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der Opel 8/40 PS

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TECHNIK<br />

20 Clubmagazin Nr. 200<br />

Beeindruckende Erscheinung – <strong>der</strong> <strong>Opel</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> von Hans Barche, aufgenommen in Meiningen<br />

Schmuckstück<br />

<strong>Opel</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> von 1929<br />

Vorm Kapitän gab es den <strong>der</strong> Super<br />

6, <strong>der</strong> aus dem Zweiliter entwickelt<br />

wurde, dem Nachfolger des 1,8<br />

Liters. Doch <strong>Opel</strong>s erster kompakter<br />

Sechszylin<strong>der</strong> und damit <strong>der</strong> Urahn<br />

von Kapitän und KAD entstand noch<br />

vor 1930 und war eine eigenständige<br />

Rüsselsheimer Entwicklung. Hans<br />

Alles kommt irgendwann wie<strong>der</strong> – so<br />

auch die hinten angeschlagenen<br />

Fondtüren, es gibt sie im kommenden<br />

Meriva<br />

Barche aus dem thüringischen Meiningen<br />

hat einen 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> restauriert –<br />

und dabei eine Menge erlebt.<br />

Wer Hans Barche in Meinigen besuchen<br />

will, wird schon auf dem Weg<br />

zu seiner Werkstatt mit Wi<strong>der</strong>sprüchen<br />

konfrontiert. Unterhalb <strong>der</strong><br />

Landstraße erstrahlt ein Gewächshauskomplex,<br />

Algen für die Kosmetikindustrie<br />

züchten sie dort, und die<br />

Beleuchtung scheint so grell, dass sie<br />

vom Weltall aus zu sehen sein wird.<br />

O<strong>der</strong> man fährt von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

heran und sieht einen düsteren verlassenen<br />

Plattenbau, <strong>der</strong> heute von<br />

Fle<strong>der</strong>mäusen bewohnt wird und<br />

deshalb unter Naturschutz steht.<br />

Überall aber sieht man hinter den<br />

Häusern Schuppen und Anbauten, in<br />

denen fast immer Drehbänke stehen.<br />

Thüringen hat eine uralte Tradition<br />

<strong>der</strong> Eisengewinnung und –verarbeitung,<br />

auch in den Tagen <strong>der</strong> DDR<br />

wurde teils aus Freude an <strong>der</strong> Sache<br />

getüftelt, teils aber auch selbst gebaut,<br />

was es gerade nicht zu kaufen<br />

gab.<br />

Ein bisschen von dieser Zwischenwelt<br />

schwingt noch immer mit, wenn<br />

man vor <strong>der</strong> Werkstatt steht. Einige<br />

Rahmen von 1,2 Litern stehen auf <strong>der</strong><br />

Wiese, teils abgedeckt, teils nicht.<br />

Lange ist es noch nicht her, dass<br />

daraus Behelfstraktoren gemacht<br />

worden sind. Vielen <strong>der</strong> Ausstellungsstücke<br />

in <strong>der</strong> Oldtimerhalle<br />

sieht man die lange Nutzungsdauer<br />

noch an, an<strong>der</strong>e erstrahlen im frischen<br />

Glanz, als seien die Jahre<br />

einfach an ihnen vorbei gegangen,<br />

ohne Spuren zu hinterlassen. Manch


ein Kapitel <strong>der</strong> Motorisierung ist<br />

lange vergessen, umgekehrt haben<br />

diese Zeugen <strong>der</strong> Zeit auch nicht<br />

viele Spuren hinterlassen. Wer kennt<br />

heute noch die Flottweg von 1919,<br />

mit dem Motor auf dem Vor<strong>der</strong>rad?<br />

O<strong>der</strong> die Motorrä<strong>der</strong> von Wan<strong>der</strong>er?<br />

Das erste Auto, das in <strong>der</strong> Dämmerung<br />

zu sehen ist, überrascht hingegen<br />

nicht. Es ist ein kleiner Dixi, <strong>der</strong><br />

Nachbau des Austin Seven, aus dem<br />

die Marke BMW wurde, in Eisenach,<br />

nur einige Kilometer entfernt. Der<br />

Dixi ist bis heute <strong>der</strong> Stolz <strong>der</strong> Thüringer,<br />

und wer sich für Oldtimer<br />

interessiert, stellt sich irgendwann<br />

einen Dixi hin. Die herrschaftlichen<br />

Horch und Wan<strong>der</strong>er galten zu Lebzeiten<br />

als unerschwinglich, und sie<br />

waren aus Sachsen.<br />

Der <strong>Opel</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> war auch unerschwinglich,<br />

kostete aber immer noch<br />

erheblich weniger als ein Wan<strong>der</strong>er.<br />

Der „billigste Sechszylin<strong>der</strong> auf dem<br />

deutschen Markt“, schrieb Werner<br />

Oswald über das Modell, ohne zu<br />

erläutern, ob er preiswert meinte o<strong>der</strong><br />

eben billig.<br />

Auch das ist ein Rätsel, denn billig,<br />

was soll an dieser Erscheinung denn<br />

billig sein, die im Halbdunkel vor uns<br />

steht? Aus dem verwendeten Messing<br />

allein würden sie heute in Frankreich<br />

die Dekoration für 200 bessere Gasherde<br />

bauen, mindestens.<br />

Selbst das Gehäuse des Suchscheinwerfers,<br />

an <strong>der</strong> A-Säule auf <strong>der</strong><br />

Fahrerseite montiert, wurde aus dem<br />

Vollen gefertigt. Fernthermometer,<br />

Haubenverschlüsse, Rückleuchten,<br />

sogar <strong>der</strong> Halter für den Regenschirm<br />

– Messing, wohin das Auge auch<br />

blickt. Nein, dieses Automobil lässt<br />

sich nicht darauf reduzieren, <strong>der</strong><br />

Vorläufer des 1,8 Liters zu sein und<br />

damit <strong>der</strong> Ursprung <strong>der</strong> <strong>Opel</strong>-Oberklasse<br />

bis hin zum Diplomat. Dieses<br />

Automobil steht auf seinem Nie<strong>der</strong>rahmen,<br />

niedriger als es auf Fotos<br />

wirkt, wuchtig, solide – und für eine<br />

versunkene Welt, was nun rein gar<br />

nichts mit <strong>Opel</strong> vor und nach <strong>der</strong><br />

Übernahme durch GM zu tun hat.<br />

Messing, schwere, gediegene Qualität,<br />

die schlichte Technik <strong>der</strong> Zwanziger,<br />

schon ausgeführt mit dem Blick<br />

auf die Komfortansprüche <strong>der</strong> Dreißiger,<br />

aber noch ohne die Einsparungen<br />

<strong>der</strong> folgenden Dekade. Zwischenwelt,<br />

auch das.<br />

2004 war es, als Hans Barche und<br />

Mario Trebs vor dem 8/<strong>40</strong> standen, in<br />

Eschwege. Ohne die Historie und den<br />

Hintergrund dieses außergewöhnlichen<br />

Wagens bereits richtig einordnen<br />

zu können. Was sie sahen, war<br />

erst einmal nichts an<strong>der</strong>es als ein<br />

Haufen Schrott. Die Limousine mit<br />

den hinten angeschlagenen Fondtüren<br />

war lange in Russland gelaufen. Wie<br />

viele Kilometer, weiß niemand. Die<br />

Karosserie komplett fertig, die hölzernen<br />

Holme hinter den Blechteilen<br />

verfault, <strong>der</strong> Aufbau stellenweise<br />

zusammengesackt. „Die Russen<br />

hatten hinterm Armaturenbrett quer<br />

eine Eisenstange montiert“, erinnert<br />

sich Hans Barche. Dass er später das<br />

Öl mit einem Spachtel aus <strong>der</strong> Wanne<br />

kratzen sollte, wusste er noch nicht,<br />

aber er konnte es sich schon denken.<br />

„Wie Lakritze sah das aus“, ergänzt<br />

Mario Trebs. Er war es schließlich,<br />

<strong>der</strong> den Kauf des „Russenautos“ in<br />

die Gänge brachte. Der 8/<strong>40</strong> soll<br />

requiriert worden und dann als<br />

Kriegsbeute in <strong>der</strong> damaligen Sowjetunion<br />

verblieben sein, wo er von<br />

einem lokalen Funktionär als Dienstwagen<br />

genutzt wurde, bis er nicht<br />

mehr zu reparieren war. Vermutlich<br />

sorgte ein Lagerschaden für die<br />

Stilllegung. Vielleicht war es aber<br />

auch eine gebrochene Ventilführung.<br />

Gefahren worden ist er zum Schluss<br />

seines ersten Lebens offenbar nicht<br />

mehr mit <strong>der</strong> Kraft aller Zylin<strong>der</strong>.<br />

Sechs Zylin<strong>der</strong> hat <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong>, die<br />

Ventile sind stehend angeordnet, die<br />

aus Leichtmetall gegossene untere<br />

Hälfte des Motorblocks ruht starr auf<br />

dem niedrig gebauten Rahmen, und<br />

<strong>der</strong> Solex-Flachstromvergaser besteht<br />

aus Messing. <strong>40</strong> <strong>PS</strong> schöpft <strong>der</strong><br />

Motor aus 1916 cm³, bei flotten 3600<br />

U/min. Die Nenndrehzahl lag sogar<br />

höher als beim 1,8 Liter, <strong>der</strong> ihn 1931<br />

beerben sollte. Bemerkenswert ist die<br />

Drehzahl auch deshalb, weil <strong>der</strong> Hub<br />

immerhin 100 mm beträgt und die<br />

Kolbengeschwindigkeiten daher<br />

sportliche Werte erreichen. Die<br />

übrigen Merkmale des Sechszylin<strong>der</strong>s<br />

entsprachen dem Stand <strong>der</strong><br />

Technik: Thermosyphonkühlung,<br />

Tank hinten oben an <strong>der</strong> Stirnwand,<br />

„Fallbenzin“ mit Benzinhahn, Licht-<br />

TECHNIK<br />

Stark verwittert – <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong> nach dem<br />

Kauf<br />

Fetzendach – was sonst als scherzhafte<br />

Bezeichnung für ein Cabrioverdeck<br />

dient, war hier bittere Realität. Ein<br />

am Stück gepresstes Blechdach gab<br />

es übrigens noch nicht. Bei diesem<br />

Auto gab es nicht einmal mehr die<br />

Bespannung des Daches…<br />

Gemütlich und gediegen – heute<br />

sieht <strong>der</strong> Innenraum wie<strong>der</strong> aus wie<br />

neu, und er enthält, natürlich, viel<br />

Messing<br />

Eisenhaufen – <strong>der</strong> Motor war fest…<br />

…und lässt heute kaum noch erahnen,<br />

wie viel Kopfzerbrechen seine<br />

Restaurierung bereitet hat<br />

Clubmagazin Nr. 200 21


TECHNIK<br />

Hier <strong>der</strong> Motor von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

aus betrachtet. Dreck, Rost, fehlende<br />

Teile…<br />

…die gebaut werden mussten, wie die<br />

mechanische Betätigung des Anlassers.<br />

Das Kabel unten an <strong>der</strong> Lenksäule<br />

führt übrigens zum Lichtschalter,<br />

<strong>der</strong> hier auf <strong>der</strong> Lenkradnabe sitzt<br />

Alles <strong>Opel</strong> – selbst die Radbolzen!<br />

Mario Trebs hat das <strong>Opel</strong>-Logo sogar<br />

auf <strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong> Aluminiumzierleisten<br />

gefunden<br />

Fach-Werk – wenn es keine Messpunkte<br />

gibt, weil alles verrottet ist,<br />

arbeitet man sich eben stückweise<br />

durch das Gebälk. Das schreibt sich<br />

weitaus leichter als es getan ist<br />

22 Clubmagazin Nr. 200<br />

maschinenantrieb über Zahnrä<strong>der</strong>,<br />

Spulenzündung mit Zündverteiler<br />

hinten am Motorblock. Das Getriebe,<br />

sein Gehäuse wurde ebenfalls aus<br />

Leichtmetallguss gefertigt, hat drei<br />

Gänge und ein gewöhnungsbedürftiges<br />

Schaltschema. Links vorn liegt<br />

<strong>der</strong> Rückwärtsgang, dahinter <strong>der</strong><br />

erste, rechts vorn dann <strong>der</strong> zweite<br />

und dahinter <strong>der</strong> dritte, direkte Gang.<br />

Das Getriebe gab es wie auch den<br />

Motor in zwei Ausführungen, von<br />

denen eine nacheinan<strong>der</strong> mit beiden<br />

Motoren kombiniert war.<br />

1927 kam das Modell als <strong>Opel</strong> 7/34<br />

<strong>PS</strong> auf den Markt, wuchs 1928 zum<br />

8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong>, um nach einem weiteren<br />

Jahr den neuen, niedrigen Rahmen zu<br />

erhalten, geän<strong>der</strong>te Karosserien und<br />

ein neues Kühlergesicht. Für das<br />

letzte Modelljahr gab es noch ein<br />

modifiziertes Getriebe und eine<br />

geän<strong>der</strong>te Hinterradaufhängung,<br />

Halbfe<strong>der</strong>n ersetzten die Ausleger-<br />

Viertelfe<strong>der</strong>n. 1930 endete die Produktion<br />

nach 20.580 Exemplaren, die<br />

sich auf eine Reihe verschiedener<br />

Karosserieaufbauten verteilten.<br />

Standardmodell war zunächst <strong>der</strong><br />

offene Tourenwagen, bis einschließlich<br />

1928 kostete die Limousine<br />

mehr. Eine Luxusversion war von<br />

Anfang an im Angebot, das 1929 um<br />

Coupé, Cabriolet und Roadster ergänzt<br />

wurde, die aber nur zwei Jahre<br />

hergestellt wurden. 1930, im letzten<br />

Jahrgang, gab es dann nur noch die<br />

Limousine in zwei Ausstattungsversionen.<br />

Selten sind die wenigen<br />

erhaltenen 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> alle, am seltensten<br />

offenbar die damals beliebteste<br />

Variante, die Limousine, 1929 für<br />

4.500 RM zu haben.<br />

Ein Grund für das schnelle Nachschieben<br />

des vergrößerten Motors<br />

könnte darin gelegen haben, dass<br />

<strong>Opel</strong> den Sechszylin<strong>der</strong> auch dem<br />

Fuhrgewerbe anbieten wollte. „Die<br />

<strong>Opel</strong> Droschke“ hieß ein Prospekt,<br />

<strong>der</strong> niedrigen Verbrauch und Lebensdauer<br />

in den Vor<strong>der</strong>grund stellte. Dort<br />

stand:<br />

Die <strong>Opel</strong>droschke ist solide gebaut<br />

und den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Praxis<br />

angepasst. Bei <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong><br />

Droschkenaufbauten auf das 8 <strong>PS</strong> 6<br />

Zylin<strong>der</strong>-Chassis wurde größte Sorgfalt<br />

angewandt, um Dauerhaftigkeit<br />

mit schönem Äußeren zu verbinden.<br />

Keine einzige für den Droschkenbetrieb<br />

notwendige Einzelheit ist übergangen<br />

worden. Der Fond ist geschmackvoll<br />

und komfortabel ausgestattet.<br />

Der Führersitz ist mit schwarzem<br />

Rindle<strong>der</strong> bezogen, daneben ist<br />

ein Raum für Gepäck angeordnet.<br />

Die gute, dauerhafte Lackierung ist<br />

standardmäßig droschkengrün, das<br />

Oberteil schwarz.<br />

Erhalten geblieben ist davon offenbar<br />

nur eine Abbildung, die ursprünglich<br />

im Buch „Deutsche Autos 1920-45“<br />

von Werner Oswald zu finden war<br />

und ein Landaulet zeigt, zu erkennen<br />

nur an den Sturmbügeln des geschlossenen<br />

Verdecks. Weitere Bil<strong>der</strong><br />

ließen sich dazu nicht auftreiben. Was<br />

sonst noch kursiert, zeigt den älteren<br />

10/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> bzw. völlig an<strong>der</strong>e Modelle.<br />

Gefertigt wurden die Aufbauten bei<br />

den Karosseriewerken Otto Kühn in<br />

Halle an <strong>der</strong> Saale.<br />

Von diesen Zusammenhängen und<br />

Rätseln wusste das Meininger Restaurierergespann<br />

wenig bis nichts,<br />

als es an das Zerlegen des verrotteten<br />

8/<strong>40</strong> ging. Schon <strong>der</strong> Motor erwies<br />

sich als schwere Hürde. Einfacher<br />

Seitenventiler? Von wegen. Bernd<br />

Mell, ein befreundeter Oldtimerenthusiast,<br />

übernahm die Regie bei <strong>der</strong><br />

Motorinstandsetzung. Er erinnert sich<br />

an den insgesamt grausamen Zustand<br />

und vor allem an das fest gegangene<br />

hintere Nockenwellenlager. So fest,<br />

dass alle zivilisierten Reparaturmethoden<br />

versagten und das Lager<br />

schließlich ausgebohrt werden musste.<br />

Zwar hat <strong>der</strong> Motor bereits eine<br />

Druckumlaufschmierung, aber offenbar<br />

kam am hinteren Lager nicht<br />

genug Öl an. Bernd Mell hält die<br />

Ölzufuhr für unterdimensioniert, und<br />

er hat das Lager daher mit zusätzlichen<br />

Bohrungen versehen. Typreferent<br />

Reinhard Wiens kann die Beobachtung<br />

nicht bestätigen und sieht<br />

eher längeren Betrieb mit stark<br />

verunreinigtem o<strong>der</strong> fehlendem Öl<br />

als Fehlerursache.<br />

Eigenartig erscheint in diesem Zusammenhang<br />

die werksseitige Verwendung<br />

von Nockenwellenlagern<br />

aus Grauguss. Um das Problem<br />

dauerhaft zu beheben, verwendete


Bernd Mell äußerste Sorgfalt auf die<br />

Überholung und die exakte Montage<br />

<strong>der</strong> Ölpumpe.<br />

Die hintere Abdichtung <strong>der</strong> Kurbelwelle<br />

erfolgt per Graphitschnur, das<br />

Anpassen geriet ebenfalls langwierig.<br />

Dieser Motor ist nun jedenfalls dicht.<br />

Die übrigen Arbeitsgänge beinhalteten<br />

das Schleifen <strong>der</strong> Kurbelwelle<br />

und das Erneuern von Lagern, Kolbenbolzen<br />

und Ventilführungen. Die<br />

nähere Betrachtung <strong>der</strong> vermeintlich<br />

simplen Maschine offenbart überraschend<br />

fortschrittliche Details. Einen<br />

Ölfilter hatte <strong>der</strong> „kleine <strong>Opel</strong> Sechszylin<strong>der</strong>“<br />

schon, und am Verteiler<br />

ließ sich recht einfach <strong>der</strong> Zündzeitpunkt<br />

justieren, um unterwegs auch<br />

Kraftstoff mit niedrigerer Oktanzahl<br />

als üblich verwenden zu können. Der<br />

Benzinhahn direkt vorm Vergaser<br />

wurde nachträglich montiert, um den<br />

Gebrauch und damit den Verschleiß<br />

des serienmäßig im Innenraum montierten<br />

Benzinhahns einzuschränken.<br />

Er besteht, natürlich, aus Messing,<br />

das nicht für Abriebfestigkeit berühmt<br />

ist. Was man gerade bei geschlossenen<br />

Automobilen <strong>der</strong> zwanziger<br />

Jahre schon manchmal riechen<br />

kann.<br />

Das Kühlernetz blieb original, die<br />

zahlreichen Dellen hat Mario Trebs<br />

nach und nach in Ordnung gebracht,<br />

mit einer simplen Zange und viel<br />

Geduld. Die Wasserkästen bestehen<br />

(natürlich) aus Messing.<br />

Weniger zu tun gab es an <strong>der</strong> Kraftübertragung.<br />

Im Getriebe stellten sich<br />

nur die Schaltgabeln als verschlissen<br />

heraus, die Hinterachse benötigte<br />

neue Lager und einen neuen Deckel.<br />

Der überraschend gute Zustand des<br />

Getriebes könnte in seiner Dimensionierung<br />

begründet liegen, auch das<br />

Differential wurde in Rüsselsheim<br />

großzügig bemessen.<br />

Selbst die Blattfe<strong>der</strong>n bergen ein<br />

ungewöhnliches Detail: Sie sind in<br />

vorn an Gummilagern montiert. Eine<br />

Bauart, von <strong>der</strong> <strong>Opel</strong> mit dem 1,8<br />

Liter wie<strong>der</strong> abging. Qualität äußert<br />

sich auch in Kleinigkeiten: Hans<br />

Barche staunte beim Zerlegen über<br />

den hohen Anteil an Schrauben mit<br />

Feingewinde – und über die Mixtur<br />

aus metrischen und zölligen Schrauben.<br />

Erwartungsgemäß gingen die meisten<br />

Arbeitsstunden in die Überholung <strong>der</strong><br />

maroden Karosserie. Mario Trebs<br />

bekommt immer noch leuchtende<br />

Augen, wenn er von den Zeichen für<br />

Qualität spricht, die inmitten <strong>der</strong><br />

Trümmer und Fetzen zutage traten.<br />

Die Aluleisten an <strong>der</strong> A-Säule tragen<br />

das <strong>Opel</strong>-Zeichen auf <strong>der</strong> Rückseite.<br />

Sie waren gebrochen und mussten<br />

geschweißt werden. Eine interessante<br />

Lösung haben die Rüsselsheimer<br />

Ingenieure bei <strong>der</strong> Frontscheibe<br />

gefunden. Sie lässt sich hochkurbeln,<br />

und abhängig von <strong>der</strong> gewählten<br />

Stellung bläst die Frischluft in den<br />

Fußraum o<strong>der</strong> in Brusthöhe in das<br />

Limousinengehäuse.<br />

Dessen Instandsetzung wegen des<br />

Fehlens geeigneter Messpunkte<br />

kompliziert war, die Karosserie hatte<br />

über die Jahre schon so stark „gearbeitet“,<br />

dass das direkte Abnehmen<br />

von Maßen an den verwitterten<br />

Holzteilen nicht in Frage kam. Daher<br />

hat Mario Trebs mit den Türen angefangen,<br />

die Holzteile sind nach und<br />

nach um die Türen herum angefertigt<br />

worden. Beginnend von <strong>der</strong> Fahrertür<br />

ging es so schrittweise zum Heck und<br />

an<strong>der</strong>s herum wie<strong>der</strong> zurück. Das<br />

Dach kam zum Schluss an die Reihe.<br />

Es ist übrigens kein Blechdach, so<br />

große Blechpressen hat es damals<br />

noch nicht gegeben, son<strong>der</strong>n ein<br />

zusammengesetzter Blechrahmen mit<br />

einem Gestell aus Holzlatten, ähnlich<br />

einem Lattenrost, das dann mit Verdeckstoff<br />

bespannt wird.<br />

Im Innenraum mussten alle textilen<br />

TECHNIK<br />

Von links vorn geht es hinten herum…<br />

…nach rechts vorn. Zwischendurch<br />

immer wie<strong>der</strong> montieren, anpassen,<br />

demontieren, anfertigen, erneut<br />

montieren, anpassen, demontieren,<br />

nacharbeiten<br />

Der spannende Moment: Gleich läuft er!<br />

Herr Direktor – schon grundiert und<br />

halbfertig wirkt <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong> wie <strong>der</strong><br />

Chefwagen<br />

SM steht zwar für Schmalkalden-Meiningen, könnte hier aber auch Seine<br />

Majestät bedeuten<br />

Clubmagazin Nr. 200 23


TECHNIK<br />

<strong>Opel</strong> 7/ 34 <strong>PS</strong> in einer zeitgenössischen<br />

Werbeaufnahme. Für die keine<br />

beson<strong>der</strong>s kleine Holde ausgesucht<br />

wurde, <strong>der</strong> ursprünglich verwendete<br />

Rahmen baut erheblich höher, und<br />

<strong>der</strong> 7/34 misst stattliche 1,86 m<br />

8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> als zweisitziges Cabriolet, zu<br />

haben nur 1928/ 29, hier offenbar bei<br />

einer Schönheitskonkurrenz aufgenommen<br />

Wir sehen uns in Meiningen!<br />

24 Clubmagazin Nr. 200<br />

Bestandteile erneuert werden, die<br />

Bedienungselemente (aus Messing)<br />

ließen sich aufarbeiten. Das Armaturenbrett<br />

zeigt sich üppig bestückt,<br />

von links nach rechts gibt es eine<br />

Öldruckanzeige, den Walzentacho<br />

und eine Zeituhr. Auch die Winker<br />

werden per Uhrwerk gesteuert, 15<br />

Sekunden bleiben sie ausgefahren.<br />

Selbst eine Tankanzeige gibt es bereits,<br />

sie wird vollmechanisch betätigt.<br />

Der Schwimmer besteht aus Kork.<br />

Die vier Türen lassen sich einzeln von<br />

innen verriegeln, „Angstgriffe“ (Hans<br />

Barche) gibt es ebenso wie Kartentaschen<br />

an <strong>der</strong> Rückenlehne.<br />

Mit dem großen Messinggriff auf <strong>der</strong><br />

Lenkradnabe wird <strong>der</strong> Lichtschalter<br />

bedient, er befindet sich im Motorraum<br />

unten an <strong>der</strong> Lenksäule. Reichliche<br />

Verstellmöglichkeiten bietet <strong>der</strong><br />

Suchscheinwerfer, er kann in <strong>der</strong><br />

Höhe und in <strong>der</strong> Neigung bewegt und<br />

gedreht werden. Dafür gibt es keine<br />

Verstellung <strong>der</strong> Sitzbank. Die Sitzleh-<br />

ne kann eingestellt werden, für die<br />

Arretierung sorgen Riemen wie bei<br />

einer Sandale, stabiler ausgeführt<br />

natürlich. Auch die Pedale lassen sich<br />

bewegen, um die Sitzstellung anzupassen.<br />

Zu groß darf nicht sein, wer<br />

den 8/<strong>40</strong> fahren möchte, obwohl die<br />

Innenhöhe dank Nie<strong>der</strong>rahmen natürlich<br />

enorm ist. Der die Straßenlage<br />

zwar deutlich verbessert haben soll,<br />

auf die „Angstgriffe“ mochte <strong>Opel</strong><br />

aber doch nicht verzichten. Einer<br />

findet sich übrigens an <strong>der</strong> Rückbank.<br />

Nachgerüstet wurde im Innenraum<br />

nur ein Fernthermometer, um die<br />

Motortemperatur besser unter Kontrolle<br />

behalten zu können.<br />

2007 war <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> dann bereit zur<br />

ersten Ausfahrt, die wir wegen <strong>der</strong><br />

Wetterbedingungen bei unserem<br />

Besuch in Meiningen lei<strong>der</strong> nicht<br />

wie<strong>der</strong>holen konnten. Aber das lässt<br />

sich auf unserem Internationalen<br />

Jahrestreffen im Mai nachholen, und<br />

dieser außergewöhnliche Veteran<br />

wird nicht nur wegen seiner aufwendigen<br />

Restaurierung im Mittelpunkt<br />

des Interesses stehen, son<strong>der</strong>n auch<br />

als eines <strong>der</strong> letzten erhaltenen größeren<br />

Automobile aus eigenständiger<br />

Rüsselsheimer Entwicklung.<br />

Nach einer solchen „Baustelle“ kann<br />

man sich zurücklehnen und das<br />

Ergebnis seiner Arbeit einfach genießen,<br />

o<strong>der</strong>… „Ja, das hätten wir tun<br />

können“, antwortet Hans Barche<br />

lächelnd. Dann geht er auf eine Tür<br />

zu, gibt mir einen Wink, und – da<br />

steht ein Blitz. Von 1938. Ein Blitz,<br />

<strong>der</strong> nicht nur im Krieg war, son<strong>der</strong>n<br />

anschließend noch bis 1988 im Harz<br />

gelaufen ist. Spuren mehrerer Unfälle,<br />

die Hinterachse so ausgeleiert,<br />

dass Gehäuse neu gebohrt werden<br />

mussten, alle Gewinde im Motor<br />

nachschneiden – was man eben so<br />

machen muss, wenn man weiß,<br />

an<strong>der</strong>e hätten die Kiste ausgeschlachtet<br />

und die Reste weggeworfen. Das<br />

sagt er nicht, aber das ist es, worum<br />

es geht.<br />

Vom Blitz erzählen wir, wenn er<br />

fertig ist.<br />

Text: Stefan Heins *1662<br />

Fotos: Hans Barche *3532, Norbert<br />

Büchner *2<strong>40</strong>3

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