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Eingliederungshilfen im Blickwinkel - Brandenburg.de

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Zur Zukunft <strong>de</strong>r<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

3. SOZIALFORUM <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

herausgegeben von<br />

Wally Geisler<br />

Liane Klocek<br />

Helmut Knüppel<br />

2. September 2005 in Potsdam<br />

Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Sozialwesen<br />

Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>


2<br />

Schirmherrschaft über die Fachtagung hatte Dagmar Ziegler, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit<br />

und Familie <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Veranstalter: Fachbereich Sozialwesen <strong>de</strong>r Fachhochschule Potsdam,<br />

Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> (LASV), Cottbus<br />

Herausgeber: Wally Geisler, Fachhochschule Potsdam<br />

Liane Klocek, LASV, Cottbus<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel<br />

Die Veranstalter danken <strong>de</strong>m Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> für die finanzielle Unterstützung.


3<br />

Inhalt<br />

I. Prolog 4<br />

Wally Geisler, Fachhochschule Potsdam<br />

Liane Klocek, LASV, Cottbus<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel<br />

II. Begrüßung 7<br />

Prof. Dr. Helene Kleine, Rektorin <strong>de</strong>r Fachhochschule Potsdam<br />

Winfried Alber, Staatssekretär <strong>de</strong>s MASGF, Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

III. Dr. Johannes Schädler, Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste, Siegen<br />

§ 97 SGB XII o<strong>de</strong>r „Wer ist zuständig?“ Entwicklungspfa<strong>de</strong> und<br />

Entwicklungsnotwendigkeiten für Zuständigkeitsregelungen in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

13<br />

IV. Dr. Irene Vorholz, Deutscher Landkreistag 24<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> <strong>im</strong> Blickfeld – Kompetenzen und Verantwortlichkeiten;<br />

Chancen und Hin<strong>de</strong>rnisse aus Sicht <strong>de</strong>r örtlichen Sozialhilfeträger<br />

V. Thomas Profazi, Landschaftsverband Westfalen-Lippe 31<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> <strong>im</strong> Blickfeld – Kompetenzen und Verantwortlichkeiten;<br />

Chancen und Hin<strong>de</strong>rnisse aus Sicht <strong>de</strong>r überörtlichen Träger<br />

VI. Prof. Dr. Peter Kruckenberg, Aktion Psychisch Kranke 55<br />

Qualitätskriterien für Leistungserbringung, Koordination und Steuerung in einem<br />

integrierten personenzentrierten psychiatrischen Hilfesystem<br />

VII. Diskussion <strong>de</strong>r Vorträge 63<br />

VIII. Peter Schafft, MASGF, Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> 73<br />

Zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

IX. Podiumsdiskussion mit <strong>de</strong>n Referenten und<br />

Silvia Lehmann, MdL<br />

79<br />

Rainer Kluge, Lan<strong>de</strong>sbehin<strong>de</strong>rtenbeauftragter, Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Thomas Dane, LIGA <strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Freien Wohlfahrtspflege<br />

X. Prof. Paul Meusinger, LASV, Cottbus<br />

Tagungsergebnisse<br />

109<br />

XI. Anlage 114


I. Prolog<br />

Wally Geisler, Liane Klocek, Prof. Dr. Helmut Knüppel<br />

Kommunalisierung o<strong>de</strong>r Zentralistische Lösungen. Zur Ausgangssituation in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.<br />

4<br />

Die Diskussion über die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe berührt die zentrale Frage unseres Selbstverständnisses<br />

über die politische Kultur in unserem Land. Einerseits besteht ein großes Interesse, Entscheidungen<br />

möglichst nah an <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Betroffenen anzusie<strong>de</strong>ln, an<strong>de</strong>rerseits besteht ein öffentliches Interesse<br />

daran, die von <strong>de</strong>r Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Mittel möglichst wirksam einzusetzen. Im<br />

ersten Fall wird man darauf achten müssen, wie das Nebeneinan<strong>de</strong>r von nicht <strong>im</strong>mer opt<strong>im</strong>al abgest<strong>im</strong>mten<br />

Planungen schon unter Kostengesichtspunkten verhin<strong>de</strong>rt wird, <strong>im</strong> zweiten Fall, wie die regionalen<br />

Bedarfe opt<strong>im</strong>al befriedigt wer<strong>de</strong>n und all das <strong>im</strong> Interesse <strong>de</strong>r uneingeschränkten Teilhabe <strong>de</strong>r<br />

Menschen mit Behin<strong>de</strong>rung am öffentlichen Leben. Das ist die nicht hintergehbare Zielvorgabe.<br />

Es ist schwer, in politisch so aufgeregten Zeiten wie jetzt, wo Abgeordnete sich überlegen, ob sie sich<br />

die Teilnahme an unserem SOZIALFORUM unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stagswahlkampfes überhaupt<br />

leisten können, - obwohl <strong>im</strong>merhin 10% <strong>de</strong>r Menschen unserer Gesellschaft und damit <strong>de</strong>r Wähler mit<br />

Behin<strong>de</strong>rungen leben, - die anstehen<strong>de</strong> Diskussion in die Bahnen zu lenken, die sie angesichts <strong>de</strong>r<br />

Dringlichkeit <strong>de</strong>s anstehen<strong>de</strong>n Anpassungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch XII <strong>im</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>ischen<br />

Landtag verlangen muss. Aber Wahlkampf darf unser Denken nicht blockieren, wenn wir zu sinnvollen<br />

Lösungen kommen wollen. Die Ergebnisse dieser Tagung wer<strong>de</strong>n wir nach <strong>de</strong>n Turbulenzen <strong>de</strong>r Septemberwahlen<br />

<strong>de</strong>n Abgeordneten zur Verfügung stellen und hoffen, dass die Sorgen <strong>de</strong>r Betroffenen<br />

auf diese Weise nicht in Vergessenheit geraten.<br />

Den Ausführungen <strong>de</strong>s Herrn Staatssekretärs haben wir entnommen, dass sich die Lan<strong>de</strong>sregierung für<br />

eine Kommunalisierung <strong>de</strong>r <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

entschie<strong>de</strong>n hat. Das liegt ganz auf <strong>de</strong>r Linie <strong>de</strong>r seit 1995 zu konstatieren<strong>de</strong>n Entwicklung <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>de</strong>s Zweiten Funktionalreformgesetzes in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> und ist in diesem Kontext <strong>de</strong>m Bestreben<br />

eines orts- und bürgernahen Verwaltungsvollzuges und <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r bisherigen Trennung<br />

von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung geschul<strong>de</strong>t, die in <strong>de</strong>r Vergangenheit das Interesse an<br />

<strong>de</strong>r sparsamen Mittelverwendung bei <strong>de</strong>r Durchführung von Aufgaben spürbar gering gehalten hat: Als<br />

Ergebnis haben wir feststellen müssen, dass wir in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> ein überd<strong>im</strong>ensioniertes stationäres,<br />

aber ein <strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>fizitäres Angebot <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r ambulanten Hilfen haben. Das ist zwar verständ-


5<br />

lich, weil die kommunalen Träger trotz ihrer zu knappen Mittelausstattung für die Finanzierung ambulanter<br />

Maßnahmen allein zuständig sind und in diesem Kontext die vom Land finanzierte stationäre Versorgung<br />

zu ihrer Entlastung genutzt haben. Das ist aber hin<strong>de</strong>rlich für <strong>de</strong>n Ausbau einer am behin<strong>de</strong>rten<br />

Menschen orientierten bedarfsgerechten und in <strong>de</strong>r Regel auch kostengünstigeren ambulanten Versorgungsstruktur.<br />

Die Vorstellung, dass Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen am besten in stationären Einrichtungen<br />

unterzubringen sind, ist einer heute nicht mehr zu rechtfertigen<strong>de</strong>n Tradition geschul<strong>de</strong>t und<br />

fachlich nicht mehr vermittelbar.<br />

Eine <strong>de</strong>r strukturbest<strong>im</strong>men<strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s SGB XII ist die Zusammenführung von Aufgaben- und<br />

Finanzverantwortung, d. h. die Zusammenführung <strong>de</strong>r Hilfen in einer Hand. Nun kann man, wie die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r in Ausschöpfung ihrer Gestaltungsspielräume dies getan haben, unterschiedliche<br />

Entscheidungen fällen hin zu <strong>de</strong>zentraleren o<strong>de</strong>r zu zentraleren Lösungen. Aktuell haben<br />

von <strong>de</strong>n Flächenlän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland fünf Län<strong>de</strong>r <strong>de</strong>zentralisiert durch die Kommunen<br />

und sieben Län<strong>de</strong>r zentral durch Bezirke o<strong>de</strong>r Kommunalverbän<strong>de</strong> die Zuständigkeit für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

geregelt. Für bei<strong>de</strong> Lösungen bedarf es <strong>de</strong>r qualitativen wie strukturellen Ausgestaltung.<br />

Wir haben uns für <strong>de</strong>n ersten Teil unserer Tagung zum Ziel gesetzt, die wesentlichen Bedingungen<br />

für das Gelingen <strong>de</strong>r Zusammenbindung <strong>de</strong>r Verantwortlichkeiten bei bei<strong>de</strong>n Lösungsmo<strong>de</strong>llen auf<br />

<strong>de</strong>r Basis von Qualitätskriterien für Leistungserbringung, Koordination und Steuerung in einem integrierten<br />

Hilfesystem herauszuarbeiten und lassen zu diesem Zweck Vertreter bei<strong>de</strong>r Ansätze zu Wort kommen,<br />

<strong>de</strong>ren Beiträge in einer kurzen Fragerun<strong>de</strong> weiter vertieft wer<strong>de</strong>n können. Im zweiten Teil <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />

wer<strong>de</strong>n nach einem Einführungsstatement durch einen Vertreter <strong>de</strong>s Sozialministeriums <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Podiumsdiskussion, die relevanten Aspekte herausgefiltert und in einen For<strong>de</strong>runsgkatalog<br />

an die politisch Verantwortlichen zusammengefasst. Dieses Material wird allen Interessierten zugänglich<br />

gemacht, damit die Überlegungen und Ergebnisse unserer Erörterungen Gegenstand weiterer<br />

Parlamentarischer Beratung wer<strong>de</strong>n können.<br />

Ziele <strong>de</strong>r anstehen<strong>de</strong>n Gesetzgebung sind<br />

- die Verbesserung <strong>de</strong>s bedarfsgerechten qualifizierten Ausbaus ambulanter Hilfen,<br />

- die Verfügbarkeit gemein<strong>de</strong>naher und flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>r verlässlicher, effektiver und effizienter<br />

Infrastrukturen ambulanter Dienste,<br />

- die Ermöglichung sozialer Integration und eines selbstbest<strong>im</strong>mten Lebens <strong>im</strong> he<strong>im</strong>atlichen sozialen<br />

Umfeld,<br />

- eine Reduzierung <strong>de</strong>r Fälle und <strong>de</strong>r Kosten <strong>im</strong> stationären Bereich,<br />

- eine finanzielle Entlastung <strong>de</strong>r öffentlichen Haushalte.


Es geht um die gleichberechtigte und autonome Teilhabe behin<strong>de</strong>rter Menschen am Leben in unserer<br />

Gesellschaft!<br />

6<br />

Auf diesem Hintergrund gilt es, einige Aspekte nicht aus <strong>de</strong>m Blick zu verlieren:<br />

- Wo setzen wir be<strong>im</strong> Umbau und bei <strong>de</strong>r Öffnung <strong>de</strong>s stationären Bereichs an und woher<br />

kommt das Geld für die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s ambulanten Sektors, vor allen Dingen wenn man weiß,<br />

dass viele stationäre Einrichtungen auf <strong>de</strong>m Land angesie<strong>de</strong>lt sind, die Menschen aber überwiegend<br />

in <strong>de</strong>n Städten wohnen?<br />

- Wer sichert die Qualität <strong>de</strong>r <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong>?<br />

- Wer evaluiert das Verfahren <strong>de</strong>r Umstrukturierung? Wer setzt die notwendigen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

durch?<br />

- Wie bauen wir regionale Ungleichgewichtigkeiten ab?<br />

- Wie sorgen wir dafür, dass die Landkreise nicht unterschiedlich belastet sind?<br />

- Wie soll die Zuständigkeit für die Aushandlung <strong>de</strong>r Entgelte organisiert und koordiniert wer<strong>de</strong>n?<br />

- Welche Folgen haben die <strong>im</strong>mer knapper wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mittel <strong>de</strong>r öffentlichen Hand? Was be<strong>de</strong>utet<br />

in diesem Zusammenhang die Umstellung auf pauschale Zuweisungen für die örtlichen<br />

Sozialhilfeträger?<br />

Fragen über Fragen, die wir <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n Beiträge bearbeiten wollen.


II. Begrüßung<br />

Prof. Dr. Helene Kleine, Rektorin <strong>de</strong>r Fachhochschule Potsdam<br />

Meine Damen und Herren Landtagsabgeordnete und Abgeordnete<br />

aus <strong>de</strong>n Kommunen,<br />

sehr geehrter Herr Staatssekretär,<br />

liebe Expertinnen und Experten aus Kommunen, Land und freien Trägern, liebe Studieren<strong>de</strong>,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Knüppel, sehr geehrter Herr Prof. Meusinger,<br />

ich heiße Sie herzlich willkommen an <strong>de</strong>r Fachhochschule Potsdam zum „Sozialforum <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>“:<br />

„Zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe.“<br />

7<br />

Es ist das dritte Forum, das <strong>de</strong>r Fachbereich Sozialwesen unserer Hochschule mit <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>samt für<br />

Soziales und Versorgung <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>s durchführt. Es ist damit Ausdruck einer gewachsenen und stabilen<br />

Partnerschaft. Diese Partnerschaft ermöglicht es uns, Lehre und Forschung, Studieninhalte und –<br />

formen <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r zu aktualisieren, Experten zu <strong>de</strong>n relevanten Themen zusammenzurufen und <strong>de</strong>n<br />

Erfahrungsaustausch und <strong>de</strong>n strittigen Dialog zu pflegen. Die Hochschule ist damit Ort und Anlass <strong>de</strong>s<br />

Wissenstransfers in bei<strong>de</strong> Richtungen, aber auch Ort <strong>de</strong>r Politikberatung und <strong>de</strong>r kritischen Begleitung<br />

politischer Entscheidungen.<br />

Über die Ausbildung <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten und nicht zuletzt durch handlungs- und umsetzungsorientierte Forschungs-<br />

und Entwicklungsprojekte tragen wir, so glaube ich sagen zu dürfen, wesentlich zur inhaltlichen<br />

Diskussion und Ausgestaltung bei.<br />

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Projekt unter Leitung von Herrn Kollegen Prof. Stolz zur<br />

Enthospitalisierung und familienorientierten Einglie<strong>de</strong>rung psychisch Kranker, aber auch auf das Pots-<br />

Mods-Mo<strong>de</strong>ll von Frau Kollegin Prof. Henke zur Ermöglichung und Erprobung von Studienmöglichkeiten<br />

für Gehörlose bzw. Hörgeschädigte, das wir bedauerlicherweise aus finanziellen Grün<strong>de</strong>n nicht weiterführen<br />

konnten.<br />

Diese Projekte gingen über Beratungs- und Wissenstransfer hinaus und beeinflussten Theorie und Praxis<br />

<strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rung von Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen.


8<br />

Die Projekte, die Beratungen mit Ihnen, <strong>de</strong>n externen Experten und die Arbeit in <strong>de</strong>n Vorlesungen und<br />

Seminaren und damit auch die I<strong>de</strong>ntitätsbildung <strong>de</strong>r jungen Sozialarbeiter tragen mit dazu bei, die<br />

Sichtweise auf Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen und damit auf die Behin<strong>de</strong>rtenhilfe zu än<strong>de</strong>rn: Weg von<br />

<strong>de</strong>r rehabilitativen <strong>de</strong>fizitorientierten Hilfe, hin zu bedarfsorientierten Konzepten <strong>de</strong>r sozialen Integration<br />

und <strong>de</strong>r Selbstbest<strong>im</strong>mung.<br />

In <strong>de</strong>n vorangegangenen Sozialforen haben Sie sich (2003) <strong>de</strong>r Frage zugewandt, wie diese autonome<br />

und gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht und gesichert wer<strong>de</strong>n kann. Im Jahr 2004 hatten wir Experten<br />

aus <strong>de</strong>m europäischen Ausland zu Gast, die zum Teil bei <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe weiter<br />

sind als wir, um von ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihnen darüber zu diskutieren, wie die Dominanz<br />

<strong>de</strong>r stationären gegenüber <strong>de</strong>r ambulanten Hilfe abgebaut wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Mit <strong>de</strong>m Sozialgesetzbuch XII ist nun die Chance gegeben, über das entsprechen<strong>de</strong> Ausführungsgesetz<br />

durch <strong>de</strong>n <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>ischen Landtag die Verantwortlichkeit und Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n<br />

Kommunen und <strong>de</strong>n überörtlichen Trägern für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe neu zu ordnen.<br />

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu:<br />

„Die weitere Entwicklung betreuter Wohnformen soll eine sinnvolle Alternative zur Unterbringung in<br />

Pflegehe<strong>im</strong>en darstellen (...). Die sachlichen Zuständigkeiten <strong>de</strong>r örtlichen Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe und<br />

<strong>de</strong>s überörtlichen Trägers wer<strong>de</strong>n bis zum 01.01.2007 unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>sgesetzlich in §<br />

97 Abs. 1 bis 3 SGB XII getroffenen Regelungen neu best<strong>im</strong>mt. Die künftigen lan<strong>de</strong>srechtlichen Zuständigkeitsbest<strong>im</strong>mungen<br />

sollen die Stärkung <strong>de</strong>s Grundsatzes ‚ambulant vor stationär’ sowie eine<br />

bürgernahe Organisation <strong>de</strong>r Hilfegewährung sicherstellen.“<br />

In <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn ist die Frage <strong>de</strong>r Zentralisierung bzw. Dezentralisierung von Aufgaben<br />

und Verantwortungen unterschiedlich geregelt. Über die Grün<strong>de</strong> dafür wer<strong>de</strong>n wir, wer<strong>de</strong>n Sie<br />

heute einiges erfahren.<br />

Bei <strong>de</strong>r Ausformung <strong>de</strong>s Ausführungsgesetzes zum SGB XII geht es um die Qualitätssicherung bei <strong>de</strong>r<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>de</strong>n bedarfsgerechten Ausbau und Erhalt <strong>de</strong>r ambulanten Hilfen, die Entwicklung<br />

einer gemein<strong>de</strong>nahen und flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>n Infrastruktur, soziale lebensweltbezogene Integration und<br />

ein selbstbest<strong>im</strong>mtes Leben von Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen in ihrem sozialen Umfeld sowie eine<br />

Opt<strong>im</strong>ierung <strong>de</strong>s Mitteleinsatzes.


9<br />

Meine Damen und Herren,<br />

dass Sie so zahlreich <strong>de</strong>r Einladung <strong>de</strong>r Hochschule und <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>samtes gefolgt sind, dass gera<strong>de</strong> so<br />

viele Landtagsabgeordnete aber auch Vertreter <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>srechnungshöfe hier zusammengekommen<br />

sind, macht die Aktualität und <strong>de</strong>n Diskussionsbedarf <strong>de</strong>s Themas <strong>de</strong>utlich.<br />

Der Fachbereich Sozialwesen und die an<strong>de</strong>ren Fachbereiche <strong>de</strong>r Hochschule wer<strong>de</strong>n auch weiterhin<br />

über diese Tagung hinaus eine Plattform für die Aushandlung gesellschaftlicher Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

bieten.<br />

Ich möchte schließen mit meinem Dank an die Partner – Frau Ministerin Ziegler, Ministerium für Arbeit,<br />

Soziales, Gesundheit und Familie, die die Schirmherrschaft übernommen hat, an das Lan<strong>de</strong>samt für<br />

Soziales und Versorgung, an das Vorbereitungsteam unter Leitung von Frau Geisler und Herrn Prof.<br />

Knüppel hier <strong>im</strong> Haus. Mein Dank geht auch an Sie, die Vortragen<strong>de</strong>n, Mo<strong>de</strong>ratoren und Teilnehmer an<br />

<strong>de</strong>n Diskussionsrun<strong>de</strong>n und nicht zuletzt an Sie, meine Damen und Herren, die Sie unserer Einladung<br />

gefolgt sind.<br />

So wünsche ich gutes Gelingen und eine Vielzahl anregen<strong>de</strong>r und weiterführen<strong>de</strong>r Erkenntnisse für die<br />

Akteure in <strong>de</strong>r Wissenschaft, in <strong>de</strong>r administrativen und <strong>de</strong>r politischen Praxis, die ihre Entscheidungen<br />

fundieren mögen.


10<br />

Staatssekretär Winfrid Alber, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie, Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />

bereits das dritte Mal fin<strong>de</strong>t hier in bewährter Partnerschaft von Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung<br />

und Fachhochschule Potsdam das „Sozialforum <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>“ statt. Damit ist eine Tradition entstan<strong>de</strong>n,<br />

die auch in Zukunft gut gepflegt wer<strong>de</strong>n sollte. Denn die Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft<br />

ist von bei<strong>de</strong>rseitigem Nutzen. Ich freue mich, dass ich am heutigen Forum zumin<strong>de</strong>st zeitweise teilnehmen<br />

kann, und danke Ihnen herzlich für die Einladung. Die Schirmherrin <strong>de</strong>r Tagung, Frau Sozialministerin<br />

Dagmar Ziegler, hat mich gebeten, Ihnen die besten Grüße für einen erfolgreichen und erkenntnisreichen<br />

Tagungsverlauf zu übermitteln.<br />

Das Thema <strong>de</strong>s 3. Sozialforums ist die „Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe“: Ein hochaktuelles Thema, das<br />

landauf, landab heftig diskutiert wird. Die ganze Republik ist damit intensiv beschäftigt. Dabei sind Richtung<br />

und Ziele klar: Der Kurs geht weg von <strong>de</strong>r ausschließlichen rehabilitativen Hilfe und hin zu bedarfsorientierten<br />

Konzepten <strong>de</strong>r sozialen Integration. Dieser Paradigmenwechsel ist unstreitig und die<br />

Experten sind sich längst einig über diese künftige Orientierung <strong>de</strong>r Hilfen für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen.<br />

Aber: Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch auseinan<strong>de</strong>r. Auch <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> kämpft noch mit organisatorischen<br />

Problemen – wie etwa mit <strong>de</strong>r Realisierung <strong>de</strong>s Grundsatzes „Ambulant vor stationär“ o<strong>de</strong>r<br />

mit <strong>de</strong>r Zusammenführung von Sach- und Finanzverantwortung in einer Hand. Daher freut es mich,<br />

dass Ihre Veranstaltung sich gera<strong>de</strong> auch mit diesen Fragen von Zuständigkeiten und Kompetenzen<br />

beschäftigen wird. Die Beantwortung dieser Fragen bewegt auch die Lan<strong>de</strong>sregierung und <strong>de</strong>n Landtag<br />

sehr und wir wollen sie so bald wie irgend möglich lösen.<br />

Wir müssen diesen Schritt gehen und wir wollen diesen Schritt gehen, <strong>de</strong>nn nur auf diesem Wege lassen<br />

sich soziale Integration und Teilhabe realistisch gestalten. Das ist ja kein Neuanfang, son<strong>de</strong>rn ein<br />

Prozess, <strong>de</strong>r auf Bewährtem aufbauen kann. Schließlich ist es <strong>de</strong>r seit Jahrzehnten funktionieren<strong>de</strong>n<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe zu danken, dass behin<strong>de</strong>rte Menschen vielfältig am gesellschaftlichen Leben teilhaben<br />

können. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Jahren ist viel geschehen, was diesen Hilfen eine neue Qualität<br />

gegeben hat – wie z. B. das seit 2001 gelten<strong>de</strong> SGB IX, mit <strong>de</strong>m das bislang zersplitterte Recht zur<br />

Rehabilitation und Teilhabe sowie das Schwerbehin<strong>de</strong>rtenrecht in einem Buch zusammengefasst und<br />

weiter entwickelt wur<strong>de</strong>n.<br />

Und ein Jahr später – 2002 – wur<strong>de</strong> dann mit <strong>de</strong>m „Gesetz zur Gleichstellung behin<strong>de</strong>rter Menschen“<br />

<strong>de</strong>m neuen Selbstverständnis behin<strong>de</strong>rter Menschen und <strong>de</strong>m Paradigmenwechsel in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rten-


11<br />

politik Rechnung getragen. Das waren ganz entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schritte in Richtung Gleichstellung und Barrierefreiheit.<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> hat mit seinem „Behin<strong>de</strong>rtengleichstellungsgesetz“ auf das neue Bun<strong>de</strong>srecht<br />

schnell reagiert und auf Lan<strong>de</strong>sebene wichtige Voraussetzungen geschaffen, um Barrieren zu beseitigen.<br />

Wir haben entsprechen<strong>de</strong> Verordnungen erlassen, die behin<strong>de</strong>rten Menschen die Teilhabe am<br />

öffentlichen Leben, an Information und Kommunikation erleichtern. Zwar beschränkt sich das Gesetz<br />

nur auf die Lan<strong>de</strong>sebene, was vom Behin<strong>de</strong>rtenbeirat heftig kritisiert wird, so dass Kommunen nicht<br />

unmittelbar verpflichtet wer<strong>de</strong>n können; doch inzwischen gibt es zahlreiche kommunale Aktivitäten und<br />

Selbstverpflichtungen zum Abbau von Barrieren.<br />

Auch für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Sozialhilfe haben sich in letzter Zeit die Rahmenbedingungen<br />

wesentlich geän<strong>de</strong>rt. Während sie früher eine von vielen Hilfearten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>ssozialhilfegesetzes<br />

war, hat sich ihre Gewichtung mit <strong>de</strong>r Neuordnung <strong>de</strong>r Sozialhilfe <strong>im</strong> SGB XII <strong>de</strong>utlich gewan<strong>de</strong>lt.<br />

So sind heute die Grundsicherung <strong>im</strong> Alter und bei Erwerbsmin<strong>de</strong>rung sowie die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen die wichtigsten Hilfen in <strong>de</strong>r Sozialhilfe; und darunter n<strong>im</strong>mt die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

auch finanziell <strong>de</strong>n ersten Platz ein.<br />

Angesichts leerer Haushaltskassen wächst das Erfor<strong>de</strong>rnis, alle Leistungen nicht nur aus qualitativer<br />

son<strong>de</strong>rn auch aus wirtschaftlicher (nicht nur fiskalischer) Sicht zu betrachten. Das betrifft auch die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe.<br />

Keine Frage: Was nötig und machbar ist, muss getan wer<strong>de</strong>n; Gesetze müssen umgesetzt,<br />

aber die knappen und <strong>de</strong>shalb kostbaren Ressourcen dürfen auch nicht verschenkt wer<strong>de</strong>n. Es<br />

gilt, die Kräfte zu bün<strong>de</strong>ln, I<strong>de</strong>en zu entwickeln, Reserven zu erschließen. Wir wer<strong>de</strong>n das brauchen,<br />

<strong>de</strong>nn die „Fallzahlen“ und damit die Kosten entwickeln sich rasant. Vor allem aufgrund <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mografischen<br />

Entwicklung kann man davon ausgehen, dass sich <strong>de</strong>r Kostenanstieg fortsetzt – wenn nicht wirksam<br />

gegengesteuert wird. Das gilt auch für <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.<br />

Deutlich gesagt: Wir wollen <strong>de</strong>n Rechtsanspruch auf Einglie<strong>de</strong>rungshilfe auch bei angespannter Kassenlage<br />

aufrechterhalten, und wenn wir das wollen, müssen wir <strong>de</strong>m unkontrollierten Anstieg <strong>de</strong>r Ausgaben<br />

entschie<strong>de</strong>n Paroli bieten. Ich sehe da auch gute Möglichkeiten. Denn (z. B.) das neue SGB XII<br />

setzt geeignete Rahmenbedingungen für Zuständigkeit und Kompetenzen, die einen organisatorischen<br />

Wan<strong>de</strong>l bewirken und langfristig zu einer besseren Nutzung <strong>de</strong>r Ressourcen führen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Lan<strong>de</strong>sregierung wird bis Januar 2007 die sachliche Zuständigkeit <strong>de</strong>r örtlichen und überörtlichen<br />

Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe neu best<strong>im</strong>men (§ 97 SGB XII). Die künftigen lan<strong>de</strong>srechtlichen Zuständigkeitsbest<strong>im</strong>mungen<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Grundsatz „Ambulant vor stationär“ stärken sowie eine bürgernahe Hilfege-


12<br />

währung sichern. Die neuen Best<strong>im</strong>mungen geben uns die Möglichkeit, ein Mo<strong>de</strong>ll zu entwickeln, das<br />

<strong>de</strong>n örtlichen Trägern künftig die volle Souveränität bei <strong>de</strong>r Ausgestaltung <strong>de</strong>r Hilfe gibt. Vorgesehen ist<br />

<strong>im</strong> Ausführungsgesetz zum SGB XII, <strong>de</strong>m überörtlichen Träger die sachliche Zuständigkeit für die Hilfe<br />

zur Überwindung beson<strong>de</strong>rer sozialer Schwierigkeiten zu übertragen. Für alle übrigen Hilfen – also auch<br />

für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe – bleiben die örtlichen Träger bun<strong>de</strong>sgesetzlich sachlich zuständig. Dies führt<br />

die Sach- und Finanzkompetenz bei <strong>de</strong>n örtlichen Trägern zusammen. Die bisher <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Kostenerstattung<br />

durch das Land gewährten Finanzmittel sollen dabei aber – wenn auch in einem an<strong>de</strong>ren<br />

Rahmen <strong>de</strong>r Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen – <strong>de</strong>n örtlichen Trägern weiterhin zur<br />

Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Das alles mag – für <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren – noch reichlich kompliziert klingen und viele Fragen aufwerfen.<br />

Doch die hier versammelte fachliche Kompetenz wird sicher in Referaten und Diskussionsbeiträgen<br />

anschließend vertiefen, wie das in <strong>de</strong>n nächsten Monaten <strong>im</strong> Einzelnen geregelt wird. Wir wer<strong>de</strong>n<br />

damit für einen absehbaren Zeitraum eine belastbare Einglie<strong>de</strong>rungshilfe haben. Damit ist das<br />

Fundament gelegt, damit die Kommunen mehr und mehr in voller Sach- und Finanzverantwortung han<strong>de</strong>ln<br />

können. Allerdings wer<strong>de</strong>n wir angesichts <strong>de</strong>r langfristigen <strong>de</strong>mografischen Entwicklung auch die<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe weiterhin auf ihre Zukunftssicherheit und Nachhaltigkeit überprüfen müssen.<br />

So haben Sie heute reichlich fachlichen und sozialpolitischen Diskussionsstoff, <strong>de</strong>r uns allen weitere<br />

Anregungen geben wird. Die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe soll auf die Zukunft orientiert wer<strong>de</strong>n und sie soll zunehmend<br />

auch als ein Instrument genutzt wer<strong>de</strong>n, das behin<strong>de</strong>rten Menschen die gesellschaftliche und<br />

soziale Integration ermöglicht und erleichtert.<br />

In diesem Sinne wünsche ich <strong>de</strong>m 3. Sozialforum interessante Vorträge, lebhafte Fachdiskussionen,<br />

viele zielführen<strong>de</strong> Erkenntnis und insgesamt einen guten Verlauf!<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel<br />

Herzlichen Dank Herr Staatssekretär. Wir haben mit Freu<strong>de</strong> vernommen, dass Ihr Haus das<br />

SOZIALFORUM schon unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r fachlichen Traditionspflege und Praxisinnovation sieht.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n darauf zurückkommen. Wir hatten eigentlich erwartet, dass Sie uns <strong>de</strong>n Gesetzentwurf zum<br />

Ausführungsgesetz mitbringen, aber Sie haben zumin<strong>de</strong>st angekündigt, dass dieser in Vorbereitung ist.<br />

Als wir vor einiger Zeit über Ihren Beitrag zu dieser Tagung gesprochen haben, hatten wir unterstellt,<br />

heute <strong>de</strong>n Gesetzentwurf schon in <strong>de</strong>r Hand zu halten. Dass das nicht <strong>de</strong>r Fall ist, macht die Aktualität<br />

unserer heutigen Beratungen <strong>de</strong>utlich.


III. Dr. Johannes Schädler, Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste, Siegen<br />

13<br />

§ 97 SGB XII o<strong>de</strong>r „Wer ist zuständig?“ – Entwicklungspfa<strong>de</strong> und Entwicklungsnotwendigkeiten<br />

für Zuständigkeitsregelungen in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

Die Diskussion um die Regelung <strong>de</strong>r Zuständigkeiten für Leistungen <strong>de</strong>r Sozialhilfe und hierbei insbeson<strong>de</strong>re<br />

<strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe wird nicht nur in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, son<strong>de</strong>rn bun<strong>de</strong>sweit geführt. Der Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber<br />

hat <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r sachlichen Zuständigkeit für Leistungen <strong>de</strong>r Sozialhilfe <strong>im</strong> neuen<br />

Sozialgesetzbuch XII ein eigenes Kapitel gewidmet, wesentlicher Bezugspunkt ist <strong>de</strong>r § 97 SGB XII, wo<br />

es in bestem Juristen<strong>de</strong>utsch heißt:<br />

„Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist <strong>de</strong>r örtliche Träger, soweit nicht <strong>de</strong>r überörtliche Träger sachlich<br />

zuständig ist“ (§97 SGB XII, Abs. 1). Und <strong>im</strong> nächsten Absatz ist festgelegt: „Die sachliche Zuständigkeit<br />

wird nach Lan<strong>de</strong>srecht best<strong>im</strong>mt“ (Abs.2), allerdings soll dies bis zum 1.1.2007 so geschehen,<br />

dass „soweit wie möglich „eine einheitliche sachliche Zuständigkeit“ gegeben ist. Der Gesetzgeber hat<br />

die Lan<strong>de</strong>sregierung unter Handlungsdruck gesetzt, um diese Zusammenführung zu leisten. Die eigentliche<br />

Botschaft meines Referats ist es, dass <strong>de</strong>r Problembereich meines Erachtens nicht nur über administrative<br />

Regelungen zu klären, son<strong>de</strong>rn mit vielfältigen Lern- und Umorientierungsprozessen verbun<strong>de</strong>n<br />

ist, weil hier eine hun<strong>de</strong>rtfünfzigjährige Tradition sich damit verbin<strong>de</strong>t.<br />

Was ist <strong>de</strong>r Hintergrund dieser gesetzlichen Vorgaben und welche Be<strong>de</strong>utung hat dies für <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>?<br />

Das rapi<strong>de</strong> Anwachsen <strong>de</strong>r Fallzahlen und Kosten von Leistungen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe seit Beginn<br />

<strong>de</strong>r 90er Jahre bei gleichzeitig steigen<strong>de</strong>r Verschuldung <strong>de</strong>r öffentlichen Haushalte erzeugt in allen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn zunehmend politischen Druck und hat in allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn Reformaktivitäten ausgelöst.<br />

Zahlreiche Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r haben Universitätsinstitute und Beratungsfirmen damit beauftragt, Gutachten<br />

und Reformvorschläge zur weiteren Entwicklung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe zu erarbeiten1 . Deren<br />

Ergebnisse gehen in eine übereinst<strong>im</strong>men<strong>de</strong> Richtung:<br />

• Der Schwerpunkt <strong>de</strong>s Problems liegt <strong>im</strong> Bereich wohnbezogener Hilfen.<br />

• Der quantitativ und qualitativ be<strong>de</strong>utendste Problembereich ist <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r wohnbezogenen<br />

Hilfen für erwachsene Menschen mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung. Ca. 2/3 <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten Menschen,<br />

1 Vgl. z. B.: Consens Hamburg / Ifo München (2004): Empirisches Gutachten zur Bewertung <strong>de</strong>s Steuerungssystems, <strong>de</strong>r<br />

Standards und <strong>de</strong>r Finanzierung <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfe sowie zu Alternativen zur gegenwärtigen Verteilung von Aufgaben<br />

und Kostenträgerschaft für überörtliche Sozialhilfeleistungen <strong>im</strong> Freistaat Sachsen, Hamburg / München 2004


14<br />

die in stationären Einrichtungen betreut wer<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Personenkreis <strong>de</strong>r Menschen mit<br />

geistiger Behin<strong>de</strong>rung zugerechnet. 2<br />

• Es geht darum, die stationäre Dominanz <strong>de</strong>s Hilfesystems zugunsten ambulanter Betreuungsformen<br />

zu verän<strong>de</strong>rn.<br />

• Die staatlichen Steuerungsmöglichkeiten sollen durch verän<strong>de</strong>rte Zuständigkeitsregelungen<br />

verbessert wer<strong>de</strong>n.<br />

• Die Bedarfsprognosen für die weiteren Jahre rechnen mit weiteren hohen Zuwächsen von Hilfeempfängern<br />

und Plätzen <strong>im</strong> stationären und ambulanten Bereich3 .<br />

Zur Einschätzung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Lage in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> erweist sich insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r 1998 begonnene<br />

Kennzahlenvergleich <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger als aufschlussreich4 . Demnach erscheint die<br />

strukturelle Situation <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>im</strong> bun<strong>de</strong>sweiten Vergleich betrachtet auffällig.<br />

Die Daten weisen auf einen ungewöhnlich hohen stationären Versorgungsstand hin und auf ein<br />

vergleichsweise hohes stationäres Kostenniveau: Offensichtlich finanziert durch großvolumige Investitionsprogramme<br />

hat in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> in <strong>de</strong>n 90er Jahren ein außergewöhnlich intensiver Aufbau von stationären<br />

Plätzen und Einrichtungen stattgefun<strong>de</strong>n. Mittlerweile sind ca. 1/3 mehr stationäre Wohnplätze<br />

für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen und Hilfeempfänger vorhan<strong>de</strong>n als <strong>im</strong> bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Durchschnitt.<br />

Im bun<strong>de</strong>sweiten Vergleich <strong>de</strong>r Hilfen in beson<strong>de</strong>ren Lebenslagen rangiert <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> in <strong>de</strong>r Mittelbelastung<br />

pro Einwohner hinter Hessen und Bayern an dritter Stelle. Der Vergleichswert (110 Euro) lag<br />

2002 etwa ein Drittel höher als <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Wert in Sachsen (74 Euro). 2002 lagen die Ausgaben<br />

für Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> bei ca. 290 Mio Euro (ebd. S.:12). Aufgrund auslaufen<strong>de</strong>r Kostenerstattungen<br />

aus an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn nach § 2 Abs. 3 SGB X wird damit gerechnet, dass ab<br />

2006 für die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Systems das volle Ausmaß <strong>de</strong>r gegebenen finanziellen<br />

Belastungen zum Tragen kommt (vgl. Consens / Ifo 2004). Legt man die Schätzungen <strong>de</strong>s Deutschen<br />

Vereins zugrun<strong>de</strong>, dann könnte in 2007 <strong>de</strong>r Finanzierungsbedarf etwa ein Drittel höher, d. h. bei<br />

ca. 380 Mio Euro liegen – wenn keine Verän<strong>de</strong>rungen vorgenommen wer<strong>de</strong>n können, d. h. man hat in<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> tatsächlich dasselbe Problem, das die an<strong>de</strong>ren auch haben aber sie sagen <strong>im</strong> zugespitzten<br />

Ausmaß.<br />

2 Kennzahlenvergleich <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger 2002, siehe www.consens-info.<strong>de</strong><br />

3 Der Deutsche Verein rechnete 2002 mit einem Zuwachs von Hilfebedürftigen bis 2007 von über 21 %, in: NDV 83 (2003)<br />

S.121 – 125)<br />

4 BagüS/Con-sens (2000 - 2004): Kennzahlenvergleich <strong>de</strong>r überörtlichen Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe, erstellt von con_sens Hamburg.<br />

Hamburg


15<br />

Die Ursachen für die an Fallzahlen und Kosten festgemachte Krise <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe wur<strong>de</strong>n zu<br />

Beginn <strong>de</strong>r 90er Jahre an Defiziten in <strong>de</strong>r staatlichen Steuerung festgemacht. Die daraus abgeleiteten<br />

Reformansätze versuchten, die Erkenntnisse <strong>de</strong>s Neuen Steuerungsmo<strong>de</strong>lls5 anzuwen<strong>de</strong>n, d. h. für<br />

Hilfebedarfe Produktgruppen zu bil<strong>de</strong>n, diese mit Preisen zu versehen und damit die Beziehungen zu<br />

<strong>de</strong>n Leistungsanbietern marktförmig zu gestalten, um so kostengünstig <strong>de</strong>n staatlichen Verpflichtungen<br />

gegenüber Hilfeempfängern nachkommen zu können. 6 Im Rahmen verschie<strong>de</strong>ner BSHG-<br />

Novellierungen zum § 93 BSHG wur<strong>de</strong> das ‚Selbstkosten<strong>de</strong>ckungsprinzip’ durch ein System von Leistungsvereinbarungen<br />

zwischen Sozialleistungsträgern und Anbietern ersetzt, das Inhalt, Umfang, Qualität<br />

und Entgelt bezogene Aspekte <strong>de</strong>r zu erbringen<strong>de</strong>n Hilfen regeln sollte. Die Erwartungen an eine<br />

Kostendämpfung wur<strong>de</strong>n nicht erfüllt- wie gesagt auch <strong>de</strong>swegen, weil es nicht gelungen ist, Fachlichkeit<br />

und Kostenverantwortung auf <strong>de</strong>n unterschiedlichen Ebenen zusammenzuführen Die For<strong>de</strong>rung<br />

renommierter Wissenschaftler aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r Psychiatrie, <strong>de</strong>r Heilpädagogik und <strong>de</strong>r Gerontologie,<br />

das gegenwärtige He<strong>im</strong>system generell zu überprüfen und zu diesem Zweck eine „Enquete <strong>de</strong>r<br />

He<strong>im</strong>e“ einzurichten, wur<strong>de</strong> kaum beachtet7 .<br />

Erst unter weiter wachsen<strong>de</strong>m Kostendruck wur<strong>de</strong> die Be<strong>de</strong>utung ambulanter Dienste auch von politischer<br />

Seite ernster genommen. Im Raum stand die Begründung zum § 3 a BSHG von 1984, wonach<br />

ambulante Hilfen „oft sachgerechter, menschenwürdiger und zu<strong>de</strong>m kostengünstiger“ als Hilfen in He<strong>im</strong>en<br />

und Anstalten seien. In diesem Zusammenhang wur<strong>de</strong> rasch und zurecht - aber wie ich nachher<br />

weiter ausführen möchte verkürzend - ein zentrales Problem - wenn man so will - neu ent<strong>de</strong>ckt: Die<br />

getrennten sachlichen Zuständigkeiten <strong>de</strong>r örtlichen bzw. überörtlichen Trägern <strong>de</strong>r Sozialhilfe für ambulante<br />

und stationäre Hilfen. Darin wur<strong>de</strong>n sachfrem<strong>de</strong> Anreize i<strong>de</strong>ntifiziert, die staatliche Steuerungsvorgaben<br />

<strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Leitprinzips ‚ambulant vor stationär’ entschei<strong>de</strong>nd unterlaufen. Wären die Zuständigkeiten<br />

gleichsam „in einer Die Zusammenführung <strong>de</strong>r Zuständigkeiten „in einer Hand“ hat<br />

schließlich – wie eingangs dargestellt - auch <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber in § 97, Abs.2 SGB XII als Sollvorgabe<br />

formuliert.<br />

Die Regelung <strong>de</strong>r sachlichen Zuständigkeiten ist Län<strong>de</strong>rsache. Dies bestätigt das neue SGB XII und<br />

for<strong>de</strong>rt bis zum 1.1. 2007 die Län<strong>de</strong>r zum Han<strong>de</strong>ln auf, wobei die überörtliche Ebene als erstes genannt<br />

wird, was an<strong>de</strong>re Regelungen aber nicht ausschließt. Interessanterweise besteht die Lan<strong>de</strong>szuständig-<br />

5 Orientierungsbil<strong>de</strong>nd waren die Empfehlungen <strong>de</strong>r Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGst)<br />

in Köln zur Jugendhilfe 1994<br />

vgl hierzu auch Vigener, Gerhard (1997): Auswirkungen <strong>de</strong>s Gesetzes zur Reform <strong>de</strong>s Sozialrechts auf das Pflegesatzwesen,<br />

in: NDV, 1997, Heft 3, S. 61 -65<br />

6 vgl Rohrmann, Albrecht (1999): Das Recht auf eine faire Begutachtung. Eine Kritik an <strong>de</strong>r Bildung von Gruppen mit vergleichbarem<br />

Hilfebedarf <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Novelle <strong>de</strong>s § 93 BSHG, Zeitschrift für Heilpädagogik 50 (1999), S.53-59<br />

7 Der öffentliche Aufruf zur „Enquete <strong>de</strong>r He<strong>im</strong>e“ wur<strong>de</strong> unter Fe<strong>de</strong>rführung von Klaus Dörner, Elisabeth Hopfmüller und<br />

Beate Röttger-Liepmann von <strong>de</strong>r Forschungsarbeitsgemeinschaft an <strong>de</strong>r Universität Bielefeld erarbeitet und von zahlreichen<br />

Wissenschaftler/innen unterstützt. (www.dbsh.<strong>de</strong>/redsys/soztop/userpages/senio3.html)


16<br />

keit seit 1984 und wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> Kontext <strong>de</strong>s damals neu aufgenommenen §3 a BSHG, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Vorrang<br />

Offener Hilfen zur sozialpolitischen Leitvorgabe machte8 , eingeführt. Schon damals wur<strong>de</strong> gesehen,<br />

dass <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rte Ausbau ambulanter Dienste die Kommunen in einen problematischen Interessenswi<strong>de</strong>rspruch<br />

bringt. Man ging davon aus, dass ambulante Dienste nur gemein<strong>de</strong>nah sinnvoll zu organisieren<br />

sind und die Kosten dafür <strong>im</strong> Unterschied zu stationären Hilfen in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>r<br />

Kommunen fallen.<br />

In einem renommierten Kommentar zum BSHG wur<strong>de</strong> schon früh die Sachlage auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht:<br />

„Wer<strong>de</strong>n offene Hilfen ausgebaut, tritt eine Entlastung <strong>de</strong>r<br />

überörtlichen und eine Belastung <strong>de</strong>r örtlichen Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe ein“ (Birk u. a. 1990: 84) 9 . Diese<br />

Regelungsmöglichkeiten wur<strong>de</strong>n lange Zeit von <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn nicht genutzt, um einheitliche Zuständigkeiten<br />

zu schaffen. Offensichtlich schien die politische Dringlichkeit nicht gegeben, da <strong>de</strong>r Ausbau<br />

Offener Hilfen in <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r Einfügung <strong>de</strong>s § 3a BSHG nicht in relevantem Maße stattfand. Der<br />

ambulante Bereich wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n relevanten Akteuren auf Kostenträger- und Verbän<strong>de</strong>seite als vernachlässigbarer<br />

Randbereich angesehen, <strong>de</strong>ssen Leistungen lediglich für einige wenige Menschen mit<br />

Behin<strong>de</strong>rung in Frage kämen10 .<br />

Es waren ost<strong>de</strong>utsche Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r, wie Mecklenburg-Vorpommern und <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, die in <strong>de</strong>n 90er<br />

Jahren als erste Verän<strong>de</strong>rungen praktizierten und Kommunalisierungsschritte unternahmen. In <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

wur<strong>de</strong> durch verschie<strong>de</strong>ne Gesetzesän<strong>de</strong>rungen 1995 die sachliche Zuständigkeit für alle Einzelfallhilfen<br />

<strong>de</strong>s BSHG auf die kommunale Ebene übertragen. Damit verbun<strong>de</strong>n waren Zielsetzungen<br />

wie <strong>de</strong>r Ausbau ambulanter Dienste, die Verbesserung <strong>de</strong>r Integration und Selbstbest<strong>im</strong>mungsmöglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r Betroffenen, Begrenzung <strong>de</strong>s stationären Fallzahl- bzw. Kostenanstiegs. Die vorher genannten<br />

Zahlen zeigen, dass diese Ziele nicht erreicht wor<strong>de</strong>n sind. Was sind die Ursachen hierfür?<br />

Schon eine oberflächliche Betrachtung <strong>de</strong>r gegebenen Regelungen in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> liefert erste Erklärungsansätze11<br />

:<br />

Die Zuständigkeiten sind in einer spezifischen Anwendung <strong>de</strong>s Konnexitätsprinzips so gestaltet, dass<br />

die <strong>im</strong> traditionellen System gegebenen Anreizstrukturen noch verstärkt wer<strong>de</strong>n. Die örtlichen Sozialhilfeträger,<br />

die für ambulante und stationäre Hilfen zuständig sind, erhalten die Netto-Kosten für stationäre<br />

Hilfen vollständig vom Land zurückerstattet, während sie die als kostengünstiger angesehenen ambulanten<br />

Hilfen vollständig selbst zu tragen haben. M.a.W. die Sachverantwortung für stationäre Hilfen<br />

liegt bei <strong>de</strong>n Kommunen, die Finanzverantwortung be<strong>im</strong> Land. Zieht man auch die sonstigen wirtschaft-<br />

8 Vgl. Streppel, Manfred (1984): Die Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>ssozialhilfegesetzes durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984. In:<br />

NDV, 1984, S. 136 - 140<br />

9 Birk, Ulrich u. a. (1990): Bun<strong>de</strong>ssozialhilfegesetz. Lehr- und Praxiskommentar. 2. Auflage, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n<br />

10 Bei <strong>de</strong>n Verhandlungen um Ausführungsrichtlinien auf Bun<strong>de</strong>sebene zur Umsetzung <strong>de</strong>s § 93 Abs. 2 BSHG wur<strong>de</strong> noch<br />

1994/1995 <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r ambulante Dienste außer Acht gelassen.


17<br />

lichen Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r bran<strong>de</strong>nburgischen Kommunen in Betracht, dann ergibt sich eine klare<br />

fiskalische Interessenslage zum Ausbau stationärer Einrichtungen, die entsprechen<strong>de</strong> Wirkungen zeigt.<br />

Aufgrund kommunaler Loyalitäten wird die Behin<strong>de</strong>rtenhilfe möglicherweise zu<strong>de</strong>m - mehr als angemessen<br />

- zum attraktiven, weil gut durchfinanzierten Instrument örtlicher Arbeitsmarktpolitik, die wie<strong>de</strong>rum<br />

auch lan<strong>de</strong>spolitisch einen hohen Stellenwert hat.<br />

Zu fragen ist auch danach, wie sich die gegebenen Regelungen zur Interessenlage <strong>de</strong>r Anbieterseite<br />

verhalten. Cui bono? Eine differenzierte Bewertung wäre erfor<strong>de</strong>rlich, kann aber an dieser Stelle nicht<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n. Wenn <strong>de</strong>r Satz zutrifft: „Die Freie Wohlfahrtspflege akkumuliert in Immobilien!“, dann<br />

ist zu vermuten, dass bisher von dieser Seite die Ausbaukonzeption generell eher auf Konsens als auf<br />

Wi<strong>de</strong>rstand gestoßen ist.<br />

Dass diese strukturellen Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten wichtige Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung <strong>de</strong>r<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> sind, liegt auf <strong>de</strong>r Hand. Wer nun aber glaubt, dass nur Zuständigkeitsstrukturen<br />

neu geregelt wer<strong>de</strong>n müssen o<strong>de</strong>r frisches Geld ausreicht, um zu nachhaltigen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

zu kommen, <strong>de</strong>r greift m. E. zu kurz12 . Dies gilt nicht nur für <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>:<br />

• Es geht nicht nur um Probleme <strong>de</strong>r Kostensteuerung, die durch ungeschickte Zuständigkeitsregelungen<br />

erzeugt wer<strong>de</strong>n. Zu fragen ist nach <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>s Hilfesystems als Ganzes.<br />

• Wird nicht mit viel Geld ein Hilfesystem finanziert, das überwiegend nach veralteten Konzepten<br />

arbeitet?<br />

• Wer<strong>de</strong>n nicht alte stationäre Praktiken und Routinen unbeirrt weitergeführt, obwohl mittlerweile<br />

vielfältige Informationen und Erfahrungen darüber vorliegen, wie ‚Offene Hilfen’ für Menschen<br />

mit Behin<strong>de</strong>rungen konzeptionell und praktisch ausgestaltet wer<strong>de</strong>n können,<br />

• Wer<strong>de</strong>n nicht hilfesuchen<strong>de</strong>n Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen auf stationäre Einrichtungen verwiesen,<br />

die ihnen nicht nur Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechte, son<strong>de</strong>rn auch vielfältige Entwicklungsund<br />

Lebenschancen und damit auch Bürgerrechte vorenthalten, statt auf flexible und bedürfnisorientierte<br />

Angebote, die individuellen Situationen entsprechen können?<br />

Übersehen wird oft, dass nicht nur Verwaltungskonstellationen und materielle Anreize das Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r<br />

Akteure <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s prägen, son<strong>de</strong>rn auch institutionalisierte Routinen. Diese tagtäglich praktizierten<br />

11 vgl. auch Consens Hamburg/Ifo München 2004: S. 21)<br />

12 Eher irritierend fin<strong>de</strong> ich die For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Überörtlichen Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe nach einem Bun<strong>de</strong>steilhabegeld, die auch<br />

von <strong>de</strong>n vier großen Fachverbän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe unterstützt. Dieser Vorschlag knüpft an keine <strong>de</strong>r bisherigen Diskussionen<br />

an und zeichnet sich durch konzeptionelle Mängel aus. Vgl. hierzu das Positionspapier <strong>de</strong>r Verbän<strong>de</strong> „Kontaktgespräche“:<br />

Überlegungen zur zukünftigen Gestaltung und Finanzierung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen<br />

vom 10. Juni 2005


18<br />

Verfahrensweisen sind Ausdruck best<strong>im</strong>mter grundlegen<strong>de</strong>r, als selbstverständlich angesehene Annahmen<br />

über die Beschaffenheit <strong>de</strong>r Aufgaben in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe, z. B.<br />

• Behin<strong>de</strong>rtenhilfe ist stationäre Hilfe<br />

• Hilfebedarf be<strong>de</strong>utet Bedarf an stationären Plätzen<br />

• Ambulante Hilfen sind etwas für die ‚Fitten’, leichter Behin<strong>de</strong>rten.<br />

Diese Annahmen sind auch Ergebnisse eines historischen Lernprozesses <strong>de</strong>r Akteure <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>ssen<br />

man sich bewusst sein muss, wenn man etwas verän<strong>de</strong>rn möchte. Das möchte ich durch einen<br />

kurzen historischen Diskurs erläutern:<br />

Die Rechtsgrundlagen <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe, insbeson<strong>de</strong>re die Hilfen für geistig behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

haben sich in Deutschland aus <strong>de</strong>r Armenfürsorge und aus <strong>de</strong>m Anstaltswesen heraus entwickelt. Im<br />

Anstaltsrahmen waren lediglich Fürsorge und Verwahrung, nicht aber ein Zugang zu schulischer Erziehung<br />

und zu Hilfen zur Arbeitsbefähigung vorgesehen. In <strong>de</strong>r Armenfürsorge hat die Trennung staatlicher<br />

Zuständigkeiten in örtliche und überörtliche Behör<strong>de</strong>n in Deutschland eine lange Tradition. Als<br />

Ausgangspunkte sind die preußischen Ortsarmen- bzw. Landarmenverbän<strong>de</strong> zu nennen, die für die<br />

Armenfürsorge zuständig waren, <strong>im</strong> späteren Deutschen Reich zu Bezirksfürsorgeverbän<strong>de</strong>n bzw. Provinzial-<br />

o<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sfürsorgeverbän<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n und mit <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>ssozialhilfegesetz 1962 in ihre heutige<br />

Form <strong>de</strong>r örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträger gebracht wur<strong>de</strong>n. Wobei von Beginn an die<br />

überörtliche Behör<strong>de</strong>nebene für die aufwändigen Aufgaben konzipiert wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren Bewältigung die<br />

Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r einzelnen Kommunen überstieg. Heilpädagogisch, medizinisch-psychiatrisch,<br />

aber auch ordnungspolitisch motiviert, begann bekanntlich unter <strong>de</strong>m Motto „Der Idiot gehört in die Anstalt!“<br />

in <strong>de</strong>r 2. Hälfte <strong>de</strong>s 19.Jh. in ganz Deutschland ein breiter Ausbau <strong>de</strong>r sogenannten Idiotenanstalten.<br />

Die Finanzierung dieser größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Anstalten wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Unterstützungswohnsitzgesetz<br />

von 1871 in Preußen und einige Jahre später <strong>im</strong> ganzen Deutschen Reich zur Aufgabe <strong>de</strong>r überörtlichen<br />

Sozialbehör<strong>de</strong>n, die von da an als Organisationen mit und an ihrer Aufgabe ebenfalls wuchsen.<br />

In seiner beeindruckend <strong>de</strong>taillierten Aufarbeitung <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Idiotenwesens <strong>im</strong> Rheinland<br />

schreibt Christian Bradl (1991) 13 hierzu folgen<strong>de</strong>s:<br />

„Der Einbezug <strong>de</strong>r Idiotenfürsorge in die gesetzlich armenrechtliche Anstaltsfürsorge sollte die zunehmen<strong>de</strong><br />

Verbringung von Idioten in Anstalten absichern … Die Zahl <strong>de</strong>r Anstaltsinsassen wuchs weiter,<br />

Internierung und Bewahrung <strong>de</strong>r Blödsinnigen, also <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Gesellschaft vor ihnen, wur<strong>de</strong> vorrangiges<br />

Prinzip; und als Gipfel <strong>de</strong>r Absurdität, das trostlose Bild <strong>de</strong>r idiotischen Kin<strong>de</strong>r und Erwachsenen<br />

in <strong>de</strong>n Massenanstalten <strong>de</strong>r 20er und 30er Jahre diente <strong>de</strong>n NS-Mör<strong>de</strong>rn als Legit<strong>im</strong>ation für<br />

Zwangssterilisations – und Mordprogramme“ (Bradl 1991: 70).<br />

13 Bradl, Christian(1991): Die Entwicklung <strong>de</strong>s Idiotenwesens <strong>im</strong> Rheinland. Ein Beitrag zur Sozial- und I<strong>de</strong>engeschichte <strong>de</strong>s<br />

Behin<strong>de</strong>rtenbetreeungswesens am Beispiel <strong>de</strong>s Rheinlan<strong>de</strong>s <strong>im</strong> 19.Jahrhun<strong>de</strong>rt, Frankfurt/M


19<br />

Ordnungspolitische Zielsetzung war explizit die Entlastung <strong>de</strong>s Gemeinwesens von Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen,<br />

d. h. die Entlastung <strong>de</strong>r kommunalen Ebene von <strong>de</strong>r Befassung mit Behin<strong>de</strong>rtenfragen,<br />

etwa auch von Planungsaufgaben. Das hat dazu geführt, dass die örtliche Verwaltung auch keine Kompetenzen<br />

für diesen bereich entwickeln musste. Mit <strong>de</strong>r Rezeption <strong>de</strong>s Normalisierungsprinzips - in<br />

seiner gemäßigten <strong>de</strong>utschen Version - etablierte sich seit <strong>de</strong>n 1960er Jahren in <strong>de</strong>r west<strong>de</strong>utschen<br />

Behin<strong>de</strong>rtenhilfe ein neues Hilfemo<strong>de</strong>ll. Dieses neue Mo<strong>de</strong>ll bezog sich auf die Vorstellung eines Lebenslaufmusters<br />

für Menschen mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung, das sich an gesellschaftlich üblichen –<br />

‚normalen’ – Übergängen <strong>im</strong> Lebenslauf und an <strong>de</strong>r Differenzierung von Lebensbereichen – Wohnen,<br />

Arbeit, Freizeit – orientiert. Wir sprechen hier vom teilstationären Mo<strong>de</strong>ll. Die aus <strong>de</strong>m Slogan ‚so normal<br />

wie möglich’ abgeleiteten Hilfeformen für Kin<strong>de</strong>r, Jugendliche und Erwachsene mit Behin<strong>de</strong>rung<br />

sind eigens geschaffene ‚Schonräume’, in <strong>de</strong>nen gesellschaftlich übliche Lebensweisen quasi nachgebil<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n. Der Schutzgedanke, ist verbun<strong>de</strong>n mit einem auf För<strong>de</strong>rung und Rehabilitation zielen<strong>de</strong>n<br />

professionellen Ansatz. Planung wird zur Versorgungsplanung, die darauf abzielt, ein ‚bedarfs<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>s<br />

Angebot an Plätzen’ in lebenslaufbegleiten<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>reinrichtungen zu schaffen. Die Akteure und<br />

Partner dieser Planungsansätze sind die Träger von Einrichtungen als Leistungserbringer und die überörtlichen<br />

Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe als Kostenträger. Ausdruck davon ist die noch <strong>im</strong>mer weit verbreitete<br />

Leitvorstellung vom „24er-Wohnhe<strong>im</strong> an <strong>de</strong>r Werkstatt“. Auf dieser Grundlage erscheint eine aktive,<br />

vom örtlichen politischen Gemeinwesen ausgehen<strong>de</strong> Behin<strong>de</strong>rtenpolitik ebenfalls entbehrlich.<br />

Auf <strong>de</strong>r konzeptionellen Ebene wur<strong>de</strong> Behin<strong>de</strong>rtenhilfe also ausschließlich mit stationären Ansätzen<br />

gleichgesetzt, behin<strong>de</strong>rte Menschen als ‚He<strong>im</strong>bewohner’ verstan<strong>de</strong>n, die ‚Plätze’ brauchen. Die staatliche<br />

Rolle war die eines Kostenträgers, die Durchführungsverantwortung, d. h. die Definition <strong>de</strong>s Hilfebedarfs,<br />

wur<strong>de</strong> an die Einrichtungen <strong>de</strong>r Freien Wohlfahrtspflege <strong>de</strong>legiert, die wie<strong>de</strong>rum nach <strong>de</strong>m<br />

‚Selbstkosten<strong>de</strong>ckungsprinzip’ die anfallen<strong>de</strong>n Kosten vom überörtlichen Sozialhilfeträger erstattet bekamen.<br />

Im Zusammenhang genereller Institutionenkritik, <strong>de</strong>r Aktivitäten <strong>de</strong>r körperbehin<strong>de</strong>rter Menschen<br />

(‚Krüppelbewegung’) und ihrer For<strong>de</strong>rung nach Selbstbest<strong>im</strong>mung, <strong>de</strong>r Integrationsfor<strong>de</strong>rungen <strong>im</strong> Kin<strong>de</strong>rgarten-<br />

und Schulbereich und später dann <strong>de</strong>r ‚People-First-Bewegung entstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 1980er<br />

und 1990er Jahren ambulante Dienste, die für Menschen mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung und ihre Angehörigen<br />

Alternativen zur He<strong>im</strong>unterbringung anboten. So wollten Familienunterstützen<strong>de</strong> Dienste Alternativen<br />

zum Kin<strong>de</strong>rhe<strong>im</strong> bieten, die Dienste für Betreutes o<strong>de</strong>r Unterstütztes Wohnen die He<strong>im</strong>unterbringung<br />

für Erwachsene ersetzen, Integrationsfachdienste Alternativen zur WfbM eröffnen. Wichtige konzeptionelle<br />

und praktische Erfahrungen konnten gemacht wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r Fachleistungsstun<strong>de</strong> entstand<br />

auch ein neues Finanzierungskonzept, das individuellen Hilfebedarfen Rechnung tragen kann. Aufgrund<br />

stationärer Fixierung blieb <strong>de</strong>r Stellenwert dieser neuen Hilfeformen additiv, eine ‚Transformation’ <strong>de</strong>s


20<br />

Hilfesystems konnte nicht erreicht und bisher auch nicht eingeleitet wer<strong>de</strong>n. Das programmatische Umsteuerungsinteresse<br />

bricht sich an <strong>de</strong>n stationär ausgerichteten Arbeits- und Planungsroutinen14 . Die<br />

ambulante Logik versucht für individuelle Situationen entsprechen<strong>de</strong> Hilfearrangements zu fin<strong>de</strong>n, die<br />

flexibel auf Verän<strong>de</strong>rungen reagieren und so individuelle Entwicklungen unterstützen können. Dies<br />

passt nicht in das herkömmliche System pauschaler Versorgung mit <strong>de</strong>n Kategorien <strong>de</strong>s He<strong>im</strong>platzes,<br />

<strong>de</strong>s einrichtungsbezogenen Pflegesatzes; <strong>de</strong>r Hilfebedarfsgruppe und <strong>de</strong>r gruppengeglie<strong>de</strong>rten He<strong>im</strong>routine.<br />

Welche Ansatzpunkte für Verän<strong>de</strong>rungen sehe ich?<br />

Will man zu einer nachhaltigen Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Hilfesystems kommen, so ist als erstes festzuhalten,<br />

dass die zentrale Aktionsebene das örtliche Gemeinwesen ist. Dort leben die Menschen. Die Teilhabechancen,<br />

die Lebensqualität <strong>im</strong> Alltag und auch <strong>de</strong>r Bedarf behin<strong>de</strong>rter Menschen an professioneller<br />

Hilfe hängen davon ab, in welchem Maße die kommunale Infrastruktur <strong>im</strong> weitesten Sinne „barrierefrei“<br />

gestaltet ist. Erfor<strong>de</strong>rlich ist daher eine am Bürgerrechts<strong>de</strong>nken orientierte kommunale Behin<strong>de</strong>rtenpolitik,<br />

die für behin<strong>de</strong>rte Bürgerinnen und Bürger systematische Teilhabeplanung betreibt15 . Das ist<br />

für viele Kommunen eine neue Aufgabe. Erfor<strong>de</strong>rlich ist zunächst eine politisch gestützte Konzeption<br />

für eine Umorientierung <strong>de</strong>s Hilfesystems. Wenn hier in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> so weitreichen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungen<br />

vorgenommen wer<strong>de</strong>n sollen, muss das Land eine abgest<strong>im</strong>mte Konzeption erarbeiten mit <strong>de</strong>n maßgeblichen<br />

Akteuren, in <strong>de</strong>r erkenntlich wird, was das Land in <strong>de</strong>n nächsten fünf Jahren vor hat, wie das<br />

Hilfesystem aussehen soll und wie neue programmatische Anfor<strong>de</strong>rungen aufgenommen wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei zentrale strukturelle Ansatzpunkte, wenn es um eine nachhaltige<br />

Transformation <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe und <strong>de</strong>r davon finanzierten Hilfen geht:<br />

1. Individuelle Hilfeplanung<br />

Zu <strong>im</strong>plementieren sind Verfahren <strong>de</strong>r individuellen Hilfeplanung, die das bisherige in <strong>de</strong>r Regel aktengestützte,<br />

anbieterdominierte Antragsverfahren verän<strong>de</strong>rn. Dies ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe,<br />

die nicht nur geeignete Verfahren voraussetzt. Von entsprechen<strong>de</strong>n Mitarbeiter/innen <strong>de</strong>r Sozialverwaltung<br />

sollten statt<strong>de</strong>ssen Fallmanagement, Kostensteuerung und individuell angepasste Hilfearrangements<br />

realisiert wer<strong>de</strong>n. Erfahrungen aus an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn16 zeigen, dass die Mitarbeiter/innen<br />

14 Schädler, Johannes (2004): Re-Institutionalisierung statt De-Institutionalisierung. Implementationsstrategien für Offene<br />

Hilfen für Menschen mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung, in: Geistige Behin<strong>de</strong>rung, Heft 1/2004, S. 2 - 14<br />

15 vgl. das Planungskonzept <strong>de</strong>r AGENDA 22 vorgestellt in <strong>de</strong>r Konferenzdokumentation <strong>de</strong>r Europäischen Konferenz ‚Personenzentrierte<br />

Hilfeplanung, personenzentrierte Finanzierung…“, www.zpe.uni-siegen.<strong>de</strong>/Konferenzdokumentation, o<strong>de</strong>r<br />

konkret <strong>de</strong>n Teilhabeplan für <strong>de</strong>n Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz (2005)<br />

16 Lan<strong>de</strong>swohlfahrtsverband Hessen (2003): Abschlussbericht über die Erprobung <strong>de</strong>s Gesamtplanverfahrens, Kassel, S.<br />

58ff.


21<br />

als Unterstützungsmanager/innen für sich selbst ein neues Rollenverständnis entwickeln müssen, das<br />

über die traditionell eher formale Antragsbearbeitung und Prüfung von Anspruchsberechtigungen hinausgeht.<br />

Das bezeichnendste Merkmal bei <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>r Individuellen Hilfeplanung ist <strong>de</strong>r<br />

persönliche Kontakt zu behin<strong>de</strong>rten Menschen bzw. ihren Angehörigen sowie zu Mitarbeiter/innen in<br />

Einrichtungen. Im herkömmlichen Verwaltungshan<strong>de</strong>ln sind diese Aufgaben und damit vor allem <strong>de</strong>r<br />

persönliche Kontakt mit <strong>de</strong>n Klienten nicht vorgesehen. Durchaus verständlich sind daher Ten<strong>de</strong>nzen<br />

bei Mitarbeiter/innen, diesen Kontakt und damit die Konfrontation mit tatsächlichem o<strong>de</strong>r fantasiertem<br />

Lei<strong>de</strong>n, mit Gebrechlichkeit, Krankheit o<strong>de</strong>r best<strong>im</strong>mten Formen abweichen<strong>de</strong>n Verhaltens zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Es gehört zu <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>r Verwaltungsmitarbeiter/innen, diese Begegnungssituation produktiv<br />

zu gestalten. Hilfreich für solche Lernprozesse ist es, wenn die Betreffen<strong>de</strong>n motiviert an die neue<br />

Tätigkeit herangehen, über Selbstbewusstsein verfügen, gerne mit Menschen arbeiten, ihre Aufgaben<br />

und ihre Grenzen kennen und eventuelle Ängste vor behin<strong>de</strong>rten Menschen reflektieren können. Die<br />

Arbeit mit Gesamtplanverfahren bietet für daran interessierte Verwaltungsangehörige eine Chance zur<br />

beruflichen Weiterentwicklung und zur Bereicherung <strong>de</strong>r Tätigkeit.<br />

2. Örtliche Hilfeplanung<br />

Eine personenzentrierte Planung macht aber nur dann wirklich Sinn, wenn alternative Dienste vorhan<strong>de</strong>n<br />

sind, die individuell zugeschnittene Hilfen verlässlich und qualifiziert anbieten können.<br />

Dies zu erreichen ist die zentrale Aufgabe örtlicher Angebotsplanung, die aber <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r Teilhabeplanung<br />

von <strong>de</strong>r Entwicklung allgemeiner Angebotsstrukturen her <strong>de</strong>nken muss. Im Unterschied zur<br />

zentralisierten Planung können sich die kommunalen Planungsaktivitäten aber eher auf die Gestaltung<br />

<strong>de</strong>s örtlichen Fel<strong>de</strong>s beziehen. Im kommunalen Planungshan<strong>de</strong>ln sind nicht vorwiegend einzelne Träger<br />

die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Ansprechpartner öffentlicher Angebotsplanung, son<strong>de</strong>rn vielmehr Facharbeitskreise<br />

und Planungsgremien, in <strong>de</strong>nen alle relevanten Akteure <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s vertreten sind. In diesen Gremien<br />

erscheinen einzelne Träger als Vertreter von legit<strong>im</strong>en Partialinteressen, die aber sozusagen zum Wohle<br />

<strong>de</strong>s örtlichen Gemeinwesens, in diesem Fall zum Zwecke <strong>de</strong>s Aufbaus eines qualifizierten Hilfenetzwerkes<br />

koordiniert wer<strong>de</strong>n müssen. Konzeptionelle Grundlagen und Arbeitshilfen für eine solche partizipationsorientierte<br />

örtliche Behin<strong>de</strong>rtenhilfeplanung wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Projekts ‚Netzwerke Offener Hilfen’ (NetOH) 17 vom ZPE <strong>de</strong>r Universität Siegen entwickelt.<br />

3. Finanzierung ohne sachfrem<strong>de</strong> Anreize<br />

17 Rohrmann, Albrecht u. a. (2001): AQUA-NetOH. Arbeitsmaterialien zur Qualifizierung Netzwerke Offener Hilfen für Menschen<br />

mit Behin<strong>de</strong>rung, Siegen, ZPE-Schriftenreihe Bd. 10<br />

vgl auch <strong>de</strong>n Beitrag von Klaus Kniel zur Behin<strong>de</strong>rtenhilfeplanung <strong>im</strong> Landkreis Ahrweiler in <strong>de</strong>r Dokumentation zur 3. Europäischen<br />

Konferenz zur Qualitätsentwicklung in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe an <strong>de</strong>r Universität Siegen, www.zpe.uni-siegen.<strong>de</strong>


22<br />

Die Unterscheidung <strong>de</strong>r Hilfeformen für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen in ambulant o<strong>de</strong>r stationär ist<br />

nicht konzeptionellen Erkenntnissen, son<strong>de</strong>rn sozialrechtlichen Regelungen geschul<strong>de</strong>t. Außerhalb<br />

Deutschlands gibt es diese Unterscheidung in dieser Form nicht. Die Zusammenführung <strong>de</strong>r Zuständigkeiten<br />

‚in eine Hand’ bietet die Möglichkeit, diese allein sozialrechtlich begrün<strong>de</strong>te Unterscheidung aufzulösen,<br />

in<strong>de</strong>m die getrennten Finanzierungsformen vereinheitlicht wer<strong>de</strong>n. Perspektivisch wäre es<br />

überlegenswert, die Fachleistungsstun<strong>de</strong> als Regelfinanzierung in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe zu etablieren.<br />

Dies wie<strong>de</strong>rum kann eine Anreizstruktur schaffen, die für Anbieter von Hilfen ambulante Formen attraktiver<br />

macht als bisher und somit eine Umstrukturierung <strong>de</strong>s Hilfesystems beför<strong>de</strong>rt.<br />

Im diesem Zusammenhang ist auch <strong>de</strong>r Ansatz <strong>de</strong>s Persönlichen Budgets zu betrachten. Der Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber<br />

hat bei <strong>de</strong>r jüngsten Novellierung <strong>de</strong>s SGB IX <strong>de</strong>n Rechtsanspruch auf ein trägerübergreifen<strong>de</strong>s<br />

Persönliches Budget für alle Antragsteller ab <strong>de</strong>m 01.01.2008 gesetzlich verankert. Das persönliche<br />

Budget soll ebenfalls auf <strong>de</strong>r Grundlage individueller Hilfeplanung realisiert wer<strong>de</strong>n. Es ist daher<br />

wichtig sicherzustellen, dass geeignete Instrumente und Verfahren bis dahin entwickelt und über ihre<br />

Erprobung ausreichen<strong>de</strong> Erfahrungen für eine flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Umsetzung gemacht und ausgewertet<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

Auf die problematische Anreizstruktur <strong>de</strong>r gegebenen <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Zuständigkeitsregelungen wur<strong>de</strong><br />

eingangs bereits hingewiesen. Ebenso auf die Empfehlung Sachkompetenz und Finanzkompetenz konsequent<br />

in einer Hand zu verbin<strong>de</strong>n. Ob dies die kommunale Ebene o<strong>de</strong>r die Lan<strong>de</strong>sebene sein soll,<br />

müsste bezogen auf die konkrete Situation in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> ohne ‚dogmatische Scheuklappen’ diskutiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Wenn weitreichen<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rungen eingeleitet wer<strong>de</strong>n sollen, ist dafür auf Seiten <strong>de</strong>r Exekutive<br />

eine politisch gestützte Konzeption sowie eine starke Handlungsfähigkeit erfor<strong>de</strong>rlich - und möglicherweise<br />

auch eine gewisse Distanz zum örtlichen Interessensgeflecht. Zu prüfen wäre etwa, wie <strong>de</strong>r<br />

begonnene Dezentralisierungsprozess <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe durch eine zentrale Lan<strong>de</strong>sstelle wirksam<br />

unterstützt wer<strong>de</strong>n könnte. Dabei könnte sich die überörtliche Unterstützung beziehen auf örtliche<br />

Planungsaufgaben, Leistungsvereinbarungen mit Anbietern und fachliche Qualitätsstandards. Man hätte<br />

damit auch einen Ort für die Beratung gemeinsamer Probleme auf überörtlicher Ebene in Distanz zu<br />

örtlichen Interessen.<br />

Zusammenfassen möchte ich meine Ausführungen in <strong>de</strong>m Satz: Sozialrechtliche Umstrukturierungen<br />

müsse mit regionalen Qualifizierungsprozessen verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. M.a.W. es geht um Umlernen, um<br />

die Initiierung von Lern- bzw. Qualifizierungsprozessen bei <strong>de</strong>n Professionellen, die auf Anbieterseite, in<br />

<strong>de</strong>r Verwaltung, in <strong>de</strong>r Politik in Beziehung zu behin<strong>de</strong>rten Menschen stehen. Es geht um die Entwicklung<br />

flexibler Hilfeangebote und um die Ermöglichung von Lernen bei <strong>de</strong>n von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen<br />

Menschen und ihren Angehörigen selbst – auch für <strong>de</strong>n Umgang mit Offenen Hilfen. Dabei müssen


23<br />

bisher systemprägen<strong>de</strong> Grundannahmen hinterfragt wer<strong>de</strong>n. Geschieht dies nicht, ist nicht auszuschließen,<br />

dass alle organisatorischen Verän<strong>de</strong>rungen nur zu einem führen, nämlich zur Bestätigung<br />

<strong>de</strong>s Bestehen<strong>de</strong>n.


IV. Dr. Irene Vorholz, Deutscher Landkreistag<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> <strong>im</strong> Blickfeld – Kompetenzen und Verantwortlichkeiten;<br />

Chancen und Hin<strong>de</strong>rnisse aus Sicht <strong>de</strong>r örtlichen Sozialhilfeträger18 24<br />

Ich freue mich, für <strong>de</strong>n Deutschen Landkreistag zur Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen sprechen zu dürfen. Der Deutsche Landkreistag ist <strong>de</strong>r kommunale Spitzenverband<br />

<strong>de</strong>r 323 Landkreise auf Bun<strong>de</strong>sebene. Unsere Aufgabe ist es u. a., die Interessen <strong>de</strong>r Landkreise gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung, <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>stag und <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>srat zu vertreten. Dies ist <strong>im</strong> sozialen<br />

Bereich beson<strong>de</strong>rs wichtig, weil er hauptsächlich durch Bun<strong>de</strong>srecht geprägt wird. Über die Lan<strong>de</strong>sausführungsgesetze<br />

zum BSHG, jetzt zum SGB XII wer<strong>de</strong>n Zuständigkeits- und Finanzfragen geregelt,<br />

aber die inhaltliche Ausgestaltung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe erfolgt <strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>sgesetz, <strong>im</strong> SGB XII und <strong>im</strong><br />

SGB IX. Unsere Aufgabe ist es, hierbei die kommunalen Belange einzubringen.<br />

Vorbemerkung<br />

Der Anlass, warum wir heute hier zusammensitzen und über die Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe sprechen,<br />

ist ja, dass wir mit <strong>de</strong>r Finanzierung nicht mehr zu Ran<strong>de</strong> kommen. Die Ausgaben <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

für behin<strong>de</strong>rte Menschen haben ein enormes Finanzvolumen erreicht, das mittlerweile das<br />

<strong>de</strong>r alten Hilfe zum Lebensunterhalt übersteigt – <strong>de</strong>r betroffene Personenkreis ist allerdings nur ein<br />

Fünftel so groß. Es ist daher wichtig, diese auch fiskalische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in das<br />

Bewusstsein <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu bringen. Wenn wir gegenüber Bun<strong>de</strong>spolitikern eine Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>r Sozialhilfe und insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe anmahnen, stoßen wir auf Unverständnis<br />

<strong>de</strong>r Art: „Sozialhilfeempfänger gibt es doch kaum noch, die sind doch jetzt alle <strong>im</strong> Arbeitslosengeld II.“<br />

Insofern einen herzlichen Dank an <strong>de</strong>n Veranstalter, dass er trotz „Hartz IV“ die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen zum Thema macht. Auch in <strong>de</strong>r kommunalen Praxis war es anfangs so und ist es<br />

zum Teil <strong>im</strong>mer noch so, dass jegliche Diskussion überlagert wird von vielfältigen Umsetzungsproblemen<br />

bei „Hartz IV“. Dabei drängt uns die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe eigentlich genau so, wenn nicht sogar mittlerweile<br />

wesentlich mehr.<br />

Ausgangslage<br />

Die Ausgangslage ist best<strong>im</strong>mt durch eine wachsen<strong>de</strong> Anzahl wesentlich behin<strong>de</strong>rter Menschen. Seitens<br />

<strong>de</strong>r Sozialhilfeträger wird daher gleichermaßen wie seitens <strong>de</strong>r freien Träger <strong>de</strong>utlicher Än<strong>de</strong>rungsbedarf<br />

reklamiert mit <strong>de</strong>m Ziel, die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe auch in Zukunft zu sichern. Die Diskussionen<br />

sind daher in <strong>de</strong>r Regel fiskalisch best<strong>im</strong>mt. Wenn wir in einem Füllhorn lebten und ausreichend<br />

18 Der mündliche Vortrag wur<strong>de</strong> für die Tagungsdokumentation überarbeitet. Die Vortragsfassung wur<strong>de</strong> beibehalten.


25<br />

Geld hätten, dann wür<strong>de</strong>n wir heute hierüber auch nicht re<strong>de</strong>n. Aber die Mittel stehen in <strong>de</strong>r Zukunft<br />

nicht zur Verfügung und eigentlich auch schon nicht mehr für die jetzige Generation <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten<br />

Menschen, die wir auf einem guten Niveau betreuen, das wir gerne halten wollen.<br />

Wir sprechen also über ein Thema von enormer Brisanz. Die Landkreise, <strong>de</strong>nen die Aufgabenverantwortung<br />

nach § 97 SGB XII obliegt, sehen sich dabei etwas alleine gelassen. Der Bund, <strong>de</strong>r das SGB<br />

XII erlässt stellt zwar fest, dass bei <strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>n Anzahl <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten Menschen von einem<br />

langjährigen weiteren Einglie<strong>de</strong>rungshilfebedarf mit hohen Kosten für die Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe auszugehen<br />

ist. For<strong>de</strong>rungen nach einer (teilweisen) Verlagerung von Einglie<strong>de</strong>rungshilfekosten auf <strong>de</strong>n<br />

Bund lehnt er jedoch ab. Zugleich spricht er sich aus sozialpolitischen Erwägungen auch gegen Leistungseinschränkungen<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe aus. 19<br />

Damit beißt sich die Katze in <strong>de</strong>n Schwanz und auf diese Weise gefähr<strong>de</strong>n wir das System <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe,<br />

weil diejenigen, die das Gesetz ausführen müssen, dafür nicht auch die erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Mittel erhalten – nicht vom Bund und auch nicht unbedingt vom Land. Insoweit bin ich gespannt, was<br />

Herr Schafft nachher für das Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> vorstellen wird. Denn auch bei ihm wird die Finanzierung<br />

<strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Knackpunkt sein. Dabei sind neue Streitigkeiten vorprogrammiert, z. B. wie<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r neue § 97 SGB XII zu interpretieren ist, ob wir bun<strong>de</strong>srechtlich übertragene Aufgaben haben,<br />

für die sich das Land nicht verantwortlich sieht, o<strong>de</strong>r ob das Land weiterhin in einer Finanzierungsverpflichtung<br />

steht. Das wird eine schwierige und zukunftswichtige Diskussion wer<strong>de</strong>n.<br />

Für die Landkreise geht es darum, die Hilfegewährung überhaupt weiter handhaben zu können. Für die<br />

freien Träger geht es um die üblichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen bei <strong>de</strong>n Entgeltvereinbarungen. Für die<br />

behin<strong>de</strong>rten Menschen ist die Sorge da, ob ihre Leistungen zukünftig noch verlässlich und qualitativ<br />

hochwertig gewährt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Es ist ein weites Spektrum, das wir möglicherweise heute in einigen Facetten beleuchten können. Wir<br />

wissen allerdings auch, dass bislang wenig passiert ist, das Ganze in <strong>de</strong>n Griff zu bekommen. Und wir<br />

wissen, dass die behin<strong>de</strong>rten Menschen mittlerweile durchaus eine starke Lobby haben, die allerdings<br />

manchmal auch seltsame Blüten treibt, wenn ich nur an die Wie<strong>de</strong>reinführung <strong>de</strong>s Zusatzbarbetrages<br />

für He<strong>im</strong>bewohner <strong>de</strong>nke. Der war mit <strong>de</strong>m SGB XII gera<strong>de</strong> abgeschafft wor<strong>de</strong>n und ist dann vor In-<br />

Kraft-Treten <strong>de</strong>s SGB XII wie<strong>de</strong>r eingeführt wor<strong>de</strong>n. Ein an<strong>de</strong>res Beispiel ist die Darlehensregelung für<br />

die Zuzahlungen von He<strong>im</strong>bewohnern <strong>im</strong> Gesundheitsbereich, die gleichfalls allein durch politischen<br />

Druck entstan<strong>de</strong>n ist, doch etwas für einen kleinen Personenkreis möglicherweise betroffener Menschen<br />

zu machen. Die Kommunalverwaltung erhält dafür hemmen<strong>de</strong>, lähmen<strong>de</strong> Verwaltungsvorgaben<br />

für ein Darlehensverfahren, das einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht, obwohl selbst eine<br />

19 Antwort <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung vom 30.11.2004 auf eine Kleine Anfrage „Entwicklung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für Menschen<br />

mit Behin<strong>de</strong>rung“, BT-Drs. 15/4372.


26<br />

ganze Reihe von Einrichtungen sagt, das lässt sich auch an<strong>de</strong>rs lösen. Aber so ist nun einmal das<br />

Spannungsfeld, in <strong>de</strong>m wir uns in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>spolitik bewegen.<br />

Finanzierungsperspektiven<br />

Die Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe wird also von <strong>de</strong>r Frage best<strong>im</strong>mt, wie sich ihre Finanzierung sichern<br />

lässt. Dabei geht es für Viele darum, <strong>de</strong>njenigen, <strong>de</strong>r die inhaltlichen Standards setzt, nämlich<br />

<strong>de</strong>n Bund, hierfür auch in die Finanzverantwortung zu nehmen. Ich möchte <strong>im</strong> Folgen<strong>de</strong>n die Punkte<br />

darstellen, die auf Bun<strong>de</strong>sebene diskutiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Bun<strong>de</strong>sfinanziertes Leistungsgesetz<br />

Die Diskussion um ein bun<strong>de</strong>sfinanziertes Leistungsgesetz flammt <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r auf. Problematisch ist<br />

zunächst, dass <strong>de</strong>r Begriff „Leistungsgesetz“ unterschiedlich verstan<strong>de</strong>n wird. Streng genommen ist das<br />

SGB XII bereits ein Leistungsgesetz. Es best<strong>im</strong>mt, welche Leistungen es gibt. Die Behin<strong>de</strong>rtenverbän<strong>de</strong><br />

und die freien Träger versprechen sich darüber hinaus Leistungen <strong>im</strong> Gesetz ohne die wenigen Einschränkungen,<br />

die wir jetzt <strong>im</strong> SGB XII noch haben. Die Leistungsträger erwarten statt<strong>de</strong>ssen einen<br />

best<strong>im</strong>mten Umfang von Leistungen, <strong>de</strong>r – gemessen an <strong>de</strong>m jetzigen Niveau – dann begrenzt wer<strong>de</strong>n<br />

muss. Schon aus diesem unterschiedlichen Verständnis heraus kommen wir nicht zueinan<strong>de</strong>r. Dazu<br />

kommt, dass <strong>de</strong>r Bund wie bereits dargestellt für eine Bun<strong>de</strong>sfinanzierung keinen Raum sieht.<br />

Differenzierung bei <strong>de</strong>r Aufgabenwahrnehmung<br />

Weiter wird überlegt, einzelne Leistungsarten aus <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe auszuglie<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>m Bund<br />

zu übertragen, so dass er sich nicht mit einer (anteiligen) Finanzierung beteiligt, son<strong>de</strong>rn mit einer best<strong>im</strong>mten<br />

Leistung. Man <strong>de</strong>nkt da an die Teilhabe am Arbeitsleben mit Blick auf die Bun<strong>de</strong>sagentur für<br />

Arbeit. Das ist meines Erachtens fragwürdig zu begleiten, <strong>de</strong>nn die enormen organisatorischen Probleme,<br />

die wir gera<strong>de</strong> bei „Hartz IV“ erleben – das Ausglie<strong>de</strong>rn bzw. Zusammenführen von Leistungen<br />

zweier Aufgabenträger –, das wür<strong>de</strong> sich hier wie<strong>de</strong>rholen. Auch sind die Erfahrungen, die die Landkreise<br />

bei „Hartz IV“ in finanzieller Hinsicht machen, nicht vielversprechend.<br />

Bun<strong>de</strong>sbehin<strong>de</strong>rtengeld<br />

Weiter wird eine bun<strong>de</strong>sfinanzierte Teilhabeleistung überlegt, ein Bun<strong>de</strong>sbehin<strong>de</strong>rtengeld als eine Art<br />

Nachteilsausgleich. Das Bun<strong>de</strong>sbehin<strong>de</strong>rtengeld soll aus <strong>de</strong>m Steuerhaushalt <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s finanziert<br />

und vom behin<strong>de</strong>rten Menschen vorrangig für die Finanzierung <strong>de</strong>r Werkstatt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s He<strong>im</strong>es eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Dabei käme es nicht zu einer Leistungsverbesserung, son<strong>de</strong>rn zu einer Anrechnung auf<br />

die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe. Das ist ein gangbarer Weg, auf <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r Deutsche Landkreistag und auch<br />

die Bun<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft <strong>de</strong>r überörtlichen Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe sowie die Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong><br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage eines ausgearbeiteten Vorschlags verständigt haben.


27<br />

Inhaltliche Weiterentwicklung<br />

Unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r bisherigen Überlegungen ist es unser Anliegen, die inhaltliche Weiterentwicklung nicht<br />

außen vor zu lassen und zu gucken, wie kann man das SGB XII, das SGB IX mit Blick auf die Zukunft<br />

<strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe weiter gestalten. Es sind einzelne Maßnahmen, die ich hier kurz vorstellen<br />

möchte.<br />

Nachrang <strong>de</strong>r Sozialhilfe<br />

Zunächst ist ausgehend vom „Bedürftigkeitsprinzip“ als Grundprinzip <strong>de</strong>r Sozialhilfe zu for<strong>de</strong>rn, Leistungen<br />

auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren. Das be<strong>de</strong>utet, dass auch bei behin<strong>de</strong>rten Menschen<br />

Einkommen und Vermögen anzurechnen und Unterhaltspflichtige heranzuziehen sind, und zwar nicht<br />

nur in Höhe von 46 Euro. In <strong>de</strong>r Praxis begegnen wir oftmals Eltern, die über die geringe Höhe erstaunt<br />

sind und bereit wären, mehr zu zahlen. Das Gesetz gibt das aber nicht her. Dabei muss auch hier <strong>de</strong>r<br />

allgemeine Grundsatz gelten, dass leistungsfähige Menschen dazu beitragen, dass die Leistungen auch<br />

<strong>de</strong>njenigen gewährt wer<strong>de</strong>n können, die nicht selbst dafür aufkommen können.<br />

Diese Frage wird in <strong>de</strong>r Zukunft an praktischer Be<strong>de</strong>utung noch zunehmen, weil wir in die Erbengeneration<br />

kommen. Sofern Leistungsberechtigte über ererbtes Vermögen verfügen, müssen sie aus diesem<br />

Vermögen etwas dazu beizutragen, die öffentlichen Leistungen zu sichern. Das ist eine selbstverständliche<br />

For<strong>de</strong>rung, die wir nicht nur für „Hartz IV“-Empfänger, son<strong>de</strong>rn auch für behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

erheben müssen.<br />

Binnendifferenzierung in <strong>de</strong>r Versorgungsstruktur<br />

Weiter müssen wir daran gehen, die Leistungen nicht mehr (nur) an <strong>de</strong>r Einrichtungsart (ambulant, stationär,<br />

teilstationär) festzumachen, son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung und an <strong>de</strong>m Grad <strong>de</strong>r<br />

Einglie<strong>de</strong>rungsbedürftigkeit.<br />

Das SGB XII ermöglicht das vom Ansatz her durch die Zusammenführung <strong>de</strong>r Leistungen möglichst in<br />

einer Hand, § 97 SGB XII. Das muss aber auch Folgen für das Leistungsangebot mit Blick auf die Binnendifferenzierung<br />

in <strong>de</strong>r Versorgungsstruktur haben. Die bestehen<strong>de</strong>n Ansätze– weg von <strong>de</strong>r starren<br />

Abgrenzung hier He<strong>im</strong>, da ambulant, hin zu einem fließen<strong>de</strong>n Übergang mit Kleinsthe<strong>im</strong>en, betreuten<br />

Wohnformen, Wohngemeinschaften etc. müssen verstärkt wer<strong>de</strong>n. Damit wür<strong>de</strong>n auch die bisherigen<br />

Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen ambulanten und stationären betreuten Wohnformen an Be<strong>de</strong>utung<br />

verlieren.<br />

Die Stärkung <strong>de</strong>r ambulanten Versorgung haben wir zwar <strong>im</strong> BSHG schon lange und auch <strong>im</strong> SGB XII<br />

verankert. In <strong>de</strong>r Praxis ist das aber einfacher gesagt als getan. Dabei ist es eine allgemeine Erkenntnis,<br />

dass es am Sinnvollsten ist, die Leistung da zu erbringen, wo <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rte Mensch zu Hause ist.<br />

Denn Teilhabe am Leben in <strong>de</strong>r Gemeinschaft, Teilhabe an <strong>de</strong>r Gesellschaft for<strong>de</strong>rt auch sozialen Kontakte,<br />

die Verbindung zu Familie, Bekannten, Nachbarn.


28<br />

Örtlich o<strong>de</strong>r überörtlich?<br />

Herr Professor Knüppel fragte eingangs, wer für die Bün<strong>de</strong>lung <strong>de</strong>r Leistungen in einer Hand in Betracht<br />

komme: <strong>de</strong>r örtliche o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r überörtliche Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe? Da bin ich als Deutscher Landkreistag<br />

etwas gespalten, weil wir in unserem Mitgliedsbereich sowohl die Landkreise als örtliche Träger als<br />

auch einen Teil <strong>de</strong>r überörtlichen Träger haben, nämlich die höheren Kommunalverbän<strong>de</strong> (Landschaftsverbän<strong>de</strong>,<br />

Lan<strong>de</strong>swohlfahrtsverbän<strong>de</strong>). Insofern muss die Frage in je<strong>de</strong>m Land jeweils entschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Persönlich kann ich mir – vielleicht auch durch meine <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Erfahrungen geprägt – grundsätzlich<br />

gut vorstellen, die Verantwortung auf <strong>de</strong>r örtlichen Ebene zusammenzuführen. In <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> liegt<br />

die sachliche Zuständigkeit für ambulante und stationäre Hilfen seit 10 Jahren auf <strong>de</strong>r örtlichen Ebene.<br />

Auch in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>nen die überörtlichen Träger sachlich zuständig sind, erfolgt oftmals eine<br />

Delegation auf die örtliche Ebene. Und wenn ich ohnehin die Arbeit auf <strong>de</strong>r örtlichen Ebene erledigen<br />

lasse, dann kann ich auch überlegen, gleich die Zuständigkeit und damit die volle Verantwortung runterzuziehen.<br />

Dann habe ich alles in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>rjenigen, die am Nähesten am behin<strong>de</strong>rten Menschen<br />

dran sind und die größte Kenntnis <strong>de</strong>r Gegebenheiten und Erfor<strong>de</strong>rnisse vor Ort haben. Die Betreuung<br />

behin<strong>de</strong>rter Menschen wird dadurch auch zu einer kommunalpolitisch be<strong>de</strong>utsamen Sache. Dann wird<br />

<strong>im</strong> Kreistag eben auch mal darüber gesprochen, welche Hilfen, welche Angebote <strong>de</strong>nn für behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen vorzuhalten sind. Das kann man dann nicht abschieben auf das Land o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n höheren<br />

Kommunalverband, son<strong>de</strong>rn dann steht man als Kreistagsabgeordneter auch dafür in <strong>de</strong>r Verantwortung.<br />

Die Frage, bei welchem Träger die Leistungen gebün<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollen, ist oftmals wie<strong>de</strong>rum auch<br />

geprägt von <strong>de</strong>r Frage, wie sich die Finanztransfers lösen lassen. Die Streitigkeiten, die Sie <strong>im</strong> Land<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> kennen, belegen auf das Deutlichste, wie wichtig diese Frage ist. Auch in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n teils erbitterte Diskussionen über die Finanzierung geführt, die jeweils nach einem<br />

eigenen System gelöst wird. Da die Ausgaben für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für behin<strong>de</strong>rte Menschen aber<br />

erheblich sind, ist klar, dass alle Beteiligten darauf beson<strong>de</strong>res Augenmerk legen müssen. Es geht nicht<br />

um 100 Euro, bei <strong>de</strong>nen ein Landkreis auch mal ein Auge zudrücken könnte, son<strong>de</strong>rn um sehr kostenintensive<br />

Leistungen. Und wir wissen, dass wir eine Dynamisierung zumin<strong>de</strong>st noch für eine Reihe von<br />

Jahren haben. Zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n nächsten fünf, vielleicht sogar bis zu zehn Jahren rechnen wir mit jährlichen<br />

Steigerungsraten von bis zu 7 %. Diese Dynamisierung kann sich keiner einfach so auf seine<br />

Schultern la<strong>de</strong>n, da bedarf es einer Absicherung. Und <strong>de</strong>swegen sind die Streitigkeiten oftmals nicht<br />

unbedingt davon geprägt, welche Ebene es besser kann, son<strong>de</strong>rn sie sind davon geprägt, wie kommt<br />

das Geld wohin und wie kann ich das Ganze einigermaßen verlässlich handhaben. Die Finanzen können<br />

wir da nie außen vor lassen.


29<br />

Abschluss <strong>de</strong>r Entgeltvereinbarungen<br />

Aus <strong>de</strong>r Zuständigkeit für die Leistungsgewährung resultiert dann auch die Antwort auf die Frage, wer<br />

für die Entgeltverhandlungen verantwortlich sein soll. Die Entgeltvereinbarung muss <strong>de</strong>rjenige verantworten,<br />

<strong>de</strong>r für die Hilfe sachlich zuständig ist. Wenn man das wie<strong>de</strong>r spaltet und sagt, ich habe zwar<br />

<strong>de</strong>n Landkreis als sachlich zuständigen Aufgabenträger, ich lasse aber das Land die Entgeltvereinbarungen<br />

abschließen, wäre das wie<strong>de</strong>r ein Hin-und-Her-Geschiebe zwischen Trägern. Die Entgeltvereinbarungen<br />

müssen von <strong>de</strong>mjenigen geschlossen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r dafür fiskalisch vor Ort in <strong>de</strong>r Verantwortung<br />

steht, nicht etwa über einen Kostenerstattungsweg später abrechnen muss, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r es unmittelbar<br />

zu verantworten hat.<br />

Dabei kann man darüber nach<strong>de</strong>nken, Entgeltvereinbarungen gebün<strong>de</strong>lt zu führen, um Synergieeffekte<br />

aus <strong>de</strong>m wirtschaftlichen, insbeson<strong>de</strong>re betriebswirtschaftlichen Know-how <strong>de</strong>r Einzelnen zu ziehen.<br />

Hierfür könnte z. B. eine Kopfstelle eingerichtet wer<strong>de</strong>n, nicht be<strong>im</strong> Land, das wäre ja wie<strong>de</strong>r eine frem<strong>de</strong><br />

Verantwortung, son<strong>de</strong>rn in Verantwortung <strong>de</strong>r Landkreise. Die Landkreise könnten sich zusammentun<br />

und eine Kopfstelle o<strong>de</strong>r Verhandlungskommission bil<strong>de</strong>n, die dann für <strong>de</strong>n einzelnen Landkreis die<br />

Verhandlungen führt. Für <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> äußere ich hier Zukunftsmusik, die auch mit <strong>de</strong>m Landkreistag<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> nicht weiter abgest<strong>im</strong>mt ist. In an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn gibt es Ähnliches bereits, z. B. in Nordrhein-Westfalen;<br />

dort wer<strong>de</strong>n die Entgeltverhandlungen bei einer kommunalverantworteten Stelle gebün<strong>de</strong>lt.<br />

Regionaler Bedarf<br />

Weiter ist zu überlegen, sich stärker am regionalen Bedarf zu orientieren. Der Bedarf, <strong>de</strong>r zuvor regional<br />

o<strong>de</strong>r auch lan<strong>de</strong>sweit festgestellt wird, wäre dann ausschlaggebend dafür, wie man mit wem worüber<br />

Leistungs- und Entgeltverhandlungen führt. Sie wissen, dass das <strong>im</strong> Gesetz bislang an<strong>de</strong>rs geregelt ist.<br />

Entgeltvereinbarungen sind nach § 75 SGB XII grundsätzlich mit je<strong>de</strong>m zu schließen, <strong>de</strong>r für die Leistungserbringung<br />

geeignet ist. Problematisch dabei ist, dass in <strong>de</strong>r Praxis ein Angebot oftmals Nachfrage<br />

schafft. Macht ein neues He<strong>im</strong> auf, ist es sogleich voll bewohnt, ohne dass wir dann <strong>im</strong> Einzelfall noch<br />

Möglichkeiten hätten zu reagieren. Natürlich wer<strong>de</strong>n dort dann viele behin<strong>de</strong>rte Menschen betreut, <strong>de</strong>ren<br />

Bedarf tatsächlich auch dort zu befriedigen ist. Wir wissen aber auch, dass man besser steuern<br />

könnte, wenn man an<strong>de</strong>re Einflussmöglichkeiten hätte. Denn wirtschaftlich gesehen muss ein He<strong>im</strong><br />

<strong>im</strong>mer ein Interesse an einer vollen Auslastung haben. Das ist ja <strong>de</strong>r altbekannte Konflikt: Das Interesse<br />

eines He<strong>im</strong>es ohne binnendifferenzierte Versorgungsstruktur, jeman<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m He<strong>im</strong> in <strong>de</strong>n teilstationären/ambulanten<br />

Bereich zu überführen, ist verständlicherweise begrenzt.<br />

„Persönliches Budget“<br />

Mit Blick auf eine stärkere Eigenverantwortung <strong>de</strong>s behin<strong>de</strong>rten Menschen wird <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r das „persönliche<br />

Budget“ angeführt. Ich bin offen gesagt skeptisch, ob dies ein geeignetes Instrument ist. Wir


30<br />

befin<strong>de</strong>n uns gegenwärtig in <strong>de</strong>r gesetzlichen Erprobungsphase und wer daran interessiert ist, <strong>de</strong>r kann<br />

<strong>de</strong>n Antrag auf Gewährung eines persönlichen Budgets stellen. Die behin<strong>de</strong>rten Menschen machen<br />

davon aber bun<strong>de</strong>sweit kaum Gebrauch. Es wür<strong>de</strong> mich interessieren, woran das liegt. Seitens <strong>de</strong>r<br />

Behin<strong>de</strong>rtenverbän<strong>de</strong> ist das persönliche Budget <strong>im</strong>mer hochgehalten wor<strong>de</strong>n als ein Instrument, mit<br />

<strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rte Mensch steuern kann. Trotz<strong>de</strong>m ist die Resonanz gering. Die örtlichen Träger<br />

dagegen haben auf die Erfahrungen hingewiesen, die sie mit an<strong>de</strong>ren Komplexleistungen sammeln –<br />

die meisten von Ihnen kennen das Trauerbeispiel <strong>de</strong>r Komplexleistung Frühför<strong>de</strong>rung für behin<strong>de</strong>rte<br />

Kin<strong>de</strong>r. Diese st<strong>im</strong>men auch nicht positiv. Dabei liegen die Schwierigkeiten nicht darin, dass die Träger<br />

nicht wollen, son<strong>de</strong>rn dass unterschiedliche Aufgabenträger durchaus auch wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong> Interessen<br />

haben. Deswegen ist ein trägerübergreifen<strong>de</strong>s persönliches Budget nochmal doppelt schwierig, weil<br />

je<strong>de</strong>r natürlich guckt, wofür ist <strong>de</strong>nn mein Anteil, wonach bemesse ich meinen Anteil, nur <strong>de</strong>n steuere<br />

ich in das persönliche Budget hinein.<br />

Schlussbemerkung<br />

Am En<strong>de</strong> möchte ich festhalten, dass es bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe nicht darum geht, <strong>de</strong>m Sozialabbau<br />

das Wort zu re<strong>de</strong>n. Das ist eine Klage, die man schnell auf <strong>de</strong>m Tisch hat, sobald man daran geht, etwas<br />

weiter zu gestalten. Ziel ist es, die Leistungen, die wir jetzt haben, auf diesem Niveau möglichst zu<br />

sichern. Ich fürchte, dass wir das nicht können wer<strong>de</strong>n. Die Vorschläge, die ich gemacht habe, bringen<br />

keinen behin<strong>de</strong>rten Menschen in Not. Aber sie helfen ein bisschen, das Ganze weiterhin gangbar zu<br />

machen.<br />

Und ganz zuletzt noch eine Bemerkung zur wirtschaftspolitischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe:<br />

Wir wissen, dass wir hier einen sehr personenintensiven Bereich von Dienstleistungen vor uns haben.<br />

Das ist einerseits ein Wirtschaftsfaktor, <strong>de</strong>n man nicht unterschätzen sollte mit Blick auf das Arbeitspotenzial.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wissen wir aber auch, dass wir zukünftig weniger Menschen haben, aber<br />

mehr Menschen brauchen wer<strong>de</strong>n, die sich <strong>de</strong>r Betreuung von behin<strong>de</strong>rten Menschen widmen. Auch<br />

das ist ein Aspekt, <strong>de</strong>n wir weiter <strong>im</strong> Blickfeld haben müssen.


31<br />

V. Thomas Profazi, Landschaftsverband Westfalen Lippe<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> <strong>im</strong> Blickfeld – Kompetenzen und Verantwortlichkeiten; Chancen und Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

aus Sicht <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger<br />

Mit mir haben Sie exemplarisch einen überörtlichen Sozialhilfeträger eingela<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r hinsichtlich Kompetenzen<br />

und Verantwortlichkeiten glaubt, eine intelligente zentrale Lösung vertreten zu können. Ich<br />

möchte i. S. <strong>de</strong>s Untertitels - „ aus Sicht <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger“ - allerdings betonen, es gibt<br />

natürlich nicht die Position; es gibt <strong>im</strong>mer nur einzelne Varianten. Insofern ist das, was ich aus Westfalen-Lippe<br />

erzähle, jetzt hier nicht verallgemeinerungsfähig für alle überörtlichen Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

3. Sozialforum <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

Potsdam, 02. September 2005<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>Blickwinkel</strong><br />

– Kompetenzen und Veranwortlichkeiten –<br />

Chancen und Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

aus Sicht <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger<br />

... aus <strong>de</strong>r westfälischen Praxis<br />

Informationen und Bewertungen ...<br />

Thomas Profazi - LWL Münster, Referatsleiter Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

Ich will ein bisschen berichten, ich will aber auch vor allen Dingen bewerten. Ich will unsere sehr konkreten<br />

Erfahrungen mit sehr hoch abstrakten Gedanken und Schlussfolgerungen verknüpfen. Bitte sehen<br />

Sie es mir nach, dass ich in <strong>de</strong>n eher praktischen Dingen mit Blick auf die zur Verfügung stehen<strong>de</strong> Zeit<br />

sehr durch die Folien hasten wer<strong>de</strong>. Ich habe bewusst z. T. auch alte Folien genommen, sozusagen als<br />

Fenster in unsere Entwicklung <strong>de</strong>r letzten Jahre. Die müssen Sie auf die Schnelle nicht alle verstehen -<br />

über die brauchen wir <strong>im</strong> Einzelnen auch nicht ausgiebig re<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m ist es so, dass Sie alle Folien<br />

auch bekommen wer<strong>de</strong>n. Sie sind aber - glaube ich - wichtig zur Veranschaulichung, wie sich die<br />

Dinge bei uns entwickelt haben.


32<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

... aus Sicht <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger ...<br />

Grundannahme:<br />

Strategische Ebene = zentral Operative Ebene = <strong>de</strong>zentral<br />

<strong>de</strong>duktiv planen und steuern induktiv <strong>de</strong>nken und han<strong>de</strong>ln<br />

Geht das ...?<br />

Geht das erfolgreich ...?<br />

Die Grundannahmen, die habe ich gera<strong>de</strong> schon genannt – hier noch mal ins Bild gesetzt. Unser Credo<br />

ist ganz allgemein formuliert: Auf <strong>de</strong>r strategischen Ebene sollte man Zentralisieren, auf <strong>de</strong>r operativen<br />

Ebene sollte man <strong>de</strong>zentral arbeiten. Strategische Ebene heißt, <strong>de</strong>duktiv Planen und Steuern - operative<br />

Ebene meint induktiv Denken und Han<strong>de</strong>ln. Noch plakativer: Wir wollen überörtlich planen und steuern<br />

und gleichzeitig örtlich Denken und Han<strong>de</strong>ln! Geht das überhaupt und noch viel wichtiger – geht das<br />

erfolgreich? Denn dass es irgendwie geht, dürfte klar sein.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, ich muss zu meinem Erfahrungshintergrund ein bisschen was sagen, weil es bei uns in Nordrhein-Westfalen<br />

etwas an<strong>de</strong>rs ist als bei Ihnen in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, wie wohl vieles auch dann wie<strong>de</strong>rum<br />

vergleichbar ist. Vor <strong>de</strong>n generellen Hintergrün<strong>de</strong>n wie Fallzahlsteigerung, Kostenentwicklung, passgenaue<br />

Hilfen etc. wer<strong>de</strong> ich Sie we<strong>de</strong>r mit Zahlen bombardieren noch die Grundüberlegungen wie<strong>de</strong>rholen<br />

– das wer<strong>de</strong>n Sie mir nachsehen, da diese Dinge mittlerweile allgemein bekannt zu sein scheinen.<br />

Ohne falsche Beschei<strong>de</strong>nheit möchte ich nur darauf verweisen, dass ausgehend von unseren Aktivitäten<br />

in Westfalen Mitte <strong>de</strong>r 90er bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre über die BAG überörtliche Sozialhilfeträger und<br />

dann über <strong>de</strong>n Deutschen Verein in <strong>de</strong>r gesamten bun<strong>de</strong>srepublikanischen keine Fachöffentlichkeit die<br />

Probleme und Zukunftsaufgaben <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>de</strong>utlich ins Bewusstsein getreten sind. Man<br />

kann ja mittlerweile nicht mehr sagen, was ich früher gerne gesagt habe: die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe – ein<br />

schlafen<strong>de</strong>r Riese! Schlafend ist er nicht mehr, allerhöchstens nicht ausreichend bekannt und vor allen


33<br />

Dingen: dort wo er bekannter gewor<strong>de</strong>n ist stellt sich heute eher die Frage, bekannter aber unbeherrschbarer<br />

Riese ...?<br />

Wir haben da an <strong>de</strong>r Stelle sicherlich schon viel gemacht, <strong>de</strong>nnoch muss <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r daran erinnert<br />

wer<strong>de</strong>n, dass da noch viel zu tun ist – auch und insbeson<strong>de</strong>re – wenn wir über Kommunalisierung re<strong>de</strong>n,<br />

wenn wir über Politik re<strong>de</strong>n – also in Richtung auf Öffentlichkeit und auf Politik. Ich möchte unsere<br />

Position daher zusammenfassen, in<strong>de</strong>m ich ein Stück aus unseren eigenen Papieren vorlese:<br />

„Alle Beteiligten sind aufgerufen, das öffentliche Bewusstsein dafür zu stärken o<strong>de</strong>r in mancherlei<br />

Hinsicht sogar erst herzustellen, dass die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für behin<strong>de</strong>rte Menschen eine<br />

gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, <strong>de</strong>ren Umfang allein in quantitativer Hinsicht in <strong>de</strong>n nächsten<br />

ein bis zwei Jahrzehnten kontinuierlich zunehmen wird. Es darf nicht <strong>de</strong>r Eindruck erweckt<br />

wer<strong>de</strong>n, als ob die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in Behin<strong>de</strong>rtenhilfeeinrichtungen und an<strong>de</strong>rswo gleichsam<br />

in almosenhafter Weise aus Spen<strong>de</strong>n, Steuermitteln o<strong>de</strong>r sonstigen Einnahmen (Klingelbeutel)<br />

finanziert wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n könnte. Hierzu ist absolute Transparenz und permanente<br />

Öffentlichkeitsarbeit zwingend erfor<strong>de</strong>rlich. Dies darf sich nicht in ein- o<strong>de</strong>r zwe<strong>im</strong>aligen Aktionen<br />

o<strong>de</strong>r Tagungen erschöpfen. Das Bewusstsein für die Problematik muss <strong>im</strong>mer weiter geweckt<br />

und aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n“.<br />

Und jetzt <strong>de</strong>r zentrale Satz - unsere Position:<br />

„Die gesamte Einglie<strong>de</strong>rungshilfe muss wissen, 1. was in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe geschieht, dass<br />

dies 2. mit erheblichem, öffentlich zu finanzieren<strong>de</strong>m und unabweisbar steigen<strong>de</strong>m Aufwand<br />

geschieht und 3. dass dies <strong>im</strong> sozialen Rechtsstaat – wie in Art. 20.III Grundgesetz für unsere<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik konstituiert – eine unter allen <strong>de</strong>nkbaren Bedingungen unverzichtbare Aufgabe<br />

ist. Bei Vernachlässigung auch nur einer dieser 3 Punkte gerät die Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

in ganz große Gefahr. Alle drei Punkte sind nebeneinan<strong>de</strong>r gleich wichtig.“<br />

Jetzt etwas konkreter: Wir sind in Westfalen zum Verständnis aller an<strong>de</strong>ren Dinge, die ich noch erzähle,<br />

ein kommunaler Zweckverband. Im Sinne von Frau Dr. Vorholz müsste ich jetzt sagen, „wir sind<br />

auch Kommunen“, und das st<strong>im</strong>mt auch. Wir sind also nicht Teil <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung o<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverwaltung,<br />

son<strong>de</strong>rn wir sind letztlich Kommune.


34<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

Kommunaler Zweckverband für 27 Mitgliedskörperschaften<br />

davon kreisfreie Städte 9<br />

davon Kreise 18<br />

Insgesamt ca. 8,5 Mio. Einwohner<br />

LWL-Verwaltungshaushalt<br />

2005 ca. 2,1 Mrd. Euro<br />

davon 1,34 Mrd. Euro<br />

finanziert durch Umlage <strong>de</strong>r<br />

27 Städte und Kreise<br />

Wir sind genau so eine Kopfstelle o<strong>de</strong>r ein Zweckverband wie es für manche kommunale Aufgaben<br />

sinnvoll zu sein scheint – bestehend aus 27 Mitgliedskörperschaften, 9 kreisfreien Städten und 18 Kreisen.<br />

Insgesamt stecken dahinter 8,5 Mio Einwohner. Also wir sind auch nicht so ganz klein. Dass wir<br />

nicht ganz klein sind, dazu habe ich noch mal ein paar Zahlen eingeschoben: Unser Verwaltungshaushalt<br />

beträgt in diesem Jahr 2,1 Mrd. Euro. Davon wer<strong>de</strong>n 1,34 Mrd. Euro direkt durch Umlage finanziert<br />

von unseren Kreisen und von <strong>de</strong>n Städten. Der Kreis Höxter, die Stadt Dortmund etc. übernehmen diesen<br />

Teil direkt über die Umlage. Das Gleiche noch mal – <strong>de</strong>n Focus etwas enger gestellt – für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe:


35<br />

In <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe geben wir 1,3 Mrd. Euro aus.<br />

davon 700 Mio Euro ≈ für stationäres Wohnen,<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> be<strong>im</strong><br />

Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe 2005 insgesamt 1,3 Mrd. Euro<br />

davon:<br />

Wohneinrichtungen<br />

(ohne Grundsicherung)<br />

Ambulant Betreutes Wohnen<br />

(ohne Grundsicherung)<br />

Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen<br />

Sonstige <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong><br />

ca. 700 Mio. Euro<br />

ca. 65 Mio. Euro<br />

ca. 340 Mio. Euro<br />

ca. 195 Mio. Euro<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe = Sozialhilfe = nachrangig + steuerfinanziert<br />

Ca. 153 Euro pro Einwohner und Jahr<br />

65 Mio Euro <strong>de</strong>rzeit – einschl. Hilfe zum Lebensunterhalt – für das ambulante betreute<br />

Wohnen,<br />

340 Mio Euro Werkstätten (heute unser Thema nur ganz am Ran<strong>de</strong>, aber in Wirklichkeit<br />

<strong>im</strong>mer mitgedacht) und<br />

195 Mio Euro sonstige Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>im</strong> Bereich behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Tagesstättenbereich<br />

etc. (hab ich zusammengefasst)<br />

Soweit zu <strong>de</strong>n Zahlen unter <strong>de</strong>m generellen <strong>Blickwinkel</strong>, dass Einglie<strong>de</strong>rungshilfe ja schließlich nach<br />

wie vor Sozialhilfe und damit letztlich nachrangig ist – das heißt auch steuerfinanziert! Ich weiß nicht,<br />

ob unseren Bürgern in Westfalen hinreichend klar ist, dass pro Einwohner (nicht pro Steuerzahler) jährlich<br />

153 Euro für diese Einglie<strong>de</strong>rungshilfeaufgaben „sozusagen abgehen“, d. h. von Ihnen direkt mitfinanziert<br />

wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

Mit diesem kleinen westfälischen Exkurs wollte ich Sie nicht zur He<strong>im</strong>atkun<strong>de</strong> nötigen, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong> Sinne<br />

unserer Tagungsthematik auf folgen<strong>de</strong>s hinweisen: Unsere Form <strong>de</strong>r Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung und<br />

<strong>de</strong>r Steuerung ist keine Spielwiese, kein Exper<strong>im</strong>entierfeld, son<strong>de</strong>rn hier ist ausdrücklich und zupackend<br />

eine wichtige Steuerungsentscheidung mit überörtlicher Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung getroffen wor<strong>de</strong>n für


36<br />

ein großes Land, für eine große inhaltliche Aufgabe und für ein großes Finanzvolumen. Daraus mögen<br />

Sie entnehmen, dass wir ein ziemliches Vertrauen haben und auch <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber ein ziemliches<br />

Vertrauen hat, dass diese Lösung, ich will nicht sagen „die“ Lösung ist - aber eine zielführen<strong>de</strong><br />

Lösung auf je<strong>de</strong>n Fall.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Voraussetzungen für<br />

eine überörtliche Aufgabenbün<strong>de</strong>lung ...<br />

1. Konsens in Fundamentalzielen<br />

z. B. Vermeidung von „fö<strong>de</strong>ralem/kommunalem Neoliberalismus“<br />

z. B. Grundsatz „Ambulant vor Stationär“ etc.<br />

2. Gestaltungsbewusstsein/Steuerungskompetenz<br />

z. B. vom (reaktiven) Kostenträger zum (aktiven) Leistungsträger<br />

3. Dienstleistungsbewusstsein/Bürger- und Ortsnähe<br />

z. B. Vermeidung von „Zentralismuseffekten“<br />

Lassen Sie mich gleich an dieser Stelle - für unser Thema wichtig - eine bewerten<strong>de</strong> Phase einschieben,<br />

bevor ich nachher ein bisschen über unsere Umsetzungsschritte erzähle. Sinnhaft ist eine überörtliche<br />

Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung eigentlich nur, wenn best<strong>im</strong>mte grundlegen<strong>de</strong> Voraussetzungen da sind<br />

bzw. weiter ausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können. Dazu gehört einmal ein Konsens in Fundamentalzielen, dazu<br />

gehört zum an<strong>de</strong>ren auf Seiten <strong>de</strong>s überörtlichen Sozialhilfeträgers ein <strong>im</strong>mer ausgeprägter wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />

Gestaltungsbewusstsein. Und wenn das Bewusstsein ausgeprägter ist, das wissen Sie ja, dann<br />

sollte auch die Handlungsebene, hier also die Steuerungskompetenz, ausgeprägter wer<strong>de</strong>n. Und dazu<br />

gehört auch ein Dienstleistungsbewusstsein. Bürger- und Ortsnähe ist sicherlich ganz entschei<strong>de</strong>nd<br />

wichtig, wenn man <strong>de</strong>n heeren Grundsatz von vorhin –„zentral Steuern, operativ <strong>de</strong>zentral Denken und<br />

Han<strong>de</strong>ln“ – wirksam umsetzen will und dieser nicht nur eine Sprechblase bleiben soll.<br />

Mal ein Beispiel: Ein Fundamentalziel ist bspw., dass man unterschiedliche Spielarten von „fö<strong>de</strong>ralem<br />

Neoliberalismus“ vermei<strong>de</strong>t. Was meine ich damit (ich weiß nicht, ob Sie mit dieser Zuspitzung was<br />

anfangen können); wenn ich natürlich sage, Pech gehabt behin<strong>de</strong>rter Mensch, lebst du in Dortmund,


37<br />

dann hast du eben Verhältnisse von Dortmund; lebst du in Siegen, dann hast du eben Verhältnisse von<br />

Siegen und lebst du <strong>im</strong> Kreis Steinfurt, dann ist das eben so. Das heißt, die <strong>im</strong> Gesetz ja angelegte<br />

Form von einheitlichen Lebensgrundlagen muss man natürlich auch in je<strong>de</strong>rlei Hinsicht fachlich und<br />

inhaltlich teilen und konkretisieren wollen, sonst kann man das nicht machen, was wir hier machen.<br />

Insofern ist ein solcher Grundkonsens <strong>im</strong>mer ein ganz zentraler Dreh- und Angelpunkt. Ich nehme an, in<br />

<strong>de</strong>r zukünftigen Diskussion – auch hier in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> – wird das, ausgesprochen o<strong>de</strong>r nicht ausgesprochen,<br />

noch mal eine große Rolle spielen. Wenn man dieses Ziel nicht teilt, gibt es keine tragfähige<br />

Basis für überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung (und das meinte ich mit Neoliberalismus). Dann sagt<br />

man eher: Glück gehabt, wohnst eben in einer Kommune, die viel tut, die hohe Ansprüche hat. Und <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re, vielleicht mit <strong>de</strong>m gleichen Hilfebedarf versehene behin<strong>de</strong>rte Mensch hat umgekehrt Pech gehabt,<br />

lebt eben in einer Region, wo man nicht unbedingt behaupten kann, dass die fachlich-inhaltlichen<br />

Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe – neutral gesagt an<strong>de</strong>rs – auf gut <strong>de</strong>utsch viel schlechter<br />

sind; dann ist das so! Auf diesen „atomisieren<strong>de</strong>n“ Standpunkt kann man sich in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

nicht stellen, meinen wir. Dass man sich nicht auf diesen Standpunkt stellt, dafür gibt es ja auch hinreichend<br />

gesetzliche Grundlagen. Ich wollte nur noch mal an diesen wichtigen Grundkonsens erinnern;<br />

<strong>de</strong>nn oft wird über Details diskutiert und gestritten und darüber wird das große Ganze aus <strong>de</strong>m Auge<br />

verloren.<br />

Als inhaltliches Beispiel habe ich noch mal <strong>de</strong>n Grundsatz „ambulant vor stationär“ erwähnt. Es ist aber<br />

klar, die jetzigen gesetzlichen Rahmenbedingungen meinen diesen Grundsatz auch strukturell - nicht<br />

nur <strong>im</strong> Einzelfall, son<strong>de</strong>rn bezogen auf das Gesamthilfesystem. Und die verschie<strong>de</strong>nen Spielarten, was<br />

dieser Grundsatz strukturell heißt, sind sicherlich wichtig, um an <strong>de</strong>r Stelle überhaupt voran zu kommen.<br />

Ich beobachte bspw., wenn ich das einschieben darf, bei uns in Westfalen <strong>de</strong>rzeit eine gewisse Kränkung<br />

bei <strong>de</strong>n stationär arbeiten<strong>de</strong>n Mitarbeitern von Wohneinrichtungen. So nach <strong>de</strong>m Motto, du erzählst<br />

<strong>im</strong>mer „ambulant vor stationär“..., heißt das <strong>de</strong>nn, Arbeit in He<strong>im</strong>en, also Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in<br />

stationären Einrichtungen ist schlecht und nur ambulant wäre gut? Das ist z. B. ein völlig falsches Verständnis<br />

dieser Angelegenheit.<br />

Für uns heißt das, das muss man ganz klar sagen, wir müssen noch mehr als bisher die Mentalität vom<br />

reaktiven Kostenträger zum aktiven Leistungsträger ausprägen. Es gibt – wenn ich mal sehr flapsig<br />

selbstkritisch sein darf – auch so eine Art „Nachrangigkeitsprinzip <strong>im</strong> Denken und Han<strong>de</strong>ln“. Sozialhilfe<br />

ist traditionell eher reaktiv als aktiv. Als ich vor 15 Jahren in dieses Geschäft kam, sagte mir ein „alter<br />

Hase“: Immer kommen lassen, <strong>im</strong>mer gucken, was die an<strong>de</strong>rn bringen, wenn’s geht ablehnen und noch<br />

mal ablehnen und noch mal ablehnen und irgendwann, wenn’s gar nicht mehr geht, dann eben auch


38<br />

zust<strong>im</strong>men. Außer dass das mit gewissen gesetzlichen Grundlagen nicht in Einklang zu bringen ist,<br />

(was ich Ihnen nicht erzählen muß - siehe Kosten- und Leistungsträger), ist das natürlich aber auch eine<br />

ganz falsche Denke. Ich erinnere an Herrn Schädlers Hauptbotschaft, dass vieles ja auch nicht nur mit<br />

Strukturen und Geld zu tun hat, son<strong>de</strong>rn auch mit Denkprozessen, mit Lernprozessen, mit Um<strong>de</strong>nken.<br />

Wir müssen viel stärker lernen – und gera<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s Kostendruckes als Kostenträger<br />

lernen – uns steuernd zu verstehen. Ich komme darauf zurück.<br />

In diesem Zusammenhang ist die Dienstleistungsmentalität nicht i. S. einer Worthülse <strong>de</strong>r neuen Steuerungsmo<strong>de</strong>lle,<br />

son<strong>de</strong>rn wirklich inhaltlich gemeint i. S. einer grundlegen<strong>de</strong>n Einstellung zur Vermeidung<br />

von Zentralismus und Hoheitlichkeit. Es darf nicht darum gehen, eine gewisse Tradition <strong>de</strong>r hoheitlichen<br />

Arroganz als „alten Wein in neuen Schläuchen“ zu verkaufen. Wenn <strong>de</strong>r Überörtliche etwas macht,<br />

dann ist das <strong>im</strong>mer von weit weg und zentral gedacht und eben gera<strong>de</strong> nicht orts- und bürgernah. Es<br />

muss uns also klar sein, wenn man eine solche Lösung macht – zentral Steuern, <strong>de</strong>zentral Agieren –<br />

dann muss man wirklich das, was mit Dienstleistungsmentalität, Bürger- und Ortsnähe gemeint ist, auch<br />

ernst meinen und <strong>im</strong> Alltagshan<strong>de</strong>ln internalisieren.<br />

Jetzt beginnt <strong>de</strong>r angedrohte Teil mit alten Folien, damit Sie sehen, wie wir das so gemacht haben die<br />

letzten fünf bis sechs Jahre. Ich bitte Sie um Geduld, aber auch Nachsicht zu haben, Sie kriegen die<br />

Folien alle und vielleicht können wir in <strong>de</strong>r Diskussion auf das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re zurückkommen.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

„Steuerungskun<strong>de</strong>“ als <strong>Blickwinkel</strong> ...<br />

auf aktuelle Fachthemen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>runghilfe<br />

LWL-Steuerung<br />

z. B.<br />

BeWo<br />

Sparzwänge<br />

IHP-Verfahren AV-AG/BSHG<br />

Fachleistungsstun<strong>de</strong>n örtl./üörtl. Zuständigkeit<br />

§ 93/LV, PV, VV Pers. Budget Strukturelle Bedarfsplanung


39<br />

Was ich vorhin meinte ist , dass man Fachthemen <strong>im</strong>mer auch unter Steuerungsgesichtspunkten<br />

bewerten muß – wie gesagt, alte Folien noch zu BSHG-Zeiten. Alle möglichen Dinge sehen<br />

an<strong>de</strong>rs aus, wenn man sie unter <strong>de</strong>m Steuerungsgesichtspunkt betrachtet. Und viele Entscheidungen<br />

sind unter Steuerungsgesichtspunkten dann auch leichter zu treffen.<br />

Wer steuert ....<br />

Steuerungsakteure<br />

z. B. LWL<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Das ABC <strong>de</strong>s Steuerns ...<br />

... die Crew, die Fracht, <strong>de</strong>r Kurs und <strong>de</strong>r Hafen<br />

ESL<br />

Was wird gesteuert ....<br />

Steuerungsgegenstän<strong>de</strong><br />

z. B. WAF<br />

Wohin steuern ....<br />

Steuerungsziele<br />

z. B. TLG/AL<br />

Wie steuern ....<br />

Steuerungsinstumente<br />

z. B. HPV<br />

Ich hatte Mühe, bei uns intern und natürlich dann auch bei unseren Akteuren, die uns bisher auch an<strong>de</strong>rs<br />

erlebt haben, zu zeigen, dass man das ABC <strong>de</strong>s Steuerns hinsichtlich <strong>de</strong>r Crew, <strong>de</strong>r Fracht, <strong>de</strong>s<br />

Kurses und <strong>de</strong>s Hafens konsensfähig überhaupt miteinan<strong>de</strong>r hinkriegen muss. Wer steuert eigentlich,<br />

wer steuert was? Was ist das Ziel <strong>de</strong>r Steuerung und welches sind die Steuerungsinstrumente? Und<br />

dann letztlich auch noch mal – wie ich vorhin schon sagte – was muss ich da än<strong>de</strong>rn (da hab ich auch<br />

ein schönes Bild mitgebracht, auch schon ein paar Jahre alt).


früher<br />

40<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Der LWL als ein Steuerungsakteur ...<br />

Evolution vom Motorboot zum Ru<strong>de</strong>rboot?<br />

Entwe<strong>de</strong>r:<br />

Viele Steuermänner/wenige Ru<strong>de</strong>rer<br />

LWL<br />

O<strong>de</strong>r:<br />

Benzin in Black-Box<br />

heute<br />

Statt ru<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r steuern ...<br />

... steuern durch ru<strong>de</strong>rn<br />

Das Ru<strong>de</strong>r(n) ist das Steuer(n)<br />

Früher war das so, viele Steuermänner, wenig Ru<strong>de</strong>rer (Sie kennen das Beispiel mit <strong>de</strong>n Indianern und<br />

<strong>de</strong>n Häuptlingen). Der LWL hat allerhöchstens das Benzin dazu gegeben, „Benzin in Blackbox“ hab ich<br />

das damals genannt. Aber gesteuert haben <strong>im</strong> Wesentlichen an<strong>de</strong>re. Auch da wie<strong>de</strong>r übertrieben<br />

selbstkritisch und übertrieben auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht – früher war man ja froh, wenn das Hilfesystem<br />

funktionierte, Hauptsache es passierte nichts. Alles an<strong>de</strong>re war auch wichtig, aber da gab es best<strong>im</strong>mte<br />

Mechanismen, wie man das abfangen konnte, was da kritisch passierte. Heute sehen wir das so, es<br />

geht nicht um Ru<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Steuern, son<strong>de</strong>rn auch bis hin zum Vokabular, das wissen Sie ja, ist Steuern<br />

Ru<strong>de</strong>rn (und umgekehrt) und wir sind einer <strong>de</strong>r Akteure.<br />

LWL


41<br />

Zwei Zukunftsaufgaben <strong>de</strong>s LWL ...<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Fachliche Weiterentwicklung <strong>de</strong>r <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong><br />

Wirtschaftliche Leistungserbringung <strong>de</strong>r <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong><br />

• Paradigmenwechsel<br />

• Emanzipation<br />

behin<strong>de</strong>rter Menschen<br />

• Bedarfs<strong>de</strong>ckung<br />

als<br />

„Quadratur <strong>de</strong>s Kreises“<br />

besser und billiger<br />

• Fallzahlsteigerung/<br />

Kostenexplosion<br />

• Senkung <strong>de</strong>r<br />

Fallkosten<br />

• Dämpfung <strong>de</strong>s<br />

Kostenanstiegs<br />

! Synthese aus Fachlichkeit und Finanzen !<br />

Zum Thema Geld: Wir verstehen uns seit vielen Jahren so, dass wir die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises versuchen<br />

müssen. Wir haben einmal die inhaltliche Seite und wir haben an<strong>de</strong>rerseits die hinlänglich bekannte<br />

Fallzahlsteigerung, Kostenentwicklung usw. Es geht letztlich – und da wollen wir auch ernst genommen<br />

wer<strong>de</strong>n – um die Synthese von Fachlichkeit und Finanzen. Wir sind nicht mehr nur Kostenträger,<br />

wir sind auch Leistungsträger und Rehabilitationsträger - eine wichtige Anspruchsgrundlage für überörtliche<br />

Steuerung! Das heißt, wir haben nicht zwei Dollarzeichen, son<strong>de</strong>rn allerhöchstens ein Dollarzeichen<br />

<strong>im</strong> Auge.<br />

Es war schwierig, dieses Denken und diesen Anspruch einzubringen. Sie wissen ja vielleicht – wenn ich<br />

da einen kleinen Exkurs machen darf – die Behin<strong>de</strong>rtenhilfe ist <strong>im</strong>mer fremd dominiert wor<strong>de</strong>n. Es gab<br />

die Zeit <strong>de</strong>r Dominanz <strong>de</strong>r Theologie, es gab die Zeit <strong>de</strong>r Dominanz <strong>de</strong>r Medizin, dann wür<strong>de</strong> ich mal<br />

sagen die Zeit <strong>de</strong>r Dominanz <strong>de</strong>r Sozialwissenschaften und heute hat man manchmal <strong>de</strong>n Eindruck, es<br />

gibt die Dominanz <strong>de</strong>r Betriebswirtschaft in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe. Da gibt es aber - unabhängig von<br />

<strong>de</strong>r Berechtigung <strong>de</strong>r betriebswirtschaftlichen Denkweise in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe - ein gewisses Missverhältnis<br />

zwischen Re<strong>de</strong>n und Denken. Was mich sehr ärgert ist, alle re<strong>de</strong>n <strong>im</strong> betriebswirtschaftlichen<br />

Vokabular von Markt und Marketing und diesem und jenen – aber manchmal sind noch nicht mal die<br />

elementaren Grundkenntnisse aus diesem Bereich gegenwärtig. Dafür ein Beispiel – bei „Wirtschaftlichkeit“<br />

geht es um Preis-Leistungs-Verhältnisse – und nicht um Preis-Preis-Vergleiche. Und die billigste,


42<br />

die einfachste Definition von Wirtschaftlichkeit ist <strong>im</strong>mer ein Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich habe<br />

manchmal <strong>de</strong>n Eindruck, die Importeure aus <strong>de</strong>r Betriebswirtschaft in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe verstehen<br />

noch nicht mal <strong>de</strong>n Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Wirtschaftlichkeit: Gutes Preis-/Leistungs-/Verhältnis ...<br />

Unterschiedliche Anspruchsniveau be<strong>im</strong> Sparen ...<br />

Preis ... Leistung<br />

+ teurer und besser +<br />

... die guten alten Zeiten/die fetten Jahre ...<br />

? billiger und besser +<br />

= nicht teurer aber besser +<br />

? billiger aber gleichgut =<br />

? billiger und schlechter ?<br />

Ich habe Ihnen in diesem Zusammenhang noch mal eine alte Folie mitgebracht; ich gebe zu, ich bin ein<br />

bisschen verliebt in diese Folie. Es ist schwierig, etwas besser und billiger zu machen; <strong>de</strong>nnoch muss<br />

man klar sagen, die alten Zeiten sind vorbei. Aber das höchste Niveau <strong>de</strong>s Sparens ist, etwas billiger<br />

und besser zu machen; nicht teurer, aber besser zu machen o<strong>de</strong>r billiger, aber gleich gut zu machen.<br />

Und erst dann kommt das, was die meisten unter Sparen verstehen – dass nämlich etwas billiger und<br />

schlechter ist – daran muss man sich auch in <strong>de</strong>r unter Kostendruck geratenen Einglie<strong>de</strong>rungshilfe gelegentlich<br />

erinnern, das ist betriebswirtschaftliches ABC.<br />

Ein westfälisches Beispiel:<br />

Vor zwei/drei Wochen hatten wir einen großen Streit mit einer Kommune bei uns, die uns vorwarf, <strong>im</strong><br />

betreuten Wohnen wären wir viel zu teuer. Und wissen Sie, wie die Diskussion zu En<strong>de</strong> ging? Der Landrat<br />

belegte uns mit <strong>de</strong>m Vorwurf: „Wir haben früher, als wir noch zuständig waren, 44 Euro bezahlt; ihr<br />

bezahlt jetzt 48 Euro.“ Dann haben wir in die alten Verträge geschaut und festgestellt, an direkter<br />

Betreuungszeit stehen hinter <strong>de</strong>n 44 Euro max. 45 Minuten und hinter unseren 48 Euro stecken 60 Minuten.<br />

Dann habe ich genüsslich <strong>de</strong>m Landkreis vorgerechnet, dass sein alter Preis ungefähr 52 Euro<br />

<strong>im</strong> Rahmen unserer neuen Leistungs,- Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung entsprochen hätte. Also<br />

- es sind manchmal ganz fundamental einfache Sachen, wo wir noch miteinan<strong>de</strong>r lernen müssen.


Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

Fachdienst<br />

Integration/<br />

Kin<strong>de</strong>rgarten<br />

Arbeitsmarkt/<br />

WfbM<br />

persönliches<br />

Budget<br />

43<br />

LWL-Zuständigkeit für<br />

Betreutes Wohnen<br />

Senkung <strong>de</strong>r<br />

durchschnittlichen<br />

Fallkosten<br />

Selbsthilfeorganisationen<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

individuelle Hilfeplanung<br />

strukturelle<br />

Bedarfsplanung<br />

Familienpflege<br />

Servicestellen<br />

nach SGB IX<br />

Tagesstätten<br />

Dieses alte Bild habe ich zu unserem Zauberwort „Senkung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Fallkosten“ mitgebracht:<br />

Wir sind ja ganz beschei<strong>de</strong>n, man kann nichts weiter tun, als die durchschnittlichen Fallkosten<br />

zu senken. Im Moment einen nominellen Kostenrückgang anzustreben – das muss man in Richtung<br />

Politik sagen – (in unserem Fall: Warum schafft ihr es nicht, die 1,3 Mrd. Euro jährlich für Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

zurückzuschrauben), eine tatsächliche Absenkung <strong>de</strong>s Etats ist ein unrealistisches Ziel auf<br />

lange Zeit hinaus. Das ist keine Schutzbehauptung, son<strong>de</strong>rn das ist angesichts <strong>de</strong>r Netto-<br />

Fallzahlsteigerungen so. Was wir aber tun können ist, pro Mensch, <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe benötigt, <strong>im</strong><br />

Durchschnitt wesentlich weniger Geld auszugeben, Anstiege zu dämpfen und dort, wo man Anstiege<br />

dämpfen kann, z. B. bei <strong>de</strong>n Platzzahlen und auch bei <strong>de</strong>n stationären Fallzahlen (wenn ich in diesem<br />

technokratischen Vokabular weitermachen darf), dann eben auch rückwärts zu gehen. Aber grundsätzlich<br />

geht es in erster Linie um die Senkung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Fallkosten für die (steigen<strong>de</strong> Zahl <strong>de</strong>r)<br />

„Einglie<strong>de</strong>rungshilfe-Menschen“.<br />

Wie selbstverständlich und banal das einerseits ist, wie umgekehrt aber es auch <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r feststellbar<br />

ist, dass dieses systemische Denken, dieses ganzheitliche Denken noch nicht da ist – jetzt wie<strong>de</strong>r<br />

<strong>im</strong> betriebswirtschaftlichen Vokabular – eher betriebswirtschaftlich und nicht volkswirtschaftlich gedacht<br />

und gehan<strong>de</strong>lt wird. Dafür waren wir bis vor zwei Jahren in Westfalen, obwohl wir ja auch Kommune<br />

sind, aber eben ein kommunaler Zweckverband, ein gutes Beispiel. Es wur<strong>de</strong> <strong>im</strong>mer gespart auf Kosten<br />

<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren. Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch wie<strong>de</strong>r freizügig, es war ausgesprochen frustrierend,


44<br />

als wir En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre diese Offensive gestartet haben, in größeren und kleineren Re<strong>de</strong>n zu merken,<br />

dass es eigentlich <strong>im</strong>mer die ganz anschaulichen s<strong>im</strong>plen Dinge waren, die am meisten Überzeugungskraft<br />

hatten.<br />

Zur Illustration zeige ich Ihnen noch mal was aus ganz alten Tagen: Ich war bezogen auf meinen eigenen<br />

fachlich-intellektuellen Anspruch wirklich frustriert, zumal ich mir bei solchen Re<strong>de</strong>n öfters überlegt<br />

habe, darfst du dieses Beispiel überhaupt bringen, ist das nicht zu banal? Hinterher war es aber so,<br />

dass gera<strong>de</strong> dieses Beispiel, was ich Ihnen jetzt zeige, die meiste Nachhaltigkeit erzeugte, die größten<br />

Diskussionen ausgelöst hat, nicht die hohe Theorie, son<strong>de</strong>rn die ganz praktischen Dinge.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Heute: Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

<strong>im</strong> Betreuten Wohnen und in Wohnhe<strong>im</strong>en<br />

10 Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen und<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfebedarf be<strong>im</strong> Wohnen<br />

2 <strong>im</strong><br />

Betreuten Wohnen<br />

2 x 60 DM<br />

pro Tag<br />

120 DM<br />

Kreise/Städte<br />

8 x 160 DM<br />

pro Tag<br />

1280 DM<br />

LWL<br />

1.400 DM ∅ 140 DM<br />

örtlicher und überörtlicher Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe<br />

Perspektive 2005:<br />

8 <strong>im</strong><br />

He<strong>im</strong><br />

Menschen: 14<br />

Kosten: 1960 DM<br />

Steigerung: 40 %<br />

Bis vor ein paar Jahren war es so, von 10 Menschen kamen 2 ins betreute Wohnen, max. 8 gingen in<br />

stationäre Einrichtungen. Sie sehen authentisch, ganz alt, noch DM-Beträge da drin. Ich hab dann vorgerechnet,<br />

was das be<strong>de</strong>utet, was für durchschnittliche Fallkosten es sind – in diesem Fall damals<br />

140 DM. Dass wir das gemeinsam bezahlen, <strong>de</strong>r örtliche und <strong>de</strong>r überörtliche Träger über unser Umlagesystem<br />

und dass es in Zukunft noch viel weiter gehen wird (jetzt haben wir schon 2005, da wer<strong>de</strong>n es<br />

nämlich 14 Menschen sein) und was das be<strong>de</strong>utet. In Zukunft soll es ja so sein, dass an <strong>de</strong>r Stelle umgeschichtet<br />

wird. Solange <strong>de</strong>r eine auf Kosten <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren spart, funktioniert das nicht. Die Dinge müssen<br />

in eine Hand, <strong>de</strong>nn nur dann geht es.


45<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Zukünftig: Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

<strong>im</strong> Betreuten Wohnen und in Wohnhe<strong>im</strong>en<br />

10 Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen und<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfebedarf be<strong>im</strong> Wohnen<br />

4 <strong>im</strong><br />

6 <strong>im</strong><br />

Betreuten Wohnen<br />

He<strong>im</strong><br />

4 x 75 DM<br />

6 x 165 DM<br />

pro Tag<br />

pro Tag<br />

plus 25 %<br />

plus 3 %<br />

300 DM<br />

990 DM<br />

Kreise/Städte<br />

LWL<br />

plus 250 %<br />

1.290 DM ∅ 129 DM<br />

minus 23 %<br />

örtlicher und überörtlicher Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe<br />

Perspektive 2005:<br />

Menschen: 14<br />

Kosten: 1806 DM<br />

Dämpfung: 8 %<br />

An diesem Beispiel sehen Sie 140 Euro zu 129 Euro – das wäre das, was wir mit <strong>de</strong>r Senkung <strong>de</strong>r<br />

durchschnittlichen Fallkosten damals meinten und woran wir uns nach wie vor als Anspruch messen<br />

lassen müssen. Wir haben das damals so zusammengefasst, das ist jetzt mehr inhaltlich unsere Position:<br />

Durch die Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung aller Wohneinglie<strong>de</strong>rungshilfen bei uns, <strong>de</strong>m Landschaftsverband<br />

– als überkommunalem Zweckverband – erfolgt am Beispiel <strong>de</strong>s betreuten Wohnens eine Senkung<br />

<strong>de</strong>r durchschnittlichen Fallkosten, Erhöhung <strong>de</strong>r Lebensqualität – <strong>de</strong>nn es geht ja auch um Inhalte<br />

–.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Besser und Billiger...? Betreutes Wohnen ...!!<br />

... durch Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

aller Wohneinglie<strong>de</strong>rungshilfen<br />

be<strong>im</strong> Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

erfolgt Ausbau Betreutes Wohnen<br />

dadurch Senkung ∅ Fallkosten<br />

gleichzeitig Erhöhung <strong>de</strong>r Lebensqualität<br />

damit Dämpfung <strong>de</strong>s Kostenanstiegs<br />

trotz steigen<strong>de</strong>r Fallzahlen


46<br />

Die lan<strong>de</strong>sgesetzlichen Rahmenbedingungen (damit Sie auch noch mal ein paar Fakten haben) sehen<br />

bei uns so aus.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

NRW: Überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

wohnbezogener <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ...<br />

Lan<strong>de</strong>sgesetzgeberische Rahmenbedingungen<br />

Auszug aus <strong>de</strong>r AV-BSHG:<br />

Dort wird die Zuständigkeit <strong>de</strong>s überörtlichen Trägers <strong>de</strong>r Sozialhilfe festgelegt:<br />

„für alle Leistungen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG für behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen [festgelegt], die das 18. Lebensjahr vollen<strong>de</strong>t haben, außerhalb einer<br />

Anstalt, eines He<strong>im</strong>es, einer gleichartigen Einrichtung o<strong>de</strong>r einer Einrichtung zur<br />

teilstationären Betreuung, die mit <strong>de</strong>m Ziel geleistet wer<strong>de</strong>n sollen,<br />

selbstständiges Wohnen zu ermöglichen o<strong>de</strong>r zu sichern. Neben <strong>de</strong>n<br />

Leistungen nach §§ 39, 40 BSHG umfasst die Zuständigkeit insbeson<strong>de</strong>re auch<br />

die Hilfen nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 bis 7 SGB IX und an<strong>de</strong>re <strong>im</strong> Einzelfall<br />

notwendige Hilfen in beson<strong>de</strong>ren Lebenslagen, ohne die ein<br />

selbstständiges Wohnen nicht erreicht o<strong>de</strong>r gesichert wer<strong>de</strong>n kann.“<br />

Wir sind zuständig für alle Hilfen zur Ermöglichung o<strong>de</strong>r Sicherstellung <strong>de</strong>s selbstständigen Wohnens<br />

(ich will nur darauf hinweisen, für an<strong>de</strong>re <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ist nach wie vor <strong>de</strong>r örtliche Träger zuständig).<br />

Das heißt, es gibt nach wie vor natürlich auch noch Schnittstellen, das muss man sagen. Es ist<br />

nicht so, dass wir für alles zuständig sind. Frühför<strong>de</strong>rung bspw. – die ich vorhin erwähnte – macht nach<br />

wie vor <strong>de</strong>r örtliche Träger. Die Ziele damals, die <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber damit verbun<strong>de</strong>n hat, die habe<br />

ich Ihnen auch noch mal kurz aufgeschrieben.


47<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

NRW: Überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

wohnbezogener <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ...<br />

Lan<strong>de</strong>sgesetzgeberische Rahmenbedingungen<br />

Auszug aus <strong>de</strong>r Begründung zur AV-BSHG:<br />

Die Zusammenführung <strong>de</strong>r Hilfen in überörtlicher Hand für sieben Jahre<br />

(7/2003 – 7/2010) soll folgen<strong>de</strong> Ziele forcieren:<br />

– <strong>de</strong>n bedarfsgerechten Ausbau ambulanter Hilfen zu verbessern,<br />

– Gemein<strong>de</strong>nah und flächen<strong>de</strong>ckend eine verlässliche Infrastruktur aus<br />

ambulanten Diensten zur Verfügung zu stellen, die flexible Hilfen für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen <strong>im</strong> Alltag ermöglichen,<br />

– Die soziale Integration und selbstbest<strong>im</strong>mtes Leben in <strong>de</strong>r<br />

He<strong>im</strong>atgemein<strong>de</strong> zu ermöglichen,<br />

– Dem Anstieg <strong>de</strong>r Fälle und <strong>de</strong>r Kosten <strong>im</strong> stationären Bereich entgegen<br />

zu wirken,<br />

– Eine finanzielle Entlastung herbeizuführen und<br />

– Eine Versorgungsstruktur zu entwicklen, die effektiv und effizient opt<strong>im</strong>ale<br />

Hilfe anbietet.<br />

Fazit: Disparitäten abbauen (durch) überörtlich gebün<strong>de</strong>lt steuern!<br />

Sie sehen es: Ausbau <strong>de</strong>s Betreuten Wohnens, aber auch unsere Kostenträgerinteressensseite war<br />

berücksichtigt, Anstieg <strong>de</strong>r Fälle und Kosten <strong>im</strong> stationären Bereich – <strong>de</strong>nen entgegenzuwirken. Ich hab<br />

es mal so zusammengefasst – Disparitäten abbauen durch überörtliche gebün<strong>de</strong>lte Steuerung - das ist<br />

einer <strong>de</strong>r Vorteile. Disparitäten meine ich jetzt nicht nur bei Zahlen, son<strong>de</strong>rn auch bei Inhalten und nicht<br />

nur bei Geld, son<strong>de</strong>rn auch bei inhaltlichen und Verfahrensstandards. Was machen wir <strong>im</strong> Wesentlichen,<br />

um zu steuern?<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

NRW: Überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

wohnbezogener <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ...<br />

LWL-Rahmenbedingungen/Steuerungsinstrumente u. a. ...<br />

1. Örtliche Zielvereinbarungen mit <strong>de</strong>n Kreisen und Städten<br />

Verbindliche Kooperation/Synchronisation verbleiben<strong>de</strong>r<br />

Schnittstellen<br />

2. Örtliche Regionalplanungskonferenzen<br />

Bedarfsplanung/verbesserte strukturelle Steuerung<br />

3. Örtliche Hilfeplanverfahren<br />

Einzelfallsteuerung/verbesserte Defintition <strong>de</strong>r individuellen<br />

Bedarfs<strong>de</strong>ckung


48<br />

Wir machen örtliche Zielvereinbarungen mit je<strong>de</strong>m Kreis und je<strong>de</strong>r Stadt, da sind wir gera<strong>de</strong> dabei. Wir<br />

versuchen, die Strukturplanung entsprechend voranzutreiben <strong>im</strong> Sinne dieser Grundsätze und wir haben<br />

natürlich ein Hilfeplanverfahren eingeführt, als pragmatische Form intensivierter Einzelfallsteuerung.<br />

von <strong>de</strong>r<br />

Feststellung<br />

und<br />

Überprüfung<br />

<strong>de</strong>s<br />

tatsächlichen<br />

Bedarfs ...<br />

Individuelle Hilfeplanung<br />

Einrichtungen/Dienste:<br />

Leistungserbringer<br />

weniger<br />

„Leistungsbest<strong>im</strong>mer“<br />

LWL:<br />

direktere<br />

„Einmischung“<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen:<br />

weniger „Treuhän<strong>de</strong>r“<br />

mehr Mitbest<strong>im</strong>mung<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

... zu<br />

angemessenen<br />

Formen<br />

<strong>de</strong>r<br />

Bedarfs<strong>de</strong>ckung<br />

Mit Blick auf die Uhr, weil ich gern noch mal ein paar grundsätzliche Sachen sagen wollte, zeige ich<br />

Ihnen jetzt diese Bil<strong>de</strong>r ohne Kommentar. Ich hatte mir vorgenommen, Ihnen <strong>de</strong>n strategischen und <strong>de</strong>n<br />

praktischen Wert dieser Dinge zu illustrieren - insbeson<strong>de</strong>re mit Blick auf die Einrichtungsvertreter und<br />

Leistungserbringervertreter unter Ihnen. Es war auch eine kleine Kampfansage; nicht Ihr best<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>n<br />

individuellen Hilfebedarf, son<strong>de</strong>rn wir best<strong>im</strong>men <strong>de</strong>n: Der Kostenträger, <strong>de</strong>r Leistungsträger, <strong>de</strong>r Rehabilitationsträger<br />

entschei<strong>de</strong>t letztlich darüber, was <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfebedarf ist und in welcher Form<br />

er ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n soll. Dass wir das allerdings mit Ihnen zusammen machen, mit allen Akteuren, soll<br />

die folgen<strong>de</strong> Folie noch mal zeigen.


„live“ statt<br />

„Papier und<br />

Schreibtisch“<br />

mit ...<br />

nicht<br />

über ...<br />

49<br />

Wie kommt <strong>de</strong>r<br />

Mensch zu seiner<br />

Hilfe/Unterstützung<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Hilfeplanverfahren als strukturelle Steuerung<br />

behin<strong>de</strong>rte<br />

Einglie<strong>de</strong>rungs-<br />

Vor Ort statt<br />

zentral<br />

verbindlich<br />

entschei<strong>de</strong>n statt<br />

unverbindlich re<strong>de</strong>n<br />

Pr<strong>im</strong>at bei „Art, Inhalt und Umfang bedarfs<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>r Leistungserbringung“ vor<br />

„umfassen<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>taillierter Gesamtplanung/Hilfeplanung/Unterstützungsplanung“<br />

Wir haben ein System entwickelt, das in einer Clearing-Sitzung live das macht, was bislang nur ein Papier-<br />

und Schreibtischverfahren war. Dass wir das natürlich vor Ort machen in je<strong>de</strong>r Kommune so oft es<br />

eben sein muss. Dass wir das nach <strong>de</strong>m alten Grundsatz aus <strong>de</strong>r Empowerment-Zeit („Nicht über uns,<br />

son<strong>de</strong>rn mit uns!“) umsetzen; dass wir grundsätzlich die betroffenen Menschen, die behin<strong>de</strong>rten Menschen,<br />

mit einla<strong>de</strong>n und dass wir nicht nur labern, son<strong>de</strong>rn in dieser Clearing-Sitzung auch Entscheidungen<br />

treffen. Dabei ist unser Ansatz keine Hilfeplankonferenz so wie aus <strong>de</strong>n ersten Anfängen aus<br />

<strong>de</strong>m sozialpsychiatrischen Bereich, wo die fachlich-inhaltlichen Aspekte vertiefter und umfänglicher<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn es geht auch um sozialhilferechtliche Entscheidungen - eine neue „Methodik<br />

und Didaktik einer Verwaltungsentscheidung“. Live und vor Ort und nur, wenn <strong>de</strong>r Dissens zu groß<br />

ist und sich <strong>de</strong>r „Pr<strong>im</strong>us inter Pares“ – nämlich unser Hilfeplaner/unsere Hilfeplanerin – aufgrund von<br />

zusätzlichem Klärungsbedarf aktuell nicht festlegen will, nicht abschließend. Nur wenn neue Recherchen<br />

notwendig sind wird die Entscheidung vertagt auf einen an<strong>de</strong>ren Zeitpunkt.


50<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

Individuelles Hilfeplan-Verfahren (IHP) <strong>de</strong>s LWL<br />

„Clearingstelle Wohnen“<br />

Klient/behin<strong>de</strong>rter Mensch<br />

- Angehörige<br />

- gesetzlicher Betreuer<br />

- Fallmanager<br />

- Profi/Vertrauensperson<br />

- „Kontakt-Anbieter“<br />

Amb. Leistungserbringer<br />

Repräsentant <strong>de</strong>r<br />

ambulanten Dienste<br />

ABW<br />

B<br />

IHP<br />

Das müssen Sie sich so vorstellen, an einem Tisch sitzen also wir, ein Vertreter <strong>de</strong>s Kreises o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Stadt, ein Vertreter <strong>de</strong>s stationären Know-hows, ein Vertreter <strong>de</strong>s ambulanten Know-hows und die Betroffenenseite.<br />

Übrigens, erstaunlich häufig – in 80 % <strong>de</strong>r Fälle ungefähr – kommen die Menschen selber.<br />

LWL<br />

K<br />

Kosten-Leistungsträger<br />

Hilfeplaner<br />

Fachdienst<br />

WH Stat. Leistungserbringer<br />

Kreis/Stadt<br />

Sozialamt/ASD<br />

Gesundheitsamt/SPD<br />

Repräsentant <strong>de</strong>r Wohnhe<strong>im</strong>träger<br />

„Kernmannschaft mit 4 Sitzen“ klärt<br />

Hilfebedarf/Bedarfs<strong>de</strong>ckung mit „Nutzer-Partei“<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

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©: Profazi/Lampe<br />

NRW: Überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

wohnbezogener <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ...<br />

Weiterentwicklung und Kostendämpfung durch<br />

Kombination von zwei Steuerungsebenen<br />

Kostendämpfen<strong>de</strong> Steuerung durch<br />

strukturellen Umbau <strong>de</strong>s<br />

Gesamthilfesystems<br />

(Verhältnis ambulanter zu stationären<br />

Hilfen verbessern/Prävention/Rotation)<br />

System<strong>im</strong>manente<br />

kostendämpfen<strong>de</strong> Maßnahmen<br />

(neue Leistungs-, Prüfungs- und<br />

Vergütungsvereinbarungen/<br />

Vergütungs-Nullrun<strong>de</strong>n/<br />

Wettbewerbsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Verfahren)<br />

„Gelingen<strong>de</strong> Vernunftehe zwischen<br />

Steuerungskompetenz und Verhandlungsmacht“ ...<br />

... gewichtiges Plus für überörtliche Sozialhilfeträger


51<br />

Zurückkehrend in abstraktere Überlegungen zur Kostendämpfung möchte ich auf zwei unterschiedliche<br />

Steuerungsebenen hinweisen. Ich habe versucht anzureißen, was wir an Lernprozessen und Einstellungsän<strong>de</strong>rungen<br />

auf <strong>de</strong>r einen Seite machen, nämlich auf <strong>de</strong>r strukturellen Seite. Die Grundbotschaft<br />

ist einfach – Umbau <strong>de</strong>s Gesamthilfesystems ist kostendämpfend. Es ist nicht nur für die Menschen<br />

besser, son<strong>de</strong>rn es ist auch kostendämpfend. Insofern kann man etwas preisgünstiger und besser machen.<br />

Man kann für das selbe Geld mehr Lebensqualität für behin<strong>de</strong>rte Menschen erzeugen.<br />

Gleichzeitig natürlich ist klar, die an<strong>de</strong>ren Instrumente – eher die klassischen kostendämpfen<strong>de</strong>n Instrumente<br />

– müssen ebenfalls <strong>im</strong> Blick bleiben (ich habe mal als Beispiel die Leistungs-, Prüfungs- und<br />

Vergütungsvereinbarungen erwähnt: Nullrun<strong>de</strong>n). Ich möchte hier nicht <strong>de</strong>n (angeberischen) Eindruck<br />

erwecken, wir erzielten schon so massive Einspareffekte durch nachhaltig kostendämpfen<strong>de</strong>n strukturellen<br />

Umbau, dass <strong>de</strong>r Handlungsdruck bereits nachließe. Nein, auch wir brauchen kurzfristig wirksame,<br />

<strong>im</strong> <strong>de</strong>rzeitigen System ansetzen<strong>de</strong> Sparmaßnahmen. Auch wir verhan<strong>de</strong>ln <strong>im</strong> Moment Nullrun<strong>de</strong>n<br />

und haben gera<strong>de</strong> <strong>im</strong> stationären Wohnbereich und <strong>im</strong> Werkstattbereich eine solche vereinbart. Also,<br />

auch <strong>im</strong> klassischen system<strong>im</strong>manenten Sinne sind Beiträge notwendig, um diese Synthese aus Fachlichkeit<br />

und Finanzen hinzubekommen. Aber ganz wichtig ist, bei<strong>de</strong> Dinge gehören zusammen, bei<strong>de</strong><br />

Dinge sind wie kommunizieren<strong>de</strong> Röhren. Und wir sind <strong>de</strong>r Meinung, über unseren überörtlichen Bün<strong>de</strong>lungsansatz<br />

als kommunaler Zweckverband kann man das bei<strong>de</strong>s besser vereinen und einfacher<br />

hinkriegen. Ich habe es hier mal so bezeichnet: Wir streben eine gelingen<strong>de</strong> Vernunftehe an, nicht unbedingt<br />

eine Liebesheirat, das war klar. Eine Vernunftehe zwischen Steuerungskompetenz und Verhandlungsmacht<br />

- und als Kin<strong>de</strong>r ausgewogene Kompromisse aus fachlichen und finanziellen Aspekten<br />

und Interessen. Und das spricht für unsere überörtliche Lösung, je<strong>de</strong>nfalls sind wir dieser Meinung.<br />

Für die letzten 2 Minuten 2 Folien: Vielleicht war das, was jetzt kommt, Ihr Hauptanliegen - ich weiß es<br />

nicht. Wenn Sie zuhause wären in Westfalen, wäre es ganz sicher Ihr Hauptanliegen gewesen. Ich willl<br />

nicht nur geschil<strong>de</strong>rt haben, wie bei uns was gewachsen ist. Auch Sie wer<strong>de</strong>n sich genauso wie die<br />

westfälischen Akteure dafür interessieren, ob und welche Wirkungen bereits nachweisbar sind: Was<br />

sind die ersten Effekte – Zwischenbilanz nach zwei Jahren? Wir sind ja erst seit zwei Jahren zuständig<br />

für alle wohnbezogenen Hilfen. Der Ausbau <strong>de</strong>s betreuten Wohnens ist gelungen, wir haben <strong>de</strong>n Anstieg<br />

<strong>de</strong>r stationären Plätze halbiert. Wir haben <strong>de</strong>n Anstieg <strong>de</strong>r stationären Fallzahlen gedämpft und wir<br />

sind dabei, die durchschnittlichen Fallkosten analog zu meinem etwas einfältigen Beispiel von vorhin zu<br />

senken.


52<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

NRW: Überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

wohnbezogener <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ...<br />

Zwischenbilanz nach zwei Jahren<br />

1. Ausbau <strong>de</strong>s Ambulant Betreuten Wohnen/selbstständigen<br />

Wohnens<br />

Nettozuwachs von ca. 35 % seit Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

(6.129/8.303 Klienten)<br />

2. Halbierung <strong>de</strong>s Anstiegs stationärer Wohnplätze<br />

Bislang durchschnittlich ca. 400 pro Jahr, nun durchschnittlich 200<br />

3. Dämpfung <strong>de</strong>s stationären Fallzahlanstiegs<br />

Bislang durchschnittlich 3 – 4 % Zuwachs jährlich (ca. 800 Netto-Neufälle)<br />

nun ca. 2 % (unter 400)<br />

4. Senkung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Fallkosten<br />

Derzeit noch nicht seriös quantifiziertbar<br />

Etwas konkreter: Der Nettozuwachs <strong>im</strong> Ambulant Betreuten Wohnen beträgt mit ganz großen Schwankungsbreiten<br />

<strong>de</strong>rzeit 35 %, mittlerweile sind es weit über 8000 Klienten. Bislang hatten wir – trotz unserer<br />

Bemühungen ab En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90-er Jahre – durchschnittlich <strong>im</strong>mer noch einen Platzzahlanstieg von<br />

ca. 400 pro Jahr. Das heißt, unser in Westfalen ohnehin schon gut ausgebautes System ist <strong>im</strong>mer noch<br />

gestiegen, weil mehr Menschen ins Hilfesystem rein wollten/mußten, als umgekehrt aus <strong>de</strong>m System<br />

aus unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n ausschie<strong>de</strong>n. Der Soziologe wür<strong>de</strong> sagen, die Prävalenz behin<strong>de</strong>rter<br />

Menschen n<strong>im</strong>mt ja nicht zu, es nehmen nur die Zuständigkeitsfälle d. h. die Netto-Zahl <strong>de</strong>r Menschen,<br />

die ins Einglie<strong>de</strong>rungshilfesystem kommen, zu. Wir haben noch lange kein Fließgleichgewicht zu <strong>de</strong>nen,<br />

die das System verlassen.<br />

Kurz noch zur Dämpfung <strong>de</strong>s stationären Fallzahlanstieges – wir hatten zuletzt <strong>im</strong>mer 3 bis 4 %, meistens<br />

4 % Zuwachs, was für uns ca. 800 Neufälle (Netto-Neufälle) <strong>im</strong> Jahr be<strong>de</strong>utete. Er liegt <strong>de</strong>rzeit<br />

schon unter 2 % und natürlich wollen wir da weiter kommen. Nun können Sie kritisch anmerken, keine<br />

beson<strong>de</strong>rs anspruchsvollen Ziele, die wir bislang erreicht haben, aber natürlich Indikatoren für die richtige<br />

Richtung. Ein radikaler Mensch wird sagen, was heißt hier „Dämpfung <strong>de</strong>s Anstiegs“, wir wollen nicht<br />

<strong>de</strong>n Anstieg dämpfen, son<strong>de</strong>rn wir wollen rückwärts. Bis wir dahin kommen – zunächst bei <strong>de</strong>n Platzzahlen,<br />

dann bei <strong>de</strong>n stationären und schließlich vielleicht sogar bei <strong>de</strong>n Gesamtfallzahlen - da wer<strong>de</strong>n<br />

die 7 Jahre, für die wir jetzt zuständig sind, sicherlich schon annähernd aufgebraucht sein. Wir sind<br />

<strong>de</strong>rzeit seriös noch nicht in <strong>de</strong>r Lage, die Senkung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Fallkosten zu quantifizieren, u.


53<br />

a. auch <strong>de</strong>shalb nicht, weil früher – als wir das Ambulant Betreute Wohnen von <strong>de</strong>n Kommunen übernommen<br />

haben – auch die Kreise und Städte getrennte Ausgabetöpfe für unterschiedliche Hilfearten<br />

hatten. Die Hilfe zum Lebensunterhalt beispielsweise und die eigentlichen Einglie<strong>de</strong>rungshilfekosten<br />

konnten gar nicht personenscharf zusammengerechnet wer<strong>de</strong>n, so dass wir schon die Baseline gar<br />

nicht mehr richtig haben. Aber wir bemühen uns, das zu quantifizieren; bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres wer<strong>de</strong>n wir<br />

genauere Zahlen hierzu haben.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

NRW: Überörtliche Zuständigkeitsbün<strong>de</strong>lung<br />

wohnbezogener <strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> ...<br />

... Zwischenfazit nach zwei Jahren<br />

Der Weg ist erfolgversprechend und richtig, aber auch ...<br />

Weiterentwicklungsbedarf/Selbstkritik<br />

1. Konsens in Fundamentalzielen<br />

• Störung <strong>de</strong>s kommunalen Familienfrie<strong>de</strong>ns<br />

• Zwischen allen Stühlen<br />

2. Gestaltungsbewusstsein/Steuerungskompetenz<br />

• Lücke zwischen Gestaltungswille und Gestaltungskraft<br />

3. Dienstleistungsbewusstsein/Bürger- und Ortsnähe<br />

• Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Skepsis bei einzelnen „<br />

Kun<strong>de</strong>ngruppen“<br />

Sie merken, es ist noch zu früh für einen genauen Zwischenbericht; ich will daher eher ein kurzes Zwischenfazit<br />

<strong>im</strong> Sinne Ihrer Tagungsthematik versuchen: Der Weg ist vielversprechend, <strong>de</strong>nke ich. Aber<br />

es gibt natürlich auch Wirkungen und Nebenwirkungen, bezogen auf die drei Dinge, die mir vorhin am<br />

wichtigsten waren. Be<strong>im</strong> Konsens von Fundamentalzielen habe ich <strong>de</strong>n Eindruck, es gibt manchmal<br />

Störungen zwischen <strong>de</strong>n Kreisen und Städten und uns. Aus vielen Grün<strong>de</strong>n kann ich das hier nicht<br />

weiter ausführen. Ich weise nur darauf hin, die Komplettkommunalisierung, also die Bün<strong>de</strong>lung aller<br />

finanziellen und fachlichen Verantwortung auf örtlicher Ebene, wird von ganz unterschiedlichen Richtungen<br />

und Interessenlagen mehr o<strong>de</strong>r weniger verfolgt. Das sozialpsychiatrische Herz argumentiert<br />

ähnlich wie bspw. auch jemand, <strong>de</strong>r nur ans Geld <strong>de</strong>nkt. Und das macht uns stutzig. Wir sehen uns<br />

auch als Hüter <strong>de</strong>r Hilfestandards, <strong>de</strong>r Inhalte, Fachkonzepte und <strong>de</strong>r Qualität. Wir haben gelegentlich<br />

<strong>de</strong>n Eindruck, dass ein Teil <strong>de</strong>r „atmosphärischen Störungen <strong>de</strong>s kommunalen Familienfrie<strong>de</strong>ns“ auch<br />

daher kommt, dass nicht <strong>im</strong>mer diese Fundamentalziele wirklich geteilt wer<strong>de</strong>n. Darf ich es noch kras-


54<br />

ser sagen: Wir haben manchmal <strong>de</strong>n Verdacht, dass eine vollkommene Kommunalisierung, wie sie<br />

übrigens leistungsrechtlich <strong>de</strong>r § 98 Abs. 5 SGB XII (wir haben über <strong>de</strong>n § 97 viel gesprochen) ja mittlerweile<br />

auch leichter macht, zum Teil auch angestrebt wird aus Motiven, die mit Inhaltlichkeit nichts zu<br />

tun haben, wo dieser Spagat aus Fachlichkeit und Finanzen dann eben gar nicht mehr angestrebt o<strong>de</strong>r<br />

zumin<strong>de</strong>st einseitig <strong>de</strong>finiert wird. Wir haben <strong>de</strong>n Eindruck, dass kostendämpfen<strong>de</strong>, aber nicht mit fachlichen<br />

Ansprüchen verbun<strong>de</strong>ne Sparmaßnahmen nun mal leichter durchzuschlagen scheinen, wenn<br />

man in einem Kreistag o<strong>de</strong>r in einem Stadtparlament diskutieren muss nach <strong>de</strong>m Motto: „Noch ein Hallenbad<br />

schließen o<strong>de</strong>r die Einglie<strong>de</strong>rungshilfekosten <strong>de</strong>utlicher runter“. Unter diesen Rahmenbedingungen<br />

besteht eher die Gefahr, dass die Synthese aus Fachlichkeit und Finanzen verloren geht.<br />

Deshalb abschließend in aller Aufgeblähtheit – wir verstehen uns als Hüter eines ausgewogenen<br />

Spagates zwischen Fachlichkeit und Finanzen und sehen darin eigentlich <strong>de</strong>n Hauptsinn einer<br />

überörtlichen Lösung, von <strong>de</strong>r ich Ihnen ein bisschen erzählen durfte. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse<br />

und Ihre Aufmerksamkeit.<br />

Abteilung Soziales, Pflege und Rehabilitation<br />

Referat Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

©: Profazi/Lampe<br />

3. Sozialforum <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

Potsdam, 02. September 2005<br />

<strong>Einglie<strong>de</strong>rungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>Blickwinkel</strong><br />

– Kompetenzen und Veranwortlichkeiten –<br />

Chancen und Hin<strong>de</strong>rnisse<br />

aus Sicht <strong>de</strong>r überörtlichen Sozialhilfeträger<br />

Danke für Ihre<br />

Aufmerksamkeit<br />

Thomas Profazi - LWL Münster, Referatsleiter Behin<strong>de</strong>rtenhilfe


55<br />

VI. Prof. Dr. Peter Kruckenberg, Aktion Psychisch Kranke<br />

Qualitätskriterien für Leistungserbringung, Koordination und Steuerung in einem integrierten<br />

personenzentrierten psychiatrischen Hilfesystem.<br />

Kurzfassung<br />

1. Ein gutes Gesetz – wie das BSHG/SGB XII – be<strong>de</strong>utet noch keine gute Praxis<br />

Die Sozialgesetzgebung hat aufs Ganze gesehen gute Rahmenbedingungen für angemessene Behandlung,<br />

Rehabilitation und Einglie<strong>de</strong>rung psychisch kranker Menschen hergestellt, mit <strong>de</strong>m SGB<br />

IX sogar versucht, die traditionelle Zersplitterung zwischen verschie<strong>de</strong>nen Leistungsträgern zu überwin<strong>de</strong>n.<br />

Sämtliche Leistungsgesetze wer<strong>de</strong>n aber nur partiell umgesetzt - am wenigsten für Menschen mit<br />

schweren chronischen und psychischen Störungen, die ihre Ansprüche nicht selbst öffentlich vertreten<br />

bzw. durchsetzen können.<br />

Am ehesten und <strong>im</strong>mer noch zunehmend wer<strong>de</strong>n Hilfen zur Teilhabe über die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

nach <strong>de</strong>m BSHG/SGB XII wirksam, obwohl diese nachrangiger Leistungsträger ist und erst dann<br />

eintritt, wenn ein psychisch kranker Menschen unter <strong>de</strong>r Armutsgrenze lebt.<br />

Auch bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe hat es bis weit in die 80er Jahre gedauert, dass ambulante Hilfen<br />

(z. B. Betreutes Wohnen) als Pflichtversorgungsaufgabe allgemein akzeptiert wur<strong>de</strong>n. Gegenwärtig<br />

versuchen einige Finanzminister und Stadtkämmerer trotz letztlich ein<strong>de</strong>utiger Gesetzesformulierungen<br />

die Zuständigkeit für Einglie<strong>de</strong>rungshilfeleistungen zur Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung<br />

zu bestreiten.<br />

2. Die Psychiatriereform hat sich überwiegend „von unten“ entwickelt<br />

25 Jahre nach Kriegsen<strong>de</strong> hat insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r „Mannhe<strong>im</strong>er Kreis“ aus Mitarbeitern aller Berufsgruppen<br />

(kaum Leitungskräfte!) und aus allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Deutschen Bun<strong>de</strong>stag zur Bildung<br />

einer Enqete-Kommision motiviert, <strong>de</strong>ren Ergebnis bis heute die Leitgedanken <strong>de</strong>r Psychiatriereform<br />

best<strong>im</strong>mt.<br />

Umsetzungsschritte wur<strong>de</strong>n ganz überwiegend nicht durch Gesetze und Lan<strong>de</strong>s- bzw. Kommunalplanungen<br />

erreicht, son<strong>de</strong>rn über Mo<strong>de</strong>llprojekte und regionale Initiativen vermittelt und verbreitet,<br />

z. B. Enthospitalisierung, Betreutes Wohnen, Kontaktstellen, Tagesstätten, Krisendienste u. a..


56<br />

3. Verwaltungen haben die Ten<strong>de</strong>nz, bestehen<strong>de</strong> Strukturen fortzuschreiben<br />

Dies betrifft Ministerien, Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n, Kommunen ebenso wie Sozialversicherungsträger, Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>,<br />

Einrichtungsträger, Gewerkschaften usw.<br />

Allenthalben fin<strong>de</strong>n sich Ten<strong>de</strong>nzen, Entscheidungswege entlang vorbestehen<strong>de</strong>r Verfahrensweisen zu<br />

durchlaufen, auch wenn die gesetzlichen Vorgaben neue Vorgehensweisen erfor<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>n und die<br />

Ergebnisse offensichtlich dysfunktional o<strong>de</strong>r sogar kostensteigernd sind.<br />

Beispiele:<br />

• Psychiatrische He<strong>im</strong>e sind als Hilfe zum Wohnen vergleichsweise teuer, mit Langzeitwirkung.<br />

Die ungenügen<strong>de</strong> Vorhaltung ambulanter Hilfen - noch dazu oft unterfinanziert - durch <strong>de</strong>n örtlichen<br />

Sozialhilfeträger führt zum Anstieg <strong>de</strong>r He<strong>im</strong>plätze, finanziert durch <strong>de</strong>n überörtlichen Sozialhilfeträger.<br />

Ein seit 20 Jahren in fast allen Län<strong>de</strong>rn nicht gelöstes Problem.<br />

• Fehlen<strong>de</strong> Regelungen für eine regionale Versorgungsverpflichtung führen zur Abschiebung in<br />

ortsfrem<strong>de</strong> Einrichtungen, weiterer Wurzelung und dauerhafter Hospitalisierung.<br />

• Die BSHG-Reform von 1996 (§ 93 SBSHG jetzt 75 FSGB XII) machte sinnvolle Vorgaben mit<br />

<strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Ambulantisierung und Bedarfsorientierung <strong>de</strong>r Hilfen – Bildung von Hilfebedarfsgruppen<br />

sowie Aufteilung <strong>de</strong>r Finanzierung in Grundpauschale, Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag.<br />

Die Umsetzung wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Verwaltungen <strong>de</strong>r Leistungsträger und Leistungserbringer<br />

systematisch verzögert und zum Teil unterlaufen, die alten Strukturen wur<strong>de</strong>n erhalten.<br />

4. Die Generalisierung von Verbesserungen <strong>de</strong>r Qualität und Wirtschaftlichkeit psychiatrischer<br />

Hilfesystemen braucht:<br />

• konzeptionelle Orientierung (allgemein akzeptierte Leitlinien)<br />

• verbindliche Organisationsstrukturen für die regionale Versorgung<br />

• transparente und verlässliche Finanzierungsregelungen.<br />

Die Verabschiedung neuer Gesetze reicht nicht aus, wenn sie nicht mit Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Einstellungen und Handlungsweisen <strong>de</strong>r Akteure und <strong>de</strong>m Umbau leistungsbehin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Strukturen<br />

verbun<strong>de</strong>n wird.<br />

• Die Psychiatrie-Enquete hat wichtige konzeptionelle Orientierungen vermittelt, auch einige<br />

Vorschläge zur Umsetzung aber keine Finanzierungsregelungen.<br />

• Die Expertenkommission zum Bun<strong>de</strong>smo<strong>de</strong>llprogramm (1988) hat Empfehlungen zur Organisation<br />

eines gemein<strong>de</strong>psychiatrischen Verbun<strong>de</strong>s i. S. <strong>de</strong>r regionalen Versorgungsver-


57<br />

pflichtung auch für schwer und chronisch Kranke gemacht, die von <strong>de</strong>n Kommunen und von<br />

<strong>de</strong>n Leistungserbringern zunehmend als Handlungsorientierung verstan<strong>de</strong>n aber noch nirgends<br />

konsequent umgesetzt wer<strong>de</strong>n .<br />

• Mit <strong>de</strong>r Psychiatriepersonalverordnung für die Krankenhausbehandlung wur<strong>de</strong> eine verbindliche<br />

leistungsorientierte Finanzierung für einen wichtigen Teilbereich <strong>de</strong>r psychiatrischen<br />

Versorgung umgesetzt und evaluiert - lei<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n letzten Jahren vielerorts wie<strong>de</strong>r unterlaufen.<br />

Im Bereich <strong>de</strong>r komplementären Einrichtungen, vor allem <strong>de</strong>r über die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe finanzierten,<br />

gab es keine bedarfsorientierten Rahmenbedingungen für Personalausstattung und<br />

Finanzierung. 1994 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb die Aktion Psychisch Kranke (APK) mit <strong>de</strong>r Organisation einer<br />

Kommission zur Personalbemessung <strong>im</strong> komplementären Bereich beauftragt.<br />

5. Psychisch behin<strong>de</strong>rte Menschen brauchen qualitätsgesicherte integrierte Behandlungs- und<br />

Rehabilitationsprogramme – <strong>de</strong>r Paradigmenwechsel von „institutionszentrierter“ zur „personenzentrierter“<br />

Leistungserbringung.<br />

Die Kommission <strong>de</strong>r APK hat auf <strong>de</strong>r Grundlage internationaler Erfahrungen dargestellt, dass Behandlung<br />

und Rehabilitation bei schweren und / o<strong>de</strong>r langdauern<strong>de</strong>n psychischen Erkrankungen ein<br />

hohes Maß an Integration und Kontinuität verschie<strong>de</strong>ner Leistungen durch die unterschiedlichen<br />

Berufsgruppen benötigen. Die erfor<strong>de</strong>rlichen Hilfen müssen als Komplexleistungsprogramm auf die<br />

aktuelle und sich verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Situation <strong>de</strong>s einzelnen psychisch kranken Menschen in seiner Lebenswelt<br />

abgest<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n: „personenzentrierte“ Behandlung und Rehabilitation.<br />

Die folgen<strong>de</strong>n Qualitätskriterien für Komplexleistungsprogramme wur<strong>de</strong>n formuliert<br />

Abb. 1: Qualitätskriterien für Komplexleistungsprogramme<br />

personenzentrierte Behandlung und Rehabilitation<br />

1. ressourcenorientiert 5. zeitgerecht<br />

2. niedrigschwellig 6. berufsübergreifend abgest<strong>im</strong>mt<br />

3. zielorientiert 7. kontinuierlich begleitet und koordiniert<br />

4. vorrangig ambulant und ortsnah 8. Effizient<br />

Arbeitsinstrument: IBRP = integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan


58<br />

Im Alltag <strong>de</strong>r psychiatrischen Hilfen zeigte sich und zeigt sich weitgehend bis heute, dass diese Kriterien<br />

keineswegs regelmäßig angestrebt, viel weniger noch umgesetzt wer<strong>de</strong>n und dass viele organisatorische<br />

und strukturelle Bedingungen <strong>de</strong>m entgegenstehen.<br />

Hilfeplanung und die Durchführung <strong>de</strong>r Hilfen müssen in einem wie<strong>de</strong>rholt durchlaufenen Prozess <strong>im</strong>mer<br />

wie<strong>de</strong>r angepasst wer<strong>de</strong>n.<br />

Abb. 2 Prozessorientierte Hilfeplanung<br />

Entlassung<br />

Beschreibung<br />

<strong>de</strong>r Ausgangssituation<br />

Erkennen von<br />

Problemen und<br />

Ressourcen<br />

Auswertung<br />

Zielfestlegung<br />

Durchführung<br />

Planung <strong>de</strong>r<br />

individ. Hilfen


6. Die Erbringung personenzentrierter Komplexleistungsprogramme erfor<strong>de</strong>rt:<br />

59<br />

• Sorgfältige Ausbildung, Schulung und Anleitung <strong>de</strong>r MitarbeiterInnen<br />

• Vereinbarungen <strong>de</strong>r Leistungserbringer zur Abst<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r Angebote<br />

• Vereinbarungen zwischen Kommune, Leistungsträger und Leistungserbringungen zur Steuerung<br />

<strong>de</strong>s Ressourceneinsatzes<br />

• Die kontrollierte beständig evaluierte Umsetzung dieser Vereinbarungen <strong>im</strong> gemein<strong>de</strong>psychiatrischen<br />

Verbund<br />

Der Gemein<strong>de</strong>psychiatrische Verbund (GPV) muss <strong>de</strong>n Charakter eines „lernen<strong>de</strong>n Hilfesystems“<br />

annehmen, das die Entwicklung auf vier Ebenen integriert.<br />

Abb. 3 Gemein<strong>de</strong>psychiatrischer Verbund<br />

Ebenen Instrumente<br />

1) Therapeutische Arbeit IBRP, HPK<br />

2) Organisation <strong>de</strong>r Hilfen Trägerverbund<br />

3) Entscheidungsfindung Steuerungsgremium<br />

4) Sozialrechtliche<br />

Rahmenbedingungen SGB<br />

Auf <strong>de</strong>r Arbeitsebene geht es um die verbindliche Kooperation aller an <strong>de</strong>r Behandlung und Betreuung<br />

eines Klienten beteiligten Fachkräfte und Einrichtungen auf <strong>de</strong>r Grundlage eines gemeinsamen<br />

Arbeitsinstruments. Als beispielgebend hat sich hierfür <strong>de</strong>r IBRP (integrierter Behandlungs- und<br />

Rehabilitationsplan) erwiesen, <strong>de</strong>r innerhalb weniger Jahre inzwischen in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Regionen<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik zumin<strong>de</strong>st für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe als verbindliches Arbeitsinstrument


60<br />

eingeführt wur<strong>de</strong>. Die Überprüfung und ggf. Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s erarbeiteten Hilfeplans erfolgt in einer<br />

Hilfeplankonferenz (HPK), d. h. ist mit unmittelbarer Umsetzung verknüpft.<br />

Die Umsetzung auf <strong>de</strong>r Arbeitsebene wird in je<strong>de</strong>r Region vorbereitet durch eine intensive Schulung<br />

von Multiplikatoren in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Einrichtungen und Diensten in <strong>de</strong>r Hilfeplanung, die sie in<br />

ihrem jeweiligen Arbeitsfeld weitergeben.<br />

Auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Dienste und Einrichtungen wer<strong>de</strong>n die verschie<strong>de</strong>nen Funktionsbereiche<br />

<strong>de</strong>s gemein<strong>de</strong>psychiatrischen Verbun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Leistungserbringer vernetzt und gemeinsam<br />

bedarfsorientiert weiterentwickelt.<br />

Auf <strong>de</strong>r Steuerungsebene <strong>de</strong>r regionalen Versorgung erfolgen Datenerhebung, Bewertung, Planung<br />

und Steuerung <strong>de</strong>s Hilfesystems ebenfalls in einem Kreisprozess: Die durch die Kommune aggregierten<br />

und aufbereiteten Daten aus <strong>de</strong>r Versorgung wer<strong>de</strong>n in einem Psychiatriebericht zusammengefasst.<br />

Dieser wird in verbindlicher Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Leistungsträgern<br />

unter Einbeziehung <strong>de</strong>r Nutzer erörtert und mit konkreten Empfehlungen versehen, die dann<br />

in die Entscheidungsprozesse <strong>de</strong>r jeweils Zuständigen einmün<strong>de</strong>n , so dass Maßnahmen, Programme<br />

und Verfahrensweisen bedarfsorientiert weiterentwickelt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Für die Ebene <strong>de</strong>r regionalen Steuerung hat die Aktion Psychisch Kranke ebenfalls ein Instrument<br />

entwickelt, <strong>de</strong>n Regionalen Zielplan Psychiatrie (ReZiPsych).<br />

Zu <strong>de</strong>m ständigen „Lernen“ <strong>de</strong>s regionalen Hilfesystems gehört auch (4. Ebene) eine <strong>de</strong>n Gesetzesintentionen<br />

entsprechen<strong>de</strong> angemessene bedarfsbezogene Interpretation und ausgewogenen<br />

Anwendung <strong>de</strong>r sozialrechtlichen Rahmenbedingungen und die zügige Umsetzung neuer sozialrechtlicher<br />

Regelungen.<br />

Auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>s gemein<strong>de</strong>psychiatrischen Verbun<strong>de</strong>s sind vorrangig die folgen<strong>de</strong>n Qualitätsziele<br />

zu überprüfen.<br />

7. Implementationsprojekte personenzentrierter regionaler Hilfesysteme waren erfolgreich vor<br />

allem in <strong>de</strong>r Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe, zeigten aber auch Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> auf<br />

allen Ebenen auf.<br />

Mit Hilfe einer För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s BMGS und einiger Län<strong>de</strong>r hat die APK in 38 Regionen Implementationsprojekte<br />

zur Einführung personenzentrierter integrierter regionaler psychiatrischer Hilfesysteme<br />

begleitet. Die Implementation ist überall positiv bewertet wor<strong>de</strong>n:<br />

• auf <strong>de</strong>r Arbeitsebene <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von Subjektorientierung, Flexibilisierung und Abst<strong>im</strong>mung<br />

<strong>de</strong>r Hilfen sowie Kontinuität in <strong>de</strong>r therapeutischen Begleitung <strong>im</strong> Einzelfall.


61<br />

• auf <strong>de</strong>r Angebotsebene wegen einer wachsen<strong>de</strong>n Bereitschaft zur Vernetzung von Angeboten<br />

und zu Übernahme von Versorgungsverpflichtungen.<br />

• auf <strong>de</strong>r Finanzierungsebene mit Fortschritten bei <strong>de</strong>r Einführung regionaler Budgets in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe.<br />

In unterschiedlicher Ausprägung, <strong>de</strong>utlich abhängig von <strong>de</strong>m Engagement <strong>de</strong>r Bereitschaft <strong>de</strong>r regionalen<br />

Akteure, sich in die nötigen Abst<strong>im</strong>mungsprozesse einzubringen – wie ja <strong>im</strong> SGB IX ausdrücklich<br />

vorgegeben – zeigten sich auch Schwierigkeiten und Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>:<br />

• Auf <strong>de</strong>r Mitarbeiterebene fiel es vielen, vor allem auch erfahrenen Professionellen schwer, sich<br />

in verbindliche übergreifen<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Klienten einbeziehen<strong>de</strong> Abst<strong>im</strong>mungsprozesse einzubringen<br />

und verlässliches therapeutisches Casemanagement zu leisten und zu akzeptieren.<br />

• Auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Koordination <strong>de</strong>r Dienste wur<strong>de</strong>n die Abst<strong>im</strong>mung von Verfahrensweisen,<br />

noch mehr in <strong>de</strong>r Verteilung und Weiterentwicklung und Vernetzung von Angeboten durch Trägeregoismen<br />

behin<strong>de</strong>rt<br />

• Das Spannungsfeld in örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern war generell bis zu <strong>de</strong>n<br />

neuen Vorgaben <strong>de</strong>s SGB XII (und zum Teil darüber hinaus) nur in <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rzahl <strong>de</strong>r Regionen<br />

wirksam zu überwin<strong>de</strong>n,<br />

• Sozialversicherungsträger haben sich nur relativ selten und punktuell in die regionalen Steuerungsprozesse<br />

eingebracht.<br />

Es steht zu vermuten, dass sozialrechtliche Ten<strong>de</strong>nzen, die <strong>im</strong> Gegensatz zu SGB IX in Richtung<br />

einer Verpreislichung von unabgest<strong>im</strong>mten Teilleistungen gehen, das Konkurrenzverhalten unter<br />

<strong>de</strong>n Anbietern und <strong>de</strong>n Leistungsträgern noch verstärken. Auch <strong>im</strong> Hinblick auf die zu erwarten<strong>de</strong><br />

Dienstleistungsrichtlinie <strong>de</strong>r EU wird es wichtig sein, die oben genannten unverzichtbaren Qualitätskriterien<br />

bei <strong>de</strong>r Leistungserbringung von Komplexleistungsprogrammen und die dafür notwendigen<br />

regionalen Strukturen verbindlich festzulegen.<br />

8. Bun<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft gemein<strong>de</strong>psychiatrischer Verbän<strong>de</strong> zur Entwicklung und zur<br />

Überprüfung eines einrichtungsübergreifen<strong>de</strong>n regionalen Qualitätsmanagements<br />

Die in Gründung befindliche Bun<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft gemein<strong>de</strong>psychiatrischer Verbän<strong>de</strong> ist eine<br />

Initiative, die aus <strong>de</strong>n Regionen stammt, in <strong>de</strong>nen Implementationsprojekte <strong>im</strong> Sinne „lernen<strong>de</strong>r<br />

Hilfesysteme“ durchgeführt wur<strong>de</strong>n. Die BAG-BGPV ist als eine „Selbsthilfegruppe“ von regionalen<br />

gemein<strong>de</strong>psychiatrischen Verbün<strong>de</strong>n zu verstehen, die sich auf gemeinsame Qualitätskriterien für


62<br />

die o. g. Ebenen eines regionalen Hilfesystems verständigen und <strong>de</strong>ren Erfüllung in einem wechselseitigen<br />

Auditing überprüfen wollen, mit <strong>de</strong>m langfristigen Ziel, ein Zertifizierungsverfahren zu<br />

entwickeln. Die überprüfbare Erfüllung von Qualitätskriterien bei <strong>de</strong>r Erbringung integrierter personenzentrierter<br />

Komplexleistungsprogramme soll auch verhin<strong>de</strong>rn, dass die „systembedingte Ressourcenvergeudung“<br />

(Expertenkommission 1988) durch unkoordinierten Wildwuchs von Teilleistungsanbietern<br />

verhin<strong>de</strong>rt wird.<br />

Bei <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft gemein<strong>de</strong>psychiatrischer Verbän<strong>de</strong> (BAG-<br />

GPV) wur<strong>de</strong> vereinbart, dass schon die Gründungsmitglie<strong>de</strong>r die Erfüllung von Qualitätskriterien<br />

nachweisen müssen. In <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Abbildung sind „auszugsweise“ die wichtigsten Min<strong>de</strong>stkriterien<br />

aufgeführt.<br />

9. Die Unterstützung <strong>de</strong>r Entwicklung „lernen<strong>de</strong> Hilfesysteme“ durch Hochschulen und Universitäten<br />

über Aus- und Weiterbildung, Beratung und Evaluation ist unverzichtbar<br />

Die psychiatrischen Universitätskliniken sind nur selten in regionale Verbundsysteme integriert.<br />

Versorgungsforschung gibt es nur vereinzelt in Ansätzen. An <strong>de</strong>n Hochschulen wer<strong>de</strong>n in letzter<br />

Zeit zukunftsorientierte Bachelor- und Masterstudiengänge, zum Teil in Kooperation mehrerer<br />

Hochschulen, aufgebaut. Eine standort- und län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong> Vernetzung <strong>de</strong>rartiger Initiativen<br />

ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.<br />

10. Schlussfolgerungen für das Tagungsthema „zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe“ insbeson<strong>de</strong>re<br />

zur Neuregelung <strong>de</strong>r Zuständigkeiten von örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger<br />

Es machte Sinn, wie in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> angedacht, die Zuständigkeit <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für psychisch<br />

kranke und behin<strong>de</strong>rte Menschen in <strong>de</strong>n Kommunen zu übertragen. Nur vor Ort kann in <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung Gemein<strong>de</strong>psychiatrischer Verbün<strong>de</strong> ein wirksamer und sparsamer Mitteleinsatz gesteuert<br />

wer<strong>de</strong>n. Dessen ungeachtet ist die Schaffung geeigneter Strukturen zur strategischen Steuerung<br />

einer einheitlichen Entwicklung auf Lan<strong>de</strong>sebene unerlässlich. Diese ist schon <strong>de</strong>shalb erfor<strong>de</strong>rlich,<br />

weil eine gerechte Zuweisung entsprechen<strong>de</strong>r Haushaltstitel an die Kommunen nur bei<br />

sorgfältigem Vergleich <strong>de</strong>r regionalen Bedingungen und <strong>de</strong>s Versorgungsbedarfs möglich ist. Rahmenvereinbarungen<br />

zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern, die auch die notwendigen<br />

Qualitätskriterien in <strong>de</strong>n Prüfungsvereinbarungen beinhalten, müssen auf Lan<strong>de</strong>sebene geschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n.


VII. Diskussion <strong>de</strong>r Vorträge<br />

63<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Ein wenig zu kurz gekommen ist in <strong>de</strong>n vorangegangenen Beiträgen die Frage: Wie halten Sie es mit<br />

<strong>de</strong>m Ungleichgewicht zwischen ambulanten und stationären Hilfen in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>?<br />

Es ist ja we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n örtlichen noch von überörtlichen Trägern ein direkter Hinweis gekommen.<br />

Wie kann man das eigentlich machen, gibt es dazu bereits I<strong>de</strong>en, gibt es dazu erprobte Instrumente?<br />

Frau Vorholz, mich interessiert einfach, welche Möglichkeiten sehen Sie, von Ihrem Träger aus einen<br />

solchen Prozess stärker in Gang zu bringen und die Ungleichgewichtigkeiten, die wir haben, hier wirksam<br />

zu verän<strong>de</strong>rn.<br />

Dr. Irene Vorholz:<br />

Dass wir Ungleichgewichtigkeiten in <strong>de</strong>r ambulanten Versorgung haben, das resultiert ja auch aus <strong>de</strong>r<br />

bisherigen Zuständigkeitsregelung „Stationär – Ambulant“. In <strong>de</strong>n Landkreisen, in <strong>de</strong>nen wir große stationäre<br />

Einrichtungen haben und <strong>de</strong>swegen auch entsprechend viel ambulante Dienste bräuchten, damit<br />

die Enthospitalisierung, das Übergehen in <strong>de</strong>n ambulanten Bereich, auch entsprechend umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, hatten wir das Problem <strong>de</strong>r überproportionalen finanziellen Belastung. Hier hilft nun die<br />

neue Regelung <strong>de</strong>s § 98 Abs. 5 SGB XII, <strong>de</strong>r die örtliche Zuständigkeit bei einem Wechsel von <strong>de</strong>r stationären<br />

Betreuung in die ambulante Hilfe regelt. Damit ist dann auch die belastungsgerechtere Kostenverantwortung<br />

geklärt. Einen solchen Schutz <strong>de</strong>s Einrichtungsortes <strong>im</strong> ambulanten Bereich hatten wir<br />

bislang nicht. Das haben wir erst seit Beginn diesen Jahres, und ich <strong>de</strong>nke, dass daraus eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Dynamik entstehen wird - vom rechtlichen Ausgangserfor<strong>de</strong>rnis her. Rein praktisch gilt die Bedarfsplanung,<br />

also das Feststellen, wie hoch <strong>de</strong>r Bedarf ist, und dann ein entsprechen<strong>de</strong>s Reagieren<br />

mit <strong>de</strong>n Angeboten in Abst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n Anbietern, die wir vor Ort haben. Dafür gibt es ja die Gesprächsrun<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>r Kleinen LIGA. Das muss sich dann auch regional unterschiedlich ausgestalten.<br />

Maria Ilona Stölke:<br />

Mich wür<strong>de</strong> vielmehr interessieren, nicht was kostet es, das weiß ich, –. da ich aus einer Akutpsychiatrie<br />

komme, habe ich doch so Vorstellungen von <strong>de</strong>n Preisen einzelner Leistungen –, son<strong>de</strong>rn wer macht’s.<br />

Und wenn ich aus <strong>de</strong>m Sozialamt dann die Freu<strong>de</strong> höre: „Im nächsten Jahr wird alles an<strong>de</strong>rs.“ Und da<br />

freu ich mich schon drauf, wenn wir ambulant vor stationär haben. Ja bitte, wer macht es dann aber?<br />

Das ist ja für mich genauso wichtig. Und diese Leistungen – jetzt nehme ich mal eine Akutpsychiatrie –<br />

also, wenn dann <strong>de</strong>r Mensch wie<strong>de</strong>r nach Hause entlassen wer<strong>de</strong>n soll, das kann ich nicht planen, also


64<br />

ich brauch auch Leistungserbringer. Und wenn wir mehr ambulante Sachen machen, brauchen wir mehr<br />

ambulante Leistungserbringer. Und jetzt haben wir schon September. Das ist jetzt so meine Besorgnis<br />

und mal meine Frage aus <strong>de</strong>r Praxis.<br />

Prof. Dr. Peter Kruckenberg:<br />

Was dafür ganz wichtig ist: man braucht einen Umschichtungsplan, damit man aus Einsparungen <strong>im</strong><br />

stationären Bereich ambulante Angebote einrichten kann. So haben wir das in Bremen in <strong>de</strong>n 80er Jahren<br />

schon gemacht. Damals haben wir eine ganze Langzeitklinik mit über 300 Betten in einem Zeitraum<br />

von sieben Jahren geschlossen. Für die Enthospitalisierung <strong>de</strong>r Patienten wur<strong>de</strong> ein Finanzierungsplan<br />

erstellt, <strong>de</strong>r ausgehend vom aktuellen Budget die Mittel umschichtete in Richtung ambulanter und teilambulanter<br />

Maßnahmen, zum Teil auch in damit vernetzte kleine stationäre Einrichtungen. Dazu benötigt<br />

man Träger, die nicht ausschließlich ambulante o<strong>de</strong>r ausschließlich stationäre Einrichtungen vorhalten<br />

und die regionale Versorgungsverpflichtungen übernehmen. Sonst kommt es wie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>n bekannten<br />

Verschiebe- und Rivalitätsspielen.<br />

Die Klienten brauchen kontinuierliche Begleitung. Wenn sie bei Än<strong>de</strong>rungen ihres Hilfebedarfs notwendig<br />

von einem Träger zum nächsten wechseln müssen, ist das kontraproduktiv und sehr risikoreich. Das<br />

heißt, man muss in <strong>de</strong>n Regionen verlässlich vernetzte Strukturen <strong>im</strong> Rahmen eines Gemein<strong>de</strong>psychiatrischen<br />

Verbunds schaffen, sonst bleibt es bei <strong>de</strong>r „systembedingten Ressourcenvergeudung“ wie<br />

schon von <strong>de</strong>r Expertenkommission zum Bun<strong>de</strong>smo<strong>de</strong>llprogramm 1988 beschrieben.<br />

Prof. Paul Meusinger, Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>:<br />

Also zunächst möchte ich auf die Frage von soeben eingehen. Ich <strong>de</strong>nke, das ist ja eines unserer<br />

Hauptprobleme – nämlich die Frage <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen Strukturen in <strong>de</strong>m Zeitfenster zu schaffen, das<br />

noch zur Verfügung steht. Wissen Sie, wenn ich höre, was Sie gera<strong>de</strong> gesagt haben (was ja auch <strong>de</strong>r<br />

Praxis entspricht), dass auf <strong>de</strong>r örtlichen Ebene also schon eigentlich die Zuständigkeit reklamiert wird,<br />

die noch nicht gegeben ist, dann muss man diese Frage natürlich sehr verschärft stellen.<br />

Aber ich wollte eigentlich zu Frau Dr. Vorholz was sagen. Ihr Vortrag war nach meiner Wahrnehmung<br />

eigentlich von <strong>de</strong>m Kern geprägt, die Finanzen sind das Ausschlaggeben<strong>de</strong> und nichts an<strong>de</strong>res ist eigentlich<br />

das Element, das uns zu beschäftigen hat. Wenn das Pferd so aufgezäumt wird und so wird es<br />

laufend aufgezäumt, wer<strong>de</strong>n Sie naturgemäß erhebliche Sperren gegen Verän<strong>de</strong>rungen erleben, die,<br />

wenn man das Pferd an<strong>de</strong>rs aufzäumt, möglicherweise nicht vorhan<strong>de</strong>n wären. Ich will da nur mal<br />

drauf hinweisen.


65<br />

Prof. Dr. Jutta Bott, Fachhochschule Potsdam:<br />

Herr Profazi, Sie haben <strong>im</strong> Landschaftsverband Westfalen-Lippe sehr wohl Ungleichgewichte in <strong>de</strong>r<br />

Versorgungsstruktur verschie<strong>de</strong>ner Kreise gehabt. Was ist <strong>de</strong>nn Ihr Erfahrungswert, gera<strong>de</strong> was diesen<br />

Aufbau in <strong>de</strong>n unterversorgten Gebieten betrifft, bzgl. ambulanter Strukturen – haben die aufgeholt,<br />

haben die sich bewegt, durch was haben Sie diese bewegen können und wie verschiebt sich das<br />

Gleichgewicht von Wohlfahrtsträgern zu Gewerblichen? Das betreute Wohnen ist ja nicht gekoppelt<br />

daran, dass es nur ein Verein vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband machen darf. Passiert<br />

da was, gibt es da mehr Bewegung?<br />

Thomas Profazi:<br />

Disparitäten gibt es in Westfalen-Lippe nach wie vor. Das ist ganz klar. Im ambulanten Bereich waren<br />

die Disparitäten sehr, sehr groß. Das war mit eines unserer Argumente, warum wir diesen Weg beschritten<br />

haben. Um es zu präzisieren: Wenn Sie eine naive Kennziffer nehmen wür<strong>de</strong>n wie z. B. Klienten<br />

<strong>im</strong> betreuten Wohnen pro 1.000 Einwohner, - es geht nicht nur um psychisch Kranke, wir re<strong>de</strong>n über<br />

alle Zielgruppen <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe, das sind wesentlich, zu fast zwei Dritteln auch geistig behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen -, dann schwanken diese Kennziffern pro Tausend um das Zehnfache. Es gibt Regionen, die<br />

zehnmal soviel Klienten <strong>im</strong> betreuten Wohnen haben <strong>im</strong> Vergleich zur Einwohnerzahl wie best<strong>im</strong>mte<br />

an<strong>de</strong>re Regionen. Das war die Ausgangslage. Die haben wir schon wesentlich verän<strong>de</strong>rt.<br />

Dazu zwei Gedanken: Es gibt natürlich keine lineare Funktion, nach <strong>de</strong>m Motto, wer schon gut ausgebaut<br />

war, da haben wir wenig getan, und wer Nachholbedürfnis hat, da haben wir <strong>de</strong>n Nachholbedarf<br />

kompensiert. Letzteres ist auf je<strong>de</strong>n Fall richtig. Es gibt Kommunen, die in diesen zwei Jahren weit über<br />

100 Prozent Zuwachs haben. Dann ist das häufig übrigens ein Wechsel auf die Zukunft. Denn wir wissen<br />

ja, das ambulant betreute Wohnen, - um jetzt wie<strong>de</strong>r die Brücke zu schlagen zwischen Geld – ich<br />

hatte <strong>im</strong>mer gesagt: auch Geld - und Inhalten - ist natürlich so, wir können ja nicht sagen, je<strong>de</strong>r Mensch<br />

<strong>de</strong>r neu in das ambulante Wohnen, in das Einglie<strong>de</strong>rungssystem reinkommt ist unter Präventionsgesichtspunkten<br />

jemand, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>r Tür <strong>de</strong>s Wohnhe<strong>im</strong>s abgebogen ist. Das heißt, wir <strong>de</strong>cken damit<br />

auch einen Bedarf, <strong>de</strong>r zunächst gar nichts mit <strong>de</strong>m stationären zu tun hat, aber für eine best<strong>im</strong>mte<br />

Teilmenge <strong>de</strong>r Menschen mittelfristig doch etwas mit stationärem Bedarf zu tun hätte. Wäre nichts passiert<br />

(ambulant), wür<strong>de</strong> die nächsten Jahre auch stationär nichts passieren. Irgendwann wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong><br />

Mensch wahrscheinlich dann, wenn wir nach <strong>de</strong>m Motto „Weiter wie bisher, mehr vom selben“<br />

<strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>n, sicherlich auch eine stationäre Aufnahme brauchen. Dieser Aspekt <strong>de</strong>r Prävention<br />

ist wichtig, es ist aber nicht <strong>de</strong>r einzige. Das Problem ist, es kommen zu viele Menschen ins ambulant<br />

betreute Wohnen. Also in <strong>de</strong>n Regionen, in <strong>de</strong>nen wir diesen Ausgleichsmechanismus bisher nachweis-


66<br />

lich am besten geschafft haben, entsteht jetzt zum Teil insbeson<strong>de</strong>re bei unseren kommunalen Partnern<br />

eine an<strong>de</strong>re Pen<strong>de</strong>lbewegung, die etwa heißt, „Macht Ihr nicht zuviel in <strong>de</strong>r Richtung? Und kommen<br />

nicht zuviel Menschen mit ganz geringen Hilfebedarfen ins ambulant betreute Wohnen, bleiben sie nicht<br />

zulange <strong>im</strong> ambulant betreuten Wohnen?“ Diese Fragen sind naturgemäß nur ganz schwer allgemein<br />

zu beantworten. Wenn solche Fragen aus einer Kommune kommen, die bislang völlig am Bedarfs<strong>de</strong>ckungsprinzip<br />

vorbei gehan<strong>de</strong>lt hat (und auch das gab es natürlich: Betreutes Wohnen...(?) <strong>im</strong> Jahr<br />

dürfen es nicht mehr als 20 bis 30 Leute wer<strong>de</strong>n), da wird natürlich auch ein Nachholeffekt wirksam<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die an<strong>de</strong>re wichtige versorgungsstrukturelle Funktion <strong>de</strong>s Ausbaus <strong>de</strong>s betreuten Wohnens ist ja die,<br />

dass wir damit das gesamte Hilfesystem in <strong>de</strong>r Weise umbauen wollen, dass <strong>de</strong>r Grundsatz ambulant<br />

vor stationär nicht heißt, ambulant ist besser und stationär ist schlechter, son<strong>de</strong>rn dass man die Relation<br />

dieser bei<strong>de</strong>n Dinge verän<strong>de</strong>rt. Und das heißt ja dann für Menschen, die schon <strong>im</strong> Wohnhe<strong>im</strong>bereich<br />

sind, mehr Rotation. Es wird für die nachwachsen<strong>de</strong>n Fallzahlen <strong>im</strong> stationären Bereich - auch bei unserem<br />

Hilfeplanverfahren wird es ja nach wie vor genügend Menschen geben, für die zunächst einmal,<br />

wenn man jetzt nicht ganz radikal ist und sagt, weg mit allen He<strong>im</strong>en – einen gewissen stationären Hilfebedarf<br />

geben. Entwe<strong>de</strong>r muss ich <strong>de</strong>n Netto-Platzausbaubedarf befriedigen, o<strong>de</strong>r ich muss ihn durch<br />

vermehrte Rotation zur Verfügung stellen. Rotation heißt, ich muss viel mehr Menschen, die <strong>de</strong>rzeit<br />

noch in stationären Bezügen leben, dazu bringen, - das gilt auch für die Träger – in ambulante Bezüge<br />

zu wechseln. Der Ausbau <strong>de</strong>s betreuten Wohnens hat also zwei Funktionen: Prävention und Rotation<br />

raus aus stationären Bezügen.<br />

Die regionalen Disparitäten <strong>im</strong> stationären Bereich sind uns natürlich bewusst. Das ist übrigens eine<br />

typisch westfälische Hypothek, die wir niemals ganz einebnen können. In <strong>de</strong>m Land, in <strong>de</strong>m Einrichtungen<br />

wie Bethel, Wittekindshof und Eben-Ezer ihren Standort haben, da wer<strong>de</strong>n Sie <strong>de</strong>n an sich richtigen<br />

Grundsatz, es soll nur so viele Plätze in je<strong>de</strong>r Standortregion geben, wie als Bedarf aus <strong>de</strong>r Kommune<br />

heraus gerechtfertigt ist, nicht ganz einlösen können. Aber das ist übrigens auch eine Stärke,<br />

auch ein Motiv, warum wir das so machen, wie wir das machen, warum <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber sich<br />

letztlich auf unsere Seite gestellt hat, nämlich dass wir dort über überörtliche Steuerung sehr viel mehr<br />

erreichen. Wir haben beispielsweise in Bielefeld viele hun<strong>de</strong>rt Plätze abgebaut und einen Teil <strong>de</strong>r Plätze<br />

<strong>im</strong> Ruhrgebiet wie<strong>de</strong>r aufgebaut nach einem ganz einfachen Slogan: Der Mensch mit einem zweifelsfrei<br />

nach wie vor stationären Hilfebedarf soll nicht zur Behin<strong>de</strong>rtenhilfeeinrichtung kommen, son<strong>de</strong>rn die<br />

Behin<strong>de</strong>rtenhilfeeinrichtung zum Menschen. Das ist etwas, was in einem nur fö<strong>de</strong>ralen System, also<br />

je<strong>de</strong> Kommune macht für sich und sieht sich selber als eigenen Mikrokosmos, schwer möglich ist. Die


67<br />

kriegen das alleine nicht hin. Die Städte Dortmund, Gelsenkirchen, Bochum und Bielefeld hätten sich an<br />

<strong>de</strong>r Stelle ohne uns nicht in diese versorgungsstrukturell richtige Richtung bewegen können. Regionale<br />

Disparitäten <strong>im</strong> stationären Bereich wird es weiterhin in einem best<strong>im</strong>mten Umfang geben. Die bauen<br />

wir aber dort, wo es geht, ab.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Profazi, ich bin sehr froh, dass Sie die Träger als ökonomische Unternehmen in die Diskussion<br />

hineingebracht haben. Die haben natürlich handfeste Interessen bezüglich <strong>de</strong>s Weiterbestehens ihrer<br />

Einrichtungen. Herr Dr. Schädler, vielleicht können Sie noch mal die Frage angehen, warum sind bei<br />

uns so viele Leute in stationären Einrichtungen untergebracht – in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> beson<strong>de</strong>rs viele - , warum<br />

schaffen wir es nicht, das Ru<strong>de</strong>r herumzuwerfen, warum ist die Zielvorgabe „Ambulant vor stationär“<br />

so schwer umzusetzen?<br />

Dr. Johannes Schädler:<br />

Es gehört zu <strong>de</strong>n traditionellen Grundannahmen <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s, dass Behin<strong>de</strong>rtenhilfe stationäre Hilfe ist.<br />

Diese Grundannahmen setzen sich um in <strong>de</strong>n Zugangsverfahren behin<strong>de</strong>rter Menschen in das Hilfesystem.<br />

Kurz gefasst: Wir haben es zu tun mit einem anbieterkontrollierten Antragsverfahren <strong>im</strong> Zusammenspiel<br />

mit einer <strong>im</strong> Prinzip distanzorientierten Verwaltung, die kein wirkliches Interesse hat, sich auf<br />

einen Einzelfall tatsächlich einzulassen. Im Ergebnis führt das dann zu einer Begünstigung stationärer<br />

Platzierung, da die vorhan<strong>de</strong>nen Routinen auch <strong>de</strong>n bürokratischen Aufwand reduzieren. Dies wäre<br />

natürlich weiter auszuführen.<br />

Zwei Punkte sind mir noch wichtig – zum einen <strong>de</strong>r Umgang mit vorliegen<strong>de</strong>n Daten, zum an<strong>de</strong>ren die<br />

Frage ambulant und stationär.<br />

Zahlen können lügen und Daten müssen differenziert interpretiert wer<strong>de</strong>n! Bei <strong>de</strong>n Daten zur Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

für Behin<strong>de</strong>rte haben wir es <strong>im</strong> wesentlichen mit 4 Personengruppen zu tun, das sind die<br />

geistig behin<strong>de</strong>rten Menschen, die psychisch Kranken, die Suchtkranken und die Körperbehin<strong>de</strong>rten. Es<br />

geht quantitativ gesehen <strong>im</strong> Wesentlichen um die Hilfen für geistig behin<strong>de</strong>rte Menschen und um die<br />

Hilfen für psychisch kranke Menschen. Bei <strong>de</strong>n geistig behin<strong>de</strong>rten Menschen ergab die Erhebung für<br />

2003 bei wohnbezogenen Hilfen in Nordrhein-Westfalen eine Relation ambulant zu stationär von 7 zu<br />

93 <strong>im</strong> Lan<strong>de</strong>sdurchschnitt. Bei <strong>de</strong>n psychisch Behin<strong>de</strong>rten hatten wir von jeher schon eine mo<strong>de</strong>rnere<br />

Angebotsstruktur. Dort sind die Relationen 60 zu 40, man darf also die Fallzahlen und Kosten <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

nicht über einen Kamm scheren.<br />

Seit 2003 kann man bezüglich <strong>de</strong>r Fallzahlentwicklung eine beachtliche Steigerung <strong>im</strong> ambulanten Bereich<br />

feststellen, aber in welchem Bereich fin<strong>de</strong>t das <strong>de</strong>nn statt? Das fin<strong>de</strong>t lei<strong>de</strong>r schwerpunktmäßig in


68<br />

<strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r psychisch Behin<strong>de</strong>rten statt, und insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>n Menschen mit geringem Hilfebedarf,<br />

<strong>de</strong>r stationäre Bereich zeigt sich in seiner Entwicklung kaum verän<strong>de</strong>rt, eine generelle Umsteuerung<br />

konnte bisher nicht festgestellt wer<strong>de</strong>n,. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass die Kostenträger<br />

Ausbaubereitschaft signalisieren bei gleichzeitig reduzierter Steuerungsoption und die Anbieter auf<br />

diesen Anreiz additiv reagieren...Administratives Umsteuern ist offensichtlich gar nicht so leicht, tatsächlich<br />

von <strong>de</strong>n gewohnten Verwaltungsstrukturen abzukommen und neue Hilfeplanverfahren tatsächlich<br />

zu <strong>im</strong>plementieren. Das ist ein relativ mühsames Verfahren und da braucht man auch die richtigen<br />

Verwaltungsleute dazu, die so was können, die sich trauen von <strong>de</strong>r Akte zu <strong>de</strong>n Menschen zu gehen.<br />

Und da gibt’s welche, die sind in die Verwaltung gegangen, damit sie nichts mit Menschen zu tun haben.<br />

Das muss man ja auch mal sehen. Also hier sind Lernprozesse notwendig, unabhängig von örtlicher<br />

o<strong>de</strong>r überörtlicher Zuständigkeit.<br />

Mein an<strong>de</strong>rer Punkt ist diese mittlerweile unsinnige, nur historisch erklärbare sozialrechtliche Unterscheidung<br />

zwischen ambulant und stationär. Mit <strong>de</strong>r Zusammenführung <strong>de</strong>r Hilfen in einer Hand hätte<br />

man die Chance, diese Gegenüberstellung aufzugeben und da zu einer Zusammenführung zu kommen.<br />

Im Kontext <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Hilfesystems insgesamt ist eine zentrale Herausfor<strong>de</strong>rung, daran zu<br />

arbeiten, wie auf diese Unterscheidung ambulant und stationär verzichtet wer<strong>de</strong>n könnte und was dies<br />

für Konsequenzen bezüglich <strong>de</strong>r Finanzierungsformen hätte. Ich weiß, dass es nicht so einfach ist, aber<br />

mal diesen Gedanken zuzulassen, die Fachleistungsstun<strong>de</strong> zur gemeinsamen Regelfinanzierung in <strong>de</strong>r<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfe zu machen und an<strong>de</strong>re platzbezogene Formen dazu komplementär zu sehen.<br />

Jetzt wür<strong>de</strong> ich gern noch einen Gedanken sagen zu Frau Vorholz Aussagen zum persönlichen Budget.<br />

Wieso wird das nicht in Anspruch genommen, obwohl doch alle fast 10 Jahre vehement dafür gekämpft<br />

haben,. Und jetzt hat man die Möglichkeit, und es wird nicht gemacht. Ich wür<strong>de</strong> sagen, es ist von vielen<br />

Seiten bisher noch nicht wirklich gewünscht! Auf <strong>de</strong>r administrativen Ebene passt es nicht in die Struktur.<br />

Man weiß auch nicht genau, wie man mit solchen Anträgen umgehen soll. Angenommen, es kämen<br />

diese Anträge, was wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>nn die örtlichen Sozialämter machen? Sie müssten nach <strong>de</strong>r Budgetverordnung<br />

<strong>de</strong>n Hilfebedarf feststellen, müssten die Anfragen koordinieren mit an<strong>de</strong>ren Rehabilitationsträgern.<br />

Dazu fehlen praktische Erfahrungen und geeignete Verfahren. Auch die Antragsteller sind irritiert,<br />

oft nicht hinreichend informiert. Und die Anbieter haben oft auch kein brennen<strong>de</strong>s Interesse an einer<br />

hohen Zahl von Budgetnehmern, da dies i.d.R. wirtschaftliche Einbußen be<strong>de</strong>utet. Gefragt sind politischer<br />

Wille, systematische Information und gute Beispiele.


69<br />

Jörg Adler:<br />

Ich <strong>de</strong>nke die Zentralisierung ist richtig und gut. Aber was doch jetzt passiert ist, dass bisher die Feststellung<br />

<strong>de</strong>s Bedarfes bei <strong>de</strong>n Leistungserbringern lag, da wird jetzt gesagt, die haben <strong>im</strong> eigenen Interesse<br />

gehan<strong>de</strong>lt. Was wir jetzt machen, und das ist das Problem und <strong>de</strong>swegen die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung,<br />

jetzt geht’s auf die an<strong>de</strong>re Seite, auf <strong>de</strong>n Leistungsträger und <strong>de</strong>r sagt, er regelt jetzt gleich das<br />

über das Geld. Das ist die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung, <strong>de</strong>r Leistungsträger hat ein Interesse zu sparen. Das<br />

<strong>de</strong>nke ich ist auch die Sache mit <strong>de</strong>m persönlichen Budget. Es gäbe ja Möglichkeiten, z. B. über Servicestellen<br />

usw., das ist doch die Aufgabe <strong>de</strong>s unbeteiligten Dritten die Bedarfe festzulegen. Es gibt meines<br />

Erachtens keine Instanz, wo über Qualität und Bedarf, unabhängig und vertrauensvoll das Verfahren<br />

geregelt wird.<br />

Maik Franke, Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus Lan<strong>de</strong>sverband <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> e. V.:<br />

Ich möchte mich in die Diskussion zum persönlichen Budget einmischen und wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r These wi<strong>de</strong>rsprechen,<br />

dass es nicht gewollt und gewünscht ist, <strong>im</strong> Gegenteil, es ist absolut notwendig. Das persönliche<br />

Budget hat ja auch <strong>de</strong>n Hintergrund (<strong>de</strong>swegen wird’s ja auch eingeführt), dass die betroffenen<br />

Menschen selbst best<strong>im</strong>men können und dürfen, wo sie welche Leistung herkriegen möchten und<br />

<strong>de</strong>swegen wür<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>m wi<strong>de</strong>rsprechen. Meine These ist eher, dass die Frage <strong>de</strong>r Zuständigkeit <strong>im</strong><br />

Raum steht, wer ist überhaupt inhaltlich und fachlich kompetent und zuständig. Es bringt mir ja nichts,<br />

meine Anträge an irgen<strong>de</strong>in Amt zu schicken und dann die Antwort zu bekommen, „sorry wir sind nicht<br />

zuständig“. Also da müsste noch ein bisschen Klärung kommen.<br />

Konstantin Engels, Paritätischer Wohlfahrtsverband:<br />

Ich wür<strong>de</strong> gern noch ein Wort sagen zu <strong>de</strong>n freien Trägern. Es hört sich jetzt hier ja manchmal so an,<br />

die freien Träger <strong>de</strong>finieren <strong>de</strong>n Bedarf, die ziehen <strong>de</strong>n Örtlichen und Überörtlichen das Geld aus <strong>de</strong>r<br />

Tasche, in<strong>de</strong>m sie neue Einrichtungen bauen, die dann sich wie<strong>de</strong>r selber füllen. Die freien Träger sind<br />

Leistungserbringer und sie erbringen die Leistungen, die auch gewünscht sind. Und insofern hat diejenige<br />

Stelle, die über die Höhe und Art <strong>de</strong>r Leistungsgewährung entschei<strong>de</strong>t, natürlich eine wesentliche<br />

Rolle. Wenn mehr ambulant gewünscht wäre, wür<strong>de</strong>n freie Träger auch selbstverständlich mehr ambulante<br />

Betreuung erbringen, das ist gar keine Frage. Es muss nur <strong>im</strong> Rahmen auch möglich sein. Und<br />

das, was aus meiner Wahrnehmung jetzt <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> so festzustellen ist, dass es einfach<br />

total schwierig ist, bei vielen kommunalen Strukturen adäquate Leistungen zu erbringen. Ein Problem<br />

haben natürlich freie Träger – sie wollen auch eine gewisse adäquate Leistung erbringen – und das ist<br />

sehr schwer auszuhalten, wenn ich etwas erbringen soll und dafür nicht das nötige Geld kriege. Das<br />

passt oft nicht zusammen und das ist ein Detailproblem, wo wir auch mit zu kämpfen haben.


70<br />

Dr. Irene Vorholz:<br />

Ich bin zum persönlichen Budget angesprochen wor<strong>de</strong>n und will das gerne aufgreifen, weil es vielleicht<br />

heute morgen ein wenig zu kurz kam. Es han<strong>de</strong>lt sich um ein Instrument, das uns als „Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe“<br />

<strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r vorgehalten wur<strong>de</strong>. Ich st<strong>im</strong>me zu, dass das Verfahren sehr schwierig<br />

ist, weil sich verschie<strong>de</strong>ne Leistungsträger zusammenfin<strong>de</strong>n müssen, und zwar nicht nur, was manchmal<br />

schwer genug ist, örtlich und überörtlich innerhalb <strong>de</strong>r Sozialhilfe, son<strong>de</strong>rn trägerübergreifend Unfallversicherung,<br />

Krankenkassen, Rentenversicherung, je nach<strong>de</strong>m wie diese für Rehabilitationsleistungen<br />

in Betracht kommen. Wir haben verschie<strong>de</strong>ne Lebenssachverhalte und dafür gibt es verschie<strong>de</strong>ne<br />

zuständige Träger mit verschie<strong>de</strong>nen Leistungen. Wenn ich das zusammenbringen will, aber vom Verfahren<br />

her nicht hinkriege, dann muss ich doch fragen, ob und wie das Instrument „persönliches Budget“<br />

in <strong>de</strong>r Praxis gangbar gemacht wer<strong>de</strong>n kann. Das persönliche Budget war nach <strong>de</strong>m Abschluss <strong>de</strong>s<br />

Gesetzgebungsverfahrens zum SGB XII von <strong>de</strong>n Behin<strong>de</strong>rtenverbän<strong>de</strong>n sehr begrüßt wor<strong>de</strong>n, so wie<br />

es jetzt <strong>im</strong> Gesetz steht. Deswegen habe ich nicht nachvollziehen können, warum es jetzt so wenig<br />

Anträge behin<strong>de</strong>rter Menschen gibt – <strong>de</strong>nn es muss <strong>de</strong>r Antrag kommen, man kann es <strong>de</strong>m Einzelnen<br />

nicht einfach so aufdrücken, das wäre ja nicht <strong>de</strong>r richtige Weg, son<strong>de</strong>rn ich brauche <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s<br />

behin<strong>de</strong>rten Menschen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Betreuers. Warum gibt es da so wenig Resonanz?<br />

Daneben: Das Problem ist nicht, wenn ich nur einen zuständigen Träger habe, <strong>de</strong>r Sozialhilfe/Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

erbringt. Dann kann man ja auch mit <strong>de</strong>m alten Streit kommen, „Ist Sozialhilfe<br />

Geldleistung o<strong>de</strong>r Sachleistung?“ Wenn ich sage, Einglie<strong>de</strong>rungshilfe war auch bislang schon eine<br />

Geldleistung, hatte ich ja quasi schon ein persönliches Budget, das ich jetzt an <strong>de</strong>n Betroffenen auszahlen<br />

wür<strong>de</strong>. Schwierig wird es dann, wenn ich das trägerübergreifend mache. Da habe ich keine Lösung<br />

in Sicht, wie ich das hinbekomme. Die Verfahren, die wir <strong>im</strong> SGB IX haben o<strong>de</strong>r auch in <strong>de</strong>r Budget-<br />

Verordnung, for<strong>de</strong>rn ohnehin, dass Leistungen einheitlich gewährt wer<strong>de</strong>n und nahtlos ineinan<strong>de</strong>r übergreifen.<br />

Trotz<strong>de</strong>m funktioniert das in <strong>de</strong>r Praxis nur schwerlich. Wenn wir da <strong>im</strong> Augenblick keinen Weg<br />

sehen, das muss die Politik ehrlicherweise eingestehen, wir stoßen da an Grenzen. Wenn ich so unterschiedliche<br />

Rehabilitationsträger habe wie Rentenversicherungsträger, Unfallversicherung und Einglie<strong>de</strong>rungshilfe,<br />

muss ich dann vielleicht über ein an<strong>de</strong>res Instrument nach<strong>de</strong>nken? Auch die gemeinsamen<br />

Servicestellen nach <strong>de</strong>m SGB IX, die angesprochen wur<strong>de</strong>n, entfalten in <strong>de</strong>r Praxis nicht die richtigen<br />

Wirkungen. Wir merken in <strong>de</strong>n Sozialämtern, dass unsere Klientel nach wie vor zu uns kommt,<br />

dass die behin<strong>de</strong>rten Menschen ins Sozialamt gehen und nicht zur Servicestelle, vielleicht auch, weil<br />

das dort nicht funktioniert. Aber wir kommen nicht an <strong>de</strong>r Schwierigkeit vorbei, wie kriegen wir es hin,<br />

die völlig verschie<strong>de</strong>nen Rehaträger zusammenzubringen, so dass je<strong>de</strong>r weiß, was er machen muss,<br />

und am En<strong>de</strong> eine Hilfe für <strong>de</strong>n behin<strong>de</strong>rten Menschen herauskommt.


71<br />

Prof. Dr. Peter Kruckenberg:<br />

Eigentlich ist es einfach. Bei <strong>de</strong>n behin<strong>de</strong>rten Menschen sind die Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n geistig<br />

und <strong>de</strong>n psychisch Behin<strong>de</strong>rten fachlich zu differenzieren, aber die Grundstrukturen sind nicht unterschiedlich.<br />

Was man braucht, ist eine integrierte Hilfeplanung aller Beteiligten, die mit <strong>de</strong>m Klienten<br />

abgest<strong>im</strong>mt wird, wobei seine Wünsche zunächst <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgrund stehen und mit <strong>de</strong>n Realitäten ausbalanciert<br />

wer<strong>de</strong>n. Dann braucht es eine Hilfeplankonferenz an <strong>de</strong>r die Leistungsträger beteiligt sind,<br />

die eine Entscheidung über das integrierte Komplexleistungsprogramm mit einer prospektiven Leistungsgewährung<br />

für einen best<strong>im</strong>mten Zeitraum fällt. Das Komplexleistungsprogramm kann man ohne<br />

weiteres auch <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s persönlichen Budgets durchführen, wobei man das Budget Menschen<br />

mit geistiger und psychischer Behin<strong>de</strong>rung nicht <strong>im</strong>mer auszahlen kann, son<strong>de</strong>rn z. B. mit Leistungs-<br />

„Gutscheinen“ realisiert. Die Vergütung <strong>im</strong> Einzelfall muss man mit einem regionalen Budget – zunächst<br />

für <strong>de</strong>n jeweiligen Leistungsempfänger - verknüpfen, damit es nicht zu Leistungsausweitungen<br />

über das Notwendige hinaus kommt. Die administrative Umsetzung ist letztlich einfach, man muss es<br />

nur machen. Eine Voraussetzung ist, dass die Träger in einer Region sich zusammenschließen, gemeinsam<br />

die Versorgungsverpflichtung übernehmen und die Rahmenbedingungen mit <strong>de</strong>n Leistungsträgern<br />

verbindlich vereinbaren. Wenn das nicht passiert, dann können Sie ansonsten machen, was Sie<br />

wollen; dann bleibt das Hilfesystem so wenig verlässlich und so ineffektiv, wie es ist.<br />

Thomas Profazi:<br />

Ich möchte auf das Schlagwort von Herrn Schädler mit <strong>de</strong>n anbieterdominierten Antragsverfahren bei<br />

gleichzeitig distanzinteressierter Verwaltung eingehen. Ich kann mir kein Urteil erlauben, ob das hier in<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> so ist. Ten<strong>de</strong>nziell ist es o<strong>de</strong>r war es überall so. Ich habe versucht mit <strong>de</strong>m Hilfeplanverfahren<br />

zu zeigen, dass man dann auch die Konsequenz ziehen muss, nämlich bei <strong>de</strong>r Anbieterorientierung,<br />

da stand „die Leistungserbringer sind nicht die alleinigen Leistungsbest<strong>im</strong>mer“. Wir wollen nicht<br />

das Pen<strong>de</strong>l ins Gegenteil umschlagen lassen, aber wir wollen uns etwas mehr einmischen. So positioniert<br />

sich keine distanzorientierte Verwaltung. Damit distanzieren wir uns gleichzeitig auch ein bischen<br />

weniger und da müssen wir <strong>de</strong>n richtigen Mittelweg fin<strong>de</strong>n. Vielleicht sollten wir darüber weiter diskutieren.<br />

Zum persönlichen Budget: ich wür<strong>de</strong> dringend anraten, dieses Thema nicht mit unserem heutigen Thema<br />

zu verknüpfen, nicht nur, weil wir dann einen o<strong>de</strong>r zwei Tage benötigen. Der eigentliche Grund ist<br />

ein fachlicher: Ein persönliches Budget als das Ersetzen von Sachleistungen durch Geldleistungen wird<br />

versorgungsstrukturell erst relevant über Breitenwirkung. Diese müssen wir erst einmal erzeugen -<br />

mengenmäßig und strukturell. Solange „Persönliches Budget“ sich dadurch auszeichnet, dass es mehr


72<br />

Tagungen darüber gibt als Budgetnehmer, wird das versorgungsstrukturell überhaupt keine Wirkung<br />

haben. Gleichwohl kann das persönliche Budget vorläufig lei<strong>de</strong>r nur abstrakt-aka<strong>de</strong>misch betrachtet<br />

einen wichtigen Beitrag zu unserer Thematik leisten. Voraussetzung ist allerdings die angesprochene<br />

Breitenwirkung, um die wir uns in Westfalen durch die <strong>de</strong>rzeitige Erprobungsphase <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>smo<strong>de</strong>llprojektes in Bielefeld intensiv bemühen.<br />

Das Stichwort Budget dürfte auch in einem an<strong>de</strong>ren Zusammenhang auf <strong>de</strong>r Suche nach intelligenten<br />

Lösungen geeignet bzw. aussichtsreich sein. Der Budgetierungsgedanke kann möglicherweise auch als<br />

Regionalbudget eine neue Qualität in die Diskussion örtlicher und überörtlicher Ansätze bringen. Je<strong>de</strong>nfalls<br />

wer<strong>de</strong>n wir in Westfalen-Lippe in nächster Zeit intensiver die Chancen und Risiken eines Regionalbudgets<br />

(zumin<strong>de</strong>st) in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe prüfen.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Nach <strong>de</strong>n noch vorläufigen Ankündigungen von Herrn Staatssekretär Alber <strong>im</strong> ersten Teil <strong>de</strong>r Tagung<br />

wird <strong>de</strong>r zuständige Abteilungsleiter <strong>de</strong>s bran<strong>de</strong>nburgischen Sozialministeriums, Herr Schafft, einige<br />

Überlegungen seines Hauses skizzieren zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe, so wie sich das MASGF<br />

das aktuell in <strong>de</strong>r Vorbereitungsphase <strong>de</strong>r Gesetzesformulierung vorstellt. Dass <strong>de</strong>r Gesetzentwurf noch<br />

nicht vorliegt, hat ja wahrscheinlich etwas mit <strong>de</strong>m noch nicht abgeschlossenen Beratungsstand <strong>de</strong>s<br />

Vorhabens zu tun. Insofern sind wir sehr interessiert zu hören, wie sich das Ministerium <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen,<br />

die <strong>im</strong> ersten Teil <strong>de</strong>r Tagung formuliert wor<strong>de</strong>n sind und <strong>de</strong>m, was sich zur Zeit in <strong>de</strong>r politischen<br />

Landschaft bewegt, stellt und was wir <strong>de</strong>mnächst zu erwarten haben für die Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.


VIII. Peter Schafft, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie, Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

73<br />

Zur Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Zunächst darf ich Ihnen, Frau Abgeordnete, Herren Professoren, verehrte Kolleginnen und Kollegen<br />

und Damen und Herren sagen, dass dies eigentlich Herr Staatssekretär Alber selbst hier vortragen wollte,<br />

aber das hat nun an<strong>de</strong>rer Dinge wegen nicht geklappt. Sie haben die Vorläufigkeit – ich hab’s selbst<br />

nicht vernehmen können – seiner Hinweise betont; es wäre neu, dass <strong>de</strong>r, wenn auch zuständige Abteilungsleiter,<br />

in irgen<strong>de</strong>inem Ministerium an <strong>de</strong>r Stelle weitergehen könnte, dürfte, sollte als sein Staatssekretär.<br />

Aber in <strong>de</strong>r Vorläufigkeit vielleicht für einige Aufklärung zu sorgen, möchte ich unternehmen.<br />

Ich habe eben noch versucht, mich kundig zu machen, wie weit Herr Schädler Ihnen zur bun<strong>de</strong>srechtlichen<br />

Rechtslage vorgetragen hat – nämlich bei <strong>de</strong>r Frage, was wir aus <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>srecht nutzen wollen.<br />

Da will ich aber noch mal in Absprache mit ihm ganz kurz drauf eingehen.<br />

Ausgangspunkt ist zunächst mal, dass das Ausführungsgesetz zum SGB XII befristet ist bis zum Jahresen<strong>de</strong><br />

2006. Das hat <strong>de</strong>n Hintergrund, dass die Neuregelung <strong>de</strong>s § 97 SGB XII, die referiert wor<strong>de</strong>n<br />

ist, auf die ich noch mal komme, erst am 01.01.2007 in Kraft tritt. Dazu soll passgenau dann auch eine<br />

neue Regelung <strong>im</strong> Land geschaffen wer<strong>de</strong>n.<br />

Diejenigen, die in <strong>de</strong>r Praxis hier stehen, teilweise jetzt, Frau Abgeordnete, auf gewechselter Ebene, die<br />

wissen, dass hier sich in <strong>de</strong>n Zuständigkeiten voraussichtlich gar kein großer Wechsel ankündigt, aber<br />

möglicherweise in <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Kostentragung. Wir haben – das wissen diejenigen, die in <strong>de</strong>r Praxis stehen,<br />

vorhin wur<strong>de</strong> es von Frau Vorholz erwähnt – seit 1994 eine Übertragung <strong>de</strong>r wesentlichen Aufgaben<br />

auf die Kommunen, also auch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r stationären, d. h., wir haben das Problem <strong>de</strong>s Auseinan<strong>de</strong>rfallens<br />

in <strong>de</strong>r Entscheidung gegenüber <strong>de</strong>n Klienten eigentlich seit 1994 überwun<strong>de</strong>n. Aber die<br />

ambulanten Maßnahmen fallen <strong>de</strong>m Kreishaushalt zur Last, die stationären Kosten kann <strong>de</strong>r Kreis gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Land durch die Kostenerstattung nach Artikel 97 <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverfassung geltend machen.<br />

In <strong>de</strong>r Situation hat das Land (nur das will ich jetzt auch darstellen, um die Debatte jetzt nicht mit zu viel<br />

Historie zu belasten) zwischenzeitlich versucht, <strong>de</strong>m Gedanken <strong>de</strong>s Eigeninteresses <strong>de</strong>s Kreises durch<br />

eine Quotierung, durch eine Zusammenfassung erstmals aller Kosten und dann eine quotierte Aufteilung<br />

<strong>de</strong>r Kosten auf Kreise und Lan<strong>de</strong>shaushalt Rechnung zu tragen („93:7“ als Stichwort). Dazu hat<br />

das Land einen Fallzahl<strong>de</strong>ckel eingeführt – das war allerdings dann <strong>de</strong>r zentrale Punkt für das Lan<strong>de</strong>sverfassungsgericht,<br />

angerufen von zwei Kreisen – zu sagen, so geht’s nicht. Zentrales Argument war:


74<br />

Die Regelung schließt aus, dass <strong>de</strong>r einzelne Kreis <strong>de</strong>n bei ihm bestehen<strong>de</strong>n Bedarf dann selbst steuern<br />

kann. Dies muss einem Kreis möglich sein - das gilt auch (das will ich gleich vorweg nehmen) für<br />

die Erfüllbarkeit von Standards und Maßstäben. In bei<strong>de</strong>n Bereichen muss das Land die Konsequenzen<br />

seiner Entscheidung, seiner Aufgabenübertragung <strong>de</strong>r Sache nach o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Maßstab nach tragen.<br />

Das ist die zentrale Botschaft dieses Urteils gewesen. Insoweit greift die Konnexität, und das sag ich<br />

auch zu Herrn Profazi, wir haben eben nicht die Situation wie bei Ihnen – gewachsene Aufgabenübertragung<br />

und spätere Konnexitätsverän<strong>de</strong>rungen, schon gar nicht in <strong>de</strong>m Maße, in <strong>de</strong>m das in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

entschie<strong>de</strong>n ist. Wir haben hier eine Situation, in <strong>de</strong>r auch eine vergleichsweise kleine Än<strong>de</strong>rung in<br />

<strong>de</strong>m angesprochenen Verfassungsgerichtsurteil ausdrücklich als konnexitätsrelevant betrachtet wur<strong>de</strong>,<br />

und zwar dann für die Gesamtaufgabe.<br />

Das also als Ausgangspunkt und ich teile die Einschätzung, wenn ich jetzt auf die Rahmenbedingungen<br />

für die Neuregelung schaue, dass auf bun<strong>de</strong>srechtlicher Ebene sich, vorbehaltlich <strong>de</strong>ssen, was sich<br />

nach <strong>de</strong>m 18. September tut, nicht viel ergeben wird. Ich will mal auf einen Punkt hinweisen, <strong>de</strong>r passte<br />

vorhin (Frau Dr. Vorholz hat’s angesprochen), das Teilhabegeld für Behin<strong>de</strong>rte. Die Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

größeren Oppositionsfraktion <strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>stag hat in einem Interview 2004 ausdrücklich ein Teilhabegeld<br />

bejaht. Bemerkenswerterweise ist ihr Wahlprogramm das einzige, bei <strong>de</strong>m das Wort Behin<strong>de</strong>rte überhaupt<br />

nicht vorkommt. Also das scheint auch nicht so direkt aktuell für <strong>de</strong>n Fall einer Regierungsbildung<br />

zu sein. Ich glaube also, dass da nicht so furchtbar viel zu erwarten ist.<br />

Persönliches Budget will ich jetzt auch übergehen. Ich darf eine Anmerkung machen, <strong>de</strong>r Bund hat ja<br />

gesagt, wir probieren mal eine Reihe von Mo<strong>de</strong>llvorhaben. Sie haben eines in NRW, wir haben in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

lei<strong>de</strong>r keins. Wir hatten <strong>de</strong>n Kreisen vorgeschlagen, <strong>im</strong> jetzt inzwischen schon wie<strong>de</strong>r abgelösten<br />

Ausführungsgesetz eine Mo<strong>de</strong>llvorschrift, die aber <strong>de</strong>swegen wohl nicht zum Tragen gekommen ist<br />

(da hätte man auch lan<strong>de</strong>srechtlich was machen können), weil das ganze Gesetz eben zeitlich begrenzt<br />

ist und Vorhaben, die dann 2006 en<strong>de</strong>n, verständlicherweise aus <strong>de</strong>r Sicht auch <strong>de</strong>rer, die ja daran<br />

Interesse hatten, keinen großen Sinn machten. Ansonsten ist das in <strong>de</strong>r Tat eine ganz eigene Baustelle,<br />

die möchte ich hier nicht vertiefen.<br />

Wenn wir also jetzt zum Ausführungsgesetz, zu <strong>de</strong>n Rahmenbedingungen, kommen, will ich hier jetzt<br />

noch <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Beson<strong>de</strong>rheiten nennen. Auch bei uns - nicht nur in Nordrhein-Westfalen - gibt es<br />

historisch bedingte stationäre Großeinrichtungen, überwiegend mit kirchlicher Tradition. Aber auch das<br />

Land gehört mit seinen Lan<strong>de</strong>skliniken ja selbst zu <strong>de</strong>n Schwergewichten in <strong>de</strong>n Einrichtungen und hat<br />

<strong>im</strong> Übrigen selbst über etwa 2000 Personen enthospitalisiert. Das kann man – ohne das jetzt voll


75<br />

gleichsetzen zu wollen – mit „ambulant vor stationär“ in Beziehung setzen: auch da ist ein Prozess von<br />

stationärer Versorgung zu betreutem Wohnen o<strong>de</strong>r zu teilstationärer Versorgung gelaufen, - je<strong>de</strong>nfalls<br />

in <strong>de</strong>r Regel -.<br />

Wir sehen also: es geht. Sicher ist die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe <strong>im</strong> Übrigen - also sozusagen „<strong>de</strong>r Normalfall“<br />

- damit nicht ohne weiteres vergleichbar. Das setzte an einem an<strong>de</strong>ren Zeitpunkt <strong>im</strong> Prozess ein: hier<br />

will ich meine persönliche Interpretation dieses Vorrangs in <strong>de</strong>r Koalitionsvereinbarung nennen - da geht<br />

es nicht wie bei <strong>de</strong>r Enthospitalisierung um eine nachgehen<strong>de</strong> Entscheidung, son<strong>de</strong>rn um eine Aufgabe<br />

<strong>de</strong>r Prävention. Es geht um die Entscheidungen, wenn die Weichen <strong>im</strong> Einzellfall für <strong>de</strong>n Hilfebedarf<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n. Es geht darum, die Möglichkeiten ambulanter Versorgung überhaupt wählen zu können.<br />

Das setzt aber - und da komme ich zur nächsten Rahmenbedingung - voraus, dass dort wo <strong>de</strong>r<br />

Hilfsbedürftige und seine Familie leben, ortsnahe Versorgung angeboten wird, <strong>de</strong>nn auch das ist natürlich<br />

in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> einem Flächenland, ein wichtiges Ziel.<br />

Gegenwärtig funktioniert das teilweise an<strong>de</strong>rs - ich will das an einem Beispiel zeigen, das so vorgetragen<br />

wor<strong>de</strong>n ist von <strong>de</strong>r Leiterin einer Wohnstätte: Begeistert über ihren Neubau hat sie beschrieben,<br />

dass da ein älteres Ehepaar (so an <strong>de</strong>r Rente) gekommen sei und gesagt habe, das sei aber wun<strong>de</strong>rschön,<br />

jetzt hätten sie ihren schwerbehin<strong>de</strong>rten Jungen, <strong>de</strong>n sie 25 Jahre versorgt hätten, gern dorthin<br />

gegeben. Das seien ja nur ein paar Meter und sie könnten schon nach <strong>de</strong>m Frühstück hingehen.<br />

Die Frage, ob dort ein familienentlasten<strong>de</strong>r Dienst möglicherweise <strong>de</strong>n Eltern hätte helfen können, wenn<br />

sie es <strong>de</strong>nn so hätten haben wollen, die hat sich offensichtlich dort niemand gestellt. So hat das Angebot<br />

- wie es da war - <strong>de</strong>n neuen Hilfebedarf geschaffen.<br />

Und damit sind wir genau be<strong>im</strong> Problem, dass wir auch erstmal Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Versorgungsstrukturen<br />

haben. Natürlich, Sie alle kennen das vom SGB XI, da haben sich in <strong>de</strong>n dichter besie<strong>de</strong>lten Regionen<br />

die ambulanten Pflegedienste viel schneller gebil<strong>de</strong>t als in <strong>de</strong>n ländlichen Regionen, ganz einfach,<br />

weil sie betriebswirtschaftlich schneller in die schwarzen Zahlen kommen, wenn die Wege, die Zeit<br />

kosten, und Ausfallzeiten damit viel geringer sind. Das ist erstmal nahe liegend.<br />

Und dann haben wir natürlich Regionen mit Großeinrichtungen und ohne. Wobei das Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />

von Großeinrichtungen nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Es kann aber ein Problem sein für ambulante<br />

Strukturen, vor allem wenn die Großeinrichtungen sogar <strong>de</strong>m Kreis gehören und <strong>de</strong>r naturgemäß<br />

als Eigentümer/Gesellschafter ein in die Fachpolitik reichen<strong>de</strong>s Interesse entwickeln kann, dass<br />

die Auslastung <strong>de</strong>r kommunalen Einrichtungen nicht durch alternative ambulante Strukturangebote gefähr<strong>de</strong>t<br />

wird.


76<br />

Eine Großeinrichtung kann aber auch positiv wirken. Ich weise ausdrücklich auf das Beispiel eines<br />

Landkreises mit einer Großeinrichtung hin. Dort ist es gelungen – <strong>im</strong> Zusammenwirken von Kreis und<br />

Einrichtung – aus <strong>de</strong>m stationären Bereich auch ambulante Strukturen zu entwickeln. Das was in <strong>de</strong>r<br />

Pflegewirtschaft auch gesagt wird, was insgesamt in <strong>de</strong>r Wirtschaft geht, heißt aber nur, dass punktuell<br />

Abhilfe möglich ist. Das ist keine Strukturfrage. Ich will nur sagen, die Rahmenbedingungen sind unterschiedlich.<br />

Da haben wir nun aber die Situation, dass durch die Kostenerstattung in einem Teilbereich<br />

einer Hilfeart eine Trennungslinie zusätzlich wirkt: wird ambulante statt stationärer Hilfe in Anspruch<br />

genommen, verschiebt sich die Kostenlast auf <strong>de</strong>n örtlichen Träger. Diese Trennungslinie wollen wir alle<br />

unisono nicht mehr. Das ist auch aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s so. Wir haben ja jetzt auch <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sgesetzgebers, dass Verantwortung und Kostenlast für die Hilfearten zusammen geführt wer<strong>de</strong>n<br />

sollen.<br />

Gegenwärtig haben wir aber das Problem, dass das, was <strong>im</strong> Kreis fachpolitisch sinnvoll sein kann,<br />

zugleich haushaltsmäßig aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Kreises nachteilig sein kann: Je<strong>de</strong>r von Ihnen mag sich<br />

vorstellen, ich sei <strong>de</strong>r Sozialamtsleiter und Sie seien Kämmerer o<strong>de</strong>r Kämmereileiter, ich will von Ihnen<br />

eine Anschubfinanzierung, damit wir <strong>im</strong> Kreis vielleicht noch eine zusätzliche o<strong>de</strong>r überhaupt eine erstmalige<br />

ambulante Hilfeleistung durch familienentlasten<strong>de</strong> Dienste bekommen; dann wer<strong>de</strong>n Sie kritisch<br />

schauen und sagen, erstens verlangst du Geld von mir für diese Anschubfinanzierung – die müssen wir<br />

doch eigentlich gar nicht bezahlen – und dann: Was ist die weitere Folge? Die so ermöglichten ambulanten<br />

Leistungen für die Menschen für die ich da sorgen will, weil die Familie, vielleicht die Eltern sie<br />

behalten und nicht stationär unterbringen wollen, die Leistungen zahlt dann auf einmal <strong>de</strong>r Kreishaushalt.<br />

Gibt es die ambulanten Strukturen nicht, gibt es keine ambulanten Leistungen, bleibt es bei <strong>de</strong>r<br />

stationären Versorgung - dann kann <strong>de</strong>r Kreis die Rechnungen weiter an das Land schicken. Das ist die<br />

gegenwärtige Lage.<br />

Das heißt, Sie haben einen eingebauten Interessenkonflikt, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs gesagt, kein Eigeninteresse<br />

(Herr Profazi hat so schön gesagt) an „günstiger und besser“. Günstiger ist es für <strong>de</strong>n Kreiskämmerer<br />

nach gegenwärtiger Lage allemal, wenn die ambulanten Dienste vor Ort nicht so ausgebaut sind und<br />

damit stationäre Versorgung lei<strong>de</strong>r angesagt ist und das Land die Rechnung bekommt.<br />

Diese Interessenlage ist aufgrund <strong>de</strong>r Kostenerstattungssituation unabweisbar. Wie können wir das<br />

auflösen? Nach <strong>de</strong>m, was Sie heute Morgen gehört haben – ich fange mal an mit Frau Dr. Vorholz – ist<br />

das Herrunterzonen ja auch Auftrag an die Regierung. Bürgernähe ist unstreitig die Anfor<strong>de</strong>rung, aber<br />

es ist auch sachlich nachvollziehbar, dass es da Aufgaben gibt, für die eine zentrale Steuerung Sinn


77<br />

macht. Das ist auch aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Ressourceneinsatzes sinnvoll: Das gilt für die bisher <strong>im</strong> Lan<strong>de</strong>samt<br />

erledigten Aufgaben, vor allem für die Entgeltverhandlungen. Das wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt und die<br />

weiteren hier noch anwesen<strong>de</strong>n Kolleginnen und Kollegen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>samtes bestätigen.<br />

Warum kommt so eine Regelung dann nicht in ein Lan<strong>de</strong>sgesetz? Dazu muss ich wie<strong>de</strong>r auf unsere<br />

Rahmenbedingungen kommen, dass heißt hier auf unsere Verfassung: Wenn wir die Entflechtung <strong>de</strong>r<br />

Finanzverantwortung wollen, müssen wir <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Kostenerstattung an die Kommunen zum Ausgleich<br />

gesetzlich übertragener Aufgaben vermei<strong>de</strong>n. Regelt <strong>de</strong>r Bund eine Aufgabenübertragung und<br />

fin<strong>de</strong>t insoweit die Finanzierung <strong>im</strong> Wege eines allgemeinen Finanzausgleiches statt, dann entfällt auch<br />

die Möglichkeit lan<strong>de</strong>srechtlicher Standards. Und ich glaube - das hatte ich vorhin aber auch sowohl bei<br />

Frau Dr. Vorholz wie auch bei Herrn Profazi verstan<strong>de</strong>n - dass es auch Sinn macht, dass die Entgeltverhandlungen<br />

dann von <strong>de</strong>n Kommunen selbst geführt wer<strong>de</strong>n, schon von <strong>de</strong>r Interessenlage her.<br />

Jetzt könnte man sagen: Dann schreibt doch ins Gesetz rein, die Kommunen sollen einen Kommunalverband<br />

o<strong>de</strong>r eine Kopfstelle be<strong>im</strong> Landkreistag bil<strong>de</strong>n, weil das für sie wirtschaftlicher ist, <strong>de</strong>nn sie<br />

brauchen <strong>de</strong>n Fachverstand nicht 18 mal vorhalten. Und tatsächlich ist es auch für die Einrichtungsträger<br />

vorteilhaft, es hat auch für sie und ihre Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> Vorteile, wenn es da eine Bün<strong>de</strong>lung gibt.<br />

Auch aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Ressorts ist es ein unbestreitbarer Vorteil. Das Problem ist Folgen<strong>de</strong>s: Wenn<br />

das Land die Gründung eines Verban<strong>de</strong>s durch Gesetz o<strong>de</strong>r Verordnung vorgibt, dann ist wie<strong>de</strong>r die<br />

Konnexitätsgrenze überschritten. Dann greift für <strong>de</strong>n Verband für seine eigenen und die Transferausgaben<br />

wie<strong>de</strong>r Artikel 97 <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverfassung. Die gewünschte Zusammenführung von Sachentscheidungsbefugnis<br />

und Finanzlastverantwortung ist wie<strong>de</strong>r dahin und ich erreiche nicht das, was noch mal<br />

das Beispiel ver<strong>de</strong>utlichen soll:<br />

Wenn <strong>de</strong>r Kämmerer <strong>im</strong> Landkreis die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe als Selbstverwaltungsaufgabe aus<br />

<strong>de</strong>n Schlüsselzuweisungen <strong>de</strong>s Finanzausgleichs finanzieren muss - natürlich aufgestockten<br />

Schlüsselzuweisungen - dann ist er an „günstiger“ und „besser“ auch in diesem Bereich interessiert.<br />

Wenn jetzt <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>zernent zu ihm kommt und ambulante Strukturen für ambulante<br />

Einglie<strong>de</strong>rungshilfemaßnahmen voranbringen will, dann gibt es kein Gegeninteresse (Kostenvermeidung),<br />

son<strong>de</strong>rn ein gemeinsames Ziel - wie es Herr Profazi auf <strong>de</strong>r schönen Graphik gebracht<br />

hat - „besser und kostengünstiger“.<br />

Was die Steuerung angeht, bleibt unstreitig die Frage, wie die notwendigen Verbün<strong>de</strong> geschaffen wer<strong>de</strong>n.<br />

Dies ist dann Sache <strong>de</strong>r Kommunen, das Land kann nur mo<strong>de</strong>rieren.


78<br />

Was <strong>de</strong>n finanziellen Ausgleich <strong>im</strong> Rahmen einer Lösung nach Artikel 99 <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverfassung angeht,<br />

muss ich zunächst allein vom Verfahren her darauf hinweisen, dass <strong>de</strong>r Finanzminister einen Beirat für<br />

Kommunalfinanzen hat, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gesamtentwurf vom Finanzministerium und vom MASGF vorgetragen<br />

wer<strong>de</strong>n wird - also einmal die Ausführungsregelung zu § 97 SGB XII und zum an<strong>de</strong>ren die Regelung<br />

<strong>de</strong>s Finanzausgleichs. Dabei muss ich jetzt ausdrücklich sagen, dass noch nicht entschie<strong>de</strong>n ist,<br />

was natürlich beson<strong>de</strong>rs wichtig ist, wonach sich auch Frau Dr. Vorholz gleich erkundigt hat: Wie die<br />

Ausgleichsregelung <strong>de</strong>nn ausgestattet ist.<br />

Ich kann nur sagen, dass nach meinem ganz persönlichen Eindruck ein Mittun <strong>de</strong>r Kommunen auch<br />

davon abhängt, dass die Ausgleichsregelung nach Auskömmlichkeit und Fortdauer eine gewisse Handlungssicherheit<br />

garantiert. Zeitlich mag das einen Umfang haben wie etwa die lan<strong>de</strong>seigene mittelfristige<br />

Finanzplanung.<br />

Dann gibt es noch ein Problem - Herr Professor Kruckenberg, Sie sprachen es eben an - nämlich die<br />

Frage, wie mit <strong>de</strong>n unterschiedlichen Kreisbelastungen umgegangen wird. Sie haben auch für das Verfassungsgericht<br />

eine erhebliche Rolle gespielt. Es gibt die Kreise mit <strong>de</strong>n großen Trägern, es gibt eine<br />

erhöhte regionale Bedarfsorientierung durch ihr Vorhan<strong>de</strong>nsein. Auch wenn die Kreisbelastung <strong>im</strong> Einzelfall<br />

nicht vom Einrichtungsstandort, son<strong>de</strong>rn vom letzten Wohnsitz best<strong>im</strong>mt wird, korrelieren die<br />

stationären Einglie<strong>de</strong>rungshilfe-Fallzahlen nicht mit <strong>de</strong>n Einwohnerzahlen. Wie das ausgeglichen wird,<br />

muss <strong>im</strong> Einzelnen noch geklärt wer<strong>de</strong>n. Das sind natürlich Fragen, bei <strong>de</strong>nen naturgemäß die Interessen<br />

auf <strong>de</strong>r kommunalen Seite, ohne unschicklich ins Detail zu gehen, auch zwischen <strong>de</strong>n Ressorts<br />

noch nicht völlig übereinst<strong>im</strong>men. Da ist <strong>de</strong>r politische Entscheidungsprozess noch <strong>im</strong> Gange. Deswegen<br />

kann ich Ihnen, Herr Professor Kruckenberg, auch nicht mehr sagen. Ich kann jetzt noch die Zeitfolge<br />

<strong>im</strong> Verfahren nennen und dabei will ich es dann auch bewen<strong>de</strong>n lassen: Der vorgesehene Entscheidungsgang<br />

sieht so aus, dass <strong>de</strong>m Kabinett noch <strong>im</strong> vierten Quartal ein Gesetzentwurf vorgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n soll, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Vorstellung je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>s MASGF die Finanzausgleichsregelung ab 2007 in<br />

einem eigenen Artikel mit enthalten soll. Künftig müsste das dann <strong>im</strong> normalen Rhythmus <strong>de</strong>r Finanzausgleichsgesetzgebung<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s mit fortgeschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

Das ist die in <strong>de</strong>n Grundzügen zwischen <strong>de</strong>n beteiligten Ministerien abgesprochene Linie. Ob die skizzierten<br />

Ziele mit <strong>de</strong>m skizzierten Instrumentarium erreicht wer<strong>de</strong>n können, steht natürlich in vielfältiger<br />

Diskussion. Da sind wir hinsichtlich <strong>de</strong>r Zusammenführung von fachlicher Entscheidungszuständigkeit<br />

und Kostenverantwortung an <strong>de</strong>m Diskussionsstand, <strong>de</strong>n ich redlicherweise nicht schöner malen kann<br />

als er ist.


IX. Podiumsdiskussion<br />

Sylvia Lehmann, Mitglied <strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>ischen Landtages<br />

Thomas Dane, Sprecher <strong>de</strong>r LIGA <strong>de</strong>r Spitzenverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Freien Wohlfahrtspflege<br />

Rainer Kluge, Lan<strong>de</strong>sbehin<strong>de</strong>rtenbeauftragter <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Dr. Johannes Schädler<br />

Dr. Irene Vorholz<br />

Thomas Profazi<br />

Prof. Dr. Peter Kruckenberg<br />

Peter Schafft<br />

79<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Meine Damen und Herren, Herr Schafft hat die Gelegenheit genutzt, die Wahrnehmung <strong>de</strong>r zu lösen<strong>de</strong>n<br />

Probleme durch das Sozialministerium aus <strong>de</strong>r Sicht seines Hauses präzise zu beschreiben. Was natürlich<br />

in diesem Kontext interessiert, ist die Frage – wo verortet eigentlich Ihr Haus das Interesse an<br />

dieser konzeptionellen Verän<strong>de</strong>rung, wer soll diese konzeptionelle Verän<strong>de</strong>rung tragen? Es reicht ja<br />

nicht aus, dass wir miteinan<strong>de</strong>r gere<strong>de</strong>t haben. Wer soll in diesem unglaublich schwierigen Prozess –<br />

wenn er gleich auch nicht soviel Geschichte hat wie bspw. die Geschichte, die Herr Profazi beschrieben<br />

hat aus Nordrhein-Westfalen – die Umgestaltung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe vorantreiben? Ich <strong>de</strong>nke das<br />

ist ein Punkt, <strong>de</strong>r uns noch sehr bewegen muss heute, weil sonst die Verän<strong>de</strong>rung <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

möglicherweise nur formal bleibt. Wo liegt <strong>de</strong>r Ansatzpunkt für <strong>de</strong>n Umbau und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

ambulanten Sektors?<br />

Herr Dr. Schädler hatte festgestellt, Kommunalisierung allein löst nicht die Probleme <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe,<br />

er hat das auch eindrücklich begrün<strong>de</strong>t. Frau Dr. Vorholz hat als wichtige These herausgearbeitet<br />

– wir müssen <strong>im</strong> Prinzip neue Ressourcen – nämlich auch bei <strong>de</strong>m sozialen Umfeld <strong>de</strong>r Betroffenen<br />

- anzapfen, um die Finanzprobleme zu regeln. Herr Profazi hat ganz provokativ formuliert, wer gibt<br />

<strong>de</strong>nn eigentlich die Steuerungsgesichtspunkte für die Entscheidungen vor? Und Herr Professor Kruckenberg<br />

resümierte, Entscheidungen entwickeln sich von unten o<strong>de</strong>r überhaupt nicht. Aber was wir <strong>im</strong><br />

Moment haben ist, dass die Basis relativ wenig zum Zuge kommt.<br />

Wir hatten uns darauf verständigt, dass wir die Podiumsdiskussion zügig öffnen wer<strong>de</strong>n, aber wir wollen<br />

<strong>de</strong>n drei neuen Podiumsteilnehmern, die Möglichkeit geben, eine Stellungnahme abzugeben.


80<br />

Sylvia Lehmann:<br />

Ich wür<strong>de</strong> sagen, das SGB XII eröffnet uns ja jetzt die Chance und die Möglichkeit, die Verantwortung,<br />

die inhaltliche und finanzielle Verantwortung einheitlich zu regeln. Damit haben wir ja nun eine Chance.<br />

Das ist für mich aber nicht nur schlechthin ein strukturelles Problem. Und das wür<strong>de</strong> ich bitteschön auch<br />

nicht nur aus finanzieller Sicht betrachten wollen. Son<strong>de</strong>rn, dass ist in <strong>de</strong>r Tat eine Chance, die wir in<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> haben, hier auch eine Reform <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe durchzuführen und nun<br />

wirklich in <strong>de</strong>r Tat zum Paradigmenwechsel zu kommen und diesen auch mit Leben zu erfüllen und in<br />

<strong>de</strong>r Tat vor Ort umzusetzen.<br />

Und weiterhin möchte ich sagen – nicht dass Sie glauben, das Gesetzgebungsverfahren ist gehe<strong>im</strong>e<br />

Verschluss-Sache – das klang ja nun schon fast so. Es wäre natürlich toll gewesen, wenn wir hier und<br />

heute <strong>de</strong>n Gesetzentwurf schon vorzuliegen hätten, dann hätten wir richtig mit <strong>de</strong>n Fachleuten ein<br />

Brainstorming dazu machen können und über inhaltliche Fragen sprechen können. So ist es eben nicht,<br />

es wird später diskutiert. Aber ich weiß ja, die Fachverbän<strong>de</strong> sind dann auf alle Fälle an solch einem<br />

Gesetzgebungsverfahren beteiligt und können dann auch ihre Be<strong>de</strong>nken einbringen.<br />

Wenn es um die einheitliche Verantwortung geht – inhaltlich und finanziell – da wür<strong>de</strong> ich Ihnen gerne<br />

sagen, dass ich da schon gewisse Sorgen habe. Denn – na klar macht es Sinn, die Verantwortung nach<br />

unten zu geben, na klar macht es Sinn, die inhaltliche und finanzielle Steuerung vor Ort vorzunehmen –<br />

aber es muss dann auch eine Steuerung geben. Und dann die Sorgen, die mich begleiten, wie gewährleisten<br />

wir dort die Frage <strong>de</strong>r Qualität. Wie gewährleisten wir das ganze Verfahren Hilfeplan. Welche<br />

Arbeitsinstrumente geben wir uns und ich als Lan<strong>de</strong>spolitikerin habe natürlich das große Interesse, dass<br />

wir eine ausgewogene, gleichwertige Entwicklung in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> haben – nicht dass das <strong>de</strong>r eine<br />

Landkreis so macht und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re so macht. Also das sind so meine Sorgen und Probleme, die ich<br />

noch habe. Aber vielleicht kommen wir ja heute in <strong>de</strong>r Diskussion ein Stück weiter.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Kluge, als Behin<strong>de</strong>rtenbeauftragter vertreten Sie die Menschen, die es eigentlich betrifft. Die sind<br />

heute überhaupt noch nicht zu Wort gekommen. Von da aus bitte ich Sie, jetzt einfach von Ihrer Position<br />

aus Stellung zu nehmen.<br />

Rainer Kluge:<br />

Ich habe die ganze Thematik sehr bewusst verfolgt und eben erst einmal gut zugehört. Dabei sind mir<br />

viele Gedanken und Fragen durch <strong>de</strong>n Kopf gegangen. Ich <strong>de</strong>nke aus Sicht <strong>de</strong>r Menschen mit Behin<strong>de</strong>-


81<br />

rungen, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfeempfänger geht’s eigentlich gar nicht unbedingt darum,<br />

wie viel Geld durch wen zur Verfügung gestellt wird, son<strong>de</strong>rn welche Leistungen mit wenig bürokratischem<br />

Aufwand als Inhalt herauskommen. Die Diskussion stationär o<strong>de</strong>r ambulant sollten wir gar nicht<br />

mehr weiter führen. Ambulante Versorgung hat die grundsätzliche Priorität vor stationärer und wir wer<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>n nächsten Jahren sehen, dass ambulante Strukturen überall Fuß fassen. Hierbei stehe ich<br />

auch auf <strong>de</strong>m Standpunkt, dass alles in einer Hand liegen muss, und die Steuerungselemente auf ein<br />

Min<strong>im</strong>um zentral reduziert wer<strong>de</strong>n müssen. Ich <strong>de</strong>nke, das ist das ganz Wichtige, die wichtigste Botschaft.<br />

Die zweite Botschaft, die ich hier geben will, steht unter <strong>de</strong>m Stichwort „Einglie<strong>de</strong>rung und Teilhabe“.<br />

Dies sind wun<strong>de</strong>rbare Begriffe wie auch „Paradigmenwechsel“. Wichtig ist mir, dass hinter diesen Begriffen<br />

eine praktische Philosophie stehen muss. Dazu stehe ich ohne Abstriche. Bloß wir müssen diese<br />

Dinge mit Leben täglich direkt erfüllen, dass nämlich die Betroffenen wissen, was dahinter steht. Und<br />

das ist das Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>:“ Was ist Teilhabe?“ Ist Teilhabe auch, dass <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfeempfänger,<br />

<strong>de</strong>r in einer Wohnstätte wohnt, selbst sagen und mitentschei<strong>de</strong>n kann, ich will heute mit meiner<br />

Freundin o<strong>de</strong>r meinem Freund ins Kino gehen. Es darf nicht sein, dass <strong>de</strong>r Betreuer sagt, geht nicht, ihr<br />

müsst zu Acht o<strong>de</strong>r zu Zehnt ins Kino gehen. Solche Fragen, die müssen diskutiert wer<strong>de</strong>n dürfen und<br />

die müssen dann natürlich auch finanziert wer<strong>de</strong>n können. Das muss ganz klar sein. Aber das ist die<br />

Diskussion, die mit Einglie<strong>de</strong>rung und Teilhabe zu tun hat.<br />

Ein dritter Gedanke, <strong>de</strong>n ich am Anfang dieser Diskussion einbringen will, und zwar die bekannte Auslegungsfrage,<br />

was ist Bedarf? Ich habe als Behin<strong>de</strong>rtenbeauftragter in <strong>de</strong>n letzten Jahren aufgrund von<br />

vielen Einzelfällen <strong>de</strong>n Eindruck gewonnen, dass sich Entscheidungsträger, respektive Kostenträger,<br />

zunehmend stark zurücklehnen und Ermessen fast gar nicht mehr ausüben. Es wird dabei zunehmend<br />

in an<strong>de</strong>re Kommunen, Landkreise o<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Absicht „rüber“-geschaut, wie man eben<br />

weniger o<strong>de</strong>r nicht bewilligen und damit einsparen kann. Und das Ganze obwohl Ermessensmöglichkeiten<br />

<strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r Betroffenen bestehen bzw. durch diverse Gerichtsurteile untersetzt sind. Ich kenne<br />

z. B. Einzelfälle Betroffener mit Gehörlosigkeit, bei <strong>de</strong>nen eine Nichtversorgung in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> durch<br />

Kommunen festgelegt wur<strong>de</strong>, obwohl in an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn eine Versorgung Normalität ist. Also<br />

solche Fragen, die darf und muss man stellen. Was ist welcher Bedarf und wer kann diesen <strong>im</strong> Sinne<br />

<strong>de</strong>r Gleichstellung und Selbstbest<strong>im</strong>mung angemessen richtig einschätzen.<br />

Eine vierte Feststellung in <strong>de</strong>m Zusammenhang am En<strong>de</strong> meiner ersten Wortmeldung. Dies hat auch<br />

etwas mit <strong>de</strong>m Klageweg zu tun: Es gibt eine zunehmen<strong>de</strong> Zahl von Mitarbeitern in Sozialbehör<strong>de</strong>n


82<br />

verschie<strong>de</strong>ner Ebenen, die stehen auf <strong>de</strong>m abwehren<strong>de</strong>n Standpunkt: Dann soll doch <strong>de</strong>r Betroffene<br />

klagen, wir wollen mal sehen, wo wir Rechtssicherheit haben. Erst dann haben wir die Möglichkeit zum<br />

Han<strong>de</strong>ln. Der Haken an <strong>de</strong>r Sache ist aber, dass diese Klagewege oft mehrere Jahre lang dauern. Das<br />

ist ja nun wirklich nicht <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Betroffenen. Darüber sollten wir uns alle auch mal ehrlicherweise<br />

ernste Gedanken machen.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Dane, als Sprecher <strong>de</strong>r LIGA schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust: Nicht nur das stationäre, son<strong>de</strong>rn<br />

auch das ambulante Herz. Und wenn ich das richtig wahrgenommen habe, hatte die LIGA relativ<br />

konkrete Vorschläge gemacht, wie man die Stärkung <strong>de</strong>s ambulanten Sektors und einen möglichen<br />

Umbau <strong>de</strong>s stationären Sektors zu Gunsten <strong>de</strong>s ambulanten Sektors vornehmen könnte. Wenn ich<br />

das richtig sehe, bro<strong>de</strong>lt da offensichtlich etwas, was noch nicht in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit gelan<strong>de</strong>t ist. Sie<br />

können uns best<strong>im</strong>mt sagen, wie die LIGA das sieht und was die LIGA dazu an Vorstellungen entwickelt<br />

hat. Die LIGA ist ja gleichzeitig ein Unternehmerverband, da steht eine ganze Menge an Kapital<br />

dahinter, das sind ja nicht nur Schul<strong>de</strong>n. Die Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> sind <strong>im</strong>merhin mächtige Wirtschaftsunternehmen.<br />

Thomas Dane:<br />

Die Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> sind Wirtschaftsunternehmen, nur lei<strong>de</strong>r häufig durch die Rahmenbedingungen<br />

daran gehin<strong>de</strong>rt, wirtschaftlich zu han<strong>de</strong>ln. Heute Morgen hat mir bei <strong>de</strong>m Vortrag von Herrn Schädler<br />

am besten die Aussage gefallen, dass eine Umorientierung <strong>de</strong>s Hilfesystems eine politisch gestützte<br />

Konzeption braucht. Und wir warten auf einen Gesetzentwurf, <strong>de</strong>m etwas fehlt - nämlich die politische<br />

Konzeption, die Zielvorstellung, die wir damit erreichen wollen. Verstan<strong>de</strong>n haben, glaube ich, alle,<br />

dass es darum geht, <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>shaushalt zu entlasten. Wir glauben als LIGA, dass das geht, dass man<br />

tatsächlich die Effizienz und Effektivität <strong>de</strong>s Systems <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe erhöhen kann, auch unter<br />

Berücksichtigung einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Zuständigkeitsregelung <strong>im</strong> Land. Aber dafür braucht es eine politische<br />

Konzeption. Frau Lehmann, das ist eigentlich Ihr Geschäft <strong>im</strong> Parlament. Im Parlament wird die<br />

Sache aber erst diskutiert, wenn aus <strong>de</strong>r Verwaltung die Vorlage kommt. Das halte ich für völlig falsch.<br />

Zweiter Aspekt, <strong>de</strong>r mir heute Morgen gefallen hat, war <strong>de</strong>r von Herrn Profazi eingebrachte Hinweis auf<br />

<strong>de</strong>n Spagat zwischen Kosten und Qualität, <strong>de</strong>r überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muss, in<strong>de</strong>m Standards geschaffen<br />

wer<strong>de</strong>n, und zwar überörtliche Standards. Das hat zur Konsequenz, Herr Schafft, dass man bei <strong>de</strong>r<br />

Neuregelung sehr genau differenzieren muss, was auf kommunaler Ebene dazu führt, dass Hilfe bedarfsgerechter<br />

und effektiver organisiert wer<strong>de</strong>n kann, und was dazu führt, dass es eine Chaotisierung


83<br />

und Anarchisierung <strong>de</strong>s gesamten Systems gibt. Nach unserer Überzeugung ist es zwingend, dass die<br />

qualitativen Standards und die finanziellen Regelungen überörtlich festgezurrt wer<strong>de</strong>n. Mit welcher Metho<strong>de</strong>,<br />

darüber mag es hier unterschiedliche Vorstellungen geben: ob das zwingend institutionell überörtlich<br />

verankert wer<strong>de</strong>n sollte, vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r unterschiedlichen Beteiligten<br />

auf Kostenträgerseite. Im Augenblick haben wir dafür eine gewisse Präferenz, glauben aber, dass<br />

das nicht durchsetzbar ist. O<strong>de</strong>r ob man es vertraglich regelt. Aber geregelt wer<strong>de</strong>n muss es.<br />

Ich erlaube mir hier einen Hinweis auf das System <strong>im</strong> Sozial- und Gesundheitsbereich, das <strong>im</strong> Augenblick<br />

<strong>de</strong>m größten Verän<strong>de</strong>rungsdruck unterliegt – nämlich das Gesundheitssystem, sprich <strong>de</strong>r Krankenhausbereich.<br />

Im Krankenhausbereich hat man die Zuständigkeit für die Entgeltfinanzierung geteilt.<br />

Man hat nämlich festgestellt, dass Entgelte eine Mengen- und eine Preiskomponente haben, hat die<br />

Aushandlung <strong>de</strong>r Mengenkomponente auf die <strong>de</strong>zentrale Ebene übertragen und die Aushandlung <strong>de</strong>s<br />

Preises, <strong>de</strong>r Preiskomponente, auf Bun<strong>de</strong>sebene angesie<strong>de</strong>lt. Also noch viel zentraler als wir hier überhaupt<br />

zu diskutieren vermögen. Und ich glaube, das ist <strong>de</strong>r richtige Weg: Wenn man die Entscheidung<br />

über Hilfen auch noch mit einer Preiskomponente belastet, dann erhält die fiskalische Durchdringung<br />

von Hilfeentscheidungen noch mehr Einzug als das bisher ohnehin schon <strong>de</strong>r Fall ist. Was heißt das<br />

konkret?<br />

Herr Dr. Schädler hatte heute Morgen eingeführt, er könnte sich vorstellen, die Abgrenzung „ambulant<br />

vor stationär“ aufzuheben. Das wäre zweckmäßig. Das hätte auch eine Menge weitere Vorteile und man<br />

könnte ganz praktisch in bei<strong>de</strong>n Bereichen die Fachleistungsstun<strong>de</strong> als Finanzierungsgrundlage nehmen.<br />

Wirklich eine hervorragen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e. Man hätte gleiche Entgelte – egal ob die Leistungen stationär<br />

o<strong>de</strong>r ambulant erbracht wer<strong>de</strong>n und man könnte gleichzeitig dazu übergehen, diese Fachleistungsstun<strong>de</strong><br />

überregional festzulegen und wür<strong>de</strong> doch <strong>de</strong>r kommunalen Ebene die Steuerungskompetenz, was<br />

die Menge <strong>de</strong>r Fachleistungsstun<strong>de</strong>n angeht, – und das scheint mir <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Punkt zu sein -,.<br />

übertragen. Also da waren viele wichtige Anregungen heute Morgen.<br />

Eine letzte Bemerkung vorab: Persönliches Budget ! Ich meine, dass das in die Diskussion hereingehört<br />

und nicht herausgehört. Die Frage nach <strong>de</strong>m persönlichen Budget – also warum das nicht genutzt wird<br />

– das sehe ich an<strong>de</strong>rs als Frau Vorholz. Der Gesetzgeber bombardiert uns mit Steuerungsmöglichkeiten<br />

und Steuerungsmo<strong>de</strong>llen, kann sich aber nicht für eins entschei<strong>de</strong>n. Eine Angebotsplanung als<br />

Steuerungsmöglichkeit korrespondiert nicht mit <strong>de</strong>m persönlichen Budget. Der Gesetzgeber muss sich<br />

entschei<strong>de</strong>n, ob er die Angebotsstrukturen <strong>de</strong>finieren und daran die Einrichtungsfinanzierung koppeln<br />

will o<strong>de</strong>r ob er die Steuerung in das Miteinan<strong>de</strong>r von Kostenträger und Menschen mit Behin<strong>de</strong>rung über-


84<br />

tragen will. Damit wür<strong>de</strong> er <strong>de</strong>n Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen die Möglichkeiten schaffen, auf die konkrete<br />

Ausgestaltung <strong>de</strong>r Hilfeform Einfluss zu nehmen. Bei<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>lle funktionieren nach meiner Überzeugung.<br />

Je mehr Autonomie <strong>de</strong>r Betroffenen hier zum Tragen kommt, umso bedarfsgerechter wird das<br />

System und umso ausdifferenzierter wird es. Das heißt, die Angebotsformen machen sich stärker an<br />

<strong>de</strong>n Bedürfnissen fest. Angebotsplanung führt <strong>im</strong>mer dazu, dass vorhan<strong>de</strong>ne Angebote bis zur Oberkante<br />

ausgenutzt wer<strong>de</strong>n und man Gefahr läuft, dass die Angebotsplaner an <strong>de</strong>n wahren Bedürfnissen<br />

<strong>de</strong>r Menschen vorbeiplanen.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Schafft, es sind ja eine ganze Menge Fragen jetzt in Richtung Ihres Hauses formuliert wor<strong>de</strong>n.<br />

Vielleicht können Sie versuchen, sich möglichen Antworten zu nähern.<br />

Peter Schafft:<br />

Zuerst bin ich mir sicher, dass die Koalition – unabhängig von <strong>de</strong>r staatsrechtlichen Verteilung in Regierung<br />

und Parlament – Wege fin<strong>de</strong>n wird, die Meinungsbildung politisch abzusichern. Das heißt, es gibt<br />

Wege, in <strong>de</strong>nen das geschieht, und <strong>im</strong> Übrigen ist das nicht nur bei <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Gegenstand so.<br />

Das zweite, was die Inhalte angeht, Sie können natürlich sagen, die Zuständigkeiten möchten wir runtergeben,<br />

aber gleichzeitig möchten wir Vorgaben machen. Ich habe vorhin selbst gesagt, dass die<br />

Sicht <strong>de</strong>s Landschaftsverban<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>n Nordrhein-Westfälischen Rahmenbedingungen nachvollziehbar<br />

ist. Ich habe selbst 19 Jahre in Nordrhein-Westfalen gelebt, das war in einem an<strong>de</strong>ren Landschaftsverband,<br />

aber auch da hat es funktioniert, wohl in an<strong>de</strong>rer Weise. Das ist Eines. Kommunalverbän<strong>de</strong> sind<br />

allerdings nicht nur Erfolgsstorys - das hab ich auch erlebt, an an<strong>de</strong>rer Stelle. Ich glaube aber, dass die<br />

Zentralität – so wie die Rahmenbedingungen bei uns sind – von <strong>de</strong>n Kommunen und Kreisen selbst<br />

gewollt und organisiert wer<strong>de</strong>n muss. Noch mal: gesetzliche Vorgaben kann ich mir nicht vorstellen,<br />

ohne dass dadurch die Konnexitätsfolge <strong>de</strong>r Pflicht <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s zur Kostenerstattung ausgelöst wird.<br />

Dieses Abrechnungsunwesen kann nicht <strong>de</strong>r richtige Weg sein. Da braucht man gar nicht bis zu <strong>de</strong>n<br />

dahinterstehen<strong>de</strong>n Problemen zu kommen, wenn Kosten- und Sachverantwortung auseinan<strong>de</strong>rfallen.<br />

Aber wir haben natürlich noch <strong>de</strong>n § 79, die Rahmenverträge. Das ist ein Instrument, bei <strong>de</strong>m wir schon<br />

bisher nicht weitergekommen sind. Dazu haben die Trägerverbän<strong>de</strong> gesagt: dass liegt an <strong>de</strong>n Kommunen.<br />

Eine Vertreterin <strong>de</strong>s Landkreistages ist da; sie kann <strong>de</strong>m auch aus ihrer Sicht wi<strong>de</strong>rsprechen. Wobei<br />

ich für mich persönlich sagen will, <strong>de</strong>r Eindruck, <strong>de</strong>n die Träger da haben, scheint mir so gänzlich<br />

unberechtigt nicht zu sein. Aber es ist keine rein einseitige Veranstaltung, dass da Rahmenvereinbarungen<br />

nicht zustan<strong>de</strong> kommen. Aber das sollen die, was <strong>de</strong>n ambulanten Bereich angeht, unmittelbar


85<br />

Beteiligten vielleicht selbst sagen. Da ist nun zu beachten, dass das SGB XII <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s § 79 die<br />

Möglichkeit geschaffen hat, Regelungen durch Verordnungen durchzusetzen wenn Rahmenvereinbarungen<br />

nicht zustan<strong>de</strong> kommen. Ich glaube nicht, dass das Instrument besser zur Steuerung dient als<br />

Rahmenvereinbarungen, die ihr nach <strong>de</strong>m Gesetz vorgehen. Der Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber hat hier <strong>de</strong>m<br />

Verhandlungsprinzip <strong>de</strong>n Vorrang vor einseitiger Regelungsbefugnis gegeben. Und es ist zwar schön,<br />

<strong>im</strong>mer nach <strong>de</strong>r einen Seite nach einer Regelungsbefugnis zu rufen, wenn man aber statt<strong>de</strong>ssen von<br />

<strong>de</strong>r eigenen Verhandlungsmacht mit Geschick Gebrauch machen muss, so dass ein an<strong>de</strong>rer auch drauf<br />

eingeht. Und das ist genau die Situation, die Probleme, die wir bei <strong>de</strong>n Rahmenvereinbarungen haben.<br />

Ich glaube nicht, dass das auf Dauer, also die nächsten vier bis fünf Jahre, alles rein auf Kreisebene<br />

entschie<strong>de</strong>n wird.<br />

Ich bin auch <strong>de</strong>r Meinung, dass eine Bün<strong>de</strong>lung auf kommunaler Ebene sinnvoll ist – die genannte Stelle<br />

be<strong>im</strong> Landkreistag o<strong>de</strong>r wo auch <strong>im</strong>mer; es ist richtig das es so etwas gibt und dass das Land zweitens<br />

ohne die verbleiben<strong>de</strong> restliche Entscheidungskompetenz über Verordnung zu beanspruchen,<br />

auch mo<strong>de</strong>rierend eingreifen muss.<br />

Das ist zwar ein weitergehen<strong>de</strong>r Prozess, wir müssen erst einmal die Verantwortung in <strong>de</strong>n Kreisen<br />

haben, und zwar gebün<strong>de</strong>lt mit <strong>de</strong>m vernünftigen Finanzvolumen – da gebe ich <strong>de</strong>n Vertretern <strong>de</strong>s<br />

Landkreistages Recht -, <strong>de</strong>nn ohne das ist das alles nichts. Dann ist es – wie es Herr Meusinger richtig<br />

gesagt hat – dann wäre dies eine reine Haushälterveranstaltung. Und ich habe das mit meinem Beispiel<br />

klar machen wollen, dass es auch vor Ort (mit <strong>de</strong>r Familie und <strong>de</strong>m Jungen), dass es da um richtige<br />

Entscheidungen <strong>im</strong> Einzelfall geht. Und dass (wie Herr Profazi das gesagt hat) „Billiger und Besser“<br />

zusammen kommen müssen auf <strong>de</strong>r kommunalen Ebene. Das ist aber erst mal <strong>de</strong>r Weg, dass wir dann<br />

eine Steuerung brauchen, die die Kommunen aber selber wollen müssen. Wir sind <strong>im</strong> Moment aber<br />

nicht an <strong>de</strong>r Stelle, dass die Kreise sich auch nur entfernt zu einer gemeinsamen Lösung zusammen<br />

fin<strong>de</strong>n wollen. Ich zweifle das sie <strong>im</strong> Moment vom Land (das wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Kollegin Klocek eben erwähnt)<br />

bei Verhandlungen beraten wer<strong>de</strong>n wollen. Ich hab <strong>im</strong> Moment Zweifel, ob die Kommunen selbst<br />

sagen, dass sie <strong>de</strong>r Beratung bedürfen. Und glauben Sie doch nicht, dass <strong>de</strong>r Finanzminister ein Beratungsangebot<br />

finanziert, bei <strong>de</strong>m die Kreise selber sagen, wir brauchen es nicht.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Schafft, grundsätzlich kann man unterstellen, dass je<strong>de</strong>s Ministerium ein Eigeninteresse hat. Was<br />

Sie uns heute vermitteln, dass Ihr Haus gar kein eigenes Interesse hat, son<strong>de</strong>rn es sogar sozusagen<br />

ein Neutrum ist, was von an<strong>de</strong>rn gefüllt wer<strong>de</strong>n will, das vermittelt sich nur schwer. Es ist <strong>im</strong>mer gute<br />

Tradition <strong>de</strong>r Administration, konzeptionell vorzuarbeiten, Dinge zu überlegen, wie ganz best<strong>im</strong>mte Probleme<br />

einer Lösung zugeführt wer<strong>de</strong>n können. Wer könnte <strong>de</strong>nn in diesem Prozess so etwas wie eine


86<br />

Gesamtverantwortlichkeit entwickeln o<strong>de</strong>r wo wür<strong>de</strong>n Sie in diesem Prozess das Verän<strong>de</strong>rungsinteresse<br />

verorten?<br />

Peter Schafft:<br />

Also erstens gibt es eine politische Vorgabe. Der Apparat ist nicht dazu da, Koalitionsvereinbarungen<br />

vorzugeben, son<strong>de</strong>rn bekommt sie vorgegeben. Das ist auch gut so. Sie haben alle gewählt. Je<strong>de</strong>nfalls<br />

die, die in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> gewählt haben, wür<strong>de</strong>n das vermutlich von <strong>de</strong>n Vertretern, soweit sie die Regierungsparteien<br />

gewählt haben, erwarten, dass diese die Ziele <strong>de</strong>m Ministerium vorgeben und nicht umgekehrt.<br />

Dass <strong>de</strong>r Fraktionsvorsitzen<strong>de</strong> zufällig vorher Sozialminister war, wer<strong>de</strong>n die meisten wissen.<br />

Dass er da einen lebhaften Eindruck gewonnen hat, wie das gegenwärtige System funktioniert, davon<br />

dürfen Sie ausgehen. Dass er zweitens als langjähriger Sozial<strong>de</strong>zernent <strong>im</strong> Übrigen auch weiß, warum<br />

„ambulant vor stationär“ auch vor Ort mit <strong>de</strong>n Interessengegensätzen, wie ich sie vielleicht ein bisschen<br />

sehr vers<strong>im</strong>pelt gemalt habe, nicht funktioniert hat, ist ihm auch klar gewesen. Damit sind „ambulant<br />

vor stationär“, und Bürgernähe die politischen Vorgaben die wir umzusetzen haben. Es entspricht aber<br />

auch meiner ganz persönlichen Überzeugung, dass dieses Kostenerstattungssystem zwar Geld in <strong>de</strong>n<br />

Topf bringt, aber <strong>de</strong>nen nicht unbedingt hilft, die ambulante Hilfe brauchen: <strong>im</strong> flachen Land sind<br />

schlicht die Strukturen nicht da - wenn ich in <strong>de</strong>r Uckermark wohnte und ein Kind hätte, das Hilfe<br />

brauchte, dann müsste ich es möglicherweise sogar ein Stückchen weg irgendwo stationär unterbringen.<br />

In <strong>de</strong>m Moment in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Kreis ein eigenes Interesse hat, dass sich ambulanten Strukturen entwickeln,<br />

da kann man <strong>de</strong>m Kreis dann auch politisch vor Ort auf die Füße treten. Und da ich in meinem<br />

Leben in jüngeren Jahren ein paar Mal Bürgerinitiativen mitorganisiert hab, weiß ich, wie man so etwas<br />

macht.<br />

Dr. Irene Vorholz:<br />

Ich will auf die Strukturfragen eingehen und da anknüpfen, wo Herr Dane aufgehört hat. Herrn Dane<br />

schätze ich, weil er nicht drum rum re<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn klare Worte fin<strong>de</strong>t. Herrn Schafft schätze ich auch,<br />

aber Sie haben noch nicht die klaren Worte gefun<strong>de</strong>n. Man vermutet, das schl<strong>im</strong>me En<strong>de</strong> kommt erst<br />

noch.<br />

Herr Dane, Sie sprachen überörtliche Standards an. Sie sagten, wenn man auf örtlicher Ebene etwas<br />

verantworte, dann müsse es überörtliche Standards geben, ansonsten wür<strong>de</strong> man in Chaotisierung und<br />

Anarchie verfallen. Dem muss man ganz klar entgegenhalten: Wir leben nicht in einem rechtsfreien<br />

Raum. Wir haben <strong>de</strong>taillierte Vorgaben <strong>de</strong>s SGB XII. Es ist ja nicht so, als stün<strong>de</strong> da nichts drin. Wir<br />

haben das SGB IX. Und wir haben die Rahmenverträge, ein Kapitel für sich. Man muss sich dabei die<br />

Frage stellen, ist das noch zeitgemäß zu sagen, ich mache <strong>de</strong>n Rahmenvertrag stationär und <strong>de</strong>n


87<br />

Rahmenvertrag ambulant, wenngleich wir heute Morgen einst<strong>im</strong>mig festgestellt haben, wir wollen das<br />

eigentlich nicht mehr getrennt. Also müssen wir uns auch da was überlegen. Die Diskussion zu <strong>de</strong>n<br />

Hilfeempfängergruppen ist ja auch ein endloser Prozess. Wir kommen aber zu Maßnahmepauschalen,<br />

zu Entgelten – das sind alles überörtliche Standards, die gesetzt wer<strong>de</strong>n und mit <strong>de</strong>nen man entsprechend<br />

arbeiten muss.<br />

Und zu sagen, man darf eine Hilfeleistung nicht noch mit einer Preiskomponente belasten, das ist für<br />

einen Kommunalpolitiker – einen Kommunalverantwortlichen – nicht möglich. Es wäre unverantwortlich<br />

zu sagen, ich mache etwas, ohne die Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Haushalt <strong>im</strong> Blick zu haben. So wür<strong>de</strong>n<br />

Sie privat auch nicht argumentieren. Das Beispiel heute Morgen - ich glaube von Herrn Dr. Schädler<br />

war’s - Regionalbudgets, zu gucken, ich habe einen best<strong>im</strong>mten Betrag, was kann ich damit umsetzen?<br />

Das ist das, wie wir eigentlich Politik gestalten. Und Herr Schafft hat eben unwi<strong>de</strong>rsprochen <strong>im</strong> Raum<br />

gelassen, dass es Ziel <strong>de</strong>s Ausführungsgesetzes zum SGB XII sei, <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>shaushalt zu entlasten.<br />

Da hab ich keinen Wi<strong>de</strong>rspruch vernommen. Das ist vermutlich das, was bei <strong>de</strong>n Landkreisen das große<br />

Unbehagen schürt. Wenn es darum geht, <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>shaushalt zu entlasten, dann muss es ja jeman<strong>de</strong>n<br />

geben, <strong>de</strong>r das, was das Land nicht mehr finanziert, dann neu übern<strong>im</strong>mt. Das ist die Konsequenz,<br />

die man dann zieht, AG-BSHG und Rechtsstreit und Verfassungsgerichtsurteile hin o<strong>de</strong>r her, aber wir<br />

sind ja in <strong>de</strong>r Praxis und wissen, wie es dann aussehen wird.<br />

Was ich aber für einen wichtigen Punkt halte, ist das politische Konzept. Frau Lehmann hatte da auch<br />

<strong>de</strong>utlich genickt. Sie sagen, an <strong>de</strong>n Zuständigkeiten verän<strong>de</strong>rn wir eigentlich gar nichts, wir wollen nur<br />

die Finanzierung neu regeln. Auch damit versprechen sie sich ja was, auch das hat einen politischen<br />

Hintergrund. Der muss nicht <strong>im</strong> AG-BSHG selbst stehen. Aber aus <strong>de</strong>r amtlichen Begründung wird das<br />

sicherlich hervorgehen, was sie sich da versprechen. Und natürlich ist es schwierig, als Land die Steuerung<br />

in <strong>de</strong>r Hand zu behalten, wenn Sie we<strong>de</strong>r Aufgaben- noch die Finanzverantwortung haben. Dann<br />

wür<strong>de</strong>n Sie wie<strong>de</strong>r über frem<strong>de</strong> Kassen verfügen und <strong>de</strong>swegen wird das wohl nicht funktionieren,<br />

wenn das Land weiterhin in <strong>de</strong>r Steuerung bleiben will. Man wird dann an<strong>de</strong>re Wege fin<strong>de</strong>n, wie man<br />

das Ganze praxisverträglich gestaltet, je<strong>de</strong>nfalls so, dass die Landkreise die Hilfen weiterhin verlässlich<br />

gewähren können.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Bevor wir die Diskussion jetzt öffnen, noch eine Frage an zwei externe Experten, an Herrn Dr. Schädler<br />

und Herrn Profazi. Sie haben die ganze Diskussion heute miterlebt – wie schätzen Sie als Vertreter<br />

von außen unsere Diskussion ein? Woran, <strong>de</strong>nken Sie, krankt die Diskussion, wo sind die Defizite<br />

unseres Vorgehens?


88<br />

Dr. Johannes Schädler:<br />

Sie haben mich ja eingangs zitiert mit <strong>de</strong>r These, die Kommunalisierung löst die Probleme <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

nicht. Ich will sagen nur Kommunalisierung, nur eine administrative Verlagerung reicht<br />

nicht aus, Ich wür<strong>de</strong> aber auch sagen, das Gegenstück, die Hochzonung löst die Probleme <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

ebenfalls nicht. Die Frage ist, wie kommt man dahin, dass es überall in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Dienste gibt, die individuelle und flexible Hilfen zu wirtschaftlich verträglichen sinnvollen Bedingungen<br />

anbieten. Wie kommt man zu einer Umsteuerung. Und m. E. ist in <strong>de</strong>r Diskussion die Problem<strong>de</strong>finition,<br />

nicht klar. Mir scheint, als hätte die Lan<strong>de</strong>sregierung ein an<strong>de</strong>res Problem als das Lan<strong>de</strong>sversorgungsamt.<br />

Es sind eben diese bei<strong>de</strong>n Probleme: Es ist die unglaubliche stationäre Dominanz, die Sie haben,<br />

und diese erheblichen Kostenberge, die auf Sie zurollen. Ich <strong>de</strong>nke schon, dass dieser Ansatz <strong>de</strong>r ‚intelligenten<br />

Dezentralisierung’ eine begriffliche Orientierung ist. Aber wenn man das jetzt umsetzen will -<br />

und an <strong>de</strong>r Stelle schätzen Sie, Herr Schafft in meiner Wahrnehmung, das, was dazu notwendig ist,<br />

nicht ausreichend be<strong>de</strong>utsam ein - erfor<strong>de</strong>rt dies zunächst eine st<strong>im</strong>mige Handlungskonzeption. Dazu<br />

könnten z. B. Auflösungspläne o<strong>de</strong>r Enthospitalisierungspläne für einzelne Einrichtungen machen, vor<br />

allem für große wie Lobetal. Man braucht ein Konzept, man braucht je<strong>de</strong> Menge an Kommunikation,<br />

man muss konzeptionelle Leuchttürme schaffen, Vorbil<strong>de</strong>r, wie es gehen kann, an <strong>de</strong>nen sich an<strong>de</strong>re<br />

orientieren können. Dazu muss man sich zusammensetzen, <strong>de</strong>nn keiner kennt <strong>de</strong>n Königsweg. Man<br />

muss Erfahrungen austauschen, Know-how schaffen, Prozesse mo<strong>de</strong>rieren, man muss unglaublich<br />

viele Konflikte bewältigen. Dies scheint mir die richtige Richtung zu sein. Das ist mühsam und da kann<br />

das Land m. E. nicht sagen, damit haben wir nichts zu tun.<br />

Thomas Profazi:<br />

Ich will nicht in die Rolle <strong>de</strong>s Besserwissers geraten. Das steht mir überhaupt nicht zu, aber das Wichtigste<br />

auf Ihre Frage am Anfang vornweg, mir ist mehr unklar als klar und heute Nachmittag nicht klarer<br />

gewor<strong>de</strong>n, wie Sie das machen wollen. Zu meiner eigenen Rolle muss ich noch mal sagen, ich stehe<br />

heute hier bei Ihnen und wür<strong>de</strong> gerne helfen mit I<strong>de</strong>en und Erfahrungen. Aber ich bin ein „Zwitter“, das<br />

muss Ihnen klar sein. Ich bin einerseits „Lan<strong>de</strong>samt“ – weil auch überörtlich –, an<strong>de</strong>rerseits „Kommune“<br />

– aber eben überörtlich kommunal. Insofern will ich mal das Beste aus dieser Zwitterrolle machen.<br />

In meinem Vokabular von vorhin, krankt es nach meinem Eindruck <strong>de</strong>rzeit in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> hauptsächlich<br />

an <strong>de</strong>m Konsens <strong>de</strong>r Fundamentalziele. Ich erkenne keine Ziele, die sind unklar, geschweige <strong>de</strong>nn<br />

einen Konsens dazu. Und zwar meine ich damit die Inhalte. Das was am Konkretesten bisher gesagt<br />

wur<strong>de</strong>, von vielen Beteiligten, die jetzt Gestaltungsmacht haben, das waren Dinge die <strong>im</strong>mer abhoben<br />

auf fiskalische Lösungen. Meine Botschaft - obwohl ich ja auch Kostenträgervertreter bin, habe ich


89<br />

vorhin ja gesagt: Wir re<strong>de</strong>n in meinem He<strong>im</strong>spielbereich über 1,3 Mrd. Euro, das sind ja auch keine<br />

Peanuts. Bei uns geht es genauso ums Geld wie bei Ihnen. Aber trotz<strong>de</strong>m, eins ist doch klar, wenn<br />

Fachlichkeit und Finanzen hier das Konnexitätsprinzip die Herrschaft hat, wenn das überhaupt seinen<br />

Sinn haben soll und nicht nur Selbstzweck ist, o<strong>de</strong>r Machterhalt, dann muss man das inhaltlich füllen.<br />

Man kann nicht nur sagen, na gut, dann machen wir die Vergütungsverhandlungen zentral. Man muss<br />

<strong>im</strong>mer die inhaltliche Seite dann auch dazu sehen. Mein Eindruck ist, da gibt es noch keinen hinreichen<strong>de</strong>n<br />

Konsens. Ich will’s mal so sagen, <strong>de</strong>r § 97, von <strong>de</strong>m wir heute ausgegangen sind, ist kein<br />

Selbstzweck, damit müssen auch Inhalte transportiert wer<strong>de</strong>n. Und die inhaltliche Seite, die scheint mir<br />

– was die Konsensfähigkeit angeht noch am ehesten zu fehlen, so dass ich in <strong>de</strong>r Tat <strong>im</strong> Moment -<br />

wenn ich heute Abend hier weggehe - noch gewisse Hoffnungen haben kann, wegen <strong>de</strong>r Unklarheit,<br />

also auch <strong>de</strong>r Unentschie<strong>de</strong>nheit und Offenheit in inhaltlichen Fragen. Aber natürlich auch best<strong>im</strong>mte<br />

Ängste - ich hätte schon die Angst, dass bei Ihnen so eine Art – in meinem Vokabular von vorhin - von<br />

kommunalem Neoliberalismus entstehen könnte mit <strong>de</strong>r Folge einer „Einglie<strong>de</strong>rungshilfe nach Kassenlage“?<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Frau Lehmann, wenn hier jemand gestalten kann, dann sind es ja die Parlamentarier. Das Ministerium<br />

hat ja signalisiert, eigentlich muss das Parlament die Vorgaben machen. Als Parlamentarierin sind Sie<br />

nun in diese Situation hinein geschoben, wie wür<strong>de</strong>n Sie sich <strong>de</strong>nn damit auseinan<strong>de</strong>r setzen?<br />

Sylvia Lehmann:<br />

Die Diskussion um diese Frage führen wir in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> schon jahrelang. Das ist ja nun wirklich nichts<br />

Neues. Hier gab es ja auch vom Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber her einige Versuche, die dann <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r verworfen<br />

wor<strong>de</strong>n sind und aus <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> möchte ich z. B. ganz bewusst einen Vorschlag von <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

haben. Darüber wer<strong>de</strong>n wir dann diskutieren. Da wer<strong>de</strong>n wir uns dann auch politisch einbringen.<br />

Ich habe eigentlich in meinem Statement auch gesagt, dass es aus meiner Sicht nicht nur eine<br />

strukturelle und eine finanzielle Frage ist. Das hab ich Ihnen aus <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> gesagt, weil ich heute<br />

eben auch Vorträge gehört habe, die ja nun wirklich auch darauf abgezielt hatten. Be<strong>im</strong> Statement von<br />

Frau Vorholz, also da ging es mir wirklich nur ums Geld. Dass wir in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe viel Geld<br />

ausgeben, dass das jährlich steigt, das ist die Perspektive und wenn wir uns die weitere Entwicklung<br />

anschauen, die in diesem Bereich auch nicht gut aussieht, das ist die eine Frage. Aber die an<strong>de</strong>re Frage<br />

ist doch, dass wir in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> einen wahnsinnig hohen Anteil an stationären Unterbringungen<br />

haben <strong>im</strong> Vergleich mit an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. Das muss doch irgendwelche Ursachen haben. Darüber<br />

muss man doch einfach mal re<strong>de</strong>n. Ohne gleich zu sagen, stationär ist schlecht und ambulant ist


90<br />

gut. Das meinen wir damit nicht. Und da <strong>de</strong>nke ich schon, dass wir in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> die Chance haben,<br />

die Qualität in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe zu verbessern und dabei gleichzeitig auch die finanziellen Ausgaben<br />

noch ein Stück weit zu korrigieren und möglicherweise auch nach unten zu steuern und zu regeln.<br />

Was mir in <strong>de</strong>n letzten Jahren in <strong>de</strong>r Diskussion noch aufgefallen ist, das ist jetzt gera<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich<br />

gewor<strong>de</strong>n – wissen Sie was – wir müssen endlich mal Kraft haben uns alle zusammenzusetzen und<br />

über dieses Thema ganz offen und ehrlich diskutieren. Da diskutieren auf <strong>de</strong>r einen Seite die Landkreise,<br />

das sind natürlich die Größten, die machen sowieso alles richtig. Dann kommen die Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>,<br />

na die sind genauso groß und auch die machen alles richtig. Und dann gibt es die Lan<strong>de</strong>sregierung,<br />

na die ist natürlich auch ganz groß und macht alles richtig. Und wir kommen in <strong>de</strong>r Diskussion<br />

lei<strong>de</strong>r nie zusammen, wir kommen lei<strong>de</strong>r nie zusammen. Wir schaffen es nicht, dass wir inhaltlich und<br />

finanziell bei<strong>de</strong> Pakete anpacken, offen re<strong>de</strong>n und darauf dann ein Paket schnüren. So stell ich mir das<br />

je<strong>de</strong>nfalls vor. Und wenn wir <strong>de</strong>n Gesetzentwurf vorzuliegen haben, beginnt für uns Politiker je<strong>de</strong>nfalls<br />

die Diskussion. Und <strong>im</strong> Fachausschuss wer<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>mnächst die Diskussion einläuten, wir wer<strong>de</strong>n<br />

eine Anhörung haben. Alle hier in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> wissen ja, dass es zwei Gutachter gab, die in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe zum einen analysiert haben, zum an<strong>de</strong>ren Vorschläge zur Finanzierung<br />

gemacht haben und <strong>de</strong>r eine o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Gutachter hat diese Vorschlage zur inhaltlichen und finanziellen<br />

Steuerung gemacht. Ich sag Ihnen ganz ehrlich, so dumm ist das gar nicht, was da drin steht.<br />

Und das wer<strong>de</strong>n wir uns <strong>im</strong> Fachausschuss anhören, bis dahin haben wir <strong>de</strong>n Gesetzentwurf vorzuliegen.<br />

Dann beginnt die muntere Diskussion. Und dann wer<strong>de</strong> ich ja mal sehen, wie die einzelnen Partner<br />

sich in diese Diskussion einbringen wer<strong>de</strong>n. Da bin ich dann wirklich sehr neugierig.<br />

Prof. Dr. Peter Kruckenberg:<br />

Ich bin <strong>im</strong> Grun<strong>de</strong> ein opt<strong>im</strong>istischer Mensch und suche gera<strong>de</strong> meinen Opt<strong>im</strong>ismus <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

Situation in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, so wie ich sie heute verstan<strong>de</strong>n habe. Bei <strong>de</strong>m, was vom Vertreter <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

gesagt wur<strong>de</strong>, ist vielleicht interessanter, was nicht gesagt wur<strong>de</strong> - je<strong>de</strong>nfalls ist für mich<br />

ein gesundheits- und sozialpolitischer Gestaltungswillen nicht erkennbar gewesen. Wie die Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

sich die Entwicklung <strong>de</strong>r Hilfesysteme <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Zielgruppen vorstellt, ist nicht klar gewor<strong>de</strong>n. Ich weiß auch nicht, ob es hier so etwas wie eine relevante<br />

Psychiatrieplanung überhaupt gibt. Sonst müsste die ja irgendwo angesprochen sein. Manches klingt<br />

so, wie man das auch an<strong>de</strong>ren Orts heute nicht selten vern<strong>im</strong>mt, nämlich, dass die Politik alle Anstrengungen<br />

untern<strong>im</strong>mt,, die Verantwortung los zu wer<strong>de</strong>n Das gibt es auch <strong>im</strong> Gesundheitsbereich, viele<br />

kommunale und Lan<strong>de</strong>skrankenhäuser wur<strong>de</strong>n verkauft, zur Schließung von Haushaltslücken, und man<br />

war die Verantwortung erst einmal los.


91<br />

Ähnlich kommt es mir hier mit <strong>de</strong>r Verantwortung für die Steuerung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe für psychisch<br />

kranke Menschen vor. Aber nach<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r ersten Run<strong>de</strong> - mit west<strong>de</strong>utscher Beratung nach<br />

<strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> - in die falsche Richtung gesteuert wur<strong>de</strong>, nämlich in Richtung He<strong>im</strong>betreuung, wäre es jetzt<br />

an <strong>de</strong>r Zeit zu einer vernünftigen Umsteuerung in Richtung ambulanter Hilfen zu gelangen. Wie man<br />

dies umsetzen kann, welche Strukturen man auf <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>im</strong> Sinne eines lernen<strong>de</strong>n<br />

Hilfesystems braucht und welche Rahmenbedingungen dafür durch Land und Kommune gesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, das bedarf eines konzeptionellen Rahmens, wie er z. B. von <strong>de</strong>r Aktion Psychisch Kranke<br />

erarbeitet wur<strong>de</strong>. Für die Umsetzung gibt es verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten. Das können wir jetzt gar nicht<br />

alles diskutieren. Aber wenn ein politischer Gestaltungswille fehlt und sich <strong>de</strong>r Eindruck aufdrängt, das<br />

Land wolle die Verantwortung möglichst loswer<strong>de</strong>n, dann kommt man nicht gut in die Gänge.<br />

Prof. Paul Meusinger, Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>:<br />

Also ich hatte mich ja eigentlich zunächst für was an<strong>de</strong>res jetzt hier interessiert, aber, Herr Kruckenberg,<br />

das kann nicht unwi<strong>de</strong>rsprochen stehen bleiben. Wir haben selbstverständlich mit west<strong>de</strong>utscher<br />

Hilfe nicht in die falsche Richtung uns orientiert. Immerhin hatten wir eine Richtung. Zweitens, wir haben<br />

eine Psychiatrieplanung. Das könnte jetzt vielleicht Ihren Opt<strong>im</strong>ismus ein bisschen steigern. Ansonsten<br />

muss ich mal sagen, von dieser Warte aus hier nicht auf <strong>de</strong>m Podium zu sitzen, ist ein Erkenntnisgewinn.<br />

Und ich muss einfach mal feststellen, jetzt als nachgeordnete Behör<strong>de</strong> eines Lan<strong>de</strong>s, sind wir jetzt<br />

schon <strong>im</strong> höchsten Maße irritiert, wenn die Lan<strong>de</strong>spolitik sagt, wir warten auf eine Vorlage <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung,<br />

und das zuständige Fachministerium sagt, die Vorgabe ist klar, es wird kommunalisiert, aber<br />

inhaltlich haben wir damit nichts zu tun. Also ich kriege da langsam Schwierigkeiten.<br />

Thomas Dane:<br />

Ich wollte gera<strong>de</strong> Ähnliches sagen, Herr Meusinger. Herr Schafft hat ausgeführt, dass wenn die Entscheidung,<br />

die Zuständigkeit zu verlagern, gefallen ist, man sich über die Folgen keine Gedanken mehr<br />

machen muss. Das ist jetzt überspitzt, Herr Schafft. Man kann es auch mo<strong>de</strong>rater sagen: „Wir haben<br />

eine Koalitionsvereinbarung, die setzen wir um. Verantwortlich sind die Koalitionäre und wir als Verwaltung<br />

führen nur aus.“ Damit erklärt die Verwaltung, dass sie sich nicht verantwortlich fühlt. Informationen<br />

und Erkenntnisse liegen aber üblicherweise nicht bei <strong>de</strong>n Politikern, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Verwaltung vor.<br />

Insofern ist das ein Stück weit Arbeitsverweigerung. Wenn dann umgekehrt die Regierungsfraktion o<strong>de</strong>r<br />

ein Mitglied <strong>de</strong>rselben sagt, wir warten auf die Vorlage <strong>de</strong>r Verwaltung, die Verwaltung wird aber von<br />

Politikern repräsentiert, die dieser Partei angehören, dann heißt das doch <strong>im</strong> Umkehrschluss, dass die<br />

Regierungsfraktion sagt, die Verwaltung macht die Arbeit und wir gucken uns das Ergebnis an. Und ich<br />

möchte mal eine Regierungspartei sehen, die die Vorlage ihrer Verwaltung grundlegend neu diskutiert.


92<br />

Das hab ich noch nicht erlebt. Das wird’s nicht geben, auch in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> nicht. Also behaupte ich,<br />

dass die Diskussion über die Neuorientierung <strong>de</strong>s Hilfesystems vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n soll, weil sie mit<br />

Risiken behaftet ist. Und auch das ist Arbeitsverweigerung, Verweigerung von politischer Verantwortung.<br />

Verantwortung ist das Wesen von Politik und insofern geht es einfach so nicht.<br />

Wenn ich <strong>im</strong> Bereich, wo ich tätig bin, eine falsche Entscheidung treffe und lasse dann Mitarbeiter <strong>de</strong>n<br />

Umsetzungsvorschlag für die falsche Entscheidung erarbeiten, dann bekomme ich einen Umsetzungsvorschlag.<br />

Aber niemand sagt mir, dass die Entscheidung falsch ist. Und insofern ist – <strong>de</strong>nke ich – die<br />

grundsätzliche Diskussion auch <strong>de</strong>shalb zu führen, weil die Verweigerung <strong>de</strong>r Diskussion dazu führt,<br />

dass Sie einen Regelungsvorschlag auf <strong>de</strong>n Tisch legen, wo keiner nachvollziehen kann, was eigentlich<br />

damit intendiert wird. Und das ist <strong>de</strong>r beste Weg, Ängste und Befürchtungen zu erwecken. Und Ängste<br />

und Befürchtungen führen <strong>im</strong>mer dazu, dass alle blockieren und keiner mitmacht. Das ist dann Politik<br />

nach <strong>de</strong>m Motto „Keiner macht mit!“.<br />

Noch eine Bemerkung zu Frau Dr. Vorholz. Wenn ich privat einkaufen gehe, dann gehe ich in einen<br />

La<strong>de</strong>n, gucke mir die Preise an, gehe in <strong>de</strong>n nächsten La<strong>de</strong>n und guck mir die Preise an, und dann<br />

schaue ich, ob ich bei gleicher Qualität nicht in <strong>de</strong>n billigeren La<strong>de</strong>n gehe. Sie wollen es an<strong>de</strong>rs machen.<br />

Sie wollen in <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n gehen, <strong>de</strong>m La<strong>de</strong>nbesitzer sagen, <strong>de</strong>r Preis muss verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

dann wollen Sie wie<strong>de</strong>r rausgehen und anschließend wie<strong>de</strong>r reinkommen und die Leistung o<strong>de</strong>r das<br />

Produkt kaufen. Genau <strong>de</strong>shalb gehört das auseinan<strong>de</strong>r: Derjenige, <strong>de</strong>r das Produkt kauft, <strong>de</strong>r die Leistung<br />

bestellt, darf nicht die Preise festsetzen. Das muss entkoppelt wer<strong>de</strong>n.<br />

Vor allen Dingen ist es wichtig, sich auf die Interessen <strong>de</strong>r Menschen mit Behin<strong>de</strong>rung einzulassen,<br />

Denn die Menschen mit Behin<strong>de</strong>rung möchten eben nicht, dass ihnen ein Produkt angedreht wird, für<br />

das vorher erst mal <strong>de</strong>r Preis abgesenkt wor<strong>de</strong>n ist und wo eben diese Absenkung <strong>de</strong>r Grund für die<br />

Entscheidung war, dieses Produkt auszuwählen. Als sozialer Dienstleister wür<strong>de</strong> ich sagen, dann mache<br />

ich es wie die Autowerkstatt: Die repariert das Auto auch billig und hinterher haben sie dann Probleme<br />

mit weiteren Pannen.<br />

Herr Leist, Arbeiterwohlfahrt:<br />

Mich bewegt die Frage, ob wir uns hier nicht in einem so selber gemachten Kreis bewegen und nicht<br />

sehen, dass es aber ein solches System <strong>de</strong>r <strong>de</strong>zentralisierten Verantwortung ja bereits gibt <strong>im</strong> Land<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> – die Jugendhilfe. Für mich ist die Frage, vielleicht sind hier Kollegen von <strong>de</strong>r Jugendhilfe<br />

dabei, haben wir Chaos und Anarchie in <strong>de</strong>r Jugendhilfe?


93<br />

Inge Scharnweber, Dezernentin für Jugend und Soziales, Landkreis Ostprignitz-Ruppin:<br />

Es sind sicher noch an<strong>de</strong>re Kollegen da, die Jugendhilfe in ihrer Zuständigkeit haben. Aber, Herr Leist,<br />

ein Chaos in <strong>de</strong>r Jugendhilfe haben wir nicht. Das liegt in <strong>de</strong>r Verantwortung für die Leistung, für die<br />

Qualität und für das Geld in einer Hand. Der Kreis selber, die Politik, sichert die Verantwortung.<br />

Dr. Johannes Schädler:<br />

Im Unterschied zur Sozialhilfe gibt es in <strong>de</strong>r Jugendhilfe bereits Planungstraditionen. Es sind Verfahren<br />

vorgegeben – die Hilfeplanung <strong>im</strong> Einzelfall, die örtliche Hilfeplanung – sie haben ein relativ gut durchstrukturiertes<br />

Verfahren, was in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Sozialhilfe in <strong>de</strong>r Form nicht gegeben<br />

ist. Deswegen ist die Jugendhilfe ein gutes Beispiel, wenn man erkennt, was in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

notwendig ist.<br />

Thomas Profazi:<br />

Die Jugendhilfe ist ein gutes Beispiel - obwohl es zur Behin<strong>de</strong>rtenhilfe auch viele Unterschie<strong>de</strong> gibt: Wir<br />

bewegen uns hier in <strong>de</strong>r Sozialhilfe, in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe, was in <strong>de</strong>r Konsequenz Nachrangigkeit<br />

be<strong>de</strong>utet - sozusagen <strong>im</strong> „Bereich <strong>de</strong>r absoluten Notwendigkeit“. Nach uns und hinter uns gibt es nichts.<br />

Daran wollte ich aber nur noch einmal erinnern, weil das best<strong>im</strong>mte Voraussetzungen und Klarheiten<br />

beson<strong>de</strong>rs notwendig macht. Dinge, die <strong>im</strong> Moment (freundlich formuliert) in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> noch nicht<br />

geklärt scheinen. Nämlich, was sind erstens die inhaltlichen Zielrichtungen, was sind zweitens die finanziellen<br />

Rahmenbedingungen und was sind drittens die Verfahren, die Strukturen, die Herr Schädler<br />

gera<strong>de</strong> genannt hat? Diese drei Dinge sind die Hauptaufgaben, die ich ins Lastenheft <strong>de</strong>r jetzt zu treffen<strong>de</strong>n<br />

Entscheidungen <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung stellen wür<strong>de</strong>. Ohne konkrete Aussagen zu diesen drei<br />

Dingen - nur mit einer formalen Zuständigkeitsregelung - wird natürlich keine Analogie zur Entwicklung,<br />

die in <strong>de</strong>r Jugendhilfe schon längere Zeit da ist, entstehen.<br />

Da kann natürlich jetzt <strong>im</strong>mer noch einer kommen und sagen, na gut, dann schaut euch auch mal die<br />

Preise an in <strong>de</strong>r Jugendhilfe! Man kann die konstruktiven Ansätze <strong>im</strong>mer auch durch Verabsolutierung<br />

<strong>de</strong>r Geldaspekte <strong>de</strong>savouieren. Nur eins ist klar, Analogie o<strong>de</strong>r Nichtanalogie: diese drei Dinge, ein<br />

Min<strong>de</strong>stmaß an inhaltlichem Konsens, an tragfähigen Finanzierungsgrundlagen und an Verfahrens- und<br />

Strukturvorgaben sind erfor<strong>de</strong>rlich - selbstverständlich auch unter <strong>de</strong>m <strong>Blickwinkel</strong> „Hat es auch kostendämpfen<strong>de</strong><br />

Wirkung?“. Dazu müssen geeignete Rahmenbedingungen vom Gesetzgeber hergeleitet und<br />

zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.


94<br />

Früher war es so, man hatte gute I<strong>de</strong>en o<strong>de</strong>r gute Konzepte, und es gab einen Wettbewerb <strong>de</strong>r Konzepte<br />

und dann wur<strong>de</strong>n diese umgesetzt. Heute sind nur noch die Konzepte gut, die gleichzeitig einen Beitrag<br />

zur Kostendämpfung leisten können. Das ist die einzige Konsequenz, die uns heute unterschei<strong>de</strong>t<br />

von früher. Ich muss nicht mehr nur eine gute fachliche I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Weiterentwicklung von Behin<strong>de</strong>rtenhilfe<br />

haben, son<strong>de</strong>rn sie muss darüber hinaus auch eine kostendämpfen<strong>de</strong> Entsprechung haben. Das ist<br />

das, was ich vorhin auch mit <strong>de</strong>m Unterschied von Effektivität und Effizienz meinte.<br />

Thomas Dane:<br />

Ich möchte richtig stellen, was da eben von <strong>de</strong>r Jugendhilfe gesagt wor<strong>de</strong>n ist. Dass da jetzt alles wun<strong>de</strong>rbar<br />

funktioniert, erkenne ich nicht. Vor zwei Jahren hat <strong>de</strong>r Landrat <strong>de</strong>s Landkreises Dahme-<br />

Spreewald an die Träger <strong>de</strong>r Jugendhilfe <strong>im</strong> Landkreis geschrieben und mitgeteilt: „Unser Haushalt ist<br />

so <strong>de</strong>fizitär. Bitte leisten sie einen Beitrag und senken sie die Entgelte um 10 %.“ Das haben natürlich<br />

die Verantwortlichen in <strong>de</strong>n Nachbarkreisen sehr sorgfältig beobachtet und mal gewartet, was rauskommt.<br />

Das ist glücklicherweise abgewen<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n, aber es hätte ja auch an<strong>de</strong>rs kommen können.<br />

Wie hätten da die Kreise Teltow-Fläming, O<strong>de</strong>r-Spree o<strong>de</strong>r wer auch <strong>im</strong>mer reagiert? Dass es in <strong>de</strong>r<br />

Jugendhilfe keine Fehlentwicklung gibt, dass da alles wun<strong>de</strong>rbar funktioniert, weise ich zurück. Ich <strong>de</strong>nke,<br />

es gibt inzwischen sogar Untersuchungen, die das belegen: Die Ausgaben in <strong>de</strong>r Jugendhilfe <strong>im</strong><br />

Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> sind so unterschiedlich, dass es keine erkennbare, vergleichbare Konzeption dahinter<br />

geben kann.<br />

Sylvia Lehmann:<br />

Also dieser Brief <strong>de</strong>s Landrates aus <strong>de</strong>m Landreis Dahme-Spreewald - das ist mein Landkreis - das war<br />

nur für wenige Minuten in <strong>de</strong>r Welt, das ist sofort geklärt wor<strong>de</strong>n. Das rührte her von einer Untersuchung<br />

in unserem Landkreis. Wir haben uns erlaubt, die Jugendhilfe, genauer und konkreter einmal<br />

anzuschauen und haben über die Fragen <strong>de</strong>r inhaltlichen und finanziellen Steuerung gesprochen –<br />

ganz <strong>im</strong> Einvernehmen mit und <strong>im</strong> Beisein aller Träger. Also ich verstehe das Problem jetzt nicht. Ich<br />

kann nur bestätigen, wie es Frau Scharnweber gesagt hat, aus meiner Zeit als Dezernentin, dass wir in<br />

<strong>de</strong>r Jugendarbeit schon gemeinsam mit <strong>de</strong>n Trägern - da haben wir ja auch viele Arbeitskreise, die vorgegeben<br />

sind nach <strong>de</strong>m KJHG – dort gute Arbeit machen. Das mag unterschiedlich sein, das kann ja<br />

gut sein. Aber das ist eben die Streitkultur, die wir hier in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> haben. Ich sag es noch einmal,<br />

was mir wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich wird, je<strong>de</strong>r schiebt es <strong>im</strong>mer nur auf <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn. Damit wer<strong>de</strong>n wir das Problem<br />

und die Reform <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe nicht lösen.


95<br />

Brigitte Römer, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Lan<strong>de</strong>sverband <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> e. V.:<br />

Der Beitrag von Herrn Schafft hat mir vermittelt, dass 18 verschie<strong>de</strong>ne Landkreise min<strong>de</strong>stens 18 verschie<strong>de</strong>ne<br />

Wege gehen. Meine Frage richtet sich darauf, wie wollen Sie das verhin<strong>de</strong>rn, was haben Sie<br />

da für Vorstellungen?<br />

Peter Schafft:<br />

Da gilt das, was vorhin Frau Vorholz gesagt hat. Wir haben einen bun<strong>de</strong>sgesetzlichen Rahmen, wir<br />

haben wie in an<strong>de</strong>ren Bereichen, Bauverwaltung etc. Übergänge von Zuständigkeiten von Lan<strong>de</strong>sebene<br />

auf die Kreisebene. So wäre es dann auch hier. Und in <strong>de</strong>r Tat sind dann die Kreise zuständig. Kritik<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Kreisverwaltungen und – Dezernenten, dass da die Bösartigkeit ausbreche ist da nicht<br />

angebracht. Ein Gemäl<strong>de</strong> vom bösartigen Kämmerer, <strong>de</strong>r jedwe<strong>de</strong> rechtmäßige und fachlich sinnvolle<br />

Fachpolitik – sei es in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rung, sei es in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe aus Geldgrün<strong>de</strong>n unmöglich<br />

macht, halte ich auch für abwegig, weil es um Gesetzesausführung geht, also ständig um Rechtsansprüche,<br />

bei <strong>de</strong>nen gar nicht frei gestaltet wer<strong>de</strong>n kann. Dass da Chaos ausbricht st<strong>im</strong>mt einfach nicht.<br />

Wer bei <strong>de</strong>r Funktionalreform vor 10 Jahren <strong>de</strong>m Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Reformkommission, Minister a. D.<br />

Jahn sagte „das können die Kreise nicht“, <strong>de</strong>r konnte gleich wie<strong>de</strong>r gehen.<br />

Das halte ich für eine sehr gute Philosophie. Ich muss sagen, die Unterstellung, dass die Kreise per se<br />

nur eine an <strong>de</strong>r Kasse orientierte Politik machen und dass das bei einer an<strong>de</strong>ren Konstruktion nicht <strong>de</strong>r<br />

Fall ist, ohne <strong>de</strong>n Kollegen vom Lan<strong>de</strong>samt, die in ihren Aufgaben außeror<strong>de</strong>ntlich Fachwissen angesammelt<br />

haben, nahe zu treten, ist nicht richtig. Deswegen meine ich auch, ich wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Kreisen raten,<br />

sich für ihre Aufgaben zusammenzutun – ich glaube, dass das Sinn macht. Nur dies kann unter <strong>de</strong>n<br />

gegebenen Bedingungen nicht vom Land durch Gesetz geregelt also vorgegeben wer<strong>de</strong>n. Ich habe<br />

aber keinesfalls vor, <strong>de</strong>nen jetzt die Leviten zu lesen o<strong>de</strong>r zu sagen, sie trauen sich nicht zu ihrem<br />

Kämmerer zu gehen o<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong>n von vornherein in je<strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung unterliegen. Dies halte<br />

ich für eine völlig falsche Prämisse dafür, wie <strong>im</strong> Kreis dann Verantwortung <strong>im</strong> Konzeptionellen, aber<br />

auch in <strong>de</strong>r Rechtsausführung wahrgenommen wer<strong>de</strong>n wird. Noch mal: raten wür<strong>de</strong> ich, dass die Kreise<br />

dort Dinge zusammen machen sowohl aus Fachgrün<strong>de</strong>n wie aus Ressourcengrün<strong>de</strong>n – das ist heute<br />

Morgen schon gesagt wor<strong>de</strong>n.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Wie wollen Sie die konzeptionelle Verantwortlichkeit <strong>im</strong> Kreis überprüfen, wenn es keine allgemeinen<br />

Standards <strong>im</strong> Land dazu gibt?


96<br />

Peter Schafft:<br />

Also da muss man sich entschei<strong>de</strong>n, ob man Durchführungsverantwortung und Finanzverantwortung<br />

hochzont. Ich kann ausdrücklich sagen, - es ist auch noch mal angesprochen wor<strong>de</strong>n, wir haben es<br />

auch erwogen in <strong>de</strong>r Debatte mit einem <strong>de</strong>r eingeschalteten Gutachter, Hochzonen macht keinen Sinn.<br />

Dann be<strong>de</strong>utet das aber auch konsequent: Ich muss dann sagen, dass die fachliche Verantwortung und<br />

Kompetenz auf Kreisebene in Verbindung mit <strong>de</strong>r Haushaltsverantwortung zu Lösungen führt, die billiger<br />

und besser sind, da hat auf einmal <strong>de</strong>r Fach<strong>de</strong>zernent die Unterstützung <strong>de</strong>s Kämmerers. In <strong>de</strong>r Tat<br />

heißt das bei <strong>de</strong>n hiesigen drastischen Haushaltslagen dann auch, dass es nur besser geht, wenn es<br />

auch billiger geht. Wenn’s auch billiger geht, dann ist zu befürchten, dass „besser und teurer“ praktisch<br />

nicht realisierbar ist und selbst „besser und gleich teuer“ kaum noch realisierbar ist. Dass also die Phantasie<br />

wie <strong>im</strong>mer in Krisenzeiten beson<strong>de</strong>rs gefor<strong>de</strong>rt ist, das ist aber dann in <strong>de</strong>r politischen Verantwortung<br />

<strong>de</strong>r Kreise.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Schafft, mit Ihrer Antwort gebe ich mich nicht zufrie<strong>de</strong>n. Nach meiner Erfahrung regelt <strong>de</strong>r Finanzminister<br />

die Verhältnisse, wenn <strong>de</strong>r Fachminister nicht die Durchsetzungsfähigkeit für sein Anliegen<br />

sicherstellt. So was Ähnliches fin<strong>de</strong>t bei Ihnen auch statt, wenn Ihr Haus seine Gestaltungsmöglichkeiten<br />

nicht gemeinsam mit <strong>de</strong>n Parlamentariern, die ein Interesse daran haben, ergreift und versucht, alle<br />

diejenigen, die es betrifft, zusammenzuholen und zu sagen, so jetzt lasst uns doch mal über diese Kriterien<br />

re<strong>de</strong>n. Mir erscheinen - wie bei Alexan<strong>de</strong>r Kluge - „Die Artisten in <strong>de</strong>r Zirkuskuppel ratlos“. Wer hilft<br />

<strong>de</strong>n Artisten wie<strong>de</strong>r vom Seil runter, wer hilft ihnen, wie<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n unter die Füße zu bekommen. Im<br />

Moment sind wir alle die Artisten und haben keinen Bo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Füßen. Das ist doch offensichtlich<br />

das Dilemma.<br />

Prof. Dr. Peter Kruckenberg:<br />

Ich überlege, wie man mit <strong>de</strong>n erheblichen Schwierigkeiten in <strong>de</strong>r Umstrukturierung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

– auch mit <strong>de</strong>n Interessengegensätzen – umgehen kann. Es zeichnet sich auf dieser Tagung doch<br />

die Bereitschaft vieler ab, neu nachzu<strong>de</strong>nken, wie wir sowohl aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>szuständigen<br />

Behör<strong>de</strong>n gehört haben, wie auch aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r LIGA, was nicht selbstverständlich ist. Gera<strong>de</strong><br />

Herr Dahne hat nicht so sehr die wirtschaftlichen Interessen <strong>de</strong>r Leistungserbringer in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund<br />

gestellt, son<strong>de</strong>rn eine konzeptionelle Öffnung. Die Frage ist, wie man damit weiterkommen kann.<br />

Dazu nur ganz kurz: Die Aktion Psychisch Kranke hat bei <strong>de</strong>r konzeptgeleiteten Implementation von<br />

personenzentrierten Hilfesystemen in <strong>de</strong>r Zusammenarbeit mit verschie<strong>de</strong>nen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn und etwa<br />

40 Kommunen in <strong>de</strong>n letzten vier Jahren gute Erfahrungen gemacht. Auch da ging es in je<strong>de</strong>r Kommu-


97<br />

ne und je<strong>de</strong>m Land darum, wie man mit begrenzten Mitteln einen Strukturwan<strong>de</strong>l auf <strong>de</strong>n Weg bringt.<br />

Das begann oft damit, wie man Probleme überhaupt erst einmal neu und an<strong>de</strong>rs versteht. Ich wür<strong>de</strong><br />

Ihnen raten, einen solchen Weg zu versuchen. Man könnte in einigen Landkreisen erproben, wie man<br />

personenzentrierte Hilfesysteme - ausgehend von <strong>de</strong>n jeweiligen Gegebenheiten - aufbaut und entwickelt.<br />

Daraus könnte sich eine öffentliche gesundheitspolitische Diskussion entwickeln. Von dieser und<br />

von <strong>de</strong>n unmittelbaren Erfahrungen dürften auch die an<strong>de</strong>ren Regionen profitieren. Das kostet nicht viel.<br />

Heike Kaminski, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Lan<strong>de</strong>sverband <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> e. V.:<br />

Wir spekulieren jetzt darüber, was passiert, wenn man sozusagen die ungebremste Kommunalisierung<br />

in <strong>de</strong>r Sozialhilfe vor sich hat. Was uns Herr Schafft heute ausführlich berichtet hat, ist ja <strong>im</strong> Grun<strong>de</strong><br />

genommen mit <strong>de</strong>m Hinweis darauf, dass die Fraktionen die Kommunalisierung bereits beschlossen<br />

haben.<br />

Peter Schafft:<br />

Die Koalition hat dies sinngemäß vereinbart. Die Lan<strong>de</strong>sregierung wird einen Gesetzentwurf mit zwei<br />

Regelungsbereichen vorlegen. Sie muss einmal zwingend ein Ausführungsgesetz noch in diesem Jahr<br />

auf <strong>de</strong>n Weg bringen über die Neuordnung <strong>de</strong>r Zuständigkeiten, das zum 01.01.07 in Kraft treten muss,<br />

mit einem zeitlichen Vorlauf für die Kreise, d. h. das Gesetz kann nicht erst am 31.12.06 <strong>im</strong> Gesetzblatt<br />

stehen. Zum Zweiten muss <strong>de</strong>r Entwurf in einem zweiten Artikel <strong>de</strong>n Finanzausgleich regeln, also was<br />

geht an Finanzmasse und mit welcher Regelung <strong>im</strong> Einzelnen an die Kommunen. Das ist <strong>im</strong> Prinzip<br />

eine separate Regelung, muss aber hier politisch zusammen verhan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Die bei<strong>de</strong>n Blöcke sind<br />

in <strong>de</strong>n jeweiligen Ministerien, das Ausführungsgesetz <strong>im</strong> Sozialministerium, das Ausgleichsgesetz, was<br />

Sie nicht verwun<strong>de</strong>rt, <strong>im</strong> Finanzministerium, in Arbeit und ich habe vorhin erwähnt, dass <strong>de</strong>r Finanzminister,<br />

<strong>de</strong>ssen hauptpolitischer Part in <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r öffentlichen Gebiete und Körperschaften natürlich<br />

die Kreise und Kommunen sind, seinem Beirat, wo diese vertreten sind, die Konzeption, die noch<br />

nicht Gesetzesform hat, vorstellt. Da wird mit Sicherheit je<strong>de</strong>r Ihrer Kollegen von <strong>de</strong>r Kreisebene nach<br />

Betragen fragen. Das ist gegenwärtig <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r Dinge.<br />

Heike Kaminski, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Lan<strong>de</strong>sverband <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> e. V.:<br />

Also wenn mit bürgernah gemeint ist, fachlich am Interesse <strong>de</strong>s Bürgers ausgerichtet, dann sind wir<br />

sehr froh zu hören, dass man darüber noch mal diskutieren kann. Im Hinblick auf Kommunalisierung<br />

haben wir zwei wesentliche Erfahrungen in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>. Die eine ist, wir haben alle erlebt, wie<br />

schwach sozusagen <strong>de</strong>r Einflussbereich <strong>de</strong>s Sozialen vor Ort ist, als wir die Regelungen <strong>im</strong> Rahmen<br />

<strong>de</strong>s GFG aufgeben mussten, die ja Budgets für <strong>de</strong>n sozialen Bereich festgelegt haben, und erleben


98<br />

mussten, wie schnell sozusagen vor Ort die komplementären Angebote weggebrochen sind und wirklich<br />

nur auf min<strong>im</strong>al vorhan<strong>de</strong>ne Struktur <strong>im</strong> Moment zurückzugreifen ist. Und genau diese Strukturen, die<br />

uns weggebrochen sind, wären hier Voraussetzung für eine weitere Ambulantisierung. Da müssen wir<br />

uns ja nichts vormachen. Und wir wissen, dass die Dezernenten <strong>im</strong> sozialen Bereich da eine sehr<br />

schwache Position gegenüber <strong>de</strong>n Kämmerern hatten und auch in ihren Landkreistagen in <strong>de</strong>r Durchsetzung.<br />

Das ist ein Aspekt, glaube ich, <strong>de</strong>n die Lan<strong>de</strong>spolitiker bei ihren Entscheidungen ganz wesentlich<br />

beachten müssen.<br />

Das Zweite, was wir an Erfahrung haben, ist die Studie, die Frau Lehmann heute schon mal angesprochen<br />

hat, zum AG-BSHG – bei<strong>de</strong> Studien. In <strong>de</strong>r zweiten Studie, wo sich ein Institut ja sehr ausführlich<br />

mit <strong>de</strong>r Sozialhilfe vor Ort, mit <strong>de</strong>n Verfahren usw. befasst hat, befin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r bemerkenswerte Hinweis<br />

angesichts <strong>de</strong>ssen, was sie vor Ort vorfin<strong>de</strong>n in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, geht es in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> darum, gesetzeskonforme<br />

Angebote vor Ort zu gestalten. Und eine bemerkenswertere Formulierung für das, was<br />

eigentlich Ziel sein müsste und was wir <strong>im</strong> Moment vorfin<strong>de</strong>n, kann ich <strong>im</strong> Moment nicht erkennen.<br />

Prof. Paul Meusinger, Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>:<br />

Ich will daran anknüpfen, was Herr Schafft eben noch mal klargestellt hat. Es bleibt eine Finanzbeteiligung<br />

und Verantwortung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s erhalten. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund kann ich diese absolute fachpolitische<br />

Abstinenz nicht nachvollziehen. Der Hinweis darauf, dass die Kommunen dann zuständig sind, ist<br />

ja völlig unbestritten. Aber solange das Land – wie auch <strong>im</strong>mer – in einer gewissen Finanzverantwortung<br />

bleibt, muss es doch min<strong>de</strong>stens aus diesem Grun<strong>de</strong> - es gäbe noch eine Reihe an<strong>de</strong>rer -, aber<br />

dieser scheint mir <strong>im</strong> Augenblick <strong>de</strong>r überzeugendste zu sein, min<strong>de</strong>stens aus diesem Grun<strong>de</strong> irgendwo<br />

die Finger mit <strong>im</strong> Spiel haben. Dazu wür<strong>de</strong> ich gerne etwas hören, das kann ich nicht nachvollziehen.<br />

Ralf Christophers, MdL:<br />

Herr Schafft, ich habe einige Probleme mit Ihren Ausführungen gehabt. Als Erstes will ich sagen, nicht<br />

die Lan<strong>de</strong>sregierung wird das Gesetz erlassen, son<strong>de</strong>rn das macht <strong>im</strong>mer noch <strong>de</strong>r Landtag. Und ich<br />

meine, aus <strong>de</strong>r Tatsache heraus ergeben sich logischerweise dann auch eine Reihe von Einflussmöglichkeiten<br />

und wenn ich Frau Kollegin Lehmann richtig verstan<strong>de</strong>n hab, wird das <strong>im</strong> Ausschuss ja auch<br />

sicherlich genutzt wer<strong>de</strong>n. Ich habe trotz<strong>de</strong>m drei Fragen.<br />

Meine erste Frage ist: Mir ist noch nicht klar gewor<strong>de</strong>n, mit welchen Inhalten Sie gesetzeskonforme<br />

Angebote kommunalisieren wollen. Gibt es dazu Ihrerseits Überlegungen? Mir ist noch nicht klar gewor<strong>de</strong>n,<br />

mit welchen Inhalten Sie gesetzeskonforme Angebote tatsächlich kommunalisieren wollen, das<br />

weiß ich nicht. Ich habe Ihren Worten entnommen, dass <strong>de</strong>r Schwerpunkt auf <strong>de</strong>r finanzpolitischen Seite<br />

liegt. Sie haben ein Bild aus <strong>de</strong>n Kreisen gezeichnet, das meiner Erfahrung völlig zuwi<strong>de</strong>r läuft. Und


99<br />

ich kann auch nicht erkennen, dass <strong>de</strong>r Finanzminister in seinen letzten Entscheidungen u. a. zum FAG<br />

das Wohl <strong>de</strong>r Landkreise nun ganz oben angestellt hat. Sie wissen so gut wie ich, dass wir nächstes<br />

Jahr die Bearbeitung <strong>de</strong>s FAG haben. Also müssten spätestens bis Mitte nächsten Jahres die Vorschläge,<br />

welche finanziellen Budgets in diesem Zusammenhang an die Kreise weitergegeben wer<strong>de</strong>n,<br />

vorliegen.<br />

Und meine zweite Frage: ich habe heute zur Kenntnis genommen, dass das Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> offensichtlich<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn ein an<strong>de</strong>res Verhältnis zwischen ambulant und stationär<br />

hat. Und logischerweise sind aus <strong>de</strong>r stationären Betreuung eine Reihe von Folgekosten zu erwarten.<br />

Meine Frage ist, sollen die auch kommunalisiert wer<strong>de</strong>n? Also ich <strong>de</strong>nke nur an die baulichen Hüllen,<br />

die geschaffen wor<strong>de</strong>n sind, welche vorher geschaffen wor<strong>de</strong>n sind. Welche Vorstellungen gibt es<br />

dort Ihrerseits. Weil das möglicherweise ja auch für die Kreise eine nicht ganz einfache Situation ist?<br />

Peter Schafft:<br />

Zunächst, wenn ich in <strong>de</strong>r Eile statt vom Gesetzentwurf vom Gesetz gesprochen hab, bitte ich mir das<br />

nachzusehen. In <strong>de</strong>r Tat ist es so, dass die Regierung <strong>de</strong>m Parlament <strong>de</strong>n Gesetzentwurf zuleitet.<br />

Zweiter Punkt, es wird genau genommen einen Gesetzentwurf geben, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Inkrafttreten von § 97<br />

SGB XII entspricht, nämlich <strong>de</strong>m dortigen Abs. 2. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Abs. 1 dieser Bun<strong>de</strong>sregelung gesagt<br />

hat, <strong>im</strong> Prinzip sind die Kommunen, die örtlichen Träger zuständig, kann durch Lan<strong>de</strong>srecht best<strong>im</strong>mt<br />

wer<strong>de</strong>n, welche Aufgaben <strong>de</strong>m überörtlichen Träger vorbehalten bleiben. Dazu wird das Land einen<br />

sehr eingegrenzten Vorschlag machen. Und damit heißt das, dass durch das Bun<strong>de</strong>sgesetz mit Inkrafttreten<br />

dieses Bun<strong>de</strong>srechts gegebene Regelung <strong>de</strong>n Kommunen diese Aufgaben zustehen. Das hat<br />

nichts dann drittens, mit Vermögen und Bestän<strong>de</strong>n zu tun. Die sind in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r Träger, das können<br />

auch kommunale Träger sein. Die ausgesprochene Finanzkostenfolge bezieht sich darauf, dass die<br />

Kreise – die ja auch bisher die Ausführungskompetenz für die ambulanten und die stationären Hilfen<br />

hatten – jetzt auch ein Interesse bekommen, <strong>de</strong>n Vorrang <strong>de</strong>r ambulanten Hilfe zu stützen. Deswegen<br />

habe ich ja vorhin so darauf abgehoben, dass sie ihren Kolleginnen o<strong>de</strong>r Kollegen Sozial<strong>de</strong>zernenten<br />

damit helfend an die Seite treten.<br />

Künftig gibt es dann eben nicht mehr eine Kostenerstattung, son<strong>de</strong>rn die Kreise bekommen für die gesamten<br />

bereits nach <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>srecht ihnen obliegen<strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s SGB XII einen Betrag. Das ist<br />

dann in <strong>de</strong>r Tat die zentrale politische Stellschraube. Da ist Genaueres noch nicht zwischen <strong>de</strong>n Ressorts<br />

ausgetragen. Da wird dann <strong>de</strong>r Kämmerer sagen, das hab ich jetzt, und mehr kriegt ihr dafür nicht.<br />

In <strong>de</strong>m Moment muss <strong>de</strong>r Kreis, <strong>de</strong>r Kreistag, für seinen Haushalt ein eigenes finanzielles Interesse<br />

daran haben, dass in allen Bereichen, dann auch in diesen, nicht <strong>de</strong>r Grundsatz gilt, es kann ja ruhig<br />

teuer sein, wir kriegen es vom Land ja wie<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn er muss sich selbst mit kümmern, dass es gut


100<br />

und richtig wird. Es bleibt ja bei <strong>de</strong>n Rechten auch <strong>de</strong>r einzelnen zu sagen, das will ich o<strong>de</strong>r das will ich<br />

nicht, auch daran än<strong>de</strong>rt sich nichts. Die Kreise haben, was ich in meinem Eingangsstatement schon<br />

sagte, dann einen Anstoß, ein Eigeninteresse zu sagen, wir för<strong>de</strong>rn etwas, was besser ist, was <strong>de</strong>n<br />

Interessen <strong>de</strong>r Leute gerechter wird, wir vermei<strong>de</strong>n zumin<strong>de</strong>st temporär stationäre Maßnahmen. Denen<br />

gegenüber ist ja in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Fälle ambulante Versorgung auch kostengünstiger. Das ist eine<br />

Wirkungsmechanik, die aus Grün<strong>de</strong>n, die mir nicht nachvollziehbar sind, in <strong>de</strong>n kritischen Beiträgen<br />

unterschlagen wor<strong>de</strong>n ist. Es geht also darum, dass die fachlichen Interessen, auch die Interessen <strong>de</strong>r<br />

einzelnen Betroffenen nicht mehr durch das Auseinan<strong>de</strong>rfallen von Kostenlast und Sachentscheidungsbefugnis<br />

behin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Dieses Auseinan<strong>de</strong>rfallen hat die Folge <strong>de</strong>r Überrepräsentanz stationärer<br />

Hilfen gehabt. Ich erhoffe mir, dass in Zukunft die Zusammenführung von Sachentscheidungsbefugnis<br />

und Finanzlastverantwortung <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r Kreise und <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r Betroffenen för<strong>de</strong>rlicher<br />

ist.<br />

Carmen Arndt, Lan<strong>de</strong>srechnungshof Mecklenburg-Vorpommern:<br />

Ich möchte zu Herrn Prof. Meusinger etwas sagen und zu Herrn Schafft. In Mecklenburg-Vorpommern<br />

ist es so, dass bereits die Kosten und Entscheidungsverantwortung seit 2002 zusammengelegt sind.<br />

Das ist teilweise aufgrund einer Prüfung <strong>de</strong>s Rechnungshofes passiert, weil nämlich – genau wie Herr<br />

Schafft eben sagte, es ist egal, wir treffen die Entscheidung, aber das Land zahlt ja – das war so aus<br />

Sicht <strong>de</strong>r Kommunen, so war es und dadurch sind die Kosten explodiert.<br />

Zwischenzeitlich – als es das SGB XII noch nicht gab – ist das Ausführungsgesetz in Mecklenburg-<br />

Vorpommern geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n und es wur<strong>de</strong> ein kommunaler Sozialverband gegrün<strong>de</strong>t 2002, <strong>de</strong>r praktisch<br />

diese Aufgaben wahrgenommen hat, ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen.<br />

Nun, nach<strong>de</strong>m es das SGB XII gibt, ist wie<strong>de</strong>rum ein Ausführungsgesetz erlassen wor<strong>de</strong>n zum SGB XII<br />

und es führt <strong>im</strong> Wortlaut die Entscheidungs- und Kostenverantwortung zusammen – nämlich <strong>de</strong>r örtliche<br />

Träger ist inzwischen auch für die Aufgaben <strong>de</strong>s ehemals überörtlichen Trägers zuständig. Gleichzeitig<br />

– und ich <strong>de</strong>nke das trifft einen Teil, was Herr Schafft sagt, wo inzwischen das Problem jetzt hier in<br />

Mecklenburg-Vorpommern kurz vor <strong>de</strong>m Gesetzgebungsverfahren steht – es ist bereits ein zweites<br />

Gesetz auf <strong>de</strong>n Weg gebracht. Das heißt Sozialhilfefinanzierungsgesetz als Lan<strong>de</strong>sgesetz. Und da sind<br />

seit 2002 bis 2004 jährliche zigmillionen Beträge enthalten als eine Art Pauschale, die <strong>de</strong>n Kommunen<br />

zur Verfügung gestellt wird nach einem best<strong>im</strong>mten Schlüssel. Das ist ein bisschen kompliziert und<br />

wür<strong>de</strong> jetzt auch zu weit führen, das jetzt hier auszuführen. Und wir als Rechnungshof beobachten das,<br />

weil das ursprünglich aufgrund <strong>de</strong>r Prüfung ja zusammengeführt wur<strong>de</strong> und ich muss – dieser Satz von<br />

Herrn Prof. Meusinger, <strong>de</strong>r hat mir persönlich gefallen – er sagt, es bleibt letztlich eine Finanzverantwortung<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Inzwischen sehen wir es so, das Gesetz von 2002 bis 2004, das jährlich diese Pau-


101<br />

schale enthalten hat, musste fortgeschrieben wer<strong>de</strong>n bis 2005. Wir haben es bereits seit Januar 2005.<br />

Was hat man gemacht, ja, man ist jetzt irgendwie in Verhandlung und man hat jetzt letzte Woche o<strong>de</strong>r<br />

vor 14 Tagen sich entschie<strong>de</strong>n – also in 2005 und 2006 wird die Pauschale fortgeschrieben. Aber das<br />

Problem dabei, die Pauschale steigt von Jahr zu Jahr. Und in dieser Zwickmühle – ich verstehe sowohl<br />

diese Seite, ich habe auch interessiert bei Herrn Dr. Schädler zugehört, das interessiert uns sehr, weil<br />

wir das so beobachten und ich sehe das auch, wie Herr Prof. Meusinger, Lösungen kann <strong>de</strong>r Rechnungshof<br />

nicht anbieten. Er kann prüfen und <strong>im</strong> Nachhinein kommt <strong>de</strong>r Rechnungshof sowieso erst<br />

<strong>im</strong>mer und kann <strong>de</strong>swegen schwer für die Zukunft vorausplanen. Aber ich wollte diesen Standpunkt<br />

noch mal <strong>de</strong>utlich machen, dass wir das sehen und dass es bereits seit 2002 in Mecklenburg-<br />

Vorpommern so ist. Also letztlich aus <strong>de</strong>r Finanzverantwortung kann sich das Land auch mit einem AG<br />

SGB XII Än<strong>de</strong>rungsgesetz und mit einem Sozialhilfefinanzierungsgesetz o<strong>de</strong>r – wie es hier sein soll –<br />

mit einem Finanzausgleichsgesetz, letztlich kann es sich nicht aus <strong>de</strong>r Verantwortung stehlen. Denn es<br />

stellt <strong>de</strong>n finanziellen Betrag zur Verfügung. Und insofern stellt sich so bisschen theoretisch für mich die<br />

Frage, wo ist <strong>de</strong>nn da jetzt die echte Zusammenlegung <strong>de</strong>r Entscheidungs- und Kostenverantwortung?<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Vielen Dank Frau Arndt. Die Tatsache, dass hier Vertreter von 4 verschie<strong>de</strong>nen Lan<strong>de</strong>srechnungshöfen<br />

anwesend sind, macht mir <strong>de</strong>utlich, dass ganz offensichtlich die Lan<strong>de</strong>srechnungshöfe sich als Schrittmacher<br />

in dieser festgefahrenen Entwicklung verstehen. Lassen Sie sich ruhig ermutigen weiterzumachen,<br />

vielleicht bringt das dann auch wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re dazu zu sagen, wir nehmen die Initiative selbst in<br />

die Hand.<br />

Astrid Fograscher, Diakonisches Werk Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>/Schlesische Oberlausitz:<br />

Nach <strong>de</strong>n letzten Worten von Herrn Schafft hatte ich jetzt schon <strong>de</strong>n Eindruck, ich muss zumin<strong>de</strong>st noch<br />

mal kurz was zur Jugendhilfe sagen, auch wenn es wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bogen ist. Ich möchte ganz einfach nicht,<br />

dass die Jugendhilfe hier dargestellt wird als Vorbild-Mo<strong>de</strong>ll für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe. Mein ganz persönlicher<br />

Hintergrund sind einfach Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Schiedsstelle <strong>im</strong> SGB VIII. Es ist in <strong>de</strong>r Tat so,<br />

dass wir da nicht allzu viel zu richten haben – ganz einfach auf <strong>de</strong>m Hintergrund, dass man sich auf<br />

örtlicher Ebene natürlich irgendwie arrangieren muss – sowohl Einrichtungsträger als auch Kostenträger<br />

– weil es gar nicht an<strong>de</strong>rs geht. Das heißt aber nicht, dass <strong>de</strong>swegen alles ganz pr<strong>im</strong>a funktioniert. Und<br />

die Dinge, die wir in <strong>de</strong>r Schiedsstelle dann tatsächlich zu richten haben, die machen genau das <strong>de</strong>utlich,<br />

was Sie jetzt sozusagen als Vorteil darstellen. Es ist in <strong>de</strong>r Tat so, in <strong>de</strong>m Moment, wo <strong>de</strong>r Kostenträger<br />

was zu sagen hat, wo <strong>de</strong>r Kämmerer mitzure<strong>de</strong>n hat, da hat dieser einfach ein ganz vehementes<br />

Interesse an Einsparungen und die Fachlichkeit gerät unter die Rä<strong>de</strong>r. Das ist das, was wir in <strong>de</strong>r


102<br />

Schiedsstelle erleben. Es ist tatsächlich so, dass die Schiedsstelle vom Jugendhilfeträger oft angerufen<br />

wird. Es wird in <strong>de</strong>r Verhandlung mehr o<strong>de</strong>r weniger <strong>de</strong>utlich, dass wir als Schiedsstelle sozusagen<br />

richten sollen, weil die eigene Kompetenz vor Ort nicht ausreicht auf <strong>de</strong>r fachlichen Ebene – nicht was<br />

die fachliche Kompetenz betrifft, aber <strong>de</strong>r Handlungsspielraum. Jugendhilfeträger sagen, „es tut mir leid,<br />

ich hab nur diesen finanziellen Spielraum zur Verfügung, ich kann nicht mehr. Schiedsstelle sag du<br />

jetzt, wie ich’s machen soll. Dann kann ich das sozusagen vor Ort auch besser vertreten“. Und das ist<br />

einfach eine Situation, die muss man – glaube ich – nicht unbedingt willentlich und wissentlich herbeiführen.<br />

Also es ist nicht <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>ssen, was wir in <strong>de</strong>r Jugendhilfe o<strong>de</strong>r auch in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

wollen.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Vielen Dank, <strong>im</strong> Moment gibt es keine Wortmeldungen mehr aus <strong>de</strong>m Plenum. Es ist guter Brauch,<br />

dass abschließend die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Podiums die Möglichkeit zu einem Kurzstatement haben, bevor<br />

wir dann zur Zusammenfassung kommen. Ich darf Sie als Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Podiums <strong>de</strong>r Reihe nach einfach<br />

bitten, kurz zusammenzufassen, was Ihnen an <strong>de</strong>r Diskussion heute wichtig war, was Sie <strong>de</strong>nken,<br />

was Sie <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung, <strong>de</strong>n Parlamentariern und uns für die Fachdiskussion mit auf <strong>de</strong>n Weg<br />

geben wollen.<br />

Rainer Kluge:<br />

Was ich von <strong>de</strong>n nächsten Monaten und Jahren erwarte ist, dass die Leistungen für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen<br />

nicht unter die Rä<strong>de</strong>r kommen und dass <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rte Mensch nicht zum<br />

„ Sparschwein“ <strong>de</strong>r öffentlichen Haushalte faktisch <strong>de</strong>gradiert wird, in<strong>de</strong>m nämlich dann, wenn die<br />

Kommunen die Kosten übernehmen wer<strong>de</strong>n – und sogar erhöht übernehmen wer<strong>de</strong>n, nicht in <strong>de</strong>n Verwaltungs-Hinterstuben<br />

Diskussionen erfolgen, um Stellschrauben zu erfin<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>nen noch weiter<br />

runtergedreht wird. Diese Denkprozesse müssen konsequent transparent erfolgen. Davor hab ich große<br />

Angst. Das will ich sehr kritisch begleiten. Dass nicht irgendwelche Gruppengrößen erhöht wer<strong>de</strong>n,<br />

dass nicht irgendwelche Leistungen, die mit <strong>de</strong>n natürlichen Bedürfnissen zusammenhängen, reduziert<br />

wer<strong>de</strong>n, dass also die Vergleichbarkeit mit einem nicht behin<strong>de</strong>rten Menschen auf Augenhöhe weiterhin<br />

existieren kann. Das sind meine Versprechen, die ich hier geben möchte. Mit Ihnen möchte ich gern<br />

auch über <strong>de</strong>n Tellerrand hinauszuschauen z. B. nach Skandinavien o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn auch<br />

dort gibt es Konzepte und I<strong>de</strong>en, die man über<strong>de</strong>nken und gegebenenfalls übernehmen kann, wie u. a.<br />

das Assistenzgesetz in Schwe<strong>de</strong>n. Man muss das nicht unbedingt <strong>im</strong> Verhältnis 1:1 übernehmen, aber<br />

wir sollten Elemente durchaus aufgreifen und für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen ein wirklich adäquates<br />

Leben organisieren, was gemein<strong>de</strong>nah ist.


103<br />

Dr. Irene Vorholz:<br />

Ich möchte eigentlich gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r heutigen Tagung heraus an <strong>de</strong>m Appell festhalten, <strong>de</strong>n ich eingangs<br />

auch ausgesprochen habe: Man kann Fachlichkeit und Finanzen nicht voneinan<strong>de</strong>r trennen. Ich<br />

kann nicht als Sozialpolitiker sagen, die Finanzen macht <strong>de</strong>r Kämmerer, und <strong>de</strong>r Kämmerer wird dann<br />

<strong>im</strong>mer sagen, Sozialhilfe ist ja alles so schwierig, davon verstehe ich nichts.<br />

Auch wir als Sozialpolitiker haben eine Finanzverantwortung. Wenn ich das Ganze unter <strong>de</strong>m Aspekt<br />

„Kostendämpfungseffekte, darüber spreche ich gar nicht“ sehe, dann frage ich mich: Wo leben wir, machen<br />

wir wirklich die Augen zu? Nehmen wir nicht zur Kenntnis, dass die Rentenversicherung <strong>de</strong>r Familien<br />

nicht ausreicht, <strong>de</strong>r Pflegeversicherung eine wirklich große Reform bevorsteht, Gesundheitsreformen<br />

an <strong>de</strong>n bislang noch sehr min<strong>im</strong>alen Än<strong>de</strong>rungen zu scheitern drohen, dass wir auch bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

eigentlich sehen<strong>de</strong>n Auges, - wir wissen das heute schon, - auf ein En<strong>de</strong> zulaufen, das<br />

wir nicht mehr gestalten können, wenn wir da jetzt nicht sofort entsprechen<strong>de</strong> Maßnahmen ergreifen?<br />

Ich bin jetzt wie<strong>de</strong>rholt gescholten wor<strong>de</strong>n, die kommunale Ebene wür<strong>de</strong> nur auf die Finanzen achten.<br />

Sicherlich kann man das etwas politischer formulieren, z. B. von <strong>de</strong>r „Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Hilfesystems“<br />

sprechen, von „Qualitätssicherung“ und „Strukturreformen“. Das ver<strong>de</strong>ckt aber nicht, worum es geht,<br />

dass wir gucken müssen, wie wir auch für die weiteren Generationen das Ganze leistungsfähig gestalten<br />

können.<br />

Und als letztes Wort: Als überzeugte Kommunale möchte ich auch ein bisschen Angst nehmen vor regionalen<br />

Disparitäten. Das ist nun mal so: Im Berlinnahen Raum sieht es eben an<strong>de</strong>rs aus als in <strong>de</strong>r<br />

Prignitz o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Uckermark. Da habe ich an<strong>de</strong>re Gegebenheiten und da kann ich nicht mit einem<br />

großen Daumen drübergehen und sagen, ich mache überall dasselbe. So ist die Lebenswirklichkeit<br />

nicht.<br />

Thomas Dane:<br />

Wenn das Land die Fach- und Finanzverantwortung zusammenführen will, dann ist das verständlich<br />

und wahrscheinlich vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Sozialhilfeausgaben auch notwendig. Wir<br />

haben als LIGA seit 1999 auf die Entwicklung <strong>de</strong>r Sozialhilfeausgaben hingewiesen und konzeptionelle<br />

Überlegungen hinsichtlich <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe eingefor<strong>de</strong>rt. Es ist seit<strong>de</strong>m über <strong>de</strong>n Finanztransfer<br />

vom Land auf die Kommunen diskutiert wor<strong>de</strong>n, aber nicht über die konzeptionelle Ausgestaltung <strong>de</strong>s<br />

Hilfesystems. Die Befürchtung, die wir haben, ist, dass bis zum 31.12.2006 <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> weiter<br />

über die Höhe von Finanztransfers vom Land zu <strong>de</strong>n Kommunen diskutiert wird und die Aufteilung finanzieller<br />

Risiken und dass die konzeptionellen Fragen weiter hinten anstehen. Dann übertragen wir<br />

möglicherweise die Zuständigkeiten für die Sozialhilfe auf die Kommunen, ohne dass in irgen<strong>de</strong>iner


104<br />

Form die daran hängen<strong>de</strong>n Regelungen so ausgestaltet wer<strong>de</strong>n können, dass Vorhersehbares dabei<br />

herauskommt. Da hängt die Frage <strong>de</strong>r Rahmenvertragsgestaltung dran. Dass <strong>de</strong>r Rahmenvertrag <strong>de</strong>s<br />

stationären Bereichs für <strong>de</strong>n ambulanten Bereich geöffnet wird, haben wir <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung vorgeschlagen.<br />

Daran hängt die Frage, wie können Entgelte gestaltet wer<strong>de</strong>n, die zentrale Frage, wie künftig<br />

<strong>de</strong>r Prozess <strong>de</strong>r Hilfeplanung verlässlich und interessenfrei gestaltet wer<strong>de</strong>n kann. Das sind alles Fragen,<br />

die nicht angegangen wer<strong>de</strong>n, solange bei<strong>de</strong> Hauptbeteiligten - nämlich die Kommunen und das<br />

Land - das Gefühl haben, es bedarf zuerst <strong>de</strong>r Klärung <strong>de</strong>r Frage, wie die Finanztransfers und die finanziellen<br />

Risiken organisiert wer<strong>de</strong>n sollen. Ich habe nicht die Erwartung, dass das kurzfristig gelingt,<br />

son<strong>de</strong>rn dass diese Frage offen bleibt bis zum 31. 12.2006. Das zu verhin<strong>de</strong>rn, ist die Aufgabe <strong>de</strong>r Politik,<br />

<strong>de</strong>r politisch Verantwortlichen in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>. Wenn das bei dieser Tagung herauskommt, dann<br />

sind wir ein wesentliches Stück weiter.<br />

Prof. Dr. Peter Kruckenberg:<br />

Ich kann das nur unterstützen aus <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>s Außenstehen<strong>de</strong>n. Es ist sehr stark Sache <strong>de</strong>r<br />

Politik, <strong>de</strong>s Ministeriums, in <strong>de</strong>r Konzeptionalisierung sich <strong>de</strong>r Möglichkeiten strukturiert zu bedienen,<br />

die es in <strong>de</strong>r Region gibt, über die Aufnahme <strong>de</strong>ssen, was von <strong>de</strong>r LIGA kommt, und die geplante Umstrukturierung<br />

einer konzeptionellen Orientierung nicht nur zu unterlegen, son<strong>de</strong>rn zu begrün<strong>de</strong>n mit<br />

<strong>de</strong>r Vorstellung, hier haben wir eine Planung, die wir längerfristig weiterführen. Da müssen natürlich das<br />

Land und die Kreise mit- und zusammenwirken. Wenn Sie das hinkriegen, wenn Sie dann die Rahmenbedingungen<br />

daraufhin noch etwas präzisieren, dann haben Sie eine gute Chance voranzukommen.<br />

Sonst sehe ich die Probleme genauso.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herr Schafft, Sie haben heute verfolgen können, wie <strong>de</strong>r Handlungsbedarf hier eingeschätzt wird und<br />

wie groß <strong>de</strong>r Gestaltungsbedarf ist. Könnten Sie sich vorstellen, dass Ihr Haus sich in einer Rolle wie<strong>de</strong>r<br />

fin<strong>de</strong>t, wo es die Vielzahl von gut meinen<strong>de</strong>n und gut willigen und vorwärts drängen<strong>de</strong>n Kräften bün<strong>de</strong>lt<br />

und sagt, lasst uns einfach zusammen setzen und eine Lösung fin<strong>de</strong>n, die auch <strong>im</strong> Parlament Bestand<br />

hat. Das Parlament könnte dann das beschließen, was auch an <strong>de</strong>r Basis realisiert wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Peter Schafft:<br />

Also erstens, in <strong>de</strong>r Tat geht es um Interessengegensätze, die ausgeglichen wer<strong>de</strong>n müssen, so dass<br />

es politisch vertretbar wird und <strong>de</strong>n Menschen dann auch noch hilft. Soweit zu <strong>de</strong>n Grobzielen. Ich<br />

glaube zweitens, dass das Grundkonzept mit <strong>de</strong>r erleichterten Interesseni<strong>de</strong>ntität in Richtung vermehrter<br />

ambulanter Hilfeentscheidungen wirkt. Diese Möglichkeiten können genutzt wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r Tat hat


105<br />

Herr Meusinger da Recht, sie müssen nicht genutzt wer<strong>de</strong>n. Mein Vertrauen in die Kommunen ist da<br />

vielleicht größer als das vieler an<strong>de</strong>rer. Ich habe aber auch kein größeres Zutrauen bei einer Zuordnung<br />

zum Land, sage ich da ganz offen.<br />

Dritter Punkt, es wer<strong>de</strong>n natürlich auch Gespräche mit allen Verbän<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r LIGA, <strong>de</strong>n Einrichtungsträgern,<br />

und natürlich auch <strong>de</strong>n Kommunen geführt wer<strong>de</strong>n. Ein Gesetzentwurf wird, wie sich das ohnehin<br />

<strong>im</strong>mer gehört und Regel ist, dann auch in die Verbän<strong>de</strong> gegeben. Das geschieht noch während <strong>de</strong>r<br />

Ressortabst<strong>im</strong>mung, also bevor die Lan<strong>de</strong>sregierung sich mit <strong>de</strong>m Vorschlag eines Gesetzentwurfs<br />

befasst, <strong>de</strong>r dann <strong>de</strong>m Landtag zugeleitet wird, wobei ich, auch wenn Frau Abgeordnete Lehmann das<br />

jetzt sehr zurückhaltend formuliert hat, sicher bin, dass - das darf ich mal unterstellen - meine Ministerin<br />

auch schon vorher Gelegenheit fin<strong>de</strong>n wird, ihre Vorstellungen, mit <strong>de</strong>n Kollegen ihrer Fraktion o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Regierungsfraktion o<strong>de</strong>r auch mit <strong>de</strong>r Opposition zu bere<strong>de</strong>n. Das hat aber die Politik zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

Ich bin aber ganz sicher, dass es nicht bis zum 31.12.2006 währen wird, weil die Lan<strong>de</strong>sregierung<br />

selbstverständlich ihren Handlungsauftrag wahrn<strong>im</strong>mt, dann nicht einen rechtsfreien Raum<br />

entstehen zu lassen. Selbstverständlich wer<strong>de</strong>n das Ausführungsgesetz und die Finanzausgleichsregelung,<br />

so es bei <strong>de</strong>r Konzeption bleibt, rechtzeitig <strong>im</strong> Gesetzbuch sein, damit für die Kreise und die<br />

Träger Handlungssicherheit <strong>im</strong> lan<strong>de</strong>srechtlichen Rahmen besteht. Und last, but not least, das hat keine<br />

Rolle gespielt, ich hab das zwe<strong>im</strong>al angesprochen, es bleibt neben <strong>de</strong>r gesetzlichen Regelung die<br />

Rahmenvereinbarung für alles das, was Sie angesprochen haben - ich empfehle die Lektüre von § 79<br />

SGB XII - da glaube ich nicht, dass wenn die Rahmenvereinbarung durch Verweigerung einer Seite<br />

nicht zustan<strong>de</strong> kommt, dass Sie dann einseitige Verordnungen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s haben wollen. Ich will darauf<br />

hinweisen, dass Gestaltungsmacht ja nicht nur <strong>im</strong> Gesetz ausgeübt wird, son<strong>de</strong>rn auch in Verordnungen<br />

ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann und <strong>im</strong> übrigen ist die Ministerin frei, ihre Überzeugungskraft auch <strong>im</strong> Gespräch<br />

mit Trägern, Landräten usw. über <strong>de</strong>n Nutzen sinnvoller Reformen noch auszuprobieren. Das<br />

wird sie auch sicher tun.<br />

Sylvia Lehmann:<br />

Also erstmal wünsche ich mir in <strong>de</strong>r weiteren Debatte zu diesem Thema eine sachgerechte Streitkultur.<br />

Dann ist ganz klar, dass wir die sachliche und finanzielle Verantwortung zusammenlegen wer<strong>de</strong>n. Die<br />

große LIGA wünscht sich die Verantwortung auf Lan<strong>de</strong>sebene. Ich <strong>de</strong>nke und glaube, das wird sich<br />

nicht durchsetzen. Ich <strong>de</strong>nke, es wird auf die kommunale Ebene <strong>de</strong>legiert wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>swegen habe ich<br />

auch gesagt, die heutige Diskussion hat mich darin wirklich nur noch gestärkt. Es kann nicht so sein,<br />

dass wir schlicht und einfach die Verantwortung <strong>de</strong>n Kommunen übertragen und dann lehnen wir uns<br />

zurück, dann ist die Welt in Ordnung. Ich bleibe dabei – und da werd ich mich in <strong>de</strong>r Diskussion auch<br />

stark machen dafür –, dass es Rahmenbedingungen geben muss. Ich weiß, dass das ein schwieriger


106<br />

Spagat ist: Konnexitätsprinzip, dann wird die rote Karte gezogen und dann ziehen wir uns wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Diskussion zurück. Aber, und das sagt mir auch meine Erfahrungen, die ich gesammelt habe in <strong>de</strong>n<br />

vielen Jahren, es ist schon richtig und vernünftig, wenn wir Qualität sichern wollen und sie natürlich<br />

<strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r verbessern wollen, sind Rahmenbedingungen erfor<strong>de</strong>rlich und Prof. Dr. Kruckenberg hat<br />

es gesagt, da ist einfach eine konzeptionelle Orientierung erfor<strong>de</strong>rlich. Die kann es doch nur von Lan<strong>de</strong>sebene<br />

geben und es ist auch wichtig, wie gehen wir mit <strong>de</strong>n Hilfeplänen zukünftig <strong>im</strong> Land <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

um. Da macht es <strong>de</strong>r eine Landkreis so, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Landkreis macht es wie<strong>de</strong>r ganz an<strong>de</strong>rs.<br />

Da ist doch wichtig, dass wir Qualitätskriterien und Arbeitsinstrumente <strong>de</strong>n Verantwortlichen in die Hand<br />

geben können. Je<strong>de</strong>nfalls wer<strong>de</strong> ich so in meinem Gremien diskutieren. Die Diskussion muss doch<br />

gestattet sein. Und <strong>de</strong>r integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan dann, welche Stellung hat er,<br />

ist er künftig auch <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>n? Wie gehen die einzelnen Landkreise damit um? Also ich <strong>de</strong>nke, das<br />

wer<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>r Politik auch diskutieren. In <strong>de</strong>r nächsten o<strong>de</strong>r übernächsten Woche leiten wir zu<br />

diesem Thema die politische Diskussion ein, in<strong>de</strong>m wir mit <strong>de</strong>r Anhörung <strong>im</strong> Fachausschuss beginnen.<br />

Und ich <strong>de</strong>nke, die Gutachter wer<strong>de</strong>n uns dazu auch einiges sagen. Sie haben sich ja zu diesen einzelnen<br />

Fragen auch sehr vielfältig und vielschichtig geäußert.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Vielen Dank Frau Lehmann, ich bin sehr froh, dass in Ihrem Beitrag <strong>de</strong>r Gestaltungswillen <strong>de</strong>r Parlamentarierin<br />

aufblitzt.<br />

Thomas Profazi:<br />

Ich will meine Gastrolle, so weit es geht, missbrauchen und fünf Gedanken skizzieren. Herr Kruckenberg,<br />

ich bin auch Opt<strong>im</strong>ist. Ich habe meinen Opt<strong>im</strong>ismus in <strong>de</strong>r Diskussion wie<strong>de</strong>rgefun<strong>de</strong>n: Denn es<br />

scheint ja doch, mein erster Gedanke, alles noch sehr plastisch zu sein, d. h. dass auch noch Gestaltungsspielräume,<br />

Gestaltungswille und Gestaltungsmacht zur Wirkung kommen können. In <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />

möchte ich daran erinnern, dass vieles mit Einstellungs-, Denk- und Lernprozessen zu<br />

tun hat. Ich möchte es jetzt nicht wie<strong>de</strong>rholen, aber man muss an <strong>de</strong>r Stelle, glaube ich, auch ein bisschen<br />

lernen umzu<strong>de</strong>nken. Der Kopf ist ja, wie wir wissen, rund, damit wir auch in eine an<strong>de</strong>re Richtung<br />

<strong>de</strong>nken können.<br />

In <strong>de</strong>m Zusammenhang missbrauche ich auch meine Gastrolle ganz extrem für <strong>de</strong>n zweiten Gedanken:<br />

Wir alle wissen es doch und ich spreche es jetzt auch mal aus – diese Unterscheidung, die heute <strong>im</strong>mer<br />

wie<strong>de</strong>r eine Rolle spielte, hier die Politik - da die Verwaltung, das ist doch hochgradig schizoid. Es weiß<br />

doch je<strong>de</strong>r, dass das politische Wahlbeamtentum für eine Vernetzung von bei<strong>de</strong>m sorgt und man kann


107<br />

nicht so tun, als ob die einen erst anfangen zu <strong>de</strong>nken, wenn die an<strong>de</strong>ren schon fertig sind. Das gilt<br />

sicherlich auch für dieses Thema. Wenn also noch Plastizität da ist, dann ist mir dieser zweite Hinweis<br />

ganz wichtig. Denn es kann doch einiges bewirkt wer<strong>de</strong>n, weil es eben sehr enge Beziehungen zwischen<br />

allen Akteuren gibt.<br />

Der dritte Gedanke: Wer die Musik bezahlt, best<strong>im</strong>mt, was gespielt wird. Wer, wenn ich Ihre Situation<br />

richtig verstan<strong>de</strong>n habe, die Musik mit bezahlt, wie die Lan<strong>de</strong>sregierung, sollte auch mitbest<strong>im</strong>men,<br />

was gespielt wird. Mein Rat an die Vertreter <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung ist ganz dringend, dass Sie sich aus<br />

dieser vorhin mal genannten fachlichen Abstinenz, falls sie überhaupt existieren sollte, nicht raushalten.<br />

Dass Sie also nicht abstinent sind <strong>im</strong> Sinne von Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität.<br />

Sie sollten betonen, dass Sie die Rahmenbedingungen und inhaltliche Mitbest<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r Musik in <strong>de</strong>n<br />

Inhalten, in <strong>de</strong>n Verfahren und in <strong>de</strong>n Ergebnissen (Stichwort: Zielvereinbarung etc.) mitbest<strong>im</strong>men.<br />

Der vierte gedankliche Schritt für mich wäre die Geburtsstun<strong>de</strong> eines neuen „Landschaftsverban<strong>de</strong>s“.<br />

Wenn ich Herrn Schafft richtig zugehört habe, dann wur<strong>de</strong> die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Bün<strong>de</strong>lung unterstrichen<br />

- und auch Frau Dr. Vorholz hat für <strong>de</strong>n Landkreistag vorhin von einer „Kopfstelle“ gesprochen. Ein<br />

überkommunaler Zweckverband müsste also her. Ich maße mir nicht an zu entschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r mir überhaupt<br />

eine abschließen<strong>de</strong> Meinung zu bil<strong>de</strong>n, gebe aber zu be<strong>de</strong>nken, ob man dann nicht gleich fragen<br />

kann: Muss <strong>de</strong>r wirklich her? Wir haben doch das Lan<strong>de</strong>samt ... Stichwort: Synergien, neue Schnittstellen<br />

usw. Wenn alle sich einig sind, dass es nicht darum geht, nur etwas inhaltsleer zu bün<strong>de</strong>ln, dann<br />

sind wir nämlich schnell bei diesem Gedanken.<br />

Mein fünfter Gedanke – mehr ein methodisch-didaktischer: Wenn alle, bei <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sregierung angefangen,<br />

in Lernprozessen stecken, ist für mich die Schlussfolgerung heute für Sie: keine Alleingänge!<br />

Der Gesetzgeber sollte keine Alleingänge machen. Nach heute muss etwas erfolgen. Das IV. Quartal<br />

darf nicht Verkündigungstermin sein, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong> IV. Quartal müssen <strong>im</strong> Sinne von Streitkultur fachliche<br />

„Run<strong>de</strong> Tische“ entstehen, man muss sich nach heute zusammensetzen. Man kann mit heute nicht<br />

aufhören sich zusammenzusetzen und sich Gedanken zu machen. Die Lan<strong>de</strong>sregierung sollte an <strong>de</strong>r<br />

Stelle weiterhin <strong>de</strong>n Austausch und auch die Streitkultur nutzen, um ihre Aufgaben zu erfüllen.


108<br />

Dr. Johannes Schädler:<br />

Ich glaube, dass das Thema, um das es heute ging und was Sie noch weiter beschäftigen wird, in vieler<br />

Hinsicht eine wirkliche Herausfor<strong>de</strong>rung ist: Hilfreich wäre zu seiner Bewältigung eine Haltung, die man<br />

mit ‚Aufbruchst<strong>im</strong>mung’ kennzeichnen könnte. Dass man überlegt, wir sind jetzt hier in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.<br />

Wir wollen, dass es irgendwie besser wird. Lasst uns dann mal gemeinsam rangehen und nicht resignativ<br />

<strong>im</strong> Düsteren verharren. Vielleicht muss man sich auf etwas besinnen, was es hier zur Wen<strong>de</strong>zeit in<br />

beeindrucken<strong>de</strong>r Weise ja auch schon gab, die ‚Run<strong>de</strong>n Tische’, an <strong>de</strong>nen man Lösungen und faire<br />

Interesssensausgleiche suchte. Diese Aufbruchst<strong>im</strong>mung von damals bräuchten wir wie<strong>de</strong>r. Es ist ja<br />

auch schön, dass man ein Problem hat, da hat man was zu tun, etwas Positives, um die Welt zum Besseren<br />

zu wen<strong>de</strong>n. Das ist das Eine.<br />

Das an<strong>de</strong>re, was ich hier auch gut fand, war, dass diese Veranstaltung in <strong>de</strong>n Räumen einer Hochschule<br />

stattfand. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die die Hochschulen bieten. Ich glaube doch, dass ein wissenschaftlich<br />

reflektieren<strong>de</strong>r Zugang einen wesentlichen Beitrag zu Problemlösungen bieten kann.<br />

Hochschulen können auch Foren bieten für attraktive Veranstaltungen, Marktplätze, auf <strong>de</strong>nen man<br />

zusammenkommt, wo man sich austauschen kann, wo man inspiriert wird und auch Orientierungen<br />

erhält. Das ist ein ganz wichtiger Ansatz, <strong>de</strong>m man folgen sollte, ich plädiere also gera<strong>de</strong> in solchen<br />

schwierigen Umbruchsituationen <strong>de</strong>zidiert für eine Wertschätzung gegenüber Wissenschaft.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel:<br />

Herzlichen Dank Herr Dr. Schädler. Ich hab mal irgendwann gelernt, wie man Entscheidungen fin<strong>de</strong>t.<br />

Da gibt es einen Kernsatz, <strong>de</strong>r heißt: „Wer macht was, mit wem, bis wann?“ Das „was, mit wem, bis<br />

wann“ ist weitgehend geklärt. Frau Lehmann, wir müssen uns nur über die Frage <strong>de</strong>s „Wer“ verständigen.<br />

Ich <strong>de</strong>nke, es wird eine <strong>de</strong>r ganz zentralen Aufgaben sein und die Beiträge, die jetzt zum Schluss<br />

kamen, haben sehr <strong>de</strong>utlich gemacht, wer das sein muss. Zu einer guten Übung unseres Sozialforums<br />

gehört, dass abschließend jemand die Ergebnisse zusammenfasst, und wir hatten Herrn Prof. Meusinger<br />

gebeten, dies heute für uns zu tun.


109<br />

X. Prof. Paul Meusinger, Lan<strong>de</strong>samt für Soziales und Versorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Tagungsergebnisse<br />

Egal wie die Tagung ausgeht, ich habe einen positiven Aspekt mit nach Hause zu nehmen: Noch nie<br />

habe ich mich in einer solchen Übereinst<strong>im</strong>mung mit einer Vertreterin eines Lan<strong>de</strong>srechnungshofes<br />

befun<strong>de</strong>n, wie das heute <strong>de</strong>r Fall war. Das reicht mir, da bin ich überhaupt nicht kleinlich. In Ergänzung<br />

Ihrer Ausführungen darf ich noch darauf hinweisen, <strong>de</strong>r Chef Ihres Kommunalverbun<strong>de</strong>s war bei uns<br />

Dezernatsleiter in <strong>de</strong>r Sozialhilfe. Wir sind stolz darauf und hoffen, dass wir das fortsetzen können, nicht<br />

nur bei Ihnen.<br />

Nach Aussage aller politisch tragen<strong>de</strong>n Kräfte in diesem Land ist es nach wie vor Aufgabe eines mo<strong>de</strong>rnen<br />

Sozialstaates, für alle Menschen eine menschenwürdige Lebenswelt zu organisieren.<br />

Nach <strong>de</strong>m Paradigmenwechsel in <strong>de</strong>r Politik für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen gilt dies insbeson<strong>de</strong>re für<br />

die Verwirklichung einer umfassen<strong>de</strong>n Teilhabe <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten Menschen am Leben in <strong>de</strong>r Gesellschaft.<br />

Ich weise nur auf die Grundgesetzregelungen hin, die dazu in <strong>de</strong>n letzten Jahren entstan<strong>de</strong>n<br />

sind, und auf die Aussagen <strong>de</strong>s SGB IX.<br />

Aber auch die Strukturen <strong>de</strong>r Selbstverwaltung und <strong>de</strong>s Fö<strong>de</strong>ralismus müssen an diesem Anspruch<br />

gemessen wer<strong>de</strong>n. Sie dienen <strong>de</strong>r Erreichung dieses Zieles. Sie sind nicht Selbstzweck. Auch das ist<br />

ein Ergebnis unserer heutigen Diskussion. Und das ist auch gut so. Denn mangelhafte Strukturen behin<strong>de</strong>rn<br />

und verhin<strong>de</strong>rn die Umsetzung gut gemeinter fachlicher Vorgaben.<br />

Beispielsweise hat das SGB IX Divergenzen und Unübersichtlichkeiten <strong>de</strong>s Rehabilitationsrechts weitgehend<br />

been<strong>de</strong>t. Die durch das SGB IX geschaffenen Grundsätze können aber in <strong>de</strong>n gegenwärtigen<br />

Strukturen <strong>de</strong>r Zusammenarbeit von Leistungserbringern und auch von Trägern nur unzureichend umgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Das ist heute hier auch andiskutiert wor<strong>de</strong>n. Ohne strukturelle Än<strong>de</strong>rungen auf <strong>de</strong>r<br />

Ebene <strong>de</strong>r Leistungserbringer wird <strong>de</strong>m Grundgedanken <strong>de</strong>s SGB IX, nämlich <strong>de</strong>r Kooperation <strong>de</strong>r Leistungserbringer<br />

und <strong>de</strong>r Koordination <strong>de</strong>r Leistungen, nicht <strong>im</strong> erfor<strong>de</strong>rlichen Umfang Rechnung getragen.<br />

Und da haben wir ein konkretes Beispiel. Das gilt <strong>im</strong> Prinzip auch für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe.<br />

Die Erfahrungen <strong>de</strong>r letzten Jahre bei <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>s SGB IX belegen ein<strong>de</strong>utig, dass die Verwaltungsstrukturen<br />

einer Verwirklichung <strong>de</strong>s Zieles <strong>de</strong>r Normalisierung <strong>de</strong>r Lebensverhältnisse für Menschen<br />

mit Behin<strong>de</strong>rungen hemmend entgegenstehen. Die Potenziale, die das SGB IX eigentlich anbie-


110<br />

tet, wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb nicht ausreichend ausgeschöpft. Reibungsverluste, uneffektiver Mitteleinsatz, frustrierte<br />

‚Kun<strong>de</strong>n’ sind die Folge.<br />

Auch bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe sind die strukturellen Vorgaben in hohem Maße ausschlaggebend für<br />

die Qualität <strong>de</strong>r Leistungserbringung, aber auch für die Effektivität <strong>de</strong>s Mitteleinsatzes. Bereits die Analyse<br />

und Prognose <strong>de</strong>r Versorgungs-, Bedarfs- und Kostenstrukturen <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

hat dies nachdrücklich <strong>de</strong>utlich gemacht. Diese Erkenntnis zieht sich auch wie ein roter Fa<strong>de</strong>n<br />

durch die Beiträge und die Diskussionen <strong>de</strong>s heutigen Tages.<br />

Die Erbringung einer umfassen<strong>de</strong>n sozialen Teilhabe ist <strong>de</strong>r Maßstab für die Ausgestaltung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe.<br />

Strukturen und Organisationsformen müssen diesem Ziel dienen. Die verschie<strong>de</strong>nen Lebenslagen<br />

von behin<strong>de</strong>rten Menschen müssen stärker noch als bisher berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, um eine<br />

Normalisierung <strong>de</strong>r Lebensverhältnisse tatsächlich auch zu erreichen.<br />

Instrumente einer individualisierten Leistungserbringung müssen weiterentwickelt wer<strong>de</strong>n. Die Wirksamkeit<br />

<strong>de</strong>r Maßnahmen muss zielgerichteter durchgesetzt, möglicherweise auch kontrolliert wer<strong>de</strong>n.<br />

Insgesamt wird die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe nicht allein wegen <strong>de</strong>r weiteren Zunahme <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r von<br />

einer Behin<strong>de</strong>rung betroffenen Menschen an Be<strong>de</strong>utung wachsen, son<strong>de</strong>rn auch wegen ihrer notwendigen<br />

weiteren Individualisierung. Das heißt, <strong>de</strong>r fachliche Qualitätsanspruch an Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern<br />

in <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe steigt. Herr Dr. Schädler hat <strong>de</strong>shalb zu Recht auf diesen Punkt<br />

hingewiesen unter <strong>de</strong>m Stichwort „individuelle Hilfeplanung“ und <strong>de</strong>utlich gemacht, dass das von <strong>de</strong>n<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein völlig neues Rollenverständnis verlangt.<br />

Dass das nicht durch Rechts- und Strukturverän<strong>de</strong>rungen erreicht wird, können alle Interessierten <strong>de</strong>rzeit<br />

an <strong>de</strong>m Großversuch in <strong>de</strong>m Geschäftsbereich <strong>de</strong>r heutigen Agentur für Arbeit studieren.<br />

Bewusstseinsän<strong>de</strong>rungen bedürfen einer breiten Vorarbeit und benötigen viel Zeit. Sie sind aber Voraussetzung<br />

für eine fachlich qualifizierte, individualisierte, zielgenaue Hilfegewährung.<br />

Auch in einem an<strong>de</strong>ren Zusammenhang unserer heutigen Thematik ist ein Blick auf die augenblickliche<br />

Situation in einem an<strong>de</strong>ren Fachbereich, nämlich <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>s SGB II, durchaus von<br />

Interesse. Hier zeigt sich, dass die möglicherweise gut gemeinte Hervorhebung <strong>de</strong>s For<strong>de</strong>rns dort ins<br />

Leere geht, wo die erfor<strong>de</strong>rlichen Arbeitsmöglichkeiten gar nicht vorhan<strong>de</strong>n sind. Das Gesamtkonzept<br />

unterstellt Voraussetzungen, die nicht vorliegen.


111<br />

Rechts- und Strukturverän<strong>de</strong>rungen setzen eben voraus, dass sie die Lebenswirklichkeit in etwa berücksichtigen.<br />

Es muss nachvollziehbar sein, aus welchem Grund sie erfolgen.<br />

Das betrifft unsere Thematik insofern, als eine Verbesserung <strong>de</strong>r individuellen Hilfeplanung auch ihre<br />

örtliche Verankerung nur dann Sinn geben kann, wenn <strong>de</strong>r so ermittelte individuelle Hilfebedarf tatsächlich<br />

durch die Angebotsstruktur auch aufgefangen wer<strong>de</strong>n kann. Dass dies in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> in großen<br />

Teilbereichen nicht <strong>de</strong>r Fall ist, hat sowohl die wissenschaftliche Begutachtung ergeben, als auch die<br />

Diskussion <strong>de</strong>s heutigen Tages.<br />

Die Hemmnisse, die dies verursachen, sind auch hinlänglich dargestellt wor<strong>de</strong>n. Vor diesem Hintergrund<br />

ist gut zu überlegen, ob nicht die Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Angebotsstrukturen die Voraussetzung für<br />

strukturelle Verän<strong>de</strong>rungen <strong>im</strong> Verwaltungsbereich sein muss. Ansonsten läuft man Gefahr, dass bei<br />

allen Beteiligten, beson<strong>de</strong>rs aber bei <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Leistungen abhängigen behin<strong>de</strong>rten Menschen ähnliche<br />

Frustrationen erzeugt wer<strong>de</strong>n, wie wir sie <strong>de</strong>rzeit bei <strong>de</strong>r Umsetzung <strong>de</strong>s SGB II beobachten.<br />

Also: Erst Etablierung einer ausreichen<strong>de</strong>n Angebotsstruktur auf kommunaler, regionaler Ebene, dann<br />

darauf abgestellte Verwaltungsstrukturen.<br />

Nur am Ran<strong>de</strong> lassen Sie mich erwähnen, dass nach wie vor in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik 155 einzelne Sozialleistungen<br />

exekutiert wer<strong>de</strong>n und das von 38 verschie<strong>de</strong>nen Verwaltungsinstitutionen. Ich habe Zweifel,<br />

ob eine Ausweitung <strong>de</strong>s Spektrums <strong>de</strong>r Sozialleistungsträger unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Verwaltungsmo<strong>de</strong>rnisierung<br />

subsummiert wer<strong>de</strong>n kann. Ich habe auch Zweifel, ob „Verwaltungsmo<strong>de</strong>rnisierung an<br />

sich“ ein politisches Ziel sein kann.<br />

Mit Ausnahme <strong>de</strong>r Aussagen von Herrn Staatssekretär Alber und Herrn Ministerialdirigenten Schafft<br />

waren in <strong>de</strong>r heutigen Diskussion ein<strong>de</strong>utige Ausrichtungen auf ein Strukturmo<strong>de</strong>ll für die Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> für mich nicht erkennbar.<br />

Allerdings gibt es offensichtlich Einvernehmen darüber, dass die <strong>de</strong>rzeitige Situation <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen<br />

auch in fachlicher Hinsicht nicht Rechnung trägt. Das betrifft aber vorrangig die mangelhafte Angebotsstruktur<br />

und die Disparitäten <strong>de</strong>r Versorgung <strong>im</strong> Lan<strong>de</strong>.<br />

Natürlich gibt es auch Interessen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Akteure, auch das LASV, die nicht ausschließlich<br />

uneigennützig sind. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb muss oberste Handlungsmax<strong>im</strong>e für Strukturverän<strong>de</strong>rungen die<br />

Verwirklichung einer umfassen<strong>de</strong>n Teilhabe <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten Menschen am Leben in <strong>de</strong>r Gesellschaft


112<br />

sein, dies vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r konkreten Lebenssituation behin<strong>de</strong>rter Menschen <strong>im</strong> Flächenland<br />

<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.<br />

Ohne von mir aus auf konkrete Lösungsmo<strong>de</strong>lle hinzusteuern, möchte ich doch noch zwei Gesichtspunkte<br />

ansprechen, die heute ein wenig zu kurz kamen, gleichwohl aber bei einer Entscheidung über<br />

die strukturelle Ausrichtung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> von Be<strong>de</strong>utung sind.<br />

Zum einen gibt es nach meiner Wahrnehmung keine übergreifen<strong>de</strong> Bewertung <strong>de</strong>r Verwaltungskosten<br />

bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen möglichen Lösungsmo<strong>de</strong>llen. Die Diskussion ist ausschließlich fokussiert auf die<br />

Kosten <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe. Die Effektivität und Kostensituation <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>nkbaren Strukturmo<strong>de</strong>lle<br />

<strong>de</strong>r Verwaltung steht nicht <strong>im</strong> Blickpunkt.<br />

Zu dieser Frage verweise ich auf eine Untersuchung in Nordrhein-Westfalen, in <strong>de</strong>r die Kosten <strong>de</strong>s Vollzuges<br />

<strong>de</strong>s SGB IX in verschie<strong>de</strong>nen kommunalen Varianten und in einer staatlichen Variante gegenüber<br />

gestellt wur<strong>de</strong>n. Der Abschlussbericht aus Oktober 2004 zeigt auf, dass keines <strong>de</strong>r dort zugrun<strong>de</strong><br />

gelegten Vollzugsszenarien <strong>im</strong> Vergleich zum zentralen Vollzug <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s einen Kostenvorteil darstellt.<br />

In dieser Untersuchung ist auch, wenn auch nur am Ran<strong>de</strong>, auf die Problematik einer uneinheitlichen<br />

Entscheidungsfindung <strong>im</strong> Hinblick auf die dadurch verursachten Kosten eingegangen wor<strong>de</strong>n.<br />

Eine unterschiedliche Vollzugspraxis ist eben nicht nur ein Gerechtigkeits- und Qualitätsproblem, son<strong>de</strong>rn<br />

auch noch ein Treibsatz für die Kosten.<br />

Der zweite Aspekt, <strong>de</strong>r nicht vernachlässigt wer<strong>de</strong>n sollte und <strong>de</strong>r heute auch beson<strong>de</strong>rs betont wur<strong>de</strong>:<br />

Gera<strong>de</strong> Haushaltsknappheit erfor<strong>de</strong>rt einen geplanten Ressourceneinsatz für alle Akteure. Voraussetzung<br />

hierfür ist allerdings ein abgest<strong>im</strong>mtes behin<strong>de</strong>rtenpolitisches Programm, das einen auf die wirtschaftlichen<br />

Möglichkeiten abgestellten Zeitrahmen <strong>de</strong>finiert und alle verantwortlichen staatlichen und<br />

nicht staatlichen Akteure einbezieht. Das Angebot seitens <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>spolitik steht. Das sollten an<strong>de</strong>re<br />

Akteure auch annehmen. Denn bisher fehlt ein solches übergreifen<strong>de</strong>s behin<strong>de</strong>rtenpolitisches Programm<br />

in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.<br />

Geht man so vor, dann ist es auch in Zeiten <strong>de</strong>r Mittelknappheit sehr wohl möglich, systematisch auf<br />

eine gerechte Gesellschaft hinzuarbeiten. Auf einer solchen Basis lassen sich dann auch Strukturentscheidungen<br />

fachlich begrün<strong>de</strong>n, Mitarbeiter motivieren, solche Entscheidungen umzusetzen.


113<br />

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir mit <strong>de</strong>r heutigen Veranstaltung Denkanstöße gegeben haben<br />

für die anstehen<strong>de</strong>n politischen Entscheidungen über die Zukunft <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.<br />

Prof. Dr. Helmut Knüppel<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nähern uns <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Veranstaltung. Mir bleibt<br />

an dieser Stelle zuallererst, herzlich zu danken <strong>de</strong>n Referentinnen und Referenten <strong>de</strong>s heutigen Tages,<br />

die hierher gekommen sind und mit uns diskutiert haben. Ganz beson<strong>de</strong>rs herzlich möchte ich auch<br />

danken <strong>de</strong>n Kolleginnen, die die Veranstaltung vorbereitet haben. Ihnen allen unseren herzlichen Dank<br />

und natürlich auch unseren Studieren<strong>de</strong>n, die für die Praxis <strong>de</strong>s Ablaufs <strong>de</strong>r Tagung zuständig waren,<br />

ganz herzlichen Dank.<br />

Ich darf <strong>de</strong>m Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie danken für die finanzielle För<strong>de</strong>rung,<br />

die notwendig ist, um eine solche Tagung auch tatsächlich zu sichern. Ihnen allen darf ich danken<br />

für Ihre Bereitschaft, sich dieser Diskussion auszusetzen und die Gedanken, die Sie heute mitnehmen,<br />

dann auch zu Hause weiter zu diskutieren. Uns bleibt die Aufgabe, die Standards gegenüber <strong>de</strong>r Politik<br />

in Erinnerung zu bringen, die Standards <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe, die wir uns vorstellen. Uns bleibt vor<br />

allen Dingen die Aufgabe einzufor<strong>de</strong>rn, dass in diesem Lan<strong>de</strong> ein behin<strong>de</strong>rtenpolitisches Programm<br />

aufgelegt wird, an <strong>de</strong>m sich Politik zu orientieren und auszurichten hat.<br />

Herr Profazi hat wegweisend formuliert: „man kann nicht aufhören mit <strong>de</strong>m Disput, man kann nicht<br />

aufhören mit <strong>de</strong>r Streitkultur!“ Ich kann dies nur fortführen mit <strong>de</strong>m Hinweis: Die Hochschule versteht<br />

sich von ihrem wissenschaftlichen Grundverständnis her <strong>im</strong>mer als Basis für eine solche Streitkultur.<br />

Fühlen Sie sich darum eingela<strong>de</strong>n, über alle wichtigen Themen, die uns in unserer Gesellschaft bewegen,<br />

am Wissenschaftsort Hochschule <strong>de</strong>n Diskurs zu führen.<br />

In diesem Sinne <strong>de</strong>nke ich, ist es wichtig, dass wir auch die Bewusstseinsän<strong>de</strong>rung, die heute an vielen<br />

Stellen und auf ganz verschie<strong>de</strong>nen Ebenen angeklungen ist, in unseren Köpfen realisieren. Damit<br />

schaffen wir die Basis, in unseren Arbeitsfel<strong>de</strong>rn und in <strong>de</strong>r Gesellschaft die uneingeschränkte Teilnahme<br />

am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen Wirklichkeit wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />

Teilnahme heißt vor allem Mitentscheidung durch die Betroffenen. In diesem Sinne darf ich Ihnen eine<br />

gute He<strong>im</strong>kehr wünschen und hoffe, Sie <strong>de</strong>mnächst hier wie<strong>de</strong>r begrüßen zu dürfen.


114<br />

XI. Anlage<br />

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><br />

Entwurf<br />

Leitfa<strong>de</strong>n zur Einglie<strong>de</strong>rung behin<strong>de</strong>rter Menschen in die Gesellschaft<br />

I. Handlungsfel<strong>de</strong>r und Aufgabenschwerpunkte bei <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe nach <strong>de</strong>m<br />

Zwölften Buch Sozialgesetzbuch<br />

1. Allgemeines zur Einglie<strong>de</strong>rung behin<strong>de</strong>rter Menschen – Zielstellung <strong>de</strong>s Leitfa<strong>de</strong>ns<br />

1.1 Be<strong>de</strong>utung und Aufgaben <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe<br />

1.2 Darstellung <strong>de</strong>r rechtlichen u. tatsächlichen Än<strong>de</strong>rungen zum 01.01.2007<br />

1.3 Einheitliche Anwendung <strong>de</strong>s Sozialhilferechts<br />

1.4 Darstellung <strong>de</strong>r Ist-Situation <strong>im</strong> Land (Grafiken zu Leistungsarten und -empfängern)<br />

2. Behin<strong>de</strong>rtenpolitische Schwerpunktaufgaben in <strong>de</strong>n Lebensfel<strong>de</strong>rn Wohnen und Arbeit/<br />

Beschäftigung unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s allgemeinen Paradigmenwechsels in <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rtenhilfe,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>mographischen Entwicklung und <strong>de</strong>r gesetzlichen Regelungen auf<br />

Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sebene.<br />

2.1 Einglie<strong>de</strong>rung von Kin<strong>de</strong>rn, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistigen und körperlichen Behin<strong>de</strong>rungen<br />

sowie Mehrfachbehin<strong>de</strong>rungen<br />

o Vorbemerkungen zu Behin<strong>de</strong>rungsarten; Personenkreis;<br />

o Zu einzelnen Leistungen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe:<br />

- Tagesstrukturangebote in Wohnstätten<br />

- För<strong>de</strong>r- und Beschäftigungsbereiche<br />

- WfbM<br />

- Betreute Wohnformen<br />

- Wohnstätten<br />

2.2 Einglie<strong>de</strong>rung von chronisch psychisch kranken Menschen<br />

o Vorbemerkungen zu psych. Erkrankung/seelischer Behin<strong>de</strong>rung; Personenkreis,<br />

o Zu einzelnen Leistungen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe:<br />

- Wohnstätten,<br />

- FSR in Lan<strong>de</strong>skliniken,<br />

- He<strong>im</strong>e in an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn (bisher: § 2a Nr. 4 AG BSHG i.V. mit § 35<br />

PsychKG)<br />

- Tagesstrukturierung - Tagesstätten<br />

- WfbM<br />

2.3 Einglie<strong>de</strong>rung von suchtkranken Menschen<br />

o Vorbemerkungen zu Aspekten <strong>de</strong>r Suchterkrankungen; Personenkreis und zur Feststellung<br />

von Suchterkrankungen und/o<strong>de</strong>r von seelischer Behin<strong>de</strong>rung (Diagnose)<br />

o Zu einzelnen Leistungen <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe:


115<br />

- Tagesstätten (teilstationäre Angebote)<br />

- Tagesstrukturieren<strong>de</strong> Angebote (ambulante Angebote)<br />

- Betreute Wohnformen (ambulantes Wohnen, Außenwohngruppen)<br />

- Wohnstätten für chronisch mehrfach geschädigte Alkoholkranke<br />

- Überbrückungsangebote<br />

- Sozialtherapeutische Einrichtungen<br />

- Nachsorge, Teilhabe am Arbeitsleben<br />

II. Steuerungsempfehlungen zur Umsetzung <strong>de</strong>r Schwerpunktaufgaben<br />

1. Handlungsfel<strong>de</strong>r und Aufgabenschwerpunkte (prozessbezogen)<br />

1.1 Vorschläge zur Prozessopt<strong>im</strong>ierung<br />

o Organisation und Fallmanagement<br />

o Hilfebedarfsermittlung<br />

o Fallkonferenzen<br />

o individuelle Zielplanungen<br />

o Wirkungskontrolle<br />

o Neufestsetzungen<br />

o individuelles Qualitätsmanagement<br />

o Kooperationen zwischen Sozialamt/Gesundheitsamt/Jugendamt/Soziale Dienste<br />

/Rehaträger nach SGB IX/Leistungsträger und Leistungserbringer<br />

1.2 Sozialplanerische Aspekte<br />

o Darstellung <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>ssituation (Plätze/Hilfeermittlungszahlen <strong>im</strong> Kontext <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>ssituation<br />

(Ziel, Trendaussage, Allgemeine Entwicklung, Handlungsbedarf und Empfehlung)<br />

o Darstellung <strong>de</strong>r kreislichen Situation (Ziel, Handlungsbedarf und Empfehlung)<br />

o Überprüfung/Korrektur und Vernetzung <strong>de</strong>r Hilfeangebote (Einleitung eines Umsteuerungsprozesses)<br />

o Sozialcontrolling<br />

1.3 Entgeltangelegenheiten<br />

o Darstellung <strong>de</strong>s Ist-Stan<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>n Grundsätzen (Ziel, Handlungsbedarf und Empfehlung<br />

o Be<strong>de</strong>utung von Leistungstypisierungen und differenzierten Hilfebedarfs-<br />

Erfassungssystemen (Abschluss <strong>de</strong>s Verfahrens zur Umsetzung von leistungsgerechten<br />

Vergütungen/Differenzierung <strong>de</strong>r Maßnahmepauschalen nach Leistungstypen und<br />

Hilfebedarfsgruppen für <strong>de</strong>n Personenkreis <strong>de</strong>r Menschen mit geistiger/körperlicher<br />

Behin<strong>de</strong>rung für <strong>de</strong>n Lebensbereich Wohnen; Weiterführung <strong>de</strong>r Leistungstypisierung/Leistungsvereinbarungen<br />

für geistig und/o<strong>de</strong>r mehrfach behin<strong>de</strong>rte Menschen;<br />

Leistungstypisierung/Leistungsvereinbarungen für seelisch behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

o Darstellung <strong>de</strong>s Ist-Zustan<strong>de</strong>s <strong>im</strong> Einzelnen (Ziel, Handlungsbedarf und Empfehlung -<br />

z. B. Umgang mit Son<strong>de</strong>rtatbestän<strong>de</strong>n, beson<strong>de</strong>rs Investitionsanträgen, Vermeidung<br />

von Doppelfinanzierungen)


116<br />

2. Handlungsfel<strong>de</strong>r und Aufgabenschwerpunkte zur Durchsetzung <strong>de</strong>s Grundsatzes<br />

„ambulant vor stationär“ (fachlich-inhaltlich)<br />

2.1 Durchführung von Mo<strong>de</strong>llprojekten „Persönliches Budget für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen <strong>im</strong><br />

Bereich ambulant betreutes Wohnen“<br />

o Zielstellung: Unterstützung eines möglichst selbst best<strong>im</strong>mten Lebens<br />

o Leistungsanbieter/Art und Umfang <strong>de</strong>r Leistungen<br />

2.2 Rahmenbedingungen für „Ambulant betreutes Wohnen für behin<strong>de</strong>rte Menschen in Wohngemeinschaften“<br />

o Zielgruppe: erwachsene behin<strong>de</strong>rte Menschen, die für längere Zeit o<strong>de</strong>r auf Dauer Unterstützung<br />

zur selbstständigen Lebensführung benötigen<br />

o Leistungsträger<br />

o Qualitätsstandards<br />

2.3 Rahmenempfehlungen für „begleiten<strong>de</strong>s Wohnen für behin<strong>de</strong>rte Menschen in Familien“<br />

o Zielgruppe: erwachsene Menschen mit geistigen o<strong>de</strong>r seelischen Behin<strong>de</strong>rungen, die<br />

für längere Zeit o<strong>de</strong>r auf Dauer Unterstützung zur selbstständigen Lebensführung benötigen<br />

o Leistungsanbieter<br />

o Familienberatung - direkte Betreuungsleistungen, mittelbare Betreuungsleistungen,<br />

Fallbesprechungen<br />

o Qualitätsstandards<br />

2.4 Empfehlungen zur Gestaltung <strong>de</strong>r Lebens- und Wohnbedingungen für alt gewor<strong>de</strong>ne Menschen<br />

mit geistiger Behin<strong>de</strong>rung und psychischer Erkrankung<br />

o Situation <strong>im</strong> Land<br />

o fachliche Grundsätze/Empfehlungen<br />

2.5 Empfehlungen für die För<strong>de</strong>rung und Betreuung sinnesbehin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r, Jugendlicher und<br />

Erwachsener<br />

o Zielgruppe<br />

o Abgrenzung <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rungshilfe gegenüber <strong>de</strong>r Jugendhilfe- und Schulleistungen<br />

o Früherkennung/Frühför<strong>de</strong>rung<br />

o Regel-KITA/Integrations-KITA<br />

o Schule/För<strong>de</strong>rschule/Internat<br />

o Einglie<strong>de</strong>rung sinnesbehin<strong>de</strong>rter Erwachsener<br />

2.6 Eckpunkte für die För<strong>de</strong>rung, Betreuung und Beschäftigung schwerstbehin<strong>de</strong>rter Menschen und<br />

alt gewor<strong>de</strong>ner behin<strong>de</strong>rter Menschen<br />

o För<strong>de</strong>r- und Beschäftigungsbereich (FBB) an <strong>de</strong>r WfbM<br />

o Gestaltung <strong>de</strong>s Tages für behin<strong>de</strong>rte Menschen in stationären Einrichtungen<br />

o Personenkreis<br />

o Leistungstypen


117<br />

2.7 Empfehlungen für die Betreuung und För<strong>de</strong>rung von Menschen mit einem autistischen<br />

Störungsbild<br />

o Zielgruppe<br />

o fachlich-inhaltliche Anfor<strong>de</strong>rungen an die Wohnformen<br />

o fachlich-inhaltliche Anfor<strong>de</strong>rungen an die Gestaltung <strong>de</strong>s Tages<br />

3. Begleitung und Beratung <strong>de</strong>r Kommunen durch das Land - weiteres Verfahren<br />

3.1 Lan<strong>de</strong>sbehin<strong>de</strong>rtenkonferenz<br />

3.2 Lan<strong>de</strong>ssuchtkonferenz<br />

3.3 Gremien <strong>de</strong>r Kooperation zwischen Land und Kommune

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