der Opel 8/40 PS
der Opel 8/40 PS
der Opel 8/40 PS
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
TECHNIK<br />
20 Clubmagazin Nr. 200<br />
Beeindruckende Erscheinung – <strong>der</strong> <strong>Opel</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> von Hans Barche, aufgenommen in Meiningen<br />
Schmuckstück<br />
<strong>Opel</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> von 1929<br />
Vorm Kapitän gab es den <strong>der</strong> Super<br />
6, <strong>der</strong> aus dem Zweiliter entwickelt<br />
wurde, dem Nachfolger des 1,8<br />
Liters. Doch <strong>Opel</strong>s erster kompakter<br />
Sechszylin<strong>der</strong> und damit <strong>der</strong> Urahn<br />
von Kapitän und KAD entstand noch<br />
vor 1930 und war eine eigenständige<br />
Rüsselsheimer Entwicklung. Hans<br />
Alles kommt irgendwann wie<strong>der</strong> – so<br />
auch die hinten angeschlagenen<br />
Fondtüren, es gibt sie im kommenden<br />
Meriva<br />
Barche aus dem thüringischen Meiningen<br />
hat einen 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> restauriert –<br />
und dabei eine Menge erlebt.<br />
Wer Hans Barche in Meinigen besuchen<br />
will, wird schon auf dem Weg<br />
zu seiner Werkstatt mit Wi<strong>der</strong>sprüchen<br />
konfrontiert. Unterhalb <strong>der</strong><br />
Landstraße erstrahlt ein Gewächshauskomplex,<br />
Algen für die Kosmetikindustrie<br />
züchten sie dort, und die<br />
Beleuchtung scheint so grell, dass sie<br />
vom Weltall aus zu sehen sein wird.<br />
O<strong>der</strong> man fährt von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
heran und sieht einen düsteren verlassenen<br />
Plattenbau, <strong>der</strong> heute von<br />
Fle<strong>der</strong>mäusen bewohnt wird und<br />
deshalb unter Naturschutz steht.<br />
Überall aber sieht man hinter den<br />
Häusern Schuppen und Anbauten, in<br />
denen fast immer Drehbänke stehen.<br />
Thüringen hat eine uralte Tradition<br />
<strong>der</strong> Eisengewinnung und –verarbeitung,<br />
auch in den Tagen <strong>der</strong> DDR<br />
wurde teils aus Freude an <strong>der</strong> Sache<br />
getüftelt, teils aber auch selbst gebaut,<br />
was es gerade nicht zu kaufen<br />
gab.<br />
Ein bisschen von dieser Zwischenwelt<br />
schwingt noch immer mit, wenn<br />
man vor <strong>der</strong> Werkstatt steht. Einige<br />
Rahmen von 1,2 Litern stehen auf <strong>der</strong><br />
Wiese, teils abgedeckt, teils nicht.<br />
Lange ist es noch nicht her, dass<br />
daraus Behelfstraktoren gemacht<br />
worden sind. Vielen <strong>der</strong> Ausstellungsstücke<br />
in <strong>der</strong> Oldtimerhalle<br />
sieht man die lange Nutzungsdauer<br />
noch an, an<strong>der</strong>e erstrahlen im frischen<br />
Glanz, als seien die Jahre<br />
einfach an ihnen vorbei gegangen,<br />
ohne Spuren zu hinterlassen. Manch
ein Kapitel <strong>der</strong> Motorisierung ist<br />
lange vergessen, umgekehrt haben<br />
diese Zeugen <strong>der</strong> Zeit auch nicht<br />
viele Spuren hinterlassen. Wer kennt<br />
heute noch die Flottweg von 1919,<br />
mit dem Motor auf dem Vor<strong>der</strong>rad?<br />
O<strong>der</strong> die Motorrä<strong>der</strong> von Wan<strong>der</strong>er?<br />
Das erste Auto, das in <strong>der</strong> Dämmerung<br />
zu sehen ist, überrascht hingegen<br />
nicht. Es ist ein kleiner Dixi, <strong>der</strong><br />
Nachbau des Austin Seven, aus dem<br />
die Marke BMW wurde, in Eisenach,<br />
nur einige Kilometer entfernt. Der<br />
Dixi ist bis heute <strong>der</strong> Stolz <strong>der</strong> Thüringer,<br />
und wer sich für Oldtimer<br />
interessiert, stellt sich irgendwann<br />
einen Dixi hin. Die herrschaftlichen<br />
Horch und Wan<strong>der</strong>er galten zu Lebzeiten<br />
als unerschwinglich, und sie<br />
waren aus Sachsen.<br />
Der <strong>Opel</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> war auch unerschwinglich,<br />
kostete aber immer noch<br />
erheblich weniger als ein Wan<strong>der</strong>er.<br />
Der „billigste Sechszylin<strong>der</strong> auf dem<br />
deutschen Markt“, schrieb Werner<br />
Oswald über das Modell, ohne zu<br />
erläutern, ob er preiswert meinte o<strong>der</strong><br />
eben billig.<br />
Auch das ist ein Rätsel, denn billig,<br />
was soll an dieser Erscheinung denn<br />
billig sein, die im Halbdunkel vor uns<br />
steht? Aus dem verwendeten Messing<br />
allein würden sie heute in Frankreich<br />
die Dekoration für 200 bessere Gasherde<br />
bauen, mindestens.<br />
Selbst das Gehäuse des Suchscheinwerfers,<br />
an <strong>der</strong> A-Säule auf <strong>der</strong><br />
Fahrerseite montiert, wurde aus dem<br />
Vollen gefertigt. Fernthermometer,<br />
Haubenverschlüsse, Rückleuchten,<br />
sogar <strong>der</strong> Halter für den Regenschirm<br />
– Messing, wohin das Auge auch<br />
blickt. Nein, dieses Automobil lässt<br />
sich nicht darauf reduzieren, <strong>der</strong><br />
Vorläufer des 1,8 Liters zu sein und<br />
damit <strong>der</strong> Ursprung <strong>der</strong> <strong>Opel</strong>-Oberklasse<br />
bis hin zum Diplomat. Dieses<br />
Automobil steht auf seinem Nie<strong>der</strong>rahmen,<br />
niedriger als es auf Fotos<br />
wirkt, wuchtig, solide – und für eine<br />
versunkene Welt, was nun rein gar<br />
nichts mit <strong>Opel</strong> vor und nach <strong>der</strong><br />
Übernahme durch GM zu tun hat.<br />
Messing, schwere, gediegene Qualität,<br />
die schlichte Technik <strong>der</strong> Zwanziger,<br />
schon ausgeführt mit dem Blick<br />
auf die Komfortansprüche <strong>der</strong> Dreißiger,<br />
aber noch ohne die Einsparungen<br />
<strong>der</strong> folgenden Dekade. Zwischenwelt,<br />
auch das.<br />
2004 war es, als Hans Barche und<br />
Mario Trebs vor dem 8/<strong>40</strong> standen, in<br />
Eschwege. Ohne die Historie und den<br />
Hintergrund dieses außergewöhnlichen<br />
Wagens bereits richtig einordnen<br />
zu können. Was sie sahen, war<br />
erst einmal nichts an<strong>der</strong>es als ein<br />
Haufen Schrott. Die Limousine mit<br />
den hinten angeschlagenen Fondtüren<br />
war lange in Russland gelaufen. Wie<br />
viele Kilometer, weiß niemand. Die<br />
Karosserie komplett fertig, die hölzernen<br />
Holme hinter den Blechteilen<br />
verfault, <strong>der</strong> Aufbau stellenweise<br />
zusammengesackt. „Die Russen<br />
hatten hinterm Armaturenbrett quer<br />
eine Eisenstange montiert“, erinnert<br />
sich Hans Barche. Dass er später das<br />
Öl mit einem Spachtel aus <strong>der</strong> Wanne<br />
kratzen sollte, wusste er noch nicht,<br />
aber er konnte es sich schon denken.<br />
„Wie Lakritze sah das aus“, ergänzt<br />
Mario Trebs. Er war es schließlich,<br />
<strong>der</strong> den Kauf des „Russenautos“ in<br />
die Gänge brachte. Der 8/<strong>40</strong> soll<br />
requiriert worden und dann als<br />
Kriegsbeute in <strong>der</strong> damaligen Sowjetunion<br />
verblieben sein, wo er von<br />
einem lokalen Funktionär als Dienstwagen<br />
genutzt wurde, bis er nicht<br />
mehr zu reparieren war. Vermutlich<br />
sorgte ein Lagerschaden für die<br />
Stilllegung. Vielleicht war es aber<br />
auch eine gebrochene Ventilführung.<br />
Gefahren worden ist er zum Schluss<br />
seines ersten Lebens offenbar nicht<br />
mehr mit <strong>der</strong> Kraft aller Zylin<strong>der</strong>.<br />
Sechs Zylin<strong>der</strong> hat <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong>, die<br />
Ventile sind stehend angeordnet, die<br />
aus Leichtmetall gegossene untere<br />
Hälfte des Motorblocks ruht starr auf<br />
dem niedrig gebauten Rahmen, und<br />
<strong>der</strong> Solex-Flachstromvergaser besteht<br />
aus Messing. <strong>40</strong> <strong>PS</strong> schöpft <strong>der</strong><br />
Motor aus 1916 cm³, bei flotten 3600<br />
U/min. Die Nenndrehzahl lag sogar<br />
höher als beim 1,8 Liter, <strong>der</strong> ihn 1931<br />
beerben sollte. Bemerkenswert ist die<br />
Drehzahl auch deshalb, weil <strong>der</strong> Hub<br />
immerhin 100 mm beträgt und die<br />
Kolbengeschwindigkeiten daher<br />
sportliche Werte erreichen. Die<br />
übrigen Merkmale des Sechszylin<strong>der</strong>s<br />
entsprachen dem Stand <strong>der</strong><br />
Technik: Thermosyphonkühlung,<br />
Tank hinten oben an <strong>der</strong> Stirnwand,<br />
„Fallbenzin“ mit Benzinhahn, Licht-<br />
TECHNIK<br />
Stark verwittert – <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong> nach dem<br />
Kauf<br />
Fetzendach – was sonst als scherzhafte<br />
Bezeichnung für ein Cabrioverdeck<br />
dient, war hier bittere Realität. Ein<br />
am Stück gepresstes Blechdach gab<br />
es übrigens noch nicht. Bei diesem<br />
Auto gab es nicht einmal mehr die<br />
Bespannung des Daches…<br />
Gemütlich und gediegen – heute<br />
sieht <strong>der</strong> Innenraum wie<strong>der</strong> aus wie<br />
neu, und er enthält, natürlich, viel<br />
Messing<br />
Eisenhaufen – <strong>der</strong> Motor war fest…<br />
…und lässt heute kaum noch erahnen,<br />
wie viel Kopfzerbrechen seine<br />
Restaurierung bereitet hat<br />
Clubmagazin Nr. 200 21
TECHNIK<br />
Hier <strong>der</strong> Motor von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
aus betrachtet. Dreck, Rost, fehlende<br />
Teile…<br />
…die gebaut werden mussten, wie die<br />
mechanische Betätigung des Anlassers.<br />
Das Kabel unten an <strong>der</strong> Lenksäule<br />
führt übrigens zum Lichtschalter,<br />
<strong>der</strong> hier auf <strong>der</strong> Lenkradnabe sitzt<br />
Alles <strong>Opel</strong> – selbst die Radbolzen!<br />
Mario Trebs hat das <strong>Opel</strong>-Logo sogar<br />
auf <strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong> Aluminiumzierleisten<br />
gefunden<br />
Fach-Werk – wenn es keine Messpunkte<br />
gibt, weil alles verrottet ist,<br />
arbeitet man sich eben stückweise<br />
durch das Gebälk. Das schreibt sich<br />
weitaus leichter als es getan ist<br />
22 Clubmagazin Nr. 200<br />
maschinenantrieb über Zahnrä<strong>der</strong>,<br />
Spulenzündung mit Zündverteiler<br />
hinten am Motorblock. Das Getriebe,<br />
sein Gehäuse wurde ebenfalls aus<br />
Leichtmetallguss gefertigt, hat drei<br />
Gänge und ein gewöhnungsbedürftiges<br />
Schaltschema. Links vorn liegt<br />
<strong>der</strong> Rückwärtsgang, dahinter <strong>der</strong><br />
erste, rechts vorn dann <strong>der</strong> zweite<br />
und dahinter <strong>der</strong> dritte, direkte Gang.<br />
Das Getriebe gab es wie auch den<br />
Motor in zwei Ausführungen, von<br />
denen eine nacheinan<strong>der</strong> mit beiden<br />
Motoren kombiniert war.<br />
1927 kam das Modell als <strong>Opel</strong> 7/34<br />
<strong>PS</strong> auf den Markt, wuchs 1928 zum<br />
8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong>, um nach einem weiteren<br />
Jahr den neuen, niedrigen Rahmen zu<br />
erhalten, geän<strong>der</strong>te Karosserien und<br />
ein neues Kühlergesicht. Für das<br />
letzte Modelljahr gab es noch ein<br />
modifiziertes Getriebe und eine<br />
geän<strong>der</strong>te Hinterradaufhängung,<br />
Halbfe<strong>der</strong>n ersetzten die Ausleger-<br />
Viertelfe<strong>der</strong>n. 1930 endete die Produktion<br />
nach 20.580 Exemplaren, die<br />
sich auf eine Reihe verschiedener<br />
Karosserieaufbauten verteilten.<br />
Standardmodell war zunächst <strong>der</strong><br />
offene Tourenwagen, bis einschließlich<br />
1928 kostete die Limousine<br />
mehr. Eine Luxusversion war von<br />
Anfang an im Angebot, das 1929 um<br />
Coupé, Cabriolet und Roadster ergänzt<br />
wurde, die aber nur zwei Jahre<br />
hergestellt wurden. 1930, im letzten<br />
Jahrgang, gab es dann nur noch die<br />
Limousine in zwei Ausstattungsversionen.<br />
Selten sind die wenigen<br />
erhaltenen 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> alle, am seltensten<br />
offenbar die damals beliebteste<br />
Variante, die Limousine, 1929 für<br />
4.500 RM zu haben.<br />
Ein Grund für das schnelle Nachschieben<br />
des vergrößerten Motors<br />
könnte darin gelegen haben, dass<br />
<strong>Opel</strong> den Sechszylin<strong>der</strong> auch dem<br />
Fuhrgewerbe anbieten wollte. „Die<br />
<strong>Opel</strong> Droschke“ hieß ein Prospekt,<br />
<strong>der</strong> niedrigen Verbrauch und Lebensdauer<br />
in den Vor<strong>der</strong>grund stellte. Dort<br />
stand:<br />
Die <strong>Opel</strong>droschke ist solide gebaut<br />
und den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Praxis<br />
angepasst. Bei <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong><br />
Droschkenaufbauten auf das 8 <strong>PS</strong> 6<br />
Zylin<strong>der</strong>-Chassis wurde größte Sorgfalt<br />
angewandt, um Dauerhaftigkeit<br />
mit schönem Äußeren zu verbinden.<br />
Keine einzige für den Droschkenbetrieb<br />
notwendige Einzelheit ist übergangen<br />
worden. Der Fond ist geschmackvoll<br />
und komfortabel ausgestattet.<br />
Der Führersitz ist mit schwarzem<br />
Rindle<strong>der</strong> bezogen, daneben ist<br />
ein Raum für Gepäck angeordnet.<br />
Die gute, dauerhafte Lackierung ist<br />
standardmäßig droschkengrün, das<br />
Oberteil schwarz.<br />
Erhalten geblieben ist davon offenbar<br />
nur eine Abbildung, die ursprünglich<br />
im Buch „Deutsche Autos 1920-45“<br />
von Werner Oswald zu finden war<br />
und ein Landaulet zeigt, zu erkennen<br />
nur an den Sturmbügeln des geschlossenen<br />
Verdecks. Weitere Bil<strong>der</strong><br />
ließen sich dazu nicht auftreiben. Was<br />
sonst noch kursiert, zeigt den älteren<br />
10/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> bzw. völlig an<strong>der</strong>e Modelle.<br />
Gefertigt wurden die Aufbauten bei<br />
den Karosseriewerken Otto Kühn in<br />
Halle an <strong>der</strong> Saale.<br />
Von diesen Zusammenhängen und<br />
Rätseln wusste das Meininger Restaurierergespann<br />
wenig bis nichts,<br />
als es an das Zerlegen des verrotteten<br />
8/<strong>40</strong> ging. Schon <strong>der</strong> Motor erwies<br />
sich als schwere Hürde. Einfacher<br />
Seitenventiler? Von wegen. Bernd<br />
Mell, ein befreundeter Oldtimerenthusiast,<br />
übernahm die Regie bei <strong>der</strong><br />
Motorinstandsetzung. Er erinnert sich<br />
an den insgesamt grausamen Zustand<br />
und vor allem an das fest gegangene<br />
hintere Nockenwellenlager. So fest,<br />
dass alle zivilisierten Reparaturmethoden<br />
versagten und das Lager<br />
schließlich ausgebohrt werden musste.<br />
Zwar hat <strong>der</strong> Motor bereits eine<br />
Druckumlaufschmierung, aber offenbar<br />
kam am hinteren Lager nicht<br />
genug Öl an. Bernd Mell hält die<br />
Ölzufuhr für unterdimensioniert, und<br />
er hat das Lager daher mit zusätzlichen<br />
Bohrungen versehen. Typreferent<br />
Reinhard Wiens kann die Beobachtung<br />
nicht bestätigen und sieht<br />
eher längeren Betrieb mit stark<br />
verunreinigtem o<strong>der</strong> fehlendem Öl<br />
als Fehlerursache.<br />
Eigenartig erscheint in diesem Zusammenhang<br />
die werksseitige Verwendung<br />
von Nockenwellenlagern<br />
aus Grauguss. Um das Problem<br />
dauerhaft zu beheben, verwendete
Bernd Mell äußerste Sorgfalt auf die<br />
Überholung und die exakte Montage<br />
<strong>der</strong> Ölpumpe.<br />
Die hintere Abdichtung <strong>der</strong> Kurbelwelle<br />
erfolgt per Graphitschnur, das<br />
Anpassen geriet ebenfalls langwierig.<br />
Dieser Motor ist nun jedenfalls dicht.<br />
Die übrigen Arbeitsgänge beinhalteten<br />
das Schleifen <strong>der</strong> Kurbelwelle<br />
und das Erneuern von Lagern, Kolbenbolzen<br />
und Ventilführungen. Die<br />
nähere Betrachtung <strong>der</strong> vermeintlich<br />
simplen Maschine offenbart überraschend<br />
fortschrittliche Details. Einen<br />
Ölfilter hatte <strong>der</strong> „kleine <strong>Opel</strong> Sechszylin<strong>der</strong>“<br />
schon, und am Verteiler<br />
ließ sich recht einfach <strong>der</strong> Zündzeitpunkt<br />
justieren, um unterwegs auch<br />
Kraftstoff mit niedrigerer Oktanzahl<br />
als üblich verwenden zu können. Der<br />
Benzinhahn direkt vorm Vergaser<br />
wurde nachträglich montiert, um den<br />
Gebrauch und damit den Verschleiß<br />
des serienmäßig im Innenraum montierten<br />
Benzinhahns einzuschränken.<br />
Er besteht, natürlich, aus Messing,<br />
das nicht für Abriebfestigkeit berühmt<br />
ist. Was man gerade bei geschlossenen<br />
Automobilen <strong>der</strong> zwanziger<br />
Jahre schon manchmal riechen<br />
kann.<br />
Das Kühlernetz blieb original, die<br />
zahlreichen Dellen hat Mario Trebs<br />
nach und nach in Ordnung gebracht,<br />
mit einer simplen Zange und viel<br />
Geduld. Die Wasserkästen bestehen<br />
(natürlich) aus Messing.<br />
Weniger zu tun gab es an <strong>der</strong> Kraftübertragung.<br />
Im Getriebe stellten sich<br />
nur die Schaltgabeln als verschlissen<br />
heraus, die Hinterachse benötigte<br />
neue Lager und einen neuen Deckel.<br />
Der überraschend gute Zustand des<br />
Getriebes könnte in seiner Dimensionierung<br />
begründet liegen, auch das<br />
Differential wurde in Rüsselsheim<br />
großzügig bemessen.<br />
Selbst die Blattfe<strong>der</strong>n bergen ein<br />
ungewöhnliches Detail: Sie sind in<br />
vorn an Gummilagern montiert. Eine<br />
Bauart, von <strong>der</strong> <strong>Opel</strong> mit dem 1,8<br />
Liter wie<strong>der</strong> abging. Qualität äußert<br />
sich auch in Kleinigkeiten: Hans<br />
Barche staunte beim Zerlegen über<br />
den hohen Anteil an Schrauben mit<br />
Feingewinde – und über die Mixtur<br />
aus metrischen und zölligen Schrauben.<br />
Erwartungsgemäß gingen die meisten<br />
Arbeitsstunden in die Überholung <strong>der</strong><br />
maroden Karosserie. Mario Trebs<br />
bekommt immer noch leuchtende<br />
Augen, wenn er von den Zeichen für<br />
Qualität spricht, die inmitten <strong>der</strong><br />
Trümmer und Fetzen zutage traten.<br />
Die Aluleisten an <strong>der</strong> A-Säule tragen<br />
das <strong>Opel</strong>-Zeichen auf <strong>der</strong> Rückseite.<br />
Sie waren gebrochen und mussten<br />
geschweißt werden. Eine interessante<br />
Lösung haben die Rüsselsheimer<br />
Ingenieure bei <strong>der</strong> Frontscheibe<br />
gefunden. Sie lässt sich hochkurbeln,<br />
und abhängig von <strong>der</strong> gewählten<br />
Stellung bläst die Frischluft in den<br />
Fußraum o<strong>der</strong> in Brusthöhe in das<br />
Limousinengehäuse.<br />
Dessen Instandsetzung wegen des<br />
Fehlens geeigneter Messpunkte<br />
kompliziert war, die Karosserie hatte<br />
über die Jahre schon so stark „gearbeitet“,<br />
dass das direkte Abnehmen<br />
von Maßen an den verwitterten<br />
Holzteilen nicht in Frage kam. Daher<br />
hat Mario Trebs mit den Türen angefangen,<br />
die Holzteile sind nach und<br />
nach um die Türen herum angefertigt<br />
worden. Beginnend von <strong>der</strong> Fahrertür<br />
ging es so schrittweise zum Heck und<br />
an<strong>der</strong>s herum wie<strong>der</strong> zurück. Das<br />
Dach kam zum Schluss an die Reihe.<br />
Es ist übrigens kein Blechdach, so<br />
große Blechpressen hat es damals<br />
noch nicht gegeben, son<strong>der</strong>n ein<br />
zusammengesetzter Blechrahmen mit<br />
einem Gestell aus Holzlatten, ähnlich<br />
einem Lattenrost, das dann mit Verdeckstoff<br />
bespannt wird.<br />
Im Innenraum mussten alle textilen<br />
TECHNIK<br />
Von links vorn geht es hinten herum…<br />
…nach rechts vorn. Zwischendurch<br />
immer wie<strong>der</strong> montieren, anpassen,<br />
demontieren, anfertigen, erneut<br />
montieren, anpassen, demontieren,<br />
nacharbeiten<br />
Der spannende Moment: Gleich läuft er!<br />
Herr Direktor – schon grundiert und<br />
halbfertig wirkt <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong> wie <strong>der</strong><br />
Chefwagen<br />
SM steht zwar für Schmalkalden-Meiningen, könnte hier aber auch Seine<br />
Majestät bedeuten<br />
Clubmagazin Nr. 200 23
TECHNIK<br />
<strong>Opel</strong> 7/ 34 <strong>PS</strong> in einer zeitgenössischen<br />
Werbeaufnahme. Für die keine<br />
beson<strong>der</strong>s kleine Holde ausgesucht<br />
wurde, <strong>der</strong> ursprünglich verwendete<br />
Rahmen baut erheblich höher, und<br />
<strong>der</strong> 7/34 misst stattliche 1,86 m<br />
8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> als zweisitziges Cabriolet, zu<br />
haben nur 1928/ 29, hier offenbar bei<br />
einer Schönheitskonkurrenz aufgenommen<br />
Wir sehen uns in Meiningen!<br />
24 Clubmagazin Nr. 200<br />
Bestandteile erneuert werden, die<br />
Bedienungselemente (aus Messing)<br />
ließen sich aufarbeiten. Das Armaturenbrett<br />
zeigt sich üppig bestückt,<br />
von links nach rechts gibt es eine<br />
Öldruckanzeige, den Walzentacho<br />
und eine Zeituhr. Auch die Winker<br />
werden per Uhrwerk gesteuert, 15<br />
Sekunden bleiben sie ausgefahren.<br />
Selbst eine Tankanzeige gibt es bereits,<br />
sie wird vollmechanisch betätigt.<br />
Der Schwimmer besteht aus Kork.<br />
Die vier Türen lassen sich einzeln von<br />
innen verriegeln, „Angstgriffe“ (Hans<br />
Barche) gibt es ebenso wie Kartentaschen<br />
an <strong>der</strong> Rückenlehne.<br />
Mit dem großen Messinggriff auf <strong>der</strong><br />
Lenkradnabe wird <strong>der</strong> Lichtschalter<br />
bedient, er befindet sich im Motorraum<br />
unten an <strong>der</strong> Lenksäule. Reichliche<br />
Verstellmöglichkeiten bietet <strong>der</strong><br />
Suchscheinwerfer, er kann in <strong>der</strong><br />
Höhe und in <strong>der</strong> Neigung bewegt und<br />
gedreht werden. Dafür gibt es keine<br />
Verstellung <strong>der</strong> Sitzbank. Die Sitzleh-<br />
ne kann eingestellt werden, für die<br />
Arretierung sorgen Riemen wie bei<br />
einer Sandale, stabiler ausgeführt<br />
natürlich. Auch die Pedale lassen sich<br />
bewegen, um die Sitzstellung anzupassen.<br />
Zu groß darf nicht sein, wer<br />
den 8/<strong>40</strong> fahren möchte, obwohl die<br />
Innenhöhe dank Nie<strong>der</strong>rahmen natürlich<br />
enorm ist. Der die Straßenlage<br />
zwar deutlich verbessert haben soll,<br />
auf die „Angstgriffe“ mochte <strong>Opel</strong><br />
aber doch nicht verzichten. Einer<br />
findet sich übrigens an <strong>der</strong> Rückbank.<br />
Nachgerüstet wurde im Innenraum<br />
nur ein Fernthermometer, um die<br />
Motortemperatur besser unter Kontrolle<br />
behalten zu können.<br />
2007 war <strong>der</strong> 8/<strong>40</strong> <strong>PS</strong> dann bereit zur<br />
ersten Ausfahrt, die wir wegen <strong>der</strong><br />
Wetterbedingungen bei unserem<br />
Besuch in Meiningen lei<strong>der</strong> nicht<br />
wie<strong>der</strong>holen konnten. Aber das lässt<br />
sich auf unserem Internationalen<br />
Jahrestreffen im Mai nachholen, und<br />
dieser außergewöhnliche Veteran<br />
wird nicht nur wegen seiner aufwendigen<br />
Restaurierung im Mittelpunkt<br />
des Interesses stehen, son<strong>der</strong>n auch<br />
als eines <strong>der</strong> letzten erhaltenen größeren<br />
Automobile aus eigenständiger<br />
Rüsselsheimer Entwicklung.<br />
Nach einer solchen „Baustelle“ kann<br />
man sich zurücklehnen und das<br />
Ergebnis seiner Arbeit einfach genießen,<br />
o<strong>der</strong>… „Ja, das hätten wir tun<br />
können“, antwortet Hans Barche<br />
lächelnd. Dann geht er auf eine Tür<br />
zu, gibt mir einen Wink, und – da<br />
steht ein Blitz. Von 1938. Ein Blitz,<br />
<strong>der</strong> nicht nur im Krieg war, son<strong>der</strong>n<br />
anschließend noch bis 1988 im Harz<br />
gelaufen ist. Spuren mehrerer Unfälle,<br />
die Hinterachse so ausgeleiert,<br />
dass Gehäuse neu gebohrt werden<br />
mussten, alle Gewinde im Motor<br />
nachschneiden – was man eben so<br />
machen muss, wenn man weiß,<br />
an<strong>der</strong>e hätten die Kiste ausgeschlachtet<br />
und die Reste weggeworfen. Das<br />
sagt er nicht, aber das ist es, worum<br />
es geht.<br />
Vom Blitz erzählen wir, wenn er<br />
fertig ist.<br />
Text: Stefan Heins *1662<br />
Fotos: Hans Barche *3532, Norbert<br />
Büchner *2<strong>40</strong>3