er zu tun hatte. Der Kontakt zum <strong>DAAD</strong>, den<br />
deutschen Hochschullehrern, die ihn bei seiner<br />
Arbeit für Afrika unterstützt hatten, und<br />
zu afrikanischen Alumni brach bis zuletzt<br />
nicht ab.<br />
Japanisches Paradies: Auf den Kanälen von Yanagawa<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
KÖPFE<br />
Die Italienerin Sylvia Bolgherini<br />
ist die diesjährige<br />
Preisträgerin des Ladislao Mittner-Preises.Bundesbildungsministerin<br />
Annette Schavan überreichte<br />
der 34-jährigen Politikwissenschaftlerin<br />
aus Neapel im Mai<br />
in Rom die vom <strong>DAAD</strong> gestiftete<br />
Auszeichnung, die neben einem<br />
Preisgeld von 5 000 Euro auch<br />
ein vierwöchiges Stipendium<br />
für Deutschland umfasst – einen<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Foto: <strong>DAAD</strong><br />
Bonus, den Bolgherini besonders<br />
zu schätzen weiß: „Deutschland<br />
war meine erste Liebe“, sagt sie.<br />
Ihr erster Auslandsaufenthalt<br />
führte sie 1997 nach Heidelberg.<br />
Er sollte acht Monate dauern und<br />
endete nach drei Jahren.<br />
Seitdem hat sich die Nachwuchsforscherin<br />
intensiv mit der deutschen<br />
Regionalpolitik befasst. Sie<br />
absolvierte weitere Studienaufenthalte<br />
in den USA, Paris, Athen<br />
und Barcelona, promovierte an<br />
der Universität Florenz und unterrichtet<br />
seit 2005 im Fachbereich<br />
Soziologie der neapolitanischen<br />
Universität Federico II. Dort hatte<br />
sie sich mit dem Forschungsprojekt<br />
„Multilevel Governance zwischen<br />
den Regionen und der EU“<br />
einen Namen gemacht. Zurzeit arbeitet<br />
sie an einer vergleichenden<br />
Studie zur deutsch-italienischen<br />
Zusammenarbeit von Kommunen.<br />
Obwohl noch am Anfang ihrer Karriere,<br />
hat Bolgherini bereits viel<br />
publiziert – als echte Europäerin<br />
in vier verschiedenen Sprachen.<br />
Der nach dem italienischen<br />
Germanisten Ladislao Mittner<br />
(1902–75) benannte Preis wird alljährlich<br />
vom <strong>DAAD</strong> an italienische<br />
Wissenschaftler vergeben, die den<br />
Dialog zwischen beiden Ländern<br />
pflegen. kri<br />
Der berühmte amerikanische<br />
Videokünstler Matthew<br />
Buckingham hat sich von einer<br />
Berlinerin zu einem eindrucksvollen<br />
Kunstwerk inspirieren lassen.<br />
Im Jahr 2003, als er mit einem<br />
Stipendium des Berliner Künstlerprogramms<br />
des <strong>DAAD</strong> in Berlin<br />
lebte, hörte er zum ersten Mal von<br />
Charlotte Wolff (1897–1986). Das<br />
Leben der jüdischen Ärztin und<br />
Psychologin, die sich schon früh<br />
zu ihrer lesbischen Veranlagung<br />
bekannte und als Wissenschaftlerin<br />
darüber schrieb, faszinierte<br />
ihn. „Sie ist bis heute eine Identifikationsfigur“,<br />
meint Buckingham.<br />
Charlotte Wolff lebte in Berlin,<br />
flüchtete 1938 aus dem nationalsozialistischen<br />
Deutschland und<br />
wohnte bis zu ihrem Tod in London.<br />
In ihrer – auf Englisch geschriebenen<br />
– Autobiographie erzählt<br />
sie, wie sie 1978 zum ersten<br />
Mal nach der Flucht per Flugzeug<br />
nach Berlin zurückkehrt.<br />
Buckingham, der in all seinen<br />
Werken akribische historische<br />
Recherche mit der Faszination für<br />
Einzelschicksale, Orte und Namen<br />
verbindet, richtet sein Interesse<br />
auf diese Rückkehr: Ein Videofilm<br />
erfasst in ruhigen Bildern das Innere<br />
eines leeren Flugzeugs aus<br />
den 70er Jahren, während daneben<br />
autobiographische Zitate<br />
die Stationen von Wolffs Leben<br />
kommentieren. Das Werk „Everything<br />
I Need“, das der Künstler<br />
mit Unterstützung des <strong>DAAD</strong> herstellte,<br />
wurde in diesem Sommer<br />
im Berliner Museum „Hamburger<br />
Bahnhof“ erstmals dem Publikum<br />
gezeigt. Die Ausstellung,<br />
mit weiteren bedeutenden Video-<br />
und Fotoarbeiten des Künstlers,<br />
wurde vom BKP mitorganisiert.<br />
(Bis 14. Oktober 2007)<br />
Foto: BKP<br />
Der Bonner Sinologie-Professor<br />
Wolfgang Kubin wird mit<br />
dem bedeutendsten Literaturpreis<br />
Chinas ausgezeichnet. Den mit<br />
8 000 Euro dotierten „Pamir International<br />
Poetry Price“ erhält er<br />
sowohl für seine zahlreichen wissenschaftlichen<br />
Werke als auch für<br />
die Übersetzung chinesischer Gegenwartsliteratur.<br />
Der 61-jährige<br />
Wissenschaftler gehörte 1974 zu<br />
den ersten <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten in<br />
China. Damals ging der frisch promovierte<br />
Sinologe, der in Bochum<br />
auch Japanologie, Philosophie und<br />
Germanistik studiert hatte, nach<br />
Peking, um die chinesische Hochsprache<br />
zu studieren. Seit 1985<br />
unterrichtet er an der Universität<br />
Bonn und hielt enge Verbindung<br />
zum <strong>DAAD</strong>, unter anderem durch<br />
seine jahrelange Tätigkeit in der<br />
Auswahlkommission.<br />
Kubin ist Herausgeber und Autor<br />
einer zehnbändigen „Geschichte<br />
der chinesischen Literatur“, deren<br />
siebten Band er zurzeit fertigstellt.<br />
Mit seinen Übersetzungen moderner<br />
chinesischer Dichtung – von<br />
Autoren wie Lu Xun, Yang Lian,<br />
Gu Cheng und Bei Dao – fand er<br />
auch in China viel Aufmerksamkeit.<br />
Mit kritischen Thesen zum<br />
Zustand der chinesischen Gegenwartsliteratur<br />
löste er dort im vergangenen<br />
Jahr eine landesweite<br />
Debatte aus.<br />
Kubin, der auch selbst als<br />
Schriftsteller tätig ist, wird im<br />
September in Hongkong „Creative<br />
Writing“ unterrichten. Den Preis,<br />
der von dem Konsortium „Pamir<br />
Investment Group“ gestiftet wird,<br />
nimmt er am 16. Oktober in Peking<br />
entgegen. Weitere Preisträgerin<br />
ist die chinesische Dichterin<br />
Zhai Yongming, die Kubin ebenfalls<br />
übersetzt hat.<br />
Foto: Uni Bonn<br />
<strong>DAAD</strong><br />
<strong>Dass</strong> er gestorben ist, ist nicht<br />
logisch. Nachdem er 90 geworden<br />
war, hätte man sich ihn<br />
mit 900 mühelos vorstellen können.“<br />
Dies schrieb Peter Esterházy<br />
Ende Juli in der „Süddeutschen<br />
Zeitung“ – und gemeint war sein<br />
Schriftstellerkollege George Tabori,<br />
der am 23. Juli im Alter von 93<br />
Jahren in Berlin gestorben ist. Die<br />
deutsche Theaterszene ist ohne<br />
den weltberühmten Dramatiker<br />
kaum zu denken. Seit der aus<br />
Ungarn gebürtige Jude 1971 als<br />
Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms<br />
des <strong>DAAD</strong> endgültig<br />
nach Deutschland zurückkehrte,<br />
feierte er auf deutschsprachigen<br />
Bühnen – von Wien bis Berlin –<br />
große Erfolge.<br />
Tabori, dessen Vater in Auschwitz<br />
von den Nazis ermordet<br />
wurde, lebte in zwölf Ländern und<br />
schrieb mehr als 30 Theaterstücke<br />
– alle in englischer Sprache. Aufsehen<br />
erregten seine Werke, in<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
denen er die Nazizeit auf die<br />
Bühne brachte. Sie sind – so die<br />
Hitler-Farce „Mein Kampf“ (1987)<br />
oder das Auschwitz-Stück „Die<br />
Kannibalen“ (1968) – von seinem<br />
schwarzen, zugleich tief humanen<br />
Humor geprägt.<br />
Seit den 90er Jahren lebte Tabori<br />
ganz in Berlin und inszenierte bis<br />
zuletzt seine eigenen und viele<br />
andere Stücke der Weltliteratur<br />
am früheren Brecht-Theater, dem<br />
„Berliner Ensemble“. Dort hatte<br />
im Mai dieses Jahres sein letztes<br />
Stück „Gesegnete Mahlzeit“ Premiere.<br />
„Es gab sehr wenige Menschen,<br />
die nicht in ihn verliebt<br />
gewesen wären. Ich gehöre nicht<br />
zu diesen wenigen“, bekennt Peter<br />
Esterházy, der nicht nur die ungarische<br />
Herkunft mit Tabori gemeinsam<br />
hat: Auch er war <strong>DAAD</strong>-<br />
Stipendiat im Berliner Künstlerprogramm.<br />
Llo<br />
41
42<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
<strong>DAAD</strong><br />
BüCHER VON UNSEREN LESERN<br />
Idol aus Amerika: Hollywood-Star James Dean<br />
1955 in „Rebel without a cause“<br />
Amerikanische Spuren<br />
„Amerika ist anders!“ Diese<br />
Aussage des Schriftstellers Carl<br />
Zuckmayer, der einige Jahre im<br />
amerikanischen Exil verbracht<br />
hat, stellen die Herausgeber dem<br />
in deutsch-amerikanischer Kooperation<br />
entstandenen Band voran.<br />
Darin gehen 24 Autoren und Autorinnen<br />
anhand vielfältiger Beispiele<br />
aus der deutschsprachigen<br />
Literatur und Publizistik des 20.<br />
Jahrhunderts dieser Andersartigkeit<br />
nach.<br />
Die Vereinigten Staaten von<br />
Amerika waren immer schon ferne<br />
Projektionsfläche für Modernität<br />
und Fortschritt, aber auch für<br />
Kulturpessimismus. Im 20., dem<br />
„amerikanischen“, Jahrhundert<br />
werden die Widersprüche, die<br />
Ambivalenz von Faszination und<br />
Abwehr in Texten und Bildern europäischer<br />
Künstler eklatant deutlich.<br />
In einem aufschlussreichen<br />
Beitrag über deutsche Intellektuelle<br />
im Nachkriegsdeutschland<br />
und ihr Verhältnis zu den USA<br />
erklärt Mitherausgeber Alexander<br />
Stephan, wie die politische,<br />
wirtschaftliche und kulturelle<br />
Entwicklung zu einem Sonderfall<br />
der Amerikanisierung und des<br />
gleichzeitigen Anti-Amerikanismus<br />
führte.<br />
Aus dem gleichen Projektzusammenhang<br />
entstand ein zweites<br />
Buch, das den Blick auf die Kul-<br />
turpolitik und die populäre Kultur<br />
erweitert. Es wird deutlich, dass<br />
die amerikanische Nachkriegs-<br />
Kulturpolitik wenig zur Amerikanisierung<br />
beigetragen hat. Filme<br />
aus Hollywood und der Rock’n<br />
Roll waren weit einflussreicher.<br />
Aktuelle deutsch-amerikanische<br />
Wechselwirkungen besonders in<br />
der bildenden Kunst, in Film und<br />
Massenmedien werden hier eingehend<br />
untersucht.<br />
Alexander Stephan lehrt als Professor<br />
of German und „Eminent<br />
Scholar“ an der Ohio State University<br />
in Columbus, Ohio; Jochen<br />
Vogt ist Professor für Germanistik<br />
und Medienpraxis an der Universität<br />
Duisburg-Essen. Beide wurden<br />
mehrfach vom <strong>DAAD</strong> gefördert.<br />
Jochen Vogt, Alexander Stephan<br />
(Hrsg.): Das Amerika der Autoren.<br />
Von Kafka bis 9/11. Wilhelm Fink<br />
Verlag, München 2006<br />
Alexander Stephan, Jochen Vogt<br />
(Hrsg.): America on my mind. Zur<br />
Amerikanisierung der deutschen<br />
Kultur seit 1945. Wilhelm Fink<br />
Verlag, München 2006<br />
Jüdisches Leben<br />
Die deutsche Wiedervereinigung<br />
und die Auflösung der Sowjetunion<br />
führten in Deutschland zu<br />
gesellschaftspolitischen Veränderungen<br />
auch in Bezug auf die jüdische<br />
Bevölkerung. Ihre Zahl ist<br />
stark angestiegen durch die Ein-<br />
Juden in Deutschland: An der neuen<br />
Synagoge von Bad Segeberg<br />
wanderung von Juden aus Russland<br />
und Osteuropa, so dass jüdische<br />
Kultur hierzulande wieder<br />
sichtbar wird. Der amerikanische<br />
Germanistikprofessor und Kulturwissenschaftler<br />
Jeffrey M. Peck<br />
von der Georgetown University in<br />
Washington hat untersucht, wie<br />
Juden nach der Wende in Deutschland,<br />
besonders in Berlin, leben.<br />
Zahlreiche Aufenthalte, teils mit<br />
<strong>DAAD</strong>-Förderung, ermöglichten<br />
ihm, sich als teilnehmenden Beobachter<br />
zu positionieren.<br />
Mit seinem interdisziplinären<br />
Ansatz gelingt es Peck, ein vielschichtiges<br />
Bild zu zeichnen. In<br />
seiner Untersuchung finden sich<br />
neben der Analyse von Ereignissen<br />
und unterschiedlichen Text sorten<br />
auch persönliche Eindrücke. Antisemitische<br />
Vorkommnisse werden<br />
keineswegs ausgelassen, doch es<br />
überwiegt die Einschätzung, dass<br />
sich gerade auch unter Mitwirkung<br />
der jüdischen Bevölkerung<br />
in Deutschland eine multikulturelle<br />
Gesellschaft entwickelt.<br />
Peck hat ab Herbst 2007 den<br />
vom <strong>DAAD</strong> geförderten Walter-<br />
Benjamin-Lehrstuhl für deutschjüdische<br />
Geschichte und Kultur<br />
an der Humboldt-Universität zu<br />
Berlin inne.<br />
Jeffrey M. Peck: Being Jewish in<br />
the New Germany. Rutgers University<br />
Press, New Brunswick, NJ,<br />
2006 HS<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Rätsel-Lösungen<br />
Die Lösung des vorigen Letter-Rätsels lautet:<br />
MONDSCHEIN.<br />
Die Lösung ergibt sich aus folgenden Wörtern: Sturmflut,<br />
Wolke, Regen, Wind, Glatteis, Schnee, Hagel, Erdbeben,<br />
Hitze, Nebel.<br />
Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />
Tamara Davitaia, Tbilissi/Georgien; Chris Epplett,<br />
Lethbridge/Kanada; Rodolfo C. Matin, Valdivia/Chile;<br />
Tao Wang, Nanjing/V. R. China; Ting Chen, Richardson/<br />
USA; Djilali Bassou, Sidi Bel Abbes/Algerien; S. Ursula<br />
Tapia Guerrero, Santiago/Chile; Ma Liyun, Beijing/V. R.<br />
China; Jasmina Čaušević, Brekovica Bihać,/Bosnien<br />
und Herzegowina; Anna Mercedes Hempel Sandoval,<br />
Asuncion/Paraguay.<br />
Einen Trostpreis erhalten:<br />
Anna Dembovscaia, Ribniza/Moldawien; Harumi Oguro,<br />
Kanagawa/Japan; Jolanta Le´snik, Szczecin/Polen; Jolanta<br />
Szamburska, Lodz/Polen; Deborah Sabadash, Toronto/<br />
Kanada; Maria Tomagova-Jurenikova, Bratislava/Slowakei;<br />
Natalja Gorowaja, Chabarowsk/Russland; Juliana Adelia<br />
Panero, Buenos Aires/Argentinien; Ihsan Mungan,<br />
Istanbul/Türkei; Marciel J. Stadnik, Florianópolis/Brasilien.<br />
Wer war’s?<br />
OTTO LILIENTHAL<br />
Einen Preis erhalten:<br />
Ohad Rix, Nes Ziona/Israel; Béla Nemoda, Cegléd/Ungarn;<br />
Ivan Laputska, Minsk/Weißrussland; Hanh Vu, Ho Chi<br />
Minh City/Vietnam; Hector Badano, Montevideo/Uruguay.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter<br />
Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />
Herausgeber:<br />
Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />
Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Germany<br />
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Redaktion: Dr. Leonie Loreck (Llo) (verantwortlich),<br />
Dr. Isabell Lisberg-Haag (lb) (verantw. Seiten 20-21, 34-35),<br />
Katja Sproß (KS) (verantw. Seiten 15-19), Uschi Heidel (uwh)<br />
(verantw. Seiten 10-11)<br />
Weitere Autoren: Doris Bünnagel (db), Anja Feldmann,<br />
Christine Hardt, Hermann Horstkotte (H.H.) Klaus Hübner<br />
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Christoph Kessler (C.K.), Kerstin Rippel (kri),<br />
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übersetzungen Abstracts: Elizabeth Crawford, Tony Crawford<br />
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Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in<br />
jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter erscheint dreimal im Jahr.<br />
Einzelpreis 4,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />
inklusive Porto und MwSt.<br />
Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />
Ein Teil der Ausgabe enthält ein Faltblatt<br />
des <strong>DAAD</strong>-Freundeskreises.<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07
2. April<br />
Angebot für Mütter<br />
Die Bundesregierung beschließt<br />
einen Plan zur besseren Kleinkind-<br />
Betreuung. Ziel ist es, bis 2013 für<br />
ein Drittel aller Kleinkinder einen<br />
Betreuungsplatz („Krippe“) zur<br />
Verfügung zu stellen. Dadurch soll<br />
jungen Müttern die Doppelrolle<br />
in Beruf und Familie erleichtert<br />
werden.<br />
19. April<br />
Wachstum nimmt zu<br />
Führende Institute für Wirtschaftsforschung<br />
rechnen mit einer weiteren<br />
Belebung der Konjunktur.<br />
Sie sagen für 2008 in Deutschland<br />
eine Wachstumsrate von 2,4 Prozent<br />
voraus.<br />
28. April<br />
Trauer um Weizsäcker<br />
Im Alter von 94 Jahren stirbt der<br />
Physiker und Philosoph Carl Friedrich<br />
von Weizsäcker. Er war der<br />
Bruder des früheren Bundespräsidenten<br />
Richard von Weizsäcker.<br />
Der Verstorbene hatte mit Büchern<br />
wie „Der bedrohte Friede“ immer<br />
wieder vor Kriegen und atomaren<br />
Katastrophen gewarnt.<br />
1. Mai<br />
Weniger Arbeitslose<br />
Die Zahl der Arbeitslosen geht auf<br />
3,97 Millionen zurück. Erstmals<br />
seit 2002 liegt damit die Marke<br />
unter vier Millionen.<br />
8. Mai<br />
Ja zur Integration<br />
Die CDU stellt ein neues Grundsatzprogramm<br />
vor. Mit Blick auf<br />
die rund sieben Millionen Ausländer<br />
wird die Bundesrepublik<br />
erstmals als „Integrationsland“<br />
bezeichnet. Zugleich wird auf die<br />
Notwendigkeit einer „Leitkultur“<br />
verwiesen.<br />
13. Mai<br />
Erfolg für Linksbündnis<br />
Bei den Bürgerschaftswahlen<br />
in Bremen, dem kleinsten deutschen<br />
Bundesland, erleiden die<br />
Regierungsparteien SPD und CDU<br />
Verluste. Erstmals gelingt einem<br />
Bündnis links von der SPD mit<br />
8,4 Prozent der Sprung in das<br />
Landesparlament. Die Kandidaten<br />
schließen sich im Juni der neuen<br />
Partei „Die Linke“ an. Aufgrund<br />
des Wahlergebnisses beendet Bremens<br />
Bürgermeister Jens Böhrn-<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 2/07<br />
Deutsche Chronik<br />
Eine Auswahl von Ereignissen, die in der Bundesrepublik Schlagzeilen machten (1. April bis 31. Juli 2007)<br />
sen (SPD) die Zusammenarbeit<br />
mit der CDU und geht ein Bündnis<br />
mit den Grünen ein.<br />
19. Mai<br />
Stuttgart jubelt<br />
Die Mannschaft von VfB Stuttgart<br />
wird Deutscher Fussballmeister<br />
2007.<br />
28. Mai<br />
Immendorf gestorben<br />
Der Maler Jörg Immendorf stirbt<br />
im Alter von 61 Jahren an einer<br />
Nervenkrankheit. Er galt als einer<br />
der größten zeitgenössischen<br />
Künstler.<br />
7. Juni<br />
Weitreichende Pläne<br />
Die Staats- und Regierungschefs<br />
von acht führenden Industriestaaten<br />
(G8-Gruppe) verständigen<br />
sich bei einem Treffen in Heiligendamm<br />
an der Ostsee auf weitreichende<br />
Ziele zu Klimaschutz und<br />
Entwicklungshilfe. Mit Kanzlerin<br />
Angela Merkel als Gastgeberin<br />
unterzeichnen sie ein Dokument,<br />
wonach der Kohlendioxid-Ausstoß<br />
bis 2050 halbiert und die Finanzhilfen<br />
für Afrika stark ausgeweitet<br />
werden sollen.<br />
11. Juni<br />
Geld für Nazi-Opfer<br />
Das Hilfswerk für die Entschädigung<br />
von ehemaligen Zwangsarbeitern<br />
erklärt die Auszahlungen<br />
für beendet. Insgesamt wurden<br />
rund 4,4 Milliarden Euro an etwa<br />
1,7 Millionen Menschen ausgezahlt.<br />
Die Betroffenen hatten während<br />
des Zweiten Weltkriegs unter<br />
oft unmenschlichen Bedingungen<br />
für die Nazi-Kriegsmaschinerie arbeiten<br />
müssen.<br />
14. Juni<br />
Deutsche Sprache verlangt<br />
Der Bundestag ändert das Aufenthalts-<br />
und Asylrecht. Bis zuletzt<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Pause im Strandkorb:<br />
die Teilnehmer des G8-Gipfels<br />
mit Gastgeberin Angela Merkel<br />
(7. Juni)<br />
umstritten war der so genannte<br />
Ehegatten-Nachzug. Künftig gilt:<br />
Ein ausländischer Partner erwirbt<br />
durch die Heirat mit einer<br />
in Deutschland lebenden Person<br />
nicht automatisch das Aufenthaltsrecht.<br />
Vielmehr wird ein ständiges<br />
Wohnen nur dann erlaubt, wenn<br />
der Partner mindestens 18 Jahre<br />
alt ist und Grundkenntnisse der<br />
deutschen Sprache nachweisen<br />
kann.<br />
16. Juni<br />
Chance für Linke<br />
Bei einem Parteitag in Berlin formiert<br />
sich „Die Linke“ als neue<br />
Partei. Hervorgegangen ist sie<br />
aus dem Zusammenschluss von<br />
Linkspartei-PDS und der gewerkschaftsnahen<br />
Kleinpartei WASG.<br />
Laut Umfragen sympathisieren<br />
etwa zehn bis 15 Prozent der Wähler<br />
mit der neuen Linken.<br />
28. Juni<br />
Pannen bei Atom-Anlagen<br />
Die Atom-Industrie erlebt einen<br />
schwarzen Tag. Auf dem Gelände<br />
des Atomkraftwerks Krümmel<br />
kommt es zu einem Trafo-Brand.<br />
Am gleichen Tag geht auch der<br />
Atommeiler Brunsbüttel nach<br />
fehlerhaft vorgenommenen Reparaturarbeiten<br />
wegen eines Kurzschlusses<br />
vom Netz. Das Betreiber-Unternehmen<br />
Vattenfall unterrichtet<br />
die Bevölkerung und die<br />
Bundesregierung zunächst nur<br />
unvollständig über die Störfälle.<br />
Am 18. Juli tritt der Chef von Vattenfall<br />
Deutschland, Klaus Rauscher,<br />
von seinem Amt zurück.<br />
29. Juni<br />
Weniger Lohn<br />
Die Beschäftigten der Telefongesellschaft<br />
Telekom müssen in<br />
einem neuen Tarifvertrag Gehaltskürzungen<br />
von 6,5 Prozent hinnehmen.<br />
Vorausgegangen war ein<br />
wochenlanger Streik. Ursprünglich<br />
wollte die Arbeitgeber-Seite<br />
noch massivere Lohnkürzungen<br />
durchsetzen.<br />
4. Juli<br />
„Gläserne“ Politiker<br />
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
in Karlsruhe<br />
müssen die Bundestagsabgeordneten<br />
künftig ihre Nebeneinkünfte<br />
offenlegen. Betroffen<br />
davon sind rund 600 Politiker.<br />
12. Juli<br />
Migranten protestieren<br />
Das Kanzleramt veranstaltet mit<br />
zahlreichen Ausländer-Organisationen<br />
einen „Integrationsgipfel“.<br />
Drei große türkische Verbände<br />
boykottieren das Treffen. Ihre<br />
Begründung: Das neue Zuwanderungsgesetz<br />
diskriminiere<br />
türkische Migranten, weil das<br />
„Nachholen“ eines Ehepartners<br />
erschwert werde.<br />
13. Juli<br />
Saurier als Attraktion<br />
Im Naturkundemuseum Berlin<br />
beginnt eine Ausstellung mit dem<br />
größten Dinosaurier-Skelett der<br />
Welt. Es stammt aus Tansania, ist<br />
15 Meter lang und 13 Meter hoch.<br />
19. Juli<br />
Riesenprojekt der Bahn<br />
Die Bahn AG beschließt endgültig<br />
den Ausbau des Schienennetzes<br />
im Raum Stuttgart. Der Stuttgarter<br />
Hauptbahnhof soll von einem<br />
Kopf- zu einem Durchgangsbahnhof<br />
umgestaltet werden. Durch<br />
Neubau einer Schnellbahn-Trasse<br />
soll der Flughafen in acht Minuten<br />
erreichbar sein und sich die<br />
Fahrtzeit bis Ulm wesentlich verkürzen.<br />
Die Kosten werden auf 4,8<br />
Milliarden Euro geschätzt. Etwa<br />
2016 soll das Bau-Vorhaben abgeschlossen<br />
sein.<br />
22. Juli<br />
Ulrich Mühe tot<br />
Der Schauspieler Ulrich Mühe erliegt<br />
im Alter von 54 Jahren einem<br />
Krebsleiden. Er war Hauptdarsteller<br />
des mit einem Oscar ausgezeichneten<br />
Films „Das Leben der<br />
Anderen“.<br />
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