Pilotanlage - Projektträger Jülich
Pilotanlage - Projektträger Jülich
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<strong>Projektträger</strong> <strong>Jülich</strong> (PTJ)<br />
Geschäftsbereich Neue Materialien und Chemische Technologien<br />
Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH<br />
Im Auftrag des BMBF<br />
Titan-Aluminid-Legierungen –<br />
eine Werkstoffgruppe mit Zukunft
Herausgeber: Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH<br />
<strong>Projektträger</strong> <strong>Jülich</strong> (PTJ)<br />
Geschäftsbereich Neue Materialien und Chemische Technologien<br />
52425 <strong>Jülich</strong>; Tel.: (02461) 61-4840; Fax: (02461) 61-2398<br />
E-mail: nmt@fz-juelich.de; Internet: http://www.fz-juelich.de/ptj<br />
Autor/Redaktion: M. Dietrich<br />
<strong>Projektträger</strong> <strong>Jülich</strong> (PTJ)<br />
Geschäftsbereich Neue Materialien und Chemische Technologien<br />
Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH<br />
Titelfoto: DaimlerChrysler AG<br />
Druck: Grafische Betriebe, Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH<br />
ISBN 3-89336-318-1<br />
Die Firmenbenennungen beziehen sich auf den Status bzw. die Bezeichnungen zum<br />
damaligen Zeitpunkt.<br />
Es ist zu verweisen auf die vom <strong>Projektträger</strong> PTJ Geschäftsbereich NMT herausgegebenen<br />
Jahresberichte, in denen die einzelnen geförderten Projekte beschrieben werden.
Inhaltsverzeichnis<br />
0. Vorwort (G. Sauthoff)<br />
1. TiAl – ein neuer Strukturwerkstoff für hohe Temperaturen (M. Dietrich)<br />
1.1. Förderzeitraum 1983 bis 1990/1992<br />
Grundlagenprojekte Intermetallische Phasen<br />
1.2. Förderzeitraum 1990 bis 1994/1996 (M. Dietrich)<br />
1.2.1. Walzen zur TiAl-Blechherstellung (H. Clemens)<br />
1.2.2. Feinguss für TiAl-Motorkomponenten (H. Baur)<br />
1.2.3. Feinguss für TiAl-Flugturbinenschaufeln (F. Appel, M. Oehring)<br />
1.2.4. Pulvermetallurgische Herstellung von TiAl-Bauteilen (M. Schütze, W. Smarsly)<br />
1.3. Förderzeitraum 1995 bis 1999 (M. Dietrich)<br />
1.3.1. Herstellung von TiAl-Legierungsmaterial (V. Güther)<br />
1.3.2. Strangpressverfahren zur Herstellung von TiAl-Ventilen (H. Kestler, N. Eberhardt)<br />
1.3.3. Permanentkokillenguss-Prozess für TiAl-Ventile (P. Busse)<br />
1.3.4. Schmiedeverfahren für TiAl-Schaufeln (F. Appel, M. Oehring)<br />
1.3.5. Gebaute TiAl-Flugturbinen-Hohlschaufel (R. Gerling)<br />
1.3.6. Schweißen von Titanaluminiden (H. Cramer)<br />
2. TiAl-Bauteile an der Schwelle zum Einsatz<br />
2.1. Förderzeitraum 1999 bis 2002 (M. Dietrich)<br />
2.1.1. Entwicklung von TiAl-Legierungen der 3. Generation (F. Appel, M. Oehring)<br />
2.1.2. Beschichtungen für Titanaluminide (W.J. Quadakkers)<br />
2.1.3. Bau einer TiAl-<strong>Pilotanlage</strong> zur Massenfertigung von TiAl-Motorventilen (P.Busse)<br />
2.1.4. Umformtechnologien für hochfeste TiAl-Legierungen<br />
der 3. Generation (F. Appel, M. Oehring)<br />
3. Bewertungen des Einsatzes von TiAl-Bauteilen<br />
3.1. Zulieferindustrie (Thyssen, TRW, Plansee, GfE)<br />
3.2. Automobilindustrie (Audi, BMW, DaimlerChrysler, Ford, Opel)<br />
3.3. Flugzeugindustrie (Rolls-Royce, MTU)<br />
4. Fazit (M. Dietrich)<br />
5. Nachwort<br />
6. Autorenverzeichnis<br />
Seite<br />
5<br />
9<br />
12<br />
14<br />
21<br />
26<br />
32<br />
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48<br />
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57<br />
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108<br />
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126<br />
127
Vorwort<br />
5<br />
Die erste Ölkrise 1973/74 machte überaus deutlich die Notwendigkeit klar, mit der<br />
verfügbaren Energie möglichst sparsam - d.h. mit möglichst hohem Wirkungsgrad -<br />
umzugehen. Dies bedingt möglichst hohe Betriebstemperaturen in den<br />
Energiewandlungsanlagen - beispielsweise Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen -, wobei<br />
die möglichen Betriebstemperaturen durch die verfügbaren Werkstoffe begrenzt sind.<br />
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist bekannt, dass die Metalle, die seit Jahrtausenden als<br />
metallische Werkstoffe benutzt werden, untereinander chemische Verbindungen bilden<br />
können, die als intermetallische Verbindungen oder intermetallische Phasen bekannt sind und<br />
die sich auf Grund ihrer starken Atombindung durch hohe Festigkeiten auch bei hohen<br />
Temperaturen auszeichnen [1,2]. Damit bieten sich intermetallische Phasen als ausgesprochen<br />
vielversprechende Kandidaten für auf höchste Einsatztemperaturen zielende neue<br />
Werkstoffentwicklungen an. Entsprechende Entwicklungen werden mit besonderem<br />
Nachdruck seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts insbesondere in den USA und<br />
in Japan durchgeführt. Das zentrale Problem aller Entwicklungen ist die geringe<br />
Verformbarkeit der intermetallischen Phasen bei niedrigen Temperaturen.<br />
In Deutschland waren die intermetallischen Phasen bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
Gegenstand intensiver Grundlagenforschung, wobei insbesondere Gustav Tammann (1861-<br />
1938) in Göttingen zu nennen ist. Auf der Basis dieser Grundlagenforschung wurden zunächst<br />
nur neue Funktionswerkstoffe beispielsweise mit besonderen magnetischen Eigenschaften<br />
erfolgreich entwickelt. Das Interesse an Entwicklungen von intermetallischen<br />
Strukturwerkstoffen für höchste Temperaturen entwickelte sich erst vergleichsweise spät. Zu<br />
erwähnen ist hier ein erstes Projekt (1982-1986) des Max-Planck-Institutes für<br />
Eisenforschung zur Erschließung der Möglichkeiten für die Entwicklung neuer<br />
intermetallischer Hochtemperatur-Strukturwerkstoffe, wobei die Nickel- und Eisenaluminide<br />
im Mittelpunkt standen und die Förderung noch im BMFT-Programm „Eisen- und<br />
Stahlforschung und -technologie“ der damaligen sozial-liberalen Bundesregierung erfolgte<br />
[3,4]. Von besonders hohem Interesse waren und sind die Titanaluminide, die sich durch ihre<br />
geringe Dichte auszeichnen und sich daher für neuartige Leichtbauwerkstoffe anbieten mit<br />
höheren Warmfestigkeiten als die der konventionellen Leichtmetalllegierungen. Ein erstes<br />
Projekt zur Werkstoffentwicklung auf der Basis des intermetallischen Titanaluminids TiAl<br />
wurde 1983-1985 im VAW-Forschungsinstitut von Prof. G. Ibe und Dr. J. Penkava<br />
durchgeführt.<br />
Neue verbesserte Möglichkeiten für die Entwicklungen neuartiger Hochtemperaturwerkstoffe<br />
boten sich in dem für den Zeitraum 1985-1994 aufgelegten Materialforschungsprogramm<br />
(Matfo) der folgenden Bundesregierung, in das auf Initiative des Direktors des Max-Planck-<br />
Institutes für Eisenforschung Prof. H.-J. Engell Werkstoffe auf der Basis intermetallischer<br />
Phasen als zu fördernde Werkstoffe aufgenommen wurden. Zur Initiierung der möglichen<br />
Werkstoffentwicklungen auf der Basis der sich anbietenden intermetallischen Phasen wurde<br />
durch Bündelung der verschiedenen Interessen 1986-1990 unter der Führung des Max-<br />
Planck-Institutes für Eisenforschung mit verschiedenen Partnern ein breites<br />
anwendungsorientiertes Grundlagenprojekt durchgeführt, dem ein aufwändiger intensiver<br />
Klärungsprozess 1983-1985 voraus gegangen war. Dieses Grundlagenprojekt, in dem die<br />
Titanaluminide unter Führung von Prof. R. Wagner/GKSS eine wesentliche Rolle spielten,<br />
wurde begleitet von einem Technologie-Pilotprojekt der Metallgesellschaft zusammen mit<br />
weiteren Partnern, das von Prof. P. Wincierz initiiert worden war und sich auf die<br />
Herstellungsmöglichkeiten von TiAl-Bauteilen konzentrierte. Die Ergebnisse wurden auf
6<br />
verschiedenen deutschen [5-7] und internationalen Symposien [8-11] vorgestellt und fanden<br />
ein vielfältiges Interesse [12,13]. Aus diesen Projekten resultierten erfolgreiche Titan-<br />
Aluminid-Werkstoffentwicklungen, die dann mit Förderung im Rahmen des anschließenden<br />
Programms „Neue Materialien für Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts - MaTech“<br />
fortgeführt wurden [14] und Gegenstand der vorliegenden Monographie sind.<br />
Diese anwendungsorientierten Entwicklungsanstrengungen wurden von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG) intensiv unterstützt durch zwei aufeinander folgende<br />
Schwerpunktprogramme (SPP) zur Förderung entsprechender Grundlagenuntersuchungen.<br />
Das erste DFG-SPP „Intermetallische Phasen als Basis für neue Strukturwerkstoffe“ (1985-<br />
1990) auf Initiative von Prof. H.-J. Engell/Max-Planck-Institut für Eisenforschung zielte auf<br />
grundlegende Untersuchungen verschiedener bisher zu wenig bekannter intermetallischer<br />
Phasen, deren Potenzial noch unklar war, und schloss die Titanaluminide ein. Das zweite<br />
DFG-SPP „Verformung und Bruch geordneter Mischkristalle“ (1992-1997) auf Initiative von<br />
Prof. P. Neumann/Max-Planck-Institut für Eisenforschung und Prof. H. Mecking/TU<br />
Hamburg-Harburg konzentrierte sich auf Untersuchungen der beiden Basis-Phasen der<br />
angelaufenen Entwicklungen, nämlich des Nickelaluminids NiAl einerseits und des<br />
Titanaluminids TiAl andererseits. Die Ergebnisse wurden jeweils in öffentlichen Symposien<br />
vorgestellt [15,16].<br />
Eine erste Gesamtdarstellung dieser breit gefächerten Aktivitäten im Bereich der<br />
intermetallischen Phasen erfolgte 1988 in Bad Nauheim mit dem Symposium<br />
„Intermetallische Phasen: Grundlagen - Einsatzmöglichkeiten - Herstellung“ der Deutschen<br />
Gesellschaft für Materialkunde (DGM) [17]. Angesprochen wurden die Grundlagen,<br />
Entwicklungen, Anwendungen und Perspektiven sowohl der Funktionswerkstoffe als auch der<br />
Konstruktionswerkstoffe auf der Basis der intermetallischen Phasen. Für den andauernden<br />
Informations- und Erfahrungsaustausch der Forscher, Entwickler und Anwender gründete die<br />
DGM 1990 den Fachausschuss „Intermetallische Phasen“, der sich dann regelmäßig zu<br />
jährlichen Sitzungen traf, um den jeweiligen Stand und die Perspektiven zu diskutieren.<br />
Wiederholt standen die Titanaluminide im Mittelpunkt der Sitzungen, zu denen immer alle an<br />
den Entwicklungen Interessierte eingeladen waren. Damit war neben den jährlichen<br />
Hauptversammlungen der DGM ein Forum für die intermetallischen Phasen geschaffen<br />
worden, das wesentlich zur Bündelung der verschiedenartigen Entwicklungsbemühungen<br />
beitrug.<br />
Rückblickend kann festgestellt werden, dass die in der vorliegenden Monographie<br />
dargestellten äußerst erfolgreichen Werkstoffentwicklungen auf der Basis der<br />
intermetallischen Titanaluminide ermöglicht wurde durch das überaus engagierte und<br />
vertrauensvolle Zusammenwirken der Grundlagenforscher, Werkstoffentwickler und<br />
Forschungsförderer in den beteiligten Institutionen. Dadurch gelang eine glückliche<br />
Kombination von Fördermöglichkeiten seitens des BMFT/BMBF und der DFG, die zu<br />
vergleichsweise schnellen Entwicklungsfortschritten mit vergleichsweise geringen Mitteln<br />
führte. Damit ist in Deutschland ein Stand erreicht worden, der sich durchaus mit dem in den<br />
USA oder Japan [18-21] vergleichen lässt, wo erheblich umfangreichere Programme mit sehr<br />
viel höheren Mitteln zur Verfügung standen.<br />
Zusammenfassend ist damit ein nachahmenswertes Beispiel für andere neue<br />
Werkstoffentwicklungen und deren Förderung gegeben.<br />
G. Sauthoff<br />
Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH<br />
Düsseldorf
Referenzen<br />
7<br />
1. G.Sauthoff, Intermetallics, 1. Aufl., Wiley-VCH, Weinheim (1995).<br />
2. G.Sauthoff, Intermetallics, in: Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry,<br />
Sixth Edition, 2001 Electronic Release, 6. Aufl., Wiley-VCH, Weinheim (2001)<br />
3. H.J.Grabke, G.Sauthoff, I.Jung, J.Peters und M.Rudy, Prüfung von Eisen-Nickel-<br />
Aluminium-Legierungen zur Anwendung bei hohen Temperaturen unter<br />
Zeitstandbedingungen in Atmosphären mit niedrigem Sauerstoffpotential, in:<br />
BMFT-Programm Eisen- und Stahlforschung und -technologie der Bundesregierung<br />
- Statusbericht 1984, Hrsg. R.Neumann, E.Seitz und H.J.von den Driesch, KFA-<br />
PLR, <strong>Jülich</strong> (1984) 651-658.<br />
4. M.Rudy und G.Sauthoff, Creep Behaviour of the Ordered Intermetallic<br />
(Fe,Ni)Al Phase, in: High-Temperature Ordered Intermetallic Alloys, Hrsg.<br />
C.C.Koch, C.T.Liu und N.S.Stoloff, MRS, Pittsburgh (1985) 327-333.<br />
5. Symposium Materialforschung 1988 des Bundesministers für Forschung und<br />
Technologie (BMFT), Hrsg. B.Vierkorn-Rudolph und D.Lillack, KFA-PLR, <strong>Jülich</strong><br />
(1988).<br />
6. 2. Symposium Materialforschung 1991 des Bundesministers für Forschung und<br />
Technologie (BMFT), Hrsg. B.Vierkorn-Rudolph, D.Lillack und H.-J.Clar, Verlag<br />
TÜV Rheinland, Köln (1991).<br />
7. Intermetallische Phasen als Strukturwerkstoffe für hohe Temperaturen (Beiträge<br />
zu einem Seminar der <strong>Projektträger</strong>schaft Material- und Rohstoffforschung<br />
(PLR)), Hrsg. F.J.Bremer, Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH, <strong>Jülich</strong> (1991).<br />
8. G.Sauthoff, Mechanical Properties of Intermetallics at High Temperatures, in:<br />
High-Temperature Aluminides and Intermetallics, Hrsg. S.H.Whang, C.T.Liu,<br />
D.P.Pope und J.O.Stiegler, TMS, Warrendale (1990) 329-352.<br />
9. G.Sauthoff, High Temperature Deformation and Creep Behaviour of BCC<br />
Based Intermetallics, in: Proceedings of the International Symposium on<br />
Intermetallic Compounds - Structure and Mechanical Properties - (JIMIS-6), Hrsg.<br />
O.Izumi, The Japan Institute of Metals, Sendai (1991) 371-378.<br />
10. G.Sauthoff, New Developments in Intermetallic Compounds in West Germany,<br />
in: Frontiers of Materials Research/Electronic and Optical Materials (C-MRS<br />
International '90, Beijing, Vol. 1), Hrsg. M.Kong und L.Huang, Elsevier Sci. Publ.,<br />
Amsterdam (1991) 17-24.<br />
11. G.Sauthoff, The High Temperature Deformation of Intermetallic Alloys, in:<br />
Structural Intermetallics, Hrsg. R.Darolia, J.J.Lewandowski, C.T.Liu, P.L.Martin,<br />
D.B.Miracle und M.V.Nathal, TMS, Warrendale (1993) 845-860.<br />
12. Ordered Intermetallics - Physical Metallurgy and Mechanical Behaviour (Proc.<br />
NATO Advanced Research Workshop 1991 at Kloster Irsee), Hrsg. C.T.Liu,<br />
R.W.Cahn und G.Sauthoff, Kluwer Acad. Publ., Dordrecht (1992).<br />
13. Gamma Titanium Aluminides: Processing, Properties, Physical Metallurgy<br />
(International Workshop at Kloster Irsee), Hrsg. R.Wagner, F.Appel und<br />
H.Mecking, 1994).<br />
14. Symposium Materialforschung - Neue Werkstoffe des Bundesministeriums für<br />
Forschung und Technologie (BMFT), Hrsg. U.Dahmen, I.Gilbert, D.Lillack und<br />
S.Runte, KFA-PLR, <strong>Jülich</strong> (1994).<br />
15. Intermetallische Phasen als Basis für neue Strukturwerkstoffe (Ergebnisse eines<br />
Schwerpunktprogrammes 1985 - 1990), Hrsg. J.Tobolski, DFG, Bonn (1992).<br />
16. P.Neumann und G.Sauthoff, Deformation and Fracture of Ordered Solid<br />
Solutions - Preface, Intermetallics, 7 (1999) 233-235.
8<br />
17. Proc. Symp. Intermetallische Phasen: Grundlagen - Einsatzmöglichkeiten -<br />
Herstellung (Bad Nauheim 24.-25-11-1988), Hrsg. G.Sauthoff, P.Eßlinger,<br />
H.Fischmeister, H.W.Grünling, H.Mecking, V.Schumacher, R.Wagner,<br />
H.Warlimont, H.Wever und P.Wincierz, DGM, Oberursel (1988).<br />
18. F.Appel und R.Wagner, Intermetallics: Titanium Aluminides, in: Encyclopedia of<br />
Materials: Science and Technology, Hrsg. K.H.J.Buschow, R.W.Cahn,<br />
M.C.Flemings, B.Ilschner, E.J.Kramer und S.Mahajan, Pergamon-Elsevier Science,<br />
Amsterdam (2001)<br />
19. Gamma Titanium Aluminides 1999, Hrsg. Y.-W.Kim, D.M.Dimiduk und<br />
M.H.Loretto, TMS, Warrendale/PA (1999).<br />
20. High-Temperature Ordered Intermetallic Alloys IX, Hrsg. J.H.Schneibel,<br />
K.J.Hemker, R.D.Noebe, S.Hanada und G.Sauthoff, MRS, Warrendale (2001).<br />
21. Structural Intermetallics 2001 (Proc. ISSI-3), Hrsg. K.J.Hemker, D.M.Dimiduk,<br />
H.Clemens, R.Darolia, H.Inui, J.M.Larsen, V.K.Sikka, M.Thomas und<br />
J.D.Whittenberger, TMS, Warrendale (2001).
1. TiAl – ein neuer Strukturwerkstoff für hohe Temperaturen<br />
1.1. Förderzeitraum 1983 bis 1990/1992:<br />
Grundlagenprojekte Intermetallische Phasen<br />
9<br />
Bis Ende der 70iger Jahre war es weltweit undenkbar, aus den harten, spröden und unbearbeitbaren<br />
intermetallischen Phasen, zu denen die Titanaluminide zählen, Bauteile herzustellen;<br />
sie waren bis zu dem Zeitpunkt immer nur Gegenstand breiter Grundlagenforschung. Anfang<br />
der 80iger Jahre wurde auf der Suche nach neuen Hochtemperaturwerkstoffen zuerst von<br />
den USA das weltweite Interesse an den intermetallischen Phasen geweckt. Bezüglich ihrer<br />
hohen Schmelztemperaturen, hohen Härten, niedrigen Dichten, sehr guten Korrosions- bzw.<br />
Oxidationseigenschaften und der thermodynamischen Stabilität bei hohen Temperaturen sind<br />
die intermetallischen Legierungen als Alternative zu den Nickel-Basis-Superlegierungen und<br />
Keramiken anzusehen.<br />
Das BMBF (früher BMFT: Bundesministerium für Forschung und Technologie) reagierte<br />
frühzeitig auf diesen Entwicklungstrend und förderte schwerpunktmäßig innerhalb des Materialforschungsprogrammes<br />
„Matfo“ von 1986 bis 1990 in einem breit angelegten Pilotprojekt<br />
im Bereich der Grundlagenforschung die Untersuchungen der intermetallischen Phasen:<br />
03M3002 - siehe Tabelle 1. Zu diesem frühen Zeitpunkt wurde bewusst die Industrie in die<br />
Forschungsprojekte mit eingebunden und es haben sich noch während dieser Laufzeit zwei<br />
neue Projekte, speziell zu den Titanaluminiden, herauskristallisiert, deren gezielte Förderung<br />
als notwendig erachtet wurde (03M3019 und 3020 in Tabelle1).<br />
An der Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass im Vorfeld dieser genannten Projekte<br />
das Leichtmetall-Forschungsinstitut der VAW AG Bonn damals vom BMFT von 1983 bis<br />
1985 in einem Einzelvorhaben zum Thema Titanaluminide gefördert worden ist. Es handelte<br />
sich um einen ersten Versuch, pulvermetallurgisch durch Reaktions-Sintern unter Druck,<br />
Homogenisieren und durch heißisostatisches Pressen Titanaluminide herstellen zu können.<br />
Am Ende sollte ein einfaches Bauteil, die Vorform einer Turbinenschaufel, entstehen.<br />
Tabelle 1: Grundlagenprojekte – Intermetallische Phasen<br />
Förderkennzeichen<br />
03ZG072A<br />
(Förderanteil des<br />
BMBF:<br />
0.193 T €)<br />
Projekte<br />
Pulvermetallurgische Herstellung<br />
und Untersuchung<br />
von Hochtemperatur-<br />
Leichtbauwerkstoffen auf<br />
der Basis der intermetallischen<br />
Verbindung TiAl<br />
(Laufzeit:<br />
01.01.1983 – 31.12.1985)<br />
Projektleiter<br />
(Federführer unterstrichen)<br />
G. Ibe, Hydro Aluminium D. Bonn
03M3002<br />
(Förderanteil des<br />
BMBF:<br />
5.578 T €)<br />
03M3019<br />
(Förderanteil des<br />
BMBF:<br />
1.099 T €)<br />
03M3020<br />
(Förderanteil des<br />
BMBF:<br />
0.796 T €)<br />
10<br />
Intermetallische Phasen<br />
(Werkstoffe zwischen Metall<br />
und Keramik – Untersuchungen<br />
der Grundlagen<br />
für die Entwicklung von<br />
Strukturwerkstoffen für<br />
hohe Beanspruchungen auf<br />
der Basis intermetallischer<br />
Phasen)<br />
(Laufzeit:<br />
01.03.1986 – 30.06.1990)<br />
Herstellung und Erprobung<br />
von Intermetallischen Phasen<br />
für hochbeanspruchte<br />
Triebwerkskomponenten<br />
(Laufzeit:<br />
01.04.1989 – 31.03.1992)<br />
Entwicklung und Aufbau<br />
einer Pilotverdüsungsanlage<br />
mit plasmabeheizter Skull-<br />
Melting-Technik zur Herstellung<br />
von Pulvern aus<br />
intermetallischen Titan-<br />
Basis-Legierungen (Pulververdüsungsanlage<br />
PIGA:<br />
Plasma Melting Induction<br />
Gas Atomization)<br />
(Laufzeit:<br />
01.05.1989 – 31.07.1991)<br />
H.-J. Engell, G. Sauthoff, G. Frommeyer,<br />
MPI Düsseldorf,<br />
H. W. Grünling, L. Singheiser, ABB<br />
Mannheim,<br />
E. Arzt, MPI Stuttgart,<br />
H. Finkler, Saarstahl Völklingen,<br />
H. Meinhardt, H.C.Starck Laufenburg,<br />
E. Lugscheider, RWTH Aachen,<br />
R. Wagner, GKSS Geesthacht,<br />
E. Schmid, Metallgesellschaft Frankfurt,<br />
W. Smarsly, MTU München,<br />
A. Rahmel, Dechema Frankfurt,<br />
G. Ibe, Hydro Aluminium D. Bonn<br />
W. Smarsly, MTU München<br />
R. Wagner, GKSS Geesthacht<br />
G. Frommeyer, MPI Düsseldorf<br />
R. Wagner, GKSS Geesthacht<br />
Im Förderzeitraum 1986 bis ca. 1990 sind mit Hilfe von schmelz- und pulvermetallurgischen<br />
Herstellungsmethoden neben den Titanaluminiden eine Vielzahl Phasen, wie in Tabelle 2<br />
dargestellt, erschmolzen, charakterisiert und entsprechende Basissysteme für weitere Werkstoffentwicklungen<br />
festgelegt worden. Aus Tabelle 2 wird vor allem das Potenzial der Titanaluminide<br />
für eine Entwicklung als Leichtbauwerkstoff aufgrund des Dichtevorteils deutlich.
Tabelle 2: Intermetallische Basissysteme<br />
Phase Dichte<br />
in g/cm 3<br />
Schmelzpunkt max. Anwendungs-<br />
in °C<br />
temperatur in °C<br />
TiAl 3,8 1480 950<br />
NiAl 5,8 1638 1250<br />
FeAl 5,6 1350 1050<br />
MoSi2 6,3 2030 1600<br />
TiSi2 4,1 1540 1100<br />
Mg2Si 2,0 1085 450<br />
11<br />
Um in einer Zwischenbilanz einen wissenschaftlichen Austausch der bis dahin erreichten Ergebnisse<br />
zu erzielen und damit eine zukünftige Konzeptfindung zu erleichtern, wurde am<br />
30./31.10.1990 in Hagen vom damaligen <strong>Projektträger</strong> PLR ein Statusseminar „Intermetallische<br />
Phasen“ durchgeführt, bei dem Werkstoffhersteller, Bauteilanwender und Forschungsinstitute<br />
vertreten waren /1/. Speziell zu den intermetallischen Phasen auf der Basis von Titanaluminiden<br />
wurde aus Sicht der Anwenderindustrie auf der Veranstaltung folgende Bilanz gezogen:<br />
- TiAl-Werkstoffe sind bis zu dem Zeitpunkt nur im Labormaßstab hergestellt worden<br />
(Erarbeitung einer Datenbasis physikalischer bzw. thermisch-mechanischer Eigenschaften<br />
und grundlegender Erkenntnisse über den Zusammenhang von Herstellparametern,<br />
Mikrostruktur und Eigenschaften). Es fehlten die für die geplante Anwendung<br />
notwendigen Daten für eine begründete und abgesicherte Beurteilung der sogenannten<br />
γ-TiAl-Legierungen.<br />
- Bezüglich der Legierungsentwicklungen wurde deutlich, dass nur über die Einstellung<br />
von mehrphasigen Legierungssystemen eine Eigenschaftsverbesserung (z.B. Kriecheigenschaften<br />
und Raumtemperaturduktilität) erzielt werden konnte. Das günstigste<br />
Verhältnis von Festigkeit und Duktilität zeigten zweiphasige γ-TiAl-Legierungen.<br />
- Die Herstellung von Halbzeugen und Bauteilen sowie die Prüfung der Verfahren zur<br />
industriellen und wirtschaftlichen Anwendung waren die definierten Ziele für die<br />
nächste Entwicklungsetappe.<br />
Die Ergebnisse aus dem Matfo-Pilotprojekt sind umfassend einer großen Klientel auf dem 2.<br />
Symposium Materialforschung vom 26. bis 29.8.1991 in Dresden vorgestellt worden /2/. Im<br />
Anschluss an dieses Verbundvorhaben ist der Start für mehrere Entwicklungen, u.a. auch die<br />
von Leichtbauwerkstoffen auf der Basis der leichten Phase TiAl, erfolgt. Da die Grundlagenuntersuchungen<br />
zu dem Zeitpunkt so erfolgreich verliefen, sind Nachfolgeprojekte unter starker<br />
Industriebeteiligung nebeneinander begonnen worden (TiAl-Projekte - beschrieben in<br />
nachfolgenden Abschnitten). Über deren Ergebnisse wurde später auf dem Symposium Materialforschung<br />
des BMBF 1994 in Würzburg /3/ ausführlich berichtet. Die auf beiden Symposien<br />
für das BMBF gezogenen Bilanzen zum Stand der Entwicklungen der „Intermetallischen<br />
Phasen“ fanden bei den Wissenschaftlern und Industrievertretern große Resonanz.<br />
Veröffentlichungen:<br />
/1/ Intermetallische Phasen als Strukturwerkstoff für hohe Temperaturen; Konferenzen des<br />
Forschungszentrums <strong>Jülich</strong>, Band 6/1991,<br />
/2/ 2. Symposium Materialforschung 1991 des BMFT, 26.-29. August 1991 in Dresden,<br />
Herausgeber PLR, FZ <strong>Jülich</strong>,<br />
/3/ Symposium Materialforschung – Neue Werkstoffe des BMFT, 02.-04. Nov. In Würzburg,<br />
Herausgeber PLR, FZ <strong>Jülich</strong>, ISBN 3-88135-286-4.
12<br />
1.2. Förderzeitraum 1990 bis 1994/1996<br />
Ab 1990 begann eine zweite Förderphase auf dem gesamten Gebiet der intermetallischen<br />
Phasen mit einem großen Entwicklungsschub insbesondere für die Titanaluminide. Im Mittelpunkt<br />
des industriellen Interesses standen in Deutschland die sogenannten γ-TiAl-<br />
Legierungen zur Herstellung von leichten, hochtemperaturbeständigen Blechen für die Luft-<br />
und Raumfahrtindustrie und zur Herstellung von Motoren- und Turbinenkomponenten für<br />
höhere Einsatztemperaturen.<br />
In diesen Jahren wurden außerdem, neben den TiAl-Projekten, Fördervorhaben zu den anderen<br />
in Tabelle 2 aufgeführten intermetallischen Basissystemen gestartet. Zur fachlichen Bewertung<br />
der laufenden Projekte ist 1990 vom <strong>Projektträger</strong> PTJ-NMT (damals PLR) ein Expertenkreis<br />
„Intermetallische Phasen“ benannt worden, der sich aus leitenden Vertretern<br />
der Industrie, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zusammensetzte. Die Aufgabe<br />
des Expertengremiums bestand darin, den fachlich und programmatisch erreichten Projektstatus<br />
zu bewerten. Dabei lieferte der Expertenkreis wichtige Erkenntnisse, die bei der<br />
weiteren Ausrichtung der Arbeiten in den einzelnen Projekten mit eingeflossen sind. Vor diesem<br />
Hintergrund fand von 1990 bis 1997 einmal im Jahr eine erweiterte Projektsitzung „Intermetallische<br />
Phasen“ mit Fortschrittsberichten zu den Einzelprojekten unter Teilnahme der<br />
Experten statt. Diese Veranstaltung mit anschließender Tagung des Expertenkreises wurde<br />
von den Herren Dr. Sauthoff (MPI Düsseldorf) und Prof. Wagner (früher Forschungszentrum<br />
GKSS Geesthacht, heute im Vorstand des Forschungszentrums <strong>Jülich</strong>) organisiert und<br />
geleitet.<br />
Dem Expertenkreis „Intermetallische Phasen“ gehörten folgende Personen an:<br />
- G. Matucha (Vorsitzender) Metallgesellschaft Frankfurt<br />
- H. W. Grünling bis 1992 ABB Mannheim<br />
- R. Bürgel (1992 – 1994), ab 1994 L. Singheiser ABB Heidelberg<br />
- P. Esslinger, ab 1992 W. Smarsly MTU München<br />
- H.-J. Engell, G. Sauthoff MPI Düsseldorf<br />
- E. Tank Daimler Benz Stuttgart<br />
- R. Wagner GKSS Geesthacht<br />
- H. Fischmeister, ab 1992 E. Arzt MPI Stuttgart<br />
Speziell zu den Titanaluminiden erfolgten in dem Förderzeitraum zu ausgewählten Einzelbauteilen<br />
gezielte Legierungsentwicklungen. In Forschungsverbünden sind in Zusammenarbeit<br />
mit der Industrie maßgeschneidert in Abhängigkeit von den Herstellungstechniken sogenannte<br />
-TiAl-Legierungen entwickelt worden, die im Laufe der Jahre in Konkurrenz zu den bei General<br />
Electric, Howmet, Pratt & Whitney u.a. Firmen in den USA, Europa und in Japan propagierten<br />
TiAl-Legierungen traten.<br />
Vom BMBF wurden die in den einzelnen Verbünden laufenden Arbeiten in diesem Förderzeitraum<br />
mit insgesamt 5,3 Mio. € unterstützt. Wie aus der Tabelle 3 ersichtlich, handelte es<br />
sich um Verbünde entlang der Wertschöpfungskette, d.h. es wurden Forschungsinstitute,<br />
Werkstoff- und Bauteilhersteller bzw. –anwender in die Projekte eingebunden.
Tabelle 3: Förderzeitraum 1990 bis 1994/1996:<br />
Herstellung von Einzelbauteilen aus Titanaluminiden<br />
Förderkennzeichen<br />
03M3029<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
0.971 T €)<br />
03M3032<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
2.045 T €)<br />
03M3030<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
1.074 T €)<br />
03M3053<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
1.227 T €)<br />
Projekte<br />
Herstellung und Er<br />
probung von Blechen<br />
und Folien aus Titanaluminiden<br />
(Laufzeit:<br />
01.07.1990 –<br />
30.06.1994)<br />
Motorenteile aus<br />
intermetallischer<br />
Verbindung TiAl<br />
(Laufzeit:<br />
01.09.1990 –<br />
31.12.1994)<br />
TiAl-<br />
Turbinenkomponenten<br />
(Laufzeit:<br />
01.07.1990 –<br />
30.06.1994)<br />
Entwicklung der pulvermetallurgischen<br />
Herstellung von Bauteilen<br />
auf Basis TiAl<br />
und deren Erprobung<br />
(Laufzeit:<br />
01.01.1993 –<br />
31.12.1996,<br />
(Metallgesellschaft:<br />
01.01.1993 –<br />
30.09.1995)<br />
13<br />
Projektleiter<br />
(Federführer unterstrichen)<br />
H. Kühnle, MBB München<br />
H. Clemens, Plansee Reutte<br />
U. Herold-Schmidt, Dornier Friedrichshf.<br />
S. Schwantes, D. Luftfahrt Friedrichshf.<br />
M. Dahms, GKSS Geesthacht<br />
C. Wurzwallner, Böhler Edelstahl<br />
Kapfenberg<br />
A. Bartels, H. Mecking, TU Hamburg-<br />
Harburg<br />
G. Frommeyer, MPI Düsseldorf<br />
E. Tank, S. Hurta, Daimler-Benz Stuttgart<br />
H.-P. Nicolai, TITAL Bestwig<br />
H. Sibum, DTG Essen<br />
R. Wagner, GKSS Geesthacht<br />
W. Smarsly, MTU München<br />
L. Singheiser, ABB Heidelberg<br />
C. Wurzwallner, Böhler-Edelstahl<br />
Kapfenberg<br />
H.-P. Nicolai, TITAL Bestwig<br />
(E. Schmid, Metallgesellschaft Frankfurt)<br />
B. Friedrich, V. Güther, GfE Nürnberg<br />
W. Smarsly, MTU München<br />
M. Schütze, DECHEMA Frankfurt<br />
H. Heegn, FIA Freiberg<br />
siehe<br />
Abschnitt<br />
1.2.1.<br />
1.2.2.<br />
1.2.3.<br />
1.2.4.
14<br />
Mit diesen geförderten Projekten (Tabelle 3) konnte gezeigt werden, dass der Feinguss als<br />
Verfahren zur TiAl-Bauteilherstellung prinzipiell geeignet ist und Festigkeiten, Oxidations-<br />
und Korrosionsbeständigkeit der entwickelten TiAl-Legierungen für Anwendungstemperaturen<br />
bis 700°C ausreichend sind. Einzelne Bauteile, z.B. eine Flugturbinenschaufel, sind hergestellt<br />
und getestet worden. Das Hauptproblem der Titanaluminide, geeignete Gefüge einzustellen,<br />
die sowohl hinsichtlich Kriechfestigkeit als auch Duktilität den Nickelbasis-<br />
Superlegierungen vergleichbar sind, konnte nicht bewältigt werden.<br />
Die in dem Zeitraum gelaufenen Entwicklungsarbeiten am TiAl-Blechmaterial waren auf die<br />
erfolgreiche Überwindung der prinzipiellen Hindernisse beim Umformen dieses neuen Werkstoffes<br />
gerichtet.<br />
In den folgenden Beiträgen sollen einerseits die schwierigen Anfänge der damaligen TiAl-<br />
Bauteilentwicklungen deutlich werden, andererseits aber auch den erfolgreichen Start dieser<br />
völlig neuen Werkstoffentwicklung in Deutschland aufzeigen.<br />
1.2.1. Walzen zur TiAl-Blechherstellung<br />
Autoren: H. Clemens, GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH; A. Bartels,<br />
TU Hamburg Harburg<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
- Messerschmitt-Bölkow-Blohm AG, München<br />
- Dornier GmbH, Friedrichshafen<br />
- Dornier Luftfahrt GmbH, Friedrichshafen<br />
- Böhler-Edelstahl GmbH, Kapfenberg (Österreich)<br />
- Metallwerke Plansee GmbH, Reutte (Österreich) und Lechbruck<br />
- GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
- TU Hamburg Harburg<br />
1.2.1.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
Ziel war es zu zeigen, dass die Herstellung von Blechen und Folien aus -TiAl-<br />
Basislegierungen im industriellen Maßstab möglich ist. Der Hintergrund dieses ehrgeizigen<br />
Vorhabens war das sogenannte "Sänger-Projekt". Für diesen wie ein Flugzeug operierenden<br />
Raumgleiter wurden TiAl-Bleche und Folien in bestimmten Abmessungen zum Bau von<br />
Strukturteilen und thermischen Schutzschilden benötigt, die weltweit nicht erhältlich waren.<br />
Des weiteren sollte der Walzprozess reproduzierbar sein und die Bleche bestimmte technologische<br />
und mechanische Eigenschaften aufweisen, z.B. superplastisches Verhalten bei hohen<br />
Temperaturen und eine plastische Mindestdehnung bei Raumtemperatur. Während der "Sänger"<br />
überwiegend aus Kostengründen nicht realisiert wurde, war das "TiAl-Blechprojekt"<br />
wissenschaftlich und technologisch äußerst erfolgreich und leitete für einige der industriellen<br />
Projektpartner den Einstieg in neue Märkte ein.<br />
1.2.1.2 Umsetzung und Ergebnisse<br />
Vor Beginn des Förderprojektes hatte es in Deutschland keine Aktivitäten bezüglich der Herstellung<br />
von TiAl-Blechen gegeben. Ebenso war die Herstellung eines geeigneten Vormaterials<br />
für den Walzprozess ungelöst.
15<br />
In den USA wurde in der Mitte der achtziger Jahre aus vergleichbaren Gründen (Stichwort:<br />
"Orient Express") wie in Deutschland eine Studie zum Walzen von -TiAl-Basislegierungen<br />
gestartet. In diesem amerikanischen Programm wurde das Umformen von -TiAl-<br />
Basislegierungen durch Walzen zum größten Teil im Labormaßstab durchgeführt. Um die<br />
notwendigen hohen Umformtemperaturen während des Walzprozesses aufrecht zu erhalten,<br />
wurde in den USA eine Verbundkapseltechnik ("Pack Rolling") benutzt. Als Vormaterial<br />
wurden gegossene bzw. gegossene und primärverformte TiAl-Legierungen verwendet. Die so<br />
hergestellten Bleche hatten aber nur geringe Abmessungen und eigneten sich daher nicht für<br />
eine systematische Untersuchung der Blechqualität oder gar zur Weiterverarbeitung zu testfähigen<br />
Komponenten. Diese grundlegenden Arbeiten haben aber gezeigt, dass unter Einhaltung<br />
von nahezu isothermen Walzverhältnissen und kleinen Walzgeschwindigkeiten die Herstellung<br />
von TiAl-Blechen möglich ist.<br />
Kobe Steel in Japan hat speziell für die Herstellung von Blechen und Folien aus -TiAl-<br />
Basislegierungen ein Isothermwalzwerk gebaut, um unter Argon-Atmosphäre gegossene Platten<br />
direkt und ungekapselt bei Temperaturen im Bereich von 1200°C mit extrem langsamen<br />
Umformgeschwindigkeiten (10 -3 – 10 -1 s -1 ) auszuwalzen. Die maximale Blechbreite ist aber<br />
auf 150 mm begrenzt.<br />
Im Folgenden wird ein Teil der Ergebnisse beschrieben, die im Rahmen des geförderten Verbundprojektes<br />
03M3029 – "Herstellung und Erprobung von Blechen und Folien aus Titan-<br />
Aluminiden" – erzielt wurden, wobei der Schwerpunkt auf die Herstellung von Blechen aus<br />
primärverformtem Gussmaterial im industriellen Maßstab gelegt wird. Als "Pilotlegierungen"<br />
wurden Ti-48Al-2Cr und Ti-47Al-2Cr-0.2Si (Angaben in Atomprozent) verwendet. Cr wurde<br />
wegen seiner duktilisierenden Wirkung zugesetzt. Bei höheren Temperaturen begünstigt Cr<br />
die superplastischen Eigenschaften. Si soll die Gießbarkeit verbessern und positiven Einfluss<br />
auf das Kriechverhalten haben. Im Rahmen des beschriebenen MatFo-Projektes konnte gezeigt<br />
werden, dass durch Verwendung einer modifizierten Verbundkapseltechnik das Walzen<br />
von TiAl-Blechen auf industriellen Warmwalzgerüsten möglich ist, wobei im Vergleich zu<br />
Isothermwalzwerken mit relativ hohen Walzgeschwindigkeiten gearbeitet wird.<br />
Vormaterialherstellung:<br />
(Schmelzen und Primärumformung)<br />
Das Erschmelzen im Lichtbogenofen und das Abgießen in einem Skull fand unter Vakuumbedingungen<br />
statt. Die dafür verwendete Rotel (Rotating Electrode)-Anlage wurde von der<br />
Firma Böhler Edelstahl (Kapfenberg, Österreich) für die oben angeführten TiAl-Legierungen<br />
adaptiert. Während des Schmelzvorganges wurden der Schmelze kontinuierlich Proben zur<br />
Analyse entnommen. Dadurch war eine äußerst genaue Einstellung der gewünschten Zusammensetzung<br />
möglich. Ein Vorteil der schmelzmetallurgischen Herstellungsroute gegenüber<br />
der pulvermetallurgischen Route war zu Beginn der neunziger Jahre der geringe Gehalt an<br />
interstitiellen Verunreinigungen im Gussblock. Der maximale O-Gehalt lag bei ca. 700 ppm<br />
und der N-Gehalt war kleiner als 300 ppm. Man muß an dieser Stelle aber anmerken, dass<br />
sich im Laufe der Jahre die Qualität der TiAl-Pulver deutlich verbessert hat und damit eine<br />
erfolgreiche Pulverroute zur TiAl-Blechherstellung entwickelt werden konnte. Hierzu hat<br />
besonders die Einführung der PIGA-Technologie im GKSS Forschungszentrum beigetragen.<br />
Die abgegossenen Ingots wogen bis zu 150 kg und der Durchmesser betrug ca. 190 mm. Das<br />
Gussgefüge bestand überwiegend aus lamellaren (-TiAl + 2-Ti3Al)-Dendriten, deren Größe<br />
bis zu einigen Millimetern betragen konnte. Wegen der peritektischen Erstarrung weist das
16<br />
Gussgefüge chemische Inhomogenitäten im Sinne interdendritischer Mikroseigerungen auf.<br />
Aus diesem Grund wurden die Gussblöcke vor der Primärumformung einer Homogenisierungsglühung<br />
im -Gebiet ausgesetzt.<br />
Die Primärverformung durch Schmieden hat den Zweck, das grobe Gussgefüge zu zerstören<br />
und dadurch für den Walzprozess ein homogenes, feinkörniges Ausgangsgefüge herzustellen.<br />
Zwar läßt sich auch unverformtes gegossenes Vormaterial walzen, nur weist das<br />
Blech extreme Gefügeinhomogenitäten auf, welche zu einer signifikanten Verschlechterung<br />
der mechanischen Eigenschaften führen. Das Schmieden auf industriellen Anlagen wurde bei<br />
Böhler durchgeführt, während parallel dazu grundlegende Untersuchungen zum thermomechanischen<br />
Processing vom Projektpartner TU Hamburg Harburg durchgeführt wurden.<br />
Durch diese Untersuchungen konnten wichtige Aussagen zur Festlegung des Schmiedefensters<br />
sowie zur Gefügeentwicklung gemacht werden.<br />
Für die Primärverformung bei Böhler wurden die Ingots mechanisch getrennt und in geeigneten<br />
Kapseln eingeschweißt. Die Verwendung einer Kapsel war notwendig, um während der<br />
Umformung quasi-isotherme Bedingungen aufrecht zu erhalten und den Ingot vor Oxidation<br />
zu schützen. Das Schmieden erfolgte im ()-Bereich des Phasendiagramms mit einer Umformgeschwindigkeit<br />
von ca. 1 s -1 . Diese Umformgeschwindigkeit ist sehr hoch im Vergleich<br />
zu den Umformgeschwindigkeiten, die bei isothermer Umformung verwendet werden. Sogenannte<br />
"Pancakes" mit einem Durchmesser bis zu 570 mm wurden einstufig geschmiedet. Die<br />
Umformgrade betrugen bis zu 85%.<br />
Nach dem Schmieden lag in der Mitte des Pancakes ein globulares "Near Gamma"-Gefüge<br />
vor. Die Größe der globularen Körner lag im Bereich von 10 – 15 µm. Da die Seigerungen im<br />
Gussblock durch die oben angeführte Homogenisierungsglühung nicht vollständig ausgeglichen<br />
wurden, konnten an manchen Stellen noch deutliche Gefügeinhomogenitäten nachgewiesen<br />
werden, wie z.B. streifenförmig angeordnete -TiAl-Körner, die aus dem ursprünglichen<br />
interdendritischen -TiAl entstehen.<br />
In Bereichen des Pancakes, wo ungünstige Verformungsbedingungen vorlagen, waren sogar<br />
Reste des ursprüglich lamellaren Gussgefüges wiederzufinden. Es hatte sich gezeigt, dass<br />
diese Gefügeinhomogenitäten während des Walzprozesses nur teilweise beseitigt wurden und<br />
sich dadurch negativ auf die mechanischen Eigenschaften der Bleche auswirkten. Durch einen<br />
mehrstufigen Schmiedeprozess konnte Böhler zwar die Homogenität des Gefüges deutlich<br />
verbessern, jedoch war der Aufwand wesentlich höher und resultierte in einer verringerten<br />
Pancakegröße.<br />
Walzen von TiAl-Blechen mittels Verbundkapseltechnik:<br />
Walzversuche, die in den USA aber auch beim Projektpartner TUHH im Labormaßstab<br />
durchgeführt wurden, hatten ergeben, dass für das Walzen von -TiAl-Basislegierungen die<br />
folgenden Bedingungen notwendig sind:<br />
- nahezu isotherme Verhältnisse bei hohen Walztemperaturen,<br />
- die Walzgeschwindigkeit sowie die Stichabnahmen müssen so gewählt werden, dass<br />
überkritische Umformgeschwindigkeiten vermieden werden, die als Folge durch Aufreißen<br />
der Korngrenzen zur makroskopischen Risseinleitung führen,<br />
- die Oxidation des Walzgutes muss verhindert werden.
17<br />
Diese Bedingungen führen in der Praxis zu einem sehr engen Verformungsfenster, in dem das<br />
Walzen von rissfreien Blechen möglich ist. Ein Verlassen dieses Verformungsfensters, etwa<br />
durch zu hohe Umformgeschwindigkeiten oder durch zu niedrige Temperaturen aufgrund zu<br />
großer Wärmeverluste, führt zu makroskopischer Rissbildung oder gar zum völligen Bruch<br />
des Bleches. Um die oben angeführten Bedingungen in einem weiten Bereich zu erfüllen,<br />
wurde im Rahmen des Förderprojektes eine Verbundkapsel entwickelt, die das Walzen unter<br />
quasi-isothermen Verhältnissen im ( + )-Bereich erlaubt und gleichzeitig das Walzgut vor<br />
Oxidation schützt. Mit diesem sogenannten "Pack Rolling"-Verfahren ist es im Jahre 1994<br />
gelungen, rissfreie Bleche mit Abmessungen von 760 x 300 x 1.5 mm³ herzustellen.<br />
Das Blechgefüge war sehr feinkörnig, und chemische Analysen haben belegt, dass es während<br />
des Walzprozesses zu keiner Aufnahme von interstitiellen Verunreinigungen gekommen ist.<br />
Obwohl die Zustellung der Kapseln per Hand erfolgte (schwer reproduzierbare Prozessführung)<br />
und die Wärmeverluste ab Blechlängen im Bereich von ca. 700 mm sehr kritisch waren,<br />
konnte gezeigt werden, dass die Herstellung von Blechen aus -TiAl-Basislegierungen auf<br />
industriellen Warmwalzgerüsten möglich ist.<br />
Mit den oben genannten Blechabmessungen ist es im Rahmen des Verbundprojektes<br />
03M3029 gelungen, die weltweit größten Bleche aus diesen schwer umformbaren Materialien<br />
herzustellen. Abbildung 1 fasst die Fortschritte in der Blechherstellung im Förderzeitraum<br />
zusammen.<br />
Fläche (cm 2 x 1000)<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Jan 92<br />
Apr 92<br />
Jul 92<br />
Okt 92<br />
Jan 93<br />
Apr 93<br />
Abb. 1: Fortschritte in der Blechherstellung im Förderzeitraum, dargestellt als<br />
Zunahme an Blechgröße<br />
Jul 93<br />
Okt 93<br />
Jan 94<br />
Apr 94<br />
Jul 94<br />
Okt 94
18<br />
Abb. 2: Von Dornier superplastisch umgeformte Ti-47Al-2Cr-0.2Si-Bleche<br />
An den erhaltenen Blechen wurde ein umfangreiches Untersuchungs- und Charakterisierungsprogramm<br />
durchgeführt. Röntgenographische Texturuntersuchungen haben ergeben,<br />
dass nach dem Walzprozess im TiAl-Blech eine modifizierte Würfellage vorliegt, die für die<br />
zum Teil erhebliche Anisotropie der mechanischen Eigenschaften verantwortlich ist. Neben<br />
der Charakterisierung des walzharten Gefüges wurde ein umfangreiches Wärmebehandlungsprogramm<br />
abgewickelt. Mit unterschiedlichen Wärmebehandlungen wurde versucht, das Gefüge<br />
und damit die mechanischen Eigenschaften in einem weiten Rahmen zu variieren. Die<br />
mechanischen Eigenschaften der Bleche aus Ti-48Al-2Cr und Ti-47Al-2Cr-0.2Si erfüllten<br />
zwar die geforderten Minimaleigenschaften, aber es wurde bereits während der Projektlaufzeit<br />
klar, dass auch für Blechwerkstoffe eine anwendungsorientierte Legierungsentwicklung erfolgen<br />
muss. Der Einsatz von -TiAl-Basislegierungen bei hohen Temperaturen wird entscheidend<br />
durch das Oxidationsverhalten und dessen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften<br />
bestimmt. Entsprechende Untersuchungen haben gezeigt, dass die beiden Pilotlegierungen<br />
nach einer Auslagerung an Luft bei Temperaturen > 700°C deutlich zur Versprödung bei<br />
Raumtemperatur neigten. Auch aus diesem Grund war die Forderung nach einer speziellen<br />
"TiAl-Blechlegierung" gerechtfertigt.<br />
Superplastische Umformung:<br />
Superplastische Umformung ist eine vielversprechende Methode, aus Blechmaterial kompliziert<br />
geformte Strukturen herzustellen. Die feinkörnigen Ti-48Al-2Cr- und Ti-47Al-2Cr-<br />
0.2Si-Bleche wurden im Zugversuch auf superplastisches Verhalten untersucht. Es stellte sich<br />
heraus, dass die TiAl-Bleche ein ausgeprägtes superplastisches Verhalten zeigten, was durch<br />
m-Werte im Bereich von 0.3 – 0.7 belegt wurde. So haben Zugversuche ergeben, die an Blechen<br />
mit einer Korngröße von ca. 10 µm durchgeführt wurden, dass bereits bei Temperaturen<br />
im Bereich von 950°C Dehnungen > 200% erreicht werden können. Dieser niedrige Temperaturbereich<br />
ist von Interesse, da die maximale Betriebstemperatur von superplastischen Umformanlagen,<br />
die z.B. auch für das Umformen von Blechen aus Ti-Legierungen verwendet<br />
werden, auf ca. 1000°C begrenzt ist. Nachdem klar war, dass die im Verbundprojekt herge-
19<br />
stellten Bleche wegen ihrer Feinkörnigkeit und der guten Gefügehomogenität superplastische<br />
Eigenschaften besitzen, wurden superplastische Umformversuche auf Laboranlagen sowie<br />
einer industriellen Anlage durchgeführt. Dass die Herstellung komplex geformter Teile möglich<br />
war – auch dieses Ergebnis war 1994 eine Weltneuheit – zeigt Abbildung 2.<br />
Im Rahmen des beschriebenen Verbundprojektes wurde auch die Eignung von Hochtemperaturlöten,<br />
Elektronen- und Laserstrahlschweißen als Fügetechniken für Bleche aus -TiAl-<br />
Basislegierungen untersucht. Obwohl diese Untersuchungen nur ein erstes Screening darstellten,<br />
konnte festgestellt werden, dass alle oben angeführten Techniken für TiAl-Bleche geeignet<br />
sind, wenn man den speziellen Eigenschaften dieser Werkstoffe Rechnung trägt (z.B.<br />
niedrige Bruchzähigkeit, hohe spröd-duktil-Übergangstemperatur, etc.).<br />
Reaktionspulvermetallurgie:<br />
Es soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass im Rahmen des Verbundprojektes auch ein<br />
zweiter Herstellungsweg für TiAl-Bleche und Folien geprüft wurde. Es handelte sich dabei<br />
um ein Verfahren aus der Reaktionspulvermetallurgie. Bei diesem Verfahren ging man von<br />
Elementarpulvern aus, die intensiv gemischt und danach unterhalb der Reaktionstemperatur<br />
zu Blechen und Folien ausgewalzt wurden. Anschließend erfolgte die exotherme Reaktion zur<br />
intermetallischen Phase unter Druck, um die Bildung von Kirkendall-Poren zu verhindern.<br />
Die im Labormaßstab durchgeführten Versuche hatten gezeigt, dass es bei der Reaktion zu<br />
Gefügeinhomogenitäten und Porenbildung kommt. Des weiteren kann während der Reaktionsphase<br />
eine massive Sauerstoffzunahme auftreten, die sich negativ auf die mechanischen<br />
Eigenschaften auswirkt. Obwohl es vielversprechende Ansätze gab, wie man diese Nachteile<br />
prozesstechnisch in den Griff bekommen könnte, wurde diese Technologie nach Projektende<br />
nicht mehr weiterverfolgt.<br />
Nur durch eine überaus intensive und konstruktive Zusammenarbeit aller Partner konnte das<br />
Verbundprojekt 03M3029 aus wissenschaftlicher und technologischer Sicht sehr erfolgreich<br />
abgeschlossen werden. Nachstehend sind noch einmal alle Projektpartner, die beteiligten Personen<br />
sowie deren Tätigkeiten aufgeführt:<br />
Beteiligte Personen Tätigkeiten<br />
Fr. Wurzwallner (Böhler Edelstahl)<br />
Clemens, Schretter, Glatz (Plansee)<br />
Kühnle, Winkler, Fr. Herold-Schmidt,<br />
Schwantes (MBB, Dornier)<br />
Bartels, Koeppe, Mecking (TU Hambug-Harburg)<br />
Dahms (GKSS)<br />
Guss, Primärverformung (Schmieden)<br />
Blechherstellung, Gefügeoptimierung, Umformversuche,<br />
mechanische Eigenschaften<br />
Fügetechnik, superplastische Umformversuche, Oxidationsversuche,<br />
mechanische Eigenschaften<br />
Grundlegende Versuche zum thermomechanischen Processing,<br />
Textur, Gefügeoptimierung, mechanische Eigenschaften<br />
Reaktionspulvermetallurgie
1.2.1.3. Perspektiven<br />
20<br />
Es soll an dieser Stelle nur der Weg des industriellen Projektpartners Plansee ab 1994 betrachtet<br />
werden. Die Plansee AG nahm mit der erarbeiteten Technologie und dem dabei entwickelten<br />
Materialverständnis noch an weiteren vom BMBF geförderten Projekten teil (siehe 1.3.2.<br />
und 1.3.5.). Mit der Einführung des "Advanced Sheet Rolling Process (ASRP)" im Jahre 1995<br />
konnte die Herstellung von TiAl-Blechen und die Reproduzierbarkeit des Walzprozesses<br />
deutlich verbessert werden. Blechgrößen mit Abmessungen bis zu 1800 x 500 x 1 mm³ können<br />
heute hergestellt werden.<br />
Auch auf dem Gebiet der Dünnblech- und Folientechnologie wurden deutliche Fortschritte<br />
erzielt. Plansee konnte sich in den letzten Jahren mit TiAl-Halbzeugen - aber auch kompletten<br />
Komponenten - erfolgreich im internationalen Markt etablieren und brachte sich in zahlreiche<br />
nationalen und internationale Technologieprogramme ein.<br />
Im Jahre 2000 wurde Plansee für die grundlegenden Arbeiten zur TiAl-Halbzeugherstellung<br />
und Bauteilfertigung - gemeinsam mit Pratt & Whitney, dem NASA Glenn Research Center<br />
und BFGoodrich - mit dem renommierten US - Technologiepreis, dem "R&D 100 Award",<br />
ausgezeichnet.<br />
1.2.1.4. Veröffentlichungen<br />
Während der Laufzeit des Verbundprojektes 03M3029 wurde eine Vielzahl an Artikeln in<br />
Fachzeitschriften und Tagungsbänden publiziert. Die folgende Auswahl beschreibt die Fortschritte<br />
der Blechherstellung und fasst die wichtigsten Ergebnisse der Materialcharakterisierung<br />
zusammen:<br />
K.Wurzwallner, H.Clemens, P.Schretter, A.Bartels, and C.Koeppe, "Forming of -<br />
TiAl Base Alloys", in: "High Temperature Ordered Intermetallic Alloys V", Vol. 288,<br />
eds. I.Baker, R.Darolia, J.D.Whittenberger, and M.H.Yoo, MRS 288 (1993) pp. 867-<br />
872.<br />
H.Clemens, P.Schretter, K.Wurzwallner, A.Bartels, and C.Koeppe, "Forging and Rolling<br />
of Ti48Al2Cr on Industrial Scale", "Structural Intermetallics", eds. R.Darolia,<br />
J.J.Lewandowski, C.T.Liu, P.L.Martin, D.B.Miracle, and M.V.Nathal, The Minerals,<br />
Metals & Materials Society, Warrendale/PA, USA (1993) pp. 205-214.<br />
H.Clemens, I.Rumberg, P.Schretter, and S.Schwantes, "Characterization of Ti-48Al-<br />
2Cr Sheet Material", Intermetallics 2 (1994) 179-184.<br />
C.Koeppe, A.Bartels, H.Clemens, P.Schretter, and W.Glatz, "Optimizing the Properties<br />
of TiAl Sheet Material for Application in Heat Protection Shields or Propulsion<br />
Systems", Materials Science and Engineering A201 (1995) 182-193.<br />
Eine Übersicht der Entwicklung nach 1994 gibt der folgende Artikel:<br />
H.Clemens and H.Kestler, “Processing and Applications of Intermetallic -TiAl Based<br />
Alloys”, Adv. Eng. Mater. 2 (2000) 551-570.
1.2.2. Feinguss für TiAl-Motorkomponenten<br />
Autor: H. Baur, DaimlerChrysler AG, Forschung und Technologie, Ulm<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
21<br />
- Tital-Feinguss GmbH, Bestwig<br />
- Deutsche Titan, Essen<br />
- Max-Planck Institut für Eisenforschung, Düsseldorf<br />
- DaimlerBenz AG, Stuttgart<br />
1.2.2.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
Die Konzeption moderner, umweltfreundlicher Antriebsaggregate in Kraftfahrzeugen erfordert<br />
in zunehmenden Maße auch den Einsatz von möglichst leichten, hochtemperaturbeständigen<br />
Werkstoffen. Insbesondere bis zu Temperaturen von 850°C weisen TiAl-Legierungen<br />
ein hohes Anwendungspotenzial für oszillierende und rotierende Bauteile auf.<br />
Die technische Bedeutung der intermetallischen Phasen -TiAl und 2-Ti3Al basiert auf den<br />
mit Keramiken vergleichbaren Dichten und einer ausreichend guten Hochtemperaturbeständigkeit.<br />
Neben den hohen spezifischen Festigkeiten und Elastizitätsmoduli ist die gute Oxidationsbeständigkeit<br />
vorteilhaft. Intermetallische TiAl-Legierungen auf der Basis von -TiAl<br />
weisen eine nachweisbare Duktilität von ca. 2% bei Raumtemperatur auf. Dieses Potenzial ist<br />
in Verbindung mit dem Wunsch nach der Anwendbarkeit von Bearbeitungstechniken, wie<br />
man sie von den Metallen her kennt, Ursache für zahlreiche Forschungsvorhaben, die Entwicklung<br />
leistungsfähiger Hochtemperaturwerkstoffe für Verbrennungsmotoren zum Ziel<br />
haben.<br />
Aus der Literatur ist bekannt, dass durch Zulegieren dritter Elemente wie Cr, Nb, Si, Mn, V,<br />
Mo, ... Gefüge eingestellt werden können, deren mechanische Eigenschaften im Vergleich zu<br />
den binären TiAl-Basislegierungen deutlich verbessert sind. Darüber hinaus werden die mechanischen<br />
Kenngrößen in hohem Maße von der Ausbildung der Mikrostruktur sowie der<br />
Korngröße beeinflußt. Das jeweilige Gefüge kann durch geeignete Herstellungstechnik bzw.<br />
entsprechende Wärmebehandlungen gezielt eingestellt werden.<br />
Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Motorenteile aus intermetallischer Verbindung TiAl“<br />
verfolgte die damalige Daimler-Benz Forschung die Zielsetzung, eine für die Anwendung in<br />
Antriebsaggregaten geeignete Legierung zu untersuchen, sowie erste Bauteile aus einer Legierung<br />
auf Basis TiAl/Ti3Al herzustellen. Als hochtemperaturbeanspruchte und bewegte Bauteile<br />
waren Abgasturbolader sowie Motorenauslaßventile von besonderem Interesse. Außerdem<br />
sollte in Analogie zu den Entwicklungen auf dem Gebiet der Siliziumnitridkeramiken das<br />
Einsatzpotenzial von TiAl für Tassenstößel, Ventilfederteller, Rollenschlepphebel und Kolbenbolzen<br />
untersucht werden.<br />
Neben der Herstellung von Bauteilprototypen und der einhergehenden Werkstoffcharakterisierung<br />
sollte die Entwicklung geeigneter Fertigungsverfahren mitgetragen werden. Außerdem<br />
waren bei Bedarf und für den jeweiligen Anwendungsfall auf den Werkstoff zugeschnittene<br />
Maßnahmen, beispielsweise zur Erhöhung des Verschleiß- und Oxidationswiderstandes,<br />
zu ergreifen.
22<br />
Der Schwerpunkt des Verbundprogrammes lag auf der Herstellung und Erprobung von Bauteilen<br />
aus Feinguss. Die in den Abbildungen 3 und 4 dargestellten Bauteile wurden im Verlauf<br />
des Projektes hergestellt und untersucht.<br />
Abb. 3 und 4: TiAl-Feingussbauteile für Verbrennungsmotoren mit Abgasturboladern<br />
1.2.2.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Im Verlaufe des Projektes wurden verschieden Legierungszusammensetzungen untersucht<br />
und unter anderem folgende Legierungen werkstoffkundlich näher betrachtet:<br />
- Ti-44,5Al-1,2Cr-0,19Si<br />
- Ti-45Al-3Cr<br />
- Ti-46Al-1,4Cr-0,8Nb-0,14Si<br />
- Ti-46Al-1,2Cr<br />
- Ti-46Al-1Cr-0,2Si<br />
- Ti-47Al-1Cr-0,2Si<br />
- Ti-47Al-1,7Mn<br />
- Ti-48Al-2Cr<br />
- Ti-48Al-2Cr-2Nb.<br />
An den Legierungen sind eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt worden – beispielsweise<br />
Gefügecharakterisierungen, Ermittlung der mechanischen Eigenschaften (Zug-,<br />
Umlaufbiege-, Kerbschlagbiege-, Zeitstand-, Oxidations- und Thermoschockuntersuchungen),<br />
sowie Fraktographie-Untersuchungen. Im Laufe des Projektes wurde die Notwendigkeit für<br />
zusätzliche Schutzmaßnahmen gegenüber Verschleiß und Oxidation an kritischen Stellen der<br />
Bauteile erkannt. In der Folge sind verschiedene Oberflächenbehandlungsverfahren verwendet<br />
und bewertet worden: Glatt- und Festwalzen, Beschichtung mit Hartstoffloten, Aufschweißverfahren<br />
(WIG-Umschmelzungen mit und ohne Hartstoffe), Laserlegieren und Nitrieren.<br />
Für die Herstellung eines Bauteils aus dem Rohteil wurden entsprechende Verbindungstechniken<br />
betrachtet: Reibschweißverbindungen, Löten, Schraubenverbindungen, WIG-<br />
und EB-Schweißung. Verschiedene Bearbeitungstechniken – wie Drahterodieren, spanabhebende<br />
Bearbeitung, Trennen, Schleifen und Polieren – sind für eine anschließende Bauteilherstellung<br />
eingesetzt worden.
23<br />
Die Bauteilherstellung erfolgte in Zusammenarbeit mit den Partnern. Bei Daimler-Benz wurden<br />
die Bauteile endbearbeitet. Die Bauteilerprobung erfolgte schwerpunktmäßig mit den<br />
TiAl-Auslassventilen. Dabei sind zu Beginn Ventile aus der Legierung Ti-48Al-2Cr in einem<br />
fremdgesteuerten Zylinderkopf getestet worden. Da die Ventile am Schaftende nach einer<br />
Laufzeit von 85 h Verschleißerscheinungen aufwiesen, wurden die oben genannten Oberflächenbehandlungen<br />
für einen erhöhten Verschleißschutz an den Auslaß-Ventilen durchgeführt.<br />
Die getesteten Ventile wurden teilweise repariert und zusammen mit neuen TiAl-Ventilen und<br />
Feingussventiltellern in einen M104-Motor (6 Zylinder) eingebaut und in einem 10-Punkte-<br />
Motortest erprobt. Bei dieser Lebensdauer-Erprobung sind während eines 30-minütigen Zyklus<br />
jeweils die Drehzahl und Motorbelastung variiert worden, so dass alle möglichen Belastungsarten<br />
vorkamen. Die Gesamtdauer des Versuches betrug 113 h. Die Ventile wurden nach<br />
dem Versuch auf Verschleißerscheinungen hin untersucht. Dabei zeigte sich ein ausreichender<br />
Verschleißschutz durch Verwendung von Hartstoffloten und WIG-Umschmelzschichten mit<br />
Zusätzen am Schaftende und am Ventilsitz.<br />
In einem zweiten Motorenversuch wurden weitere Ti-48Al-2Cr- Ventile mit Lotauflage bis zu<br />
553 h erfolgreich getestet. Der dritte Prüfstandslauf ist an einem M111-Motor (4-Zylinder)<br />
durchgeführt worden und zeigte eine Verschleiß- und Thermoschockproblematik der TiAl-<br />
Ventile an (verwendete Legierung Ti-48Al-2Cr-2Nb). Die nicht beschädigten Ventile wurden<br />
in einer Testpause verschleißschutzbeschichtet und wieder eingebaut. Danach traten keine<br />
wesentliche Verschleißprobleme mehr auf.<br />
Bild 5: TiAl-Auslassventile eines 6-Zylindermotors (M104) nach 553 h<br />
im 10-Punkte-Dauerlaufprogramm<br />
Neben Auslassventilen (Abbildung 5) wurden auch TiAl-Feingusspleuel erprobt. Dabei sind<br />
Pleueldeckel für 808 h in einem 6 Zylindermotor (M104) getestet worden. Zusätzlich wurden<br />
mit einer speziellen Prüfvorrichtung an einem Hydropulser die Originalpleuelgewinde aus der<br />
Legierung Ti-46Al-1,5Cr-0,9Nb-0,1Si getestet, wobei nach 100 Mio. Lastwechseln mit einer<br />
motorengleichen Beanspruchung keine Veränderungen am Bauteil festgestellt wurden. Somit<br />
konnte gezeigt werden, dass eine Pleuelstange mit Direktverschraubung wie bei Stahl auch<br />
bei Werkstoffen aus TiAl realisierbar ist.
24<br />
Bei den Kolbenbolzen aus TiAl (Ti-45Al-3Cr) wurden zur Ermittlung der mechanischen Eigenschaften<br />
die elastische Durchbiegung und Ovalisierung geprüft. Es zeigte sich, dass auch<br />
TiAl-Kolbenbolzen, vergleichbar mit Stahlkolbenbolzen, eine Bohrung aufweisen müssen, da<br />
sich eine zu hohe Steifigkeit negativ auf den Verschleiß am Kolben auswirkt.<br />
Feingegossene Turboladerräder (Ti-48Al-2Cr) in ungeHIPtem Zustand mit 89 bzw. 90 mm<br />
Durchmesser wurden anhand 4 durchgeführter Schleudertests geprüft. Zwei der gestesteten<br />
TiAl-Räder sind an Schleuderzapfen angelötet und für die Tests entsprechend ausgewuchtet<br />
worden. Alternativ wurden die anderen Räder an die Schleuderwellen reibverschweißt und für<br />
die Tests vorbereitet. Die maximalen Bruchdrehzahlen im Schleudertest betrugen 121000<br />
U/min bzw. 139000 U/min und erreichten somit Bruchspannungen von bis zu 355 MPa. Die<br />
entsprechenden ATL-Räder aus Inconel713 erreichten im Einsatz maximal 100000 U/min, so<br />
dass diese Versuche positiv bewertet werden konnten. Weitere Versuche wurden jedoch nicht<br />
durchgeführt, so dass keine Ergebnisse von den reibgeschweißten Rädern ermittelt wurden.<br />
Bewertung des Vorhabens:<br />
Im Rahmen des Verbundvorhabens wurden verschiedene TiAl-Legierungszusammensetzungen<br />
und Herstellungswege im Hinblick auf die Einsatzfähigkeit für diverse Motorenbauteile<br />
wie Auslassventile, Abgasturboladerräder, Rollenschlepphebel, Tassenstößel und<br />
Pleuel betrachtet.<br />
Die Untersuchungen der mechanischen Eigenschaften zeigten, dass die jeweiligen Kennwerte<br />
in hohem Maße vom Gefüge und der Mikrostruktur aber weniger durch die Legierungszusammensetzung<br />
beeinflußt wurden. Ein ganz entscheidender Punkt war die Homogenität des<br />
Materials, da sich stark variierende Korngrößen oder Lunker bzw. Einschlüsse negativ auf<br />
die mechanischen Eigenschaften auswirkten. Im Hinblick auf die Zugfestigkeiten sowie die<br />
Biegewechselfestigkeiten erwies sich ein feines Korn als vorteilhaft. Untersuchungen zum<br />
Oxidationsverhalten zeigten, dass das Material problemlos bis zu Temperaturen von 800°C<br />
einsetzbar war, für höhere Temperaturen konnten Hartstofflote als Oxidationsschutzschicht<br />
eingesetzt werden.<br />
Bei der Bauteilerprobung wurden schwerpunktmäßig Auslassventile, aber auch Ventilfederteller,<br />
Pleueldeckel und Turboladerräder verwendet. In ersten Dauerlauferprobungen im Prüfstand<br />
konnte gezeigt werden, dass Titanaluminide als Material für Auslassventile eingesetzt<br />
werden können. Es zeigte sich jedoch, dass insbesondere am Schaftende der Ventile möglicherweise<br />
auch im Bereich des Ventilsitzes das Aufbringen von Verschleißschutzschichten<br />
erforderlich war. Hierfür konnten beispielsweise Lote verwendet werden. Alternativ konnte<br />
eine ausreichende Aufhärtung des Materials durch einen Umschmelzprozess mit oder ohne<br />
Zusatzwerkstoffe realisiert werden. Auch hier hatte sich das WIG-Verfahren bewährt, wohingegen<br />
beispielsweise beim Umschmelzen mittels Laser die Gefahr einer Rissbildung infolge<br />
thermischer Spannungen deutlich erhöht wurde.<br />
Die Anwendbarkeit zweier Verfahren zur Verschleißschutzerhöhung durfte aber nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, dass in dieser Hinsicht, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung kostengünstiger<br />
Verschleißschutzschichten, noch erhebliche Optimierungsarbeit in den kommenden<br />
Jahren zu leisten war.<br />
Entsprechendes galt für die Thermorissanfälligkeit des Materials, die insbesondere bei einer<br />
Präsenz von Gefügeinhomogenitäten deutlich erhöht war. Weiter gehende Untersuchungen
25<br />
mussten in diesem Zusammenhang erfolgen, da gute Materialqualitäten, d.h. optimale Gefügestrukturen<br />
nur unter Miteinbeziehung des Processing und entsprechender Wärmebehandlungen<br />
realisiert werden konnten.<br />
Die Ergebnisse machten deutlich, dass die Titanaluminide im Bereich der rotierenden und<br />
oszillierenden Bauteile ein besonders hohes Potenzial für den Einsatz als Ventil aufweisen. Im<br />
Vergleich zu den keramischen Werkstoffen war zwar die Entwicklung der TiAl-Ventile noch<br />
nicht so weit fortgeschritten, doch zeigte das Material mit seiner vergleichbaren Dichte aufgrund<br />
der Duktilität bei Anwendungstemperatur vielversprechende Ansätze für einen zukünftigen<br />
Konstruktionswerkstoff eines Leichtbaumotors.<br />
1.2.2.3. Perspektiven<br />
Die TiAl-Werkstoffentwicklung auf dem Gebiet der Turboladerräder wurde im Anschluss<br />
nicht weiterverfolgt, da bei der Daimler-Benz AG die Entwicklung von Abgasturboladern<br />
eingestellt wurde. Die positiven Ergebnisse der TiAl-Ventilentwicklung führten zu weiteren<br />
Aktivitäten, die sich aber hauptsächlich in Richtung höherfestem TiAl konzentrierten. Aufgrund<br />
dieser Vorgabe wurde 1995 ein Verbundprojekt mit der Zielsetzung, TiAl-Ventile<br />
durch einen thermomechanischen Umformprozess herzustellen, gestartet. Dabei sollte dieser<br />
Herstellungsprozess möglichst identisch mit dem der heutigen Serienventilherstellung sein,<br />
um Prozesskosten und Großserienfähigkeit optimieren zu können. Die Ergebnisse dieser Ti-<br />
Al-Aktivitäten sind im Kapitel 1.3.2. des Förderzeitraums 1995 bis 1999 näher ausgeführt.<br />
DaimlerChrysler beteiligte sich des weiteren an einem Verbundprojekt zur Entwicklung, Erprobung<br />
und Herstellung einer gebauten TiAl-Hohlschaufel aus gewalzten Blechen. Dabei<br />
übernahm DaimlerChrysler schwerpunktmäßig die Werkstoffcharakterisierung der gewalzten<br />
TiAl-Bleche. Dieses Projekt wurde federführend von der Konzerntochter MTU München geleitet.<br />
Der Ausbau einer einsatzrelevanten Werkstoffdatenbank war ein wesentlicher Bestandteil<br />
für die Bewertung der Einsatzfähigkeit von TiAl in zukünftigen Triebwerken.<br />
1.2.3.4. Veröffentlichungen<br />
G. Frommeyer, E. Tank, M. Rommerskirchen, H. Sibum, H.-P. Nicolai: „Development<br />
and State of the Art of Intermetallic TiAl/Ti3Al Alloys for Motor Components“,<br />
Proc. Intern. Symp. on Automotive Technology and Automation (ISATA); Aachen<br />
1993<br />
E. Tank, W. Kleinekathöfer; “Hochbelastbare, beschichtete Bauteile aus einem Werkstoff<br />
der aus der intermetallischen Phase Titan-Aluminid besteht”; German Patent No.<br />
DE42 03 869 C2, 1994<br />
H. Hurta, H. Clemens, G. Frommeyer, H.-P. Nicolai, H. Sibum: “Valves of Intermetallic<br />
-TiAl-Based Alloys: Processing and Properties”; Proc. of 8 th World Conference on<br />
Titanium, Birmingham, 1995.
1.2.3. Feinguss für TiAl-Flugturbinenschaufeln<br />
Autoren: F. Appel, M. Oehring, GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
- ABB-Asea Brown Boveri, Corporate Research Center, Heidelberg<br />
- Böhler-Edelstahl GmbH, Kapfenberg, Österreich<br />
- GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH, Geesthacht<br />
- KFA Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH, <strong>Jülich</strong><br />
- MTU-Motoren- und Turbinen-Union München GmbH, München<br />
- TITAL-Feinguss GmbH, Bestwig.<br />
1.2.3.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
26<br />
Das Projekt wurde zu einem Zeitpunkt begonnen, als die Kenntnisse über die Herstellung und<br />
die Eigenschaften von Titanaluminiden noch sehr lückenhaft waren. Das Projekt war deshalb<br />
auf eine genaue Abschätzung des Entwicklungs- und Innovationspotenzials dieses neuen<br />
Werkstoffs gerichtet. Hierzu mussten geeignete Herstellungsverfahren entwickelt und an vorhandenen<br />
Industrieanlagen erprobt werden. Die endgültige Bewertung wurde an Laufschaufeln<br />
für Flugzeugturbinen durchgeführt, bei denen der Werkstoff einer besonders kritischen<br />
Prüfung ausgesetzt wurde. Dazu wurden die folgenden Zielstellungen vereinbart:<br />
- Entwicklung eines Herstellungsverfahrens für die Fertigung von Prüfkörpern und<br />
Laufschaufeln für Flugzeugturbinen,<br />
- Erprobung einer Schmiedetechnologie,<br />
- Identifizierung von geeigneten Legierungszusammensetzungen,<br />
- Mechanische Tests zur Charakterisierung der Festigkeitseigenschaften hinsichtlich<br />
Fließspannung, Kriechen, Bruchzähigkeit und Ermüdung,<br />
- Aufklärung von Versagensmechanismen,<br />
- Charakterisierung des Oxidations- und Korrosionsverhaltens,<br />
- Durchführung von ersten Bauteiltests.<br />
Vorgehensweise:<br />
Die Bearbeitung der Aufgabenstellungen erfolgte nach dem in Abbildung 6 dargestellten Organigramm.<br />
Der Einfluss unterschiedlicher Legierungselemente wurde zunächst an einer großen<br />
Zahl von im Labormaßstab geschmolzenen Legierungen untersucht, deren Gefüge und<br />
Festigkeitseigenschaften charakterisiert wurden. Diese Arbeiten richteten sich insbesondere<br />
auf die Einflüsse von Cr, Mn, Si, und B. Hierbei konnten umfangreiche empirische Erfahrungen<br />
gewonnen werden, die für die weitere Legierungsentwicklung sehr wichtig waren.<br />
Abbildung 7 demonstriert beispielsweise anhand einer Legierungsreihe auf der Basis Ti-48<br />
Al-2 Cr (At.%) die durch Borzusätze an Gusslegierungen erreichbare Gefügefeinung. Wie<br />
Abbildung 7 (b) zeigt, läßt sich ab Borgehalten von 0.2 At.% die Festigkeit der Legierungen<br />
signifikant steigern, wobei die Gefügefeinung auch eine Erhöhung der Duktilität bewirkt. Die<br />
durch das Legieren von Bor vorliegende Dispersion von Boriden bewirkt neben der Kornfeinung<br />
in Gussgefügen auch eine Ausscheidungshärtung der Legierungen, die bis zu hohen<br />
Temperaturen wirksam bleibt. Da zu hohe Volumenanteile an Boriden versprödend wirken,<br />
muß der Borgehalt sorgfältig auf die weiteren Legierungselemente abgestimmt werden.
27<br />
Durch diese Entwicklungsarbeiten konnte die Zusammensetzung (in At.%) der sogenannten<br />
-TAB-Legierung: Ti-47Al-3,7 (Cr, Mn, Nb, Si)-0,5B, festgelegt werden, die als TiAl-<br />
Legierung der 2. Generation eingeordnet werden kann. Aus der -TAB-Legierung wurden<br />
Ingots von 160 kg Gewicht durch Vakuum-Lichtbogenschmelzen hergestellt. Aus diesen Ingots<br />
wurden durch ein für konventionelle Titanlegierungen gebräuchliches Schleudergussverfahren<br />
Prüfkörper und die bereits erwähnten Turbinenschaufeln gefertigt. Hierzu mussten bei<br />
der Firma TITAL umfangreiche Entwicklungen für die Herstellung von geeigneten Keramik-<br />
Formschalen durchgeführt werden.<br />
Die Gussköper wurden dann meist heiß-isostatisch verdichtet, verschiedenen Wärmebehandlungen<br />
unterzogen und hinsichtlich der Gefüge und der mechanischen Eigenschaften charakterisiert.<br />
Die Werkstoffe wurden außerdem auf ihre Beständigkeit gegenüber Thermoschocks,<br />
Oxidation und Korrosion untersucht.<br />
Abb.<br />
6: Arbeitsaufgaben und Kooperationen der Projektpartner
28<br />
Parallel zu dieser Gusslegierungsentwicklung wurden orientierende Untersuchungen zur Um-<br />
formung<br />
durch gekapseltes Schmieden durchgeführt. Obwohl bei diesen Experimenten recht<br />
hohe Umformgrade erreicht werden konnten, waren die damit eingestellten Gefüge doch sehr<br />
inhomogen, was vermutlich eine Folge der in der verfügbaren Presse sehr schlecht definierten<br />
Temperaturverhältnisse war.<br />
Abb. 7: Untersuchungen zur Wirkung von Borzusätzen an Modell-Legierungen auf der<br />
Basis Ti-48 Al- Cr (At.%):<br />
(a) Lichtmikroskopische Aufnahmen der an Gussproben erreichten Gefügefeinung.<br />
(b) in Kompression gemessene Fließspannung am Verformungsbeginn in Abhängigkeit<br />
vom Borgehalt.<br />
1.2.3.2.<br />
Umsetzung und Ergebnisse<br />
Bei<br />
der Herstellung der Primärgussblöcke konnte die Sollzusammensetzung zufriedenstellend<br />
eingehalten werden, allerdings ergaben sich verschiedentlich Probleme durch eine zu hohe<br />
Sauerstoffkontamination.<br />
Durch das Feingussverfahren konnten die teilweise sehr filigranen<br />
Bauteilgeometrien gut abgebildet werden, wie dies aus Abbildung 8 ersichtlich ist.
29<br />
TiAl-Legierungen weisen gegenüber konventionellen Titanlegierungen jedoch ein deutlich<br />
schlechteres Formfüllungsvermögen auf, wodurch die Herstellung von größeren Gusstrauben<br />
oder<br />
langen und dünnen Bauteilen stark erschwert wird. Die Gussteile wiesen oftmals eine<br />
erhebliche Porosität auf, die auch durch heiß-isostatisches Verdichten nicht geschlossen werden<br />
konnte. Hierdurch war die Ausschussrate bei Feingussbauteilen relativ hoch; es muss allerdings<br />
festgestellt werden, dass diese Probleme auch bei anderen Herstellern (z.B. in den<br />
USA) auftraten und bis heute nicht zufriedenstellend gelöst worden sind.<br />
Die bei konventionellen Titanwerkstoffen angewendeten Feingusstechnologien können daher<br />
nicht direkt auf Titanaluminid-Werkstoffe übertragen werden, sondern es müssen vermutlich<br />
neue<br />
Verfahren entwickelt werden.<br />
Abb.<br />
8: Durch Schleuderguss hergestellte Laufschaufeln für ein Flugtriebwerk (a) und<br />
eine stationäre Gasturbine (b)<br />
Die -TAB-Legierung wurde neben anderen<br />
Legierungsvarianten im Feingusszustand um-<br />
fangreichen<br />
mechanischen Tests unterzogen, die zusammenfassend in [1] dargestellt wurden.<br />
An<br />
gleicher Stelle ist auch das Oxidations- und Korrosionsverhalten beschrieben. Nach heiß-<br />
isostatischem<br />
Verdichten können an der -TAB-Legierung abhängig von der weiteren Wär-<br />
mebehandlung Streckgrenzen von 450 - 600 MPa bei Raumtemperatur erreicht werden, wobei<br />
die plastischen Zugdehnungen etwa 1 - 2% betragen.<br />
In der -TAB-Legierung können auch im Feingusszustand relativ feine und gut konsolidierte<br />
Gefüge eingestellt werden, was sich durch eine gute Reproduzierbarkeit der Festigkeitsdaten<br />
manifestiert. Dies ist in Abbildung 9 durch eine Weibull-Darstellung<br />
demonstriert, in der die<br />
Versagenswahrscheinlichkeiten<br />
verschiedener TiAl-Legierungen gegenübergestellt sind.<br />
Zur Aufklärung dieser für die Anwendung von Gussbauteilen sehr wichtigen Unterschiede<br />
wurden umfangreiche Grundlagenuntersuchungen [2, 3] durchgeführt. Danach neigen TiAl-<br />
Legierungen zu Spaltbrüchen auf {111}-Ebenen. Da diese Ebenen gleichzeitig die Gleitebe<br />
nen<br />
und Zwillings-Habitusebenen sind, kann die Blockierung von Verformungsprozessen sehr<br />
leicht zum Materialversagen führen.
30<br />
Abb. 9: Weibull-Darstellung der Spannungsintensitätsfaktoren K1c verschiedener<br />
TiAl-Legierungen, (1-F) Versagenswahrscheinlichkeit, T = 25 °C, Verformungs-<br />
geschwindigkeit<br />
vm = 0,01 mm/min:<br />
- Ti-48Al-2Cr, nahezu lamellare Struktur mit Vorzugsorientierung der Lamellen,<br />
Rissausbreitung parallel zu den Lamellengrenzflächen,<br />
- Ti-48Al-2Cr, nahezu lamellare Struktur mit Vorzugsorientierung der Lamellen,<br />
Rissausbreitung senkrecht zu den Lamellengrenzflächen,<br />
- ● T-47Al-3,7(Cr, Nb, Mn, Si)-0,5B, -TAB, Duplex-Struktur, 20% -Körner,<br />
- ■ T-47Al-3,7(Cr, Nb, Mn, Si)-0,5B, -TAB, Duplex-Struktur, 80% -Körner.<br />
Abbildung 10 demonstriert die Rissausbreitung in der lamellaren<br />
Struktur durch eine elektronenmikroskopische<br />
Aufnahme. Der Riss hat sich innerhalb der Lamellen auf {111}-Ebenen<br />
bewegt und wurde an den Lamellengrenzen entsprechen der Orientierungsänderung<br />
dieser<br />
Ebene n abgelenkt und schließlich an einer Grenzfläche immobilisiert. An der Riss-Spitze<br />
wurde n Verformungszwillinge und Versetzungen emittiert. Durch diese Prozesse wird<br />
insge-<br />
samt<br />
die Rissausbreitung quer zu den Lamellengrenzflächen stark behindert. Risse, die sich<br />
parallel<br />
zu den Grenzflächen ausbreiten, werden dagegen kaum behindert und können daher<br />
sehr schnell eine kritische Größe erreichen.<br />
Diese Beobachtungen erklären die starke Anisotropie der Bruchzähigkeit in lamellaren Gefügen<br />
und weisen darauf hin, dass größere lamellare Kolonien mit zur Belastungsrichtung ungünstig<br />
orientierten Lamellen sehr leicht zum Materialversagen führen können. Diese großen<br />
Kolonien lassen sich insbesondere in größeren Gussbauteilen kaum vermeiden. Die daraus<br />
resultierende Variation der Festigkeitswerte muss daher bei der Dimensionierung von Bauteilen<br />
durch entsprechende Sicherheitsfaktoren<br />
berücksichtigt werden.
31<br />
Abb. 10: Rissausbreitung in lamellaren Titanaluminid-Legierungen:<br />
Der Riss hat sich innerhalb der Lamellen<br />
auf {111}- Ebenen ausgebreitet und wurde<br />
an den Grenzflächen entsprechend der Orientierungsänderung dieser Ebenen abge<br />
lenkt und schließlich an der Grenzfläche<br />
1/2 immobilisiert. Die an der Riss-Spitze<br />
auftretende Spannungskonzentration wird graduell durch die Emission von Verformungszwillingen<br />
und Versetzungen (Stellen 2 und 3) abgeschirmt.<br />
1.2.3.3. Perspektiven<br />
Durch das Projekt wurde innerhalb einer sehr kurzen Zeit ein hoher Entwicklungsstand hin-<br />
sichtlich<br />
des Legierungsdesigns und der Technologie von Feingussverfahren erreicht. Dies<br />
manifestiert<br />
sich in dem ermittelten Satz an Gebrauchsdaten sowie insbesondere in einem<br />
erfolgreich verlaufenen Schleudertest, der bei der MTU München an einer Feinguss-Schaufel<br />
bei<br />
700 °C und 16.000 U/min durchgeführt wurde [4].<br />
Damit sind zum einen die Eignung der -Titanaluminid-Legierungen für einen Einsatz in<br />
Flugtriebwerken<br />
nachgewiesen und zum anderen eine Herstelltechnologie bis zum fertigen<br />
Bauteil entwickelt worden.<br />
Die Ergebnisse dieses breit angelegten Vorhabens wurden von den Projektpartnern für gezielte<br />
Weiterentwicklungen genutzt. So ist die innerhalb des Projekts entwickelte -TAB-
32<br />
Legierung aufgrund der gut aufeinander abgestimmten Al- und B-Gehalte auch sehr gut umformbar.<br />
Diese Legierung wurde daher auch in dem in Abschnitt 1.3.4. beschriebenen BMBF-<br />
Projekt<br />
zur Herstellung von Kompressor-Laufschaufeln für Flugzeugturbinen eingesetzt.<br />
1.2.3.4. Veröffentlichungen<br />
1. R. Wagner, F. Appel, B. Dogan, P.J. Ennis, U. Lorenz, J. Müllauer, H.P. Nicolai, W.<br />
Quadakkers, L. Singheiser, W. Smarsly, W. Vaidya, and K. Wurzwallner, in: Gamma<br />
Titanium Aluminides, Eds. Y-W. Kim, R. Wagner M Yamaguchi (TMS, Warrendale<br />
PA, 1995), p. 387.<br />
2. F. Appel, P.A. Beaven and R. Wagner, Acta Metall. Mater. 41, 1721 (1993).<br />
3. F. Appel, U. Christoph and R. Wagner, Phil. Mag. A 72, 341 (1995).<br />
4. W. Smarsly and L. Singheiser, in: Materials for Advanced Power Engineering, Part II,<br />
Eds. D. Coutsouradis et al. (Kluwer Academic Publishers, Dordrecht, 1994), p. 1731.<br />
1 .2.4. Pulvermetallurgische Herstellung von TiAl-Bauteilen<br />
Autoren: M. Schütze, DECHEMA Frankfurt, W. Smarsly, MTU Aero Engines GmbH<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
- Metallgesellschaft AG, Frankfurt<br />
- MTU-Motoren- und Turbinen-Union München GmbH, München<br />
- GfE Gesellschaft für Elektrometallurgie mbH, Nürnberg<br />
- DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., Frankfurt<br />
- Wiss.-Technische Gesellschaft für Verfahrenstechnik Freiberg e.V. (FIA), Freiberg<br />
1.2.4.1. Zielsetzungen<br />
Mit dem Projekt „Entwicklung der pulvermetallurgischen<br />
Herstellung von Bauteilen auf der<br />
Bas is von TiAl und deren Erprobung“ wurde die pulvermetallurgische Herstellung<br />
von Turbinenkomponenten<br />
mit guten mechanischen Eigenschaften und geringer Oxidationsneigung<br />
entwickelt. Als pulvermetallurgische Verfahren wurden das mechanische Legieren sowie kry-<br />
ogene s Mahlen von legiertem Schmelzmaterial und die anschließende Verdichtung durch<br />
Strangpressen<br />
und heiss isostatisches Pressen untersucht.<br />
Die hier betrachteten pulvermetallurgischen<br />
Verfahren sollten seigerungsfreiere und feinkör-<br />
nigere<br />
Gefügestrukturen im Vergleich zu schmelzmetallurgischen Verfahren einstellen.<br />
Die Gesellschaft für Verfahrenstechnik FIA e.V. in Freiberg konnte mechanisch legiertes und<br />
sinteraktives TiAlCr-Pulver mit mittleren Korngrössen von < 200 µm durch Hochenergiemahlen<br />
in kleintechnischem Maßstab mit reproduzierbarer Qualität produzieren.<br />
Durch kryogenes Mahlen von rasch erstarrten TiAlCr- Schmelztröpfchen,<br />
sogenannter Flakes,<br />
stellte<br />
die GfE Metalle und Materialien GmbH in Nürnberg sauerstoffarme, feinkörnige und
33<br />
sinteraktive Pulver, Korngrössen < 45 µm, für die Weiterverarbeitung zu Probenmaterial und<br />
Prototypen zur Verfügung. Der Sauerstoffgehalt dieses Pulvers konnte auf unter 1000 ppm<br />
begrenzt<br />
werden.<br />
Die Metallgesellschaft AG Frankfurt und die MTU Motoren- und Turbinen-Union München<br />
GmbH hatten die Aufgabe, die Pulver zu Probekörpern und Bauteilprototypen<br />
zu kompaktie-<br />
ren<br />
und deren Eigenschaften zu charakterisieren. Das mechanisch legierte bzw. kryogemahlene<br />
TiAlCr Pulvermaterial wurde mittels Heissstrangpressen zuvor kalt isostatisch vorverdichteter<br />
Pulver oder direkt durch heiss isostatisches Pressen verdichtet. Die vollständige Kompaktierung<br />
des Pulvermaterials erfolgte bei hohen Temperaturen in Stahl- oder Ti64-Kapseln.<br />
1.2.4.2.<br />
Ergebnisse<br />
Die Gefüge des heiss isostatisch verdichteten Pulvermaterials zeigten eine inhomogene Verteilung<br />
der Phasen und Korngrössen. Das stranggepresste Material war feinkörniger und homogener,<br />
was in einer geringen Streuung der mechanischen Eigenschaften, wie der Zugfestigkeit<br />
und Duktilität, resultierte. Die Festigkeiten des pulvermetallurgisch hergestellten Materials<br />
waren relativ hoch im Vergleich zu Feingussmaterial gleicher Zusammensetzung.<br />
Die<br />
Duktilität, insbesondere des Materials aus verdichteten mechanisch legierten Pulvern, war<br />
allerdings aufgrund der hohen<br />
Verunreinigungen mit Fe, Ni, C und O mit 1 % unter der Min-<br />
destforderung<br />
für die Anwendung in einer Fluggasturbine. Eine wirksame Reduktion dieser<br />
Verunreinigungen erfordert höchstreine allerdings kostspielige Ausgangsmaterialien und Verarbeitungsprozesse.<br />
Das Karl-Winnacker-Institut der DECHEMA e.V. in Frankfurt untersuchte die Oxidationsbeständigkeit<br />
des kompaktierten Pulvermaterials im Temperaturbereich von 700 – 900 °C mit-<br />
tels<br />
isothermer und thermozyklischer Auslagerung in Luft und verbrennungsnahen Atmosphä-<br />
ren. Dabei wurde die im Vergleich zu Gussmaterial erhebliche höhere Oxidationsbeständigkeit<br />
des durch mechanisches Legieren hergestellten TiAlCr-Materials sogar bei einer Temperatur<br />
von 900°C und mindestens bis zu 1200 Stunden Auslagerung entdeckt. Ursache hierfür<br />
ist der sog. „Chloreffekt“, bei dem „homöopathische“ Mengen an Chlor (einige hundert ppm)<br />
die Bildung einer dünnen<br />
reinen Aluminiumoxidschicht mit hoher Oxidationsschutzwirkung<br />
bewirken.<br />
An Luft würde sich ohne diesen Effekt eine weniger schützende schnell wachsende Mischoxidschicht<br />
aus TiO2/Al2O3 bilden. Anders als bei der Schmelzmetallurgie, Verdüsung von<br />
Schmelzen und dem Feinguss bleibt Chlor, das herstellungsbedingt im Titan-Vormaterial enthalten<br />
ist, in mechanisch legiertem TiAl-Material in Grössenordnungen erhalten, die eine entsprechende<br />
Erhöhung der Oxidationsbeständigkeit bewirken.<br />
1.2.4.3. Perspektiven<br />
Das mechanische Legieren und Kryomahlen zur Herstellung von TiAl-Halbzeugen und TiAl-<br />
Bauteilen zeigte sich bezüglich der Herstellkosten für höchstreine Ausgangsstoffe und der<br />
Verfahrensbedingungen bei sonst gleichen anwendungsrelevanten Werkstoffeigenschaften als<br />
nicht wettbewerbsfähig im Vergleich mit schmelzmetallurgischen Verfahren. Als ganz wesentliches,<br />
zunächst nicht geplantes Ergebnis kam es aber im Laufe des Projektes zur Entde-<br />
ckung<br />
des Chloreffekts für die untersuchten TiAl-Legierungen.
34<br />
Die Entdeckung des „Chloreffekts“ auf die Oxidationsbeständigkeit von TiAl-Legierungen<br />
hatte zur Folge, dass in weiteren<br />
von der DFG, AiF und VW-Stiftung geförderten Projekten<br />
der<br />
DECHEMA und des Forschungszentrums Rossendorf das Plasma unterstützte Ionen-<br />
implantieren von Chlor und anderen Halogenen in die Oberfläche von geschmiedeten oder<br />
feingegossenen TiAl Bauteile entwickelt wurde und noch wird (Abbildung 11).<br />
Die mittlerweile vorliegenden umfangreichen Ergebnisse zeigen, dass zumindest oxidationsseitig<br />
über den Halogeneffekt (ähnliche Wirkung wie Chlor zeigen auch Fluor, Brom und Jod,<br />
wie mittlerweile gemessen wurde) ein Einsatz der TiAl-Legierungen<br />
z.B. als Turbinenschaufeln<br />
bei Temperaturen bis 1000°C möglich erscheint.<br />
Gleichzeitig konnten die dahinter stehenden Mechanismen aufgeklärt und thermodynamisch<br />
begründet werden. Derzeit wird neben der Ionenimplantation auch an der Entwicklung eines<br />
einfachen und preisgünstigen Tauchprozesses gearbeitet, der zu vergleichbaren Ergebnissen<br />
führt.<br />
-2 ]<br />
m/A [mg cm<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
TiAl + 200 keV, 10 15 F<br />
TiAl + 2.6 MeV, 10 16 I TiAl + 200 keV, 10 16 Cl<br />
TiAl + 1.9 MeV, 2.5 * 10<br />
0<br />
0 20 40<br />
16 Br<br />
t [h]<br />
Abb. 11: Effekt der Ionenimplantation von Halogenen auf die Oxidschichtbildung von<br />
Ti-50Al bei 900 °C in Luft (Karl-Winnacker-Institut, DECHEMA e.V.).<br />
1.2.4.2. Veröffentlichungen<br />
TiAl<br />
Al2O<br />
mixed<br />
Zum<br />
Verbundprojekt „Pulvermetallurgische Herstellung von TiAl-Bauteilen“ erfolgten fol-<br />
gende<br />
Veröffentlichungen:<br />
M. Hald<br />
Oxidationsverhalten von pulvermetallurgisch hergestellten TiAl-Legierungen<br />
Fortschritt-Berichte VDI<br />
Reihe 5 Grund- und Werkstoffe Nr. 527<br />
Ti
35<br />
M. Schütze, M. Hald<br />
Improvement of the oxidation resistance of TiAl alloys by using the chlorine effect<br />
Materials Science and Engineering A 239-240 (1997) 847-858<br />
Ein e Übersicht über die Entwicklung auf dem Gebiet des „Chlor- bzw. Halogeneffektes“<br />
im Anschluß an das Verbundprojekt geben folgende Artikel:<br />
G. Schumacher, F. Dettenwanger, M. Schütze, U. Hornauer, E. Richter, E. Wieser, W.<br />
Müller<br />
Microalloying<br />
effects in the oxidation of TiAl materials<br />
Intermetallics 7 (1999) 1113-1120<br />
G. Schumacher, F. Dettenwanger, M. Schütze<br />
Investigations of the microalloying effect of chlorine in the<br />
oxidation of TiAl alloys<br />
Materials at High Temperatures 17 (2000) 53-58<br />
M. Schütze,<br />
G. Schumacher, F. Dettenwanger, U. Hornauer, E. Richter, E. Wieser, W.<br />
Möller<br />
The halogen effect in the oxidation of intermetallic titanium aluminides<br />
Corrosion<br />
Science 44 (2002) 303-318
1.3. Förderzeitraum 1995 bis 1999<br />
36<br />
1994 war ein entscheidendes Jahr für die Fortführung der Entwicklung dieses hoffnungsvollen<br />
Werkstoffes. In den 1994 ausgelaufenen -TiAl-Projekten sind Ziellegierungen und Einzelbauteile<br />
(Ventile, Turbinenschaufeln) über die Feingussroute hergestellt worden. Die Machbarkeit<br />
wurde bewiesen, aber die Ergebnisse aus den Forschungsprojekten zeigten, dass es bis<br />
zu einem Serienbauteil noch ein langer Weg war. Vor allem erwies sich der vorerst hohe Preis<br />
der TiAl-Bauteile bzw. das Nichtvorhandensein einer reproduzierbaren Bauteil-<br />
Fertigungslinie als Nachteil und viele Firmen wollten sich nicht weiter an TiAl-<br />
Förderprojekten beteiligen.<br />
Zusätzlich zu dieser Situation führten firmenstrategische Veränderungen in Deutschland dazu,<br />
dass einige Unternehmen auf ihre zertifizierten Werkstofflieferanten im Ausland (überwiegend<br />
in den USA) zurückgriffen und an der Weiterführung der Projekte in Deutschland nicht<br />
mehr interessiert waren.<br />
Gerade zu diesem Zeitpunkt wurde das Programm „Materialforschung“ (Matfo) des BMBF<br />
von der Firma A. D. Little evaluiert und als insgesamt sehr erfolgreich eingeschätzt. Gleichzeitig<br />
wurde in einer Studie vorgeschlagen, die Materialforschung – wenn auch mit einem<br />
anderen Ansatz – weiterzuführen, um die technologische Kompetenz in Deutschland auf diesem<br />
Gebiet sicherzustellen. Ein wichtiger Schwerpunkt des ausgelaufenen Materialforschungsprogrammes<br />
„Matfo“ und gleichzeitig beispielhaft genannte Werkstoffgruppe im neuen<br />
Programm „MaTech“ (Neue Materialien für Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts)<br />
waren die Legierungen auf der Basis intermetallischer Phasen.<br />
In dieser Situation drängte sich die Entscheidung auf, ob und wie eine Förderung der Titanaluminide<br />
noch sinnvoll fortgesetzt werden sollte. Aus diesem Grund wurde 1994 vom <strong>Projektträger</strong><br />
PTJ-NMT zum weiteren Vorgehen auf dem Gebiet der Titanaluminide ein Workshop<br />
initiiert. Auf dem TiAl-Workshop sind von den Projektbeteiligten der Stand der Arbeiten vorgestellt<br />
und rege Diskussionen über die Weiterführung der bisherigen Entwicklungen geführt<br />
worden. An dem Workshop nahmen auch bislang nicht involvierte Unternehmen teil, von<br />
denen sich einige danach verstärkt, wie sich in den folgenden Jahren herausstellte, an der Umsetzung<br />
der Forschungsergebnisse beteiligten.<br />
Als Ergebnis des Workshops wurde die Notwendigkeit gesehen, die Forschungsarbeiten zu<br />
den Titan-Aluminid-Legierungen fortzuführen. Vom damaligen erreichten Stand der Entwicklungen<br />
ausgehend ist das Ziel vorgegeben worden, sie unter Bauteilaspekten weiter zu qualifizieren,<br />
z.B. durch Optimierung der chemischen Zusammensetzung bzw. der von den Herstellparametern<br />
abhängigen mechanischen Eigenschaften, durch Schadensanalysen nach Bauteiltests<br />
und Lebensdauerberechnungen und nicht zuletzt durch den Einsatz möglicher wirtschaftlicher<br />
neuer Herstell- bzw. Weiterverarbeitungsverfahren.<br />
Nach bilateralen Diskussionsrunden und Beratungsgesprächen beim zuständigen <strong>Projektträger</strong><br />
im Nachgang zu dem Workshop war mit den neuen Förderprojekten von 1995 bis 1999, aufgelistet<br />
in Tabelle 4, ein Durchbruch bei der technologischen Weiterentwicklung zur Herstellung<br />
von TiAl-Bauteilen in Deutschland erzielt worden, wie in den nachfolgenden Abschnitten<br />
beschrieben.
37<br />
Tabelle 4: Förderzeitraum 1995 bis 1999:<br />
Herstellverfahren für Ventile und Schaufeln<br />
Förderkennzeichen<br />
03N3043<br />
(Förderaneil<br />
des BMBF:<br />
1.371 T €)<br />
03N3016<br />
(Förderateil<br />
des BMBF:<br />
3.063 T €)<br />
03N3030<br />
(Förderateil<br />
des BMBF:<br />
0.680 T €)<br />
03N3034<br />
(Förderateil<br />
des BMBF:<br />
1.474 T €)<br />
Projekte<br />
Umformtechnische<br />
Halbzeug- sowie Fertigteilherstellung<br />
und<br />
Bauteilerprobung von<br />
TiAl-Motorkomponenten<br />
(Laufzeit:<br />
01.07.1996 –<br />
31.12.1999)<br />
Permanentkokillenguss-Prozess<br />
für<br />
TiAl-Ventile<br />
(Laufzeit:<br />
01.06.1995 –<br />
31.08.1999)<br />
Entwicklung einer<br />
Schmiedetechnologie<br />
zur Herstellung von<br />
Verdichter-Laufschaufeln<br />
aus γ-TiAl<br />
(Laufzeit:<br />
01.10.1995 –<br />
31.03.1999)<br />
Auslegung, Bau und<br />
Erprobung von TiAl-<br />
Hohlschaufeln<br />
(Laufzeit:<br />
01.10.1095 –<br />
28.02.1999)<br />
Projektleiter<br />
(Federführer unterstrichen)<br />
P. Starker, H. Lohmann, EuroVal Bad<br />
Homburg<br />
S. Hurta, R. Joos, H. Baur, Daimler-<br />
Benz Ulm<br />
H. Clemens, Plansee Reutte<br />
V. Güther, GfE Nürnberg<br />
G. Frommeyer, MPI Düsseldorf<br />
A. Choudhury, M. Blum, ALD Erlensee<br />
H.-P. Nicolai, TITAL Bestwig<br />
H.-J. Laudenberg, K. Segtrop, TRW<br />
Barsinghausen<br />
D. Lupton, W.C.Heraeus Hanau<br />
K. Ruppert, BMW München<br />
A. Mühlbauer, Uni Hannover<br />
R. Guntlin, P. Busse, ACCESS Aachen<br />
G. Frommeyer, MPI Düsseldorf<br />
P. Janschek, L. Knippschild, Thyssen<br />
Remscheid<br />
T. Haubold, Rolls-Royce Oberursel<br />
R Wagner, F. Appel, GKSS Geesthacht<br />
W. Smarsly, MTU München<br />
R. Gerling, GKSS Geesthacht<br />
H. Baur, Daimler-Benz Ulm<br />
H. Clemens, Plansee Reutte<br />
H. Schleinzer, Dornier Friedrichshafen<br />
A. Bartels, TU Hamburg Harburg<br />
H. Cramer, SLV München<br />
siehe<br />
Abschnitt<br />
1.3.1.<br />
1.3.2.<br />
1.3.3.<br />
1.3.4.<br />
1.3.5.<br />
1.3.6.
38<br />
Das BMBF hat sich der Verantwortung gestellt und mit insgesamt ca. 6,6 Mio. € die Forschungs-<br />
und Entwicklungsarbeiten zu den Titanaluminiden in dieser so entscheidenden Entwicklungsetappe<br />
von 1995 bis 1999 gefördert. Dabei betrug die Gesamtförderquote der einzelnen<br />
in der Tabelle aufgelisteten Verbundvorhaben 50%, d.h. die Industrie hat sich, neben<br />
ihrem erbrachten Eigenanteil, an den Aufwendungen der Forschungsinstitute zu 50% mit<br />
beteiligt (dadurch Absenkung der Förderquote bei den einzelnen Firmen deutlich unter 50%).<br />
Ab 1999 wurde auch der Expertenkreis „Intermetallische Phasen“ aufgelöst, da vor allem<br />
die Projekte zu den Titanaluminiden weitestgehend von den Interessen der Industrie getragen<br />
wurden und damit die Aufgaben dieses Beratergremiums erfüllt worden waren.<br />
1.3.1. Herstellung von TiAl-Legierungsmaterial<br />
Autor: V. Güther, GfE Metalle und Materialien GmbH, Nürnberg<br />
Die Firma GfE war seit 1993 als TiAl-Werkstoffhersteller bzw. –lieferant an folgenden<br />
BMBF-Verbundvorhaben beteiligt:<br />
- Entwicklung der pulvermetallurgischen Herstellung von Bauteilen auf der Basis<br />
von TiAl und deren Erprobung,<br />
- Entwicklung einer Umformtechnik für intermetallische -TiAl-Legierungen,<br />
- Umformtechnische Halbzeug- sowie Fertigteilherstellung und Bauteilerprobung<br />
von -TiAl-Ventilen.<br />
1.3.1.1. Motivation und Zielsetzung<br />
Der Werkstoff -TiAl wird in zwei grundlegend unterschiedlichen Modifikationen benötigt.<br />
Im Falle der gießtechnischen Herstellung von Bauteilen genügt es, sogenannte „master heats“<br />
in den Prozess zu geben. Als „master heat“ bezeichnet man ein vorlegiertes Material, das im<br />
Weiterverarbeitungsprozess nochmals vollständig aufgeschmolzen und dann in entsprechende<br />
Gießformen abgegossen wird. Demzufolge sind die Anforderungen an die Homogenität von<br />
„master heats“ vergleichsweise gering.<br />
Für den Fall einer weitergehenden Verarbeitung über Umformschritte werden dagegen sogenannte<br />
Ingots benötigt, an deren chemische und strukturelle Homogenität extreme Anforderungen<br />
gestellt sind.<br />
Die Legierungsentwicklung hat zu der Erkenntnis geführt, dass die Qualität des Vormaterials<br />
letztendlich ausschlaggebend für die Qualität der Bauteile ist. Das bedeutet aber auch, dass<br />
sich Fehler im Ingot bis in das Bauteil fortpflanzen.<br />
Der vorliegende Abschnitt bezieht sich auf die Herstellung dieser Ingots und zeigt, wie diese<br />
hochkomplizierten Aufgaben gelöst werden konnten.
1.3.1.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Anforderungen an TiAl-Ingots:<br />
39<br />
Entscheidenden Einfluss auf die Gefüge besitzt die lokale Schwankung des<br />
Aluminiumgehaltes, der die lokale Lage der sogenannten α-Transus-Temperatur definiert. Je<br />
nach der Höhe der Prozesstemperaturen während der Massivumformung und dem<br />
Aluminiumgehalt unterschreiten oder überschreiten lokale Bereiche des Ingots diese Linie mit<br />
dem Resultat völlig unterschiedlicher Mikrogefüge mit unterschiedlichen Eigenschaften<br />
(siehe Abbildung 12). Demzufolge darf die Schwankung des Al-Gehaltes in einem Ingot<br />
lediglich ca. +/- 0,5 at.-% betragen.<br />
Variation of the microstructure by hot working / thermal treatments<br />
T (°C)<br />
1500<br />
1400<br />
1300<br />
1200<br />
1100<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
fully lamellar<br />
near lamellar<br />
duplex<br />
near-<br />
36 40 44 48 52<br />
Aluminium concentration (at.-%)<br />
<br />
<br />
Abb. 12: Ausschnitt aus dem Phasendiagramm TiAl und Einfluss verschiedener<br />
Prozesstemperaturen auf die entstehenden Gefüge<br />
Insbesondere Sauerstoff und Stickstoff lagern sich auf Zwischengitterplätzen in das Gefüge<br />
ein und führen zu einer vollständigen Versprödung des ohnehin bei Raumtemperatur recht<br />
spröden Werkstoffes. Folgende Gehalte bilden praktisch die oberen hinnehmbaren Grenzen:<br />
Sauerstoff < 800 ppm<br />
Stickstoff < 200 ppm<br />
Kohlenstoff < 200 ppm.<br />
Je nach Legierungszusammensetzung können weitere Elemente kritische Verunreinigungen<br />
bilden oder auch zur Einstellung gewünschter Eigenschaften beitragen.
40<br />
Durch Legierungsbildung lassen sich Eigenschaften gezielt verändern. Abbildung 13 gibt eine<br />
allgemeine Summenformel für TiAl-Legierungen an, ohne dass damit ein Anspruch auf Vollständigkeit<br />
erhoben wird.<br />
In der Praxis evaluierte Legierungen bestehen in der Regel neben Titan und Aluminium aus 2<br />
bis 6 weiteren Einzelkomponenten. Wie aus Abbildung 13 hervorgeht, besitzen diese<br />
Einzelkomponenten höchst unterschiedliche Dichten und Schmelzpunkte. Es ist deshalb ein<br />
wichtiges Ziel der Schmelztechnologie, dafür zu sorgen, dass alle Legierungselemente trotz<br />
unterschiedlicher physikalischer Eigenschaften und spezifischer Gewichte vollständig<br />
homogen im Ingot verteilt vorliegen.<br />
Ti 42-52 Al 44-48 (Cr, Mn, V) 0-4 (Nb,Ta,Mo,W,Zr,Hf,Co,Cu) 0-10 (Si, B, C,Y) 0-2<br />
2 / Duktilität Festigkeit Gefügefeinung<br />
Mikrostruktur Umformbarkeit<br />
Kriechbeständigkeit<br />
Abb. 13: Einfluss von Legierungselementen auf Eigenschaften<br />
Überblick über die Herstellungsprozesse für -TiAl-Ingots:<br />
Aufgrund der hohen Reaktivität von Titan und der großen Anforderungen an die Verunreinigungsgehalte<br />
kommen als Herstellungsprozesse ausschließlich vakuum-schmelzmetallurgische<br />
Verfahren mit kalten Tiegeln in Betracht. Auch die Herstellung von TiAl-Legierungspulvern<br />
muss durch die Verdüsung von schmelzmetallurgisch dargestelltem Material erfolgen.<br />
Die nachfolgende Abbildung 14 zeigt die möglichen Prozessrouten zur Ingotherstellung<br />
auf.
PACHM<br />
Plasma Arc Cold<br />
Hearth Melting<br />
2<br />
3<br />
1<br />
41<br />
VAR<br />
Vacuum Arc<br />
Remelting<br />
Abb. 14: Mögliche Prozessrouten zur TiAl-Ingot-Herstellung<br />
1: Vormaterial<br />
2: Plasmabrenner<br />
3: Ingot<br />
1<br />
3<br />
PASM<br />
Plasma Arc<br />
Skull Melting<br />
Durch Abguss von Legierung aus dem Plasma-Skull in Kokillen hergestellte Ingots weisen<br />
eine zu große Porosität auf, während die in der Titan-Industrie weitverbreitete Technologie<br />
des Hochvakuum-Elektronenstrahl-Schmelzens für -TiAl aufgrund des starken Abdampfens<br />
speziell von Aluminium nicht einsetzbar ist. Deshalb haben sich in der Praxis zwei Technologien<br />
durchgesetzt, nämlich das Vakuum-Lichtbogen-Schmelzen (Abb. 14 Mitte) und das<br />
Plasma-Schmelzen im kalten Tiegel (Abb. 14 links). Beide Technologien besitzen spezifische<br />
Vor- und Nachteile bezüglich der Qualität und der Wirtschaftlichkeit. Der höheren Wirtschaftlichkeit<br />
der Plasma-Technologie stehen prozessbedingt stärkere Schwankungen in den<br />
lokalen Elementkonzentrationen gegenüber, was eine Folge von lokal ungleichmäßigen Überhitzungen<br />
der Schmelze sein dürfte.<br />
Im BMBF-Projekt 03 N 3043 D3 "Umformtechnische Halbzeug- sowie Fertigteilherstellung<br />
und Bauteilerprobung von TiAl-Motorkomponenten" wurde demzufolge für die Herstellung<br />
des Ingot-Materials das Vakuum-Lichtbogen-Schmelzen als Basistechnologie zugrunde gelegt.<br />
Im Rahmen dieses Projektes erfolgte die Technologieentwicklung im Rahmen von Labor-Ingots,<br />
die einen Durchmesser von 75 mm und eine Länge von ca. 150 mm aufwiesen.<br />
Diese Ingots bildeten das Ausgangsmaterial zum Strangpressen von dünnen Stäben, aus denen<br />
im Projektverlauf über konduktives Anstauchen und Schmiede-Umformung Ventilrohlinge<br />
gefertigt wurden. Im sich anschließenden BMBF-Projekt 03 N 3030 "Entwicklung einer Umformtechnik<br />
für intermetallische -TiAl-Legierungen" wurde die erarbeitete Technologie auf<br />
industrielle Prozesse angepasst, so dass nunmehr Ingots mit Durchmessern von bis zu 300<br />
mm und Längen von bis zu 900 mm zur Verfügung stehen.<br />
2<br />
1<br />
3
Herstellung von -TiAl-VAR-Ingots:<br />
42<br />
Abbildung 15 zeigt das allgemeine Prozessschema der Herstellung von -TiAl-<br />
Legierungsingots mittels Vakuum-Lichtbogen-Schmelzen.<br />
Aluminium-Granalien Vorlegierungen Titan-Schwamm<br />
Stäbe pressen<br />
VAR - Elektroden schweissen<br />
3-fach VAR-Schmelzen<br />
Endbearbeitung<br />
Abb. 15: Prozessschema der Ingotherstellung über VAR<br />
Vorlegierungen:<br />
Vorlegierungen sind zum Einbringen der Legierungsbestandteile erforderlich, da diese zum<br />
Teil erheblich voneinander abweichende Schmelztemperaturen besitzen. Die Vorlegierungen<br />
haben deshalb genau die Aufgabe, die Schmelzpunkte der Ausgangsstoffe für den VAR-<br />
Prozess aneinander anzugleichen. Zusätzlich werden über den "Verdünnungseffekt" die Legierungselemente<br />
bereits besser verteilt der VAR-Elektrode zugeführt.<br />
Ausgangspunkt für die Vorlegierungen sind in der Regel Aluminium und Metalloxide. Diese<br />
Bestandteile werden gemischt und in einer selbstgängigen, stark exothermen aluminothermischen<br />
Reaktion (ATR = Alumino-Thermic Reduction) zu einer Aluminium-Metalllegierung<br />
umgesetzt, wie nachfolgend am Beispiel von Niob verdeutlicht wird:<br />
3 Nb2O5 + 16 Al 6 NbAl + 5 Al2O3 + Wärme<br />
Als Resultat der Reaktion entstehen die Vorlegierung Niob-Aluminium und Schlacke. Das<br />
Beispiel ist auf andere Refraktärmetalle wie Cr, Ta, Mo, W oder V übertragbar.<br />
Elektrodenherstellung:<br />
Aus definierten Mischungen von Titan-Schwamm, Aluminium-Granalien und Vorlegierungen<br />
werden Stäbe gepresst, die in einem kombinierten Vakuum-Schutzgas-Prozess zu sogenannten<br />
VAR-Elektroden verschweißt werden.
VAR-Schmelzen:<br />
43<br />
Die Elektroden werden in einen Lichtbogenofen eingehängt. Zwischen der Elektrode und einem<br />
auf den Boden einer wassergekühlten Kupferkokille gelegten Scheibe aus arteigenem<br />
Material wird ein Gleichstrom-Vakuumbogen gezündet, dessen heißer Fußpunkt auf der Seite<br />
der Elektrode liegt und diese abschmilzt. Die Elektrode muss zur Wandung der Kokille einen<br />
ausreichenden Abstand besitzen, um die Entstehung eines Lichtbogens zur Kokille zu vermeiden.<br />
Unter Durchmesservergrößerung entsteht ein Erstschmelz-Ingot, der aber noch eine<br />
unzureichende Legierungshomogenität aufweist. Deshalb wird dieser Ingot erneut umgeschmolzen,<br />
wobei sich der Durchmesser abermals vergrößert. Die entstehenden Ingots besitzen<br />
bereits eine sehr gute Homogenität, die im Verlauf der Projekte durch Prozessoptimierungen<br />
sukzessive verbessert werden konnte.<br />
Für höchste Anforderungen an die Legierungshomogenität ist allerdings ein dritter Umschmelzschritt<br />
im VAR erforderlich. Die folgende Abbildung 16 verdeutlicht die Verbesserung<br />
der makroskopischen lokalen Schwankungen des Aluminium-Gehaltes als Maß für die<br />
Homogenität durch wiederholtes VAR-Schmelzen.<br />
Die beim VAR-Schmelzen prozessbedingt entstehenden Kopflunker werden ebenso wie die<br />
prozessbedingt inhomogenen Fußstücke der Ingots mit speziellen Metallbandsägen<br />
abgeschnitten.<br />
Al concentration (at.-%)<br />
50<br />
49<br />
48<br />
47<br />
46<br />
45<br />
44<br />
43<br />
Al concentration of 1st VAR ingot<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
sample no.<br />
50 mm<br />
Abb. 16a: Lokale Schwankungen des Aluminiumgehaltes in einstufigem VAR–Ingot
Al content (at.-%)<br />
Al content (at.-%)<br />
48.00<br />
47.00<br />
46.00<br />
45.00<br />
44.00<br />
43.00<br />
42.00<br />
48.00<br />
47.00<br />
46.00<br />
45.00<br />
44.00<br />
43.00<br />
42.00<br />
Aluminum concentration<br />
of 2nd VAR ingot<br />
44<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />
no. of sample<br />
Aluminum concentration<br />
of 3rd VAR ingot<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16<br />
no. of sample<br />
100 mm<br />
100 mm<br />
Abb. 16b: Lokale Schwankungen des Aluminiumgehaltes in zwei- und dreistufigen<br />
VAR–Ingots<br />
Defekte im VAR-Ingot:<br />
Parallel zur Verbesserung der Legierungshomogenität wurde intensiv an der Vemeidung von<br />
kritischen Defekten im Ingotmaterial gearbeitet. Im Verlauf der Entwicklungsprojekte wurden<br />
verschiedenartige Defekte in VAR-Ingots detektiert.<br />
Die wichtigsten dieser Defekte sind:<br />
- Seigerungen von hochdichten und hochschmelzenden Komponenten<br />
- Poren, Lunker und Risse<br />
- Oxidische, nitridische, karbidische, silizidische und boridische Einschlüsse<br />
- Titanreiche Zonen.
45<br />
Diese Defekte, die sich äußerst kritisch auf das spätere Bauteilverhalten auswirken können,<br />
wurden durch abgestimmte technologische Maßnahmen insbesondere bezüglich der<br />
Optimierung von Schmelzparametern beseitigt. Diese Optimierungen müssen für jede<br />
Legierungszusammensetzung erneut durchgeführt werden, was im Ergebnis wegen stets<br />
unterschiedlicher Herstellungsparameter hohe Anforderungen an das<br />
Qualitätssicherungssystem stellt, das inzwischen durchgängig nach ISO 9001:2000<br />
implementiert wurde.<br />
1.3.1.3. Perspektiven<br />
Die GfE Metalle und Materialien GmbH ist heute weltweit ein führender Hersteller von -<br />
TiAl-Ingotmaterialien für Umform- und Gussanwendungen. Die Ingots werden gemäß<br />
Kundenspezifikation hergestellt. Das vorhandene Qualitätssicherungssystem gestattet die<br />
vollständige Prozesskontrolle von den Rohstoffen bis zur Endlegierung. Die gegenwärtigen<br />
Standard-Dimensionen der VAR-Ingots sind in der folgenden Tabelle (siehe auch Abbildung<br />
17) zusammengefasst:<br />
(mm) Länge (mm) Masse (ca. kg)<br />
120 200 9<br />
140 600 37<br />
180 900 92<br />
220 800 120<br />
300 700 200<br />
Abb. 17: -TiAl-Ingots, links 220 mm, rechts 120 mm
46<br />
Bezüglich der Legierungszusammensetzung bestehen Erfahrungen auf der Basis von mehr als<br />
50 verschiedenen Legierungen, die kundenspezifisch auch in anderen Ingot-Abmessungen<br />
hergestellt werden können.<br />
Die GfE hat zwischenzeitlich die Voraussetzungen für eine industrielle -TiAl-VAR-Ingot-<br />
Produktion geschaffen (vergleiche Abbildung 18).<br />
Abb. 18: Versandfertige -TiAl-Ingots<br />
1.3.1.4. Veröffentlichungen<br />
V. Güther, H. Cramer und W. Smarsly: " Entwicklung des Reib- und Laserstrahlschweißens<br />
von TiAl und NiAl", 2. Symposium Neue Werkstoffe in Bayern, Berichtsband<br />
S. 284, Bayreuth, März 1998.<br />
H. Heegn, W. Smarsly, V. Güther<br />
Pulvermetallurgische Herstellung von Bauteilen auf Basis TiAl und deren Erprobung<br />
Werkstoffwoche 1998, München, Bd. VIII, Wiley-VCH, 1999.
47<br />
V. Güther, A. Otto, H. Kestler and H. Clemens<br />
Processing of Gamma TiAl Based Ingots and their Characterization<br />
TMS Conference Proceedings "Gamma Titanium Aluminides 1999", San Diego 1999.<br />
V. Güther, A. Otto, L. Zhao, E. Lugscheider und H. Reymann<br />
Entwicklung von Titan- und Titanlegierungspulvern für das reaktive Plasma-<br />
Formspritzen zur Herstellung von hartphasenverstärkten Metall-Matrix-<br />
Kompositwerkstoffen, Werkstoffwoche 1998, München, Bd. II, S. 185, Wiley-VCH,<br />
1999.<br />
V. Güther, A. Otto und N. Eberhardt,<br />
Herstellung und Eigenschaften von mechanisch zerkleinerten - TiAl Pulvern und<br />
daraus gefertigten Bauteilen, Werkstoffwoche 1998, München, Bd. II, S. 447, Wiley-<br />
VCH, 1999.<br />
V. Güther<br />
Properties, processing and applications of gamma-based TiAl<br />
Proc. 9 th Ti World Conference, 08.-11.06.1999, Saint Petersburg.<br />
D. Zhang, P. Kopold, V. Güther and H. Clemens<br />
Influence of Heat Treatments on Colony Size and Lamellar Spacing in a Ti-46Al-2Cr-<br />
2Mo-0,25Si-0,3B Alloy, Z. f. Metallkunde,91 (2000) 3.<br />
V. Güther, A. Otto, R. Gerling, H. Clemens and H. Kestler<br />
Recent Improvements in TiAl Ingot Metallurgy<br />
Proceedings of Aeromat 2000, June 2000, Seattle, USA.<br />
V. Güther, R. Joos, H. Clemens<br />
Microstructure and Defects in -TiAl based Vacuum Arc Remelted Ingot Materials<br />
3 rd Int. Symp. on Structural Intermetallics, April 2002, Jackson Hole WY, USA.<br />
Chatterjee, V. Güther, V.Küstner, F. Appel, and H. Clemens<br />
Progress of -TiAl based Vacuum Arc Remelting technology: large scale ingots and<br />
alloy design, Proceedings of Aeromat 2000, June 2002, Orlando, USA.<br />
V. Güther, A. Chatterjee and H. Kettner<br />
Properties, Applications and Production of Gamma Titanium Aluminides<br />
International Titanium Association`s 18 th Annual Conference and Exhibition,<br />
October 2002, Orlando, USA.
1.3.2. Strangpressverfahren zur Herstellung von TiAl-Ventilen<br />
Autoren: H. Kestler, N. Eberhardt, Plansee Aktiengesellschaft Reutte<br />
Die Partner des Verbundes waren:<br />
- EuroVal Motorkomponenten, Bad Homburg (heute Mahle Motorventile GmbH)<br />
- DaimlerChrysler AG, Ulm<br />
- Metallwerk Plansee GmbH, Reutte (Österreich)<br />
- Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf<br />
- GfE Metalle und Materialien GmbH, Nürnberg<br />
1.3.2.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
48<br />
Zu Beginn dieses Projektes war aus maschinenbaulichen Überlegungen heraus bereits klar,<br />
dass durch die Anwendung von γ-TiAl-Gaswechselventilen im Automobilmotor eine Leistungssteigerung<br />
erwartet werden kann. Dies resultiert vor allem aus der gegenüber Ventilen<br />
aus Konkurrenzwerkstoffen wie Stählen oder Titanlegierungen niedrigen Dichte, der hohen<br />
spezifischen Steifigkeit (E/ρ ~ 40 GPa g -1 cm 3 ) und der hohen spezifischen Festigkeit von γ-<br />
TiAl-Ventilen, die dadurch selbst gegenüber modernen Leichtbaukonzepten (z.B. Hohlventile)<br />
noch Vorteile aufweisen. Damit war die Zielsetzung anwenderseitig definiert.<br />
Demgegenüber stand zum damaligen Zeitpunkt keine oder eine nur in Ansätzen entwickelte<br />
Industriestruktur zur Verarbeitung dieser Werkstoffklasse zur Verfügung. Zwar konnte in<br />
früheren Projekten die industrielle Machbarkeit verschiedener Einzeltechnologien, wie die<br />
Herstellung von Vormaterial durch Lichtbogenumschmelzen zu γ-TiAl-Ingots und Inertgasverdüsung<br />
von Schmelzen zu γ-TiAl-Pulvern, sowie vor allem isothermes Umformen zur<br />
Herstellung verschiedener Halbzeugformen erfolgreich demonstriert werden, jedoch ein<br />
durchgängiges Fertigungskonzept für die industrielle Serienproduktion von γ-TiAl-Ventilen<br />
auf konventionellen Anlagen bestand nicht.<br />
So war es nahe liegend, die Entwicklung der Ventile innerhalb eines Konsortiums durchzuführen,<br />
welches die gesamte industrielle Fertigungskette abdeckt und zusätzlich durch die<br />
Einbindung eines Forschungsinstituts sowie eines Endanwenders sowohl die notwendige wissenschaftliche<br />
als auch die technologische Bewertung der entwickelten Technologie gewährleisten<br />
konnte.<br />
1.3.2.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Im Rahmen dieses Projektes wurden zwei Fertigungsrouten zur Herstellung von γ-TiAl-<br />
Ventilen parallel entwickelt, die im folgenden als Ingotroute und Pulverroute bezeichnet werden.<br />
Ziel der Ingotroute war es, mehrfach im Lichtbogenofen umgeschmolzene γ-TiAl-Ingots<br />
(GfE) mittels eines zweistufigen Strangpressprozesses zu Stäben zu verarbeiten (Plansee), die<br />
als Halbzeug zur Fertigung von Ventilrohlingen über konduktive Erwärmung, anschließendes<br />
Anstauchen und quasi-isothermes Schmieden (EuroVal) dienten. Abbildung 19 zeigt schematisch<br />
die einzelnen Fertigungsschritte.
Abb. 19: Schematische Darstellung der Fertigungsschritte von TiAl(Mo,Si)-Ventilen<br />
nach der Ingotroute (siehe /1/)<br />
49<br />
Die wesentlichen Weiterentwicklungen dieses Projektteiles, die letztlich zur erfolgreichen<br />
Herstellung von TiAl(Mo,Si)-Ventilen und zur positiven Bewertung im Motortest führten,<br />
sollen in folgenden kurz aufgelistet werden. Detaillierte Informationen können aus /2,1/ entnommen<br />
werden:<br />
Optimierung der γ-TiAl-Ingotherstellung über Lichtbogenumschmelzen und Aufskalierung<br />
der Ingotdimensionen auf industriellen Maßstab,<br />
Entwicklung einer Ti-47Al-1Mo-0.2Si (At%)-Legierung, die sich durch einen guten<br />
Kompromiss zwischen Festigkeit, Umformbarkeit und Oxidationsbeständigkeit auszeichnet<br />
/1/,<br />
Mehrstufiges Strangpressen von γ-TiAl-Ingots auf konventionellen (nicht isothermen)<br />
Aggregaten mit Strangpressverhältnissen (PV) größer 200:1,<br />
Adaptierung des Anstauchverfahrens und des quasi-isothermen endformnahen<br />
Schmiedens stranggepresster γ-TiAl-Stäbe (PV 225:1),<br />
Erfolgreicher Test umgeformter γ-TiAl-Ventile im Prüfstand und im Straßeneinsatz.<br />
Im Gegensatz zur Ingotroute, die ein mehrstufiges Umformverfahren darstellt, sollte mit der<br />
Pulverroute eine sogenannte Near-Net-Shape(NNS)-Technologie, welche die Herstellung von<br />
γ-TiAl-Ventilen in wenigen Arbeitsschritten erlaubt, untersucht werden.
50<br />
Als Vormaterial kamen inertgasverdüste γ-TiAl-Pulver mit der Zusammensetzung Ti-46.5Al-<br />
4(Cr,Nb,Ta,B) zum Einsatz, die durch heißisostatisches Pressen (HIP) verdichtet wurden.<br />
Dieses Verfahren erlaubt durch die Verwendung von HIP-Kapseln , deren Geometrie nahezu<br />
der Endform eines Ventiles entspricht, die Einsparung der o.g. Umformschritte und kann dadurch<br />
einen Kostenvorteil ermöglichen.Die wesentlichen Prozessschritte der Pulverroute sind<br />
in Abbildung 20 dargestellt.<br />
Abb. 20: Schematische Darstellung der Fertigungsschritte von Ti-46.4Al-4(Cr,Nb,Ta,B)-<br />
Ventilen über die Pulverroute<br />
Ergebnisse:<br />
Über beide Fertigungsrouten konnten erfolgreich γ-TiAl-Ventile hergestellt und in Motortests<br />
bei DaimlerChrysler getestet werden. Hinsichtlich ihrer Zugfestigkeit bei monotoner und ihrer<br />
Wechselfestigkeit bei zyklischer Beanspruchung ist jedoch die Ingotroute zu favorisieren.<br />
Abbildung 21 soll diesen Sachverhalt am Beispiel der Temperaturabhängigkeit der Streckgrenze<br />
verdeutlichen. Eingetragen sind jeweils die für beide Werkstoffe typischen Bereiche<br />
der Festigkeiten.<br />
Im Falle des über die Ingotroute hergestellten Materials ist zusätzlich der festigkeitssteigernde<br />
Effekt höherer Strangpressverhältnisse zu erkennen (untere Grenze des Festigkeitsbereiches:<br />
PV 12:1, obere Grenze: PV 122:1).
Abb. 21: Temperaturabhängigkeit der Streckgrenze der untersuchten Werkstoffe<br />
51<br />
Hier muß angemerkt werden, dass die Bewertung der mechanischen Eigenschaften der beiden<br />
Werkstoffe wegen ihrer unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen eigentlich unzulässig<br />
ist. Jedoch konnte der hier dargestellte Sachverhalt in späteren Unersuchungen an der<br />
Ti-46.5Al-4(Cr,Nb,Ta,B)-Legierung bestätigt werden.<br />
Neben den mechanischen Eigenschaften sind die Herstellkosten für die Markteinführung der<br />
γ-TiAl-Ventile ein weiterer wichtiger Aspekt. Berechnungen haben ergeben, dass unter Berücksichtigung<br />
weiterer Prozessoptimierungen die Herstellkosten der schmelzmetallurgisch<br />
hergestellten Ventile niedriger liegen als die der pulvermetallurgischen Route. Der hauptsächliche<br />
Kostentreiber der Near-Net-Shape-Technologie sind die heute noch deutlich höheren<br />
Vormaterialkosten.<br />
Auf der Basis der in diesem Projekt gewonnenen Ergebnisse müssen die Chancen, über den<br />
schmelzmetallurgischen Fertigungsweg (Strangpressen + Stauchen + Schmieden) in technischer<br />
und wirtschaftlicher Hinsicht konkurrenzfähige Ventile herzustellen, als höher eingeschätzt<br />
werden als die über die Pulverroute.<br />
Kurz- und mittelfristig könnten sich γ-TiAl-Ventile aufgrund der im Vergleich zum kommerziellen<br />
Stahlventil hohen Fertigungskosten in Nischenanwendungen, z.B. in Rennsportmotoren,<br />
durchsetzen. Langfristig ist aber auch der Einsatz in herkömmlichen PKW- und LKW-<br />
Motoren denkbar.
1.3.2.3. Perspektiven<br />
52<br />
Die in diesem erfolgreichen Projekt gewonnenen Ergebnisse und die entwickelten Technologien<br />
fanden in den Folgejahren eine direkte Fortsetzung bei der Entwicklung einer Industriestruktur<br />
für γ-TiAl-Werkstoffe, die heute nicht nur die Basis für die Fertigung von TiAl-<br />
Ventilen, sondern darüber hinaus für die Herstellung einer ganzen Reihe von γ-TiAl-<br />
Produkten dienen kann.<br />
So konnte auf der Basis der gewonnenen Betriebsdaten und Prozessparameter die Herstellung<br />
von γ-TiAl-Ingots und deren Weiterverarbeitung in den industriellen Maßstab überführt werden<br />
– eine wichtige Voraussetzung für die Etablierung weiterer Anwendungen dieser Werkstoffklasse,<br />
die auf der Umformtechnik beruhen (vor allem Motor- und Triebwerkskomponenten).<br />
Erwähnt werden muss aber, dass die positiven Ergebnisse aus der Erprobung umformtechnisch<br />
hergestellter γ-TiAl-Ventile und die erfolgreiche Umsetzung der oben beschriebenen<br />
Technologien zur Herstellung von γ-TiAl-Halbzeugen bisher keine kommerzielle Anwendung<br />
in Hochleistungsmotoren gefunden haben.<br />
In weiterer Folge wurde jedoch bei PLANSEE, aufbauend auf diesen Erkenntnissen und der<br />
Strangpresstechnologie, eine eigene Prozesstechnik für die γ-TiAl-Ventilherstellung entwickelt<br />
und im März 2002 bei der Fa. Sinterstahl GmbH in Füssen in einen eigenständigen Geschäftsbereich<br />
überführt.<br />
1.3.2.4. Veröffentlichungen<br />
1. S. Knippscheer, G. Frommeyer: Intermetallic TiAl(Cr,Mo,Si) Alloys for Lightweight<br />
Engine Parts, Advanced Engineering Materials, 1:187-191, 1999.<br />
2. V. Güther, A. Otto, H. Baur, R. Joos, O. Berg, M. Lohmann, G. Frommeyer, S.<br />
Knippscheer, N. Eberhardt, H. Kestler,: TiAl Automotive Valves – Fabrication and<br />
Properties, in P.J. Winkler (Herausgeber): Materials for Transportation Technology<br />
(Euromat 99), S. 110, Weinheim, 2000, DGM, Wiley-VCH.<br />
3. N. Eberhardt, A. Lorich, R. Jörg, H. Kestler, W. Knabl, W. Köck, H. Baur, R. Joos, H.<br />
Clemens: Pulvermetallurgische Herstellung und Charakterisierung von Formkörpern<br />
aus einer intermetallischen Ti-46.5Al-4(Cr,Nb,Ta,B)-Legierung, Z. Metallkunde,<br />
89(11): 772 – 778,1998.
1.3.3. Permanentkokillenguss-Prozess für TiAl-Ventile<br />
Autor: P. Busse, ACCESS e.V.<br />
Die Partner des Verbundes waren:<br />
- ACCESS e.V.<br />
- ALD Vacuum Technologies GmbH<br />
- BMW AG<br />
- Institut für Elektrothermische Prozesstechnik, Universität Hannover<br />
- Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf<br />
- Titan-Aluminium-Feinguss GmbH<br />
- TRW Deutschland GmbH<br />
- WC Heraeus GmbH<br />
1.3.3.1. Motivation und Zielsetzung<br />
53<br />
Ein Ansatzpunkt zur Wirkungsgradoptimierung von Automotoren ist die nahezu stöchiometrische<br />
Verbrennung des Kraftstoffs. Dies bedeutet allerdings eine Anhebung der mittleren Abgastemperatur<br />
von derzeit 700° auf ca. 900°C. Hierdurch steigt die Betriebstemperatur einiger<br />
Motorenkomponenten, insbesondere die der Auslassventile.<br />
Konventionelle Stahlventile sind den erhöhten Einsatzbelastungen nicht mehr gewachsen. Ein<br />
weiterer Ansatz ist die elektromagnetische Ventilsteuerung mit variablen Steuerzeiten. Dieses<br />
Konzept ist nur dann umsetzbar, wenn die bewegte Ventilmasse reduziert wird.<br />
Vor diesem Hintergrund steigt das Interesse an leichten Hochtemperaturlegierungen, wie z.B.<br />
intermetallischen -Titanaluminiden (TiAl). TiAl verfügt über ausreichende Festigkeitseigenschaften<br />
für diesen Anwendungsbereich bis zu Einsatztemperaturen von nahezu 850°C und ist<br />
darüber hinaus rund 50% leichter als Stahl- bzw. Superlegierungen. Selbst bei einer konventionellen<br />
Nockensteuerung kann das gesamte Ventiltriebsystem leichter ausgeführt und dessen<br />
Reibleistung und Geräuschentwicklung reduziert werden.<br />
Ziel des BMBF-Verbundprojekts “Permanentkokillenguss-Prozess für TiAl-Ventile“ war die<br />
Entwicklung eines neuen Gießprozesses, der den Aufbau der TiAl-Legierungen sowie das<br />
Gießen einer Vielzahl endkonturnaher Ventile in einem Arbeitsgang ermöglicht. Nur so lässt<br />
sich die Voraussetzung für eine wirtschaftliche Massenfertigung von TiAl-Ventilen erreichen.<br />
1.3.3.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Die Reaktivität und der hohe Schmelzpunkt der TiAl-Legierungen stellen hohe Anforderungen<br />
an die Schmelztechnik. Der maximal tolerable Sauerstoffgehalt liegt bei ca. 1000 bis<br />
1200 ppm. Bei höheren Gehalten sinken die mechanischen Eigenschaften dramatisch. Das<br />
Erschmelzen größerer Mengen in keramischen Tiegeln scheidet deshalb für eine Massenproduktion<br />
aus.<br />
Außerdem ist das Arbeiten unter Vakuum oder Schutzgas eine zwingende Voraussetzung für<br />
dieses Material, genauso wie der Einsatz metallischer Dauerformen, um die Herstellung der<br />
Ventile zu marktgängigen Preisen erreichen zu können.
54<br />
Für das neue Gießverfahren wurde aus diesen Gründen die Kaltwand-Induktions-Tiegel<br />
Technologie (KIT) herangezogen. Mit dieser Technik kann TiAl nicht nur keramikfrei geschmolzen<br />
und überhitzt werden, sondern sie bietet auch die Möglichkeit, das Material direkt<br />
aus den einzelnen Legierungskomponenten aufbauen zu können. Allerdings ist die Überhitzung<br />
des Materials begrenzt, so dass der Gießvorgang möglichst rasch erfolgen muss.<br />
Auch stellen Ventile, trotz ihrer relativ einfachen Geometrie hohe Anforderungen an die<br />
Gießtechnologie. So sind die Formfüllung der dünnen Schäfte und die kontrollierte lunkerfreie<br />
Erstarrung durch die relativ große Speisungslänge in diesem Bauteilbereich anspruchsvoll.<br />
Um eine schnellen Formfüllung und einen hohen Gieß- bzw. Nachspeisungsdruck<br />
zu erreichen, wurde die Schleudergusstechnologie in Kombination mit einer metallischen<br />
Dauerform in die Herstellungsroute integriert.<br />
Zur Verwirklichung des Projektes mussten für alle Prozessschritte geeignete technische Lösungen<br />
erarbeitet werden, bevor eine entsprechende Laboranlage am Institut für Elektrowärme<br />
der Universität Hannover aufgebaut und experimentelle Studien durchgeführt werden<br />
konnten.<br />
Als erster Schritt wurde bei ACCESS mittels numerischer Simulation und Experimenten in<br />
einer kleinen Katapultgießanlage im Einzelabguss nachgewiesen, dass durch Gradientenbeheizung<br />
der Kokille zur Erstarrungslenkung in Kombination mit einem durch Zentrifugalkräfte<br />
erhöhten Nachspeisungsdruck die Eigenschaften der Ventile wesentlich verbessert werden<br />
können. Durch die Art der Prozessführung besteht die Möglichkeit, anders als im isothermen<br />
Schwerkraftkokillen- oder -feinguss, die auftretende Restporosität im hinteren Bereich<br />
der im Belastungsfall „neutralen“ Schaftachse zu konzentrieren.<br />
Basierend auf den analytischen, experimentellen und numerischen Untersuchungen wurde<br />
eine Topfkokille mit 5 Lagen á 12 Ventilen mit Telleranschnitt konzipiert sowie der einzustellende<br />
Drehzahlbereich des Schleudertisches und die benötigte Vorwärmtemperatur der Kokille<br />
vorgegeben. Die Konstruktion der Kokille ist von WC Heraeus GmbH übernommen worden.<br />
Die Kokille besteht aus einem Stahlkorsett, in welches Kokillennester aus Niob eingelegt<br />
und verankert werden. Der Werkstoff Niob zeichnet sich durch einen hohen Schmelzpunkt<br />
aus und hat eine hohe Standzeit gegenüber TiAl-Schmelzen.<br />
Parallel zur Auslegung der Kokille wurden durch ALD Vacuum Technologies AG und EWH<br />
Hannover Untersuchungen zur Optimierung der KIT Schmelztechnik insbesondere unter dem<br />
Aspekt der maximal erreichbaren Überhitzung durchgeführt. Auch fanden Untersuchungen<br />
zum Aufbau der TiAl-Legierungen aus reinen Legierungselementen statt. Innerhalb des Projektes<br />
wurden die Legierungen: Ti48Al48Cr2Nb2 (entwickelt von General Electric/USA) und<br />
Ti52Al46.8Cr1Si0.2 (entwickelt vom Max Planck Institut für Eisenforschung in Düsseldorf) eingesetzt.<br />
Im Anschluss an die Heißinbetriebnahme der Laboranlage erfolgte die Optimierung der Gieß-<br />
und Anlagenparameter durch eine DoE-gestützte Versuchsserie. Die Ergebnisse der Parameterstudie<br />
ließen deutlich erkennen, dass unabhängig von den eingestellten Parametern die<br />
mechanischen Anforderungen bezüglich Streckgrenze und Zugfestigkeit von jedem untersuchten<br />
Ventil erfüllt werden konnten. Selbst die Duktilität der Ventile lag, so zeigten die<br />
Untersuchungen des MPI, Düsseldorf, bis auf wenige Ausnahmen über dem Zielwert von 1%.<br />
Die Ventile wiesen ein voll lamellares Gefüge auf, das in drei charakteristische Zonen eingeteilt<br />
werden kann: eine äußere, sehr feine globulitische Zone, eine sich anschließende Stängelkristallzone<br />
und ein innerer globulitisch erstarrter Bereich. Vorhandene Restporosität kon-
55<br />
zentrierte sich auf die neutrale Schaftachse und war somit ohne Einfluss auf die Eigenschaften<br />
im Belastungsfall. Es konnte dokumentiert werden, dass es sich bei dem neuen Herstellungsverfahren<br />
um einen robusten Prozess handelt - die wesentliche Voraussetzung für eine spätere<br />
Massenproduktion. Abbildung 22 zeigt den nach dem Abguss in der Laboranlage der EWH<br />
Hannover entstandene Gießbaum mit den TiAl-Ventilen.<br />
Abb. 22: Gießbaum mit TiAl-Ventilen<br />
Wie die Ventilrohlinge zu einsatzfähigen Ventilen verarbeitet werden können, wurde bei<br />
TRW Deutschland GmbH untersucht. Insbesondere musste geprüft werden, ob konventionelle,<br />
d.h. vorhandene Bearbeitungsstrecken für Stahlventile auch für die Weiterverarbeitung<br />
von TiAl-Gussrohlingen geeignet sind. Entsprechende Bearbeitungsversuche ergaben, dass<br />
durch Adaption der Bearbeitungsparameter die Endbearbeitung ohne technische Änderungen<br />
in der Bearbeitungsstrecke möglich ist. Jedoch müssen TiAl-Ventile aufgrund ihrer geringeren<br />
Härte im Gegensatz zu konventionellen angelassenen Stahlventilen beschichtet werden.
56<br />
In einer Zusammenarbeit zwischen TRW Deutschland GmbH und BMW AG konnte die Praxistauglichkeit<br />
der Ventile zum Abschluss des Projektes durch einen erfolgreich abgeschlossenen<br />
Motortest über 500h nachgewiesen werden.<br />
1.3.3.3. Perspektiven<br />
Mit dem neu entwickelten Gießprozess lassen sich TiAl-Ventile in größeren Stückzahlen kostengünstig<br />
herstellen. Die mechanischen Eigenschaften liegen über den Erwartungen. Die<br />
Bearbeitung ist mit konventionellen Methoden möglich und die Eignung der Ventile konnte<br />
unter realen Bedingungen in einem Motortest nachgewiesen werden.<br />
Trotz des bekundeten Interesses der Autokonzerne werden diese TiAl-Ventile bei der Entwicklung<br />
neuer Motoren erst dann Berücksichtigung finden, wenn nachzuweisen ist, dass der<br />
neue Gießprozess das Potenzial für eine kostengünstige Massenproduktion bei gleichbleibend<br />
hoher Qualität besitzt. Hierzu ist eine Prototypenanlage notwendig, mit der letztendlich die<br />
Qualifizierung des Gießprozesses als Massenherstellungsverfahren für kostengünstige TiAl-<br />
Ventile nachgewiesen werden kann. Das Konzept einer solchen Anlage wurde bereits in Zusammenarbeit<br />
zwischen ALD und ACCESS erstellt und ist Gegenstand eines neuen Forschungsprojektes<br />
– beschrieben in Abschnitt 2.1.3., Förderzeitraum 1999 bis 2002.<br />
1.3.3.4. Veröffentlichungen<br />
P. Busse, A. Choudhury, M. Blum, G. Jarczyk, D. Lupton, M. Gorywoda: Low Cost<br />
Production of TiAl Automotive Valves Using Cold Wall Induction Melting and Permanent<br />
Mold Centrifugal Casting. Proc. 30th ISATA, International Symp. on Auto-<br />
motive Technology and Automation, Florence, June 16 -19 1997 pp 473-480,<br />
Choudhury, M. Blum, G. Jarczyk, H. Scholz, P. Busse: Low Cost Production of TiAl<br />
Automotive Valves Using Cold Wall Induction Melting and Permanent mold Centrifugal<br />
Casting. Proc. of TMS Symposium on Titanium Extraction and Processing,<br />
Sept. 14-18 1997, Indianapolis, USA. Ed. by B. Mishra, G.J. Kipouros, Warrendale:<br />
TMS 1997,<br />
Choudhury, M. Blum, H. Scholz, G. Jarczyk, P. Busse: Massenherstellung von TiAl-<br />
Automobilventilen durch Schmelzen und Schleudergießen in einem Arbeitsgang.<br />
Werkstoffwoche ’98, Band II, 109-114, Ed. by R. Stauber, Ch. Liesner, R. Bütje, Wiley-VCH,<br />
1998,<br />
Choudhury, M. Blum, H. Scholz, G. Jarczyk, P. Busse, G. Frommeyer, S. Knippscheer:<br />
Properties of Low Cost TiAl Automotive Valves Produced by Cold Wall Induction<br />
Melting and Permanent Mold Centrifugal Casting. Proc. of International Symposium<br />
on Gamma Titanium Aluminid Alloys, San Diego, 28.02.-04.03.1999,<br />
Choudhury, M. Blum, H. Scholz, G. Jarczyk, P. Busse: Quality Assessment of Centrifugally<br />
Cast Titanium-Aluminide Automotive Valves in a Permanent Mold., International<br />
Symposium on Liquid Metal, Processing and Casting, Santa Fe USA, Feb.<br />
1999,
57<br />
M. Blum, A. Choudhury, G. Jarczyk, H. Scholz, P. Busse, G. Frommeyer, S. Knippscheer,<br />
H.J. Laudenberg, K. Segtrop: Properties of Low Cost TiAl Automotive Valves<br />
Produced by Cold Wall Induction Melting and Permanent Mold Centrifugal Casting,<br />
Proc. 9th World Conference on Titanum, St. Petersburg, Russia, 1999.<br />
1.3.4. Schmiedeverfahren für TiAl-Schaufeln<br />
Autoren: F. Appel, M. Oehring, GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
- Thyssen Umformtechnik und Guss GmbH, Remscheid,<br />
- Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co.KG, Oberursel,<br />
- GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
1.3.4.1. Zielsetzungen<br />
Wie in den vorangegangenen Abschnitten schon dargestellt wurde, war zu Beginn dieses<br />
Vorhabens die Herstellung von Bauteilen aus γ-Titanaluminid-Legierungen über die Feingussroute<br />
bereits weit entwickelt und hatte im Flugturbinenbereich zu den ersten erfolgreich<br />
absolvierten Komponententests von Niederdrucktubinenschaufeln geführt. Allerdings lässt<br />
sich die Feingusstechnologie nicht für hochbeanspruchte Bauteile in Flugturbinen einsetzen,<br />
an die wie für Laufschaufeln im Hochdruckverdichter von Flugtriebwerken besondere Anforderungen<br />
hinsichtlich ihrer Wechselfestigkeit und Zuverlässigkeit gestellt werden. Für solche<br />
Anwendungen ist eine umformtechnische Herstellung unumgänglich, da im Gegensatz zu<br />
Gussrouten die Gefügeeinstellung beim Umformen in weiten Grenzen variiert und konsolidierte<br />
Gefüge erreicht werden können. Daher war es das Ziel dieses Vorhabens, eine industrielle<br />
Schmiedetechnologie zu entwickeln, mit der sich Verdichter-Laufschaufeln mit optimierten<br />
Gefügen herstellen lassen.<br />
Das Umformvermögen von γ-TiAl-Legierungen ist auch bei Temperaturen oberhalb des spröde/duktil-Überganges<br />
begrenzt. Eine besonders schlechte Voraussetzung stellen die groben,<br />
segregierten und texturierten Gefüge dar, die besonders in großen Primärgussblöcken auftreten.<br />
In diesem Vorhaben wurde deshalb ein zweistufiger Umformprozess vorgesehen, bei dem<br />
durch Heißstrangpressen in einem ersten Umformschritt schmiedefähiges Material hergestellt<br />
werden sollte (Abbildung 23).<br />
Neben Primärgussblöcken wurde in einer zweiten Route Pulvermaterial als Ausgangsmaterial<br />
eingesetzt, für das wegen höherer Gefügehomogenität und -feinheit ein günstigeres Umformfenster<br />
erwartet wurde. Für das Vorhaben wurde die bei GKSS entwickelte γ-TAB-Legierung<br />
verwendet, für die im Feingusszustand ein vollständiger Satz an Gebrauchsdaten ermittelt<br />
worden war.
Abb. 23: Prozessschritte für die Herstellung geschmiedeter Verdichter-Laufschaufeln<br />
1.3.4.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
58<br />
Das Gefüge des Primärgussmaterials bestand aus primär vom Blockrand aus erstarrten Stengelkristallen,<br />
die sich beim weiteren Abkühlen in Lamellenkolonien mit einer Größe bis in<br />
den Millimeterbereich umgewandelt hatten, wobei die Lamellen bevorzugt zur Wärmeflussrichtung<br />
ausgerichtet sind. Das Material ist daher durch eine scharfe Gusstextur gekennzeichnet.<br />
Für die Pulverroute wurde verdichtetes Pulvermaterial verwendet, das in der Inertgasverdüsungsanlage<br />
'PIGA' des GKSS-Forschungszentrums aufgeschmolzen und verdüst worden<br />
war. In diesem Zustand lag das Pulvermaterial mit einem sehr feinen und gleichmäßigen globularen<br />
Gefüge vor, das eine Korngröße von ungefähr 1 µm aufwies.<br />
Strangpressen zur Primärumformung:<br />
Wie schon einleitend dargestellt wurde, ist das Umformvermögen von γ-TiAl-Legierungen<br />
auch noch beträchtlich oberhalb des Übergangs vom spröden zum duktilen Materialverhalten<br />
gering, insbesondere für Primärgussmaterial. Eine weitere Schwierigkeit für das Warmumformen<br />
von γ-TiAl-Legierungen liegt in der ausgeprägten Abhängigkeit des Umformwiderstandes<br />
von Temperatur und Formänderungsgeschwindigkeit. Dies bedingt für das Strangpressen<br />
ein Kapseln der Rohlinge, um zu große Wärmeverluste beim Pressen in das relativ<br />
kühle Werkzeug zu vermeiden, was zum Aufreißen des Materials führen würde. Hierbei muss<br />
allerdings berücksichtigt werden, dass der Umformwiderstand von γ-Titanaluminid-<br />
Legierungen beträchtlich höher ist als derjenige verfügbarer Kapselmaterialien. Dieses Problem<br />
ließ sich mit einem speziellen, inzwischen patentierten Design der Strangpresskapseln<br />
lösen, mit dem eine effektive Wärmeisolation von Kapsel und Werkstück erreicht wurde [1].<br />
Diese Kapseltechnik erlaubt es, nach dem Anwärmen der Kapseln das Kapselmaterial im<br />
Vergleich zum Kern soweit abzukühlen, dass Kapsel und Kern nahezu gleichen Umformwiderstand<br />
aufweisen und ein gleichmäßiges Strangpressen ermöglichen.
59<br />
Die meisten Strangpressungen wurden im Forschungszentrum Strangpressen der TU Berlin<br />
unter der Leitung von Dr. K. Müller durchgeführt, wobei ein Strangpressverhältnis von 7.3:1<br />
und eine Anwärmtemperatur von 1250 °C gewählt wurden. Ingesamt wurden mehr als 50<br />
Stränge mit einem Durchmesser von 30 mm fehlerfrei hergestellt. Nach dem Strangpressen<br />
wurde eine ausgeprägte Gefügeverfeinerung und -homogenisierung des Primärgussmaterials<br />
festgestellt. Das ursprünglich grobe, lamellare Gefüge wurde nahezu vollständig rekristallisiert<br />
und in ein gestreiftes globulares Gefüge aus feinen γ -Körnern umgewandelt. EDX-<br />
Untersuchungen zeigten, dass die gestreifte Morphologie auf die Erstarrungssegregation zurückzuführen<br />
ist. Stranggepresstes Pulvermaterial wies ein geringfügig feineres, aber deutlich<br />
homogeneres Gefüge auf, was wegen der reduzierten Seigerung beim Erstarren auch erwartet<br />
worden war. Damit war das wesentliche Ziel dieses ersten Umformschrittes erreicht, feinkörniges<br />
Material für das nachfolgende Schaufelschmieden herzustellen.<br />
Zylinderstauchversuche:<br />
Das Umformverhalten von stranggepresstem Material wurde in einem weiten Bereich von<br />
Prüftemperaturen und Umformgeschwindigkeiten in reibungsfreien Zylinderstauchversuchen<br />
untersucht. Die dabei erhaltenen Fließkurven dienten auch der FE-Simulation für die einzelnen<br />
Schmiedeschritte bei der Bauteilherstellung. Alle gemessenen Fließkurven zeigten zunächst<br />
einen Anstieg auf sehr hohe Fließspannungen, wobei bis zu 1120 MPa erreicht wurden.<br />
Mit steigendem Umformgrad ist dann ein Abfall auf einen stationären Wert beobachtet worden<br />
- verursacht durch dynamische Rekristallisation, wie Gefügeuntersuchungen zeigten. Bei<br />
hohen Umformgeschwindigkeiten traten in diesen Versuchen auch in Proben aus Pulvermaterial<br />
Risse auf, womit sich die ursprünglich geplante Herstellung von Schaufeln aus PM-<br />
Material mit konventionellen Umformaggregaten (Spindelpressen) als nicht durchführbar<br />
erwies.<br />
Weiterhin zeigten die Stauchversuche die erwartete hohe Geschwindigkeits- und Temperaturempfindlichkeit<br />
der Fließspannung, die zur Folge hatte, dass für das Schmieden eine langsame<br />
Umformgeschwindigkeit und eine relativ hohe Umformtemperatur gewählt werden mussten.<br />
Um bei diesen Bedingungen ein Auskühlen des Materials durch die langen Druckberührungszeiten<br />
bei der schmiedetechnischen Herstellung zu vermeiden, müssen die Gesenke ebenfalls<br />
auf Schmiedetemperatur erwärmt werden. Begleitende Gefügeuntersuchungen der<br />
Stauchversuche zeigten, dass sich durch das Schmieden unter den endgültig gewählten Bedingungen<br />
eine Homogenisierung des Gefüges im Vergleich zum Zustand nach dem Strangpressen<br />
erreichen lässt, eine völlig Beseitigung der streifigen Morphologie war jedoch nicht<br />
möglich.<br />
Schmieden auf einer Isothermschmiedepresse:<br />
Für das Gesenkschmieden stand eine hydraulische Presse mit einer maximalen Presskraft von<br />
4 MN zur Verfügung. Da für das Isothermschmieden oberhalb 900°C als Gesenkmaterial nur<br />
Molybdänlegierungen in Frage kamen, musste die Presse auf Betrieb unter Schutzgas umgerüstet<br />
werden. Für die Herstellung der Schaufeln wurden die Umformschritte zunächst von<br />
der Fertigung der serienmäßigen Inco718-Schaufel (eine Nickel-Basis-Superlegierung) abgeleitet.<br />
Allerdings konnten einige der vorgesehenen Schmiedeschritte nicht angewendet werden,<br />
da die Gesenke dabei zu stark verformt wurden, wie Schmiedeversuche ergaben. Es wurde<br />
daher für die Herstellung der Vorformen ein völlig neues Gesenk entworfen und die geänderten<br />
Schmiedeschritte mit einer Finit-Element-Rechnung simuliert (Abbildung 24). Mit<br />
dem neu entwickelten Verfahren konnten in insgesamt 3 Schmiedeschritten mehr als 250<br />
Aufmaßschaufeln fehlerfrei hergestellt werden (Abbildung 25). Die Bildsamkeit des Werk-
60<br />
stoffs übertraf bei den gewählten Umformbedingungen die Erwartungen, wobei insbesondere<br />
die Einhaltung der richtigen Umformgeschwindigkeit wichtig war. Beim Schmieden der Vorformen<br />
aus Pulvermaterial konnte keine Verbesserung der Umformbarkeit festgestellt werden,<br />
wie schon anhand der Stauchversuche abzusehen war. Ein Einsatz von Pulvermaterial ist daher<br />
für die hier vorgesehene Anwendung nicht attraktiv.<br />
Abb. 24: FE-Simulation des Isothermschmiedens –<br />
Vergleichsumformgrad in der fertig<br />
geschmiedeten Schaufel<br />
Abb. 25: Herstellungsstadien der Verdichter-Laufschaufel<br />
Neben der Herstellung von Aufmaßschaufeln war in diesem Vorhaben auch das Präzisionsschmieden<br />
von Schaufeln vorgesehen. Es stellte sich jedoch heraus, dass aufgrund lokaler<br />
Überschreitungen der Warmfestigkeit des Gesenkwerkstoffes auf Molybdänbasis der Gesenkverschleiß<br />
zu groß war, um die geforderten Toleranzen um 0.01 mm einhalten zu können. Ein
61<br />
Präzisionsschmieden von γ-Titanaluminidschaufeln ist also nur mit neuen Gesenkwerkstoffen<br />
möglich.<br />
Das erfolgreiche Gesenkschmieden von Schaufeln legte nahe zu versuchen, auch für das Primärumformen<br />
von Ingotmaterial Isothermschmieden einzusetzen. Im Gegensatz zu quasiisothermen<br />
Umformverfahren lässt sich auf diese Weise das aufwändige Kapseln der Rohlinge<br />
vermeiden. Nach einer Reihe von Vorversuchen an zylindrischen Rohlingen mit einem<br />
Durchmesser bis 70 mm gelang es auch, Blockabschnitte großer Ingots mit einem Durchmesser<br />
von 270 mm in einem Umformschritt fehlerfrei zu Scheiben einer Höhe von 100 mm (ε =<br />
0.6) bzw. 50 mm (ε = 0.8) zu schmieden (Abbildung 26). Das Gefüge ist wie nach dem<br />
Strangpressen feinkörnig globular, jedoch nicht über den gesamten Querschnitt der Scheiben<br />
homogen. Das Verfahren ist damit im Prinzip als geeignet für die Primärumformung anzusehen<br />
und wurde in einem späteren Vorhaben (Abschnitt: 2.1.4.) auch für die Vormaterialherstellung<br />
angewendet.<br />
Wärmebehandlung und Endbearbeitung durch elektrochemisches Senken:<br />
In den geschmiedeten Schaufeln wurden feine, globulare Gefüge gefunden, die insbesondere<br />
im Blattbereich eine deutlich verbesserte Homogenität im Vergleich zum stranggepressten<br />
Vormaterial aufwiesen (Abbildung 27).<br />
Abb. 26: Isothermschmieden eines Rohlings aus Ingotmaterial zu einer Schmiedescheibe<br />
mit einem Durchmesser von 570 mm (Umformgrad 80 %)
62<br />
Abb. 27: Gefüge im Blattbereich einer geschmiedeten Schaufel im Zustand<br />
nach dem Schmieden (a): globulares Gefüge,<br />
nach der abschließenden Wärmebehandlung (b): lamellares Gefüge<br />
Für den vorgesehenen Einsatz ist jedoch die Einstellung eines lamellaren Gefüges erforderlich,<br />
da nur für diesen Gefügezustand ausreichende Kriechfestigkeit und Bruchzähigkeit erreicht<br />
werden. Um optimale Bedingungen für die abschließende Wärmebehandlung zur Einstellung<br />
der Gebrauchseigenschaften zu ermitteln, wurden zunächst in thermoanalytischen<br />
Untersuchungen die Phasenumwandlungstemperaturen für die verwendete, vielkomponentige<br />
γ-TAB-Legierung bestimmt und die mechanischen Eigenschaften an unterschiedlich geglühten<br />
Proben charakterisiert. Nach gegenwärtigem Wissenstand wird die erreichbare Festigkeit<br />
dabei entscheidend durch den Lamellenabstand bestimmt, der möglichst gering einzustellen<br />
ist.<br />
Wegen der in der γ-TAB-Legierung vorliegenden Borid-Teilchen bilden sich beim Abkühlen<br />
nach Umwandlungsglühungen jedoch relativ grobe Lamellen, da die Boride als Keimstellen<br />
für γ-Lamellen wirken. Mit Ölabschreckungen konnte die erreichbare Unterkühlung erhöht
63<br />
und ein sehr kleiner mittlerer Lamellenabstand von 50 nm eingestellt werden. Auf diese Weise<br />
ließen sich eine akzeptable Raumtemperatur-Streckgrenze von 570 MPa sowie eine Zugfestigkeit<br />
von 740 MPa bei einer plastischen Bruchdehnung von 1.7 % erreichen. Die eingestellten<br />
lamellaren Gefüge waren dabei über den gesamten Blatt- und Fußbereich der Schaufeln<br />
äußerst gleichmäßig und wiesen geringe Koloniegrößen bis maximal 170 µm im Schaufelfußbereich<br />
auf. Die in diesem Vorhaben beabsichtigte Gefügeoptimierung und –<br />
konsolidierung ist also erreicht worden.<br />
Für die Endbearbeitung wurden von der Fa. Leistritz AG in Nürnberg geeignete Parameter für<br />
das elektrochemische Senken (ECM) ermittelt und dann mit diesem Verfahren eine größere<br />
Zahl von Verdichter-Laufschaufeln hergestellt. Die Oberflächenqualität der fertigen Schaufeln<br />
(Abbildung 28) entsprach der Rauhigkeit, die mit demselben Verfahren bei Titanlegierungen<br />
erreicht wird.<br />
Damit ist das Ziel des Vorhabens, eine industrielle Schmiedetechnologie für die Fertigung<br />
von Verdichter-Laufschaufeln aus einer γ-Titanaluminid-Legierung zu entwickeln, in vollem<br />
Umfang erreicht worden.<br />
1.3.4.3. Perspektiven<br />
Abb. 28: Verdichter-Laufschaufeln nach der von der Leistritz AG<br />
durchgeführten Fertigbearbeitung durch ECM<br />
Die in diesem Vorhaben über die gesamte Prozesskette entwickelten Verfahren mit den spezifisch<br />
an eine γ-Titanaluminid-Legierung angepassten Prozessparametern erlaubte erstmals<br />
eine seriennahe schmiedetechnische Herstellung von Triebwerksschaufeln aus diesem neuen<br />
Werkstoff. Dabei muss betont werden, dass vorhandene industrielle Anlagen benutzt wurden<br />
und die Herstelltechnik bei den Projektpartnern also tatsächlich zur Verfügung steht.<br />
Die erreichten mechanischen Eigenschaften sind im Vergleich mit Literaturdaten für geschmiedete<br />
Bauteile aus konventionellen γ-Titanaluminid-Legierungen als sehr gut zu be-
64<br />
zeichnen [2]. Bestimmte Anwendungen erfordern aber sicher noch eine Erhöhung der Festigkeit<br />
sowie insbesondere der Kriechfestigkeit und maximalen Einsatztemperatur.<br />
Für eine kommerzielle Anwendung müssen weiterhin sowohl die Reproduzierbarkeit einzelner<br />
Prozessschritte als auch die Wirtschaftlichkeit des gesamten Herstellprozesses noch verbessert<br />
werden. Diese Aufgaben sind Gegenstand des in Abschnitt 2.1.4. beschriebenen Nachfolgeprojekts.<br />
1.3.4.4. Veröffentlichungen<br />
F. Appel, U. Lorenz, M. Oehring, R. Wagner, Offenlegungsschrift DE 197 47 257 A 1,<br />
Deutsches Patent- und Markenamt, 1997.<br />
Y-W. Kim, D.M. Dimiduk, in: Structural Intermetallics 1997, hrsg. v. M.V. Nathal, R.<br />
Darolia, C.T. Liu, P.L. Martin, D.B. Miracle, R. Wagner, M. Yamaguchi (TMS, Warrendale,<br />
PA, 1996), S. 531.<br />
Veröffentlichungen zu den berichteten Ergebnissen:<br />
1. M. Oehring, U. Lorenz, R. Niefanger, U. Christoph, F. Appel, R. Wagner, H. Clemens, N.<br />
Eberhardt, in: Gamma Titanium Aluminides, hrsg. v. D.M. Dimiduk, Y-W. Kim, M.H.<br />
Loretto (TMS, Warrendale, PA, 1999), S. 439.<br />
2. U. Lorenz, J. Müllauer, M. Oehring, F. Appel, R. Wagner, P. Janschek, in: Werkstoffwoche<br />
98, Band II, Symp. 2 (Werkstoffe für die Verkehrstechnik), hrsg. v. R. Stauber, C.<br />
Liesner, R. Bütje, M. Bannasch (Wiley-VCH, Weinheim, 1999), S. 471.<br />
3. R. Niefanger, M. Oehring, U. Lorenz, F. Appel, H.-G. Brokmeier, R. Wagner, N. Eberhardt,<br />
H. Clemens, in: Werkstoffwoche 98, Band II, Symp. 2 (Werkstoffe für die Verkehrstechnik),<br />
hrsg. v. R. Stauber, C. Liesner, R. Bütje, M. Bannasch (Wiley-VCH, Weinheim,<br />
1999), S. 429.<br />
4. M. Oehring, U. Lorenz, R. Niefanger, F. Appel, H.-G. Brokmeier, R. Wagner, H. Clemens,<br />
N. Eberhardt, in: High-Temperature Ordered Intermetallic Alloys VIII, hrsg. v. E.P.<br />
George, M.J. Mills, M. Yamaguchi, MRS Symp. Proc. Vol. 552 (MRS, Pittsburgh, PA,<br />
1999), S. KK5.13.1.<br />
5. F. Appel, U. Brossmann, U. Christoph, S. Eggert, P. Janschek, U. Lorenz, J. Müllauer, M.<br />
Oehring, J.D.H. Paul, Adv. Eng. Mater. 2, 699 (2000).
1.3.5. Gebaute TiAl Flugturbinen – Hohlschaufel<br />
Autor: R. Gerling GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
65<br />
- Metallwerk Plansee GmbH, Reutte,<br />
- Daimler Benz AG, Ulm;<br />
- GKSS Forschungszentrum, Geesthacht.<br />
- MTU Aero Engines GmbH<br />
- Unterauftragnehmer: Daimler Benz Aerospace, Dornier GmbH, Friedrichshafen, TU<br />
Hamburg- Harburg und SLV, München<br />
1.3.5.1 Motivation und Zielsetzungen<br />
Die wichtigsten Ziele bei der Weiterentwicklung von Flugtriebwerken liegen in der Erhöhung<br />
ihres Wirkungsgrades, der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Reduktion des Schadstoffausstoßes<br />
und der Verminderung der Lärmemission. Neue, leichte Hochtemperaturstrukturwerkstoffe,<br />
wie die Titananluminide sie darstellen, können wichtige Beiträge zum Erreichen<br />
der Ziele liefern. In der letzten Stufe der Niederdruckturbine, bei Betriebstemperaturen<br />
um 700°C würden -TiAl-Laufschaufeln mit ihrem geringen Gewicht und der hohen Steifigkeit<br />
einen deutlichen Vorteil gegenüber Nickelbasisschaufeln aus IN 713 bieten.<br />
Zur Gewichtseinsparung unter Verwendung von Nickelbasislegierungen wurde eine Hohlbauweise<br />
entwickelt, die bei einer IN 713-Hohlschaufel zu einer Masse von 620 g führt. Eine<br />
entsprechende TiAl-Vollschaufel besitzt mit 520 g nur einen geringen Vorteil. Eine TiAl-<br />
Hohlschaufel hingegen mit einer Masse von 310 g würde einen bedeutenden Gewichtsvorteil<br />
bringen. Allerdings ist im Gegensatz zu den Nickelbasislegierungen eine gießtechnische Herstellung<br />
von TiAl-Hohlschaufeln nicht möglich. Aus diesem Grunde muß eine Herstellungs-<br />
route unter Verwendung von Halbzeugen entwickelt werden.<br />
Ziel dieses Projektes war daher die "gebaute TiAl-Hohlschaufel". Dies beinhaltete die Entwicklung<br />
einer Prozessroute für deren Herstellung, und die Bestimmung von Material- und<br />
Bauteilkennwerten, die für die Herstellung und die Einschätzung einer späteren Anwendung<br />
erforderlich sind.<br />
1.3.5.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Das Blatt der TiAl-Hohlschaufel hat eine Länge von ca. 400 mm und eine Breite von etwa<br />
90 mm. Da eine entsprechende hohle Struktur aus TiAl nicht über eine Gussroute hergestellt<br />
werden kann, wurde eine Prozessroute unter Verwendung von dünnen Blechen angestrebt, die<br />
ihrerseits wieder über eine pulvermetallurgische Route hergestellt werden sollten.<br />
Die gesamte Prozesskette bestand aus folgenden Schritten:<br />
1. Herstellung von TiAl-Legierungspulvern,<br />
2. Kompaktieren der Pulver zu plattenförmigem Vormaterial,<br />
3. Walzen von dünnen Blechen,<br />
4. Diffusionsverschweißen von je zwei Blechen zu Blechpaketen,<br />
5. Superplastisches Formen der Blechpakete zu der hohlen Schaufelblattstruktur<br />
(Abbildung 29).
Abb. 29: Schematische Darstellung der Abfolge der Prozessschritte<br />
für die Herstellung einer Hohlschaufel<br />
66<br />
Für die Verwirklichung dieser Prozessroute waren eine Reihe von Entwicklungen und Charakterisierungen<br />
des Materials notwendig. Als Legierung wurde -TAB gewählt, das im Rahmen<br />
von vorangegangenen BMBF Projekten entwickelt worden war. Wichtige Schritte zum<br />
Erreichen des Projektzieles waren einerseits die Herstellung von relativ großen und homogenen<br />
TiAl Blechen und andererseits die Entwicklung des superplastischen Formens und des<br />
Diffusionsschweißens von TiAl-Blechen - beides mit Prozessparametern, die auf Industrieanlagen<br />
für die Verarbeitung von Titanlegierungen gefahren werden konnten.<br />
Herstellungsroute:<br />
Für dieses Projekt wurden die -TAB-Legierungspulver durch Argon-Zerstäubung der<br />
Schmelze in der PIGA(Plasma Melting Induction Gas Atomization)-Anlage hergestellt. Bei<br />
der PIGA-Anlage handelt es sich um eine Pulververdüsungsanlage, deren Technik im Rahmen<br />
eines vorangegangenen BMBF-Projektes entwickelt worden war. Die Besonderheit liegt<br />
darin, dass bei dieser Technik die reaktive TiAl-Schmelze ausschließlich mit wassergekühltem<br />
Kupfer als Strukturmaterial in Berührung kommt. Unter Einsatz eines Plasmabrenners<br />
wird im Kupfertiegel ein Schmelzbad erzeugt. Durch einen induktiv-beheizten wassergekühlten<br />
Kupfertrichter wird ein dünner Schmelzstrahl geformt und zur Verdüsung in die Mitte der<br />
Gasdüse geleitet (Abbildung 30).
67<br />
Abb. 30: Schematische Darstellung der PIGA Technik<br />
(Plasma Melting Induction Gas Atomization)<br />
Das -TAB-Legierungspulver erwies sich als sehr fein und sehr homogen sowie von hoher<br />
Reinheit. Die Aufnahme von Sauerstoff und Stickstoff war gering, es wird ein sehr kleiner<br />
Anteil des Verdüsungsgases Argon aufgenommen; er beläuft sich auf 0.4 g/g. Während des<br />
Projektes wurden in mehreren Kampagnen fast 100 kg Legierungspulver hergestellt. Die<br />
PIGA-Technik erwies sich als robust und das Pulver von gleichbleibend hoher Qualität.<br />
Für die Herstellung von plattenförmigem Vormaterial für das Walzen wurde das Pulver in<br />
Titan-Blechkapseln durch Heiß-Isostatisches Pressen verdichtet und das so kompaktierte Pulver<br />
in mehreren Stichen bei hohen Temperaturen zu Blechen von ca. 1 mm Stärke gewalzt.<br />
Ausgehend von den in vorangegangenen BMBF Projekten erarbeiteten Walzparametern wurde<br />
die Blechherstellung in diesem Projekt weiter optimiert und die damals weltgrößten TiAl-<br />
Bleche mit Abmessungen bis zu 850 x 350 x 1 mm 3 gewalzt (Abbildung 31).<br />
Mit Hilfe der Prozessoptimierung konnte ebenfalls eine feine und über die gesamte Länge des<br />
Bleches homogene Mikrostruktur erreicht werden. Die Verunreinigungen in den Blechen lagen<br />
bei sehr niedrigen Werten (O2 550 g/g, N2 50 g/g).<br />
Durch mikroskopische Techniken und mechanische Tests wurde das Blechmaterial umfangreich<br />
charakterisiert. Zugversuche (Dehnrate bei 1 10 -4 s -1 ) an dem spannungsarm geglühten<br />
Blech ergaben von Raumtemperatur bis ca. 600°C Festigkeiten zwischen 550 und 600 MPa.
68<br />
Zu höheren Temperaturen nimmt die Festigkeit ab und erreicht bei 1000°C Werte unter 100<br />
MPa. Die Bruchdehnung liegt zwischen Raumtemperatur und 600°C bei 1 - 3 % und nimmt<br />
dann zu höheren Temperaturen stark zu. Sie erreicht bei 1000°C Werte um 100 %. Unterschiede<br />
in den Festigkeiten der Bleche parallel und senkrecht zur Walzrichtung sind in Texturen<br />
begründet, die auch nach Wärmebehandlungen der Bleche nicht vollständig verschwinden.<br />
Abb. 31: -TiAl-Bleche nach Walzen von PM-Vorformen<br />
Im Temperaturbereich von 950 bis 1050°C wurden zahlreiche Umformversuche mit -TAB-<br />
Blechen durchgeführt. Zur Vermeidung von Porenbildung, die möglicherweise auf das verbliebene<br />
Ar-Gas zurück geführt werden kann, sollten die Dehnungen bestimmte Grenzwerte<br />
nicht überschreiten. Auf diesem Wege konnten die Prozessparameter eingegrenzt werden, mit<br />
denen sich später die hohle Schaufelstruktur superplastisch auf konventionellen Industrieanlagen<br />
formen ließ.<br />
Um die gebogene und hohle Struktur des Schaufelblattes herstellen zu können, ist ein Blech<br />
mit einem Gefüge erforderlich, das bei möglichst niedrigen Temperaturen gut verformbar ist.<br />
Das ist weitgehend für das spannungsarm geglühte Blech gegeben. Solche Gefüge sind allerdings<br />
nicht kriechbeständig und für die spätere Anwendung nicht geeignet. Aus diesem Grunde<br />
sind Wärmebehandlungen zur Einstellung eines lamellaren, kriechbeständigeren Gefüges<br />
durchgeführt und die mechanischen Eigenschaften bestimmt worden. Kriechversuche bei<br />
700°C mit einer Spannung von 150 MPa belegten die Überlegenheit des lamellaren Gefüges.<br />
Im Gegensatz zum feinkörnigen Gefüge des spannungsarm geglühten Bleches zeigt die lamellare<br />
Mikrostruktur nur noch eine geringe Anisotropie des Kriechens parallel und senkrecht zur<br />
Walzrichtung.<br />
Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Anwendung ist die Ermüdungsfestigkeit des Materials.<br />
Zu ihrer Bestimmung wurden Niederfrequenz- (3 Hz) und Hochfrequenz- (50 Hz)<br />
Schwingversuche im Zugschwellbereich (R= 0.2) bei Raumtemperatur und 700°C durchge-
69<br />
führt. Um einen Eindruck von der Schwingfestigkeit einer hohlen Schaufel zu gewinnen,<br />
wurden Proben gefertigt, superplastisch verformt und danach zur Einstellung des lamellaren<br />
Gefüges wärmebehandelt. Solche Proben zeigten bei 700°C eine Schwingfestigkeit (50 Hz)<br />
von etwa 350 MPa, was der des lamellaren Materials ohne zusätzliche Verformung entspricht.<br />
Die superplastische Formgebung ließ daher keinen Nachteil für die Schwingfestigkeit der<br />
Schaufel erwarten.<br />
Für die Herstellung einer kompletten Hohlschaufel muß das Fügen von TiAl beherrscht werden.<br />
Aus diesem Grunde sind mehrere Fügeverfahren wie Reibschweißen, Laserschweißen<br />
und Diffusionsschweißen untersucht worden. Für die Verbindung zweier Bleche zu Blechpaketen<br />
wurde das Diffusionsschweißen ausgewählt. Die besondere Herausforderung für die zu<br />
erarbeitenden Prozessparameter lag darin, dass möglichst niedrige Temperaturen und geringe<br />
Drücke zur Herstellung haltbarer Verbindungen zwischen spannungsarm geglühten Blechen<br />
angewendet werden sollten. Mit einer besonderen Oberflächenbehandlung vor dem Diffusionsschweißen<br />
konnten Scherfestigkeiten von 350 MPa nach dem Fügen bei 1000°C und<br />
10 MPa erzielt werden.<br />
Um die spätere Hohlschaufel zu simulieren, wurden Fügeverbindungen zur Einstellung des<br />
kriechbeständigen lamellaren Gefüges wärmebehandelt. Dabei zeigte sich, dass sich die Diffusionschweißungen<br />
weiter verbesserten und die Scherfestigkeiten auf 400 MPa anstiegen.<br />
Inspektionen nach Schertests zeigten stets Versagen im Grundmaterial außerhalb der Diffusionsschweißung.<br />
Erfahrungen und Ergebnisse:<br />
Auf der Basis der erarbeiteten Prozessparameter und der gemessenen Materialeigenschaften<br />
konnte die Hohlschaufel für die Betriebsbedingungen ausgelegt und konstruiert werden. Die<br />
Konstruktionsdaten wiederum fanden Eingang in die Auslegung der Werkzeuge für das Diffusionsschweißen<br />
und das superplastische Formen der hohlen Struktur.<br />
Die Abstimmung der einzelnen Prozessschritte für das Diffusionsschweißen und das superplastische<br />
Formen und der damit verbundene Werkzeugtest geschahen unter Verwendung von<br />
Titanblechen. Erst nachdem erfolgreich hohle Schaufelblätter aus Titanblech hergestellt worden<br />
waren, kam das -TAB-Blech zum Einsatz. Die Herstellung eines hohlen Schaufelblattes<br />
durch Diffusionsverschweißen und superplastisches Formen von -TAB-Blechen konnte erfolgreich<br />
demonstriert werden ( Abbildung 32).<br />
Schwingungsmechanische Tests bei Raumtemperatur und ca. 680°C wurden mit Hohlschaufelprofilen,<br />
hergestellt aus TiAl Blechen mittels SPF/DB, durchgeführt. Dabei wird das Hohlprofil<br />
zu Eigenschwingungen angeregt und die Amplitude der Eigenschwingung stufenweise<br />
erhöht bis ein Schwingungsbruch entsteht. Durch diese Versuche wurde nachgewiesen, dass<br />
ein Hohlschaufelprofil, hergestellt aus TiAl Blechen mittels SPF/DB, eine um etwa 30 % höhere<br />
Resonanzfrequenz und um 45 % höhere Dauerermüdungsfestigkeit im Vergleich zu feingegossenem<br />
TiAl mit vollem Schaufelprofil aufweist.
70<br />
Abb. 32: Hohles Flugturbinenschaufelblatt, hergestellt durch Diffusionsschweißen und<br />
superplastisches Formen von -TiAl-Blechen<br />
1.3.5.3. Perspektiven<br />
Über eine pulvermetallurgische Prozessroute können kostengünstig -TiAl-Bleche mit sehr<br />
guten Eigenschaften hinsichtlich Festigkeit, Duktilität und Ermüdungsfestigkeit hergestellt<br />
werden. Mit einer Wärmebehandlung zur Einstellung eines lamellaren Gefüges lässt sich die<br />
Kriechbeständigkeit erheblich verbessern, sie bleibt jedoch unterhalb der von gröberen Gussgefügen.<br />
Mit einer angepassten Oberflächenbehandlung können Bleche bei relativ niedrigen Drücken<br />
und Temperaturen auf konventionellen Anlagen zu Verbindungen mit hohen Scherfestigkeiten<br />
diffusionsverschweißt werden.<br />
Hohle Schaufelblätter sind auf konventionellen Anlagen durch superplastisches Formen herstellbar.<br />
Dabei sollten die Zugdehnungen möglichst niedrig gehalten werden, um einer Porenbildung<br />
zu begegnen.<br />
Im Hinblick auf eine industrielle Anwendung müssten die Prozessschritte Diffusionsschweißen<br />
und superplastisches Formen im Hinblick auf Kosteneinsparungen optimiert werden.<br />
Insgesamt wurde mit diesem Projekt gezeigt, dass aus TiAl-Blechen komplexe dreidimensionale<br />
Strukturen mit guten mechanischen Eigenschaften hergestellt werden können.
1.3.5.4. Veröffentlichungen<br />
71<br />
Die drei wichtigsten Veröffentlichungen aus diesem Projekt:<br />
H. Kestler, H. Clemens, H. Baur, R. Joos, R. Gerling, G. Cam, A. Bartels, W.<br />
Smarsly, Characterisation of -TiAl Sheet Material for Aeroengine Application. In:<br />
Gamma Titanium Aluminides 1999, eds. Kim Y. W., Dimiduk D. M., Loretto M. H.,<br />
TMS Warrendale, Pennsylvania, USA 1999, 423-430.<br />
Bartels, Ch. Hartig, St. Willems, H. Uhlenhut, Influence of the Deformation Conditions<br />
on the Texture Evolution in -TiAl, Mater. Sci. Eng. A 239-240 (1997), 14-22.<br />
G. Cam, H. Clemens, R. Gerling, M. Kocak, Diffusion Bonding of Superplastic -TiAl<br />
Sheets, Intermetallics 7 (1999) 1025-1031.<br />
1.3.6. Schweißen von Titanaluminiden<br />
Autorin: H. Cramer, Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt SLV München,<br />
Niederlassung der GSI mbH<br />
Die SLV München beschäftigt sich seit 1993 mit dem Schweißen von intermetallischen<br />
Werkstoffen und hat im Rahmen verschiedener geförderter Projekte umfangreiche Erfahrungen<br />
gesammelt und beachtliche Ergebnisse erzielt /1-3/.<br />
Grundlegende Untersuchungen zur Schweißeignung wurden bereits im Verbundprojekt „Entwicklung<br />
des Reib- und Laserstrahlschweißens zum Fügen von Titan- und Nickelaluminiden“<br />
durchgeführt, das vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie<br />
gefördert wurde. Verbundpartner waren die Daimler-Benz Aerospace MTU München und<br />
die GfE Gesellschaft für Elektrometallurgie Nürnberg mbH (fachlich wurde das Projekt vom<br />
<strong>Projektträger</strong> PTJ-NMT in <strong>Jülich</strong> betreut).<br />
Im BMBF-Verbundvorhaben „Auslegung, Bau und Erprobung von -TiAl-Hohlschaufeln“<br />
(03N3034) erfolgte die Weiterentwicklung des Laserstrahl- und Linearreibschweißens zum<br />
Verbinden der intermetallischen Werkstoffe. In dieses MaTech-Verbundprojekt waren neben<br />
der Daimler-Benz Aerospace MTU München die Plansee AG Reutte, das GKSS Forschungszentrum<br />
Geesthacht, Daimler Benz Ulm, die TU Hamburg-Harburg und Daimler-Benz Dornier<br />
Friedrichshafen involviert.<br />
1.3.6.1. Motivation und Zielstellung<br />
Intermetallische Phasen auf der Basis der Titanaluminide werden als eine Alternative zu den<br />
schweren Nickelbasis-Superlegierungen und den leichten, aber spröderen Keramiken entwickelt.<br />
Mit den Titanaluminiden stehen dem Konstrukteur Werkstoffe auf der Basis intermetallischer<br />
Phasen zur Verfügung, die erhebliche Gewichtsreduzierungen und Einsatztemperaturen<br />
bis 700 °C ermöglichen. In der Automobil- sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie<br />
sind die Intermetallics vielversprechende Strukturmaterialien für Hochtempera-
72<br />
turanwendungen /4/. Für die Herstellung von TiAl-Bauteilen wie Ventile, Turboladerräder,<br />
Turbinenschaufeln, Verdichtergehäuse und Dichtungen u.a. sind feingusstechnische, umformtechnische<br />
und pulvermetallurgische Verfahren entwickelt worden. Prototypen dieser<br />
Bauteile sind durch gerichtete Erstarrung und durch Pulverformspritzen im Labor hergestellt<br />
worden.<br />
Um diese innovativen Werkstoffe beanspruchungsgerecht und wirtschaftlich einsetzen aber<br />
auch im Schadensfall instandsetzen zu können, ist es notwendig, die bisher zum Fügen eingesetzten<br />
Verfahren wie Diffusionsschweißen und Hochtemperaturvakuumlöten durch wirtschaftlichere<br />
Fügeverfahren zu ergänzen /5-6/. Als Schweißtechnologien für Bauteile kommen<br />
grundsätzlich auch Schweißverfahren wie das EB-Schweißen, das Laserstrahlschweißen,<br />
das WIG-Schweißen sowie das Reibschweißen in Frage.<br />
Im folgenden werden Untersuchungsergebnisse zum Rotations- und Linearreibschweißen<br />
sowie Laserstrahlschweißen von Titanaluminiden vorgestellt und bewertet. Untersucht wurden<br />
die intermetallischen Feingusswerkstoffe (at%) Ti48Al1,5Cr, Ti48Al2Cr2Nb und ein<br />
Blechwerkstoff Ti46,5Al4 (Cr, Nb, Ta, B).<br />
1.3.6.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Rotationsreibschweißen:<br />
Untersuchungen zur Schweißeignung dieser innovativen Werkstoffgruppe zeigen, dass das<br />
Reibschweißen ein geeignetes Fügeverfahren ist. Hochbelastete Bauteile können kostengünstig<br />
und wirtschaftlich hergestellt werden.<br />
Aufgrund des spröderen Werkstoffverhaltens der Titanaluminide gegenüber konventionellen<br />
Werkstoffen wie Stahl und Aluminium werden an die Parametereinstellung beim Reibschweißen<br />
intermetallischer Werkstoffe höhere Anforderungen gestellt. Insbesondere die Anreibphase<br />
ist sehr problematisch. Negativ wirken sich ein zu steiler Reibdruckanstieg und die<br />
teilweise noch mangelhafte Qualität des Probenmaterials aus. Spannungsspitzen, bedingt<br />
durch Grate an den Fügeflächen oder nicht plan geschliffene Proben, müssen vermieden werden.<br />
Die Belastungsgrenze dieser spröden intermetallischen Werkstoffe wird schnell erreicht.<br />
Es kommt zu Ausbrüchen und Rissen an der Fügeebene, die in der Folge zur vollständigen<br />
Zerstörung führen können. Voraussetzung für die Eignung von intermetallischen Werkstoffen<br />
zum Reibschweißen ist deshalb eine Reibschweißmaschine mit einem variablen Kraftaufbau.<br />
Es hat sich herausgestellt, dass eine feinstufige Kraftaufbringung wichtige Voraussetzung zur<br />
erfolgreichen Durchführung von Reibschweißungen an diesen wenig verformungsfähigen<br />
Werkstoffen ist.<br />
Problematisch beim Reibschweißen der intermetallischen Werkstoffe ist die erhöhte Rißbildungsneigung<br />
während der Abkühlung aufgrund der äußerst geringen Verformungsfähigkeit.<br />
Die während der Abkühlung entstehenden Spannungen können nur in einem geringen Maße<br />
durch eine Zwillingsbildung in Bereichen großer plastischer Verformungen abgebaut werden.<br />
Eine Folge davon ist die verstärkte Anrißbildung im Verlauf der Abkühlung in dem sich während<br />
des Reibschweißprozesses ausbildenden Wulst. Nach erfolgter Anrißbildung im Wulst<br />
können sich die Risse bis in die Fügeebene ausbreiten. Dieses sensible Werkstoffverhalten<br />
muß bei der Parametereinstellung und -optimierung berücksichtigt werden. Beispielsweise
73<br />
sollen zu starke Temperaturgradienten, bedingt durch hohe Abkühlgeschwindigkeiten, vermieden<br />
werden.<br />
Für die Reibschweißversuche steht in der SLV München die Maschine RS4E der Firma<br />
KUKA Schweißanlagen GmbH zur Verfügung (Abbildung 33). Die Drehzahl ist stufenlos<br />
zwischen 1500 und 6000 U/min regelbar. Die maximale Axialkraft beträgt dabei 40 kN.<br />
Abb.<br />
33: Reibschweißmaschine KUKA RS4E<br />
Elektro-mechanischer Vorschub, Anpreßkraft max. 40 kN<br />
Zeit- oder Wegsteuerung, Drehzahl 1500 - 6000 1/min<br />
Meßdatenerfassung über Controller und externes Speicheroszilloskop<br />
Titanaluminide können rißfrei rotationsreibgeschweißt werden. Das Gefüge in der Reibschweißzone<br />
ist poren- und rißfrei sowie sehr feinkörnig. Abbildung 34 zeigt eine reibgeschweißte<br />
Probe aus feingegossenem TiAl und einen Querschnitt über die Fügeebene.<br />
Der intermetallische Grundwerkstoff wird während des Reibschweißprozesses stark verändert.<br />
Das Reibschweißen wandelt das Feingussgefüge um, d.h. durch die Stauchumformung<br />
bei hohen Temperaturen ( 1.300 °C) und die hohe Umformgeschwindigkeit wird das Gefüge<br />
in -Titan umgewandelt, verformt und rasch abgekühlt. In der Fügezone zeigt sich dieser Effekt<br />
deutlich. Es bildet sich ein außerordentlich feinlamellares, rekristallisiertes 2 + - Umwandlungsgefüge.<br />
Durch die Variation der Reibschweißparameter lässt sich die Form des Umwandlungsbereiches<br />
verändern. Mit zunehmenden Reib- und Stauchdrücken sowie längeren Reibzeiten oder
74<br />
durch die Verringerung der Drehzahl wird die sich anfänglich bildende Linse zunächst breiter<br />
und geht allmählich in ein Band über.<br />
Reibgeschweißtes TiAl-Probenmaterial wurde hinsichtlich Streckgrenze, Duktilität, Kriech-<br />
und Ermüdungsfestigkeit bei Anwendungstemperaturen bis zu 700 °C untersucht.<br />
Ein Festigkeitsverlust der Reibschweißverbindung aus Ti48Al1,5Cr gegenüber dem Grundwerkstoff<br />
konnte nicht festgestellt werden. Die Zugfestigkeit der spannungsarmgeglühten<br />
Reibschweißverbindungen aus Ti48Al1,5Cr bei Raumtemperatur und erhöhten Temperaturen<br />
(700 °C) liegt im Streubereich der Kennwerte des Grundwerkstoffes (Rm (RT) = 456 MPa,<br />
Rm (700 °C) = 432 MPa).<br />
Übersicht Fügeebene<br />
Abb. 34: Reibschweißverbindung aus TiAl<br />
Signifikante Unterschiede zwischen ungeschweißtem und geschweißtem Material bestehen<br />
hinsichtlich der Dehnung. Der reibgeschweißte intermetallische Werkstoff zeigt sich insbesondere<br />
bei Raumtemperatur wesentlich spröder als der gegossene und anschließend geHIPte<br />
Grundwerkstoff. Während die Bruchdehnung der reibgeschweißten Zustände im Mittel bei<br />
1 % liegt, beträgt die Bruchdehnung des Grundwerkstoffs 1,6 %. Bei 700 °C erreichen die<br />
reibgeschweißten Zustände im Mittel 2,1 % und der Grundwerkstoff 3 %. Der Duktilitätsverlust<br />
ist vermutlich auf die Einschnürbehinderung der Schweißnaht und auf die trotz der Spannungsarmglühung<br />
verbleibenden Spannungen zurückzuführen.<br />
Es zeigt sich, dass zwischen der Kriechdehnung reibgeschweißter Proben (K = 0,10 %) und<br />
des Grundwerkstoffes (K = 0,11 %) keine Unterschiede bestehen (Kriechversuch bei 700 °C,<br />
= 150 MPa, t 1000 h, Luft). Die Zugschwellversuche (R = 0, max<br />
= 300 MPa, 1 Hz) wurden<br />
bei Raumtemperatur und bei 700 °C durchgeführt. Alle Prüfproben, sowohl die ungeschweißten<br />
als auch die geschweißten, erreichen die geforderte Zyklenzahl von 10 5 Lastwech-
75<br />
seln, ohne zu brechen. Diese Ergebnisse unterstreichen die hohe Ermüdungsfestigkeit des<br />
Materials.<br />
Die Härte des gegossenen und anschließend geHIPten intermetallischen Werkstoffes beträgt<br />
ca. 250 HV 1. In der Wärmeeinflusszone steigt die Härte kontinuierlich an und erreicht im<br />
Umwandlungsband den Höchstwert von 350 - 450 HV 1. Der Höchstwert ist abhängig von<br />
den Schweißparametern. Wird durch die Reibschweißparameter (n, pR, pSt, tR, BVZ, nSt) und<br />
die Randbedingungen (Einspannlängen, Rauhigkeit der Oberflächen) der Wärmeeintrag erhöht,<br />
verringert sich die Aufhärtung im Ti48Al1,5Cr aufgrund geringerer Abkühlgeschwindigkeiten.<br />
Hohe Stauchdrücke oder ein Stauchen in die rotierende Spindel führen zu einer<br />
hohen Verdichtung des Gefüges im Fügebereich. Als Folge können erhebliche Aufhärtungen<br />
bis 450 HV1 auftreten.<br />
Aber auch Werkstoffkombinationen mit Titanlegierungen und konventionellen hochwarmfesten<br />
Stählen sind möglich (Abbildung 35).<br />
Werden Titanaluminide mit der Titanlegierung Ti IMI 834 reibgeschweißt, finden vergleichbare<br />
Veränderungen hinsichtlich des Gefüges und der Aufhärtung statt.<br />
Da der intermetallische Fügepartner Ti48Al1,5Cr aufgrund seines komplizierten Gitteraufbaus<br />
gegenüber der Near--Titanlegierung Ti IMI 834 weniger verformungsfähig ist,<br />
sind die durch den Reibschweißprozess hervorgerufenen Verdichtungs- und Feinkornbereiche<br />
auf der Seite des Ti48Al1,5Cr deutlich kleiner. Die Wulstbildung erfolgt durch die Titanlegierung,<br />
der intermetallische Werkstoff wird dagegen nur aufgestaucht.<br />
Übersicht Fügeebene<br />
Abb. 35: Reibschweißverbindung aus TiAl und Ti IMI 834<br />
Reibschweißverbindungen der Werkstoffkombination Ti48Al1,5Cr/Ti IMI 834 besitzen eine<br />
hohe Festigkeit. Die Zugproben brechen in einem Abstand von ca. 10 mm von der Fügeebene<br />
in der intermetallischen Phase Ti48Al1,5Cr. Die Ergebnisse entsprechen den durchschnittli-
76<br />
chen Werten für den intermetallischen Grundwerkstoff Ti48Al1,5Cr, sowohl bei Raumtemperatur<br />
als auch bei 500 °C. Wegen der wesentlich größeren Duktilität des Ti IMI 834 im<br />
geprüften Temperaturbereich findet das Bauteilversagen immer in der spröderen intermetallischen<br />
Phase statt. Die Bruchdehnung der Reibschweißverbindung liegt mit 0,7 % bei Raumtemperatur<br />
(1,7 % bei 500 °C) wesentlich niedriger als die Dehnungswerte des intermetallischen<br />
Grundwerkstoffes mit 1,6 (3 % bei 700 °C). Ursache für das noch sprödere Verhalten<br />
sind die Einschnürbehinderung im Fügebereich und die zunehmenden Eigenspannungen im<br />
Bereich der Wärmeeinflusszonen.<br />
Abbildung 36 zeigt zusammenfassend eine Übersicht über die Festigkeit des ungeschweißten<br />
Werkstoffes (100 %) und die jeweilige Festigkeitssteigerung- oder Verminderung durch das<br />
Fügen in % bezogen auf die Festigkeit des ungeschweißten Werkstoffes.<br />
%<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
ungeschweißt reibgeschweißt<br />
reibgeschweißt mit Ti IMI 834 laserstrahlgeschweißt<br />
Streckgrenze Duktilität Kriechfestigkeit Ermüdungsfestigkeit<br />
Abb. 36: Relevante Eigenschaften reib- und laserstrahlgeschweißter sowie geglühter<br />
Verbindungen aus TiAl artgleich bei 700 °C und in Werkstoffkombination<br />
mit Ti IMI 834 bei 500°C<br />
Werkstoffkombinationen von TiAl-Legierungen und Ventilstählen können ebenfalls rissfrei<br />
reibgeschweißt werden. In Abbildung 37 ist ein reibgeschweißtes Ventil dargestellt. Beim<br />
Reibschweißen von Werkstoffkombinationen mit Stahl bilden sich während des Reibschweißprozesses<br />
aufgrund von Diffusionsvorgängen zwischen Stahl und TiAl spröde intermetallische<br />
Phasen wie TiFe und TiFe2 in der Fügeebene, die sich aufgrund ihrer geringen<br />
Verformungsfähigkeit negativ auf die Verbindungsfestigkeit auswirken können.
Abb. 37: Reibgeschweißtes Ventil<br />
Werkstoffkombination: Ventilteller aus TiAl, Ventilschaft aus X45CrSi9-3<br />
77<br />
Voraussetzung zur Erzeugung rissfreier Reibschweißverbindungen zwischen Stahl und TiAl<br />
ist deshalb die Minimierung von Diffusionsvorgängen zur Reduzierung dieser Sprödschichten<br />
über die Variation der Reibschweißparameter (u.a. Reibzeitminimierung).<br />
Eine sehr interssante Applikationsmöglichkeit für TiAl ist der Werkstoffeinsatz zur Herstellung<br />
von Turboladern (Abbildung 38).<br />
Abb. 38: Reibgeschweißtes Turboladerrad<br />
Werkstoffkombination: Schaufelrad aus TiAl, Schaft aus Stahl<br />
Linearreibschweißen:<br />
Grundlagenuntersuchungen zum Linearreibschweißen von -TAB-TiAl haben bisher keine<br />
zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht. Rißfreie Verbindungen können zum derzeitigen<br />
Entwicklungsstand noch nicht erzeugt werden. Bereits während der Reibphase kommt es trotz<br />
stufenförmigen Kraftanstiegs zum Einreißen des intermetallischen Werkstoffs im Fügebereich<br />
sowohl beim T-Stoß als auch beim I-Stoß. Optimierungen des Kraftanstiegs, der Parameter<br />
und der Verbesserung der Spanneinrichtungen können sich positiv auswirken (Abbildung 39).
78<br />
Abb. 39: Linearreibgeschweißte Probe aus TiAl<br />
Laserstrahlschweißen:<br />
Intermetallische Phasen auf der Basis von TiAl weisen eine sehr hohe Rissanfälligkeit beim<br />
Laserstrahlschweißen auf, wenn die Fügetemperaturen unterhalb des spröd-duktil-Übergangs<br />
liegen. Die sich aufgrund des steilen Temperaturgradienten während der Abkühlung ausbildenden<br />
Spannungen im Werkstoffverbund können lediglich bis zum spröd-duktil-Übergang<br />
bei ca. 600 °C über plastische Verformungen, hauptsächlich Zwillingsbildung, abgebaut werden.<br />
Unterhalb dieses kritischen Temperaturbereiches ist der Werkstoff dazu nur in einem<br />
geringen Maße in der Lage. Zur Erzeugung rissfreier Verbindungen ist es deshalb erforderlich,<br />
die Fügepartner auf Temperaturen im Bereich des spröd-duktil-Übergangs zu erwärmen.<br />
Die Untersuchungen zum Laserstrahlschweißen erfolgen auf einer Laseranlage des Typs TLF<br />
1750 der Firma Trumpf. Es handelt sich um einen hochfrequenzangeregten, axial schnell geströmten<br />
CO2-Laser mit einer Nennleistung von PL = 1750 W (Abbildung 40).<br />
Wesentlichen Einfluss auf die Nahtgüte der Laserstrahlschweißverbindung besitzen die Arbeitstemperatur,<br />
d.h. die Temperatur, auf die Fügepartner beim Schweißen erwärmt werden<br />
und die Schweißgeschwindigkeit. Die Arbeitstemperatur beeinflusst die Rissbildung, das Oxidationsverhalten,<br />
die Gefügeausbildung und die Porenbildung in den Laserstrahlschweißnähten.<br />
Der intermetallische Werkstoff Ti46,5Al4(Cr, Nb, Ta, B) kann bei Arbeitstemperaturen<br />
TArbeit 550 °C reproduzierbar rissfrei mit hoher Nahtgüte mit dem Laserstrahl gefügt werden<br />
(Abbildung 41).<br />
Die schlanken Laserstrahlschweißnähte weisen kaum Naht- und Wurzelüberhöhung auf. Auch<br />
Kerben sind kaum vorhanden. Lediglich vereinzelte Mikroporen (< 0,1 mm) können an der<br />
Schmelzlinie nachgewiesen werden. Aufgrund der vergleichsweise hohen Abkühlgeschwindigkeit<br />
ist die Gefügestruktur sehr feinkörnig. Dendriten sind kaum zu erkennen. Die<br />
Schmelzzonen bestehen aus einem homogenen Gussgefüge, aufgebaut aus den beiden intermetallischen<br />
Phasen 2 (Ti3Al) und (TiAl). Die Kristallstruktur ist bei tiefen Arbeitstemperaturen<br />
feiner ausgebildet. An die Schweißnaht schließt sich die wärmebeeinflusste Zone des
79<br />
Grundwerkstoffes an. In diesem Bereich sind verstärkt Zwillinge zu finden, die durch<br />
Schrumpfspannungen während der Abkühlung verursacht werden. Es zeigt sich, dass mit steigender<br />
Arbeitstemperatur die Oxidation der Schweißnähte deutlich zunimmt. Gleichzeitig<br />
dazu steigt die Porosität und der maximale Porendurchmesser innerhalb der Naht. Die sich bei<br />
einer Arbeitstemperatur von TArbeit 750 °C ausbildenden Oxidschichten sind porös und rissbehaftet.<br />
Sie wirken sich daher besonders negativ bei Beanspruchung aus.<br />
Abb.<br />
40: Trumpf CO2 – Laser und Bearbeitungseinheit<br />
PL eff. = 1600 W, f´ = 150 mm, Fokusdurchmesser ca. 0,2 mm<br />
Dauerstrichbetrieb (cw) und Pulsbetrieb (pm), Ringmod TEM01<br />
Durch die Variation der Schweißgeschwindigkeit wird die Nahtform, die Nahtgeometrie sowie<br />
das Nahtgefüge beeinflusst. Bei niedrigen Schweißgeschwindigkeiten (z.B.: s =1,2 mm,<br />
vS 4 m/min) entstehen infolge der geringeren Abkühlgeschwindigkeiten im Querschnitt Xförmige<br />
Schweißnähte, die im Vergleich zu den typischen schmalen Laserstrahlschweißnähten<br />
aufgrund der ungünstigeren Spannungsverteilung und der größeren Schrumpfung<br />
nachteilig sind. Die Erstarrungsrichtung und der Kristallstoß bilden sich stärker heraus.<br />
Mit steigender Schweißgeschwindigkeit werden die Schweißnähte zunehmend schlanker, das<br />
Gefüge feiner. Hohe Nahtgüten werden bei Schweißgeschwindigkeiten zwischen 4 und<br />
5 m/min mit Schweißtemperaturen zwischen 600 und 650 °C erreicht (Abbildung 41).<br />
Laserstrahlgeschweißtes TiAl-Probenmaterial wurde hinsichtlich Streckgrenze, Duktilität,<br />
Kriech- und Ermüdungsfestigkeit bei Anwendungstemperaturen bis zu 700 °C untersucht. Die<br />
Festigkeit des ungeschweißten Werkstoffes (100 %) und die jeweilige Festigkeitssteigerung-<br />
oder Verminderung durch das Fügen in % bezogen auf die Festigkeit des ungeschweißten<br />
Werkstoffes zeigt Abbildung 36.
Härte [HV1]<br />
550<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
s = 1,2 mm<br />
geätzt mit Titan I<br />
80<br />
-2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2<br />
Abstand von der Schweißnahtmitte [mm]<br />
Abb. 41: Übersicht und Härteverlauf über die Fügeebene der Laserstrahlschweißver-<br />
bindung aus Ti46,5Al4(Cr, Nb, Ta, B), vS = 5 m/min, TArbeit = 600 °C,<br />
Meßstelle: Probenzentrum<br />
Die relative Verminderung der Streckgrenze, Duktilität und Ermüdungsfestigkeit durch das<br />
Laserstrahlschweißen von TiAl-Blechen beträgt ca. 10 - 20 % gegenüber dem ungeschweißten<br />
Zustand. Die im Zugversuch beanspruchten Laserstrahlschweißverbindungen brechen in<br />
der Wärmeeinflusszone und in der Schweißnaht. Es werden Zugfestigkeiten von 338 bis<br />
397 MPa ermittelt. Die Werte liegen im Streubereich des Grundwerkstoffes (Rm = 343 MPa).<br />
1.3.6.3. Perspektiven<br />
Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass das Reib- und Laserstrahlschweißen für das<br />
Fügen von Titanaluminiden anwendbar ist. Die Festigkeit und Qualität der Schweißverbindung<br />
ist für die vorgesehenen Anwendungen ausreichend. Die Zugfestigkeit und Streckgrenze
81<br />
reibgeschweißter und anschließend geglühter Verbindungen liegt im Streubereich des intermetallischen<br />
Grundwerkstoffes. Die relative Verminderung der Duktilität und Ermüdungsfestigkeit<br />
durch das Rotationsreibschweißen von feingegossenen TiAl-Rundstäben und laserstrahlgeschweißten<br />
TiAl-Blechen beträgt ca. 10 – 33 % gegenüber dem ungeschweißten Zustand.<br />
Die Kriechfestigkeit wird durch das Rotationsreibschweißen um 20 % relativ zu der des<br />
Grundwerkstoffes erhöht. Titanaluminide sollen im Motoren- und Turbinenbau eingesetzt<br />
werden. Hinsichtlich der Fügetechnik stehen Verbindungen zwischen Ventilschaft und -teller<br />
sowie die Reparatur von Turbinengehäusen und Turbinenschaufeldeckbändern im Vordergrund.<br />
Werkstoffkombinationen von Titanaluminiden mit konventionellen hochwarmfesten Titanlegierungen<br />
und Stählen sind ebenfalls mit einer hohen Festigkeit herstellbar. Damit eröffnen<br />
sich interessante Applikationen in der Luft- und Raumfahrtindustrie und im Automobilbau.<br />
Die SLV München verfügt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet des Reibschweißens<br />
nicht nur für Titanaluminide durch ihre eigene Entwicklungstätigkeit, sondern auch durch ihre<br />
Zusammenarbeit mit Maschinenherstellern und Lohnbetrieben. Die Anwendungsentwicklungen<br />
des Reibschweißprozesses für Titanaluminide artgleich und in Werkstoffkombination mit<br />
Stahl durch die SLV München hilft bei der schnellen und wirtschaftlichen Einführung fortschrittlicher<br />
Produkte. Die positiven Ergebnisse der Grundlagenuntersuchungen und die zunehmende<br />
Erfahrung im Umgang mit diesen Werkstoffen haben dazu geführt, dass verschiedene<br />
Industriefirmen sich mit dieser Thematik beschäftigen. Hier sind die Marktchancen vielversprechend.<br />
1.3.6.4. Veröffentlichungen<br />
1. N. N.: Entwicklung des Reib- und Laserstrahlschweißens zum Fügen von Titan- und Nickelaluminiden.<br />
Abschlußbericht Nr. 07 3/685/62/56/93/19/ 94/13/95/96 der SLV München<br />
GmbH zum öffentl. geförd. Forschungsvorhabens im Rahmen des Förderprogrammes<br />
„Neue Werkstoffe in Bayern“.<br />
2. H. Cramer, A. W. E. Nentwig: Reibschweißen von Titanaluminiden, Innomata`96, Dresden<br />
(1996).<br />
3. H. Cramer, A. W. E. Nentwig, W. G. Smarsly: Reib- und Laserstrahlschweißen zum Fügen<br />
von Titanaluminiden im Triebwerksbau, Große Schweißtechnische Tagung`98, Hamburg<br />
(1998).<br />
4. Smarsly, W.: Singheiser, L.: Intermetallische Phasen-Werkstoffe für zukünftige Gasturbinen,<br />
VDI Berichte 1151 (1995).<br />
5. Horn, H.: Reibschweißen von Sonderwerkstoffen, DVS-Berichte, 162 (1994).<br />
6. Patterson, R.A.: Damkroger, B.K.: Weldability of Gamma Titanium Aluminide, Proc.<br />
Symp. On Welability of Materials, Detroit (1990).
82<br />
2. TiAl-Bauteile an der Schwelle zum Einsatz<br />
2.1. Förderzeitraum 1999 bis 2003:<br />
Mit dem im letzten Abschnitt 1.3.3. beschriebenen Vorhaben „Permanentkokillenguß-Prozeß<br />
für TiAl-Ventile“ förderte das BMBF ein Projekt mit einem besonders hohen Innovationsgehalt<br />
und abzusehenden positiven Auswirkungen auf die Automobilbranche nicht nur in<br />
Deutschland. Es zeichnete sich ab, dass sich durch die TiAl-Ventile neue Möglichkeiten für<br />
zukünftige Motorgenerationen im Hinblick auf eine nachhaltige Ressourcenschonung durch<br />
kompaktere und leistungsfähigere Aggregate (z.B. elektromagnetische Einzelansteuerung von<br />
Ventilen) erschließen würden. Auch auf internationaler Ebene fanden die erreichten Ergebnisse<br />
starke Beachtung, z.B. wurde das Projekt mit dem Toyota-Preis 1997 geehrt. Mit diesem<br />
MaTech-Projekt wurde ein weltweiter Vorsprung bei der Entwicklung eines Herstellungsverfahrens<br />
für die wirtschaftliche Massenherstellung von Automobilventilen aus Titanaluminid-<br />
Legierungen erzielt.<br />
Aufbauend auf diesen Ergebnissen kann dieser erreichte technologische Vorsprung nur durch<br />
eine zu errichtende <strong>Pilotanlage</strong> in Deutschland gehalten werden. Da aufgrund dieses Innovationspotenzials<br />
die leichten TiAl-Ventile dem Massenmarkt Automobilindustrie am Standort<br />
Deutschland zu gängig gemacht werden müssen (jeder Automobilhersteller arbeitet an neuen<br />
Motorkonzepten, wobei nur leichte Ventile zum Einsatz kommen können), wurde im Juli<br />
1999 ein neues Projekt begonnen, in dessen Mittelpunkt der Entwurf, die Entwicklung, der<br />
Bau und der Betrieb einer Pilotgießanlage stehen. Dieser nächste Schritt war für alle Beteiligten<br />
von großer Bedeutung, da nur auf dieser Basis Investitionsentscheidungen für den späteren<br />
Bau einer Produktionsanlage getroffen werden können.<br />
Nach Aussagen der am Verbund Beteiligten und der von NMT befragten Automobilhersteller<br />
ist der erreichte Vorsprung nur durch eine möglichst umgehend zu errichtende <strong>Pilotanlage</strong> in<br />
Deutschland zu nutzen und nur so kann die Basis für eine spätere Produktion in Deutschland<br />
gelegt werden. Nur mit Hilfe einer <strong>Pilotanlage</strong> lässt sich die Skalierbarkeit der Gießanlage auf<br />
industrielle Größe feststellen, die Legierung in Abhängigkeit von der Fertigung optimieren<br />
und der Preis der Ventile bei einer späteren Herstellung abschätzen. Sie ist damit Voraussetzung<br />
für nachfolgende Investitionsentscheidungen.<br />
Mit der Realisierung dieses neuen Verbundvorhabens (siehe Tabelle 5) soll ein neuer Herstellungsweg<br />
in Deutschland aufgezeigt und die leichten Ventile der deutschen Automobilindustrie<br />
für zukünftige Motorgenerationen verfügbar gemacht werden. Die Automobilindustrie<br />
unterstützt nachhaltig den Bau dieser Anlage am Standort der RWTH Aachen im Forschungszentrum<br />
ACCESS, da es ein erfolgversprechender Weg ist, das in den TiAl-Projekten erarbeitete<br />
Know-how mittelfristig in Deutschland in Produkte umzusetzen. Außerdem ist es gelungen,<br />
Ford, Opel, VW, BMW und Audi mit einem abgestimmten Arbeitsplan in dieses Vorhaben<br />
einzubinden. Diese Firmen bringen, ohne öffentliche Förderung, Leistungen in Höhe von<br />
0,8 Mio. € für Bauteiltests in Motorprüfständen ein. Außerdem sollen die Automobilfirmen<br />
eine beratende Funktion bzgl. der Definition des Pflichtenheftes und den Vorgaben zur Qualitätssicherung<br />
ausüben. Nur so kann der endgültige Einsatz von TiAl-Ventilen in zukünftigen<br />
Motorgenerationen beurteilt und eine Akzeptanz durch die Automobilindustrie erreicht werden.<br />
Die Projektarbeiten der Firmen werden durch ACCESS koordiniert. Der gegenwärtige<br />
Stand dieses MaTech-Entwicklungsvorhabens wird nachfolgend im Abschnitt 2.1.3. beschrieben.
Tabelle 5: Förderzeitraum 1999 bis 2003:<br />
Optimierung der Herstellverfahren für feingegossene Ventile und<br />
geschmiedete Turbinenschaufeln<br />
Förderkennzeichen<br />
01SF9826<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
1.002 T €)<br />
01SF9825<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
1.003 T €)<br />
03N3071<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
2.735 T €)<br />
03N3030<br />
(Förderanteil<br />
des BMBF:<br />
1.473 T €)<br />
Projekte<br />
Innovative Werkstoffsysteme<br />
zur Wirkungsgradsteigerung<br />
von stationären<br />
Gasturbinen und Flugtriebwerken<br />
(Teilprojekt:<br />
Titanaluminide)<br />
(Laufzeit:<br />
01.01.1999 – 31.12.2001)<br />
- „ -<br />
(Laufzeit:<br />
01.01.1999 – 30.06.2001)<br />
Optimiertes Gießverfahren<br />
zur Herstellung von<br />
Leichtbau-TiAl-Ventilen<br />
für Verbrennungsmotoren<br />
(Laufzeit:<br />
01.09.1999 – 31.08.2003)<br />
Entwicklung einer Umformtechnik<br />
für eine intermetallische<br />
Titan-<br />
Aluminidlegierung<br />
(Laufzeit:<br />
01.07.1999 – 30.06.2003)<br />
83<br />
Projektleiter<br />
(Federführer unterstrichen)<br />
F. Appel, GKSS Geesthacht<br />
W.J. Quadakkers, L. Singheiser,<br />
FZ <strong>Jülich</strong><br />
M. Blum, ALD Erlensee<br />
P. Busse, ACCESS Aachen<br />
H.-J. Laudenberg, K. Segtrop,<br />
TRW Barsinghausen<br />
B. Nacke, Uni Hannover,<br />
V. Güther, GfE Nürnberg<br />
Beteiligte Automobilindustrie:<br />
Audi, BMW, Ford, Opel, VW,<br />
P. Janschek, Thyssen Remscheid<br />
D. Roth-Fagaraseanu, Rolls-<br />
Royce Dahlewitz<br />
F. Appell, GKSS Geesthacht<br />
V. Güther, GfE Nürnberg<br />
M. Baumgärtner, Leistritz Nürnberg<br />
W. Hufenbach, TU Dresden<br />
siehe<br />
Abschnitt<br />
2.1.1.<br />
2.1.2.<br />
2.1.3.<br />
2.1.4.
84<br />
Neben den endkonturnah gegossenen TiAl-Ventilen wird ein erneutes, volkswirtschaftlich<br />
sehr wichtiges Verbundvorhaben mit dem Ziel, eine Hochtemperaturumformtechnologie für<br />
die Herstellung von Bauteilen aus TiAl-Legierungen zu entwickeln, gefördert. Mit dieser<br />
Entwicklung (Vorhabensbericht in Abschnitt 2.1.4.) sollen, vorgegeben durch den Anwender<br />
Rolls-Royce, die materialwissenschaftlichen Grundlagen für die Herstellung von Verdichter-<br />
Laufschaufeln für Flugtriebwerke erarbeitet werden. Rolls-Royce Deutschland ist bei der<br />
Entwicklung neuer Triebwerke der BR 700-Familie bzgl. Kühlluft- und Treibstoffeinsparung<br />
gezwungen, leichtere Werkstoffe u.a. für Turbinenschaufeln einzusetzen und hat deshalb<br />
größtes Interesse daran, geschmiedete oder stranggepresste TiAl-Laufschaufeln, die weltweit<br />
noch nicht auf den Markt sind, für den Hochdruckverdichter zur Verfügung zu haben. Die<br />
TiAl-Schaufeln besitzen aufgrund der geringen Dichte im Vergleich zu den zur Zeit eingesetzten<br />
Laufschaufeln aus Nickel-Basis-Superlegierungen ein besonders hohes Leichtbaupotenzial.<br />
Die intermetallische Verbindung -TiAl galt bis 1999 als nicht umformbar. Es waren in erster<br />
Linie Erkenntnisse aus den USA, dass eine gezielte Gefügeeinstellung und die mit der<br />
schwierigen Metallurgie von TiAl verbundenen Probleme am besten über die Hochtemperaturumformung<br />
und nicht durch Gusstechnologien beherrscht werden können. Entsprechend<br />
dem neuesten Stand der Erkenntnisse ist deshalb für hochbeanspruchte und sicherheitsrelevante<br />
Bauteile die Entwicklung und Anwendung von Hochtemperatur-Umformtechniken unumgänglich.<br />
Thyssen gelang in dem im Abschnitt 1.3.4. beschriebenen Projekt „Entwicklung einer<br />
Schmiedetechnologie zur Herstellung von Verdichter-Laufschaufeln aus -TiAl“ die rissfreie<br />
Umformung unter eng definierten Bedingungen bei hohen Temperaturen. Jedoch zeigte sich<br />
die Herstellung einer geschmiedeten TiAl-Turbinenschaufel mit der aufwendigen Herstellung<br />
des Vormaterials durch Hochtemperaturstrangpressen der Gussblöcke und anschließendem<br />
Entfernen der Kapsel als kompliziert und teuer. Um einen wirtschaftlichen Herstellungsweg<br />
von umgeformten TiAl-Bauteilen aufzeigen zu können und die erreichten Grundlagenergebnisse<br />
im Vorläuferprojekt in die Anwendung zu überführen, hat sich dieses weiterführende<br />
Projekt als zwingend notwendig erwiesen.<br />
Ein weiteres im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Titanaluminide zu lösendes Problem<br />
stellt sich nunmehr auch in der komplizierten Vormaterial-Herstellungstechnologie für die<br />
neue Generation von TiAl-Legierungen dar. Eine homogene Elementverteilung (die dritte<br />
Generation von TiAl-Legierungen setzt sich aus bis zu 8 Einzelelementen zusammen) muß<br />
auch bei wachsender Ingotgröße sichergestellt sein. Legierungsentwicklungen haben vor allem<br />
in den letzten Jahren gezeigt, dass ein ausgewogenes Eigenschaftspotenzial auf der<br />
Gleichmäßigkeit der chemischen Zusammensetzung über den gesamten Ingot hinweg beruht.<br />
Kennzeichnend für diese Situation ist, dass bislang keiner der großen US-amerikanischen<br />
Legierungsvormaterialhersteller bereit ist, -TiAl gemäß Kundenspezifikation verbindlich<br />
anzubieten (benutzen stets die Klausel „best effort“). Die Firma GfE in Nürnberg stellt sich<br />
dieser Herausforderung und ist in dem genannten Verbundvorhaben als Partner bemüht, eine<br />
Herstellungstechnologie zu entwickeln, die es gestatten soll, die Werkstoffe spezifikationsgerecht<br />
und preiswert im industriellen Maßstab herzustellen. Nach Aussagen der GfE sind zur<br />
Zeit die weltweiten Anfragen nach -TiAl-Vormaterial sehr groß.<br />
In den folgenden Abschnitten soll zunächst einleitend über den neuesten Stand der Legierungsentwicklung<br />
und den Oxidationsschutz von Titanaluminiden durch legierungstechnische<br />
Maßnahmen informiert werden. Es handelt sich hierbei um richtungsweisende Ergebnisse aus<br />
den vom BMBF geförderten „HGF-Strategiefonds-Projekten“ der letzten Jahre. Vor allem die
85<br />
Ergebnisse der Legierungsentwicklungen, durchgeführt im GKSS Forschungszentrum, fließen<br />
maßgebend mit in das noch laufende MaTech-Projekt „Entwicklung einer Umformtechnik für<br />
intermetallische -TiAl-Legierungen“ ein (siehe späterer Abschnitt 2.1.4.). Die erreichbaren<br />
extrem hohen Festigkeiten (verglichen mit denen der Nickel-Basis-Legierungen) bedeuten,<br />
dass zukünftig TiAl-Legierungen bei Temperaturen > 750°C nicht nur in Flugturbinen einsetzbar<br />
sind, sondern auch in stationären Gasturbinen und anderen Energiewandlungssystemen.<br />
2.1.1. Entwicklung von TiAl-Legierungen der 3. Generation<br />
Autoren: F. Appel, M. Oehring, GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Das GKSS Forschungszentrum beschäftigt sich seit 1990 mit Legierungsentwicklungen zu<br />
den Titanaluminiden. Von 1998 bis 2001 förderte das BMBF aus den sogenannten „Strategiefonds“<br />
das GKSS Forschungszentrum zum Thema Titanaluminide, um mit gezielter Grundlagenforschung<br />
die Legierungsentwicklungen weiter voranzubringen. Da innerhalb dieses<br />
BMBF-Fördervorhabens vom GKSS Forschungszentrum eine neue Generation von Titanaluminid-Legierungen<br />
entwickelt werden konnte, die gegenwärtig in andere BMBF-Projekte<br />
Einzug halten, soll einleitend über diese Arbeiten berichtet werden.<br />
Bei den sogenannten Strategiefonds-Projekten handelte es sich um Verabredungen des BMBF<br />
mit den Helmholtz-Zentren und dem HGF-Senat von 1998 bis 2001 bestimmte Forschungsvorhaben<br />
schwerpunktmäßig zu fördern (hier Thema:„Innovative Werkstoffsysteme zur Wirkungsgradsteigerung<br />
von stationären Gasturbinen und Flugtriebwerken“).<br />
2.1.1.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
Zur Durchsetzung von Leichbaukonzepten in Hochtemperaturtechnologien sind Werkstoffe<br />
mit hohen spezifischen Festigkeiten erforderlich, die zugleich temperatur- und korrosionsbeständig<br />
sind. Wie bereits gesagt wurde, bieten Titanaluminide aufgrund ihrer thermophysikalischen<br />
Eigenschaften hierfür besonders günstige Voraussetzungen.<br />
Mit Titanaluminiden sollen die etwa doppelt so schweren Nickelbasis-Superlegierungen in<br />
mittleren Temperaturbereichen um 700 °C ersetzt werden, an denen nach mehr als 40 jähriger<br />
Entwicklung ein sehr hoher Standard erreicht wurde. Gemessen daran sind die Titanaluminide<br />
der zweiten Generation vor allem hinsichtlich der Festigkeit und Kriechbeständigkeit unterlegen,<br />
selbst wenn diese Eigenschaften auf das spezifische Gewicht bezogen werden. Diese<br />
Verhältnisse werden durch Abbildung 42 verdeutlicht, in der die spezifischen Zugfestigkeiten<br />
von Titanaluminiden der zweiten Generation zusammen mit denen einiger konventionellen<br />
Hochtemperaturlegierungen dargestellt wurden.<br />
Ein Ausgleich dieses Festigkeitsdefizits würde ein massiveres Bauteildesign erfordern, wodurch<br />
der durch die Titanaluminide angestrebte Gewichtsvorteil allerdings wieder reduziert<br />
werden würde. Deutliche Designvorteile können mit Titanaluminiden also nur dann erwartet<br />
werden, wenn es gelingt, deren Festigkeitseigenschaften deutlich zu verbessern [1]. Ebenso<br />
wichtig ist es, die Anwendungstemperatur auf etwa 730 – 750 °C zu steigern, da hierdurch der<br />
Wirkungsgrad der Anlagen besonders günstig beeinflusst werden kann.
Abb. 42: Abhängigkeit der auf die Dichte bezogenen Streckgrenze von der Verfor-<br />
mungstemperatur für eine geschmiedete TiAl-Legierung der 2. Generation<br />
(1) und für die konventionellen Hochtemperatur-Legierungen IMI834 (2),<br />
René 95 (3), Inconel 718 (4) sowie IN713LC (5)<br />
86<br />
Im Hinblick auf diese Zielstellungen mussten in Titanaluminid-Legierungen zusätzliche Härtungsmechanismen<br />
implementiert werden, so dass die in Abbildung 42 dargestellten Kennwerte<br />
der konventionellen Hochtemperaturwerkstoffe nach Möglichkeit erreicht oder sogar<br />
übertroffen werden konnten. Bei Titanaluminiden besteht gegenüber konventionellen Werkstoffen<br />
die besondere Schwierigkeit darin, dass eine zusätzliche Versprödung des ohnehin<br />
schon bruchempfindlichen Werkstoffs vermieden werden muss.<br />
Titanaluminid-Werkstoffe sind bei den vorgesehenen Anwendungen in Gasturbinen bzw.<br />
Flugtriebwerken sehr aggressiven Medien ausgesetzt, was hohe Anforderungen an die chemische<br />
Beständigkeit des Materials stellt, denen die bisher verfügbaren Legierungen der zweiten<br />
Generation nur bedingt Rechnung tragen konnten. Für die angestrebte Erhöhung der Einsatztemperaturen<br />
ist daher auch eine deutliche Verbesserung der Beständigkeit gegenüber Oxidation<br />
und Korrosion bzw. die Entwicklung von geeigneten Schutzschichten erforderlich.<br />
Die hier skizzierten Zielstellungen waren Gegenstand des HGF-Strategiefondsprojekts „Innovative<br />
Werkstoffsysteme zur Wirkungsgradsteigerung von stationären Gasturbinen und Flugtriebwerken“.<br />
Die Thematik schließt alle wichtigen Aspekte der Herstellung und Charakterisierung<br />
von Legierungen und Beschichtungen ein und stellte somit eine komplexe Quer-
87<br />
schnittsaufgabe dar, an deren Bearbeitung die Forschungszentren DLR, FZJ, GKSS, HMI und<br />
FZK beteiligt waren. Die hierzu vereinbarte Arbeitsteilung ist in Abbildung 43 skizziert.<br />
Abb.<br />
43: Forschungskooperation innerhalb des HGF-Strategiefondsprojekts „Innovative<br />
Werkstoffsysteme zur Wirkungsgradsteigerung von stationären Gasturbinen<br />
und Flugtriebwerken, Teilprojekt Titanaluminide“<br />
2.1.1.2.<br />
Umsetzung und Ergebnisse<br />
Zur<br />
Festigkeitssteigerung wurden Mischkristalleffekte und Ausscheidungsreaktionen durch<br />
die Addition weiterer Legierungselemente eingesetzt. Bei intermetallischen Verbindungen,<br />
wie Titanaluminiden, sind die Einflüsse von ternären oder höheren Legierungselementen auf<br />
die mechanischen Eigenschaften jedoch sehr schwer absehbar. Durch zusätzliche Legierungselemente<br />
entstehen Abweichungen von der stöchiometrischen Zusammensetzung, außerdem<br />
wird die Ausdehnung der für die Gefügeausbildung maßgeblichen Phasenbereiche stark beeinflusst<br />
oder es werden sogar neue Phasen gebildet. Diese hier angedeuteten Prozesse hängen<br />
sehr stark davon ab, in welche Teilgitter der TiAl- bzw. Ti3Al-Matrix die Zusatzelemente<br />
eingebaut werden. Die Bevorzugung eines der beiden Teilgitter führt meist zu Änderungen<br />
der elektronischen Ladungsdichteverteilung und der Gitterkonstanten [2, 3], was sich sehr<br />
stark auf die Defektkonfigurationen und die mechanischen Eigenschaften auswirken kann.<br />
Erschwerend<br />
kommt hinzu, dass die Löslichkeit der 2- und -Phase für nichtmetallische Zusatzelemente,<br />
die meist zur Bildung von Ausscheidungen zulegiert werden, sehr unterschiedlich<br />
ist. Die Wirksamkeit von Ausscheidungsreaktionen hängt daher von der Konstitution des<br />
Gefüges und damit vom Aluminiumgehalt ab. Die hier betrachteten titanreichen Legierungen<br />
unterliegen bei der Herstellung umfangreichen Phasenumwandlungen und Ordnungsreaktio-
88<br />
nen, die sich aus den eben genannten Gründen ganz erheblich auf die Wirksamkeit von Härtungsmechanismen<br />
auswirken können. Das Implementieren von Härtungsmechanismen muss<br />
daher auch an die vorgesehenen Herstellungsverfahren angepasst werden.<br />
Aufgrund dieser sehr komplexen Verhältnisse wurden Mischkristalleffekte und Ausscheidungsreaktionen<br />
zunächst an übersichtlichen Legierungssystemen durch systematische Dotierungsreihen<br />
untersucht und mit den äquivalenten binären Legierungen verglichen. Hierbei<br />
wurde der in Abbildung 44 dargestellte Zyklus vielfach durchlaufen.<br />
Abb.<br />
44: Entwicklungszyklus zur Verbesserung der Festigkeitseigenschaften von<br />
Titanaluminid-Legierungen und eingesetzte Methoden<br />
Mit<br />
diesen aufwändigen Grundlagenuntersuchungen konnten Synergien zwischen Ausschei-<br />
dungsreaktionen, Mischkristalleffekten und Mikrostrukturen aufgefunden und für das Design<br />
von TiAl-Legierungen genutzt werden. Die hierzu parallel verlaufende Prozessentwicklung<br />
wurde frühzeitig in industrienahen Maßstäben durchgeführt, so dass die Übertragbarkeit der<br />
Ergebnisse auf technische Belange sichergestellt werden konnte.<br />
Ergebnisse:<br />
Aus<br />
der Entwicklung ist eine neue Klasse von TiAl-Legierungen (nachfolgend mit TNB be-<br />
zeichnet) hervorgegangen, die am internationalen Standard gemessen, eine Spitzenstellung<br />
einnimmt [4]. Die Legierungen lassen sich durch die allgemeine Zusammensetzung (in At.%)<br />
Ti-(44-47)Al-(5-10)Nb-(1-3)M-(0,5-1)X beschreiben, wobei M für metallische Elemente wie<br />
Cr, Ta, Mo, Er und W steht. Durch X werden Nichtmetalle wie B, Si und C vertreten, die zur<br />
Bildung von Ausscheidungsreaktionen zulegiert wurden. Die TNB-Legierungen zeichnen sich<br />
also gegenüber den bisher bekannten TiAl-Legierungen durch relativ hohe Nb-Gehalte aus.
89<br />
Das Niob wird in das Ti-Untergitter von (TiAl) und 2(Ti3Al) eingebaut [5], wobei die Kinetik<br />
der Lamellenbildung günstig beeinflusst und extrem feine Gefüge ausgebildet werden.<br />
Die TNB-Legierungen wurden zusätzlich durch Ausscheidungsdispersionen von Karbiden,<br />
Siliciden und Boriden gehärtet und verformen sich wesentlich homogener als konventionelle<br />
TiAl-Legierungen.<br />
Abb.<br />
45: Zugfestigkeiten von TNB-Legierungen:<br />
(a) Abhängigkeit der spezifische Streckgrenzen<br />
von der Verformungstemperatur für<br />
verschiedene TNB-Legierungen (2, 3) im Vergleich mit der Hochtemperatur-<br />
Titanlegierung IMI834 (4), den kommerziellen Superlegierungen René 95 (5), Inconel<br />
718 (6) und IN713LC (7) sowie einer geschmiedeten TiAl-Legierung der<br />
zweiten Generation mit der Zusammensetzung (At.%) Ti-47Al-2Cr-0,2Si (8).<br />
(b) Registrierkurve eines an einer Legierung TNB-V5 bei Raumtemperatur<br />
durchgeführten Zugexperiments.<br />
Der<br />
Werkstoff kann außerdem sehr schnell auf lokal auftretende Spannungskonzentrationen<br />
mit Zwillingsbildung reagieren, wodurch die Entstehung von Rissen unterdrückt wird. Die<br />
TNB-Legierungen sind daher trotz ihrer hohen Festigkeit auch bei Raumtemperatur noch<br />
recht gut verformbar, was sich durch plastische Zugdehnungen von teilweise mehr als 2 %<br />
ausweist (Abbildung 45a). Die Legierungen weisen gleichzeitig sehr hohe Zugfestigkeiten<br />
auf, die bei Raumtemperatur bei 1000 MPa liegen und an Titanaluminiden bisher nicht erreicht<br />
wurden. Sie sind damit in Bezug auf die spezifische Zugfestigkeit den derzeit gebräuchlichen<br />
Hochtemperaturlegierungen überlegen (Abbildung 45b).<br />
Durch<br />
den relativ niedrigen Diffusionskoeffizienten werden Klettervorgänge von Versetzungen<br />
und unerwünschte Strukturänderungen, die in konventionellen TiAl-Legierungen unter<br />
Kriechbelastung auftreten, sehr stark unterdrückt. Dies führt neben anderen Faktoren zu außergewöhnlich<br />
guten Kriecheigenschaften, die in Abbildung 46 in einer Larsen-Miller-<br />
Darstellung den Kriecheigenschaften einiger Superlegierungen gegenübergestellt sind. Danach<br />
können mit den TNB-Legierungen auch hinsichtlich der Kriecheigenschaften bei Anwendungstemperaturen<br />
zwischen 700 °C und 800 °C gegenüber den etablierten Hochtemperatur-Werkstoffen<br />
wie René 80 deutliche Designvorteile erreicht werden. In Bezug auf Hochtemperaturanwendungen<br />
kann darauf verwiesen werden, dass die TNB-Legierungen aufgrund
90<br />
ihrer relativ hohen Nb-Gehalte sehr gut oxidationsbeständig sind [6]. Sie stellen somit eine<br />
technisch attraktive Alternative zu den etwa doppelt so schweren Nickelbasis-<br />
Superlegierungen dar.<br />
Abb.<br />
46: Kriecheigenschaften von TNB-Legierungen;<br />
Vergleich mit einer konventionellen TiAl-Legierung<br />
Ti-48Al-2Cr (At.%) und<br />
dem kommerziellen Hochtemperaturwerkstoff René 80 durch eine Larson-Miller-<br />
Parameter(LPM)-Darstellung für die Dehnungen = 0,2 %, 0,5 % und 1 %<br />
2.1.1.3.<br />
Perspektiven<br />
Für<br />
die TNB-Legierungen konnten zwei Bereiche von Zusammensetzungen definiert werden,<br />
die Gegenstand der Patentanmeldungen Deutsches Patentamt, Aktenzeichen 1977 35 841.1<br />
und 100 58 155.2 sind. Für eine daraus ausgewählte Zusammensetzung (TNB-V5) wurde eine<br />
Lizenz vergeben. Eine besonders kriechbeständige Variante (TNB-V2) wird innerhalb des<br />
BMBF-Verbundprojekts "Entwicklung einer Umformtechnologie für intermetallische Gamma-Titanaluminid-Legierungen"<br />
zur Herstellung von Kompressor-Laufschaufeln für Flugzeugturbinen<br />
eingesetzt (siehe Abschnitt 2.1.4.).<br />
Die<br />
TNB-Legierungen wurden bisher in Form von Ingots bis zu 150 kg, als stranggepresstes<br />
Halbzeug und als Pulver hergestellt. Die Bauteilfertigung über Feingussverfahren steht noch<br />
aus, soll aber in einem neuen BMBF-Verbundprojekt "Entwicklung von Titanaluminid-<br />
Legierungen für die Bauteilfertigung über Gusstechnologien" erprobt werden.
2.1.1.4. Veröffentlichungen<br />
91<br />
1.<br />
F. Appel and R. Wagner, Mater. Sci. Eng. R22, 187 (1998).<br />
2.<br />
C. Woodward, S.A. Kajihara, S.I. Rao, and D.M. Dimiduk, in: Gamma Titanium Aluminides<br />
1999, eds. Y-W. Kim, D. M. Dimiduk, M.H. Loretto (TMS, Warrendale, PA, 1999),<br />
p. 49.<br />
3.<br />
M.H. Yoo and C.L. Fu, Metall. Mater. Trans. A, 29A, 49 (1998).<br />
4.<br />
F. Appel, M. Oehring and R. Wagner, Intermetallics, 8, 1283 (2000).<br />
5.<br />
C.J. Rossouw, C.T. Forwood, M.A. Gibson, and P.R. Miller, Phil. Mag. A74, 77 (1996).<br />
6.<br />
L. Singheiser, W.J. Quadakkers and V. Shemet, in: Gamma Titanium Aluminides 1999,<br />
eds. Y-W. Kim, D. M. Dimiduk, M.H. Loretto (TMS, Warrendale, PA, 1999), p. 743.<br />
Publikationen<br />
im Rahmen der Projekttätigkeit:<br />
U.<br />
Lorenz. M. Oehring, F. Appel, Effects of Dislocation Dynamics and Microstructure on<br />
Crack Growth Mechanisms in Two-Phase Titanium Aluminide Alloys. In: Intermetallics<br />
and Superalloys, Eds.: D.G. Morris, S. Naka and P. Caron, EUROMAT 99 – Volume 10,<br />
Wiley-VCH, Weinheim, 2000, Seiten 175-180.<br />
W.-J.<br />
Zhang, U. Lorenz and F. Appel, Recovery, Recrystallization and Phase Transformations<br />
During Thermomechanical Processing and Treatment of TiAl-Based Alloys, Acta<br />
mater. 48, 2803-2813 (2000).<br />
F.<br />
Appel, M. Oehring, R. Wagner, Novel Design Concepts for Gamma-Base Titanium<br />
Aluminide Alloys, Intermetallics 8, 1283-1312 (2000).<br />
F.<br />
Appel, U. Brossmann, U. Christoph, S. Eggert, P. Janschek, U. Lorenz, J. Müllauer, M.<br />
Oehring, and J.D.H. Paul, Recent Progress in the Development of Gamma Titanium Aluminide<br />
Alloys, Advanced Engeneering Materials 2, 699-719, (2000).<br />
F.<br />
Appel, Diffusion Assisted Dislocation Climb in Intermetallic Gamma TiAl, Materials<br />
Science and Engineering A317, 115-127 (2001).<br />
F.<br />
Appel and R. Wagner, Intermetallics: Titanium Aluminides. In: Encyclopedia of Materials:<br />
Science and Technology, Editors-in-Chief: K.-H.J. Buschow, R.W. Cahn, M.C.<br />
Flemings, B. Ilschner, E.J. Kramer, S. Mahajan, Pergamon, An imprint of Elsevier Science,<br />
Amsterdam, 2001.<br />
F.<br />
Appel, Advances in Intermetallic Titanium Aluminides. In: Materials for the Third Millenium,<br />
Eds.: R.K. Ray, V.S.R. Murthy, N.K. Batra, K.A. Padmanabhan, S. Ranganathan,<br />
Science Publishers Inc., Enfield, NH, 2001, pp. 145-173.<br />
F.<br />
Appel, Mechanistic Understanding of Creep in Gamma-Base Titanium Aluminide Alloys,<br />
Intermetallics, 9. 907 (2001).
92<br />
2.1.2. Beschichtungen für Titanaluminide<br />
Autor: W.J. Quadakkers, Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> IWV-2<br />
Innerhalb<br />
des unter 2.1.1. genannten Strategiefondsthema „Innovative Werkstoffsysteme zur<br />
Wirkungsgradsteigerung von stationären Gasturbinen und Flugtriebwerken“ ist dem FZ <strong>Jülich</strong><br />
unter anderem gelungen, neue oxidationsbeständige Schichtsysteme für Titanaluminide zu<br />
entwickeln, die es gilt, weiter zu verfolgen. Zunächst handelt es sich um Ergebnisse der<br />
Grundlagenforschung, die noch nicht in eine industrielle Anwendung überführt worden sind.<br />
2.1.2.1.<br />
Motivation und Zielsetzungen<br />
Beim<br />
Hochtemperatureinsatz von Bauteilen aus Titanaluminiden ist eine ausreichende Oxida-<br />
tionsbeständigkeit der Werkstoffe von großer Bedeutung. Der Oxidationsschutz konventioneller<br />
metallischer Werkstoffe beruht auf der Bildung von langsam wachsenden Deckschichten<br />
auf Cr- oder Al-Oxidbasis, die sich während des Hochtemperatureinsatzes auf den Werkstoffoberflächen<br />
ausbilden. Dies erreicht man, indem die Werkstoffe mit ausreichend hohen Anteilen<br />
von Cr bzw. Al legiert werden. Titanaluminide enthalten per Definition hohe Al-Gehalte<br />
und die Ausbildung schützender Deckschichten sollte damit gewährleistet sein. Jedoch zeichnen<br />
sich alle Titanaluminide durch eine hohe Löslichkeit von Sauerstoff aus, das insbesondere<br />
für Werkstoffe auf der Basis 2- sowie für die orthorhombischen Phasen gilt. In -TiAl ist die<br />
Sauerstofflöslichkeit wesentlich geringer, jedoch bildet sich auch bei diesem TiAl-Typ durch<br />
oxidationsbedingte Al-Verarmung in oberflächennahen Bereichen nach längeren Einsatzzeiten<br />
2-Phasenanteile. Die hohe Sauerstofflöslichkeit bewirkt, dass Al zu innerer Oxidation<br />
neigt und somit keine schützende Deckschicht aus Al-Oxid ausbildet. Stattdessen tendieren<br />
alle Titanaluminide zur Bildung von relativ schnell wachsenden Mischoxiden aus Ti- und Al-<br />
Oxid, was den Einsatz der Werkstoffe bei hohen Temperaturen wesentlich einschränkt.<br />
Es<br />
stellte sich heraus, dass durch legierungstechnische Maßnahmen die Oxidationsbeständig-<br />
keit verbessert werden kann. Insbesondere Niob-Zusätze führen zu einer Reduzierung der<br />
Oxidationsrate. Jedoch sind relativ hohe Niob-Zusätze erforderlich, um einen signifikanten<br />
Effekt zu bewirken, der zu einer Erhöhung der Dichte und ggf. einer Beeinflussung der mechanischen<br />
Eigenschaften führt.<br />
Ziel<br />
der Untersuchungen war es daher, Oxidationsschutzschichten zu entwickeln, die es erlauben,<br />
eine Komponente auf der Basis eines hochfesten Titanaluminids und eines Schichtwerkstoffs<br />
zu konstruieren, der nur die Funktion des Oxidationsschutzes ausübt.<br />
2.1.2.2.<br />
Umsetzung und Ergebnisse<br />
Der<br />
Einsatz von konventionellen Schutzschichtsystemen für den Hochtemperaturbereich, z.B.<br />
auf der Basis NiCoCrAlY, sind für Titanaluminide auf Grund der fehlenden physikalischen<br />
und chemischen Kompatibilität zwischen Schicht- und Grundwerkstoff nicht geeignet. Die<br />
Arbeiten konzentrierten sich daher auf die Entwicklung einer Al-oxidbildenden Schutzschicht<br />
auf TiAl-Basis. Durch die Ähnlichkeit in der chemischen Zusammensetzung der Schutzschicht<br />
und des Grundwerkstoffes ist somit eine ausgezeichnete Kompatibilität gewährleistet.
93<br />
Es wurden zwei Strategien zur Schutzschichtentwicklung verfolgt:<br />
Schichten<br />
auf der Basis Ti-Al-Cr(-N) mit Al-Anteilen von 44 bis 63% und Cr-<br />
Zusätzen von 6 – 22%:<br />
Durch die hohen Cr-Zusätze<br />
wird in diesen Schichten die Bildung der sauerstoffreichen<br />
2-Phase unterdrückt, wodurch auch nach langen Zeiten stabile Al-Oxid-Deckschichten<br />
bei Temperaturen bis zu 900°C gebildet werden. Die Schichten auf der Basis von Ti-Al-<br />
Cr-Y-N besitzen, neben einer exzellenten Oxidationsbeständigkeit bis 950°C, zusätzlich<br />
noch eine hohe Verschleiß- und Erosionsbeständigkeit, wie sie in Flugtriebwerken oder<br />
stationären Gasturbinen im Bereich des Verdichters erforderlich sind. Die stickstoffhaltigen<br />
Schichten erhalten durch das spezielle Herstellungsverfahren, bei dem Lichtbogenverdampfung<br />
mit einem Magnetron-Sputter-Verfahren kombiniert wird, eine optimierte<br />
Mikrostruktur, wobei sich die mechanischen Eigenschaften der sehr dünnen Einzelschich-<br />
ten günstig auswirken. Bei einer Einzelschichtdicke von unter einem Nanometer sind die<br />
Schutzschichten aus mehreren tausend Einzellagen aufgebaut. Die Schichtsysteme wurden<br />
über mehrere tausend Stunden auch bei zyklischer thermischer Beanspruchung erfolgreich<br />
getestet.<br />
Schichten auf der Basis Ti-Al-Ag mit Al-Anteilen von 46 bis 52% und Ag-Zusätzen<br />
von 1.5 – 2.5%:<br />
Die positive Wirkung<br />
der geringen Ag-Zusätze basiert auf einer Stabilisierung der sogenannten<br />
Z-Phase (ternäre Verbindung mit nomineller Zusammensetzung Ti5Al3O2) in der<br />
Verarmungszone unterhalb der oxidischen Deckschicht, wodurch die Bildung der 2-<br />
Phase im oberflächennahen Bereich verhindert wird. Als Grundlage für die Schichtent-<br />
wicklung wurde das Phasendiagramm Ti-Al-Ag untersucht und anschließend eine Oxida-<br />
tionskarte für Ti-Al-Ag-Legierungen erarbeitet. Hieraus wurden Zusammensetzungen für<br />
optimale Schutzschichten ausgewählt. Diese Zusammensetzungen wurden mittels<br />
Magnetron-Sputtern auf eine Reihe von hochfesten -Titanaluminiden aufgebracht. Die<br />
Schichtdicken betrugen 20 bis 50 µm.<br />
a)<br />
Z-phase<br />
Ti-50Al-2Ag<br />
-Al 2O 3<br />
2 µm<br />
b)<br />
Al 2O 3 Z-phase<br />
Ti-Al-Ag Ti-48Al-2Ag coating<br />
Abb.<br />
47: Deckschichtbildung nach 1000h Oxidation bei 1000°C in Luft:<br />
a) Ti-Al-Ag-Modelllegierung,<br />
b) mittels Magnetronsputtern hergestellte<br />
Ti-Al-Ag-Schicht<br />
2 µm
2.1.2.3. Perspektiven<br />
94<br />
An<br />
den beschichteten Proben erfolgten Auslagerungsversuche in Sauerstoff und Luft bei<br />
Temperaturen im Bereich 600 – 800°C. Ziel der Untersuchungen war es zu prüfen, ob die<br />
Oxidationskinetiken der Schichten ähnliche Werte lieferten, wie sie bei Grundlagenversuchen<br />
an den Modellegierungen beobachtet wurden (Abbildung 47). Außerdem wurde die Interdiffusion<br />
zwischen Grundwerkstoff und Schicht bis zu Zeiten von 2000h ermittelt, um hieraus<br />
die durch Interdiffusion bedingte Lebensdauerbegrenzung als Funktion der Schichtdicke und -<br />
Zusammensetzung auf verschiedenen Substratwerkstoffen vorhersagen zu können.<br />
Die<br />
Ergebnisse zeigten, dass die bei den Modellsystemen beobachtete Al-Oxidbildung auch<br />
bei den Beschichtungen sowohl bei isothermer als auch zyklischer Temperaturbelastung in<br />
verschiedenen Testgasen (Luft, Sauerstoff, Wasserdampf) bis zu den maximal erreichten<br />
Testzeiten von 2000h und Temperaturen bis zu 800°C erhalten blieb. Die Breite der Interdiffusionszone<br />
(Abbildung 48) war sehr stark von der Zusammensetzung des Substratwerkstoffs<br />
abhängig. Das Vorhandensein von refraktären Elementen (z.B. Nb, Ta) verlangsamte die Interdiffusion.<br />
Dieser Effekt wurde auch bei Versuchen an Ti-Al-Ag-Schichten auf Titan und<br />
Titanlegierungen beobachtet.<br />
Die<br />
neueren Untersuchungen befassen sich mit der Modifizierung der Zusammensetzungen<br />
der Ti-Al-Ag-Schichten, um die oxidationsbedingten Einsatzgrenzen auf Temperaturen oberhalb<br />
900°C zu erweitern.<br />
Die<br />
Grundlagenuntersuchungen werden somit fortgeführt. Mit entsprechenden Anwenderfirmen<br />
wurden erste Gespräche geführt.<br />
a)<br />
Ti-Al-Ag-Coating<br />
Ti-46Al-4(Cr,Nb,Ta,B)<br />
substrate alloy ,<br />
Al 2 O 3 -scale<br />
Z-Phase<br />
Interdiffusion<br />
zone<br />
10 µm<br />
Width of interdiffusion zone ( µm )<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Interdiffusion between Ti-Al-Ag coating<br />
and various substrate materials<br />
Ti-48Al-2Cr; 800°C<br />
Timetal CB; 600°C<br />
0<br />
0 200 400 600 800 1000 1200<br />
Time ( h)<br />
Titan; 700°C<br />
Ti-45Al-8Nb; 800°C<br />
Abb.<br />
48: a) Ti-Al-Ag-Schicht auf hochfester -TiAl-Substratlegierung nach Auslagerung<br />
bei 800°C in Luft,<br />
b) Typische zeitliche Entwicklung<br />
der Interdiffusionszone zwischen der<br />
Ti-Al-Ag-Schicht und verschiedenen Substratwerkstoffen während der Aus<br />
lagerung im Temperaturbereich von 600 bis 800°C.
2.1.2.4. Veröffentlichungen<br />
95<br />
V. Shemet, L. Niewolak, P. Ennis, L. Singheiser, W.J. Quadakkers; Oxidation Resistant<br />
-TiAl Based Alloys for Advanced Gas Turbine Components and Coating Systems,<br />
Parsons 2000 - Advanced Materials for 21st Century Turbines and Power Plant, Cambridge,<br />
UK, 3 - 7 July, 2000, Proceedings Eds. A. Strang, W. Banks, R. Conroy, G.<br />
McColvin, J. Neal, S. Simpson. University Press, Cambridge, U.K, ISBN 1-86125-<br />
113-0, p. 874-884.<br />
L. Niewolak, V. Shemet,<br />
A. Gil, E. Wessel, L. Singheiser, W.J. Quadakkers, Development<br />
of Alumina Forming Coatings for Titanium and Titanium Aluminides, 3rd Int.<br />
Symp. on Structural Intermetallics, Jackson Hole, Wyoming, USA, 23-27 Sept. 2001,<br />
Structural Intermetallics, Edts. K. Hemker, D. Dimiduk, H. Clemens, R. Dariola, H.<br />
Inui, J. Larsen, V. Sikka, M. Thomas, J. Whittenberger, The Minerals, Metals & Materials<br />
Society, 2001, p. 535-540.<br />
A.K. Tyagi, L. Niewolak, V. Shemet,<br />
U. Breuer, J.S. Becker, L. Singheiser, W.J.<br />
+<br />
Quadakkers, MCs -SIMS Studies of the Scale Formation on Alumina Forming -TiAl<br />
Alloys, Report Forschungszentrum <strong>Jülich</strong>, Jül-3821, Edt. J.S. Becker, November 2000,<br />
ISSN 0944-2952, p. 289-296.<br />
L. Niewolak, V. Shemet, A. Gil,<br />
L. Singheiser, W.J. Quadakkers, Alumina Forming<br />
Coatings for Titanium and Titanium Aluminides, Advanced Engineering Materials<br />
3(7) (2001) 496-500.<br />
L. Niewolak, V. Shemet,<br />
A. Gil, L. Singheiser, W.J. Quadakkers, Studies Concerning<br />
the Life Time of Alumina Forming Ti-Al-Ag Coatings, Workshop “Life Time Modelling<br />
of High Temperature Corrosion Processes”, EFC event 248, 22-23 Febr. 2001,<br />
Frankfurt, Proceedings in European Federation of Corrosion Monograph, Nr. 34, Edts.<br />
M. Schütze, W.J. Quadakkers, J. Nicholls, The Institute of Materials, London, 2001,<br />
ISSN 1354-5116, p. 297 – 310.<br />
Z. Tang, L. Niewolak, V. Shemet,<br />
L. Singheiser, W.J. Quadakkers, F. Wang, W. Wu,<br />
A. Gil, Development of Oxidation Resistant Coatings for -TiAl Based Alloys, Materials<br />
Science and Engineering, A328 (2002) 297-301.
96<br />
2.1.3. Bau einer <strong>Pilotanlage</strong> zur Massenfertigung von TiAl-Motorventilen<br />
Autor: P.Busse, ACCESS e.V.<br />
Die Partner des Vorhabens waren:<br />
- ACCESS e.V.<br />
- ALD Vacuum Technologies AG<br />
- BMW AG<br />
- GFE GmbH<br />
- TRW Deutschland GmbH<br />
- Institut für Elektrothermische Prozesstechnik, Universität Hannover<br />
- AUDI AG, BMW AG, Ford Forschungszentrum GmbH, Adam Opel AG, VW AG<br />
2.1.3.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
Im Rahmen des Vorläuferprojektes “Permanentkokillenguss zur Herstellung von TiAl-Ventilen“<br />
wurde ein neuer Gießprozess zur kostengünstigen Fertigung von TiAl-Ventilen entwickelt.<br />
Er zeichnet sich durch einen sehr hohen Integrationsgrad aus, da Legierungsaufbau,<br />
Schmelzen, Reinigen und Gießen in einem Arbeitsgang stattfinden. Erreicht wird dies durch<br />
die Integration eines modifizierten Kaltwand-Induktionstiegelofens (KIT) und einer beheizten<br />
metallischen Schleudergusskokille in einer Vakuumkammer.<br />
In einer entsprechenden Laboranlage gegossene Ventile weisen bereits im Gusszustand hervorragende<br />
Festigkeitseigenschaften auf. Streckgrenze, Zugfestigkeit und Dehnung liegen<br />
deutlich über den Anforderungen der Automobilhersteller. Dies wird auch durch einen erfolgreich<br />
abgeschlossenen Motortest über 500 Stunden dokumentiert.<br />
Trotz des großen Interesses der Automobilkonzerne finden TiAl-Ventile bei der Entwicklung<br />
neuer Motoren erst dann Berücksichtigung, wenn nachgewiesen wird, dass der neue Gießprozess<br />
das Potenzial für eine kostengünstige Massenproduktion bei gleichbleibend hoher<br />
Qualität besitzt. Die Erfahrungen aus der Laboranlage haben jedoch deutlich gemacht, dass<br />
mit dem Konzept einer nicht automatisierbaren mehrlagigen Topfkokille die Herstellung großer<br />
Stückzahlen nicht möglich ist.<br />
Ziel des bis Ende August 2003 laufenden Verbundvorhabens ist es, eine neue Versuchsanlage<br />
aufzubauen und zu betreiben, die letztlich die Qualifizierung des Gießprozesses als Massenherstellungsverfahren<br />
für kostengünstige TiAl-Ventile ermöglicht.<br />
Das Konzept einer solchen <strong>Pilotanlage</strong> wurde in Zusammenarbeit zwischen ALD und<br />
ACCESS entwickelt, Abbildung 49. Kernstück ist ein um die horizontale Achse drehendes,<br />
zweiteiliges Kokillengießrad mit 50 Gießnestern, welches das automatische Entnehmen der<br />
gegossenen Ventile zulässt und somit den kontinuierlichen Betrieb der Anlage ohne Brechen<br />
des Vakuums ermöglicht.
Abb. 49: Die bei ACCESS aufgestellte und optimierte <strong>Pilotanlage</strong> hat eine Jahres-<br />
kapazität von 600 000 Teilen.<br />
Der Betrieb der Anlage kann mit einer Person aufrechterhalten werden.<br />
97<br />
Zur Qualifizierung des Gießprozesses gehört auch die direkte motorische Erprobung der gegossenen<br />
Ventile in verschiedenen Otto- und Dieselaggregaten, die durch ihr Motorkonzept<br />
eine erhöhte thermische und mechanische Belastung der Ventile aufweisen. Um das Potenzial<br />
der TiAl-Ventile besser bewerten zu können, werden bei den fünf am Verbundvorhaben beteiligten<br />
Automobilkonzerne anders als bei bisherigen Motortests mit TiAl-Ventilen modifizierte<br />
d.h. den leichteren Ventilen angepasste Ventiltriebe eingesetzt. Untersucht wird neben dem<br />
Bauteillangzeitverhalten, die Ventildynamik, die auftretende Reibleistung, das Geräusch- und<br />
Vibrationsniveau, die Ventiltemperatur sowie Abgaskennwerte und das Potenzial zur Kraftstoffeinsparung.<br />
2.1.3.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Der Ablauf des Projektes lässt sich in drei Phasen unterteilen. Im Mittelpunkt der ersten Phase<br />
standen die Auslegung des Gießrades und die Konstruktion der Gesamtanlage. Gegenstand<br />
der zweiten Phase war der Aufbau der Anlage sowie die Entwicklung eines geeigneten Qualitätssicherungskonzeptes.<br />
In der dritten Phase wurde die Anlage in Betrieb genommen und<br />
notwendige Optimierungsarbeiten durchgeführt. Zurzeit werden Versuchsteile hergestellt und<br />
die Massenproduktion im Schichtbetrieb erprobt.<br />
Das neue Gießrad ist ein thermisch und mechanisch äußerst hoch beanspruchtes Bauteil, dargestellt<br />
in Abbildung 50. Da es sich um eine komplette Neuentwicklung handelt, wurden vor<br />
der eigentlichen Detailkonstruktion umfangreiche Analysen und Berechnungen bzw. Simulationsarbeiten<br />
auf Basis des Konzeptentwurfs von ALD und ACCESS durchgeführt. Ferner
98<br />
wurde bei ACCESS ein Wassermodell des Gießrades aufgebaut und erprobt. Mit Hilfe einer<br />
„Schnellen Kamera“ bzw. mitdrehenden CCD-Minikamera konnte der Prozessablauf überprüft<br />
und wesentliche Erkenntnisse für die Konstruktion gewonnen werden.<br />
Um die Qualität der Ventile aus dem Vorläuferprojekt zu erhalten, wurde bei der Auslegung<br />
des Gießrades darauf geachtet, dass die thermischen Bedingungen bei der Erstarrung der Ventile<br />
vergleichbar mit den Bedingungen in der Laboranlage sind. Ferner wurde unter Berücksichtigung<br />
technologischer, aber auch wirtschaftlicher Randbedingungen der Prozessablauf<br />
definiert.<br />
Auf Basis der Voruntersuchungen erfolgte die Konstruktion der Gesamtanlage bei ALD Vacuum<br />
Technologies AG. An die Fertigung der einzelnen Anlagenkomponenten schloss sich<br />
die Integration und Inbetriebnahme der <strong>Pilotanlage</strong> am Standort ACCESS an.<br />
Abb. 50: Im Zentrum des neu entwickelten Gießrades für den Abguss von 50 TiAl-<br />
Ventilen ist der Kaltwand-Induktions-Tiegel und der Gießtrichter zu erkennen.<br />
Ersten Probeabgüssen mit Aluminium, mit denen die grundsätzliche Funktionalität des Gießradprinzips<br />
unter Beweis gestellt werden konnte, folgten Abgüsse von TiAl. Hierzu wurde die<br />
Vorwärmung der Niobnester erprobt sowie mit instrumentierten Heizversuchen die Temperaturverteilung<br />
erfasst. Die Übertragung des Wärmehaushaltes von der Laborkokille auf das<br />
Gießrad gelang wie beabsichtigt. Die benötigte Aufheizzeit zur Einstellung des Temperaturprofils<br />
liegt bei ca. 8 Minuten, die Schmelzzeit des TiAl im KIT bei max. 15 Minuten.<br />
Nach Abschluss notwendig gewordener konstruktiver Anpassungsarbeiten konnte der automatische<br />
Betrieb der Gießanlage aufgenommen werden und die aus wirtschaftlicher Sicht<br />
angestrebte Taktzeit der Anlage von max. 30 Minuten ohne Einschränkung erreicht, ja sogar<br />
unterschritten werden. Daraus ergibt sich für die <strong>Pilotanlage</strong> eine Kapazität von 600 000 Tei-
99<br />
len pro Jahr im 3-Schichtbetrieb. Mittlerweile konnten mehr als 6000 Ventile ohne offensichtliche<br />
Verschleißerscheinungen in ein und derselben Kokille abgegossen werden.<br />
Während der Projektlaufzeit fanden weitere erfolgreiche Motortests mit TiAl-Ventilen aus<br />
dieser Gießlinie statt. Zur Durchführung der geplanten Untersuchungen werden jedem der<br />
beteiligten Automobilhersteller während der Projektlaufzeit 200 Versuchsteile zu Testzwecken<br />
zur Verfügung gestellt mit dem Ziel, das Potenzial des TiAl für die verschiedenen<br />
Motorkonzepte ausloten zu können und benötigte Informationen für die Auslegungen neuer<br />
Motorkonzepte mit leichten Ventilen zu gewinnen.<br />
Die Weiterverarbeitung der Ventile, wie z.B. das Abtrennen der Ventile vom Gießbaum, wurde<br />
bei ACCESS mittels Wasserstrahltechnologie etabliert und optimiert. Mit dieser Technik<br />
sind alle Voraussetzungen für ein kostengünstiges und schnelles Abtrennen der Ventile vom<br />
Gießbaum gegeben. Die Bearbeitung und Beschichtung der Rohlinge wird bei TRW Deutschland<br />
GmbH unter dem Gesichtspunkt der Massenherstellung erprobt, optimiert und bewertet.<br />
Das benötigte Ingotmaterial für den Gießprozess wird von der GFE GmbH in Nürnberg hergestellt.<br />
Neben der Rollen des Zulieferers werden schlüssige Recyclingkonzepte untersucht,<br />
mit dem Ziel, den Legierungspreis deutlich absenken zu können.<br />
Trotz der Verzögerungen während des Anlagenbaus und der Inbetriebnahme kann davon ausgegangen<br />
werden, dass das Projektziel bis Ende 2003 erreicht wird. Insbesondere liegen klare<br />
und belastbare Informationen zur Ermittlung der Kosten für TiAl-Ventile vor. Des weiteren<br />
kann aufgrund der technologischen Erfahrungen und der ermittelten Qualitätskriterien die<br />
schnelle Umsetzung in eine Massenfertigung sichergestellt werden.<br />
2.1.3.3. Perspektiven<br />
Der Bedarf an leichten Ventilen für Auto- und Motorradmotoren ist unumstritten. Ventile aus<br />
TiAl haben in zahlreichen Tests ihre Eignung und Potenzial unter Beweis stellen können.<br />
Falls die Kosten der neuen Gießroute nicht über den kalkulierten Kosten liegen und die Einsparmöglichkeiten<br />
bei der Bearbeitung der Ventile die höheren Materialkosten kompensieren,<br />
besteht berechtigte Hoffnung auf den Einsatz der Ventile im Großserienmaßstab.<br />
Der Aufbau einer entsprechenden Fertigungsstrecke lässt sich mit dem entwickelten Anlagenkonzept<br />
in angemessener Zeit umsetzen. Der zwischenzeitliche Bedarf kann durch die<br />
vorhandene <strong>Pilotanlage</strong> abgedeckt werden. Die benötigten Investitionsmittel halten sich im<br />
Rahmen, da die Bearbeitung der Rohlinge auf den vorhandenen Produktionsmaschinen<br />
durchgeführt werden kann.<br />
2.1.3.4. Veröffentlichungen<br />
M. Blum, G. Jarczyk, H. Scholz, S. Pleier, P. Busse, H.-J. Laudenberg, K. Stegtrop, R.<br />
Simon: Prototype Plant for the Economical Mass Production of TiAl-Valves. 5th<br />
International Conference on Structural & Functional Intermetallics (ICSFI 2000), 16-<br />
20 July 2000, Vancouver<br />
G. Jarczyk, M. Blum, P. Busse, H. Scholz, H.-J. Laudenberg, K. Segtrop: New casting<br />
technology for low-priced titanium-aluminide automotive valves. Inzynieria materialowa<br />
120 (2001) 1, p. 46-49.
100<br />
M. Blum, P.Busse, H. G. Fellmann, H. Franz, G. Jarczyk, T. Ruppel, K. Segtrop, H.-J.<br />
Laudenberg: Commissioning of a prototype plant for the economical mass production<br />
of TiAl-valves. Structural Intermetallics 2001, ed. by K. J. Hemker, Warrendale :<br />
TMS, 2002, p. 131-135.<br />
2.1.4. Umformtechnologien für hochfeste TiAl-Legierungen der 3. Generation<br />
Autoren: F. Appel, M. Oehring, GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Die Partner des Verbundvorhabens waren:<br />
- Thyssen Umformtechnik Turbinenkomponenten GmbH, Remscheid;<br />
- Rolls-Royce Deutschland GmbH, Dahlewitz;<br />
- GfE Metalle und Materialien GmbH, Nürnberg;<br />
- Leistritz AG, Nürnberg;<br />
- GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
- Unterauftragnehmer: Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik, TU Dresden; Lehrstuhl<br />
Metallkunde und Werkstofftechnik, BTU Cottbus;<br />
2.1.4.1. Motivation und Zielsetzungen<br />
Die Entwicklung einer Schmiedetechnologie zur Herstellung von TiAl-Turbinenschaufeln<br />
war bereits Gegenstand eines BMBF-Vorhabens gewesen, über das in Abschnitt 1.3.4. berichtet<br />
wurde. In diesem Vorhaben konnte die Anwendbarkeit der eingeschlagenen Herstellroute<br />
eindeutig nachgewiesen werden, was sich in der Herstellung von ca. 200 fehlerfreien Verdichterschaufeln<br />
manifestiert hat.<br />
Neben dieser erfolgreichen Bilanz haben sich jedoch verschiedene Probleme gezeigt, die einer<br />
Serienfertigung von Titanaluminidbauteilen für sicherheitsrelevante Anlagen noch im Wege<br />
stehen. Hierzu zählt die unzulängliche Qualität von großen Gussblöcken von etwa 250 kg<br />
Gewicht. Die Probleme liegen hier in nicht zu tolerierenden Abweichungen von der Soll-<br />
Zusammensetzung, im Auftreten von Mikro- und Makroseigerungen sowie in der Bildung<br />
von Rissen und Lunkern.<br />
Diese Qualitätsprobleme ließen sich mit den bisherigen amerikanischen Lieferanten nicht<br />
lösen, weshalb ein deutscher Rohmaterialproduzent in ein Nachfolgeprojekt einbezogen wurde,<br />
um entsprechende Entwicklungsarbeiten durchführen zu können.<br />
Ein weiteres Problem der bis dahin entwickelten Schmiedetechnologie waren die hohen Herstellkosten,<br />
denen zum einen durch die Übertragung der erprobten Primärumformverfahren<br />
auf Ingots mit mindestens 80 kg Gewicht begegnet werden sollte, zum anderen durch die<br />
Entwicklung von CFK-armierten Schmiedegesenken, um die sehr teuren und schnell verschleißenden<br />
Gesenke auf Molybdän-Basis zu vermeiden.<br />
Weiterhin bestand sehr großes Interesse bei der in das Vorgängerprojekt eingebundenen Anwenderfirma<br />
Rolls-Royce Deutschland, auch für die neuentwickelten TiAl-Legierungen der 3.<br />
Generation eine industrielle Umformtechnologie zu entwickeln, da diese Legierungen eine<br />
Erweiterung des Einsatzspektrums von TiAl-Legierungen im Flugtriebwerk erwarten ließen.
101<br />
Dabei war abzusehen, dass sowohl die beträchtliche Warmfestigkeit als auch die erhöhte Gefügestabilität<br />
dieser Legierungen die Umformeigenschaften negativ beeinflussen würden und<br />
daher die Prozessbedingungen neu zu ermitteln waren.<br />
Ziel des hier dargestellten Vorhabens ist aus diesen Gründen, für die Legierungen der 3. Generation<br />
eine wirtschaftliche und über alle Prozessstufen sicher beherrschbare Umformtechnologie<br />
zu entwickeln.<br />
2.1.4.2. Umsetzung und Ergebnisse<br />
Für das Projekt waren zwei Umformrouten vorgesehen:<br />
Die erste Route sollte aus dem Strangpressen eines ganzen Ingots auf einer industriellen Presse<br />
sowie der nachfolgenden mechanischen Fertigung von Schaufelvorformen und ihrer abschließenden<br />
Formgebung durch elektrochemisches Senken bestehen.<br />
In der zweiten Route sollte nach dem Primärumformen durch Isothermschmieden oder<br />
Strangpressen eine Vorformscheibe in Gesenke geschmiedet werden, aus der dann Schaufelrohlinge<br />
getrennt und diese anschließend in die Endform geschmiedet werden sollten.<br />
Für das Vorhaben wurden 2 Legierungen gewählt: die -TAB-Legierung, deren Umformverhalten<br />
gut bekannt war, und eine der im GKSS Forschungszentrum neu entwickelten, Nbreichen,<br />
aushärtbaren Legierungen - TNBV2 - , mit der sich Festigkeiten über 1000 MPa und<br />
exzellente Kriechfestigkeit erreichen lassen.<br />
Ermittlung von Umformfenstern:<br />
Mit reibungsfreien Zylinderstauchversuchen wurden in einer systematischen Studie die Umformeigenschaften<br />
von Ingotmaterial und von stranggepresstem Material der TNBV2-<br />
Legierung untersucht, um geeignete Prozessfenster bestimmen zu können. Die aufgenommenen<br />
Fließkurven (Abbildung 51) und begleitende metallographische Untersuchungen zeigten,<br />
dass diese Legierung eine beträchtliche Warmfestigkeit aufweist und nur langsam rekristallisiert.<br />
Insbesondere für Ingotmaterial müssen möglichst Temperaturen oberhalb 1150 C angewendet<br />
werden, um ausreichend rekristallisierte Gefüge zu erreichen.<br />
Aus diesen Untersuchungen ließen sich optimale Umformbedingungen ableiten, wobei für die<br />
TNBV2-Legierung geringe Umformgeschwindigkeiten und noch höhere Umformtemperaturen<br />
als für andere TiAl-Legierungen gewählt werden müssen und deshalb die<br />
Grenztemperatur der Gesenke auf Molybdän-Basis erreicht wird.
(MPa)<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
102<br />
100<br />
1050 °C<br />
1100 °C<br />
1150 °C<br />
0<br />
0.0 0.2 0.4<br />
1200 °C<br />
0.6 0.8<br />
Umformgrad <br />
950 °C<br />
1000 °C<br />
Abb. 51: In reibungsfreien Zylinderstauchversuchen an Ingotmaterial<br />
der TNBV2-Legierung für eine wahre Umformgeschwindigkeit<br />
von 1 · 10 -3 s -1 ermittelte Fließkurven.<br />
Primärumformung:<br />
Das Heißstrangpressen war im Vorgängerprojekt an Rohlingen mit einem Durchmesser von<br />
65 mm durchgeführt worden und hatte sich als geeignetes Verfahren herausgestellt, um zuverlässig<br />
Material mit völlig rekristallisierten Gefügen herzustellen. Um die Wirtschaftlichkeit<br />
des Verfahrens zu erhöhen, sollte das Verfahren nun auf das Umformen ganzer Ingots mit<br />
Durchmesser 220 mm übertragen werden, wofür eine industrielle Presse mit einer Kapazität<br />
von mindestens 30 MN erforderlich ist. Wegen des deutlich geänderten Wärmehaushalts der<br />
viel größeren Rohlinge war eine Anpassung des verwendeten Kapseldesign erforderlich. Für<br />
die Strangpressversuche wurden zwei unterschiedliche Matrizengeometrien gewählt, da für<br />
die reine Strangpressroute Halbzeug mit rechteckigem Querschnitt optimal ist, während für<br />
das Schmieden der Vorformscheiben zylinderförmiges Material benötigt wird.<br />
Ein großer Vorteil des Strangpressverfahrens liegt darin begründet, dass die Umformtemperatur<br />
oberhalb einer Minimaltemperatur beliebig gewählt werden kann und daher die Gefügeeinstellung<br />
zwischen globularen und feinen lamellaren Gefügen variiert werden kann. Daher<br />
wurden für die Strangpressungen unterschiedliche Temperaturen im ( + )- oder im -Gebiet<br />
gewählt. Bei allen der bisher durchgeführten 6 Strangpressungen konnten völlig fehlerfreie<br />
Stränge einer Länge zwischen 4 m und 8 m hergestellt werden (Abbildung 52). Die Gefüge<br />
im extrudierten Material waren feinkörnig globular bzw. nahezu lamellar (Abbildung 53),<br />
wobei die Streifigkeit nur gering ausgeprägt war. Dies ist auf die verbesserte chemische Homogenität<br />
des Materials zurückzuführen, die von der Fa. GfE in Nürnberg inzwischen erreicht
103<br />
wird. Insgesamt ist das Heißstrangpressen als wirtschaftliches und routinemäßig einsetzbares<br />
Umformverfahren zu bezeichnen, mit dem völlig rekristallisierte, auf die jeweilige Herstellroute<br />
angepasste Gefüge eingestellt werden können.<br />
Abb. 52: Strangabschnitte der TNBV2-Legierung, die durch Strangpressen ganzer<br />
Ingots hergestellt wurden.<br />
Abb. 53: Gefüge nach dem Strangpressen von Ingotmaterial der TNBV2-Legierung<br />
Für eine Strangpresstemperatur im ( + )-Gebiet (a) bzw. oberhalb der<br />
-Transus-Temperatur (b).
104<br />
Für die reine Strangpressroute war vorgesehen, durch mechanische Bearbeitung Rohlinge aus<br />
den Strängen zu fertigen und aus diesen dann nach einer abschließenden Wärmebehandlung<br />
durch elektrochemisches Senken die Verdichter-Laufschaufeln herzustellen. Dabei lässt sich<br />
die Anisotropie der mechanischen Eigenschaften in stranggepresstem Material nutzen. Obwohl<br />
die Textur nach dem Strangpressen relativ schwach ist, hat sie eine signifikant höhere<br />
Festigkeit und Bruchzähigkeit für eine Belastung in Strangpressrichtung zur Folge. Dies lässt<br />
sich auf die ausgeprägte Anisotropie der lamellaren Gefüge zurückführen, die sowohl für Versetzungen<br />
als auch für die Rissausbreitung starke Hindernisse darstellen.<br />
Bei der Fa. Leistritz AG wurden geeignete Parameter für die mechanische Bearbeitung des<br />
extrudierten Materials ermittelt, wobei ein beträchtlicher Aufwand erforderlich war, um ausreichende<br />
Schnittgeschwindigkeiten für diesen hochfesten Werkstoff zu erhalten. Inzwischen<br />
wurden Schaufelrohlinge mit einer Ausrichtung in Strangpressrichtung aus einigen Metern<br />
extrudierten Materials gefertigt (Abbildung 54) und befinden sich zur Zeit in der Endbearbeitung<br />
durch ECM (elektrochemisches Senken in Abschnitt: 1.3.4).<br />
Abb. 54: Mechanisch gefertigte Schaufelrohlinge aus stranggepresstem<br />
Material der TNBV2-Legierung.<br />
Isothermschmieden:<br />
Im Gegensatz zum Vorgängerprojekt wurde ein Stadiengang gewählt, mit dem sich im ersten<br />
Schmiedeschritt bereits mehrere Rohlinge für das anschließende Fertigschmieden herstellen<br />
lassen. Um den Stadiengang optimal auszulegen, wurden wieder alle Schmiedeschritte mit<br />
FE-Rechnungen simuliert, wobei die gemessenen Fließkurven als Eingangsgrößen dienten.<br />
Für das Schmieden der Mehrfach-Vorformen wurden dann zylindrische Rohlinge aus stranggepresstem<br />
Material verwendet, die je einen Durchmesser und eine Höhe von 70 mm aufwiesen.<br />
Diese ließen sich rissfrei in die Gesenke schmieden, wobei die Stege zwischen den
105<br />
Schaufel-Vorformen auf eine Dicke von einigen Millimetern, d. h. bis auf Umformgrade von<br />
mehr als 90 % in einem Schritt geschmiedet wurden (Abbildung 55).<br />
Das Formänderungsvermögen des Materials ist unter den angewendeten Bedingungen also<br />
ausgesprochen gut, was sicher auf die Feinheit und Homogenität des Gefüges im Ausgangsmaterial<br />
dieser schwierig umzuformenden Legierung zurückzuführen ist. Nach dem Schmieden<br />
wird eine weitere Zunahme der Homogenität des Gefüges festgestellt, das dann praktisch<br />
völlig frei von der gewöhnlich in TiAl-Legierungen zu beobachtenden Streifigkeit ist (siehe<br />
Abbildung 56).<br />
Abb. 55: Geschmiedete Mehrfachvorform aus stranggepresstem Material der<br />
TNBV2-Legierung.<br />
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind in diesem noch laufenden Vorhaben noch keine Schaufeln<br />
geschmiedet worden. Vorversuche zum Schmieden an der TU Dresden zeigten, dass mit<br />
CFC-Gesenken eine sehr gute Maßhaltigkeit zu erzielen ist und das angestrebte Präzisionsschmieden<br />
möglich sein sollte. Weiterhin zeigten diese Versuche, dass mit CFC-Gesenken die<br />
Schmiedetemperatur noch beträchtlich erhöht werden kann. Dies ist im Hinblick auf das<br />
Schmieden der Vorformscheiben interessant, da hier die Maximalkraft der Presse erreicht<br />
wird. Inzwischen liegt ein von der TU Dresden hergestelltes CFC-armiertes Gesenk bei Thyssen<br />
vor und das Schaufelschmieden kann nun mit diesem Gesenk durchgeführt werden.
106<br />
Abb. 56: Gefüge nach dem Schmieden von stranggepresstem Material<br />
der TNBV2-Legierung.<br />
2.1.4.3. Perspektiven<br />
Obwohl das Vorhaben noch nicht abgeschlossen ist, haben die bisher entwickelten Umformtechnologien<br />
bei Anwendern Interesse gefunden. Die Fa. Thyssen Umformtechnik Turbinenkomponenten<br />
GmbH hat von einem Flugturbinenhersteller eine Anfrage über das Schmieden<br />
einer großen Zahl von Niederdruckturbinenschaufeln einer Länge von 230 mm erhalten. Ein<br />
erteilter Auftrag könnte mit der heute vorliegenden Technologie erfüllt werden. GKSS hat<br />
bislang Industrieaufträge im Umfang von insgesamt mehreren 100 TDM durchgeführt bzw.<br />
erhalten, in denen für verschiedene Firmen hochfeste Legierungen der 3. Generation zu<br />
stranggepresstem Halbzeug verarbeitet wurden. Es kann in jedem Fall festgehalten werden,<br />
dass die nun weit fortgeschrittenen Umformtechnologien eine wesentliche Voraussetzung für<br />
den Einsatz von hochbeanspruchten sicherheitsrelevanten Bauteilen aus TiAl-Legierungen<br />
darstellt.<br />
2.1.4.4. Veröffentlichungen<br />
M. Oehring, U. Lorenz, F. Appel, D. Roth-Fagaraseanu, in: Structural Intermetallics 2001,<br />
hrsg. v. K.J. Hemker, D.M. Dimiduk, H. Clemens, R. Darolia, H. Inui, J.M. Larsen, V.K.<br />
Sikka, M. Thomas, J.D. Whittenberger (TMS, Warrendale, PA, 2001), S. 157.<br />
D. Roth-Fagaraseanu, S. Jain, W. Voice, A. Se, P. Janschek, F. Appel, in: Structural Intermetallics<br />
2001, hrsg. v. K.J. Hemker, D.M. Dimiduk, H. Clemens, R. Darolia, H. Inui,<br />
J.M. Larsen, V.K. Sikka, M. Thomas, J.D. Whittenberger (TMS, Warrendale, PA, 2001),<br />
S. 241.
107<br />
J. Lindemann, D. Roth-Fagaraseanu, L. Wagner, in: Structural Intermetallics 2001, hrsg.<br />
v. K.J. Hemker, D.M. Dimiduk, H. Clemens, R. Darolia, H. Inui, J.M. Larsen, V.K. Sikka,<br />
M. Thomas, J.D. Whittenberger (TMS, Warrendale, PA, 2001), S. 323.<br />
V. Güther. R. Joos, H. Clemens,in: Structural Intermetallics 2001, hrsg. v. K.J. Hemker,<br />
D.M. Dimiduk, H. Clemens, R. Darolia, H. Inui, J.M. Larsen, V.K. Sikka, M. Thomas,<br />
J.D. Whittenberger (TMS, Warrendale, PA, 2001), S. 167.<br />
F. Appel, M. Oehring, J.D.H. Paul, U. Lorenz, in: Structural Intermetallics 2001, hrsg. v..<br />
K.J. Hemker, D.M. Dimiduk, H. Clemens, R. Darolia, H. Inui, J.M. Larsen, V.K. Sikka,<br />
M. Thomas, J.D. Whittenberger (TMS, Warrendale, PA, 2001), S. 63.<br />
U. Brossmann, M. Oehring, F. Appel, in: Structural Intermetallics 2001, hrsg. v. K.J.<br />
Hemker, D.M. Dimiduk, H. Clemens, R. Darolia, H. Inui, J.M. Larsen, V.K. Sikka, M.<br />
Thomas, J.D. Whittenberger (TMS, Warrendale, PA, 2001), S. 191.<br />
U. Brossmann, M. Oehring, U. Lorenz, F. Appel, H. Clemens, Z. Metallkd. 92, 8 (2001).<br />
U. Lorenz, M. Oehring, F. Appel, in: EUROMAT 2001, Symp. Intermetallics, veröffentlicht<br />
als CD (Associazione Italiana di Metallurgia, Mailand, 2001).
108<br />
3. Bewertungen des Einsatzes von TiAl-Bauteilen<br />
3.1. Zulieferindustrie<br />
Thyssen:<br />
L.Knippschild, P.Janschek, ThyssenKrupp Automotive AG<br />
Bei unseren Überlegungen zum Einsatz von TiAl-Bauteilen gehen wir von einer deutlichen<br />
Zunahme des Individual- und Luftverkehrs in den nächsten Jahren aus. Vor diesem Hintergrund<br />
sind wir als ein bedeutender Zulieferant der Automobil- und Luftfahrtindustrie bestrebt,<br />
einen entsprechenden Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffemission zu leisten. Konkret<br />
wollen wir mit der Weiterentwicklung von neuen Werkstoffen unsere technischen Möglichkeiten<br />
einsetzen, um der steigenden Kohlendioxydemission entgegen zu wirken und auch die<br />
Ressourcen fossiler Brennstoffe zu schonen, so dass auf diese Weise der Verbrauch in Triebwerken<br />
und Kraftfahrzeugen weiter deutlich gesenkt werden kann. Durch den Einsatz von<br />
TiAl-Bauteilen im Kraftfahrt- und Luftfahrtbereich sehen wir gute Chancen zur konsequenten<br />
Umsetzung des allgemein geforderten Leichtbauprinzips.<br />
Die intermetallischen γ-Titanaluminide besitzen hervorragende spezifische Materialeigenschaften<br />
(E-Modul, Dichte, hohe Materialfestigkeit und Streckgrenze) und sind daher als<br />
Konstruktionswerkstoffe im Motoren- und Triebwerksbau bestens geeignet. Der Einsatz<br />
von γ-TiAl-Werkstoffen führt, wie schon vielfach erörtert, neben der Senkung des Treibstoffes<br />
und der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit auch zu einer signifikanten Verbesserung der<br />
Laufeigenschaften von Motoren.<br />
γ-TiAl-Legierungen eignen sich sowohl als Schmiedelegierungen für Pleuel in Otto- und Dieselmotoren<br />
als auch für Schaufeln im Verdichterteil der fliegenden Gasturbine. Mit dieser<br />
neuartigen Werkstoffgruppe bietet sich die Möglichkeit bisherige konventionelle Werkstoffe<br />
durch Leichtbaukonstruktionen zu ersetzen bzw. in der Luft im Turbinenbau teure und schwere<br />
hochwarmfeste Werkstoffe in der Gasturbine zu substituieren.<br />
Die Entwicklung von wirtschaftlichen Herstellverfahren für TiAl-Bauteile in der Automobil-<br />
und Luftfahrtindustrie wird zur Zeit in Deutschland sehr intensiv betrieben, ebenso in England<br />
und den USA. Der in Deutschland erworbene Entwicklungsstand ist weltweit führend.<br />
Aufgrund neuerer Erkenntnisse im Herstellungsprozess ist diese Werkstoffgruppe in neuester<br />
Zeit international in das besondere Blickfeld gelangt. So zeigt sich bereits jetzt ein erhebliches<br />
Substitutionspotenzial für Stahlventile durch γ-TiAl-Ventile, die sowohl in einem neuen,<br />
weltweit noch nicht existierenden Gießprozess als auch Schmiedeprozess erstellt werden.<br />
Bei ThyssenKrupp wurden in den letzten acht Jahren erfolgreiche Entwicklungen auf dem<br />
Gebiet der Umformung von TiAl für Luftfahrtteile in Angriff genommen und erfolgreich abgeschlossen.<br />
Für diese Teile konnte das Werkstoffpotenzial durch angepasste Schmiedeverfahren<br />
erstmalig erschlossen und zusammen mit dem Kooperationspartner Rolls Royce für<br />
Bauteile im Verdichterteil der fliegenden Turbine evaluiert werden.<br />
Wir haben in unserem Werk in Remscheid für die Umformung von Bauteilen aus TiAl-<br />
Legierungen nach erfolgreicher Durchführung verschiedener Entwicklungsvorhaben in einem<br />
derzeit laufenden Vorhaben nunmehr die Serienreife erlangt. TUT hat bisher 250 isotherm<br />
geschmiedete Hochdruckverdichterschaufeln an RR Deutschland geliefert. Aus der Luftfahrt-
109<br />
industrie liegen konkrete Anfragen nicht nur für relativ kleine Verdichterschaufeln (Blattlänge<br />
ca. 30 mm), sondern auch für Niederdruck-Turbinenschaufeln mit Blattlängen um 200 mm<br />
vor. Ferner scheinen Laufschaufeln für stationäre Gasturbinen durch ein „upscaling“ der bisher<br />
entwickelten Technologie im Zeithorizont von ca. 5 Jahren machbar.<br />
Weiterhin wurden bereits ca. 1000 Auslassventile zum Einsatz im Formel 1-Rennsport für<br />
einen amerikanischen Kunden isotherm geschmiedet, die sich im Einsatz außerordentlich gut<br />
bewährt haben.<br />
Eine weitere Verbreitung von TiAl-Bauteilen wird sicherlich von einer drastischen Verringerung<br />
des Vormaterialpreises abhängen. Ausschlaggebend ist dabei eine preiswerte Konvertierung<br />
der gegossenen Billets zu Vormaterial mit umformbaren Gefüge, die im Labormaßstab<br />
schon existiert (Zug-Druck-Torsion statt Strangpressen).<br />
TRW:<br />
K. Segtrop, H.-J. Laudenberg, TRW Deutschland GmbH Barsinghausen<br />
TRW Deutschland GmbH, als Hersteller von Motorenteilen, insbesondere Ventilen, hat sich<br />
den Anforderungen der Automobilindustrie nach leichteren Bauteilen schon seit vielen Jahren<br />
gestellt. Ein bedeutender Schritt wurde bereits mit Stahlventilen erzielt, die im PKW- Bereich<br />
in der Serie in den vergangenen 20 Jahren von 8 mm auf inzwischen 6 bzw. teilweise schon 5<br />
mm im Schaftdurchmesser reduziert und damit im Gesamtgewicht um mehr als 60% verringert<br />
wurden.<br />
Trotz erheblicher Gewichtseinsparungen sollen die Leistungsfähigkeit sowie die Zuverlässigkeit<br />
der entsprechenden Bauteile ständig gesteigert werden. Im Bereich der Motorkomponenten<br />
sind insbesondere die Aspekte der Kraftstoffverbrauchsreduzierung, der Geräusch- und<br />
Reibungsverminderung und der Reduzierung der CO2–Emissionen durch höhere Verbrennungstemperaturen<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
Im Rahmen der Entwicklung neuartiger Ventilsteuerungen stehen kurz- oder mittelfristig bezüglich<br />
bewegter Massen und Reibleistung optimierte Systeme im Vordergrund der weiteren<br />
Motorentwicklungen. Längerfristige Entwicklungsprojekte können das Prinzip der mechanischen<br />
Ventilbetätigung ablösen. So gewinnt beispielsweise der elektromagnetische Ventiltrieb<br />
zunehmend an Bedeutung. Für die genannten Konzepte stellt die Reduzierung des Bauteilgewichts<br />
einen wichtigen Beitrag dar. Das Interesse an leichten Ventilen hat unter den zuvor<br />
genannten Aspekten in den vergangenen Jahren stark zugenommen.<br />
Der Werkstoff TiAl mit seiner geringen Dichte bei gleichzeitig guten Festigkeits- bzw.<br />
Warmfestigkeitseigenschaften steht seit vielen Jahren als Werkstoff für Auslassventile im<br />
Vordergrund des Interesses, wobei verschiedene Wege der Herstellung und Verarbeitung dieses<br />
Werkstoffs bis hin zum fertigen Bauteil beschritten wurden. Eine sehr erfolgversprechende<br />
Route der Herstellung von Ventilen ist das Schleudergießen unter Vakuum mit gerichteter<br />
Erstarrung. Gegenüber den bisher bekannt gewordenen Gussverfahren soll auf die nachgeschaltete,<br />
sehr teure HIP(Heißisostatisches Pressen)-Behandlung zur Beseitigung von Poren<br />
und Schrumpflunkern verzichtet werden. Gegenüber der Herstelltechnologie durch Anstauchen<br />
und Schmieden stellt sich der Schleudergussprozess bislang kostengünstiger dar.
110<br />
In einem ersten Projekt, in dem nach diesem Prinzip Gussrohlinge im Labormaßstab hergestellt,<br />
anschließend bearbeitet und in Motoren erprobt wurden, konnte bereits die Eignung und<br />
erfolgreiche Prüfung von Werkstoff und Herstellverfahren nachgewiesen werden.<br />
Die in der Laboranlage hergestellten Ventilrohlinge wurden mechanisch fertigbearbeitet (Abbildung<br />
57) und anschließend beschichtet (Abbildung 58).<br />
Abb. 57: Bearbeitete Ventile Abb.58: Mittels PVD-Technologie<br />
beschichteter Ventilschaft<br />
Getestet wurden die Ventile in einem 4-Zylinder/4-Ventil-Motor mittels eines 500 h-Volllastlaufes.<br />
Die auf der Auslassseite eingesetzten, ungeHIPten TiAl-Ventile zeigten nach diesem<br />
als sehr anspruchsvoll geltenden Testlauf ein sehr gutes, verschleißfreies Aussehen am<br />
Schaft und am Sitz (Abbildungen 59 und 60).<br />
Abb. 59: Gelaufene TiAl-Ventile (500 h) Abb. 60: Ventilsitz eines TiAl-Ventiles<br />
(Laufzeit 500 h)
111<br />
Im Rahmen eines Anschlussprojektes soll ein bedeutender Schritt hin zu einer industriellen<br />
Serienfertigung unternommen werden. Die Funktion einer dazu konzipierten und erstellten<br />
Anlage zum Gießen der Rohlinge ist inzwischen nachgewiesen. Ein Dauerbetriebsnachweis<br />
für diese Anlage steht kurz bevor. Die Qualität der hergestellten Versuchsbauteile bestätigt<br />
die gewonnen Erkenntnisse aus der Laboranlage. Durch weitere Optimierungsschritte bei der<br />
Anlagentechnik und den Prozessparametern sind noch deutliche Verbesserungen der<br />
Ventilrohlingsqualität zu erwarten.<br />
Konventionelle Stahlventile sind zum Verschleißschutz oftmals am Schaftende gehärtet, am<br />
Schaft verchromt und am Sitz gepanzert. Abhängig vom Motortyp und vom verwendeten<br />
Ventiltrieb müssen auch bei TiAl-Ventilen Maßnahmen zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit<br />
angewendet werden. An Verbesserungen wie z.B. durch Reibschweißen (härtbares<br />
Schaftende, Abbildung 61) und Varianten der Beschichtung (z.B. CrN-Schichten, aufgekohlte<br />
Schichten, usw.) wird seitens TRW ständig gearbeitet, um zu dauerfesten Lösungen in den<br />
unterschiedlichsten Motoren zu gelangen. Hierbei stehen Motoren im Vordergrund, deren<br />
Leistung und Effizienz durch höhere Drehzahlen gesteigert werden sollen.<br />
Abb. 61: Reibschweißverbindung TiAl/ Ventilstahl<br />
Längerfristig ist darüber hinaus der Einsatz in Motoren mit nockenwellenfreien Ventiltrieben<br />
von Bedeutung und Erfolg versprechend.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt, an dem TRW mit den Projektpartnern intensiv arbeitet, ist eine<br />
Wirtschaftlichkeitsanalyse mit besonderem Augenmerk auf die Kosten für TiAl-Ventile. Bedingt<br />
durch die hohen Anlagen- und Werkstoffkosten sind die derzeitigen Kosten gegenüber<br />
Stahlventilen deutlich höher. Die Fertigungstechnologieentwicklung unter ökonomischen Gesichtspunkten<br />
ist die Grundlage für eine entsprechende Ausbreitung auf dem Automobilmarkt.<br />
Die höheren Werkstoffkosten können jedoch abhängig von der Ventilausführungsform<br />
durch die Einsparung von Bearbeitungsschritten z.T. kompensiert werden.<br />
Allen Beteiligten ist bewusst, dass eine Umsetzung des erfolgreichen Projektes in die industrielle<br />
Praxis, d.h. der Serieneinsatz in Fahrzeugmotoren, auch eine Kostenstruktur erfordert,<br />
die mit Alternativlösungen konkurrieren kann.
112<br />
Insbesondere erfüllt diese Technologie die Wünsche der Automobilindustrie bezüglich leichter<br />
Auslassventile für zukünftige Motorgenerationen.<br />
Bei positivem Abschluss des Projektes sind alle Möglichkeiten vorhanden, TiAl-Ventile, die<br />
gemäß dieser Technologie hergestellt werden, in den Großserieneinsatz zu bringen, wobei<br />
noch Optimierungen bezüglich Verfahren, Beschichtungs- und Verschleißtechnologie möglich<br />
sind.<br />
Plansee:<br />
M. Krehl, Sinterstahl GmbH Füssen; G. Kneringer, Plansee AG/Technologiezentrum Reutte<br />
Der Transfer der <strong>Pilotanlage</strong> von -TiAl-Motorkomponenten aus dem F&E-Bereich in Reutte<br />
(Technologiezentrum) zur Sinterstahl GmbH in Füssen ist im März 2002 erfolgreich abgeschlossen<br />
worden. Wir liefern bereits serienmäßig die ersten an diesem Standort gefertigten<br />
Produkte (Ventile für Hochleistungsmotoren) an Kunden aus. Die dabei verantwortliche Fertigungs-,<br />
Marketing- und Vertriebsmannschaft hat inzwischen gemäß unserer Wachstumsziele<br />
eine Größe von ca. 20 Personen erreicht.<br />
Da sowohl die Produktpalette erweitert als auch die Größe der jeweiligen Lieferlose gesteigert<br />
werden sollen, werden noch beträchtliche Verfahrens- und Kapazitätsanpassungen notwendig<br />
sein, so dass die endgültige Größe dieser neuen Fertigungseinheit frühestens in 2 bis 3 Jahren<br />
erreicht werden kann.<br />
Wir gehen davon aus, dass bei erwarteter Entwicklung der Geschäftszahlen in diesem Zeitraum<br />
zumindest 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Da die Basis für diese positive<br />
Implementierung eines neuen Werkstoffes auch auf die Unterstützung durch das BMBF<br />
innerhalb des MaTech-Projektes 03N3043C zurückzuführen ist, möchten wir uns bei allen<br />
dafür verantwortlichen Stellen bedanken.<br />
GfE:<br />
V. Güther, GfE Metalle und Materialien GmbH, Nürnberg<br />
Die Verfügbarkeit von innovativen Materialien nicht nur im Labormaßstab, sondern auch in<br />
industriellen Dimensionen, hat entscheidenden Einfluss auf die Bereitschaft der Industrie,<br />
derartige Werkstoffe kommerziellen Anwendungen zuzuführen. Die GfE Metalle und Materialien<br />
GmbH hat sich seit 1994 intensiv mit der Herstellung von Werkstoffen auf der Basis<br />
von -TiAl beschäftigt. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die einfache Übertragung von<br />
Technologien zur Herstellung von Titanlegierungen im Fall von -TiAl-Legierungen nicht<br />
zum Erfolg führt. Insbesondere die in diesem Ausmaß bislang nicht bekannten Anforderungen<br />
an die chemische und strukturelle Homogenität von Ingotmaterialien erwiesen sich als sehr<br />
ernste Barriere bei der Materialherstellung. Verschiedene bekannte Basistechnologien (Electron<br />
Beam Melting (EBM), Plasma Arc Melting (PAM), Vacuum Arc Remelting (VAR))<br />
wurden hinsichtlich ihrer Eignung für die Herstellung von Titan-Aluminiden untersucht.<br />
Die aus qualitativen Gründen erfolgversprechendste VAR-Technologie wurde in Teilbereichen<br />
der Prozesstechnik neu entwickelt und an die Besonderheiten des intermetallischen<br />
Werkstoffs angepasst. Die wesentlichen Entwicklungsergebnisse wurden dabei im Rahmen<br />
von BMBF Verbundforschungsprojekten erarbeitet. So konnten zum Beispiel die lokalen<br />
Schwankungen des Aluminiumgehaltes in industriellen Ingots auf Werte von kleiner als +/-
113<br />
0,5 at.-% reduziert werden. Auch die in der Literatur häufig beschriebene<br />
Seigerungsproblematik von Legierungsbestandteilen (Nb, Mo, Ta u.a.) wurde überwunden.<br />
Die GfE Metalle und Materialien GmbH hat weltweit als erstes Unternehmen die Herstellung<br />
von -TiAl-Ingotmaterialien für Umform- und Gussanwendungen in den industriellen<br />
Maßstab überführt und ist heute dementsprechend uneingeschränkter Markt- und<br />
Technologieführer. Die Ingots werden gemäß Kundenspezifikation hergestellt. Das<br />
entsprechend der Norm DIN EN ISO 9001:2000 zertifizierte Qualitätssicherungssystem<br />
gestattet die durchgängige Prozesskontrolle beginnend mit den Rohstoffen bis hin zur<br />
Endlegierung. Bezüglich der Legierungszusammensetzung bestehen mittlerweile Erfahrungen<br />
auf der Basis von mehr als 50 verschiedenen -TiAl-Legierungen, die kundenspezifisch in<br />
verschiedenen Ingot-Abmessungen hergestellt werden können.<br />
Der gegenwärtig schnell wachsende Markt für -TiAl-Ingotmaterialien stellt bereits wieder<br />
neue Herausforderungen an die Werkstoffproduzenten. Zur Lösung der zukünftigen Aufgaben<br />
entwickelt GfE speziell auf -TiAl angepasste neuartige Schmelztechnologien, die<br />
insbesondere durch Erhöhung der Produktivität und der damit verbundenen Kostensenkung<br />
dazu beitragen sollen, den Hochleistungswerkstoff -TiAl möglichst breiten Anwendungen<br />
zuzuführen.<br />
3.2. Automobilindustrie<br />
Audi:<br />
B. von Großmann, AUDI AG Ingolstadt<br />
Die weltweiten Rahmenbedingungen für den Fahrzeugbau ändern sich mit der Energieverfügbarkeit,<br />
dem Energiepreis, der Rohstoffverfügbarkeit, und durch Umwelteinflüsse. Die steigenden<br />
Anforderungen an die Automobilhersteller insbesondere durch Gesetze und Verordnungen<br />
hinsichtlich Abgasemissionen und Kraftstoffverbräuche, aber auch durch steigende<br />
Ansprüche der Kunden verlangen von den Automobilherstellern zunehmende Anstrengungen,<br />
diese Ansprüche zu erfüllen. Entscheidende Entwicklungsziele für die Automobilhersteller in<br />
der Zukunft sind 1 :<br />
der Einsatz von energiesparenden Materialien und Fertigungsverfahren<br />
die Verringerung der translatorischen und rotatorischen Massen<br />
die Reduzierung der Fahrwiderstände<br />
die Verbesserung der Fahrzeugverfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Langzeitverhalten<br />
die Recyclingfähigkeit der verwendeten Werkstoffe<br />
die Steigerung des Fahrkomforts.<br />
Eine Schlüsselrolle bei der Erreichung dieser Entwicklungsziele nimmt die Werkstoff- und<br />
Verfahrensentwicklung ein, sie ist der Treiber für künftige Produktinnovationen.<br />
Einer der Schwerpunkte in der Werkstoffentwicklung für den Fahrzeugbau ist die Entwicklung<br />
von Werkstoffen für thermisch und mechanisch hochbelastete Bauteile wie z.B. Ventile,<br />
Kolben, Pleuel oder Abgaskomponenten. Ziel ist die Reduzierung der oszillierenden und rotierenden<br />
Massen und damit eine Reduktion des Kraftstoffverbrauchs. Weiterhin kann durch<br />
1 Haldenwanger, H.-G. Zum Einsatz alternativer Werkstoffe und Verfahren im konzeptioneller Leichtbauvon<br />
PKW-Rohkarrosserien, Dissertation TU Dresden /ILK (1997)
114<br />
den Einsatz von Leichtbauwerkstoffen bei Höchstleistungsmotoren das Leistungsspektrum<br />
des Motors nochmals gesteigert werden.<br />
Besonders die Legierungen auf Basis der Titanaluminide sind aufgrund ihrer niedrigen Dichte<br />
(ς = 3,8 g/cm 3 ), ihrer hervorragenden Hochtemperaturbeständigkeit und ihres sehr hohen spezifischen<br />
E-Moduls besonders geeignet für die Anwendung bei höchstbelasteten Bauteilen.<br />
Mögliche Bauteile, die für den Einsatz von TiAl in Frage kommen, sind z.B.: Ventile, Kolben<br />
oder Abgasturbinenräder.<br />
TiAl-Bauteile können zum einen durch verschiedene Gießverfahren (z.B. Feinguss oder<br />
Schleuderguss) oder Strangpressen hergestellt werden. Während sich das Gießen vor allem<br />
für geometrisch komplexe Bauteile in near-netshape-Geometrie eignet, ist das Strangpressen<br />
besonders für Bauteile, die sehr hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, ideal, da<br />
durch die hohe Gefügehomogenität nach dem Strangpressprozess sehr hohe Festigkeiten erreicht<br />
werden können.<br />
Gerade bei der Entwicklung von leichten Ventilen gab es in den letzten Jahren verstärkte Aktivitäten<br />
mit dem Ziel die Ventilmasse zu reduzieren. Beispielhaft für diese Anstrengungen<br />
seien hier die Entwicklung der Keramikventile auf Basis von Siliziumnitrid, die Entwicklung<br />
von Blechventilen und die Entwicklung von Ventilen aus Titanlegierungen genannt. Die Vorteile,<br />
die leichte Ventile im Motorenbau bieten, werden derzeit schon im Rennsport durch den<br />
Einsatz von Titan-Ventilen genutzt. Ziel der Entwicklung muss es sein, die ausgewiesenen<br />
Vorteile von Leichtbauventilen auch für Serienfahrzeuge nutzen zu können.<br />
Auch die Entwicklungsaktivitäten zum Einsatz von TiAl als Werkstoff für Auslassventile von<br />
Verbrennungsmotoren sind bereits weit fortgeschritten. In vielen Publikationen wurde bereits<br />
die Eignung von TiAl als Werkstoff für Ventile positiv beschrieben. So kann durch den Einsatz<br />
von TiAl Ventilen eine Reduktion der Ventilmasse von ca. 50 % erreicht werden, wodurch<br />
es möglich ist den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren und eine deutlich Leistungssteigerung<br />
über die Erhöhung des maximalen Drehzahlbereichs eines Aggregats zu erreichen.<br />
Durch die Reduktion der Ventilmasse können weitere weitreichende Gewichtsreduktionspotenziale<br />
im gesamten Bereich des Zylinderkopfes erschlossen werden. Auch im Hinblick auf<br />
die Realisierung von neuen Motorenkonzepten, wie z.B. der Einsatz eines vollvariablen Ventiltrieb<br />
mit einer direkten Ansteuerung der Ventile ist eine Reduktion der Ventilmassen notwendig.<br />
Entscheidend für den Serieneinsatz von Titanaluminiden im Automobilbau wird neben der<br />
Frage der technischen Realisierbarkeit auch die Frage der mit dem Einsatz der Legierung verbundenen<br />
Kosten sein. Hierbei zeigt besonders das vom BMBF geförderte Projekt zur Herstellung<br />
von TiAl-Ventilen mit einem optimierten Schleudergussverfahren einen Weg auf, auf<br />
dem Bauteile aus Titanaluminiden zu einem konkurrenzfähigen Preis angeboten werden können.<br />
Das Potenzial für eine Einführung der Technologie in einen Großserienprozess ist aus<br />
heutiger Sicht gegeben.<br />
Im Hinblick auf eine Serienfertigung von TiAl-Komponenten erhält der Aspekt einer gesicherten<br />
und vor allem preisgünstigen Fertigungstechnologie eine Schlüsselfunktion bei der<br />
wirtschaftlichen Nutzung und Akzeptanz dieses neuen Strukturwerkstoffes. Ziel bei der Entwicklung<br />
von kostengünstigen Herstellungsverfahren muss die Vermeidung von überflüssigen<br />
Zerspanaufwand durch endkonturnahe Formgebung über near-netshape-Verfahren sein, wie<br />
es bei der Herstellung von TiAl-Ventilen über das Schleudergussverfahren bereits vorbildlich
115<br />
umgesetzt wird. Im Zerspanverhalten zeigt TiAl ein im Vergleich zu anderen im Automobilbau<br />
eingesetzten Hochtemperaturwerkstoffen ein deutlich differenziertes Verhalten. Hier<br />
neigt der relativ spröde Werkstoff zu Ausbrüchen oder zu Bildung von Oberflächendefekten.<br />
Bearbeitungsprozesse sind daher so auszulegen, dass ungünstige Randzonenstrukturen unter<br />
Einbringung von Vorschädigung durch Risse vermieden werden.<br />
Ein weiterer Aspekt, der für zukünftige Anwendungen im Automobilbau noch weiterer Untersuchungen<br />
bedarf, sind die relativ schlechten tribologischen Eigenschaften von Titanaluminiden.<br />
Hier ist eine Neu- bzw. Weiterentwicklung von geeigneten Oberflächenbeschichtungen<br />
insbesondere auch von nanostrukturierten Oberflächen von Bedeutung, die an die jeweilige<br />
spezielle tribologische Belastung des Bauteils angepasst ist.<br />
Abschließend kann gesagt werden, dass der Werkstoff Titanaluminid, bei entsprechender Lösung<br />
noch offener Problemfelder, ein hohes Potenzial aufweist, als alternativer Leichtbauwerkstoff<br />
für höchst belastete Bauteile im Fahrzeugbau eingesetzt zu werden.<br />
BMW:<br />
C. Schäfer, BMW AG M, Vorentwicklung, Motor München<br />
Zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Schadstoffemissionen bedarf es einer stetigen<br />
Optimierung aller Bauteile eines Verbrennungsmotors.<br />
Neben der Abgasnachbehandlung ist die Senkung der Rohemissionen durch die Optimierung<br />
der Verbrennung und insbesondere durch die Reduzierung der bewegten Massen und der<br />
Reibleistung ein zielführender Weg.<br />
Hierzu bedarf es jedoch neuer Werkstoffe, die sich durch niedriges spezifisches Gewicht gepaart<br />
mit hoher Festigkeit und gleichzeitiger guter Verarbeitbarkeit auszeichnen. Und das<br />
alles zu akzeptablen Kosten.<br />
Darüber hinaus ermöglichen sie, die Leistungsfähigkeit unserer Motoren zu erhöhen – ohne<br />
dabei größere Aggregate bauen zu müssen.<br />
Vom Werkstoff TiAl erhoffen wir uns im Bereich des Ventiltriebs und der Pleuelstange einen<br />
weiteren Schritt in Richtung Reduzierung der Reibarbeit und der Massenträgheit gehen zu<br />
können.<br />
DaimlerChrysler:<br />
H. Baur, DaimlerChrysler AG<br />
Leichte, hochtemperaturbeständige Werkstoffe werden einen wesentlichen Beitrag für zukünftige<br />
umweltfreundliche Motoren leisten. Dies begründet sich insbesondere durch die steigenden<br />
Temperaturen und Drücke in den Verbrennungsräumen als auch durch die immer höher<br />
werdenden Umdrehungszahlen der oszillierenden und rotierenden Komponenten. Die heute<br />
zum Einsatz kommenden Metalle wie Stahl, Aluminium und Nickel-Basislegierungen sind<br />
begrenzt in ihrer Hochtemperatureinsatzfähigkeit bei Motorkomponenten wie Ventile, Pleuel,<br />
Kolben und Turboladerräder. Titanaluminium ist ein ernst zu nehmender Kandidat für die<br />
Substitution dieser Serienwerkstoffe. Dabei zeichnet sich TiAl durch eine Kombination aus
116<br />
guter Hochtemperaturfestigkeit und geringer Dichte aus, die den Serienwerkstoffen überlegen<br />
ist. Bauteil- und Fahrversuche haben bereits in den letzten Jahren dieses Einsatzpotenzial bewiesen.<br />
Der Werkstoff Titanaluminium hat heute einen technischen Reifegrad erlangt, bei der es um<br />
die Absicherung des Serieneinsatzes geht. Dabei spielen unter anderem folgende Aspekte die<br />
entscheidende Rolle:<br />
- Verfügbarkeit des Ausgangsmaterials und des Halbzeugs (Industrieller Maßstab)<br />
- Prozesssicherheit (Herstellungsverfahren)<br />
- Werkstoffqualität bzw. Qualitätssicherung<br />
- Kosten (Material- und Bauteilkosten)<br />
- Recycling.<br />
Ob TiAl sich als Motorenwerkstoff nachhaltig behaupten kann, hängt von mehreren Faktoren<br />
ab:<br />
In erster Linie geht es dabei um die Bauteilkosten. Die Preise für TiAl-Bauteile liegen heute<br />
im Vergleich zu den Serienbauteilen um mindestens den Faktor 2 höher und bedürfen einer<br />
bedeutenden Anstrengung in Richtung Kostensenkung. Dabei spielt der gesamte Fertigungsprozess<br />
beginnend bei der Vormaterialherstellung bis hin zur Qualitätssicherung und Recycling<br />
eine Rolle. Der Werkstoff Titanaluminium ist heute für etwa 50 €/kg auf dem Weltmarkt<br />
erhältlich. Dies begründet sich in dem aufwendigen Herstellungsverfahren (1- 2-fach-<br />
Lichtbogen-Umschmelzen – VAR), welches für eine ausreichend gute Werkstoffqualität notwendig<br />
ist. Neue Legierungsherstellungsverfahren wie Kaltwand-Induktivumschmelzen direkt<br />
aus den Ausgangselementen zeigen ein Potenzial, den Materialpreis deutlich nach unten<br />
zu korrigieren, insbesondere dann, wenn das Bauteil aus der Ausgangsschmelze direkt abgegossen<br />
werden kann.<br />
Die in Frage kommenden Werkstoffhersteller als auch die Automobilindustrie haben diese<br />
Rahmenbedingungen verstanden und entsprechende Anstrengungen bereits gestartet. In Kooperation<br />
mit kompetenten Partnern aus Industrie und Forschung wird heute versucht, kosteneffiziente<br />
Herstellungsprozesse des TiAl-Vormaterials und der TiAl-Bauteile zu entwickeln.<br />
Es kann heute davon ausgegangen werden, dass in den kommenden 3 – 5 Jahren diese Hürden<br />
genommen werden und eine Serienreife im industriellen Maßstab für oszillierende und rotierende<br />
Motorkomponenten erreicht wird. Zusammenfassend kann die Prognose gestellt werden,<br />
dass sich TiAl als Nischenwerkstoff in der Automobilindustrie durchsetzen wird.<br />
Ford:<br />
J. Wesemann, Ford Forschungszentrum Aachen GmbH<br />
Die europäischen Automobilhersteller haben sich zu einer 25-prozentigen Reduzierung der<br />
CO2-Emission von 1998 bis 2008 verpflichtet. Damit ist eines der Kernziele der Entwicklung<br />
neuer Automobile, den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen deutlich zu senken, erreicht.<br />
Einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen dieses Zieles wird der Antriebsstrang leisten.<br />
Durch Auswahl geeigneter Werkstoffe und Verfahren lassen sich reibarme Schichten herstellen<br />
und die Masse oszillierender Teile des Antriebsstrangs wird gesenkt. Der Einsatz von γ-<br />
Titanaluminiden ist vor allem für Ventile und Turboladerrotoren interessant. Dass dieser<br />
Werkstoff grundsätzlich für diese Komponenten geeignet ist, wurde bereits in Feldversuchen,
117<br />
Kleinserien und im Rennsport nachgewiesen. Leichte Ventile können den Kraftstoffverbrauch<br />
und die CO2-Emission auf vielfältige Art senken: die verringerten Massenkräfte ermöglichen<br />
reduzierte Federkräfte und die Verwendung schmalerer und somit reibärmerer Lager. Nockenkonturen<br />
lassen sich optimieren und weitere Ventiltriebskomponenten im Gewicht senken.<br />
Daraus resultieren ein geringerer Kraftstoffverbrauch sowie ein geräuscharmer Ventiltrieb.<br />
Werden die Federkräfte nicht verringert, dann ermöglichen leichte TiAl-Ventile höhere<br />
Drehzahlen und unterstützen somit verbrauchsfreundliche „Down-Sizing-Konzepte“.<br />
Neben dem Einsatz in Motoren mit konventionellem Ventiltrieb sind leichte Ventile ideal für<br />
elektromagnetisch betätigte Ventiltriebe geeignet. Nach dem heutigen Wissensstand wird die<br />
Einführung dieses Verbrauch und Emissionen reduzierenden Ventiltriebkonzepts erheblich<br />
durch leichte Ventile unterstützt.<br />
Leichte Ventile bieten ferner Vorteile für umweltfreundliche Gasmotoren. Durch reduzierte<br />
Federkraft verschleißen die Ventilsitze deutlich weniger – ein Problem bei Gasmotoren.<br />
Für Turboladerrotoren stehen Titanaluminide in Konkurrenz mit Nickelbasislegierungen. Das<br />
deutlich niedrigere Gewicht von TiAl-Turboladern verbessert das Ansprechverhalten des Motors.<br />
Somit reduzieren Titanaluminide das sogenannte "Turboloch" bei hochaufgeladenen<br />
Motoren. Dieses Turboloch empfinden Kunden als störend. Genauso wie leichte Ventile unterstützen<br />
daher TiAl-Turbolader verbrauchsgünstige „Down-Sizing-Konzepte“.<br />
Welche Hürden müssen Titanaluminide zur weiten Verbreitung im Automobilbau nehmen?<br />
Eine hohe Qualität muss auch bei der Herstellung großer Stückzahlen reproduzierbar sein,<br />
und die Kosten von TiAl-Bauteilen müssen noch deutlich sinken. Auch Automobilhersteller<br />
müssen die Entwicklung weiter vorantreiben: Das Potenzial von TiAl-Komponenten für verschiedene<br />
Anwendungen muss quantitativ bestimmt werden. Das ist die Basis für die Entscheidung,<br />
welche Kosten zum Beispiel für ein TiAl-Ventil oder einen TiAl-Turboladerrotor<br />
akzeptabel sind.<br />
Opel:<br />
C. Schwärzel, Adam Opel AG, Internationales Entwicklungszentrum, Rüsselsheim<br />
Bei der Motorenentwicklung spielt gerade die Ventiltriebauslegung im Hinblick auf<br />
Verbrauchs- und Leistungsoptimierung eine entscheidende Rolle. Als Konsequenz bietet die<br />
Verwendung von Leichtbauventilen anstelle von konventionellen Stahlventilen dem Konstrukteur<br />
die Möglichkeit, auch weitere Ventiltriebteile, wie Ventilfeder, Nockenwelle, Ventilfederteller<br />
usw., zu optimieren.<br />
Die Optimierung kann in Richtung Leistungssteigerung (leichtere Ventile ermöglichen höhere<br />
Ventilbeschleunigungen und Ventilhübe) oder Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs durch<br />
Absenkung der Ventiltriebreibung (geringere bewegte Massen, niedrigere Ventilfederkräfte)<br />
betrieben werden. Versuche mit gegossenen TiAl-Ventilen bei der Adam Opel AG haben eine<br />
Reduzierung des Ventiltriebreibmomentes von ca. 20% gegenüber dem konventionellen Ventiltrieb<br />
ergeben. Auslassventilen kommt zusätzlich die hohe Warmfestigkeit und Zunderbeständigkeit<br />
zugute.Für eine breite Anwendung ist ein zuverlässiger Herstellungsprozess mit
118<br />
gleichbleibender Qualität und ein konkurrenzfähiger Preis im Vergleich zu anderen Leichtbauventilen<br />
oder z.B. zu Natrium gefüllten- oder Ni-Basis-Ventilen zwingend notwendig.<br />
Beides scheint mit dem Schleudergießverfahren realisierbar. Eine eventuelle Markteinführung<br />
ist zuerst in ”High Performance Motoren” zu erwarten.<br />
3.3. Flugzeugindustrie<br />
Rolls-Royce:<br />
D. Roth-Fagaraseau, Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG, Dahlewitz<br />
Der Markt für zivile Luftfahrtantriebe ist auf Grund der großen prognostizierten Nachfrage in<br />
nahezu allen Schubsegmenten stark umkämpft. Während in den oberen Schubklassen wegen<br />
der meist langen Betriebszeiten im Reiseflug nach wie vor der Brennstoffverbrauch das entscheidende<br />
Wettbewerbskriterium darstellt, wird der Wettbewerb in den mittleren und unteren<br />
Schubsegmenten zunehmend über die Kriterien Preis, Wartungskosten, Lärm und Emissionen<br />
entschieden. Um den genannten Anforderungen gerecht zu werden, muss in dem mittleren<br />
Schubsegment, in dem Rolls-Royce Deutschland hauptsächlich aktiv ist, die Entwicklung von<br />
Technologien vorangetrieben werden insbesondere in Richtung Zuverlässigkeit, Gewicht- und<br />
Kostensenkung.<br />
Werkstoffe auf der Basis von intermetallischen Titan-Aluminiden haben für einen Einsatz in<br />
zukünftigen Triebwerkskonzepten das größte Potenzial, Ni-Superlegierungen für einige Anwendungen<br />
zu ersetzen. Sie zeichnen sich durch eine höhere Anwendungstemperatur aus bei<br />
einer Dichte, die nur die Hälfte der Ni-Basislegierungen beträgt.<br />
Gusstechnologie:<br />
Die Gusstechnologie wurde lange Zeit als die effizientere Methode zur Herstellung von TiAl-<br />
Laufschaufeln im Bereich Niederdruck-Turbine gesehen. Das Nichterreichen eines Produktionsstandards<br />
für die Gusstechnologie nach langjährigen und intensiven Entwicklungsarbeiten<br />
sowohl in Europa als auch in USA hat immer mehr zur einer Einschränkung der Entwicklungsaktivitäten<br />
auf diesem Gebiet geführt. Auch bei Rolls-Royce wurde in diese Technologie<br />
massiv investiert, die zum Teil zu erfolgreichen Laboruntersuchungen bis hin zu Bauteiluntersuchungen<br />
geführt hat.<br />
Obwohl der Gussprozess als eine preiswerte Variante für die Herstellung von Bauteilen angesehen<br />
wird, sind die Kosten für die TiAl-Technologie durch die überdurchschnittlich hohen<br />
Ausschussraten zur Zeit nicht marktfähig. Der letzte Schritt zur einer stabilen Prozessführung<br />
ist für eine Anwendung in diesem Bereich notwendig, wobei das Fehlen eines europäischen<br />
Industriepartners für die Herstellung von Gusskomponenten als nachteilig angesehen wird.<br />
Schmiedetechnologie<br />
Parallel zur Entwicklung der Gussroute wurde bei Rolls-Royce vor allem in den letzten Jahren<br />
die Schmiederoute als sehr attraktiv angesehen. Die Schmiederoute wurde lange Zeit aufgrund<br />
der hohen Fliesspannungen als technologisch schwierig eingestuft. Für eine Anwendung<br />
als Verdichterschaufel kommen aber aufgrund der hohen Anforderungen insbesondere<br />
bezüglich der Schadenstoleranz nur Umformprozesse in Frage. Zusammen mit den Partnern
119<br />
Thyssen und dem Forschungsinstitut GKSS wurde in einem vom BMBF geförderten Projekt<br />
eine Machbarkeitsstudie zur Umformung von TiAl-Legierungen erfolgreich abgeschlossen.<br />
Die Zusammenarbeit in diesem Projekt hat wesentlich dazu beigetragen, die relativ spröden<br />
TiAl-Legierungen besser zu verstehen und neue Konzepte zur Auslegung solcher Teilen zu<br />
entwickeln. Das Vorhaben hat deutlich gezeigt, dass die Prozessroute durch Umformen einen<br />
vielversprechenden Weg zur Herstellung von Verdichterschaufeln darstellt. Gleichzeitig wurde<br />
die Richtung zur weiteren Optimierung seitens Material und Prozessroute identifiziert. In<br />
einem noch laufenden Folgeprojekt mit einer Industriebeteiligung, repräsentativ für die gesamte<br />
Prozesskette, wird die Schmiedetechnologie intensiv in Richtung Serienproduktion<br />
entwickelt und optimiert.<br />
In den letzten Jahren wurden große Fortschritte erzielt, und die Technologie erreicht in qualitativer<br />
Hinsicht allmählich Produktionsstandard. Die Umformprozesse wurden intensiv untersucht<br />
und das Verständnis insbesondere im Umgang mit Heißrissen, internen Spannungen und<br />
Gefügeeffekten verbessert. Parallel zu den Entwicklungen des Umformprozesses sind sowohl<br />
im Bereich der Bearbeitung auf Endmaß als auch bei der zerstörungsfreien Untersuchung der<br />
TiAl-Komponenten Fortschritte realisiert worden.<br />
Demonstration und die Zukunft der TiA-Technologie<br />
Durch die Erfolge bei der Entwicklung der Umformprozesse hat sich Rolls-Royce entschlossen,<br />
die in diesem Vorhaben entwickelte Technologie für Verdichterschaufeln in einem sogenannten<br />
Triebwerksdemonstrator zu validieren. Der Test ist für 2004 vorgesehen und wird als<br />
Basis für zukünftige Triebwerkstechnologien betrachtet. Ein erfolgreiches Testen der TiAl-<br />
Verdichterschaufeln in diesem Demonstrator stellt die Basis für eine Implementierung dieser<br />
Technologie in aktuellen und zukünftigen Triebwerksgenerationen dar.<br />
Parallel zu der Technologiedemonstration müssen aber weitere Investitionen entlang der Herstellungskette<br />
betrieben werden, um sowohl die Prozesse als auch die Kosten in Richtung<br />
Marktfähigkeit zu entwickeln.<br />
MTU:<br />
W. Smarsly, MTU Aero Engines GmbH München<br />
Moderne Flugtriebwerke haben einen hohen Perfektionsgrad erreicht , insbesondere bezüglich<br />
Zuverlässigkeit , Wartungsfreundlichkeit, Treibstoffverbrauch und Lärmemission. Die derzeitige<br />
konstruktive Grundauslegung wird sich in den nächsten 5 bis 10 Jahren kaum ändern.<br />
Dennoch gibt es Fortschritte, die auf beträchtlichen Detailverbesserungen auf zahlreichen<br />
Gebieten basieren.<br />
Der Wettbewerb zwischen den Triebwerksherstellern wird sich zukünftig vorwiegend auf der<br />
Kostenseite abspielen. Die Hersteller bemühen sich um neue Möglichkeiten zur Verringerung<br />
der Lebenswegkosten der Triebwerke bei gleichzeitiger Verbesserung der Leistung. Dies wird<br />
erreicht durch konstruktive Verbesserungen, verbesserte Werkstoffe und durch optimierte<br />
Fertigungsprozesse. Als verbesserte Werkstoffe mit höherer Festigkeit und/oder geringerem<br />
Gewicht, werden TiAl-Strukturwerkstoffe für die hinteren Stufen der Hochdruckverdichter<br />
und der Niederdruckturbinen entwickelt.
120<br />
Der mittelfristig erwartete Einführungszeitpunkt ist davon abhängig, wie schnell für die neuen<br />
TiAl-Strukturwerkstoffe/Bauweisen die erforderlichen Lebensdauermodelle, Qualitätssicherungskonzepte<br />
und die hohe Stabilität der Herstellprozesse, wie Feingiessen und Schmieden<br />
einschließlich der Endbearbeitung, bei akzeptablen Kosten erreicht werden.<br />
Geschmiedete<br />
Hochdruckverdichter-<br />
Laufschaufel<br />
Abb. 62: Mittelfristige Triebwerksanwendungen von Titanaluminiden<br />
Feingegossene<br />
Niederdruckturbinen-<br />
Laufschaufel<br />
Am Ende des Jahrzehnts können Triebwerke (Abbildung 62) mit erheblich geändertem<br />
Grundkonzept zum Einsatz kommen. Diese Triebwerke haben ein Nebenstromverhältnis von<br />
über 10, ein Getriebe zwischen der schnell-laufenden transsonischen Niederdruckturbine und<br />
dem mit verstellbaren Schaufeln ausgestatteten großen Fan, sowie neuartige mehrstufige<br />
Brennkammern für eine schadstoffarme Verbrennung. Mit diesen Triebwerkskonzepten sollen<br />
folgende Ziele erreicht werden: Verminderung des Treibstoffverbrauchs um 20 % ,<br />
Lärmminderung um 10 dBA sowie eine Reduktion der Stickoxide um 85 %.<br />
Noch fortschrittlichere Triebwerkskonzepte, z.B. für Triebwerke mit Rekuperator-<br />
Wärmetauscher werden für den Serieneinsatz ab 2015 entwickelt. Diese fortschrittlichen<br />
Triebwerkskonzepte erfordern für ihre kritischen Komponenten eine langfristige Weiterentwicklung<br />
von TiAl-Werkstoffen höchster Festigkeit und Temperaturbeständigkeit sowie von<br />
Schutzschichten gegen Verschleiss, Oxidation und Korrosion.
4. Fazit<br />
121<br />
Von 1990 bis 2002 sind innerhalb der BMFT/BMBF-Werkstoffprogramme Matfo und<br />
MaTech die Titanaluminid-Projekte mit insgesamt ca. 23,6 Mio. € gefördert worden. Während<br />
1990 die Förderquote für die Industrieunternehmen bei 55% lag, reduzierte sich diese bis<br />
1999 auf ca. 39%. Das wachsende Interesse der Industrie an den Forschungsergebnissen kann<br />
daran abgelesen werden.<br />
Die hochgesteckten Erwartungen aller Projektbeteiligten und des BMBF haben sich damit<br />
voll erfüllt. Diese vorzeigbaren Ergebnisse können als ein gelungenes Beispiel dafür herangezogen<br />
werden, dass eine nachhaltige staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung in<br />
Deutschland notwendig ist, strategische Technologiepositionen im internationalen Wettbewerb<br />
zu begründen und eine Akzeptanz der nationalen Forscher im globalen Verbund zu sichern.<br />
Das Innovationspotenzial dieses Werkstoffes hat den auf diesem Gebiete tätigen Groß-<br />
und mittelständisch orientierten Unternehmen u. a. auch im Vergleich zu den USA eine Spitzenposition<br />
verschafft. Es hat sich darüber hinaus auch gezeigt, dass stark risikobehaftete<br />
Entwicklungsvorhaben erfolgreich umgesetzt werden können.<br />
Es bleibt festzustellen, dass diese Spitzenleistung nur möglich wurde durch systematische<br />
Untersuchungen der Werkstoffeigenschaften über einen für Materialentwicklungen üblichen<br />
langen Zeitraum und der Korrelation der Ergebnisse mit der Prozesstechnologie.<br />
Die an den Projekten beteiligten Partner haben erklärt und wiederholt bestätigt, dass ein derartiges<br />
komplexes Vorgehen, das die Bündelung von Kompetenzen notwendig macht, nur in<br />
Verbundforschungsprojekten mit staatlicher Förderung durch das BMBF möglich ist. Es<br />
konnte beispielhaft für zukünftige in diese Richtung gehende Forschungsarbeiten aufgezeigt<br />
werden, wie das Prinzip der Verbundforschungsprojekte, d.h. Einbindung der Firmen entlang<br />
der Wertschöpfungskette mit begleitenden Forschungseinrichtungen, zum Erfolg der Arbeiten<br />
über einen langen Zeitraum beigetragen hat.<br />
Die über 15 Jahre andauernde, staatlich geförderte Entwicklung der Titanaluminide in<br />
Deutschland führte zum Durchbruch einer völlig neuen Werkstoffklasse. Dabei spielte<br />
neben der Legierungsentwicklung die Einführung neuer, verbesserter Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren<br />
eine große Rolle. Gekoppelt an die Bauteile „Ventile“ für Verbrennungsmotoren<br />
und „Flugturbinenschaufeln“ wurden in Deutschland die TiAl-Legierungen auf<br />
den Weg gebracht. Es ist ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
von Werkstoffwissenschaftlern, Physikern, Chemikern, Metallurgen, Anlagenbau-<br />
und Maschinenbauingenieuren. Zur Zeit sind überwiegend Marketingfachleute gefragt, damit<br />
diese neue Werkstoffgruppe in andere Anwendungsgebiete Eingang findet und weiterentwickelt<br />
wird.<br />
Ein Vergleich der zur Zeit verfügbaren metallischen Hochtemperaturwerkstoffe erinnert an<br />
die ca. 60 jährige Entwicklungsgeschichte der Superlegierungen. Die Legierungs- und<br />
Prozessentwicklung der Superlegierungen steht im engen Zusammenhang mit der Einführung<br />
der Flugzeuggasturbine Anfang der vierziger Jahre und der heute noch andauernden Weiterentwicklung<br />
der stationären und fliegenden Gasturbinen infolge der geforderten höheren Turbineneintrittstemperaturen<br />
und der daraus resultierenden Wirkungsgradsteigerung (in hochtemperaturbeanspruchten<br />
Gasturbinenbauteilen werden heute überwiegend Nickel-Basis-<br />
Superlegierungen eingesetzt). Systematische Entwicklungsschritte führten dazu, dass die<br />
Temperaturbeanspruchungsgrenzen der Superlegierungen sich weitgehend dem Schmelzpunkt<br />
näherten (siehe Tabelle 6). Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass zukünftig bei den Superlegie-
122<br />
rungen nur noch kleine Entwicklungsschritte zu erwarten sind, jedoch steht zur Zeit noch kein<br />
alternativer Werkstoff für den Hochtemperaturbereich zur Verfügung. Aber es ist auch erkennbar,<br />
dass vergleichsweise bei den Titanaluminiden die Temperaturbeanspruchungsgrenzen<br />
noch nicht ausgeschöpft sind, d.h. die Legierungs- und Prozessentwicklungen der Titanaluminide<br />
müssen fortgesetzt werden.<br />
Legierungen<br />
Ni-Basis-Superlegierungen *<br />
(einkristallin)<br />
-Titanalumide:<br />
Legierung der 2. Generation:<br />
<br />
Legierung der 3. Generation:<br />
(TNB),(TNC)<br />
Dichte<br />
in g/cm 3<br />
8,0 bis 8,6<br />
ca. 3,9<br />
Schmelzpunkt<br />
in °C<br />
1280 bis 1360<br />
ca. 1480<br />
Tabelle 6: Beanspruchungsgrenzen von -Titanaluminiden und Nickel-Basis-<br />
Superlegierungen<br />
(* persönliche Mitteilung, Fa. Siemens)<br />
Maximale Einsatz-<br />
temperatur in °C<br />
Industriegasturbinen:<br />
bis 1000<br />
Flugzeuggasturbinen:<br />
bis 1100<br />
ca. 700<br />
ca. 800<br />
Durch die BMBF-Förderung der -TiAl-Ventile ist folgender messbarer Entwicklungsstand<br />
erreicht worden (Übersicht: Abbildung 63):<br />
- ein weltweit neuer wirtschaftlicher Herstellungsprozess gegossener Ventile für<br />
große Stückzahlen ist in der Probephase (<strong>Pilotanlage</strong> bei ACCESS in Aachen),<br />
- in der <strong>Pilotanlage</strong> können ab dem nächsten Jahr 2400 Ventile pro Tag hergestellt werden;<br />
Kosten-Nutzen-Analysen werden direkt von der Automobilindustrie vorgenommen,<br />
- die Voraussetzung für einen großtechnisch, später hochskalierbaren Massenherstellungsprozess<br />
wird geschaffen; mehrere Firmen stehen für Investitionsentscheidungen<br />
bereit, in absehbarer Zeit werden dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen,<br />
- das Institut ACCESS, als gemeinnütziges Forschungszentrum an der RWTH Aachen,<br />
konnte seine Kapazitäten zur Material- und Prozessentwicklung im industriellen Maßstab<br />
erheblich ausbauen, in einem neu angemieteten Technikum entstehen neue Arbeitsplätze<br />
an der Schnittstelle: wissenschaftliche Erkenntnisse – industrielle Anwendung,<br />
- die Umsetzung der F+E-Ergebnisse bzgl. der über die Umformroute hergestellten Ti-<br />
Al-Ventile hat die österreichische Firma Plansee übernommen und in Deutschland eine<br />
Serienproduktion aufgebaut, Plansee wird die Anzahl der damit zur Zeit in<br />
Deutschland geschaffenen neuen Arbeitsplätze (ca. 20) in nächster Zeit wesentlich erhöhen,<br />
- mit der Firma GfE hat sich in Deutschland ein heute weltweit führender Hersteller von<br />
-TiAl-Ingotmaterialien für Umform- und Gussanwendungen etablieren können, ob-
123<br />
wohl, wirtschaftlich bedingt, sich die gängigen Materiallieferanten (z.B. von Superlegierungen,<br />
Aluminiumlegierungen u.a.) in den USA befinden und Marktführer sind,<br />
- das bei der Firma ThyssenKrupp im Werk Remscheid erarbeitet Know how bezüglich<br />
des Schmiedens von TiAl-Turbinenschaufeln wurde genutzt und das Verfahren auf die<br />
Herstellung von Ventilen übertragen, ein Kunde wird mit geschmiedeten Ventilen beliefert.<br />
Zur Kostenfrage von TiAl-Ventilen ergibt sich folgende Einschätzung:<br />
Mit der Anwendung eines modifizierten Kaltwandinduktionstiegels zum Erschmelzen der<br />
TiAl-Legierungen in der <strong>Pilotanlage</strong> bei ACCESS wurde ein völlig neuer Weg beschritten,<br />
um das bisher praktizierte und notwendige dreimalige Umschmelzen der TiAl-Legierungen<br />
auf einen Arbeitsgang zu minimieren. Es werden daher zukünftig große Kosteneinsparungen<br />
für Bauteile aus Titanaluminiden beim Vormaterial – dem Hauptkostenfaktor - erwartet. An<br />
der Lösung des Problem wird intensiv weiter gearbeitet, da sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
der Preis der TiAl-Ventile am oberen Ende des von der Automobilindustrie akzeptierten<br />
Preissegmentes bewegt. Hierbei sollte an die Entwicklung und Herstellung der Keramikventile<br />
erinnert werden. Vergleichsweise war der zu hohe Preis das „Aus“ für das Keramikventil.<br />
Nach Aussage von DaimlerChrysler musste die für Keramikventile geforderte 100%ige Qualität<br />
zu teuer erkauft werden (Zusatzkosten für Qualitätskontrolle und Bearbeitung der Ventile).<br />
Für die BMBF-geförderte Entwicklung der umformtechnisch hergestellten -TiAl-<br />
Turbinenschaufeln ergibt sich folgender Stand (Abbildung 64):<br />
- an einem Fertigungsprozess im Pilotmaßstab wird bei ThyssenKrupp noch gearbeitet,<br />
- isotherm geschmiedete Hochdruckverdichterschaufeln mit einer Blattlänge von ca.<br />
30 mm können von der Firma ThyssenKrupp im Werk Remscheid als Einzelteile hergestellt<br />
werden, wobei dieser mit BMBF-Mitteln erworbene Entwicklungsstand weltweit<br />
führend ist,<br />
- Ersatz der Superlegierungen im Flugtriebwerksbau:<br />
im Hochdruckverdichter von Flugtriebwerken werden zur Zeit Laufschaufeln aus den<br />
„schweren“ Nickel-Basis-Superlegierungen eingesetzt, Rolls-Royce Deutschland (Projektpartner<br />
in den BMBF-Vorhaben) wird für diese Anwendung als weltweit einzige<br />
Triebwerksfirma -TiAl-Schaufeln evaluieren, die Validierung soll in einem Triebwerksdemonstrator<br />
im Jahre 2004 erfolgen,<br />
- die erreichte Wertschöpfung der gesamten Prozesskette in Deutschland ist als sehr<br />
hoch einzuschätzen, die Firmen Leistritz (Schaufelbearbeitung) und GfE (Materiallieferant)<br />
sind in diese Prozesskette mit eingebunden und tragen im wesentlichen zu dieser<br />
Technologieführerschaft bei,<br />
- mit den systematischen, intensiven Grundlagenuntersuchungen bezüglich der Weiterentwicklung<br />
der -TiAl-Legierungen am GKSS Forschungszentrum in Geesthacht<br />
wurde weltweit ein wesentlicher Beitrag zu den Legierungsentwicklungen der sogenannten<br />
-TiAl-Legierungen der dritten Generation geliefert (Anmeldung zahlreicher<br />
Patente), im Vergleich zu den Legierungsentwicklungen vor allem in den USA und in<br />
Japan liegt der wesentliche Vorteil darin, dass vom GKSS Forschungszentrum Legierungsentwicklungen<br />
erfolgten, die auf verfügbare, industrielle Umformverfahren abgestimmt<br />
wurden,<br />
- mit der Weiterführung der Legierungs- und Prozessentwicklungen der -TiAl-<br />
Legierungen scheint die Herstellung von Laufschaufeln für stationäre Gasturbinen mit<br />
Blattlängen bis ca. 200 mm und größer in absehbarer Zeit machbar.
Förder-<br />
zeitraum<br />
2002<br />
2001<br />
2000<br />
1999<br />
1998<br />
1997<br />
1996<br />
1995<br />
1994<br />
1993<br />
1992<br />
1991<br />
1990<br />
1989<br />
1988<br />
1987<br />
1986<br />
Umformtechnisch<br />
hergestellte<br />
Ventile<br />
Firmengründung<br />
<strong>Pilotanlage</strong><br />
<strong>Pilotanlage</strong><br />
Plansee<br />
(Verformungsrouten:<br />
(Verformungs- Strangpressen<br />
routen und Schmieden) Strangpressen<br />
und Schmiede)<br />
124<br />
TiAl-Ventil<br />
<strong>Pilotanlage</strong><br />
Herstellung:<br />
ca. 100 Stück/Stunde<br />
Herstellung von Motorkomponenten<br />
(Feingusstechnik, Umformungsverfahren,<br />
Legierungsentwicklungen)<br />
Auswahl der Intermetallischen<br />
Phasen-Basissysteme<br />
Screening-Phase<br />
Endkonturnah gegossene Ventile<br />
Potenzial: 2400 Ventile/Tag<br />
Übernahme durch die Industrie<br />
Laboranlage<br />
(Kaltwandinduktionstiegelofen,Schleudergusstechnik)<br />
max. 36 Ventile/Tag<br />
Gesamtfördersumme - Ventile: ca. 9 Mio. €<br />
Zuwendung<br />
in Mio. €<br />
2,7<br />
4,4<br />
2,0<br />
5,6<br />
Abb. 63: BMBF-geförderte Entwicklungen der Titanaluminid-Ventile
Förder-<br />
zeitraum<br />
2002<br />
2001<br />
2000<br />
1999<br />
1998<br />
1997<br />
1996<br />
1995<br />
1994<br />
1993<br />
1992<br />
1991<br />
1990<br />
1989<br />
Herstellung,<br />
Erprobung<br />
von IP für<br />
hochbean-<br />
spruchte<br />
Triebwerks-<br />
komponenten<br />
Feingießen<br />
Errichtung<br />
der PIGA-<br />
Anlage,<br />
GKSS<br />
125<br />
Validierung im Triebwerksdemonstrator,<br />
Ziel: Weltweite Technologieführerschaft<br />
Hochdruck-<br />
verdichter-<br />
schaufel<br />
Schmieden,<br />
Strangpressen,<br />
neue Legierung<br />
für T>700°C<br />
Nachweis des<br />
Isotherm-<br />
schmiedens<br />
Entwicklung<br />
einer Umformtechnik<br />
Pulver-<br />
herstellung<br />
Geplantes Bauteil:<br />
Schaufel für Niederdruckturbine,<br />
noch<br />
nicht eingesetzt<br />
Weltneuheit:<br />
Gebaute TiAl-<br />
Hohlschaufel<br />
Pulvermetallurgisch<br />
hergestellte<br />
Bleche, Superplastische<br />
Umformung,<br />
Walzen<br />
von<br />
weltweitgrößtem<br />
TiAl-<br />
Blech<br />
Walzen<br />
Geplantes<br />
Bauteil:<br />
Verdichterschaufel,<br />
noch<br />
nicht eingesetzt <br />
Entwicklung<br />
der<br />
-TAB<br />
Feinguss-<br />
Leg.,<br />
Einsatztemp.<br />
700°C<br />
Herstellung<br />
von<br />
TiAl-<br />
Turbinenschaufeln<br />
mit<br />
Feingussverfahren<br />
Abb. 64: Überblick - Förderung der TiAl-Turbinenschaufeln<br />
im Materialforschungsprogramm des BMBF<br />
Entwicklung<br />
eingestellt,<br />
Nebenergebnis:<br />
Herstellung einer<br />
TiAl-Deckschicht,<br />
Entwicklung<br />
einer<br />
pulvermetallurgischhergestelltenTurbinenschaufel <br />
Mechanisches<br />
Legieren,<br />
Zuwendung<br />
in Mio. €<br />
1,5<br />
2,2<br />
5,2<br />
Gesamtfördersumme - Schaufeln:<br />
ca. 8,9 Mio. €<br />
(ohne Pilotprojekt „Intermetallische Phasen“)
5. Nachwort<br />
126<br />
Für eine große Anzahl neuer Werkstoffe wird die Frage nach den Kosten in einem viel zu<br />
frühen Stadium in den Vordergrund gedrängt, wodurch die meisten innovativen Entwicklungen<br />
schon in den Ansätzen gestoppt werden. Im Fall der Titanaluminide hat das BMBF mit<br />
seiner Förderpolitik geholfen, eine Materialentwicklung auf den Weg zu bringen, die erst jetzt<br />
praktische Bedeutung erlangt.<br />
Es ist zu wünschen, dass die Partner aus der Industrie und der Forschung, ungeachtet des<br />
Wettbewerbes, den Entwicklungsweg der Titanalumide gemeinsam und zielgerichtet weiter<br />
mit gestalten. Aus allen Branchen wurden Know-how-Träger etabliert und damit eine geschlossene<br />
Wertschöpfungskette für neue Produkte in Deutschland zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes<br />
geschaffen. Auch wenn industriepolitisch die Bedeutung dieses neuen<br />
Werkstoffes, verglichen mit den Umsätzen auf der Rohstoff- oder Bauteilebene, zur Zeit noch<br />
sehr gering ist, sind erfahrungsgemäß „Zukunftswerkstoffe“ Vorreiter für neue Verfahren und<br />
Entwicklung neuer Produkte. Mit Hilfe der Entwicklungsarbeiten zu den Titanaluminiden<br />
konnte gezeigt werden, dass vor allem für neue Werkstoffentwicklungen anhaltende Forschungsbereitschaft<br />
notwendig ist. Dabei spielt eine nachhaltige Forschungsförderung durch<br />
das BMBF eine entscheidende Rolle und führt zum Erfolg – wie das vorliegende Beispiel der<br />
Titanaluminide zeigt.<br />
Der Dank gilt allen genannten Autoren, die maßgebend zum Gelingen der Broschüre beigetragen<br />
und noch einmal die wichtigsten Entwicklungsschritte benannt bzw. den erreichten<br />
Stand dokumentiert haben. Es soll allen der schwierige Weg der Erforschung eines neuen<br />
Werkstoffes, von einem sehr frühen Forschungsstadium ausgehend, vor Augen gehalten werden<br />
und deutlich machen, welcher lange Atem für eine Werkstoffentwicklung notwendig ist.<br />
Die Broschüre soll aber auch verdeutlichen, dass – nicht nur durch die staatliche Unterstützung<br />
– sondern auch durch das Engagement einzelner handelnder Personen/Projektbearbeiter,<br />
die Titanaluminide in Deutschland diesen hohen Entwicklungsstand erreicht haben. Es wurden<br />
deshalb bewusst Namen genannt, um an deren Mitarbeit zu erinnern.<br />
Madeleine Dietrich<br />
PTJ-NMT
6. Autorenverzeichnis<br />
Dr. habil. Fritz Appel<br />
GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Institut für Werkstoffforschung<br />
Postfach 1160<br />
D-21494 Geesthacht<br />
Tel.: (04152) 87-2504<br />
Fax: (04152) 87-2534<br />
E-mail: FritzAppel@gkss.de<br />
Dr. Arno Bartels<br />
TU Hamburg/Harburg<br />
Werkstoffphysik - Technologie<br />
Eißendorfer Str. 42<br />
21073 Hamburg<br />
Tel.: (040) 42878-3135<br />
Fax: (040) 42878-4070<br />
E-mail: bartels@tu-harburg.de<br />
Dr. Hartmut Baur<br />
DaimlerChrysler AG, Forschung & Technologie<br />
RBP/SM<br />
Forschungszentrum Ulm<br />
Wilhelm-Runge Straße 11<br />
D-89081 Ulm<br />
Tel.: (0731) 505-2772<br />
Fax: (0731) 505-4227<br />
E-mail: hartmut.baur@daimlerchrysler.com<br />
Dr. Peter Busse<br />
ACCESS e.V.<br />
Intzestr. 5<br />
D-52072 Aachen<br />
Tel.: (0241) 8098-004<br />
Fax: (0241) 38578<br />
E-mail: P.Busse@access.rwth-aachen.de<br />
Prof. Dr. Helmut Clemens<br />
GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Institut für Werkstoffforschung<br />
Postfach 1160<br />
D-21494 Geesthacht<br />
Tel.: (04152) 87-<br />
Fax: (04152) 87-2534<br />
E-mail: HelmutClemens@gkss.de<br />
127
Dr. Heidi Cramer<br />
SLV München – Niederlassung der GSI mbH<br />
Schachenmeierstr. 37<br />
D-80636 München<br />
Tel.: (089) 126802-61<br />
Fax: (089) 181643<br />
E-mail: cramer@slv-muenchen.de<br />
Dipl.-Ing. Madeleine Dietrich<br />
Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH<br />
<strong>Projektträger</strong> PTJ-NMT<br />
D-52425 <strong>Jülich</strong><br />
Tel.: (02461) 61-2622<br />
Fax: (02461) 61-2398<br />
E-mail: m.dietrich@fz-juelich.de<br />
Dipl.-Ing. Dan Roth-Fagaraseanu<br />
Rolls-Royce Deutschland GmbH<br />
Eschenweg 11<br />
D-15827 Dahlewitz<br />
Tel.: (033708) 6-1253<br />
Fax: (033708) 6-3142<br />
E-mail: dan.roth-fagaraseanu@rolls-royce.com<br />
Dr. Rainer Gerling<br />
GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Institut für Werkstoffforschung<br />
Postfach 1160<br />
D-21494 Geesthacht<br />
Tel.: (04152) 87-2545<br />
Fax: (04152) 87-2534<br />
E-mail: RainerGerling@gkss.de<br />
Dr. Berthold von Großmann<br />
AUDI AG<br />
I/EG-34<br />
D-85045 Ingolstadt<br />
Tel.: (0841) 89-35950<br />
Fax: (0841) 89-31238<br />
E-mail: berthold.grossmann@audi.de<br />
Dr. Volker Güther<br />
GfE Metalle und Materialien GmbH<br />
Höfener Str. 45<br />
D-90431 Nürnberg<br />
Tel.: (0911) 9315-446<br />
Fax: (0911) 9315-490<br />
E-mail: vg@gfe-online.de<br />
128
129<br />
Dipl.-Ing. Peter Janschek<br />
Thyssen Umformtechnik Turbinenkomponenten GmbH<br />
Papenberger Str. 37<br />
D-42859 Remscheid<br />
Tel.. (02191) 15-1453<br />
Fax: (02191) 15-1587<br />
E-mail: Peter.Janschek@tut.thyssenkrupp.com<br />
Dr. Heinrich Kestler<br />
Plansee AG<br />
Technologiezentrum<br />
A-6600 Reutte/Tirol<br />
Tel.: +43 (05672) 600-2772<br />
Fax: +43 (05672) 600-536<br />
E-mail: heinrich.kestler@plansee.at<br />
Dr. Günter Kneringer<br />
Plansee AG<br />
Technologiezentrum<br />
A-6600 Reutte/Tirol<br />
Tel.: +43 (05672) 600-2229<br />
Fax: +43 (05672) 600-500<br />
E-mail: guenter.kneringer@plansee.at<br />
Dr. Lothar Knippschild<br />
ThyssenKrupp Automotive AG<br />
Alleestr. 165<br />
D-44793 Bochum<br />
Tel.: (0234) 919-6135<br />
Fax: (0234) 919-6137<br />
E-mail: knippschild@tka.thyssenkrupp.com<br />
Dr. Michael Krehl<br />
Sinterstahl GmbH Füssen<br />
Hiebelerstr. 4<br />
D-87629 Füssen<br />
Tel.: (08362) 506-110<br />
Fax: (08362) 506-188<br />
E-mail: mkrehl@sinterstahl.com<br />
Dr. Hans-Josef Laudenberg<br />
TRW Deutschland GmbH<br />
Postfach 1111<br />
D-30881 Barsinghausen<br />
Tel.: (05105) 518-450<br />
Fax: (05105) 518-440<br />
E-mail: hans-josef.laudenberg@trw.com
Dr. Michael Oehring<br />
GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
Institut für Werkstoffforschung<br />
Postfach 1160<br />
D-21494 Geesthacht<br />
Tel.: 04152/87-2512<br />
Fax: 04152/87-2534<br />
E-mail: MichaelOehring@gkss.de<br />
Dr. Willem Joseph Quadakkers<br />
Forschungszentrum <strong>Jülich</strong> GmbH<br />
Institut IWV 2<br />
D-52425 <strong>Jülich</strong><br />
Tel.: (02461) 61-4668<br />
Fax: (02461) 61-3687<br />
E-mail: j.quadakkers@fz-juelich.de<br />
Priv. Doz. Dr. Gerhard Sauthoff<br />
Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH<br />
Max-Planck-Str. 1<br />
D-40237 Düsseldorf<br />
Tel.. (0211) 6792-313<br />
Fax: (0211) 6792-268<br />
E-mail: sauthoff@mpie.de<br />
Dipl.-Ing. Christian Schäfer<br />
BMW M<br />
Gesellschaft für individuelle Automobile<br />
Preußenstr. 45<br />
D-80809 München<br />
Tel.: (089) 32903-443<br />
Fax: (0899 32903-442<br />
E-mail: Christian.Schaefer@zs.bmw.de<br />
130<br />
Prof. Dr. Michael Schütze<br />
DECHEMA<br />
Gesellschaft für Chem. Technik u. Biotechnologie e.V.<br />
Theodor-Heuss-Allee 25<br />
D-60486 Frankfurt am Main<br />
Tel.: (069) 7564-337<br />
Fax: (0699 7564-388<br />
E-mail: schuetze@dechema.de<br />
Dipl.-Ing. Claus Schwärzel<br />
Adam Opel AG<br />
Internationales Techn. Entwicklungszentrum<br />
IPC 85-70<br />
D-65423 Rüsselsheim<br />
Tel.: (06142) 7-78017<br />
Fax: (06142) 7-78203<br />
E-mail: Claus.Schwaerzel@de.opel.com
Dr. Klaus Segtrop<br />
TRW Deutschland GmbH<br />
Postfach 1111<br />
D-30881 Barsinghausen<br />
Tel.: (05105) 518-400<br />
Fax: (05105) 518-359<br />
E-mail: klaus.segtrop@trw.com<br />
Dr. Wilfried Smarsly<br />
MTU Aero Engines GmbH<br />
Abt.: TWBN<br />
Dachauer Str. 665<br />
D-80995 München<br />
Tel.: (089) 1489-4886<br />
Fax: (089) 1489-6101<br />
E-mail: wilfried.smarsly@muc.mtu.de<br />
Dr.Jürgen Wesemann<br />
Ford Forschungszentrum Aachen GmbH<br />
Suesterfeldstr. 200<br />
D-52072 Aachen<br />
Tel.: (0241) 9421-228<br />
Fax: (0241) 9421-306<br />
E-mail: jweseman@ford.com<br />
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