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Erziehung<br />

und Wissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW 10/2005<br />

Integrationspolitik:<br />

Es wird<br />

viel<br />

gemacht –<br />

doch bei<br />

weitem<br />

nicht<br />

genug


GASTKOMMENTAR<br />

Folgen einer demonstrativen<br />

Erkenntnisverweigerung<br />

Verspätete und nachholende Integrationspolitik<br />

Prof. Dr. Klaus<br />

J. Bade ist Direktor<br />

des Instituts<br />

für Migrationsforschung<br />

und Interkulturelle<br />

Studien<br />

(IMIS) der Universität<br />

Osnabrück<br />

(www.kjbade.de).<br />

2<br />

Foto: Erich Malter<br />

E&W 10/2005<br />

Deutschland ist eine verspätete<br />

Nation in Sachen konzeptorientierterMigrationsund<br />

Integrationspolitik. Erst<br />

das seit Jahresbeginn rechtskräftigeZuwanderungsgesetz<br />

hat beide Dimensionen<br />

strategisch zusammengebracht.<br />

Das Gesetz (s. auch<br />

Seite 20) hat dem breiten<br />

Konsens geschuldete Mängel<br />

– ohne Punktesystem für<br />

Zuwanderung, ohne gesetzlich<br />

verordnete wissenschaftliche<br />

Begleitung (Zuwanderungsrat).<br />

Es ist trotzdem ein<br />

wichtiger Schritt in die richtige<br />

Richtung und eine solide<br />

Plattform, auf der nach<br />

gemachten Erfahrungen weitergebaut<br />

werden kann.<br />

Aber das Zuwanderungsgesetz<br />

kommt rund ein Vierteljahrhundert<br />

zu spät. Man<br />

konnte schon Anfang der<br />

80er Jahre in mancherlei<br />

Schriften – auch solchen des<br />

Verfassers dieses Artikels –<br />

den Nachweis finden, dass<br />

Deutschland auf dem Weg<br />

zum Einwanderungsland sei<br />

und die dringende Mahnung,<br />

Migrations- und Integrationspolitik<br />

endlich als<br />

zentrale Gestaltungsbereiche<br />

der Gesellschaftspolitik eines<br />

Einwanderungslandes zu<br />

erkennen und zu politischen<br />

Mainstream-Themen zu machen.<br />

Damals siegte, was ich<br />

demonstrative Erkenntnisverweigerung<br />

nannte. Mancherlei<br />

soziale Folgen mangelnder<br />

fördernder Begleitung<br />

von Integrationsprozessen<br />

können wir heute besichtigen.<br />

Das gilt besonders für die<br />

zweite und dritte Einwanderergeneration<br />

jener, deren<br />

Großeltern man einmal abschätzig<br />

„Gastarbeiter“<br />

nannte: Viele Jobs der angeworbenen<br />

und gebliebenen,<br />

un- und angelernten Pionierwanderer<br />

entfielen, aber die<br />

nötigen Förderprogramme<br />

als Eintrittskarten in die beruflich-sozialen<br />

Fahrstühle<br />

blieben aus. Auch deswegen,<br />

nicht nur der sozialen Herkunft<br />

wegen, sind die Bildungsabschlüsse<br />

dieser Einwanderer<br />

nach wie vor deutlich<br />

niedriger und die Arbeitslosenzahlen<br />

deutlich<br />

höher. Programme, die wir<br />

heute „Fördern und Fordern“<br />

nennen, hätten uns<br />

vieles ersparen können.<br />

Aber geredet wurde in den<br />

frühen 80ern vor allem über<br />

„Rückkehrprämien“ und<br />

bestenfalls über „soziale Integration<br />

auf Zeit“. Die Proteste<br />

dagegen und die Warnungen<br />

vor den Folgen dieser<br />

sozialen Kurzschlusspolitik<br />

sind heute vergessen.<br />

Retrospektive Besserwisserei<br />

und klagende Selbstbeschreibungen<br />

helfen nicht<br />

weiter. Integrationspolitik<br />

muss nach vorne blicken, sie<br />

sollte aber auch integrationspolitische<br />

Versäumnisse der<br />

Vergangenheit bewusst annehmen<br />

und im Rahmen<br />

nachholender Integrationspolitik<br />

in ihren negativen<br />

Folgen zu begrenzen suchen:<br />

Nachholende Integrationspolitik<br />

kann, wie<br />

präventive Integrationspolitik<br />

bei der so genannten<br />

Erstintegration, die Eigendynamik<br />

des Integrationsprozesses<br />

nicht ersetzen, sondern<br />

nur fördernd begleiten.<br />

Sie zielt darauf, steckengebliebeneIntegrationsprozes-<br />

se wieder in Gang zu bringen<br />

und ist orientiert an<br />

dem Ziel der nachträglichen<br />

Eröffnung von Chancen zu<br />

einer möglichst gleichberechtigten<br />

Partizipation an<br />

allen gesellschaftlichen Teilbereichen.<br />

Das gilt vor allem für erstens<br />

die sprachliche Integration;<br />

zweitens die ohne diese Voraussetzung<br />

kaum erreichbare<br />

soziale Integration; drittens<br />

die kulturelle Integration<br />

einschließlich des sich<br />

Einlebens in die Grundwerte<br />

der Rechtskultur; viertens<br />

die ökonomische Integration:<br />

den Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

und, vor allem<br />

bei jüngeren Menschen,<br />

fünftens die Voraussetzungen<br />

dazu in Gestalt von familiärer<br />

Erziehung, schulischer<br />

Bildung und beruflicher<br />

Ausbildung bzw. Qualifikation.<br />

Zeit ist keine mehr zu verlieren<br />

– sonst könnte das bislang<br />

glücklicherweise zumeist<br />

gegenstandslose Menetekel<br />

des ersten bundesdeutschenAusländerbeauftragten,<br />

des ehemaligen<br />

nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten<br />

Heinz<br />

Kühn, vom Ende der 70er<br />

Jahre in einigen Bereichen<br />

doch noch Wirklichkeit werden:<br />

Was man heute nicht in<br />

die Integration der ausländischen<br />

Arbeitnehmer und ihrer<br />

Familien investiere, hatte<br />

Kühn damals gewarnt, das<br />

müsse man unter Umständen<br />

später für Resozialisierung<br />

und Polizei bezahlen.<br />

Wenn diese düstere Prophezeiung<br />

trotz eines VierteljahrhundertsintegrationspolitischerInvestitionsverweigerung<br />

nicht eingetreten ist,<br />

dann ist das weniger der<br />

deutschen Integrationspoli-<br />

tik als der friedlichen alltäglichenIntegrationsbereitschaft<br />

der Menschen mit<br />

Migrationshintergrund zu<br />

verdanken.<br />

Das muss aber bei denen,<br />

die sich ausgeschlossen<br />

fühlen, nicht so bleiben.<br />

Und einschlägige Alarmsignale<br />

sind unübersehbar:<br />

Die Aggressivität von unzureichend<br />

integrierten Jugendlichen<br />

mit Migrationshintergrund<br />

wächst. Jeder<br />

vierte jugendliche Intensivtäter<br />

ist heute ein Aussiedler<br />

bzw. Spätaussiedler. Und Jugendliche<br />

ohne Migrationshintergrund<br />

antworten mit<br />

steigender ethno-nationalistischer<br />

bzw. völkischer Orientierung<br />

und als Selbsthilfe<br />

verstandener Abgrenzung<br />

gegen „Russen“, „Türken“<br />

und „Migranten“ bzw. zugewanderte<br />

„Fremde“ überhaupt.<br />

Das gilt nicht nur für<br />

Neonazis, denen der aktuelle<br />

Verfassungsschutzbericht<br />

einen Zuwachs um 25 Prozent<br />

im letzten Jahr bescheinigt.<br />

Es gilt auch für zahlreiche<br />

neue Rechtsorientierungen<br />

im Vorfeld parteipolitischer<br />

Bindungen. Die Polarisierung<br />

wächst und die<br />

Chancen nachholender Integration<br />

nehmen auf der<br />

Zeitachse ab, bei unverhältnismäßig<br />

steigenden sozialen<br />

Kosten. Gewarnt sei vor<br />

erneutem fahrlässigen Zuwarten<br />

und vor menschenfreundlichem<br />

Schönreden in<br />

falsch verstandener politischer<br />

Korrektheit an der<br />

Grenze zur philanthropischen<br />

Heuchelei.<br />

Klaus Bade


Gastkommentar<br />

„Nachholende Integrationspolitik“ Seite 2<br />

Auf einen Blick<br />

Impressum<br />

Titel: Integration<br />

Bundestagswahl<br />

Bildungspolitik<br />

Tarif- und Beamtenpolitik<br />

Hochschule und Forschung<br />

Weltlehrertag<br />

Leserforum<br />

Berufsverbote<br />

Marktplatz<br />

Anschlagtafel<br />

Diesmal<br />

auch im Internet unter www.gew.de<br />

Seite 4<br />

Seite 4<br />

1. In Offenbach ist die Welt zuhause Seite 6<br />

2. „Nicht falsch, nur arabisch“ Seite 12<br />

3. Perspektivwechsel in der Lehrerbildung Seite 14<br />

4. Angebote für Migranteneltern Seite 16<br />

5. Lebensrealitäten junger Migrantinnen Seite 18<br />

6. „Was bleibt, ist Zwang“ Seite 20<br />

Bildung eine Stimme geben Seite 21<br />

1. Interview zur Ganztagsschule Seite 22<br />

2. OECD-Bericht 2005 zur Bildung Seite 23<br />

1. TVöD: „Besser geht’s nicht“ Seite 24<br />

2. E&W-Serie zum neuen Tarifwerk Seite 26<br />

GEW startet Internet-Portal Seite 27<br />

Interview: Tödliches Engagement Seite 28<br />

Seite 29<br />

Die Jagd geht weiter Seite 30<br />

Titel: Werbeagentur Zimmermann<br />

Seite 30/33<br />

Seite 34<br />

Seite 40<br />

Einem Teil dieser Auflage sind die Zeitung für den<br />

Weiterbildungsbereich „prekär“ sowie die Studierendenzeitung<br />

„read.me“ beigelegt.<br />

„In Offenbach ist die Welt<br />

zuhause“ – in der hessischen<br />

Lederwarenstadt ist die<br />

Mehrheitsgesellschaft nichtdeutscher<br />

Herkunft. Politik<br />

steht unter Handlungsdruck<br />

in Sachen Integration. Die<br />

rot-grüne Stadtregierung ist<br />

recht erfinderisch, trotz<br />

knapper Kassen. Eine Reportage<br />

von Helga Haas-Rietschel.<br />

Die Kommune ist auch ein<br />

Beispiel für „verspätete und<br />

nachholende Integrationspolitik“ wie sie Klaus Bade in dem Gastkommentar<br />

für die gesamte Republik feststellt. Zum Thema außerdem Beiträge<br />

von Jeannette Goddar über das interkulturelle Kita-Projekt „Kinderwelten“<br />

und Jürgen Amendt über Angebote zur Elternarbeit für Migranten<br />

in Berlin. Außerdem kritische Fragen zur Lehrerbildung von Marianne<br />

Kröger-Potratz sowie Ergebnisse einer aktuellen Studie über Lebensrealitäten<br />

junger Migrantinnen von Yasemin Karakosglu. Den Schwerpunkt<br />

Integration rundet eine Kritik des 2004 beschlossenen Zuwanderungsgesetzes<br />

ab Seite 6 ff.<br />

Der krasse Rückstand<br />

ist noch<br />

nicht überwunden,<br />

resümiert<br />

Max Loewe den<br />

neuen OECD-<br />

Bericht: „Bildung<br />

auf einen Blick“.<br />

Die Bundesrepublik<br />

hinkt bei den<br />

öffentlichen Bildungsausgaben<br />

wie bei der Bildungsbeteiligung im internationalen Vergleich immer<br />

noch meilenweit der Entwicklung in anderen Industrienationen hinterher.<br />

Seite 23<br />

„In Kolumbien ist Lehrerengagement<br />

tödlich“, sagt der<br />

Vorsitzende der kolumbianischen<br />

Lehrergewerkschaft<br />

FECODE, Witney Chavez,<br />

im E&W-Interview. Chavez<br />

macht im Gespräch klar,<br />

dass „qualifizierte Bildung“<br />

nicht zu realisieren ist, wenn<br />

Repression und Terror gegen<br />

Lehrende so groß sind, dass<br />

sie um ihr Leben fürchten<br />

müssen. Seite 28<br />

Foto: Alexander Paul Englert<br />

Foto: imago<br />

INHALT<br />

Foto: Privat<br />

E&W 10/2005 3


AUF EINEN BLICK<br />

PISA 2003: Erstmals sollen Ergebnisse aller Schularten<br />

veröffentlicht werden.<br />

PISA-E-Bericht mit Ergebnissen<br />

aller Schularten<br />

Die vollständige deutsche PISA-Auswertung 2003<br />

wird nicht nur einen bundesweiten Leistungsvergleich<br />

der Gymnasien enthalten, sondern auch die<br />

Ergebnisse der einzelnen Schularten veröffentlichen.<br />

Einen entsprechenden Beschluss fasste die<br />

Amtschefkommission „Qualitätssicherung in<br />

Schulen“ der Kultusministerkonferenz (KMK).<br />

Damit folgt die Kommission einem Vorstoß der<br />

unionsgeführten Bundesländer sowie der Empfehlung<br />

des Leiters des PISA-Konsortiums, Manfred<br />

Prenzel (Kiel). Beim ersten PISA-Test 2000 hatten<br />

der damalige Leiter des PISA-Konsortiums, Jürgen<br />

Baumert, und der in der KMK für Qualitätsentwicklung<br />

zuständige Staatsrat Hermann Lange<br />

(Hamburg) diesen Schulformvergleich wegen der<br />

unterschiedlichen Beteiligungsquoten und der Zusammensetzung<br />

der Schülerschaft als problematisch<br />

abgelehnt. Nur für die Gymnasien war ein<br />

bundesweites Ranking erstellt worden, weil deren<br />

Schülerschaft als annähernd vergleichbar gilt.<br />

Die GEW hatte die Kultusminister vor diesem<br />

Schritt gewarnt. „Die Schulformen in Deutschland<br />

sind mit Ausnahme der Gymnasien so unterschiedlich<br />

strukturiert, dass ein seriöser Vergleich nicht<br />

möglich ist“, sagte die stellvertretende GEW-Vorsitzende<br />

Marianne Demmer. In manchen Bundesländern<br />

wie Sachsen gebe es keine Haupt- und Realschulen<br />

mehr. In anderen faktisch keine Gesamtschulen<br />

– etwa in Bayern und Baden-Württemberg.<br />

Zudem variierten die Schüleranteile an Hauptschulen<br />

zwischen knapp 40 Prozent eines Jahrgangs in<br />

Bayern und zehn Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

„Schulformbezogene Mittelwerte für<br />

die Bundesländer sagen weder etwas über die<br />

pädagogischen Anstrengungen der einzelnen<br />

Schule noch über die Leistung einzelner Schüler<br />

aus“, betonte Demmer. Sie zeigten lediglich, wie<br />

hoch der Schüleranteil in den Schulformen ist bzw.<br />

welchen Anteil schwache Schüler ausmachen. Die<br />

Veröffentlichung der Daten führe dazu, Schülerinnen<br />

und Schüler zu etikettieren – unabhängig davon,<br />

welche Leistung sie tatsächlich und individuell<br />

erbringen. Demmer warf Prenzel vor, der wissenschaftlichen<br />

Reputation des gesamten deutschen<br />

PISA-Konsortiums mit seiner Empfehlung<br />

Schaden zugefügt zu haben. Der vollständige nationale<br />

PISA-2003-Bericht wird am 3. November<br />

veröffentlicht. Teilergebnisse wurden bereits am 14.<br />

Juli vorgestellt (s. E&W 9/2005).<br />

4<br />

E&W 10/2005<br />

Foto: imago<br />

Umlage reicht nicht<br />

Die GEW hat ihre Forderung<br />

nach einer Ausbildungsplatzumlage<br />

noch einmal bekräftigt.<br />

Gleichzeitig stellte die<br />

Gewerkschaft aber klar, dass<br />

zusätzlich vom Arbeitsmarkt<br />

unabhängige Ausbildungsplätze<br />

notwendig sind, die<br />

das duale System mit einem<br />

gleichwertigen Angebot ergänzen.<br />

Das neue Berufsbildungsgesetz<br />

ermögliche eine<br />

entsprechende Anerkennung<br />

und Zertifizierung<br />

schulischer Berufsbildungsgänge.<br />

Rund 200 000 Jugendliche<br />

werden in diesem Jahr keinen<br />

beruflichen Ausbildungsplatz<br />

bekommen. „Diese<br />

jungen Menschen brauchen<br />

Maßnahmen, die sie qualifizieren<br />

und die gesellschaftlich<br />

anerkannt sind. Außerbetriebliche<br />

und vollzeitschulischeAusbildungsgänge<br />

müssen endlich aufgewertet<br />

und vom Stigma der ‚Notmaßnahme’<br />

befreit werden“,<br />

betonte GEW-Berufsbildungsexpertin<br />

Stephanie<br />

Odenwald. In einem Schreiben<br />

an das Bundesbildungsministerium<br />

setzte sie sich<br />

dafür ein, die Möglichkeiten,<br />

die das neue Berufsbildungsgesetz<br />

eröffnet, auszuschöpfen.<br />

Letztes Kita-Jahr beitragsfrei<br />

Die Hochschulen sollen auch<br />

von den BAföG-Empfängern<br />

Studiengebühren eintreiben.<br />

714-Millionen-Rate<br />

für Spitzen-Unis<br />

Die Bundesregierung hat 714<br />

Millionen Euro als erste Rate<br />

für das Programm zum Aufbau<br />

von Spitzen-Universitäten<br />

freigegeben. Die DeutscheForschungsgemeinschaft<br />

(DFG) und der Wissenschaftsrat<br />

haben entsprechendeBewilligungsbescheide<br />

erhalten.<br />

Mit dem insgesamt 1,9 Milliarden<br />

Euro umfassenden<br />

Programm sollen bis 2011<br />

durch die Einrichtung von<br />

rund 40 Graduiertenschulen<br />

für Nachwuchswissenschaftler,<br />

etwa 30 Exzellenz-Clustern<br />

und der Entwicklung einiger<br />

Eliteuniversitäten der<br />

Aufbau international anerkannter<br />

Spitzenforschung an<br />

den Universitäten gefördert<br />

werden. Der Bund trägt 75<br />

Prozent der Kosten, die Länder<br />

25 Prozent.<br />

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat das Gesetz für<br />

den Ausbau von Bildung und Betreuung für Kleinkinder auf<br />

den Weg gebracht. Das Kabinett stimmte dem Gesetzentwurf<br />

für das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang<br />

an“ zu.<br />

Das Programm des Bildungsministeriums sieht einen Ausbau<br />

der Kinderkrippenplätze und eine intensivere sprachliche Förderung<br />

von Kleinkindern vor. Diese sollen besser vorbereitet<br />

in die Schule kommen. Das letzte Kindergartenjahr soll von<br />

Anfang 2006 an<br />

daher beitragsfrei<br />

sein. Außerdem<br />

ist geplant,<br />

bis 2010 einen<br />

Rechtsanspruch<br />

auf einen Kindergartenplatz<br />

schon für Zweijährigegesetzlich<br />

zu verankern.<br />

Rheinland-Pfalz: intensive Sprachförderung<br />

von Kleinkindern.<br />

Foto: imago<br />

Foto: imago<br />

Gebühren auch für<br />

BAföG-Empfänger<br />

Im nächsten Jahr will Nordrhein-Westfalen<br />

erstmals Studiengebühren<br />

kassieren:<br />

Zum Wintersemester 2006/<br />

07 sollen die Studienanfänger<br />

bis zu 500 Euro pro Semester<br />

berappen. Bereits immatrikulierte<br />

Studierende<br />

müssen vom Sommersemester<br />

2007 an zahlen. Entgegen<br />

der Vereinbarung im<br />

schwarz-gelben Koalitionsvertrag<br />

sollen auch BAföG-<br />

Empfänger bei den Studiengebühren<br />

zur Kasse gebeten<br />

werden. Die über 50 Hochschulen<br />

im Land können<br />

selbst entscheiden, ob und in<br />

welcher Höhe sie Studiengebühren<br />

verlangen.<br />

Impressum<br />

Erziehung und<br />

Wissenschaft<br />

Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung ·<br />

57. Jg.<br />

Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung<br />

und Wissenschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />

Vorsitzender:<br />

Ulrich Thöne. Redaktion: Ulf Rödde<br />

(verantwortlich), Helga Haas-Rietschel.<br />

Redaktionsassistenz: Renate Körner<br />

Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M.,<br />

Telefon (0 69) 7 89 73-0,<br />

Telefax (0 69) 7 89 73-202.<br />

E-Mail: Renate.Koerner@gew.de<br />

Internet: http://www.gew.de<br />

Redaktionsschluss ist der 10. eines<br />

jeden Monats.<br />

Erziehung und Wissenschaft erscheint<br />

elfmal jährlich, jeweils am 5. des Monats<br />

mit Ausnahme der Sommerferien.<br />

Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im<br />

Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nichtmitglieder<br />

beträgt der Bezugspreis jährlich<br />

€ 7,20 zuzüglich € 11,30 Zustellgebühr<br />

inkl. MwSt. Für die Mitglieder der<br />

Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg,<br />

Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz,<br />

Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und<br />

Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen<br />

der E&W beigelegt.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Rezensionsexemplare wird keine<br />

Verantwortung übernommen. Die<br />

mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten<br />

Beiträge stellen nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion oder<br />

des Herausgebers dar.<br />

Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm<br />

Verlag GmbH, Goldammerweg 16,<br />

45134 Essen;<br />

Verantw. f. Anzeigen: Mathias Müller,<br />

Tel. (0201) 84300-0,<br />

Telefax (0201) 472590,<br />

anzeigen@stamm.de; z. Z. gültige<br />

Anzeigenpreisliste Nr. 35<br />

vom 1. 1. 2005; Anzeigenschluss<br />

am 5. des<br />

Vormonats. Druck:<br />

apm AG, Kleyerstraße 3<br />

64295 Darmstadt.<br />

E&W wird auf<br />

chlorfrei gebleichtem<br />

Papier gedruckt.<br />

ISSN<br />

0342-0671


100 Millionen Kinder wachsen ohne Schulbildung auf.<br />

Weltweit 800 Millionen Analphabeten<br />

785 Millionen Erwachsene können weltweit nicht lesen und<br />

schreiben. Zwei Drittel davon sind Frauen. 100 Millionen Kinder<br />

wachsen ohne Schulbildung auf. Darauf hat die UNESCO<br />

zum Welttag der Alphabetisierung am 8. September hingewiesen.<br />

In der Weltdekade der Alphabetisierung wollen die Vereinten<br />

Nationen bis 2012 das internationale Entwicklungsziel „Bildung<br />

für alle“ verwirklichen. 2005 lag der Schwerpunkt des<br />

Welttages der Alphabetisierung auf der nachhaltigen Entwicklung.<br />

„Alphabetisierung ist das Herzstück der nachhaltigen Entwicklung“,<br />

sagte UNO-Generalsekretär Kofi Annan.<br />

Über 70 Prozent aller erwachsenen Analphabeten leben in nur<br />

neun Ländern der Erde, darunter Indien, China, Bangladesch<br />

und Pakistan. Doch auch in den Industrieländern ist Analphabetismus<br />

ein Thema: In Deutschland etwa verlassen 80.000 Jugendliche<br />

jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. Fast 25 Prozent<br />

eines Jahrgangs gehören zur so genannten Risikogruppe,<br />

deren Rechen- und Lesekompetenz nicht ausreichend ist. Damit<br />

fehlt ihnen die Grundlage für eine aktive Teilnahme am sozialen,<br />

kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben.<br />

Über 200 „Bündnisse<br />

für Familie“<br />

In über 200 Kreisen und<br />

Städten mit einem Einzugsgebiet<br />

von 24 Millionen<br />

Menschen haben sich seit<br />

Anfang 2004 „Bündnisse für<br />

Familie“ gegründet. Im Rahmen<br />

der Aktivitäten<br />

schließen sich Betriebe,<br />

Kommunen, Vereine, Gewerkschaften<br />

und öffentliche<br />

Einrichtungen zusammen,<br />

um die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf zu<br />

verbessern. 85 Prozent der<br />

Eltern begrüßen lokale<br />

Bündnisse für Familien ausdrücklich.<br />

Kopftuchverbot bald<br />

auch in Kitas?<br />

Nach dem Kopftuchverbot<br />

für muslimische Lehrerinnen<br />

in den Schulen Baden-Württembergs<br />

soll das Tragen des<br />

religiösen Symbols nun auch<br />

in Kindergärten verboten<br />

werden. Eine entsprechende<br />

parlamentarische Initiative<br />

zur Änderung des Kindergartengesetzes<br />

bahnt sich an.<br />

Nach dem landesweit ersten<br />

Kopftuchverbot im Kindergarten<br />

will die Stadt Ebersbach<br />

(Kreis Göppingen) nun<br />

für den gesamten Südwesten<br />

eine Gesetzesinitiative auf<br />

den Weg bringen.<br />

Foto: imago<br />

Nachhilfe boomt<br />

Durchschnittlich erhält jeder<br />

vierte Schüler bezahlten<br />

Nachhilfeunterricht. Die<br />

Quote liegt laut der jüngsten<br />

Ergebnisse des Sozioökonomischen<br />

Panels (SOEP) bei<br />

Gymnasiasten in den alten<br />

Bundesländern mit 36 Prozent<br />

besonders hoch. Nach<br />

den Daten der repräsentativen<br />

Studie nehmen Kinder aus<br />

Haushalten im oberen Einkommensviertel<br />

mehr als<br />

doppelt so häufig (36 Prozent)<br />

bezahlte Nachhilfe in Anspruch<br />

wie Kinder in Haushalten<br />

des unteren Einkommensviertels<br />

(15 Prozent).<br />

Erstes Sozialforum<br />

in Deutschland<br />

„Ob es gelingt, weiteren neoliberalen<br />

Umbau zu verhindern,<br />

hängt entscheidend<br />

von den Protesten der sozialen<br />

Bewegung vor und nach<br />

den Bundestagswahlen ab.<br />

Wer auch immer regieren<br />

wird und weiteren Sozialabbau<br />

betreibt, muss mit unserem<br />

massiven Widerstand<br />

rechnen.“ Auf dieses Ziel verständigten<br />

sich die rund<br />

3500 Teilnehmer des ersten<br />

Sozialforums in Deutschland,<br />

das in Erfurt stattgefunden<br />

hat. Über 200 Organisationen<br />

und Einzelpersonen<br />

organisierten rund 250<br />

Veranstaltungen, die sich mit<br />

Themen wie „Arbeitswelt<br />

und Menschenwürde“, „Globalisierung<br />

und die Rolle<br />

Deutschlands in der Welt“<br />

oder „Menschenrechte und<br />

politische Teilhabe“ auseinandersetzten.<br />

Die GEW bot<br />

eine Veranstaltung zum Thema<br />

„Recht auf Bildung – Bildung<br />

ist keine Ware“ an, die<br />

der Landesverband Thüringen<br />

organisiert hatte.<br />

Auf einer Aktions- und Strategiekonferenz<br />

der sozialen<br />

Bewegungen soll am 19./20.<br />

November 2005 in Frankfurt<br />

am Main über das weitere<br />

Vorgehen entschieden werden.<br />

Alle weiteren Infos unter:<br />

www.sozialforum2005.de<br />

AUF EINEN BLICK<br />

Kein Sport mehr in der Oberstufe?<br />

Nach Informationen<br />

der GEW Baden-Württemberg<br />

plant die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK), den Sportunterricht<br />

in der Oberstufe<br />

der Gymnasien abzuschaffen.<br />

Grund sei,<br />

dass die überlasteten<br />

Schülerinnen und<br />

Schüler kaum noch<br />

Wahlkurse wie Informatik<br />

belegen. „Es wäre<br />

absurd, wenn die jungen<br />

Menschen die am<br />

Tag oft zehn bis zwölf<br />

Stunden sitzend verbringen,<br />

sich nicht einmal<br />

mehr zwei Stunden<br />

pro Woche im Sportunterricht<br />

bewegen können.<br />

Viele Jugendliche<br />

haben bereits Gesundheits-<br />

und Gewichtsprobleme<br />

und leiden<br />

unter dem Bewegungsmangel<br />

in unseren<br />

Schulen“, sagte GEW-<br />

Landesvorsitzender<br />

Rainer Dahlem.<br />

Die KMK widersprach<br />

dieser Darstellung. Allerdings<br />

räumte sie ein,<br />

eine Arbeitsgruppe beauftragt<br />

zu haben, „die<br />

Vereinbarung zur gymnasialen<br />

Oberstufe so<br />

zu überarbeiten, dass<br />

den Entwicklungen in<br />

den Ländern Rechnung<br />

getragen wird und den<br />

Ländern Gestaltungsspielräume<br />

ermöglicht<br />

werden“.<br />

Jedes sechste Kind in Deutschland ist vom gesellschaftlichen<br />

Leben ausgeschlossen.<br />

1,7 Millionen Kinder leben in Armut<br />

Kinderarmut in der Bundesrepublik hat eine historisch<br />

neue Dimension erreicht. Nach einer Studie<br />

des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV)<br />

hat die Einführung von Hartz IV zu Jahresbeginn<br />

die Zahl der von Armut betroffenen Kinder auf 1,7<br />

Millionen steigen lassen. „Hartz IV heißt zu Wenig<br />

für zu Viele“, lautet das Fazit von Ulrich Schneider,<br />

Hauptgeschäftsführer des DPWV.<br />

Nach Berechnungen des Verbandes leben über 1,5<br />

Millionen Kinder auf Sozialhilfeniveau. Auf weitere<br />

200 000 schätzt der DPWV die Dunkelziffer der<br />

Kinder, die ihr Anrecht auf Sozialleistungen nicht<br />

in Anspruch nehmen. Insgesamt leben 14,2 Prozent<br />

der Kinder in Deutschland in Armut. In den<br />

westlichen Bundesländern beträgt die Armutsquote<br />

12,4 Prozent, in den östlichen 23,7 Prozent. In etlichen<br />

Städten wie Schwerin, Görlitz, Halle oder<br />

Bremerhaven wird sogar die 30-Prozent-Marke<br />

deutlich überschritten. „Es ist verheerend für ein<br />

Gemeinwesen, wenn ein Drittel der Kinder vom<br />

normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen<br />

ist“, sagte Schneider.<br />

E&W 10/2005 5<br />

Foto: imago


In Offenbach ist d<br />

Ein Beispiel für „verspätete und nachholende Integrationspolitik“<br />

6<br />

E&W 10/2005<br />

Die hessische Lederwarenstadt am Main ist ein Schmelztiegel verschiedener<br />

Kulturen: Kurden, Italiener, Iraner, Pakistani, Türken, Vietnamesen,<br />

Ex-Jugoslawen, Afghanen, Inder, Afrikaner, unter ihnen sind<br />

die Marokkaner die größte Gruppe, Südamerikaner und Deutsche leben<br />

hier. Einwanderungsrealität ist greifbar – auch in den Bildungsinstitutionen.<br />

Integration war und ist eine Herausforderung für die Kommune<br />

– sie geht sie kreativ an. Und das muss sie auch. Denn: Die<br />

Mehrheitsgesellschaft ist nichtdeutscher Herkunft.


Fotos: Alexander Paul Englert<br />

ie Welt zuhause<br />

Mehmet Harmanci lebt<br />

seit 35 Jahren in<br />

Deutschland, seit<br />

1985 in Offenbach.<br />

Seine Eltern kamen<br />

1970 als so genannte<br />

„Gastarbeiter“ nach Deutschland. Sie<br />

blieben jedoch keine „Gäste“, wie viele,<br />

die in den 70ern als Arbeitskräfte in der<br />

Türkei, Italien, Jugoslawien, Griechenland<br />

und Spanien angeworben wurden.<br />

Aus einem Jahr sind für Harmancis<br />

Eltern Jahrzehnte geworden. Mehmet<br />

ging hier zur Schule, wurde 1975 in die<br />

so genannten türkischen Klassen eingeschult,<br />

die damals für Gastarbeiterkinder<br />

eingerichtet wurden. Deutsch hatte<br />

er nur als Fremdsprache. Er schaffte es<br />

trotzdem aufs Gymnasium, musste<br />

dann aber abrechen, weil ihm das<br />

Sprachfundament gefehlt hat. Er wechselte<br />

auf die Realschule, dann auf die<br />

Fachoberschule, brach auch diese ab,<br />

um im Geschäft des Vaters mitzuhelfen.<br />

Nach 25 Jahren ließ er sich einbürgern.<br />

Harmanci wollte gleiche Rechte wie die<br />

Deutschen. Er war es leid, immer „der<br />

Letzte auf der Warteliste für eine Umschulungsmaßnahme<br />

zu sein“. „Das<br />

hat weh getan“, gesteht er, „es war das<br />

erste Mal, dass ich Ungleichheit<br />

schmerzlich empfunden habe.“ Ob er<br />

glaube, etwas verloren zu haben mit der<br />

Einbürgerung? Nein, der türkischen<br />

Kultur fühle er sich weiter verbunden.<br />

Auf seinen türkischen Pass hat er verzichtet.<br />

Heute arbeitet er am Flughafen,<br />

ist engagiert im Freundschaftsverein<br />

Türkei e.V., der sich um den kulturellen<br />

Austausch zwischen Türken und Deutschen<br />

bemüht. Seine türkische Frau arbeitet<br />

in einer Krabbelstube. Er hat sie<br />

unterstützt, Deutsch zu lernen und auf<br />

eigenen Füßen zu stehen. Integration<br />

gelungen? Beim Gespräch im Cafe gegenüber<br />

dem Offenbacher Rathaus<br />

meint er mit Blick auf den Arbeitsmarkt:<br />

„Auch nach 35 Jahren muss ich<br />

immer noch eine Schippe drauflegen,<br />

um besser zu sein als ein Einheimischer.“<br />

Der Alltag in Offenbach ist für Harmanci<br />

ein selbstverständlich gewordenes<br />

Miteinander von Menschen unterschiedlicher<br />

Kultur und Nationalität.<br />

Guckt man sich auf den Straßen und<br />

Plätzen der Innenstadt um, die ansonsten<br />

eher kleinstädtisches Outfit trägt,<br />

merkt man: Die Welt ist in Offenbach<br />

zuhause. 31,6 Prozent der 118 233 Einwohner<br />

haben keinen deutschen Pass,<br />

weitere zehn Prozent sind eingebürgert,<br />

aber anderer Herkunft. Im Bun-<br />

desvergleich gilt der Ausländeranteil<br />

Offenbachs als einer der Höchsten. Zu<br />

den Eingebürgerten zählt auch eine<br />

große Gruppe anerkannter Flüchtlinge.<br />

Viele von ihnen bildungsorientiert<br />

und erfolgreich in der Arbeitsaufnahme.<br />

Daneben eine sehr große Anzahl<br />

nicht anerkannter Asylbewerber, deren<br />

Kinder zwar teilweise gute Abschlüsse<br />

in der Schule erzielen, der Weg in die<br />

Ausbildung bleibt ihnen aber verwehrt.<br />

So ist die Rechtslage. Viele Zugewanderte<br />

sind arm. Ihre Beschäftigungsquote<br />

ist geringer als die der<br />

Deutschen, die Arbeitslosigkeit höher,<br />

die Frauenerwerbsquote niedriger, die<br />

Bildungschancen ihrer Kinder weiterhin<br />

schlecht. Handlungsbedarf in Sachen<br />

Integration: Druck auf die Politik<br />

der alten Arbeiterstadt, die von Sozialdemokraten<br />

und GRÜNEN regiert<br />

wird.<br />

Dialog zwischen Kulturen<br />

Die Stadt ist knapp bei Kasse, doch ihre<br />

Stärke ist die breite Vernetzung von<br />

Trägern, Institutionen, Initiativen und<br />

Vereinen. Das verdankt Offenbach<br />

vielleicht am meisten der 1998 gegründeten<br />

„Leitstelle für das Zusammenleben“,<br />

sie ist in der Stadtverwaltung<br />

dem Sozialdezernat zugeordnet. Luigi<br />

Marsalla, der die Stelle inne hat, versteht<br />

sich als Koordinator und Impulsgeber.<br />

Er bringt freie Träger, Ämter,<br />

Schulen, Jugendbildungswerk, Kitas,<br />

Kirchen und Vereine miteinander in<br />

Kooperation. Marsalla betrachtet seinen<br />

Job als Querschnittaufgabe: intern<br />

bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung<br />

eine Sensibilisierung für andere<br />

Kulturen zu bewirken – durch Fortbildung<br />

etwa –, extern, den Austausch der<br />

Menschen und den Dialog zwischen<br />

den Religionen anzustoßen. „Die<br />

Menschen brauchen Hilfestellung bei<br />

der Integration. Sie kommen hierher<br />

und erleben meist einen Kulturschock.“<br />

Das Zusammenleben erzeugt Konflikte,<br />

nicht nur zwischen Deutschen und<br />

Nichtdeutschen. Konflikte etwa zwischen<br />

kurdischen und türkischen Vereinen.<br />

Konflikte auch mit der nicht kleinen<br />

Gruppe der Roma-Familien. Diese<br />

gelten in Offenbach wegen ihrer Lebensart<br />

als schwer integrierbar. Aber:<br />

Mitte der 70er Jahre habe man das Gleiche<br />

von den Marokkanern gedacht –<br />

„und die sind heute gut integriert“ .<br />

Natürlich komme es immer mal wieder<br />

auch zu Nachbarschaftskonflikten,<br />

wenn beispielsweise eine türkische Fa-<br />

milie öffentlich grillt oder etwa junge<br />

Marokkaner Randale auf einem Spielplatz<br />

machen.<br />

Konflikte als Lernfelder<br />

Für solche Ärgernisse und Reibereien<br />

hat Marsalla ein Konfliktmanagement-<br />

Konzept entwickelt, einen Pool von<br />

Mediatoren für die Stadtteile organisiert,<br />

die, wenn’s irgendwo kracht, eingreifen.<br />

Mitglieder und Mitarbeiter von<br />

Ausländerbeirat, Kirche, Migrantenorganisationen<br />

hat man zu Konfliktvermittlern<br />

ausgebildet.<br />

In letzter Zeit kamen Mediatoren seltener<br />

zum Einsatz. Konflikte zwischen<br />

den Nationalitäten seien für ihn nichts<br />

Negatives, sagt Marsalla. Er begreift sie<br />

als gemeinsame „Lernfelder“ für Menschen<br />

unterschiedlicher Kultur und<br />

Herkunft. Dafür steht der Leitstelle jedoch<br />

wenig Geld zur Verfügung. Gerade<br />

mal 2500 Euro sind zurzeit im städtischen<br />

Haushalt vorgesehen. Da heißt<br />

es, erfinderisch zu sein. Gelder aus dem<br />

Europäischen Sozialfonds (EFS) und Finanzmittel<br />

aus HEGIS, dem Geldtopf<br />

der „Hessischen Gemeinschaftsinitiative<br />

soziale Stadt“, ermöglichen einiges.<br />

Aus dem HEGIS-Topf werden z. B.<br />

städtebauliche Maßnahmen für strukturschwache<br />

Gebiete finanziert. Die<br />

Stadt Offenbach hat damit einen Spielplatz<br />

und eine Kita in der nördlichen<br />

Innenstadt gebaut, wo besonders viele<br />

Einwandererfamilien wohnen. Weitere<br />

Mittel fließen aus dem LOS-Programm<br />

des Bundes in Integrationsprojekte.<br />

LOS, gefördert vom Bundesfamilienministerium,<br />

stellt „Lokales Kapital für soziale<br />

Zwecke“ zur Verfügung. „Sozialarbeit“,<br />

sagt Claudia Kaufmann-Reis, die<br />

die Regionalstelle des Jugendamtes<br />

nördliche Innenstadt<br />

leitet, „machen<br />

wir hier fast<br />

nur mit Menschennichtdeutscher<br />

Herkunft.“<br />

Migrationshintergrund<br />

paare sich<br />

oft mit sozialer<br />

Benachteiligung.<br />

Dieses Wissen bestimmt<br />

den Kurs<br />

der Offenbacher Integrationspolitik:<br />

Aufgaben und Projekte aus Sicht der Benachteiligten<br />

anzugehen.<br />

Lotsinnen für Elternarbeit<br />

Ein LOS-Projekt sind die „Integrationslotsinnen“.<br />

Das Modell wird seit 2003<br />

an zwei Grundschulen erprobt – eine<br />

Luigi Marsalla<br />

Integrationslotsinnen<br />

E&W 10/2005 7


8<br />

VHS-Dozentin Rosanna Caruso mit<br />

Müttern und ihren Kindern beim Deutschkurs<br />

in Räumen der Wilhelmsschule.<br />

E&W 10/2005<br />

Intensivgruppe<br />

Deutsch<br />

in der<br />

Mathildenschule.<br />

Cafeteria<br />

in der<br />

Mathildenschule,<br />

für die<br />

Ganztagsklassen.<br />

Multikultureller<br />

Alltag in den<br />

Schulpausen.


davon die Wilhelmschule. 80 Prozent<br />

ihrer Schüler kommen aus Migrantenund<br />

Flüchtlingsfamilien. Für das Lotsinnen-Projekt<br />

ist eine Gruppe von inzwischen<br />

15 Müttern, alle haben Kinder an<br />

der Schule, von der VHS qualifiziert<br />

worden. Ausgesucht wurden Migrantinnen,<br />

so VHS-Dozentin Barbara Temestürk,<br />

die hier aufgewachsen sind. Die<br />

Lotsinnen sollen im Konfliktfall zwischen<br />

Eltern, Lehrern und Schulleitung<br />

vermitteln. Zum Beispiel, was häufig<br />

vorkommt, wenn ein muslimisches<br />

Mädchen nicht mit zur Klassenfahrt<br />

oder zum Schwimmunterricht darf. Der<br />

Vorteil der Lotsinnen: Sie sprechen beide<br />

Sprachen, sind in zwei Kulturen zuhause.<br />

Ihre Hauptaufgabe sei, so Temestürk,<br />

den ausländischen Eltern, die<br />

Wichtigkeit von Bildung klar zu machen<br />

und sie über das deutsche<br />

Schulsystem aufzuklären.“ Die Schule<br />

hat für den Kontakt zwischen Eltern<br />

und Lotsinnen ein Cafe eingerichtet.<br />

Die Resonanz, meint Nuriye Baki, eine<br />

der Lotsinnen, könnte größer sein. Viele<br />

Eltern hätten Hemmungen, Hilfe oder<br />

Rat in Anspruch zu nehmen, weil sie die<br />

deutsche Sprache zu wenig verstehen<br />

und sprechen. Daher haben sie auch<br />

kein Vertrauen in die Schule und bleiben<br />

Elternabenden häufig fern. „Und<br />

die Mütter haben Angst, ihr Kind bei<br />

Klassenfahrten aus ihrer Obhut zu geben“,<br />

fügt die Iranerin Farideh Pirasulzadeh,<br />

eine andere Lotsin, hinzu. Sie könne<br />

das gut verstehen, ihr sei es mit ihrem<br />

Kind genauso ergangen.<br />

Am Schulanfang haben die Lotsinnen<br />

die neuen Eltern mit Kaffee und Kuchen<br />

empfangen und für ein VHS-Angebot<br />

geworben: ein Deutsch-Kurs für<br />

Mütter mit Sprachförderung für deren<br />

Kleinkinder in Räumen der Schule. Finanziert<br />

wird dieser „Mama lernt<br />

Deutsch“-Kurs aus Eigenmitteln der<br />

VHS und Zuschüssen des Regierungspräsidiums<br />

Darmstadt. Rosanna Caruso,<br />

selbst Kind italienischer Einwanderer,<br />

leitet ihn. Doch gerade mal vier Mütter<br />

besuchten beim ersten Mal den Kurs.<br />

„Obwohl doch“, meint Caruso, „der Bedarf<br />

viel größer ist“. Die Deutschlehrerin<br />

glaubt, dass die Migrantinnen zuwenig<br />

Ermutigung, von ihren Ehemännern<br />

erhalten – und sich nicht trauen zu<br />

kommen. Außerdem spiele das Finanzielle<br />

eine Rolle. Zwar kosten 100 Stunden<br />

Deutsch nur 135 Euro, Kinderbetreuung<br />

und Ämterbegleitung inklusive,<br />

doch das schrecke nicht wenige ab.<br />

Es brauche Zeit, erklärt Caruso, die<br />

Mütter von der Notwendigkeit des<br />

Spracherwerbs zu überzeugen: „Die<br />

Frauen leben fast alle schon mehrere<br />

Jahre hier und sprechen kaum die Sprache.“<br />

Für die Kinder sei das ein Riesenproblem,<br />

denn ihre Mütter fallen als Ansprechpartnerinnen<br />

für ihre Sorgen in<br />

der Schule weg. Auch nicht einfach für<br />

die Mütter: „Die Kinder haben die Nase<br />

vorn, die Mütter hinken hinterher.“<br />

Zu lange ist die Situation von Migrantinnen<br />

von der Politik nicht beachtet<br />

worden. Das verspätete Reagieren geht<br />

nicht zuletzt zu Lasten der Heranwachsenden.<br />

Uwe Zeyn, Schulleiter an der<br />

Wilhelmschule: „Die Problematik besteht<br />

in der Herkunftskultur der Migranten,<br />

in deren Heimat Bildung einen<br />

anderen Stellenwert hat, Schule eine andere<br />

Funktion übernimmt. In Italien<br />

und Marokko etwa kümmern sich die<br />

Grundschulen wesentlich stärker um<br />

die Kinder als bei uns.“<br />

Leseförderung wird an der Wilhelmschule<br />

groß geschrieben. Über ein umfangreiches<br />

Förderprogramm sollen<br />

möglichst alle Schüler nach der zweiten<br />

Klasse lesen können. Doch das, sagt der<br />

Schulleiter, gelinge bislang nur bei zwei<br />

Drittel der Kinder. Positiv auf die<br />

Sprachförderung wirke es sich aus, wenn<br />

die Kinder einen Kurs vor der Einschulung<br />

besuchen. „Doch das Problem ist,<br />

dass wir immer wieder Seiteneinsteiger<br />

haben.“ Kinder, die erst kurze Zeit hier<br />

sind, kein Wort verstehen und sprechen.<br />

Für diese gibt es dann die so genannte<br />

„Lese-Task-Force“, ein Kooperationsprojekt<br />

des staatlichen Schulamtes mit<br />

der Universität Frankfurt: Studenten<br />

kommen in die Klassen und erteilen<br />

Nachhilfe in Deutsch.<br />

Es hat auch zu lange gedauert, bis die<br />

Politik begriffen hat, dass Sprachförderung<br />

von Migrantenkindern früh beginnen<br />

muss: „Wir legten sehr lange Wert<br />

auf großes Engagement im Bereich der<br />

Schulabgänger und der Nachförderung<br />

sowie der Unterstützung des Berufseinstiegs<br />

von Migrantinnen und Migranten<br />

– und wir tun das auch jetzt noch“, sagt<br />

Stadträtin Birgit Simon (GRÜNE). Aber<br />

das alles reiche nicht aus. „Wir wissen<br />

jetzt, wir müssen viel früher anfangen.<br />

Deshalb haben wir eine Initiative gestartet,<br />

die dafür sorgen soll, dass alle Kinder<br />

aus Einwandererfamilien spätestens<br />

mit drei Jahren unsere Kitas besuchen.<br />

Je erfolgreicher wir hier sind, desto<br />

größer wird auch der Bildungserfolg dieser<br />

Kinder sein“, skizziert Simon die<br />

neue Akzentsetzung.<br />

Realität in der Kita 18 in der Bismarckstraße:<br />

24 Nationalitäten sind vertreten.<br />

„Es gibt Kinder, die überhaupt kein<br />

Deutsch sprechen, und manche ein wenig.<br />

Manche kommen auch erst ein Jahr<br />

vor der Einschulung zu uns“, erzählt Ki-<br />

ta-Leiterin Sabine Faller. Weil sie noch<br />

bei der Oma in der Türkei oder Italien<br />

gelebt haben oder die Familie erst kurze<br />

Zeit in Deutschland ist. „Wenn Kinder<br />

bis zur Einschulung nur ein Jahr Zeit haben,<br />

Deutsch zu lernen, ist klar, dass sie<br />

in der Schule schlechte Startchancen haben.“<br />

Seit 2004 erprobt man in der Kita<br />

18 ein besonderes Sprachprogramm<br />

nach den Vorgaben des Schweizer<br />

Sprachforschers Zvi Penner. Über den<br />

Wortrhythmus wird bei Kindern eine<br />

Spracherkennung erzeugt. Die Erzieherinnen<br />

sind dafür eigens fortgebildet<br />

worden – durch Coaching mit dem<br />

Schweizer Wissenschaftler. Der Erfolg:<br />

Die Kinder lernten durch die Penner-<br />

Methode schneller und besser, Fragen<br />

zu verstehen, sagt Faller. Die Kita-Leiterin<br />

stellt jedoch klar: „Sprachförderung<br />

ist zwar unerlässlicher Bestandteil unserer<br />

pädagogischen Arbeit, aber im Prinzip<br />

ist unser ganzer Job interkulturelle<br />

Arbeit.“ Und die macht nicht bei den<br />

Kindern halt. Die Kita sei der erste Ort,<br />

wo Migrantenfamilien aufeinander treffen<br />

und sich austauschen können. „Es<br />

ist daher ganz wichtig, dass sich die Eltern<br />

bei uns willkommen fühlen.“ Die<br />

Zusammenarbeit mit den Schulen lasse<br />

beim Übergang allerdings zu wünschen<br />

übrig, bemängelt die Kita-Leiterin. Sie<br />

hofft deshalb auf den neuen hessischen<br />

Bildungsplan, der Grundschulen zur<br />

Zusammenarbeit mit den Kitas verpflichte.<br />

Sprachförderung ganztags<br />

Kooperation von Anfang an strebt z. B.<br />

die Mathildenschule an, eine Grund-,<br />

Haupt- und Realschule in der Innenstadt.<br />

Eine Kita wurde jetzt auf dem<br />

Schulhofgelände gebaut, was die Zusammenarbeit<br />

erleichtern soll. Schulleiter<br />

Eckhart Hengel ist überzeugt: „Wir<br />

müssen sehr viel in die Sprachförderung<br />

investieren – und möglichst früh damit<br />

beginnen.“ Intensivsprachkurse in allen<br />

Stufen. Hier lernen Schüler mit Sprachdefiziten<br />

in kleinen Gruppen Deutsch<br />

und kommen sukzessive mit den andern<br />

Fächern in reguläre Klassen. Die<br />

Erfolge bei den Abschlüssen könnten<br />

besser sein, gesteht der Schulleiter ein,<br />

rund ein Drittel der Schüler aus<br />

Einwandererfamilien habe vorletztes<br />

Schuljahr nur den Hauptschulabschluss<br />

geschafft. Und: „Es ist sehr schwierig, für<br />

unsere Schüler einen Ausbildungsplatz zu<br />

kriegen.“ Vor ein paar Jahren sei die Lage<br />

auf dem Arbeitsmarkt noch besser gewesen<br />

– und damit auch die Aussichten der<br />

Jugendlichen, stellt Hengel fest. Er weiß,<br />

ohne gute Sprachkenntnisse haben sie<br />

bei der Ausbildungssuche keine Chance.<br />

INTEGRATION<br />

Arbeitslose<br />

Offenbach<br />

Ende August 2005<br />

Zahl der arbeitslos<br />

Gemeldeten<br />

insgesamt: 16 492<br />

Davon Ausländer: 5538<br />

Arbeitslosenquote<br />

insgesamt: 10,6 Prozent<br />

Arbeitslosenquote der Ausländer:<br />

19,7 Prozent<br />

Jugendarbeitslosigkeit bis<br />

25 Jahre:<br />

insgesamt: 2270<br />

Ausländer: 719<br />

Quote der Jugendarbeitslosigkeit:<br />

11,4 Prozent insgesamt<br />

(Die Arbeitslosenquote der<br />

jungen Ausländer ist nach<br />

Angaben des Arbeitsamtes<br />

Offenbach nicht exakt errechenbar)<br />

Arbeitslose<br />

Deutschland<br />

Ende August 2005<br />

Arbeitslose insgesamt:<br />

4 728 325<br />

Arbeitslosenquote:<br />

11,4 Prozent<br />

Davon Ausländer<br />

(in Zahlen): 664 552<br />

Arbeitslosenquote hier:<br />

14,1 Prozent<br />

Jugendarbeitslosigkeit<br />

Jugendliche unter 25<br />

insgesamt (in Zahlen):<br />

645 567<br />

Arbeitslosenquote:<br />

13,7 Prozent<br />

Personen mit Migrationshintergrund<br />

(in Zahlen):<br />

65 265<br />

Arbeitslosenquote hier:<br />

Knapp 10 Prozent<br />

Der Zahl nach müsste es<br />

ausländischen Jugendlichen<br />

besser gelungen sein,<br />

sich in den Ausbildungsmarkt<br />

zu integrieren als<br />

deutschen Jugendlichen.<br />

Da gleichzeitig aber auch<br />

die Zahlen ausländischer<br />

Schüler und Auszubildender<br />

sanken, wird von hohen<br />

Dunkelziffern ausgegangen<br />

und vermutet, dass<br />

sich viele nicht arbeitslos<br />

melden.<br />

Quelle: Bericht der Bundesbeauftragen<br />

für Migration.<br />

Juni 2005<br />

E&W 10/2005 9


Leseförderung<br />

mit PC an der<br />

Wilhelmsschule<br />

10<br />

E&W 10/2005<br />

Der Lehrstellenmangel trifft junge Leute<br />

nichtdeutscher Herkunft am härtesten.<br />

Um mehr und höhere Abschlüsse zu erzielen,<br />

setzt der Schulleiter vor allem auf<br />

den Erfolg der Ganztagsklassen – ein<br />

Wahlangebot an die Eltern, das sehr<br />

nachgefragt wird. Bisher hat die Schule<br />

je zwei im 5. und 6. Schuljahr angeboten.<br />

Hengel wünscht sich, dass einmal eine<br />

reine Ganztagsschule aus seiner Schule<br />

wird. „Aber dazu brauchen wir wesentlich<br />

mehr Lehrer.“ Die Erfahrung<br />

bestätigt: „Die neue Schulform wirkt<br />

leistungsstärkend, weil einfach mehr<br />

Zeit für die Förderung vorhanden ist.“<br />

Und: Die Eltern der Ganztagsschüler<br />

identifizieren sich stärker mit der Schule,<br />

besuchen häufiger Elternabende.<br />

Doch alleine schaffen es die Schulen<br />

nicht, Jugendliche aus Einwandererfamilien<br />

fit für die Ausbildung zu machen.<br />

Jugendarbeitslosigkeit unter Migranten<br />

ist für die Kommune ein ungelöstes<br />

Problem: 31,7 Prozent der unter<br />

25-Jährigen mit ausländischem Pass<br />

sind arbeitslos, 56,5 Prozent davon haben<br />

keine abgeschlossene Ausbildung.<br />

Der in Offenbach sehr aktive italienische<br />

Bildungsverein CGIL bietet flankierende<br />

Maßnahmen an. Die Migrantenorganisation<br />

will bei Eltern für das<br />

Thema Ausbildung werben, sie stärker<br />

miteinbeziehen in den Bildungsweg ihrer<br />

Kinder. Das ist auch notwendig: „30<br />

bis 36 Prozent der Jugendlichen haben<br />

im September 2005 die Schule ohne<br />

Hauptschulabschluss verlassen, 70 bis<br />

80 Prozent davon haben Migrationshintergrund“,<br />

berichtet Matthias Schulze-<br />

Böing, Geschäftsführer der Arbeitsagentur<br />

MainArbeit, einer Tochtergesellschaft<br />

der kommunalen Arbeitsagentur.<br />

Mehr als 50 Prozent der Geförderten<br />

sind nichtdeutscher Herkunft.<br />

Mit Migrationshintergrund sind es<br />

deutlich mehr. Schulze-Böing stellt eine<br />

zunehmend geringere Mobilisierung für<br />

Ausbildung unter den Jugendlichen aus<br />

Einwanderungsfamilien fest. Die Erfahrung,<br />

dass es viel zu wenige Ausbildungsplätze<br />

gibt, führe zumindest in<br />

Offenbach zu einem Rückgang ausländischer<br />

Bewerber für Lehrstellen. Zudem<br />

fehle es an familiärer Unterstützung.<br />

Den Grund sieht Schulze-Böing<br />

„in stark überforderten Elternhäusern“,<br />

weil Eltern durch Arbeitslosigkeit selbst<br />

in eine instabile Lage geraten seien. „Wir<br />

können durch außerschulische Maßnahmen<br />

nur noch Feuerwehr spielen –<br />

wir sind sozusagen ,the end of the pipe‘,<br />

wenn nichts anderes mehr geht.“<br />

Experimentierfeld<br />

Die Migranten seien die ersten gewesen,<br />

die aus dem Beschäftigungssystem herausgefallen<br />

sind, erklärt Franco Marincola,<br />

Vorsitzender von CGIL. Sie reagierten<br />

darauf mit Rückzug in die eigene<br />

Community. Daher komme es in der<br />

dritten Generation der Einwanderer „zu<br />

einem Rückschritt an Beteiligung an<br />

Ausbildung und höherer Bildung“. Die<br />

Probleme der Einwandererkinder heute<br />

zeigten ein Versagen der deutschen<br />

Schulpolitik, kritisiert der CGIL-Vorsitzende.<br />

„Fatal war, dass sie hier auf ein<br />

hochselektives und mittelschichtorientiertes<br />

Bildungssystem gestoßen sind.“<br />

Die Migranten haben sich unterschiedlich<br />

auf diese Situation eingestellt:<br />

„Während bei den Griechen und Ex-Jugoslawen<br />

Bildung schon immer wichtig<br />

war, war das bei Türken und Italienern<br />

überhaupt nicht der Fall.“ Dass nur 30<br />

Prozent der italienischen Jugendlichen<br />

in Offenbach einen Ausbildungsplatz<br />

haben, führt der CGIL-Vorsitzende<br />

auch darauf zurück. Die Ausbildungsbereitschaft<br />

junger Migranten zu stärken,<br />

ist deshalb ein zentrales Anliegen<br />

seines Vereins.<br />

So wurde zum Schuljahresbeginn das<br />

CGIl- Projekt „JUMINA – junge Migranten<br />

in Ausbildung“ gestartet. Neu<br />

ist, dass zum ersten Mal eine Migrantenorganisation<br />

den Hut bei der Koordinierung<br />

der Aktivitäten auf hat. Hervorgegangen<br />

ist die Initiative aus Ideen<br />

des Equal-Mare-Projektes, einem europäischen<br />

Konzept zur Eingliederung<br />

junger Migranten, an dem die Stadt Offenbach<br />

im Zusammenspiel vieler Träger<br />

bis zum Sommer 2005 beteiligt gewesen<br />

ist. „Das staatliche Schulamt ist<br />

jetzt endlich unser Partner“, sagt Franco<br />

Marincola stolz, denn es hat zwei<br />

Mitarbeiterinnen von CGIL als Lehrerinnen<br />

für JUMINA eingestellt. Beide<br />

beraten ausländische Jugendliche – der<br />

Einbezug der Eltern ist dabei sehr wichtig<br />

– über Ausbildungsanforderungen<br />

und informieren über das Berufsspektrum.<br />

Elisabetta Fortunato, eine der Lehrerinnen,<br />

macht das außer durch Unterricht<br />

und Einzelgespräch vor allem<br />

über Medienarbeit. Sie gestaltet zusammen<br />

mit einer Schüler-AG aus sechs<br />

verschiedenen Schulen das Schülermagazin<br />

„Abenteuer Ausbildung“. Über<br />

das Zeitungsmachen thematisieren die<br />

Jugendlichen alles, was mit der Ausbildung<br />

zusammenhängt – und schulen<br />

dabei ihre Sprachfähigkeit. Unterstützung<br />

erfährt JUMINA durch die Offenbacher<br />

Expertenrunde, an der Vertreter<br />

von Unternehmen, der Stadt, der<br />

Kirchen, der IHK, der Handwerkskammer<br />

und des Ausländerbeirats teilnehmen.<br />

Gemeinsam suchen sie nach Lösungen<br />

für die Ausbildungsprobleme<br />

junger Menschen aus Einwandererfamilien.<br />

Integration ist in Offenbach Patchwork-<br />

Arbeit. Es wird ständig weiter an Netzwerken<br />

gewebt, es kommt immer etwas<br />

Neues hinzu. So will Dr. Peter Bieniussa<br />

beim staatlichen Schulamt für Migrantenförderung<br />

zuständig, neben CGIL<br />

noch andere Migrantenvereine als Kooperationspartner<br />

z. B. für die Elternarbeit<br />

gewinnen. Die Eltern für die Ausbildung<br />

ihrer Kinder stärker zu motivieren,<br />

sagt Bieniussa, sei eines der vorrangigen<br />

Ziele. Das klingt gut. Kritische Töne sind<br />

von der GEW zu hören. So bemängeln<br />

Kollegen vom Kreisvorstand Offenbach<br />

die räumliche Verwahrlosung vieler<br />

Schulen, gerade in den sozialen Brennpunkten.<br />

Vor allem, so die Gewerkschafter,<br />

gebe es viel zu wenig Schulsozialarbeit.<br />

Warum die Stadt gerade hier spart,<br />

wenn an den Hauptschulen der Innenstadt<br />

fast alle Schüler aus Einwandererfamilien<br />

stammen, ist nicht nachvollziehbar.<br />

Es fehle den Schulen außerdem,<br />

fügt GEW-Kollege Winfried Deschauer<br />

hinzu, „ein präventives Konzept“. Dafür<br />

macht Dessauer das „Kompetenzgerangel<br />

zwischen Schul- und Jugendamt“ verantwortlich.<br />

Hier hat die Kommune offensichtlich<br />

Defizite.<br />

Ist Franco Marincola am Ende zu optimistisch,<br />

wenn er meint: „Offenbach ist<br />

ein großartiges Experimentierfeld für<br />

Integrationspolitik, wenn es hier klappt,<br />

klappt es auch anderswo”?<br />

Helga Haas-Rietschel


INTEGRATION<br />

Mit der „Persona<br />

Doll“ Kübra können<br />

die Kinder<br />

über alle Dinge<br />

sprechen, die sie<br />

bewegen.<br />

12<br />

E&W 10/2005<br />

„Nicht falsch – nur arabisch!“<br />

„Kinderwelten“: Neuansatz interkultureller Pädagogik in Kitas<br />

Wie geht eine Kita erfolgreich mit unterschiedlichen<br />

Sprachen, Kulturen<br />

und Vorstellungen von Erziehung<br />

um? Das Projekt „Kinderwelten“ der<br />

FU Berlin hat ein Modell konzipiert,<br />

das auf vorurteilsbewusster Bildung<br />

beruht. Eine Pädagogik, die an den<br />

eigenen Vorurteilen der Erzieherinnen<br />

und an den kulturellen Besonderheiten<br />

der Kinder und ihrer Eltern ansetzt.<br />

Zunächst in Berlin erprobt, läuft das<br />

Modell inzwischen bundesweit.<br />

Kübra ist dreieinhalb und erblickte<br />

im Berliner Urban-<br />

Krankenhaus das Licht der<br />

Welt. Zuhause spricht sie<br />

nur türkisch, nur mit ihrer<br />

Schwester manchmal<br />

deutsch. In ihrer Kindergruppe in der<br />

Kreuzberger Baerwaldstraße hat sie<br />

schon so manche Debatte losgetreten.<br />

Darüber, welche Sprache die Eltern<br />

sprechen, wer schon einmal im Urban-<br />

Krankenhaus war oder wie es sich anfühlt,<br />

wenn plötzlich ein jüngerer Bruder<br />

im Haus ist.<br />

Kübra ist kein Mensch aus Fleisch und<br />

Blut. Sie ist eine Puppe – oder, wie es<br />

hier heißt, eine „Persona Doll“ und<br />

wohnt die meiste Zeit im obersten Fach<br />

des Regals. Die Kita-Gruppe besucht sie<br />

immer dann, wenn die Erzieherin<br />

meint, dass es Zeit für Kübra ist – weil<br />

man mit ihrer Hilfe über Dinge sprechen<br />

kann, über die einmal gesprochen<br />

werden sollte. „Persona Dolls“ sind biographische<br />

Puppen, die Erzieherinnen<br />

entwerfen, um die Kinder mit Hilfe ihrer<br />

Geschichten zum Nachdenken anzuregen.<br />

Sie sind mal stark, mal<br />

schwach, mal glücklich, mal mutlos –<br />

ganz wie die Kinder selbst. Sie kommen<br />

aus vielen Ländern und haben sehr verschiedene<br />

Lebenshintergründe. Sie können<br />

dunkelbraun oder hellbraun, dick<br />

oder dünn, ganz gesund sein oder im<br />

Rollstuhl sitzen.<br />

Seit den 80ern stellen sich auch Kindertageseinrichtungen<br />

zunehmend die Frage,<br />

wie interkulturelle Pädagogik auszu-<br />

Foto: David Ausserhofer<br />

sehen hat. Wie geht eine Kita erfolgreich<br />

mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen<br />

und Ideen von Bildung und Erziehung<br />

um? Wie begegnet sie Vorurteilen,<br />

die schon Dreijährige mitbringen, ohne<br />

zu moralisieren? Soll man in erster Linie<br />

Kinder nichtdeutscher Herkunft fördern<br />

oder die Stereotype weißer Kinder<br />

in den Mittelpunkt stellen?<br />

Gleich und besonders<br />

Die Pädagoginnen Christa Preissing und<br />

Petra Wagner haben Ende der 90er in Berlin<br />

einen Ansatz eingeführt, dessen Vorbild<br />

15 Jahre zuvor als „Anti-Bias-Approach“<br />

in den USA entwickelt worden<br />

war: „vorurteilsbewusste Bildung und<br />

Erziehung in Kindertageseinrichtungen“.<br />

Kurz gesagt versucht diese zwei<br />

Dinge zu vereinen, von denen sonst in<br />

der Pädagogik meist nur eines betont<br />

wurde. Erstens: Alle Kinder sind gleich.<br />

Zweitens: Jedes Kind ist besonders. Vorurteilsbewusste<br />

Pädagogik richtet sich<br />

gegen Gleichmacherei und gegen Diskriminierung,<br />

setzt an den eigenen Vorurteilen<br />

und den kulturellen Besonderheiten<br />

an, wendet sich gegen Benachteiligung<br />

und gegen Bevorzugung. Verankert<br />

ist der Ansatz im Projekt „Kinderwelten“,<br />

das angegliedert ist ans Institut für<br />

Situationsansatz der FU Berlin. Nachdem<br />

das Modell mit Geldern der niederländischen<br />

Bernard-van-Leer-Stiftung<br />

zunächst an vier Berliner Kitas erprobt<br />

wurde, wird es zurzeit an 32 Kitas in drei<br />

Bundesländern praktiziert.<br />

Arbeit ist einfacher<br />

Eine der Berliner Modellkitas steht in<br />

der Kreuzberger Baerwaldstraße. Wer<br />

wissen will, mit wem er es hier zu tun<br />

hat, braucht nur einen Blick auf ein<br />

Wandbild neben der Eingangstür zu<br />

werfen. 185 Kinder haben 83 Eltern aus<br />

der Türkei, 40 aus Deutschland, elf aus<br />

Sri Lanka, zwei aus England. Und so<br />

weiter. Elf Sprachen werden gesprochen.<br />

Ein Problem? „Nicht mehr“, sagt<br />

die Leiterin Donata Heinze, „seit wir alle<br />

Kinder und Eltern gleich behandeln, ist<br />

unsere Arbeit viel einfacher geworden.“<br />

Wurden etwa zuvor nicht alle gleich behandelt?<br />

„Na ja“, sagt Heinze in entwaffnender<br />

Offenheit. „Sie wissen ja,<br />

wie das ist. In der Praxis fällt es manchmal<br />

schwer, alle Menschen mit allen Lebensstilen<br />

gleich wertzuschätzen. Und<br />

selbst, wenn man das tut, heißt das noch<br />

nicht, dass man eingreift, wenn Eltern<br />

oder Kinder sich mobben.“ Das nämlich<br />

ist ein wesentlicher Teil der vorurteilsbewussten<br />

Pädagogik: Treten Vorurteile<br />

auf, überhören die Erzieherinnen<br />

sie nicht, sondern erörtern sie. Egal, ob


Mädchen von Jungs ausgeschlossen,<br />

Brillenträger ausgelacht oder<br />

über Mütter mit Kopftuch getuschelt<br />

wird. Und: „Seit die Eltern<br />

sehen, dass wir keine Unterschiede<br />

machen, benehmen sie sich anders.<br />

Die einen haben mehr Vertrauen<br />

– andere halten sich mit<br />

Kommentaren zurück.“<br />

Bis es soweit war, wurden die über<br />

20 Erzieherinnen von der Freien<br />

Universität Berlin zur „Fachkraft<br />

für den Situationsansatz mit dem<br />

Schwerpunkt vorurteilsbewusste<br />

Bildung und Erziehung“ fortgebildet.<br />

Außer pädagogischen Methoden<br />

lernten sie dabei vor allem ihre<br />

eigenen Stereotypen kennen.<br />

„Zu erkennen, wo ich mit meinen<br />

Normen Kinder ins Unrecht setze,<br />

ist entscheidend“, sagt Petra Wagner,<br />

„nur wer sich kennt, erkennt<br />

auch seine Muster – und kann das<br />

dann in pädagogische Praxis umsetzen.“<br />

Mehr Aufmerksamkeit<br />

In der Baerwaldstraße stieß das<br />

Konzept schnell auf Zustimmung.<br />

„Es war viel Arbeit“, sagt Heinze,<br />

„aber sie hat sich dreifach ausgezahlt.“<br />

Heute behandeln wir Kinder<br />

wie Eltern von Beginn an mit<br />

„Hokos“ im „Rucksack“<br />

Frühe Sprachförderung<br />

Im niederländischen Rotterdam<br />

wurde in den 90er Jahren das<br />

Projekt „Rucksack“ entwickelt,<br />

das schon im Kindergarten Elternarbeit<br />

und Sprachförderung<br />

effizient miteinander verknüpft<br />

und damit gleich an zwei für<br />

frühkindliche Bildung zentrale<br />

Enden ansetzt. In Deutschland<br />

haben die Regionalen Arbeitsstellen<br />

zur Förderung von Kindern<br />

und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien<br />

(RAA) das<br />

Konzept adaptiert und auf inzwischen<br />

250 Kita-Gruppen übertragen.<br />

„Rucksack“ leitet Mütter an, ihre<br />

Kinder in der Muttersprache zu<br />

fördern und macht sie so zu Erziehungspartnerinnen.<br />

Im Laufe<br />

der Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen<br />

lernen sie nicht nur<br />

den Wert von erster wie zweiter<br />

Sprache kennen, sondern erfah-<br />

INTEGRATION<br />

mehr Aufmerksamkeit. Schon am<br />

ersten Tag wird nicht nur gefragt,<br />

wie der Junge oder das Mädchen<br />

heißt, sondern auch was sein oder<br />

ihr Name bedeutet. „Eine Kleinigkeit“,<br />

sagt Heinze, „aber die Eltern<br />

spüren: Wir nehmen sie ernst.“<br />

Später bringt jedes Kind Fotos<br />

von seiner Familie, aber auch vertraute<br />

Dinge aus seiner Kultur<br />

mit. Es werden Familienwände erstellt,<br />

mit deren Hilfe Kinder und<br />

Eltern mehr übereinander erfahren.<br />

Und: Die Eltern werden<br />

durch Elterncafe und Morgenkreise<br />

in die Kita-Arbeit miteinbezogen.<br />

Sie stellen Kinderlieder ihrer<br />

Sprache vor oder erklären das<br />

Zuckerfest. Und sie helfen als<br />

Übersetzerinnen, weil nicht alle<br />

Kinder Deutsch sprechen und weil<br />

alle Sprachen ernst genommen<br />

werden. Um das zu unterstreichen,<br />

hat das Projekt „Kinderwelten“<br />

auch ein deutsch-arabisches<br />

Kinderbuch verfasst. Aus deutscher<br />

Sicht wird es von hinten<br />

nach vorne gelesen. Und wenn<br />

dann, was immer passiert, ein<br />

Kind sagt: „Das ist ja falsch rum!“,<br />

heißt es: „Nein, das ist nicht<br />

falsch. Das ist nur anders. Das ist<br />

arabisch.“ Jeannette Goddar<br />

ren auch, welche Bedeutung<br />

Spielen und Basteln, Lesen und<br />

Singen für die Entwicklung ihres<br />

Kindes haben. Auch soziokulturelle<br />

Themen wie Schule, Religion<br />

oder Migration werden behandelt.<br />

Im Idealfall dienen Mütter<br />

auch als Multiplikatorinnen<br />

für die Anleitung anderer Mütter.<br />

Außer in NRW ist das Modell an<br />

einigen Kitas in Hamburg, Hannover,<br />

Augsburg und dem Saarland<br />

umgesetzt. Die Federführung<br />

für die Fortbildung hat<br />

die Hauptstelle der RAA (Regionalstelle<br />

für die Ausbildung ausländischer<br />

Kinder und Jugendlicher)<br />

in Essen. (www.raa.de). Einen<br />

Schritt früher setzt das mit<br />

„Rucksack“ korrespondierende<br />

Programm „Griffbereit“ – ebenfalls<br />

RAA Essen – an. Es richtet<br />

sich bereits an Mütter von Kleinstkindern.<br />

jago<br />

E&W 10/2005 13


INTEGRATION<br />

14<br />

E&W 10/2005<br />

Das Bildungssystem ist nicht auf Heterogenität eingestellt.<br />

Perspektivwechsel angesagt<br />

Lehrerbildung muss der Einwanderungsgesellschaft Rechnung tragen<br />

Dass dem gesamten Bildungs- und<br />

Ausbildungssystem für das Gelingen<br />

der Integration eine Schlüsselfunktion<br />

zukommt, bestreitet niemand. Doch<br />

bislang hat die Lehrerbildung nicht<br />

wirklich zur Kenntnis genommen,<br />

dass Deutschland ein Einwanderungsland<br />

ist. Sie hat künftige Lehrerinnen<br />

und Lehrer kaum auf ihre Aufgaben<br />

im Umgang mit heterogen zusammengesetzten<br />

Klassen, mit Kinder<br />

und Jugendlichen aus Einwandererfamilien<br />

vorbereitet. Das kritisiert die<br />

Münsteraner Erziehungswissenschaftlerin<br />

Prof. Marianne Kröger-Potratz.<br />

Seit der Diskussion über die<br />

Ergebnisse der internationalenSchulleistungsstudien<br />

(insbesondere PISA und<br />

IGLU) ist auch die breite<br />

Öffentlichkeit darüber informiert,<br />

dass das Risiko für Schülerinnen<br />

und Schüler mit Migrationshintergrund,<br />

eher in die unteren Etagen des Bildungssystems<br />

verwiesen zu werden oder<br />

gar die Schule ohne einen Abschluss zu<br />

verlassen, immer noch unverhältnismäßig<br />

groß ist. Neuere Studien haben gezeigt,<br />

dass das Bildungssystem strukturell<br />

nicht auf Heterogenität, sondern auf die<br />

Herstellung von Homogenität durch<br />

Ausgrenzung eingestellt ist. Die Förder-<br />

maßnahmen, Modellversuche und das<br />

Engagement vieler Schulen haben diese<br />

Effekte zwar mildern, nicht aber beheben<br />

können. Notwendig ist, dass Politik<br />

das Bildungssystem auf allen Ebenen<br />

umgestaltet, damit es seine Schlüsselfunktion<br />

unter den veränderten Bedingungen<br />

einer Einwanderungsgesellschaft<br />

erfüllen kann. Dies schließt zwingend eine<br />

Veränderung der Ausbildung des<br />

pädagogischen Personals, vor allem der<br />

Lehrerbildung, ein.<br />

Immer noch Defizite<br />

Noch immer kann man in vielen Bundesländern<br />

ein Lehramtsstudium erfolgreich<br />

absolvieren, ohne sich je damit<br />

auseinandergesetzt zu haben, wie sich<br />

Schule und Anforderungen an Lehrkräfte<br />

durch den Fakt der Einwanderungsgesellschaft<br />

verändert haben. Daran haben<br />

die verschiedenen Aus- und Fortbildungsangebote<br />

wie Deutsch als Zweitsprache<br />

und Interkulturelle Pädagogik<br />

nichts grundlegend ändern können. Sie<br />

sind trotz aller Bemühungen nicht über<br />

das Stadium von Einzel- und Zusatzangeboten<br />

hinausgekommen. Alle Versuche,<br />

die Prüfungs- und Studienordnungen<br />

mit Blick auf die „unterschiedliche<br />

Verschiedenheit“ der Kinder und Jugendlichen<br />

(sprachlich-kulturelle Heterogenität,<br />

aber auch Unterschiede in Sozialstatus,<br />

Geschlecht oder Gesundheit)<br />

zu verändern, sind im Ansatz stecken<br />

geblieben.<br />

Wer sich für diese Fragen und damit für<br />

die Realität seines späteren Arbeitsplatzes<br />

interessiert, trifft – je nach Bundesland<br />

bzw. Hochschule – bestenfalls auf<br />

Veranstaltungen in Form einer der folgenden<br />

vier Varianten:<br />

● Einzelveranstaltungen zur Thematik,<br />

sofern Lehrende sich für diese Fragen<br />

interessieren,<br />

● ein oder zwei Pflichtveranstaltungen<br />

zur Thematik im erziehungswissenschaftlichen<br />

Studium,<br />

● Zusatzstudiengänge „Interkulturelle<br />

Pädagogik/Deutsch als Zweitsprache“<br />

mit je unterschiedlicher inhaltlicher<br />

Schwerpunktsetzung und unterschiedlichen<br />

Umfangs und<br />

● entsprechende Fortbildungsveranstaltungen.<br />

Mitte der 90er bis Anfang 2000 hatte eine<br />

intensive Diskussion über die Reform<br />

der Lehrerbildung stattgefunden.<br />

„Umgang mit Heterogenität“ war – zumindest<br />

in einigen auf Länderebene<br />

eingerichteten Reformkommissionen –<br />

eines der zentralen Stichwörter. Einen<br />

Moment lang schien es, als könnte es<br />

gelingen, entsprechende Veränderungen<br />

anzustoßen und „Umgang mit Heterogenität“<br />

als Querschnittaufgabe in<br />

der Lehrerbildung zu verankern sowie<br />

langfristig auch neue Studienfächer<br />

(unter anderem Deutsch als Zweitsprache)<br />

zu etablieren. Von diesen Anfängen<br />

ist derzeit nur wenig geblieben: So<br />

wird in Hamburg – unter veränderten<br />

Foto: Alexander Paul Englert


politischen Rahmenbedingungen<br />

– weiterhin an der Umsetzung der<br />

Reformempfehlungen gearbeitet,<br />

die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft<br />

hat interkulturelle<br />

Bildung in den Kerncurricula<br />

für erziehungswissenschaftliche<br />

Studiengänge als<br />

Querschnittaufgabe verankert (die<br />

Texte liegen allen Kultusministerien<br />

vor) und es gibt eine erste<br />

Ausbildungsmöglichkeit für islamische<br />

Religionslehrkräfte. Aber<br />

insgesamt sind durch Modularisierung<br />

der Studienangebote und<br />

Umstellung auf konsekutive Studiengänge<br />

(Bachelor/Master) die<br />

verschiedenen Ansätze, interkulturelle<br />

Bildung als Querschnittaufgabe<br />

in der Lehrerbildung zu<br />

verankern, in den Hintergrund geraten.<br />

Hier ist erneut viel Überzeugungsarbeit<br />

zu leisten. Zumal<br />

es so aussieht, als sei durch die<br />

strukturellen Veränderungen und<br />

die damit einhergehenden Verteilungskämpfe<br />

selbst das Erreichte<br />

gefährdet. So besteht unter anderem<br />

die Gefahr, dass die Zusatzstudiengänge<br />

„Deutsch als Zweitsprache/InterkulturellePädagogik“<br />

in den Bereich der Weiterbildungsmaster<br />

abgeschoben werden.<br />

Fragen an Studieninhalte<br />

Was ist zu tun? Eine realitätsangemessene<br />

Lehrerbildung muss für<br />

die Schule in der Einwanderungsgesellschaft<br />

in einer globalisierten<br />

Welt ausbilden. Das bedeutet, dass<br />

sich Studierende – und zwar quer<br />

durch alle Fächer, hauptsächlich<br />

aber in der erziehungswissenschaftlichen<br />

und fachdidaktischen<br />

Ausbildung – damit auseinandersetzen<br />

müssen, inwieweit die vermittelten<br />

Inhalte, Theorien, didaktischen<br />

Konzepte und methodischen<br />

Verfahren die faktische<br />

Heterogenität in Gesellschaft und<br />

Schule tatsächlich berücksichtigen.<br />

Dies schließt die Auseinandersetzung<br />

mit der Geschichte der<br />

Schule und Lehrerbildung als Geschichte<br />

des zukünftigen Arbeitsplatzes<br />

mit ein.<br />

Zu fragen ist beispielsweise: Welchen<br />

Kräfteverhältnissen und<br />

Denkfiguren verdanken sich die<br />

bisherigen Strukturen des Bildungswesens<br />

und die in diesem<br />

Zusammenhang entwickelten<br />

Theorien? Warum wird die „unterschiedliche<br />

Verschiedenheit“ von<br />

INTEGRATION<br />

Kindern bislang eher als Problem<br />

wahrgenommen?<br />

Warum sind Kinder und Jugendliche<br />

aufgrund bestimmter Unterschiede<br />

(Sozialstatus, Sprache,<br />

Herkunft, Gesundheit oder Geschlecht)<br />

in spezielle Schulen<br />

bzw. besondere pädagogische<br />

Einrichtungen aussortiert worden<br />

– und werden es weiter? Welche<br />

Umstände haben dazu beigetragen,<br />

dass entsprechende Aussonderungen<br />

zurückgenommen wurden<br />

(z. B. Koedukation)? Wo sind<br />

günstige Ansatzpunkte, damit<br />

sich die Schule zu einer „Schule<br />

für alle Kinder“ entwickeln kann?<br />

Wie ist die Landessprache als Unterrichtssprache<br />

durchgesetzt<br />

worden und welche positiven,<br />

aber auch negativen Effekte waren<br />

damit verbunden? Wie ist der<br />

bestehende Fächerkanon zustande<br />

gekommen und warum ist es so<br />

schwierig, Fächer anders zu<br />

schneiden bzw. neue Fächer einzurichten?<br />

Für welche Inhalte bedarf<br />

es neuer Fächer und Fachlehrkräfte?<br />

Und was muss jede<br />

Lehrkraft heute wissen? Diese Art<br />

der Analyse des „Arbeitsplatzes<br />

Schule“ – und sie lässt sich ohne<br />

Weiteres auf andere pädagogische<br />

Arbeitsfelder übertragen – bietet<br />

ein solides Fundament,<br />

● um sich mit neuen didaktischen<br />

Ansätzen (Stichwort:<br />

„Mehrperspektivität“) auseinander<br />

zu setzen,<br />

● verschiedene Verfahren der Individualisierung<br />

des Unterrichts<br />

(Stichwort: innere Differenzierung)<br />

kennen und anwenden zu<br />

lernen,<br />

● um der Forderung Rechnung<br />

zu tragen, dass (deutsch-)sprachliche<br />

Bildung eine Aufgabe in allen<br />

Fächern ist – ohne Diskriminierung<br />

der anderen Sprachen,<br />

● um kompetent an einer Schulentwicklung<br />

unter interkultureller<br />

Perspektive mitzuarbeiten,<br />

● um die Verankerung interkultureller<br />

Bildung als Querschnittaufgabe<br />

und als ein Qualitätsmerkmal<br />

einer modernen Schule einzuführen.<br />

Diese Liste ist keineswegs abgeschlossen,<br />

aber sie vermittelt einen<br />

Eindruck davon, dass es nicht um<br />

eine Ergänzung, sondern um einen<br />

Perspektivwechsel im Lehramtsstudium<br />

geht.<br />

Marianne Krüger-Potratz<br />

E&W 10/2005 15


INTEGRATION<br />

Elternarbeit mit<br />

Migranten: Es<br />

gibt nicht nur<br />

sprachliche<br />

Schwierigkeiten.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.nachbarschafts<br />

heim-schoene berg.de/<br />

gruppen/index03d.shtml<br />

www.spreewald-grund<br />

schule.de<br />

www.heinrich-zille-grundschule.de<br />

www.vhs-ber lin.de<br />

www.adolf-glassbrennerschule.cidsnet.de<br />

16<br />

E&W 10/2005<br />

„Viele kennen nicht einmal den<br />

Klassenlehrer ihrer Kinder“<br />

Angebote für Migranten-Eltern und Schulen in Berlin<br />

An vielen Berliner Schulen stellen<br />

Einwandererkinder mittlerweile die<br />

Mehrheit, doch bei den Elternabenden<br />

bleiben Lehrer und deutsche Eltern<br />

häufig unter sich. Um das zu ändern,<br />

engagieren sich Migranteninitiativen<br />

und Schulen – mit Erfolg.<br />

Die jüngste PISA-E-Studie<br />

(Teilergebnisse von PISA E<br />

2003 wurden in diesem<br />

Sommer bereits veröffentlicht,<br />

s. auch E&W 9/05)<br />

hat es erneut bestätigt: In<br />

kaum einem anderen Land hängt der<br />

schulische Erfolg derart von der sozialen<br />

Herkunft ab wie in Deutschland.<br />

Kinder von Migranten haben es dabei<br />

besonders schwer. Schlimmer noch:<br />

Schüler, die wie ihre Eltern im Ausland<br />

geboren wurden, schnitten bei PISA E<br />

2003 in Mathematik besser ab als in<br />

Deutschland geborene Einwanderer-<br />

Kinder. Ins Blickfeld von Schule und<br />

Politik geraten daher immer stärker die<br />

familiären Bildungsvoraussetzungen<br />

dieser Schüler.<br />

„Viele kennen nicht einmal die Klassenlehrer<br />

ihrer Kinder“, schildert Lina<br />

Ganama vom Treffpunkt für arabische<br />

Frauen „Al Nadi“ in Berlin-Schöneberg<br />

die Situation. „Die meisten arabischstämmigen<br />

Eltern haben in ihren Heimatländern<br />

nicht oder nur einige Jahre<br />

die Schule besucht, da ist die Hemmschwelle,<br />

mit Vertretern einer Schule zu<br />

reden, besonders hoch“, erklärt die gebürtige<br />

Syrerin. „Zu Elternabenden geht<br />

da kaum einer, Schreiben der Schule<br />

werden nicht verstanden und daher ignoriert.“<br />

Waren in Berlin unter den Einwanderern<br />

aus arabischen Ländern in<br />

den 50er und 60er Jahren noch viele<br />

Akademiker, so stellen heute Bürgerkriegsflüchtlinge<br />

und Asylbewerber aus<br />

dem Libanon die Mehrheit. „Die meisten<br />

davon gehörten schon im Libanon<br />

zu den sozial Unterprivilegierten“, berichtet<br />

Lina Ganama. 1998 startete sie<br />

zusammen mit einigen Schulen das Projekt<br />

„Elternbildung für arabische Eltern“.<br />

Die Sozialarbeiterin wird von<br />

Lehrern gerufen, wenn es brennt: wenn<br />

Lernleistungen schlecht sind oder das<br />

Verhalten eines Kindes besonders auffällig<br />

ist. An der Seite der Lehrkräfte besucht<br />

sie dann die Kinder und ihre Eltern,<br />

spricht mit den Familien über Erziehungsprobleme,<br />

übersetzt bei Sprachproblemen.<br />

Doch es gibt nicht nur sprachliche Verständigungsschwierigkeiten.<br />

Der Kulturschock<br />

sitzt tief – auf beiden Seiten.<br />

Lina Ganama erzählt von Lehrern, die<br />

ungläubig den Kopf schüttelten, als sie<br />

sahen, in welchem häuslichen Umfeld<br />

ihre Schüler aufwachsen: kein eigenes<br />

Zimmer, manchmal gar nur ein Bett für<br />

zwei Kinder, keinerlei Platz zum Erledigen<br />

der Hausaufgaben. Andererseits<br />

verstünden viele Araber das deutsche<br />

Schulsystem nicht: Warum der Unterricht<br />

von Schule zu Schule, von Lehrer<br />

zu Lehrer variiert zum Beispiel, oder<br />

Foto: imago<br />

warum deutsche Lehrer den Schülern so<br />

viele Freiheiten lassen. „Das wird als ein<br />

Mangel an Autorität ausgelegt und trägt<br />

zusätzlich zur Abschottung gegenüber<br />

der deutschen Gesellschaft bei“, erzählt<br />

die Deutsch-Syrerin und betont: „Aufklärung<br />

tut Not“.<br />

„Arabische Eltern erscheinen jetzt zahlreicher<br />

zu Elternabenden, Elterngespräche<br />

konnten mit ihrer Hilfe fundierter<br />

geführt werden“, benennt die Leiterin<br />

der Adolf-Glaßbrenner-Grundschule<br />

in Berlin-Kreuzberg, Rosa Strobl-Zinner,<br />

den Vorteil, den ihre Schule aus der<br />

Zusammenarbeit mit Lina Ganama<br />

zieht. Doch deren Elternprojekt steht<br />

auf wackeligen Füßen. Nach drei Jahren<br />

lief die Förderung durch die Jugendund<br />

Familienstiftung des Landes Berlin<br />

aus, weder Bezirk noch Senat konnten<br />

sich zu einer Anschlussfinanzierung<br />

durchringen. Jetzt bietet Lina Ganama<br />

ihre Hilfe ehrenamtlich an.<br />

„Erziehung ist Frauensache“<br />

„Elterncafé“ und „Kinderpass“ nennen<br />

sich die Instrumente, mit deren Hilfe<br />

die Heinrich-Zille-Grundschule in<br />

Kreuzberg einen neuen Weg zur Integration<br />

beschreitet. Im Kinderpass notieren<br />

Kinder, Eltern und Lehrer die Lernfortschritte<br />

des Kindes, aber auch interkulturelle<br />

und soziale Kompetenzen.<br />

Im Elterncafé holen sich Migranten Rat<br />

bei Erziehungsfragen. „Gerade die sehr<br />

jungen Eltern sind mit der Erziehung<br />

überfordert“, sagt Schulleiterin Inge<br />

Hirschmann. Die örtliche Erziehungsberatungsstelle<br />

und der „Arbeitskreis Neue<br />

Erziehung“ organisieren daher im Elterncafé<br />

Workshops zu Erziehungs- und<br />

Bildungsfragen. Erstes und bis heute eines<br />

der wichtigsten Themen: „Wie setzte<br />

ich meinem Kind Grenzen?“ Überwiegend<br />

seien es allerdings die Mütter, die<br />

das Angebot wahrnehmen, erzählt Inge<br />

Hirschmann. „Erziehung ist in den<br />

meisten Familien nach wie vor Frauensache.“<br />

Mit 50 Prozent ist der Anteil von Migranten-Kindern<br />

an der Heinrich-Zille-<br />

Schule für Kreuzberger Verhältnisse relativ<br />

gering. Die gute pädagogische<br />

Qualität der Schule hat sich bei vielen<br />

Eltern herumgesprochen, so dass auch<br />

deutschsprachige Eltern ihre Kinder gerne<br />

in die „Zille“ geben. Reibungslos<br />

klappt die Integration der Migranten-<br />

Kinder dennoch nicht. Viele beherrschen<br />

bei der Einschulung die deutsche<br />

Sprache nur unzureichend, da in den<br />

Familien kaum oder überhaupt nicht<br />

Deutsch gesprochen wird.<br />

Das Land Berlin will mit Deutschkursen<br />

für die Eltern gegensteuern. Seit fünf


Jahren bieten die Volkshochschulen<br />

(VHS) in den Innenstadtbezirken<br />

Mitte, Neukölln, Tempelhof-<br />

Schöneberg und Friedrichshain-<br />

Kreuzberg an vielen Schulen solche<br />

Kurse an. Auch hier sind die<br />

Frauen deutlich in der Mehrheit.<br />

Ziel der Kurse sei nicht nur die Vermittlung<br />

von deutschen Sprachkenntnissen,<br />

erklärt Mehmet Niyazi<br />

Turgay, Programmbereichsleiter<br />

„Deutsch“ bei der VHS Friedrichshain-Kreuzberg.<br />

„Wir bieten Aufbauseminare<br />

an, in denen das<br />

deutsche Schulsystem erklärt wird<br />

und die Mütter etwas über den<br />

Unterrichtsstoff erfahren, den ihre<br />

Kinder in der Schule lernen“, sagt<br />

Turgay. Wichtig sei zudem, die<br />

Kursteilnehmerinnen zum Aufbruch<br />

aus ihrem Wohnghetto zu<br />

motivieren. „Viele der Frauen verlassen<br />

ihr Wohnviertel nur selten<br />

und dann auch nur ungern“, berichtet<br />

Turgay. „Wir gehen mit den<br />

Frauen daher in die Museen, besuchen<br />

andere Stadtviertel“.<br />

Deutschkurse allein könnten das<br />

Problem jedoch nicht beheben,<br />

meint Inge Hirschmann. „Es ist<br />

notwendig, dass die Kinder erst<br />

einmal gut Türkisch sprechen lernen.<br />

Denn wer seine Herkunftssprache<br />

gut beherrscht, tut sich<br />

mit dem Erlernen einer anderen<br />

Sprache leichter.“ Sie rate den<br />

Müttern daher, gemeinsam mit<br />

ihren Kindern Bilderbücher anzuschauen<br />

und auf Türkisch darüber<br />

zu reden. Händeringend sucht die<br />

Schulleiterin unter den Migranten-Eltern<br />

ehrenamtlich tätige Lesepaten.<br />

„Es fehlt jedoch ein breiter<br />

türkisch-stämmiger Mittelstand<br />

mit eigener Vorlesekultur“,<br />

stellt Inge Hirschmann fest.<br />

Problem: Bildungsferne<br />

Erhard Laube von der Schöneberger<br />

Spreewald-Grundschule will<br />

die schulischen Defizite von Migranten-Kindern<br />

ebenfalls nicht<br />

auf deren ethnische Abstammung<br />

reduziert wissen. „In erster Linie<br />

ist das ein Problem der sozialen<br />

Herkunft“, betont der Schulleiter<br />

und frühere Berliner GEW-Vorsitzende.<br />

„Der Stellenwert von Bildung<br />

ist in bildungsfernen<br />

Schichten eher gering – egal, ob<br />

Deutsch oder Türkisch gesprochen<br />

wird“, weiß Laube. Man<br />

müsse die Eltern daher in die<br />

schulische Arbeit einbinden. An<br />

der Spreewald-Grundschule gibt<br />

INTEGRATION<br />

es ein Schulcafé, betreut von Müttern<br />

ehemaliger Schüler, in dem es<br />

neben Kaffee und Tee auch Tipps<br />

im Umgang mit Behörden oder<br />

bei schulischen Problemen gibt.<br />

Dass die Schöneberger Schule eine<br />

so genannte theaterbetonte<br />

Schule ist, fördert die Integration<br />

zusätzlich, ist sich Laube sicher.<br />

„Unsere Schule lockt mittlerweile<br />

nicht nur deutsche Eltern aus dem<br />

eher bürgerlichen Milieu an, sondern<br />

auch bildungsbewusste Migranten.“<br />

Die regelmäßigen Theateraufführungen<br />

würden zudem<br />

für einen guten Kontakt zu allen<br />

Eltern sorgen. „Solche Veranstaltungen<br />

sind wichtiger als mancher<br />

Elternabend. Die Eltern identifizieren<br />

sich stärker mit der Schule<br />

ihrer Kinder.“ Der Erfolg gibt ihm<br />

Recht: Im Förderverein der Schule,<br />

in der nur jedes fünfte Kind<br />

Deutsch als Muttersprache hat,<br />

sind die Deutschen längst nicht<br />

mehr nur unter sich.<br />

Jürgen Amendt<br />

Interkulturelle<br />

Elternarbeit<br />

In einem Beschluss der Kultusministerkonferenz<br />

vom<br />

24. Mai 2002 spricht sich diese<br />

für eine Intensivierung der<br />

Elternberatung in den Schulen<br />

sowie für mehr außerschulische<br />

Fördermöglichkeiten und Bildungsangebote<br />

wie Sprachkurse<br />

aus (www.kmk.org/<br />

doc/publ/zuwander.pdf).<br />

In Köln organisieren zwei<br />

Migrantenvereine im Rahmen<br />

des Teilprojekts „Interkulturelle<br />

Elternarbeit“ neben beruflichen<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

auch Beratungen für Mütter<br />

und Väter von Schülern (www.<br />

kni.de/kni_eltern.htm).<br />

Konkrete staatliche Hilfestellungen<br />

für den interkulturellen<br />

Dialog gibt es für Lehrer in der<br />

Schweiz. Die Stadt Basel hat einen<br />

Leitfaden für interkulturellen<br />

Dialog entwickelt, in dem<br />

Regeln für den Umgang mit kulturellen<br />

Unterschieden formuliert<br />

werden (www.vademecum.<br />

bs.ch/vm/konzepte/1.3). amendt<br />

E&W 10/2005 17


Die Mehrheit der<br />

Mädchen und jungen<br />

Frauen mit<br />

Migrationshintergrund<br />

zeigt eine<br />

große Eigenständigkeit<br />

bei der Akzentuierung<br />

ihrer<br />

Lebensziele.<br />

18<br />

E&W 10/2005<br />

Partner gleicher Herkunft bevorzugt<br />

Jenseits der Medien: Lebensrealitäten junger Migrantinnen<br />

Über die Lebensrealität und die<br />

Lebensorientierung junger Migrantinnen,<br />

besonders, wenn es sich um<br />

Musliminnen handelt, grassieren viele<br />

Vorurteile, herrscht immer noch viel<br />

Unkenntnis. Spektakuläre Geschichten<br />

über Ehrenmorde und Zwangsheiraten<br />

gelangen breit in die Medien.<br />

Unsere Autorin, die Bremer Erziehungswissenschaftlerin<br />

Prof.Yasemin<br />

Karakasoglu, zeigt in ihrem Beitrag<br />

die Wirklichkeit junger Frauen aus<br />

Zuwandererfamilien jenseits der Tagespresse<br />

auf.<br />

Ausgelöst durch öffentlich<br />

bekannt gewordene Fälle<br />

von Zwangsverheiratung<br />

und Ehrenmorde – wie<br />

der aktuelle Fall der Berlinerin<br />

türkischer (kurdischer)<br />

Herkunft Harun Sürücü zeigt, die<br />

von ihrem Bruder ermordet wurde, weil<br />

sie eine traditionelle Lebensführung ablehnte<br />

– ist in den Medien und in der öffentlichen<br />

Diskussion die Lebenssituation<br />

von zugewanderten Frauen bzw. hier<br />

aufgewachsenen Mädchen mit Migrationshintergrund<br />

heute verstärkt Thema.<br />

Es sind vor allem solche Angaben, die<br />

das Bild derzeit bestimmen: Aus einem<br />

Forschungsbericht des Bundesfamilienministeriums<br />

erfahren wir, dass mehr<br />

Frauen aus türkischen denn aus deutschen<br />

Familien Opfer von Gewalt in der<br />

Familie sind. In dem Buch „Die fremde<br />

Braut“ wird auf eine alarmierende Zunahme<br />

von Zwangsverheiratungen unter<br />

türkischen Migrantinnen in<br />

Deutschland hingewiesen.<br />

Die Autorin schätzt, dass es sich bei<br />

den 21000 im Jahr 2001 im Rahmen<br />

der Familienzusammenführung nach<br />

Deutschland eingereisten Türken und<br />

Türkinnen um Ehepartner hier ansässiger<br />

Migranten handelt und dass „mindestens<br />

die Hälfte dieser Ehen arrangiert<br />

oder erzwungen wurde“. Auch die Anhäufung<br />

von sechs Fällen von Ehrenmord<br />

innerhalb eines halben Jahres in<br />

Berlin wird als Indiz genommen, dass<br />

hier archaische Stammessitten mehr<br />

denn je unter Einwanderern aus der Türkei<br />

Verbreitung und Zustimmung finden.<br />

Zusammengenommen ergibt sich<br />

ein alarmierendes Bild einer in sich geschlossenen,<br />

nach eigenen rechtlichen<br />

Regeln agierenden archaischen Gesellschaft,<br />

die Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft<br />

ablehnt und bestrebt ist, besonders<br />

ihre weiblichen Mitglieder notfalls<br />

mit Gewalt daran zu hindern, Kontakte<br />

zur Mehrheitsgesellschaft aufzunehmen.<br />

Kaum jemand überprüft diese Zahlen<br />

und ihre Interpretation. So ist bei der<br />

Berechnung, dass mehr Frauen aus türkischen<br />

denn aus deutschen Familien<br />

Opfer familiärer Gewalt werden, zu<br />

berücksichtigen, dass es sich um ein von<br />

der sozialen Schicht beeinflusstes Phänomen<br />

handelt und bei der am meisten<br />

betroffenen unteren sozialen Schicht<br />

(gemessen am Bildungsstand und Familieneinkommen)<br />

türkische Einwandererfamilien<br />

überproportional vertreten<br />

sind. Die Gleichsetzung von arrangierter<br />

und Zwangsehe ist ebenso zu hinterfragen<br />

wie die Schätzung der Zahl auf<br />

der Basis von Daten der Familienzusammenführung,<br />

die auch nachziehende<br />

Kinder und langjährige Ehepartner miteinschließen.<br />

Und was Ehrenmorde anbelangt,<br />

so sind sie kein neues Phänomen<br />

unter Migranten aus der Türkei,<br />

sondern durchziehen leider als wiederkehrende<br />

Einzelfälle die mittlerweile<br />

40-jährige türkisch-deutsche Migrationsgeschichte.<br />

Fälle von durch Zwangsverheiratung<br />

oder Ehrenmorde und Gewalt in der<br />

Familie bedrohten Frauen sollen und<br />

dürfen nicht verharmlost werden. Im<br />

Gegenteil: Es muss ausdrücklich betont<br />

werden, dass es richtig ist, eine Öffentlichkeit<br />

sowie gesellschaftliche und gesetzliche<br />

Rahmenbedingungen zu<br />

schaffen, damit Frauen nicht mehr Opfer<br />

derartiger Übergriffe auf ihr Leben<br />

werden.<br />

Ehrenmorde<br />

Ein wichtiger Schritt dahin ist die verspätete,<br />

aber jetzt intensiv stattfindende<br />

Auseinandersetzung innerhalb der<br />

Communities der Einwanderer mit diesen<br />

Themen. Einig sind sich alle großen<br />

religiösen wie säkularen Migranten-<br />

Dachverbände aus der Türkei, dass we-<br />

Foto: Alexander Paul Englert


der eine Verheiratung wider Willen<br />

noch ein Mord zur Wiederherstellung<br />

der „Ehre“ durch die Religion des Islam<br />

oder durch eine Bezugnahme auf die<br />

türkische/kurdische Kultur zu rechtfertigen<br />

sind. Dies äußern sie auch gegenüber<br />

ihren Mitgliedern nachdrücklich. In<br />

der Öffentlichkeit hingegen werden Sätze<br />

wie derjenige des Bruders von Hatun<br />

Sürücü, „Sie lebte wie eine Deutsche“,<br />

als Indiz dafür genommen, dass es sich<br />

um den gewaltsamen Ausbruch eines<br />

Kulturkampfes „Türkisch/Kurdisch versus<br />

Deutsch“, „Islam versus Demokratie“<br />

handele. Auf diese Weise wird Gewaltanwendung<br />

in türkischen bzw. kurdischen<br />

Familien gegenüber Frauen eindimensional<br />

auf „die Kultur“ der Betroffenen<br />

zurückgeführt. Fallanalysen<br />

(Schiffauer 2002) zeigen, dass ein ganzes<br />

Bündel an psychischen und sozioökonomischen<br />

Problemlagen innerhalb einer<br />

solchen Migrantenfamilie vorliegen<br />

muss, bis ein innerfamiliärer Konflikt in<br />

Gewalt ausartet. Denn in aller Regel lösen<br />

auch türkische oder kurdische Familien<br />

ihre Meinungsverschiedenheiten<br />

zwischen Generationen und Geschlechtern<br />

auf friedliche Weise.<br />

Stereotype Wahrnehmung<br />

Fatal am gegenwärtigen Diskurs über die<br />

Lebenssituation von Mädchen und jungen<br />

Frauen mit türkischem Migrationshintergrund<br />

ist, dass die Verallgemeinerung<br />

der eingangs geschilderten Fälle<br />

Auswirkungen auf die stereotype Wahrnehmung<br />

dieser Gruppe in Schule, Ausbildung<br />

und Gesellschaft hat. Dies verstärkt<br />

ein Gefühl der Ausgrenzung und<br />

fehlender Akzeptanz u. a. bei vielen der<br />

Mädchen, die sich nicht mehr als Individuen<br />

wahrgenommen sehen, sondern<br />

als latent von Gewalt bedrohte Trägerinnen<br />

einer archaischen Kultur, als hilflose<br />

Objekte und nicht als handelnde Subjekte.<br />

Die Forschung zu Erziehungsvorstellungen<br />

und Generationenbeziehungen<br />

in Familien anderer Nationalität<br />

zeichnet ein anderes Bild von deren<br />

Lebensrealität. Sie wird in den öffentlichen<br />

Diskursen angesichts der spektakulären<br />

Fälle jedoch kaum beachtet,<br />

auch wenn sie, wie im 6. Familienbericht<br />

der Bundesregierung (2000),<br />

durchaus allgemeinverständlich aufbereitet<br />

ist. Die hier zusammengefassten<br />

Untersuchungen zeigen ebenso wie eine<br />

neuere Studie zu Lebensorientierungen<br />

bei Mädchen und jungen Frauen<br />

mit Migrationshintergrund – auf<br />

letztere wird im Folgenden Bezug genommen<br />

(vgl. Boos-Nünning/Karakasoglu:<br />

2005*):<br />

● dass zwischen den Generationen eine<br />

hohe Übereinstimmung in ihren Einstellungen<br />

besteht,<br />

● dass das Verhältnis zwischen Eltern<br />

und Kindern überwiegend von liebevoller<br />

Fürsorge gekennzeichnet ist und<br />

nicht von Repression,<br />

● dass türkische Eltern sich mehrheitlich<br />

für ihre Töchter in gleicher Weise<br />

wie für ihre Söhne eine gute Schulausbildung<br />

wünschen und die Tendenz zur<br />

Befürwortung egalitärer Geschlechterrollen<br />

zwischen Jungen und Mädchen<br />

im Generationenverlauf stetig steigt. So<br />

sind z. B. junge Frauen zwischen 15 und<br />

21 Jahren zu 83 Prozent der Meinung,<br />

Mann und Frau sollen gemeinsam zum<br />

Familieneinkommen beitragen. Für<br />

mehr als drei Viertel stellt der Beruf das<br />

beste Mittel zur Unabhängigkeit dar.<br />

Die größte Diskrepanz zum gegenwärtigen<br />

öffentlichen Diskurs ist wohl die<br />

Wahrnehmung der eigenen Religion als<br />

Ressource zur Lebensbewältigung, die<br />

vor allem jungen Musliminnen mehr<br />

Selbstvertrauen gibt. Tatsächlich verweisen<br />

die Ergebnisse der Studie** aber<br />

auf Probleme in Migrantenfamilien, die<br />

für die Mehrheit in anderen Bereichen<br />

als den eingangs erwähnten liegen: Die<br />

hohen Bildungserwartungen der Eltern<br />

stehen in keinem Verhältnis zu ihrer objektiven<br />

Fähigkeit, die Kinder z. B.<br />

durch Hilfe bei den Hausaufgaben in<br />

der Schule aktiv zu unterstützen. Hier<br />

sind die Kinder stark auf die Hilfe älterer<br />

Geschwister und Freunde angewiesen.<br />

Auch wenn, wie bei der türkischen Befragtengruppe,<br />

die Eltern bei ihnen besonders<br />

häufig an erster Stelle stehen,<br />

werden sie jedoch seltener als bei anderen<br />

Nationalitäten als Ansprechpartner<br />

für Sorgen und Nöte begriffen. Hier<br />

zeichnet sich ein Problem der Kommunikation<br />

zwischen den Generationen<br />

ab.<br />

Belastet durch Familienstreit<br />

Unter den als belastend erlebten Lebensereignissen<br />

nennen vor allem<br />

Mädchen mit türkischem und solche<br />

mit Aussiedlerhintergrund Streitigkeiten<br />

in der Familie häufiger als Mädchen<br />

und junge Frauen mit italienischem,<br />

griechischem oder jugoslawischem Hintergrund.<br />

Diese Streitigkeiten scheinen<br />

allerdings nicht in einem Zusammenhang<br />

damit zu stehen, ob die Mädchen<br />

in den Familien gegenüber Jungen benachteiligt<br />

werden. Denn drei Viertel<br />

der Befragten sehen sich gleich behandelt<br />

mit Jungen. Ebenso viele der türkischen<br />

Befragten lehnen eine „arrangierte Ehe“,<br />

bei der Eltern zusammen mit der Tochter<br />

den Partner aussuchen, ab. Noch<br />

deutlicher ist die Ablehnung gegenüber<br />

dem (möglichen) Wunsch der Eltern, einen<br />

Partner aus dem Herkunftsland zu<br />

heiraten. Die jungen Frauen bevorzugen<br />

einen Partner gleicher Herkunft aus<br />

Deutschland. Drei Viertel der Mädchen<br />

mit jugoslawischem und türkischem<br />

Hintergrund fühlen sich in Deutschland<br />

wohl. Ihre künftige Lebensplanung<br />

ist eindeutig auf Deutschland orientiert.<br />

Gleichzeitig versteht sich nur eine Minderheit<br />

als Deutsche, die Mehrheit identifiziert<br />

sich mit der Herkunftsnationalität<br />

ihrer Eltern und möchte deren Kultur<br />

(was auch immer individuell darunter<br />

verstanden wird) beibehalten. Was<br />

das Integrationsverständnis anbelangt,<br />

so messen die Mädchen und jungen<br />

Frauen dem Erlernen der deutschen<br />

Sprache einen besonders hohen Stellenwert<br />

bei, an zweiter Stelle steht der Kontakt<br />

zu Deutschen. Die eigene Lebensrealität<br />

sieht jedoch für viele anders aus:<br />

Die drei besten Freunde bzw. Freundinnen<br />

kommen vor allem bei Mädchen<br />

aus Aussiedlerfamilien (84 Prozent) und<br />

mit türkischem Hintergrund (79 Prozent)<br />

aus der eigenen Herkunftsgruppe.<br />

Diese gehören aber auch zu den beiden<br />

Gruppen, die am stärksten Diskriminierung<br />

erfahren haben. Sei es, weil sie auf<br />

der Straße wegen ihres Äußeren angepöbelt<br />

wurden oder ihnen in der Schule<br />

das Sprechen der Familiensprache verboten<br />

wurde.<br />

Große Eigenständigkeit<br />

Die Mehrzahl der Mädchen ist kompetent<br />

in zwei Sprachen und bewegt sich<br />

im weiteren Bekanntenkreis in ethnisch<br />

gemischten Gruppen. Allerdings gibt es<br />

gerade bei den Mädchen mit türkischem<br />

Migrationshintergrund eine mit einem<br />

Viertel der Befragten relativ große Gruppe,<br />

die in beiden Sprachen defizitär ist.<br />

Diese Daten präsentieren ein sehr vielschichtiges<br />

Bild von der Lebensrealität<br />

der Mädchen und jungen Frauen mit<br />

Migrationshintergrund: Eine größere<br />

Minderheit der Mädchen und jungen<br />

Frauen benötigt bei der Verbesserung<br />

ihrer deutschen Sprachkenntnisse,<br />

beim Knüpfen von Kontakten zu Jugendlichen<br />

der Mehrheitsgesellschaft<br />

und bei der Verbesserung der Kommunikation<br />

mit ihren Eltern externe Hilfe.<br />

Die Mehrheit jedoch weist nicht nur eine<br />

relativ hohe Lebenszufriedenheit auf<br />

– trotz teilweise schwieriger Rahmenbedingungen,<br />

sondern zeigt auch eine<br />

große Eigenständigkeit bei der Akzentuierung<br />

ihrer Lebensziele – in, zwischen,<br />

jenseits von verschiedenen Kulturen.<br />

Yasemin Karakasoglu<br />

INTEGRATION<br />

* Ursula Boos-Nünning/<br />

Yasemin Karakasoglu:<br />

„Viele Welten leben“.<br />

Zur Lebensssituation von<br />

Mädchen und jungen<br />

Frauen mit Migrationshintergrund,<br />

Waxmann<br />

Verlag, Münster 2005.<br />

**Die Studie von Boos-<br />

Nünning und Karakasoglu<br />

basiert auf einer bundesweiten<br />

Befragung von<br />

950 jungen Migrantinnen.<br />

Erhoben wurden Daten<br />

aus türkischen, griechischen,<br />

ex-jugoslawischen,<br />

italienischen und Gruppen<br />

aus der ehemaligen Sowjetunion.<br />

Die Erhebung fand<br />

im Zeitraum 2001/2002<br />

statt.<br />

E&W 10/2005 19


INTEGRATION<br />

Zuwanderungsgesetz:<br />

„Die Chance,<br />

eine umfassende<br />

berufliche und<br />

gesellschaftliche<br />

Integration zu<br />

schaffen, ist vertan.“<br />

20<br />

E&W 10/2005<br />

„Was bleibt, ist Zwang“<br />

Zuwanderungsgesetz: verhindern statt gestalten<br />

Wer weiß, wie Debatten über Einwanderung<br />

in diesem Land meist verlaufen,<br />

dem konnte im Sommer 2001<br />

fast unheimlich werden: In trauter<br />

Eintracht präsentierten da so unterschiedliche<br />

Menschen wie Rita Süssmuth<br />

(CDU) und Ralf Fücks (Grüne),<br />

Arbeitgebervertreter Christoph<br />

Kannegießer und DGB-Vorstand<br />

Heinz Putzhammer ein gemeinsames<br />

Konzept für die künftige Zuwanderungs-<br />

und Integrationspolitik. Es trug<br />

den hübschen Titel „Zuwanderung gestalten<br />

– Integration fördern“. Doch<br />

was als Konzept 2004 in ein Gesetz<br />

gegossen wurde, hatte mehr mit Verhinderung<br />

als mit Gestaltung zu tun.<br />

Ausgehend von der These,<br />

dass Deutschland aus<br />

Gründen des Arbeitsmarktes<br />

und wegen der<br />

Überalterung der Gesellschaft<br />

Zuwanderung<br />

braucht, hatte die von Innenminister<br />

Otto Schily (SPD) eingesetzte unabhängige<br />

Kommission „Zuwanderung“ in<br />

neunmonatiger Kleinarbeit und nach<br />

Anhörung von 160 Experten ein über<br />

300 Seiten umfassendes Gesamtkonzept<br />

erarbeitet. Viele Seiten drehten sich<br />

um die aktive Auswahl von Zuwanderern<br />

nach dem Vorbild klassischer Einwanderungsländer.<br />

Ein Punktesystem,<br />

das Einwanderer nach Kriterien wie Alter,<br />

Qualifikation oder Sprachkenntnissen<br />

kategorisiert, sollte Deutschland ei-<br />

nen Standortvorteil im internationalen<br />

Wettbewerb verschaffen. Außer Hochqualifizierten<br />

sollte das Land vor allem<br />

Studierenden und ausländischen Lehrlingen<br />

offen stehen. Die aktive und umfassende<br />

Förderung der Integration von<br />

Alteingesessenen wie Neuzuwanderern<br />

bildete einen weiteren Schwerpunkt.<br />

Der Auftraggeber des weitgehend konsensfähigen<br />

Papiers war schon bei der<br />

ersten öffentlichen Vorstellung nicht zugegen.<br />

Otto Schily bastelte längst an einem<br />

eigenen und sehr viel konservativeren<br />

Gesetzentwurf, den er nur einen<br />

Monat später vorlegte.<br />

Eklat im Bundesrat<br />

Es folgte ein drei Jahre dauernder Streit,<br />

in dem folgende nur die wichtigsten Stationen<br />

waren: Nach der Verabschiedung<br />

des Zuwanderungsgesetzes im<br />

Bundestag kommt es im Bundesrat zum<br />

Eklat, als die brandenburgische CDU<br />

gegen, der größere Koalitionspartner<br />

SPD für das Gesetz stimmt. Das Bundesverfassungsgericht<br />

stoppt das Gesetz.<br />

Nun ist die SPD auf die Zustimmung<br />

der Union angewiesen. Am Ende<br />

einer Reihe von Vermittlungsverfahren<br />

und abgebrochenen Gesprächen steht<br />

im Sommer 2004 ein Kompromiss, der<br />

„Gesetz zur Steuerung und Begrenzung<br />

der Zuwanderung“ heißt und mit den<br />

Süssmuth-Empfehlungen nicht mehr<br />

viel zu tun hat. Das Punktesystem wurde<br />

geopfert und stattdessen der 1973 erlassene<br />

Anwerbestopp für ausländische<br />

Arbeitnehmer aufrecht erhalten. Auch<br />

junger und noch nicht „höchstqualifizierter“<br />

Nachwuchs kann sich weiterhin<br />

Foto: Alexander Paul Englert<br />

nicht in Deutschland niederlassen – es<br />

sei denn, er hat eine Million Euro im<br />

Koffer und schafft zehn Arbeitsplätze.<br />

Oder er ist ohnehin schon im Land –<br />

ausländische Studienabsolventen dürfen<br />

sich seit Anfang des Jahres ein Jahr<br />

lang nach einem Job umsehen.<br />

Ebenfalls nicht „à la Süssmuth“ sind die<br />

Regelungen zur Integration. Gesetzlich<br />

verbrieft wurden lediglich Recht auf<br />

und Pflicht zu 630 Stunden Sprach- und<br />

Orientierungskurs für Neuzuwanderer<br />

sowie „besonders integrationsbedürftige“<br />

Ausländer. Die Chance, eine umfassende<br />

berufliche und gesellschaftliche<br />

Integration zu schaffen, sei vertan, kommentiert<br />

Volker Roßocha, Migrationsexperte<br />

beim DGB: „Was bleibt, ist<br />

Zwang.“ Wer nicht zum Kurs kommt,<br />

muss damit rechnen, dass Sozialleistungen<br />

gekürzt oder im Extremfall sogar die<br />

Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert<br />

wird. 65000 Zuwanderer haben nach<br />

Angaben des Bundesinnenministeriums<br />

bisher an einem Kurs teilgenommen.<br />

Die GEW weiß, dass Lernen ohne<br />

Motivation und entsprechende Rahmenbedingungen<br />

nicht gut funktioniert.<br />

Sie plädiert daher für einen kostenlosen<br />

Zugang zu Sprachkursen. Es<br />

schade, so GEW-Expertin Sanem Kleff,<br />

wenn man Lernen quasi als „Strafmaßnahme“<br />

missbrauche.<br />

Mit Stolz verkündete Schily wenige Tage<br />

vor den Wahlen die jüngsten Zahlen<br />

zum Asyl – deren Rückgang ein „deutlicher<br />

Erfolg des neuen Zuwanderungsrechts“<br />

sei. Die Zahlen sind auf einem<br />

historischen Tiefstand: Im Jahr 2004<br />

entschied das Bundesamt für Migration<br />

und Flüchtlinge über 60000 Anträge auf<br />

Asyl – und sagte 58 000 mal „Nein“.<br />

Auch Anerkennungen der als Asylgründe<br />

neu eingeführten nichtstaatlichen<br />

und geschlechtsspezifischen Verfolgung<br />

hat es kaum gegeben. Dafür wurde in<br />

der gleichen Zeit im Rahmen einer neu<br />

eingeführten regelmäßigen Überprüfung<br />

14000-mal das Asylrecht widerrufen<br />

– darunter bei mehreren tausend<br />

Menschen aus dem Irak, von denen nun<br />

erwartet wird, dass sie dorthin zurückkehren.<br />

Wer als Bürgerkriegsflüchtling<br />

gilt, dem droht auch unter dem neuen<br />

Gesetz die endlose Aneinanderreihung<br />

von „Kettenduldungen“; Ausreisepflichtige<br />

müssen zusätzlich mit einem<br />

bis zu 18-monatigen Aufenthalt in einem<br />

„Ausreisezentrum“ rechnen. Der<br />

Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter<br />

Burkhardt: „Wir haben es nicht nur mit<br />

einem Gesetz zur Begrenzung von Zuwanderung<br />

zu tun, sondern mit einem<br />

zu ihrer Verhinderung.“<br />

Jeannette Goddar


Elefantenrunde nach der Wahl: Der Kanzler gab sich „krawallig“.<br />

Der Bildung eine Stimme geben<br />

Kommentar des GEW-Vorsitzenden Ulrich Thöne<br />

Der Ausgang der Bundestagswahlen<br />

hat viele Menschen überrascht:<br />

CDU und FDP hofften vergebens,<br />

dass der Protest gegen die Politik der<br />

rot-grünen Bundesregierung ihnen<br />

zur Regierungsmacht verhilft. Doch<br />

die marktradikalen Ideen von Merkel,<br />

Merz, Westerwelle & Co finden<br />

in der Bevölkerung offenbar keine<br />

Mehrheit. Die meisten Menschen<br />

wollen keine verschärfte Agenda-<br />

2010-Politik, keinen Wirtschaftsliberalismus,<br />

sondern einen angemessenen<br />

Beitrag starker Schultern zum<br />

Erhalt des Sozialsystems.<br />

Der Absturz der Union in<br />

der Wählergunst lässt sich<br />

dadurch erklären, dass<br />

sich die Partei unter<br />

Führung der Kanzlerkandidatin<br />

Angela Merkel vom<br />

Charakter der Volkspartei entfernt hat.<br />

Die „Westerwellisierung“ der Christdemokraten<br />

ist Ursache für das Debakel<br />

der Union. Kopfpauschale, Einheitssteuer,<br />

Schleifen des Kündigungsschutzes<br />

– all diese Parolen haben<br />

nicht verfangen.<br />

Und wie reagieren die Sozialdemokraten?<br />

Nach der Wahl kann Bundeskanzler<br />

Gerhard Schröder vor Kraft<br />

kaum laufen. Dabei sollten die Sozialdemokraten<br />

beachten, dass ihre vermeintliche<br />

Stärke vor allem dem<br />

schwachen Abschneiden der Union zu<br />

verdanken ist. 34,3 Prozent sind für die<br />

SPD wahrlich kein gutes Ergebnis. Die<br />

Sozialdemokraten sind schlecht bera-<br />

ten, wenn sie nun auf ein schlichtes<br />

„Weiter so“ – auf eine Fortsetzung der<br />

unsozialen Agenda-Politik – setzen. Dafür<br />

haben sie kein Mandat erhalten. Interessant<br />

ist, mit welchen Programmen<br />

die Parteien links von Schwarz-Gelb in<br />

die Wahl gegangen sind: Reichensteuer,<br />

gebührenfreies Erststudium, kostenlose<br />

Kindergärten, Erhalt der Arbeitnehmerrechte.<br />

Das forderten SPD, Grüne und<br />

Linkspartei unisono. Und für diese Positionen<br />

gibt es eine Mehrheit.<br />

Dennoch werden die Marktradikalen<br />

keine Ruhe geben. Kurz nach der Wahl<br />

präsentierte das arbeitgebernahe Institut<br />

der deutschen Wirtschaft sein Reformprogramm:<br />

Der Umbau des Sozialstaates<br />

soll demnach von den Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmern sowie den<br />

Arbeitslosen allein geschultert werden.<br />

Die Wirtschaft entzieht sich ihrer sozialen<br />

Verantwortung. In die gleiche Richtung<br />

zielt ein Aufruf von zwanzig prominenten<br />

Unternehmern in der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung. Auch sie fordern<br />

einen Abbau des Kündigungsschutzes,<br />

Privatisierung, das Ende des<br />

Flächentarifs, eine Umverteilung von<br />

unten nach oben. Die mediale Dauerberieselung<br />

durch die Wirtschaftsliberalen<br />

wird folglich kein Ende nehmen – im<br />

Gegenteil!<br />

Die Wahlen waren als Richtungsentscheidung<br />

angelegt – und die meisten<br />

Menschen haben diesen Urnengang<br />

auch so verstanden. Doch obwohl es eine<br />

Mehrheit links von Union und FDP<br />

gibt, werden wir wahrscheindlich eine<br />

große Koalition bekommen, die die<br />

Quadratur des Kreises versucht. Die<br />

neue Regierung soll eine Politik machen,<br />

die gleichzeitig für mehr Markt<br />

Foto: dpa<br />

und mehr soziale Gerechtigkeit, für geringere<br />

Steuern und mehr Ausgaben in<br />

Bildung und Forschung, für die Senkung<br />

von Lohnkosten und höhere<br />

Löhne steht. Das wird nicht gelingen.<br />

Auch unser Bildungssystem wird weiter<br />

an der wachsenden Kluft zwischen<br />

Anspruch und Wirklichkeit leiden.<br />

Zwischen dem, was die Gesellschaft<br />

und viele einzelne Menschen zurecht<br />

von diesem Bildungssystem erwarten<br />

und dem, was es auf Grund begrenzter<br />

Ausstattung und mangelhafter<br />

Strukturen leisten kann. Den Druck<br />

werden wir Pädagoginnen und<br />

Pädagogen abbekommen, aushalten<br />

und konstruktiv verarbeiten müssen.<br />

Das ist keine angenehme Botschaft.<br />

Dieser Entwicklung müssen wir aber<br />

ins Auge sehen, wenn wir Veränderungen,<br />

wenn wir wirkliche Verbesserungen<br />

durchsetzen wollen.<br />

Die GEW wird sich verstärkt einmischen<br />

in die gesellschaftliche Debatte<br />

um den Kurs unserer Gesellschaft. Als<br />

Profis für Bildung werden wir zu allen<br />

relevanten Fragen<br />

unsere Stimme<br />

erheben. Dabei<br />

kommt uns<br />

entgegen, dass<br />

das Thema Bildung<br />

für ganz viele<br />

Menschen eine<br />

Ulrich Thöne<br />

Foto: Christian von Polentz<br />

zunehmende Bedeutung<br />

hat. Immer<br />

mehr Menschen<br />

werden ein<br />

elementares Interesse daran haben,<br />

dass sich die Bedingungen für Bildung<br />

und Ausbildung verbessern.<br />

Ihnen – den Kinder und Jugendlichen,<br />

den Eltern und Studierenden, den<br />

Kolleginnen und Kollegen – müssen<br />

wir eine Stimme geben. Dafür werden<br />

wir – die Gewerkschaft – gebraucht.<br />

Wir lassen uns von den marktradikalen<br />

Verlierern dieser Wahl keine Angst<br />

machen und uns für überflüssig erklären.<br />

Im Gegenteil: Wir sehen uns in<br />

unserer Politik bestätigt. Es gibt eine<br />

Mehrheit für gebührenfreies Lernen<br />

von der Krippe bis in den Beruf, eine<br />

Mehrheit für längeres gemeinsames<br />

Lernen und für tarifvertraglich ausgehandelte<br />

akzeptable Arbeitsbedingungen.<br />

Wir müssen unsere Interessen vor<br />

der Bevölkerung nicht verbergen – im<br />

Unterschied zu all jenen, die sich die<br />

radikale Senkung des Spitzensteuersatzes<br />

und den Abbau der Sozialsysteme<br />

auf die Fahnen geschrieben haben.<br />

Ulrich Thöne<br />

BUNDESTAGSWAHL<br />

SPD bei Gewerkschaftsmitgliedern<br />

vorn<br />

Bei der Bundestagswahl<br />

hat die SPD<br />

bei den Gewerkschaftsmitgliedern<br />

47,4 Prozent der<br />

Stimmen erzielt,<br />

CDU und CSU<br />

kamen auf 22,1<br />

Prozent. Auf Platz<br />

drei liegt mit 11,8<br />

Prozent die Linkspartei/PDS,<br />

gefolgt<br />

von Bündnis<br />

90/Die Grünen<br />

mit 8,4 Prozent<br />

und der FDP mit<br />

5,5 Prozent. Daten<br />

und Analysen zum<br />

Wahlverhalten von<br />

Gewerkschaftsmitgliedern<br />

hat der<br />

DGB-Infoservice<br />

„einblick“ in seiner<br />

Ausgabe 17/2005<br />

vom 26. September<br />

veröffentlicht.<br />

E&W 10/2005 21


BILDUNGSPOLITIK<br />

Ganztagsschulen<br />

bieten die Möglichkeit,<br />

Kinder<br />

individuell zu fördern.<br />

Doch das ist<br />

kein Selbstläufer.<br />

Dr. Heike Kahl,<br />

Geschäftsführerin<br />

der Deutschen<br />

Kinder- und Jugendstiftung<br />

22<br />

Foto: Privat<br />

E&W 10/2005<br />

„… heimliche Sehnsucht,<br />

Reformen der 70er zu vollenden“<br />

Interview mit Heike Kahl über Perspektiven der Ganztagsschule<br />

Aufbruchsstimmung. 1400 Besucher<br />

aus Deutschland und Europa diskutierten<br />

Anfang September auf dem<br />

Ganztagsschulkongress in Berlin über<br />

die Zukunft der Ganztagsschule<br />

(GTS). Nach dem Auftakt 2004 hatte<br />

die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung<br />

(DKJS) zum zweiten Mal zu<br />

der Tagung geladen. Die Polit-Prominenz<br />

von Bundesbildungsministerin<br />

Edelgard Bulmahn (SPD) bis zu Ex-<br />

Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth<br />

(CDU) warb für die neue Schulform.<br />

Selten war die Stimmung auf einem<br />

Bildungskongress derart anpackend,<br />

optimistisch. Dabei wurde<br />

klar: Die Ganztagsschule könnte zur<br />

Initialzündung einer neuen Bildungsreform<br />

werden. Wenn man sie richtig<br />

nutzt. Ein Gespräch mit Dr. Heike<br />

Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen<br />

Kinder- und Jugendstiftung.<br />

E &W: Die Erwartungen an die GTS sind<br />

hoch – neue Unterrichtskonzepte, mehr individuelle<br />

Förderung, mehr Chancengleichheit.<br />

Ist das realistisch?<br />

Heike Kahl: Die Ganztagsschule ist sicher<br />

kein Allheilmittel für eine Schulreform.<br />

Aber hinter dem großen Interesse<br />

an der GTS verbirgt sich auch die heimliche<br />

Sehnsucht, die Reformentwicklungen<br />

der 70er Jahre jetzt zu vollenden.<br />

Von der individuellen Förderung über<br />

einen anderen Rhythmus im Schulalltag<br />

bis zu mehr Zusammenarbeit mit externen<br />

Partnern. Wir haben jetzt die Chance,<br />

diese Ideen wieder aufzugreifen und<br />

weiterzuentwickeln. Allerdings dürfen<br />

wir in der Tat die Erwartungen nicht<br />

überfrachten. Sonst wird die GTS daran<br />

scheitern.<br />

E &W: Vier Milliarden Euro stellt der Bund<br />

den Ländern für den Ausbau von GTS zur<br />

Verfügung. Bis zum Ende des Schuljahres<br />

werden an 5000 Schulen neue Ganztagsangebote<br />

entstanden sein, bis 2007 soll ihre<br />

Zahl auf 10 000 wachsen. Aber viele Länder<br />

haben die Fördergelder des Bundes noch<br />

nicht abgerufen.<br />

Kahl: Die Länder verfolgen unterschiedliche<br />

Strategien. Manche geben<br />

den Schulen das Geld, die sich zuerst<br />

melden. Andere wollen, dass die Schulen<br />

erst Profile entwickeln und sich<br />

dann bewerben. Wieder andere sind ins-<br />

Foto: Alexander Paul Englert<br />

gesamt behäbiger. Doch es ist falsch, die<br />

Länder vorschnell zu verurteilen. Ich<br />

bin sicher: Sie bekommen das hin.<br />

E &W: Die DKJS hat ein umfangreiches Begleitprogramm<br />

aufgelegt, um den Aufbau<br />

von GTS zu unterstützen. Weshalb?<br />

Kahl: Die Bildungshoheit liegt in<br />

Deutschland bei den Ländern, sie wollen<br />

sich ungern reinreden lassen, schon<br />

gar nicht vom Bund. Wir haben gemerkt,<br />

dass wir als private Stiftung hingegen<br />

hervorragende Möglichkeiten haben,<br />

alle Verantwortlichen unter einem<br />

Dach zu vereinen. Obwohl das Geld für<br />

das Programm vom Bund kommt, akzeptieren<br />

uns die Länder als unabhängigen<br />

Partner. Auch weil wir sie von vornherein<br />

einbezogen und gefragt haben:<br />

Was braucht ihr, woran hakt es? Wir<br />

können den Prozess daher wirksam moderieren.<br />

E &W: Konkret: Was steht hinter dem Programm<br />

„Ideen für mehr ganztägig lernen“?<br />

Kahl: Dahinter stehen sechs große Einzelprogramme.<br />

Neben diesem Kongress,<br />

einem Schulwettbewerb und einem<br />

Internet-Portal mit Informationen<br />

und Arbeitshilfen zur GTS haben wir regionale<br />

Serviceagenturen in 13 Bundesländern<br />

geschaffen. Sie beraten die<br />

Schulen vor Ort in Organisationsfragen,<br />

geben Anregungen für neue Unterrichtskonzepte<br />

und unterstützen die<br />

Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe.<br />

Zusätzlich haben wir fünf<br />

Werkstätten gegründet, in denen das<br />

Wissen zum Thema GTS systematisch<br />

aufbereitet wird. Über unsere Servicestelle<br />

Jugendbeteiligung schließlich gehen<br />

Jugendliche selbst an die Schulen<br />

und erarbeiten hier mit Schülern und<br />

Lehrern Modelle für den Ausbau zur<br />

GTS.<br />

Interview: Anja Dilk<br />

Hilfe für<br />

Katrina-Opfer<br />

Die Bildungsinternationale (BI), der<br />

auch die GEW angehört, ruft zu<br />

Spenden für vom Wirbelsturm Katrina<br />

besonders betroffene Kolleginnen<br />

und Kollegen aus dem Bildungsbereich<br />

auf. Die GEW unterstützt diesen<br />

Appell. Das Spendenkonto lautet:<br />

Hurricane Katrina Appeal, EI Solidarity<br />

Fund, c/o ING Bank, Brussels Branch,<br />

Avenue Marnix 24, 1000 Belgium, Account<br />

number: 310-1006170-75, IBAN<br />

number: BE05 3101 0061 7075,<br />

SWIFT code: BBRUBEBB


Der krasse Rückstand ist noch nicht überwunden<br />

OECD-Bericht: „Bildung auf einen Blick 2005“<br />

Anlass für ein selbstzufriedenes<br />

Schulterklopfen gibt es wahrlich nicht:<br />

Sicher, der jüngste OECD-Bericht<br />

„Bildung auf einen Blick 2005“<br />

attestiert dem deutschen Bildungssystem<br />

gewisse Verbesserungen.<br />

Aber dennoch: Die Bundesrepublik<br />

hinkt bei den öffentlichen Bildungsausgaben<br />

wie bei der Bildungsbeteiligung<br />

im internationalen Vergleich<br />

immer noch meilenweit der<br />

Entwicklung in anderen wichtigen<br />

Industrienationen hinterher.<br />

Der krasse Rückstand aus<br />

den 80er und 90er Jahren<br />

sowie die Folgen der akademikerfeindlichenStudien-Abschreckungspolitik<br />

der Kohl-Ära sind noch<br />

längst nicht überwunden. Aber auch in<br />

der Schulpolitik und vor allem bei der<br />

Finanzierung im Primar- und Sekundar-<br />

I-Bereich liegt in Deutschland noch vieles<br />

im Argen.<br />

Wenig Geld im Primarbereich<br />

Während viele der in der Organisation<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (OECD) organisierten<br />

Industriestaaten den fast weltweit<br />

seit Mitte der 90er Jahre festzustellenden<br />

Schülerrückgang für deutliche Qualitätsverbesserungen<br />

im Primar- und Sekundarbereich<br />

nutzten, treten die meisten<br />

deutschen Bundesländer bei der Finanzierung<br />

ihrer Schulen auf der Stelle.<br />

So stiegen im OECD-Schnitt die Ausgaben<br />

pro Schüler zwischen 1995 und<br />

2002 um 26 Prozent. In Deutschland<br />

betrug der Anstieg lediglich vier Prozent.<br />

Im Hochschulbereich wuchsen<br />

die Ausgaben pro Studierendem um<br />

zehn Prozent, im OECD-Mittel um<br />

zwölf Prozent.<br />

Der diesmal wenige Tage vor der Bundestagswahl<br />

veröffentlichte OECD-Bericht<br />

macht zugleich erneut auf das krasse<br />

Gefälle bei der Finanzausstattung von<br />

Primar- und Sekundar-II-Schulen in<br />

Deutschland aufmerksam. Als im Dezember<br />

2001 die Hiobsbotschaften über<br />

das schlechte deutsche Abschneiden<br />

beim ersten PISA-Test die Republik erschütterten,<br />

waren sich die Kultusminister<br />

schnell einig, dass frühkindliche<br />

Bildung, ja der gesamte Primarbereich,<br />

künftig einen größeren Stellenwert erhalten<br />

müsse. Doch in den Haushalten<br />

der Bundesländer schlagen sich diese<br />

Absichtserklärungen bisher nicht nieder:<br />

4537 US-Dollar werden im Primarbereich<br />

je Schüler aufgewandt. Damit<br />

liegt Deutschland nur an 19. Stelle unter<br />

28 OECD-Staaten mit vergleichbaren<br />

Daten. Der internationale Schnitt liegt<br />

bei 5313 US-Dollar. In Österreich,<br />

Schweden, Island, Italien, Norwegen,<br />

Dänemark, der Schweiz, den Vereinigten<br />

BILDUNGSPOLITIK<br />

Foto: imago<br />

OECD-Bericht<br />

2005: Bei der<br />

Finanzierung im<br />

Primar- und<br />

Sekundar-I-<br />

Bereich liegt in<br />

Deutschland noch<br />

vieles im Argen.<br />

E&W 10/2005 23


BILDUNGSPOLITIK<br />

24<br />

E&W 10/2005<br />

Staaten und in Luxemburg sind die Ausgaben<br />

pro Primarschüler zwischen 7000<br />

und 11000 US-Dollar am höchsten.<br />

Auch im Sekundar-I-Bereich liegen die<br />

Ausgaben pro Schüler in Deutschland<br />

mit 5667 US-Dollar im Jahr unter dem<br />

OECD-Mittel von 6089 US-Dollar.<br />

Für die Sekundarstufe II ab Klasse elf an<br />

allgemeinbildenden wie beruflichen<br />

Schulen weist der OECD-Bericht dagegen<br />

einen Betrag von 9835 US-Dollar<br />

aus. Höhere Ausgaben finden sich im<br />

internationalem Vergleich nur in Norwegen<br />

(11 500) und in der Schweiz<br />

(14 700).<br />

Der deutsche Wert in der OECD-Tabelle<br />

wird allerdings durch den Einbezug<br />

von Ausgaben für das duale System verzerrt<br />

und gibt deshalb auch nur einen<br />

Trend gegenüber dem Primarbereich<br />

wieder.<br />

Unter dem OECD-Mittel<br />

Das deutsche Sparen bei der Bildung<br />

schlägt sich auch im Vergleich der<br />

Gesamtausgaben nieder: Mit einem<br />

4,4 Prozent-Anteil der öffentlichen<br />

Mittel am Bruttoinlandsprodukt liegt<br />

Deutschland erst an 20. Stelle von 28<br />

OECD-Staaten mit vergleichbaren Daten.<br />

Bezieht man die Aufwendungen<br />

der Wirtschaft für die berufliche Bildung<br />

mit ein, so liegt der Gesamtanteil<br />

öffentlicher wie privater Investitionen<br />

am BIP in Deutschland mit 5,3 Prozent<br />

nach wie vor deutlich unter dem<br />

OECD-Mittel von 5,8 Prozent. Spitzenreiter<br />

sind Island und die USA (7,4<br />

bzw. 7,2 Prozent), gefolgt von Dänemark<br />

und Korea (jeweils 7,1 Prozent).<br />

Der OECD-Bildungskoordinator Andreas<br />

Schleicher fasste bei der Präsentation<br />

des neuen Zahlenreports die Situation<br />

an den deutschen Schulen so zusammen:<br />

„Unterdurchschnittliche Ausgaben<br />

pro Schüler im Primar- und Sekundarbereich<br />

I, verbunden mit deutlich<br />

überdurchschnittlichen Lehrergehältern,<br />

werden in Deutschland<br />

durch hohe Lehrer-Schüler-Relationen<br />

und deutlich weniger Unterrichtszeit in<br />

den ersten Schuljahren sowie vergleichsweise<br />

geringere Ausgaben für Sachaufwendungen<br />

kompensiert.“<br />

Lehrergehälter nicht zu hoch<br />

Nach dem OECD-Vergleich liegt in<br />

Deutschland das Einstiegsgehalt eines<br />

Grundschullehrers bei 38200 US-<br />

Dollar pro Jahr. Im Mittel aller OECD-<br />

Staaten liegt es bei 24300 US-Dollar.<br />

Nur Lehrkräfte in Luxemburg verdienen<br />

am Karrierebeginn mit 44700 US-<br />

Dollar besser als ihre jungen Kollegen in<br />

Deutschland. Auch nach 15 Dienstjah-<br />

ren liegt das Lehrergehalt im Primarbereich<br />

in Deutschland mit 46200 US-<br />

Dollar um mehr als ein Drittel über dem<br />

OECD-Schnitt von 33 300 US-Dollar.<br />

Auch im Sekundar-II-Bereich gilt die<br />

deutsche Bezahlung laut OECD-Bericht<br />

als außerordentlich gut. Berufseinsteiger<br />

bekommen demnach in<br />

Deutschland 42 900 US-Dollar jährlich<br />

gegenüber 27 500 im OECD-Schnitt.<br />

Nur in der Schweiz und in Luxemburg<br />

erzielen Lehrer höhere Einkommen.<br />

Anders als in früheren Jahren wurden<br />

die deutschen Lehrergehälter nicht von<br />

der Presse hochgespielt. Die GEW-Vize-<br />

Vorsitzende Marianne Demmer verwies<br />

dazu auf die im internationalen Vergleich<br />

nur geringe Dynamik der deutschen<br />

Lehrergehälter. Wenn man die<br />

durchschnittlichen Endgehälter der<br />

Lehrer in Deutschland vor der Pensionierung<br />

heranziehe, so würden diese<br />

nur an 9. Stelle liegen. Auch bestünden<br />

nach wie vor im Sekundar-I-Bereich<br />

zwischen Hauptschullehrern und Philologen<br />

erhebliche Unterschiede. Und<br />

auch beim Nettogehalt je Unterrichtsstunde<br />

verschöben sich die Gewichte.<br />

Insgesamt müsse man bei der OECD-<br />

Statistik beachten, das hier Grundgehälter<br />

verglichen würden. In vielen Ländern<br />

sei es jedoch üblich, dass Lehrkräfte<br />

regelmäßig zusätzlichen Unterricht<br />

erteilten oder vergütete Sonderaktivitäten<br />

übernähmen. Insofern stünden die<br />

Gehalts-Vergleiche auf keinem soliden<br />

Fundament.<br />

Auch Schleicher räumte bei der Präsentation<br />

ein, dass die Möglichkeiten für<br />

Lehrer außerhalb Deutschlands, arbeitsbezogene<br />

Zulagen zu erhalten, deutlich<br />

größer seien. Die Gehaltsstruktur sei in<br />

Deutschland „inflexibel“.<br />

Die durchschnittliche jährliche Zahl der<br />

(formal) zu leistenden Unterrichtsstunden<br />

beträgt laut OECD-Bericht für einen<br />

Primarstufenlehrer in Deutschland<br />

782 Stunden – im OECD-Mittel 795<br />

Stunden. Im Sekundar-I-Bereich und<br />

im Sekundar-II-Bereich liegen die entsprechenden<br />

Werte bei 735 und 684<br />

Stunden (OECD-Mittel: 701 bzw. 661).<br />

Außer im Sekundarbereich II ist die zahlenmäßige<br />

Schüler-Lehrer-Relation in<br />

Deutschland ungünstiger als im internationalem<br />

Vergleich. Im Primarbereich<br />

kommen in der Bundesrepublik 18,7<br />

Kinder auf eine Lehrkraft – im OECD-<br />

Mittel 16,5. Im Sek-I-Bereich sind dies<br />

15,6 Kinder in Deutschland zu 14,3 Kindern<br />

im OECD-Mittel. Die deutschen<br />

Betreuungsverhältnisse im Primar- und<br />

Sekundar-I-Bereich sind damit noch geringfügig<br />

ungünstiger als 1998.<br />

Max Loewe<br />

Besser<br />

geht’s nicht<br />

GEW zum TVöD<br />

Seit 2003, spätestens aber seit Februar<br />

2005, war klar, dass es zu einem neuen<br />

Tarifvertrag für die Beschäftigten<br />

des öffentlichen Dienstes kommt. Arbeitnehmer-<br />

und Arbeitgeberseite<br />

stimmten überein, dass der Bundesangestelltentarifvertrag<br />

(BAT) für Beschäftigte<br />

nicht mehr verständlich sei.<br />

Der neue „Tarifvertrag öffentlicher<br />

Dienst“ (TVöD) sollte übersichtlich,<br />

einfach strukturiert und leicht handhabbar<br />

sein. Am 13. September 2005<br />

war es soweit: Der TVöD und die beiden<br />

Überleitungstarifverträge für den<br />

Bereich des Bundes und der Kommunen<br />

sind unterzeichnet und damit die<br />

Überleitungsbedingungen aus dem<br />

BAT in den TVöD fixiert worden.<br />

Das neue Tarifrecht ist grundsätzlich<br />

anders als der BAT.<br />

Es gilt für rund 2,3 Millionen<br />

Beschäftigte – allerdings<br />

nicht für die der Länder.<br />

Die Länder hatten sich<br />

mit ihrem vereinbarungswidrigen Verhalten<br />

bei der Kündigung von Urlaubs- und<br />

Weihnachtsgeld sowie der Arbeitszeitregelung<br />

bewusst aus dem Neustrukturierungsprozess<br />

hinauskatapultiert.<br />

Das Lebensalter galt bisher als Aufstiegsprinzip<br />

innerhalb der Vergütungsgruppen.<br />

Jetzt soll sich der Aufstieg an Leistung<br />

und Berufserfahrung orientieren.<br />

Grundsätzlich ein richtiger Schritt.<br />

Noch fehlt jedoch ein wesentliches Element,<br />

nämlich die Entgeltordnung. Erst<br />

diese wird zeigen, ob der neue Tarifvertrag<br />

auf breite Akzeptanz bei den Beschäftigten<br />

stößt.<br />

Die Überleitung in das neue Tarifrecht<br />

stand von Anfang an unter dem Motto,<br />

dass niemand etwas von seinen erworbenen<br />

Besitzständen verlieren sollte. Um<br />

dieses Ziel zu erreichen, sind „alt“ und<br />

„neu“ verglichen worden. Idealtypische<br />

Verläufe wurden berechnet. Die so ermittelten<br />

Differenzen – genannt Expektanzen<br />

– werden künftig durch Strukturausgleiche<br />

kompensiert. Für jetzt noch<br />

nicht berücksichtigte Fälle sind Nachverhandlungen<br />

vereinbart – allerdings<br />

unter der Bedingung, dass mögliche<br />

Kostensteigerungen aus höheren Aus-


gleichszahlungen mit der Lohnrunde<br />

2008 verrechnet werden. Im<br />

Klartext: Bisher nicht berücksichtigte<br />

Verluste können zwar später<br />

noch einmal aufgegriffen und<br />

nachjustiert werden, mindern aber<br />

mögliche Gehaltszuwächse im<br />

Jahr 2008.<br />

Große Herausforderungen<br />

Schon jetzt wird vielfach Kritik am<br />

TVöD laut. Dabei darf aber nicht<br />

verkannt werden, dass dies der Tarifvertrag<br />

ist, den die Gewerkschaften<br />

des öffentlichen Dienstes in<br />

der aktuellen Situation durchsetzen<br />

konnten. Bessere Ergebnisse<br />

sind künftig nur zu erreichen,<br />

wenn das Engagement der Betroffenen<br />

und ihre Bereitschaft, sich in<br />

Gewerkschaften zu organisieren,<br />

deutlich zunimmt. Dafür müssen<br />

die Gewerkschaften attraktive Angebote<br />

machen. Schon die Übertragung<br />

des TVöD auf den Bereich<br />

der Länder stellt die Gewerkschaften<br />

vor riesige Herausforderungen.<br />

Ob die Bundesländer mit ins<br />

Boot geholt werden können, ohne<br />

Arbeitskampfmittel einzusetzen,<br />

darf mit Fug und Recht bezweifelt<br />

werden. Angesichts der Arbeitsmarktsituation<br />

und der Ausweitung<br />

prekärer Beschäftigungsverhältnisse<br />

im öffentlichen Dienst,<br />

auch im Bereich von Bildung und<br />

Wissenschaft, müssen die Gewerkschaften<br />

Verhandlungs- und<br />

Durchsetzungsstrategien entwickeln,<br />

die über einen kurzen<br />

Warnstreik hinausgehen.<br />

Kommt es zu einer großen Koalition,<br />

egal ob unter einem Kanzler<br />

oder einer Kanzlerin, fördert dies<br />

die Einheit der Länder und damit<br />

die Einsicht in die Notwendigkeit<br />

einheitlicher Regelungen im öffentlichen<br />

Dienst nicht. Vor die-<br />

TARIFPOLITIK<br />

BAT ade!<br />

sem Hintergrund müssen sich die<br />

Gewerkschaften auf Verhandlungen<br />

auch mit einzelnen Ländern<br />

vorbereiten, auch wenn das die<br />

schlechteste aller Varianten ist.<br />

Die Einheitlichkeit des Tarifvertrages<br />

für den öffentlichen Dienst ist<br />

ein hohes Gut – für beide Seiten.<br />

Auf Arbeitgeberseite ist diese Einsicht<br />

jedoch weitgehend verloren<br />

gegangen. Gerade angesichts des<br />

bereits bestehenden Fachkräftemangels<br />

– auch im Lehrerbereich –<br />

eine fatale Entwicklung. Sie ist einer<br />

irregeleiteten veröffentlichten<br />

Meinung über den Segen eines<br />

gnadenlosen Wettbewerbs zwischen<br />

allen Ländern und – noch<br />

besser – allen Schulen geschuldet.<br />

Eine gleichmäßige Versorgung mit<br />

qualifizierten Lehrkräften in allen<br />

Ländern und Regionen ist Voraussetzung<br />

für die qualitative Weiterentwicklung<br />

des bundesdeutschen<br />

Bildungssystems. Sie ist nicht die<br />

einzige Voraussetzung, aber eine<br />

wesentliche. Dies zeigt ein Blick in<br />

die europäischen Nachbarländer,<br />

die schon sehr viel länger über den<br />

Zusammenhang zwischen Bildungsqualität<br />

sowie Arbeits- und<br />

Einkommensbedingungen der<br />

Lehrkräfte diskutieren und entsprechende<br />

Konsequenzen ziehen. Wir<br />

werden sehen, ob dies bei der nächsten<br />

Bundesregierung zu einem Erkenntnisgewinn<br />

führt.<br />

Für die GEW ergeben sich neue<br />

Aufgaben – auch für ihr organisationspolitisches<br />

Profil. Durch die<br />

Bündelung tarif- und beamtenpolitischer<br />

Kompetenzen müssen die<br />

Voraussetzungen für erfolgreiche<br />

und an einheitlichen Grundsätzen<br />

ausgerichtete Verhandlungen mit<br />

den Ländern oder auch mit einzelnen<br />

Ländern geschaffen werden.<br />

Ilse Schaad<br />

E&W 10/2005 25


TARIFPOLITIK<br />

Infos zum TVöD<br />

● Arbeitszeit (Kommunen)<br />

Ost: 40 Stunden in der Woche. West: 38,5 Stunden in der<br />

Woche (wie bisher). Es wurden landesbezirkliche Öffnungsklauseln<br />

vereinbart, die unter bestimmten Bedingungen<br />

eine 40-Stunden-Woche ermöglichen.<br />

● Arbeitszeit (Bund)<br />

Einheitlich 39 Stunden in der Woche (eine halbe Stunde<br />

mehr in West, eine Stunde weniger in Ost)<br />

● Einmalzahlungen Bund (Ost+West) und Kommunen<br />

(West)<br />

2005 1.April, 1. Juni und 1. Oktober je 100 Euro<br />

2006 1. April, 1. Juni je 150 Euro<br />

2007 1. April, 1. Juni je 150 Euro<br />

● Angleichung Ost (nur Kommunen!)<br />

2005 + 1,5 Prozentpunkte, zum 1. Juli auf 94,0 %<br />

2006 + 1,5 Prozentpunkte, zum 1. Juli auf 95,5 %<br />

2007 + 1,5 Prozentpunkte, zum 1. Juli auf 97,0 %<br />

● Entgelttabelle<br />

Es wurden 15 Entgeltgruppen vereinbart. In jeder gibt es<br />

zwei Grund- und vier (bzw. beim Bund drei) Entwicklungsstufen.<br />

Die Eingruppierung orientiert sich jetzt an der Berufserfahrung.<br />

Ortszuschläge und allgemeine Zulagen wurden<br />

in die Tabelle eingearbeitet. Die Tabellenstruktur sieht<br />

grundsätzlich höhere Eingangsverdienste und abgeflachtere<br />

Endstufen vor.<br />

● Jahressonderzahlung (ehemaliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld<br />

zusammengefasst)<br />

Für die Jahre 2005 und 2006 bleibt es bei der alten Regelung.<br />

Ab 2007 erhalten Beschäftigte in den Entgeltstufen<br />

1 bis 8 90 %<br />

9 bis 12 80 %<br />

13 bis 15 60 %<br />

eines Monatsverdienstes.<br />

● Leistungsbezahlung<br />

Ab 2007 sollen leistungsbezogene Entgeltbestandteile eingeführt<br />

werden. Rückflüsse aus dem Wegfall von Ortszuschlägen<br />

und den Kürzungen der Jahressonderzahlung sollen<br />

dafür die finanzielle Basis bilden.<br />

● Strukturausgleich<br />

– soll so genannte „Expektanzverluste“ ausgleichen,<br />

– wird frühestens ab Oktober 2007 gezahlt,<br />

– gibt es nur für Übergeleitete,<br />

– hängt ab von Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe und<br />

Familienstand am 30. September 2005,<br />

– beträgt zwischen 20 und 100 Euro,<br />

– wird bei Höhergruppierung abgeschmolzen,<br />

– gilt nur abgesenkt im Tarifgebiet Ost.<br />

● Meistbegünstigungsklausel<br />

Da die Länder den TVöD nicht mitunterschrieben haben,<br />

wurde vereinbart, dass künftige Länderregelungen, wenn<br />

sie für die Arbeitgeberseite im Bereich Arbeitszeit, Sonderzahlung<br />

und Gehalt günstiger sind, auch für den Bereich<br />

des Bundes und der Kommunen gelten sollen.<br />

Weitere Informationen finden sich auf der Internetseite der GEW: www.gew.de<br />

Bereits im Oktober kommt es zu ersten Verhandlungen mit der<br />

Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Übernahme<br />

des TVöD für die Länder.<br />

In drei Arbeitsgruppen (Lehrkräfte, Wissenschaft, IT-Bereich)<br />

werden die Übernahmebedingungen verhandelt.<br />

Aktuelle Informationen über die Verhandlungen werden regelmäßig<br />

auf der Website der GEW (www.gew.de) veröffentlicht.<br />

GEW und ver.di führen die Verhandlungen gemeinsam.<br />

26<br />

E&W 10/2005<br />

Was ändert sich beim „Entgelt“?<br />

Start der E&W-Serie zum neuen Tarifwerk<br />

Ab Oktober beschäftigt sich E&W in<br />

jeder Ausgabe mit Fragen der Mitglieder<br />

zum neuen „Tarifvertrag öffentlicher<br />

Dienst“ (TVöD). Unsere Leserinnen<br />

und Leser sollen besser über<br />

Einzelheiten des neuen Tarifwerks informiert,<br />

Unklarheiten aus dem Weg<br />

geräumt werden. Die Serie startet mit<br />

dem Begriff „Entgelt“.<br />

Beschäftigte von Bund und<br />

Kommunen werden ab Oktober<br />

nicht mehr nach dem<br />

Bundesangestelltentarif<br />

(BAT) vergütet, sondern erhalten<br />

ein Entgelt nach<br />

TVöD. Dabei ändert sich im Oktober in<br />

den meisten Fällen nicht der Zahlbetrag<br />

auf dem Konto, dafür aber die Begriffe<br />

auf der Gehaltsabrechnung.<br />

Nach dem TVöD gibt es 15 Entgeltgruppen.<br />

Zukünftig sollen diesen bestimmte<br />

Tätigkeitsniveaus zugeordnet werden.<br />

Die Tarifvertragsparteien hatten sich im<br />

Januar 2003 darauf verständigt, einheitliche<br />

Eingruppierungsvorschriften für<br />

Arbeiter und Angestellte zu verhandeln<br />

(„Entgeltordnung“), die dann die komplizierten<br />

Vorschriften des BAT ersetzen.<br />

Diese Verhandlungen sollen bis Ende<br />

2006 abgeschlossen sein. Bis dahin<br />

werden die Eingruppierungsvorschriften<br />

des BAT weiter angewendet.<br />

Bislang ist nur die Überleitung der alten<br />

BAT-Vergütungsgruppen in die neuen<br />

Entgeltgruppen festgelegt. Dabei zählt<br />

nicht allein die aktuelle Vergütungsgruppe,<br />

sondern die Eingruppierung<br />

nach BAT inklusive Bewährungsaufstieg<br />

etc. Für jede denkbare Konstellation<br />

(und davon gibt es im komplizierten<br />

BAT sehr viele) wurde in einer Überleitungstabelle<br />

festgelegt, welcher Entgeltgruppe<br />

sie künftig entspricht.<br />

Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege<br />

sind im neuen System nicht mehr vorhanden.<br />

So lange jemand die gleiche<br />

Tätigkeit ausübt (z. B. Erzieherin),<br />

bleibt er oder sie in derselben Entgeltgruppe.<br />

Innerhalb dieser werden diverse<br />

Entgeltstufen durchlaufen: zwei Grundund<br />

vier Entwicklungsstufen. Sie sollen<br />

die wachsende Berufserfahrung ausdrücken.<br />

Entscheidend ist jetzt die Beschäftigungszeit,<br />

nicht das Lebensalter.<br />

Im Rahmen von Besitzstandsregelungen<br />

gibt es aber Ausnahmen für die Be-<br />

schäftigten, denen nach dem alten System<br />

demnächst ein Bewährungs- oder<br />

Fallgruppenaufstieg oder eine Vergütungsgruppenzulage<br />

zugestanden hätte.<br />

Gehalt meist unverändert<br />

Für die Bezahlung der übergeleiteten<br />

Beschäftigten kommt es allerdings<br />

zunächst einmal nicht auf die Berufserfahrung<br />

an, sondern auf das aktuelle<br />

Gehalt. Der Grund: Niemand soll im<br />

Oktober 2005 weniger verdienen als im<br />

September.<br />

Für die Ermittlung des Gehalts im Oktober<br />

wird aus dem vom September ein<br />

Vergleichsentgelt gebildet. Im Regelfall<br />

wird dieses irgendwo zwischen zwei Entgeltstufen<br />

innerhalb der maßgeblichen<br />

Entgeltgruppe der neuen Tabelle liegen.<br />

Dieses Vergleichsentgelt wird i. d. R. bis<br />

September 2007 als individuelle Zwischenstufe<br />

oder Endstufe weitergezahlt.<br />

Erst am 1. Oktober 2007 rücken alle Beschäftigten<br />

in die nächsthöhere Entgeltstufe<br />

der neuen Tabelle auf – das ist jeweils<br />

die Stufe, deren Zahlbetrag oberhalb<br />

des Vergleichsentgelts liegt.<br />

Übergeleitete Beschäftigte bekommen<br />

unabhängig von ihrem jetzigen Gehalt<br />

mindestens das Entgelt der Stufe 2 ihrer<br />

neuen Eingruppierung. Manche Beschäftigten<br />

(vor allem sehr junge Kolleginnen<br />

und Kollegen) bekommen deshalb<br />

ab 1. Oktober tatsächlich mehr Geld<br />

als im September.<br />

Wer die Vielzahl an Regelungen des alten<br />

BAT kennt, wird sich nicht wundern,<br />

dass sich für eine Übergangszeit<br />

auch komplizierte Besitzstandsregelungen<br />

ergeben. In der Gehaltsabrechnung<br />

vom Oktober 2005 können sich „Besitzstandszulagen“<br />

wiederfinden.<br />

Dahinter verbergen sich Gehaltsbestandteile<br />

des alten Systems, die es im<br />

neuen nicht mehr geben wird, die aber<br />

den übergeleiteten „Alt-Beschäftigten“<br />

begrenzt oder unbegrenzt weiter gezahlt<br />

werden. Am weitesten verbreitet sind<br />

die früheren kinderbezogenen Bestandteile<br />

des Ortszuschlags. Sie werden als<br />

Besitzstandszulage weiter gezahlt, so<br />

lange Anspruch auf Kindergeld besteht.<br />

Ebenfalls als Besitzstandszulage wird<br />

die frühere Vergütungsgruppenzulage<br />

weiter gezahlt.<br />

Gesa Bruno-Latocha<br />

Weitere Infos zu Entgelt und Tabellen s. Internet:<br />

www.gew.de


TARIFPOLITIK<br />

Das neue GEW-Internetportal lädt Studierende, Wissenschaftler und Forschende zum Mitmachen ein.<br />

GEW startet Internetportal<br />

Service für Studis, Doktoranden und Beschäftigte<br />

Pünktlich zum Beginn des<br />

Wintersemesters wirbt die<br />

Bildungsgewerkschaft für ihr<br />

neues Internetportal Hochschule<br />

und Forschung. Unter<br />

www.wissenschaft.gew.de<br />

finden Studierende, Lehrende,<br />

Forschende und Wissenschaftler<br />

viel mehr als aktuelle<br />

Informationen zur Wissenschaftspolitik.<br />

Von Tipps für Studienanfänger<br />

bis hin zu Listen von Stipendienprogrammen<br />

für Postdoktoranden<br />

bietet der Servicebereich<br />

des Online-Portals allerlei<br />

Nützliches. Neuigkeiten<br />

aus dem GEW-Organisationsbereich<br />

Hochschule und Forschung<br />

werden gebündelt und<br />

langfristig zugänglich gemacht.<br />

Die Redaktion informiert<br />

über GEW-Positionen<br />

und Forderungspapiere zu<br />

hochschulrelevanten Themen<br />

und stellt sie in den Zusammenhang<br />

aktueller Debatten.<br />

Die Struktur des Portals orientiert<br />

sich an den Tätigkeitsfeldern<br />

in der Wissenschaft: studieren,<br />

lehren, forschen, mitbestimmen,<br />

gestalten. Die<br />

Landesverbände, deren Online-Angebote<br />

auch über eine<br />

Landkarte im oberen Bereich<br />

der Startseite zu erreichen<br />

sind, haben inzwischen diese<br />

Struktur übernommen. Die<br />

Website ist das augenfälligste<br />

Ergebnis des Kooperationsprojekts<br />

„Internetportal Hochschule<br />

und Forschung“ (HuF),<br />

das der GEW-Hauptvorstand<br />

gemeinsam mit einigen Landesverbänden<br />

im Rahmen internerOrganisationsentwicklung<br />

Mitte 2003 auf den Weg<br />

gebracht hat. Das Portal soll<br />

nicht nur die Mitgliederwerbung<br />

verbessern. Es soll vor allem<br />

die politische Arbeit der<br />

GEW unterstützen: Die Gremien<br />

und Projektgruppen können<br />

über Mailverteiler kommunizieren,<br />

aber auch in nur<br />

für sie zugänglichen Bereichen<br />

des Portals Dokumente austauschen,<br />

Protokolle ablegen und<br />

in Foren diskutieren.<br />

Von diesen Möglichkeiten<br />

wird auch die „Redaktion Wissenschaft“<br />

profitieren, die aus<br />

Ehrenamtlichen besteht und<br />

bis Ende des Jahres die Arbeit<br />

an www.wissenschaft.gew.de<br />

übernehmen soll.<br />

Die einfach zu bedienende<br />

Software ermöglicht es der Redaktion,<br />

von jedem Ort aus am<br />

Portal mitzuarbeiten. Wer Interesse<br />

hat, auf Themen oder<br />

Texte hinweisen oder Rückmeldungen<br />

zum Portal geben<br />

möchte, erreicht die Redaktion<br />

über: redaktion.wissenschaft<br />

@gew.de<br />

Andreas Staets<br />

Neue Farbe,<br />

neue Struktur<br />

GEW-Homepage: mehr<br />

Infos, mehr Service<br />

Nicht nur die Farbe, auch die Struktur<br />

der GEW-Homepage hat sich<br />

verändert, als die Bildungsgewerkschaft<br />

im vergangenen Jahr ihre<br />

Website neu gestaltet hat. Für die Beschäftigten<br />

in den einzelnen Bildungsbereichen<br />

sind die Informationen<br />

nun schneller zu finden.<br />

Unter dem Menüpunkt Bildungsbereiche<br />

gibt es für Lehrkräfte, Erzieherinnen<br />

oder Sozialarbeiter viel Wissenswertes<br />

rund um den Berufsalltag:<br />

Broschüren und Veranstaltungstipps<br />

sowie Meldungen zu wichtigen<br />

bildungspolitischen Diskussionen.<br />

„Specials“ zu einzelnen Themen<br />

ergänzen die Berichterstattung<br />

im Netz und der „Erziehung und<br />

Wissenschaft“.<br />

Aktuell gibt es das Internet-Spezial<br />

zum neuen Tarifvertrag öffentlicher<br />

Dienst (TVöD) mit Erläuterungen<br />

zu dem am 13. September unterzeichneten<br />

Regelwerk. Im November<br />

wird PISA E das Topthema im<br />

Netz sein.<br />

Für Fans der E&W-Rubrik Anschlagtafel<br />

gibt es im Netz jeden Monat<br />

mehr als 50 neue Tipps:<br />

www.gew.de/Anschlagtafel.html.<br />

Und wer dann noch nicht genug<br />

hat: Im monatlichen Newsletter finden<br />

sich weitere Infos.<br />

Meldungen für den Newsletter oder Anfragen<br />

und Kritik zur Website bitte an:<br />

newsletter@gew.de ess<br />

Foto: imago<br />

E&W 10/2005 27


WELTLEHRERTAG<br />

Bedrohte Menschenrechte<br />

in<br />

Kolumbien:<br />

Jährlich werden<br />

über 40 Mitglieder<br />

der Lehrergewerkschaft<br />

FECODE ermordet.<br />

Laut Statistik der<br />

„Esculea Nacional<br />

Sindical“ (ENS) –<br />

der nationalen Gewerkschaftsschule<br />

wurden seit 1992<br />

mindestens 1.981<br />

gewerkschaftlich<br />

Organisierte ermordet.<br />

Nach Regierungsangabenwurden<br />

bislang aber<br />

nur 40 Gerichtsverfahren<br />

angestrengt.<br />

98 Prozent aller<br />

Morde an Gewerkschaftern<br />

in Kolumbien<br />

bleiben garantiert<br />

straffrei.<br />

DGB-Aktivitäten<br />

In diesem Herbst<br />

startet das Nord-<br />

Süd-Netz des DGB<br />

drei neue Projekte in<br />

Kolumbien: Der<br />

Gewerkschaftsbund<br />

CUT beginnt ein<br />

dreijähriges Programm‚<br />

Bildung<br />

zum sozialen Handeln,<br />

die Escuela<br />

Nacional Sindical<br />

erstellt E-Learning-<br />

Module zum betrieblichenArbeitsundGesundheitsschutz.<br />

Die Gewerkschaft<br />

der Blumenarbeiterinnen<br />

Untraflores kämpft<br />

um bessere Arbeitsbedingungen.<br />

28<br />

E&W 10/2005<br />

In Kolumbien ist<br />

Lehrer-Engagement tödlich<br />

E&W-Interview mit dem FECODE-Vorsitzenden Witney Chavez<br />

Das Thema des Weltlehrertages lautet<br />

„Qualifizierte Lehrkräfte für eine qualifizierte<br />

Bildung“ – doch wie kann<br />

dies weltweit umgesetzt werden, wenn<br />

in Ländern wie Kolumbien die Repression<br />

und der Terror gegen Lehrende so<br />

groß sind, dass diese um ihr Leben<br />

fürchten müssen? Der kolumbianische<br />

Präsident Alvaro Uribe bemüht sich<br />

zwar um ein „Saubermann“-Image,<br />

die Zahlen über Menschenrechtsverletzungen<br />

weisen jedoch auf ein Gewalt-<br />

Regime hin. Mindestens 94 Gewerkschafter<br />

wurden allein 2004 in dem<br />

Andenstaat ermordet. Am stärksten<br />

betroffen von den Verfolgungen der Regierung<br />

ist die Erziehungsgewerkschaft<br />

FECODE. E&W sprach mit dem<br />

Vorsitzenden Witney Chavez.<br />

E &W: FECODE ist die bei weitem größte<br />

Einzelgewerkschaft in Kolumbien, die meisten<br />

anderen Gewerkschaften sind dagegen<br />

schwer angeschlagen. Wie ist es dazu gekommen?<br />

Witney Chavez: Neben dem fortgesetzten<br />

Terror hat sich in Kolumbien<br />

auch der gesamte Rahmen verändert. In<br />

vielen Privatbetrieben wurden die Gewerkschaften<br />

mit Gewalt und rechtlichen<br />

Tricks zerschlagen, beispielsweise<br />

bei dem größten Nahrungsmittelkonzern<br />

Bavaria. Die meisten staatlichen<br />

Unternehmen wiederum, in denen die<br />

Gewerkschaften traditionell stark waren,<br />

wie die Telekom oder der Erdölbereich,<br />

wurden oder werden derzeit privatisiert.<br />

Die Arbeitnehmerrechte und die<br />

Gewerkschaften bleiben dabei auf der<br />

Strecke. Demgegenüber ist das Bildungswesen,<br />

zumindest im Grund-<br />

schul- und mittleren Bereich, noch weitgehend<br />

intakt. Hier ist FECODE traditionell<br />

sehr stark verankert.<br />

E &W: Heißt das, dass Ihre Organisation<br />

noch im ganzen Land arbeiten kann, was für<br />

die meisten Gewerkschaften nicht mehr möglich<br />

ist?<br />

Chavez: Sagen wir es so: Unsere nationale<br />

Struktur ist noch intakt. In der Provinz<br />

Arauca (Grenze zu Venezuela, Anm.<br />

d. Red.) sowie in einigen weiteren Regionen<br />

und Städten ist die Repression so<br />

stark, dass die Arbeit auch für FECODE<br />

nicht mehr möglich ist. Doch in anderen<br />

Provinzen, in denen noch Paramilitärs<br />

aktiv sind, kann FECODE arbeiten.<br />

Bildung ist für unsere Bevölkerung<br />

traditionell ein hohes Gut. Sie verteidigt<br />

deshalb vor Ort vehement ihre Interessen<br />

und die Organisation der Bildungsarbeiter.<br />

E &W: Ist unter Präsident Uribe die Arbeit<br />

für Sie einfacher und sicherer geworden, wie<br />

die Regierung behauptet?<br />

Chavez: Nein, FECODE hat leider genauso<br />

viele Opfer zu beklagen wie in<br />

den Jahren zuvor. Jedes Jahr werden<br />

mehr als 40 unserer Mitglieder aufgrund<br />

ihres gewerkschaftlichen Engagements<br />

ermordet, auch in 2004 war dies so.<br />

Mehr als 60 unserer Kolleginnen und<br />

Kollegen mussten aufgrund von Drohungen<br />

ins Ausland fliehen, nach Ecuador<br />

oder Spanien, nach Costa Rica und<br />

Kanada. Wir haben zahlreiche Beschwerden<br />

wegen der Verletzungen des<br />

Menschenrechts auf Gewerkschaftsfreiheit<br />

vor die Internationale Arbeitsorganisation<br />

ILO gebracht. Diese drängte<br />

die Regierung zu so genannten „Runden<br />

Tischen“ mit uns, um über diese Problematik<br />

zu sprechen. Die Regierungsvertreter<br />

traten hier aber sehr autoritär auf,<br />

es entstand kein Klima für einen Dialog.<br />

Foto: Privat<br />

Geändert hat sich dadurch für uns<br />

nichts.<br />

E &W: Hat die Repression FECODE geschwächt?<br />

Chavez: In einem gewissen Maße sicherlich,<br />

doch unsere Strukturen sind<br />

sehr gefestigt. Mindestens ebenso gravierend<br />

für FECODE war, dass die Arbeitsbedingungen<br />

der Lehrer viel<br />

schwieriger geworden sind. Heute finden<br />

sich 40-50 Kinder in einer Grundschulklasse,<br />

die zudem schlecht ausgestattet<br />

ist. In der Sekundarstufe wurde<br />

die Stundenzahl – natürlich ohne Lohnerhöhung<br />

– heraufgesetzt, von einst 20<br />

Stunden à 50 Minuten auf 22 Stunden<br />

zu 60 Minuten. Gleichzeitig wurden die<br />

Ferien für alle Lehrer gekürzt. Insgesamt<br />

haben die Bildungsarbeiter also heute<br />

viel weniger Zeit, um sich in der Gewerkschaft<br />

zu engagieren. Und: Neue<br />

Kollegen werden kaum mehr mit einem<br />

Festvertrag angestellt.<br />

E &W: Sie haben schon die Privatisierungspolitik<br />

der kolumbianischen Regierung erwähnt.<br />

Gibt es entsprechende Tendenzen<br />

auch im Bildungssektor?<br />

Chavez: Natürlich, und das ist der zentrale<br />

Punkt der Auseinandersetzungen –<br />

im Moment und sicherlich in der nächsten<br />

Zukunft. Gelder für weiterführende<br />

Schulen ab Klasse elf gibt es staatlicherseits<br />

praktisch nicht mehr, folglich treten<br />

private Investoren auf den Plan. Für<br />

die muss sich das Geschäft aber lohnen,<br />

so dass die Schulgebühren ansteigen.<br />

Besonders beunruhigend ist, dass auch<br />

der Vorschulbereich zunehmend aus<br />

dem staatlichen System ausgegliedert<br />

und privatisiert wird. Somit besteht die<br />

Gefahr, dass Kinder aus ärmeren Familien<br />

bereits mit klaren Bildungsdefiziten<br />

in die Grundschule eintreten.<br />

Interview: Frank Braßel<br />

GEW hilft im Exil<br />

Zu den Kolleginnen und Kollegen,<br />

die wegen massiver Todesdrohungen<br />

ins Ausland flüchten mussten,<br />

gehören auch Gladys Briceno und Jorge<br />

Navarrete. Sie haben ein sicheres Exil<br />

in Berlin gefunden und werden hier<br />

von Gewerkschaftern betreut (für die<br />

GEW Berlin: Thomas Isensee). Zuschüsse<br />

zu Lebensunterhalt und Weiterbildung<br />

können diese dank der<br />

Mittel des GEW-Solidaritätsfonds<br />

„Heinrich Rodenstein“ finanzieren.<br />

Dieser Fonds lebt seinerseits von den<br />

Spenden der GEW-Mitglieder:<br />

Heinrich-Rodenstein-Fonds, Konto:<br />

1707274700, SEB AG, BLZ 500 10<br />

11, Stichwort: Kolumbien.


Neue Sprache<br />

(E&W 9/2005, S. 20, „Treiber für<br />

Qualität“)<br />

Es läuft mir kalt den Rücken herunter,<br />

wenn ich die neue Sprache<br />

im Bildungsbereich als betroffener<br />

Lehrer erlebe und erleide: „Input“<br />

und „Output“ auf Personen bezogen<br />

machen auch einen Begriff wie<br />

„Qualitätssicherung“ suspekt und<br />

erinnern an seinen Ursprung in<br />

der Welt der Waren. Die Forderung<br />

von „Professionalität“ ist –<br />

ganz abstrakt genommen – kein<br />

Problem. Betrachtet man aber den<br />

Kontext des Begriffs, in dem er verwendet<br />

wird, erkennt man die zunehmende<br />

Verdinglichung auch<br />

der Beziehungen zwischen Lehrern<br />

und Lehrern, zwischen<br />

Schülern und Lehrern. Und nun<br />

lese ich in Ihrer (eigentlich auch<br />

meiner) Gewerkschaftszeitung,<br />

dass ein Beitrag die „Feedback“-<br />

„Kultur“ mit dem Begriff „Treiber“<br />

plausibel machen will. Hier wird<br />

wirklich die Vorstellung von der<br />

Machbarkeit des richtigen Handelns<br />

auf die Spitze getrieben.<br />

Robert Lühker, Paderborn<br />

Kinderpornografie<br />

(E&W 9/2005, S. 33, „Sexueller<br />

Missbrauch“)<br />

Für Berlin hat das Landeskriminalamt<br />

eine eigene Ermittlungsgruppe<br />

für die Verfolgung von Kinderpornografie<br />

im Internet eingerichtet.<br />

Wer Hinweise und/oder Fragen<br />

hat, wer diesbezüglich Straftaten<br />

anzeigen möchte, kann sich<br />

auf folgenden Wegen an diese Polizeidienststelle<br />

wenden:<br />

1. per Post: Polizeipräsident in<br />

Berlin, LKA 131, Keithstr. 30<br />

2. per Telefon: 030/4664913100<br />

3. per E-Mail: berlinlka4138@<br />

t-online.de (zu beanstandende<br />

Mails kann man einfach an diese<br />

Adresse weiterleiten).<br />

4. persönlich: Man kann zu jeder<br />

Tages- und Nachtzeit auf jedem<br />

Polizeiabschnitt eine Anzeige machen.<br />

Höchstwahrscheinlich gibt es für<br />

andere Bundesländer ähnliche<br />

Möglichkeiten. Erkundigt euch<br />

bei eurer Polizeidienststelle.<br />

Sabine Doggett, Berlin<br />

Zufälle<br />

(E&W 6/2005, S. 33, „Ordnungsmaßnahmen“)<br />

Herzlichen Dank für die Veröffentlichung<br />

des Artikels „Unterrichtsausschluss“.<br />

Ich wünschte,<br />

die klaren Worte des Verwaltungsgerichts<br />

Hannover könnten auch<br />

in anderen Bundesländern gehört<br />

und in entsprechende hilfreiche<br />

und verbindliche Regelungen umgesetzt<br />

werden. Als Lehrer an einer<br />

Hauptschule in Hessen erlebe<br />

ich zu häufig, dass Mitschüler,<br />

aber auch Lehrer, Opfer von Gewalt<br />

werden durch notorisches<br />

Stören, Drohungen, Beschimpfung,<br />

Zerstörung ihres Eigentums.<br />

LESERFORUM<br />

Das bleibt in den meisten Fällen<br />

lange Zeit folgenlos für die entsprechenden<br />

Schüler. Viel zu lange<br />

sind in unserem System die<br />

Mitschüler und Lehrer hilflos<br />

dem Aggressionsdruck ausgesetzt.<br />

Das ist in den nördlichen Länder<br />

anders organisiert. Hier haben<br />

Schulen und Sozialämter Personal<br />

und Mittel, um sehr schnell wirksame<br />

Maßnahmen durchzusetzen.<br />

Bei uns können Schulämter<br />

ohne Begründung die Ergebnisse<br />

von Klassenkonferenzen (KK)<br />

einfach verwerfen, trotz einer eingehenden<br />

Fallschilderung und Begründung<br />

der beantragten Ordnungsmaßnahme<br />

einer KK.<br />

Schulämter sehen ihre Aufgabe<br />

oft nicht in der Schutzfunktion<br />

des Staates für die anderen<br />

Schüler, sondern eher als Rechtsanwälte<br />

der gewalttätigen Schüler.<br />

Der pädagogische Apparat ist geprägt<br />

von Zufällen und Zeitverschleppung.<br />

Martin Freese-Knecht, Dietzenbach<br />

E&W 10/2005 29


BERUFSVERBOTE<br />

Berufsverbotsopfer<br />

Michael<br />

Csaszkóczy<br />

30<br />

Foto: privat<br />

E&W 10/2005<br />

Die Jagd geht weiter<br />

Berufsverbot für Michael Csaszkóczy auch in Hessen?<br />

Der Berufsverbotsfall Michael Csaszkóczy<br />

(35) geht in die nächste Runde.<br />

Nach Baden-Württemberg (s. E&W<br />

3/2005) will auch das Land Hessen<br />

den Realschullehrer nicht einstellen.<br />

Und das, obwohl sich Csaszkóczy in<br />

dem Bewerbungsverfahren um eine<br />

Stelle an einer Schule in Heppenheim<br />

durchgesetzt und bereits die schriftliche<br />

Einstellungszusage des Staatlichen<br />

Schulamtes Kreis Bergstraße und<br />

Odenwaldkreis vorliegen hatte. Sollte<br />

es zu einem Rechtstreit kommen, hat<br />

die GEW juristische Unterstützung<br />

zugesagt.<br />

Erste Lehrerkonferenz an der<br />

Martin-Buber-Schule (Heppenheim)<br />

zur Vorbereitung<br />

des Schuljahres 2005/06.<br />

Schulleiter Peter Kühn ist froh,<br />

dass er sein Team zusammen<br />

hat. Auch die Stelle für Deutsch, Geschichte<br />

und Kunst, die er ausgeschrieben<br />

hatte, ist besetzt. Mit Michael Csaszkóczy,<br />

der sich gegen acht Mitbewerber<br />

durchgesetzt hat. Kurz vor Beginn der<br />

Konferenz meldet sich das Schulamt<br />

Kreis Bergstraße und Odenwaldkreis telefonisch<br />

bei Kühn: Der vorliegende Arbeitsvertrag<br />

für Csaszkóczy dürfe nicht<br />

unterschrieben werden. Hinter vorgehaltener<br />

Hand wird dem Schulleiter<br />

mitgeteilt, dass das hessische Innenministerium<br />

interveniert habe. „Wir waren<br />

alle konsterniert“, sagt Kühn. Csaszkóczy<br />

muss unverrichteter Dinge wieder<br />

nach Hause fahren. Die Stelle bleibt gut<br />

zwei Wochen unbesetzt, Unterricht fällt<br />

aus. Jetzt gibt es einen Vertretungsvertrag<br />

für einen anderen Kollegen – befristet<br />

auf ein Jahr. Unter Ausschluss der<br />

Sommerferien, versteht sich.<br />

Schulwettbewerb „Mädchenwelten“<br />

Im Rahmen des Schulwettbewerbs des<br />

Bundespräsidenten zur Entwicklungspolitik<br />

„Alle für eine Welt – Eine Welt<br />

für alle“ zum Thema „Lebenswelten<br />

von Kindern und Jugendlichen“ verleiht<br />

die Deutsche Welthungerhilfe<br />

(DWHH) einen Sonderpreis „Mädchenwelten“.<br />

Sie will die Schüler anregen,<br />

sich speziell mit der Situation von<br />

Das hessische Kultusministerium begründet<br />

sein Vorgehen mit Zweifeln an<br />

Csaszkóczys Verfassungstreue und beruft<br />

sich auf das Verbot in Baden-Württemberg.<br />

Der verhinderte Lehrer hat<br />

von dem Amt eine Aufforderung erhalten,<br />

zu dem gesamten Vorgang Stellung<br />

zu nehmen. Die GEW ist der Auffassung,<br />

dass ein Arbeitsvertrag bereits<br />

mündlich – und damit juristisch relevant<br />

– zustande gekommen ist. Die<br />

Gründe: Die schriftliche Zusage des<br />

Schulamtes für die Stelle und damit für<br />

den Vertrag, der das Arbeitsverhältnis<br />

bis zur Übernahme in den Beamtenstatus<br />

regelt. Zudem habe Csaszkóczy<br />

durch seine Anwesenheit in Heppenheim<br />

gezeigt, dass er das Angebot annehmen<br />

will. Kommt es zum Rechtsstreit<br />

wird die GEW den Realschullehrer<br />

juristisch unterstützen.<br />

Politisch hat die Bildungsgewerkschaft<br />

Michael Csaszkóczy den Rücken schon<br />

gestärkt. GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne<br />

machte gegenüber der Öffentlichkeit<br />

deutlich: „Hessens Innenminister Volker<br />

Bouffier setzt die ‚Hexenjagd‘ der badenwürttembergischen<br />

Kultusministerin<br />

Annette Schavan (beide CDU) fort. Wir<br />

weisen das Wiederaufleben der Berufsverbotspraxis<br />

zurück.“ Er forderte die<br />

Landesregierung auf, Csaszkóczy sofort<br />

als Lehrer einzustellen. Dabei berief sich<br />

Thöne auf ein Urteil des Europäischen<br />

Gerichtshofes (EuGH) für Menschenrechte,<br />

der 1995 die Berufsverbotspraxis<br />

in der Bundesrepublik als Verstoß gegen<br />

die Grundrechte auf Meinungs- und<br />

Vereinigungsfreiheit gerügt hatte. Der<br />

so genannte „Radikalenerlass“ aus den<br />

70ern, für den der damalige Bundeskanzler<br />

Willy Brandt (SPD) verantwortlich<br />

zeichnete, ist formal nie aufgehoben<br />

worden – wurde allerdings seit den<br />

90ern nicht mehr praktiziert. Sollten<br />

sich Baden-Württemberg und Hessen<br />

Mädchen in Afrika, Asien und Lateinamerika<br />

auseinander zu setzen. logo!,<br />

die Nachrichtensendung für Kinder in<br />

ZDF und Kika, und die GEW unterstützen<br />

den Sonderpreis. Neben Geldpreisen<br />

winken ein Besuch im logo!-<br />

Studio und ein Gespräch mit der TV-<br />

Journalistin Petra Gerster. Die Beiträge<br />

müssen bis 6. März 2006 an den Zeit-<br />

durchsetzen, wäre dies ein Zeichen,<br />

auch in anderen Bundesländern die Berufsverbotsfahne<br />

wieder zu hissen und<br />

wie vor 30 Jahren Gesinnungsschnüffelei<br />

zu betreiben. Damals waren 3,5 Millionen<br />

Menschen auf „ihre Verfassungstreue“<br />

überprüft worden.<br />

„Bitter“. Dieses Wort fällt am häufigsten,<br />

wenn man sich mit Michael Csaszkóczy<br />

unterhält. In der Tat ist es bitter, wenn<br />

man hoch qualifiziert – fachlich sogar<br />

besser als andere Kolleginnen und Kollegen<br />

– und arbeitslos ist. Es ist bitter,<br />

wenn man von gut 300 Euro ALG II leben<br />

muss. Und es ist bitter, wenn man<br />

wegen seines gesellschaftlichen Engagements,<br />

der Ausübung des demokratischen<br />

Grundrechts auf freie Meinungsäußerung<br />

vom Verfassungsschutz beobachtet<br />

und mit Berufsverbot abgestraft<br />

wird. Denn nichts anderes hat Csaszkóczy<br />

als Mitglied der Antifaschistischen<br />

Initiative Heidelberg (AIHD) gemacht.<br />

Und lediglich mit der Mitgliedschaft<br />

in der AIHD, die der Verfassungsschutz<br />

wegen „Linksextremismus“ beobachtet,<br />

begründet Schavan das Berufsverbot,<br />

das sie im August 2004 gegen<br />

Csaszkóczy verhängt hat. Dienstliche<br />

Verfehlungen oder Straftaten hat sie ihm<br />

nicht vorgeworfen. Nach der Ablehnung<br />

des Widerspruchs Csaszkóczys gegen<br />

Schavans Verdikt hat er Klage beim Verwaltungsgericht<br />

in Karlsruhe erhoben.<br />

Die Verhandlung steht noch aus.<br />

Ein „Schmankerl“ am Rande: Den politischen<br />

Geleitschutz für die Behörden zu<br />

organisieren, fühlte sich ausgerechnet<br />

Hans-Jürgen Irmer (CDU) berufen: Der<br />

als Rechtsaußen der hessischen Landtagsfraktion<br />

bekannte gelernte Lehrer,<br />

oft genug mit seinen Vorstößen Ballast<br />

in den eigenen Reihen, rechtfertigte als<br />

einziger in einer Pressemitteilung das<br />

Vorgehen des Kultusministeriums.<br />

Ulf Rödde<br />

bild-Verlag, Stichwort: Eine Welt/Sonderpreis<br />

DWHH, Kaiserdamm 20, 14057<br />

Berlin, eingesendet werden. Alle Infos<br />

zum Wettbewerb „Mädchenwelten“<br />

können Sie bestellen über info@welthunger-hilfe.de<br />

oder per Post bei Deutsche<br />

Welthungerhilfe, Zentrale Informationsstelle,<br />

Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173<br />

Bonn.


Anzeige<br />

Liebe Kolleginnen,<br />

liebe Kollegen,<br />

seit mehr als 30 Jahren bieten wir<br />

für GEW-Mitglieder und deren<br />

Angehörige eine Sterbegeldversicherung<br />

an, die durch einen Gruppenversicherungsvertrag<br />

mit der<br />

DBV-Winterthur kostengünstiger<br />

ist als vergleichbare Einzelversicherungen.<br />

Wer gegenüber Angehörigen Verantwortung<br />

trägt, sollte privat für<br />

den Fall des Todes vorsorgen, auch<br />

wenn der eigene Tod ein sensibles<br />

Thema ist und oftmals tabuisiert<br />

wird. Auch für die Angehörigen ist<br />

ein Sterbefall belastend, zu der Bewältigung<br />

der Trauer kommen organisatorische<br />

Aufgaben hinzu,<br />

die mit erheblichem finanziellen<br />

Aufwand verbunden sind.<br />

Aus Erfahrung wissen wir, dass die<br />

Kosten für eine würdige Bestattung<br />

5000 EUR oft weit übersteigen.<br />

Das bisher von den gesetzlichen<br />

Kranken-versicherungen (GKV)<br />

gezahlte Sterbegeld entfällt mit<br />

Wirkung vom 01.01.2004 genauso<br />

wie das Sterbegeld für Beihilfeberechtigte<br />

für Hinterbliebene<br />

von Beamten.<br />

Finanzielle Vorsorge ist daher<br />

notwendiger denn je.<br />

Wir empfehlen den Abschluss einer<br />

angemessenen BFW-Sterbegeldversicherung.<br />

Durch unseren<br />

BFW-Gruppensondertarif erhalten<br />

Sie Vorzugskonditionen, die<br />

für Einzelne sonst nicht erreichbar<br />

sind. Wenn Sie sich die Beiträge<br />

ansehen, werden Sie feststellen,<br />

dass ausreichender Schutz für die<br />

Familie keine Geldfrage ist. Gerade<br />

in jungen Jahren sind die<br />

Beiträge minimal für einen hohen<br />

Versicherungsschutz und<br />

werden damit auch im Alter nicht<br />

zur Belastung.<br />

Sollten Sie bereits über eine Lebensversicherung<br />

verfügen, so<br />

denken Sie daran, dass diese meist<br />

mit dem 60. Lebensjahr endet und<br />

darüber hinaus dann kein Versicherungsschutz<br />

mehr besteht.<br />

Die BFW-Sterbegeldversicherung<br />

schützt lebenslang!<br />

Die Versicherungsleistung, erhöht<br />

um die Überschussbeteiligung,<br />

wird fällig, wenn die versicherte<br />

Person stirbt.<br />

Für den Abschluss der Sterbegeldversicherung<br />

ist die Mitgliedschaft<br />

im BFW der GEW erforderlich,<br />

die zusätzlich zum Versicherungsbeitrag<br />

monatlich 0,05 EUR kostet.<br />

Ihre vertraglich zugesicherten Vorteile:<br />

– niedrigere Beiträge als für Einzelverträge<br />

– Steuerbegünstigung der Beiträge<br />

– keine Gesundheitsfragen<br />

– garantierte Aufnahme bis 80 Jahre<br />

– Mehrleistung durch Überschussbeteiligung<br />

– Schnelle unkomplizierte Auszahlung<br />

– Doppelzahlung bei Unfalltod<br />

– Versicherung auch für Angehörige.<br />

Handeln Sie jetzt: Schicken Sie uns heute<br />

noch Ihren ausgefüllten und unterschriebenen<br />

Antrag zu.<br />

Mit den besten Empfehlungen<br />

Ihr Bildungs- und Förderungswerk<br />

PS: Durch die Zuwendungserklärung<br />

erhalten wir die Mittel, die uns in die<br />

Lage versetzen, Ihnen die vorteilhafte<br />

Gruppen-Sterbegeldversicherung anzubieten<br />

und unsere satzungsgemäßen<br />

Aufgaben zu erfüllen. Wenn Sie dazu<br />

weitere Informationen benötigen, fordern<br />

Sie diese bei uns an.<br />

BILDUNGS- UND FÖRDERUNGSWERK DER GEW IM DGB E.V.<br />

BFW der GEW, Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt, Telefon (0 69) 7 89 73-204<br />

I. Ich erkläre zum nächstmöglichen Termin meinen Beitritt zum BFW der GEW und erkenne den Mitgliedsbeitrag von monatlich<br />

fünf Cent an.<br />

II. Ich erkläre meinen Beitritt zur Sterbegeldversicherung (Bedingungen s. Rückseite) aufgrund des Gruppenvertrages zwischen<br />

der DBV-Winterthur Lebensversicherung AG und dem BFW der GEW und beantrage die nachstehend angekreuzte<br />

Versicherungssumme (bei einer Erhöhung die neue Gesamt-Versicherungssumme).<br />

Name: Name:<br />

Vorname: Vorname:<br />

Geburtsdatum: Geburtsdatum:<br />

■ Neuantrag ■ Erhöhungsantrag auf – bitte ankreuzen – ■ Neuantrag ■ Erhöhungsantrag auf – bitte ankreuzen –<br />

Vers.-Summe: Vers.-Summe:<br />

■ 1 000 Euro ■ 5 000 Euro ■ 9 000 Euro ■ 1 000 Euro ■ 5 000 Euro ■ 9 000 Euro<br />

■ 2 500 Euro ■ 6 500 Euro ■ 10 000 Euro ■ 2 500 Euro ■ 6 500 Euro ■ 10 000 Euro<br />

■ 4 000 Euro ■ 8 000 Euro ■ 12 500 Euro ■ 4 000 Euro ■ 8 000 Euro ■ 12 500 Euro<br />

PLZ: Ort: Straße/Nr.:<br />

III. Abbuchungsermächtigung (ist grundsätzlich erforderlich)<br />

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Beiträge (einschl. BFW-Beiträge) bis auf schriftlichen Widerruf entsprechend<br />

der nachstehend angekreuzten Zahlungsweise im Lastschriftverfahren eingezogen werden:<br />

■ monatl. ■ quartalsweise (im Feb., Mai, Aug., Nov.) ■ kalenderhalbjährl. (im Feb., Aug.) ■ kalenderjährl. (im Mai).<br />

Der Mindestbetrag der Abbuchung muss 5,00 Euro betragen.<br />

Kto-Nr.: BLZ: Institut:<br />

IV. Zuwendungserklärung<br />

Die während meiner Mitgliedschaft auf die Sterbegeldversicherung anfallenden Grund-Überschussanteile<br />

werden mit den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet. Bis auf meinen jederzeit möglichen<br />

Widerruf wende ich dem BFW der GEW laufend Beträge in Höhe der jeweils verrechneten Überschussanteile<br />

zu. Dadurch kommen diese Beträge wirtschaftlich nicht mir, sondern dem BFW der GEW zu 64 Prozent<br />

für satzungsgemäß obliegende Aufgaben und zu 36 Prozent zur Förderung der Sterbegeldeinrichtung<br />

(Kostendeckungsmittel) zugute. Über die Höhe der Zuwendung gibt das BFW auf Anfrage jederzeit Auskunft.<br />

Datum Unterschrift 1. Antragsteller Unterschrift 2. Antragsteller Unterschrift des Kontoinhabers<br />

Wichtig<br />

Bevor Sie diesen Antrag unterschreiben, lesen Sie bitte auf der Rückseite die Schlusserklärungen der zu versichernden<br />

Person. Die Schlusserklärungen enthalten u. a. die Einwilligungsklausel nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)<br />

und Hinweise zum Widerspruchsrecht;sie sind wichtiger Bestandteil des Vertrages.Sie machen mit Ihrer Unterschrift die<br />

Schlusserklärungen zum Inhalt dieses Antrags.<br />

Wird vom Versicherer ausgefüllt Versicherungssumme Versicherungsbeginn<br />

5 8 6 6 1 1 0<br />

5 8 6 6 1 1 0<br />

0 0<br />

0 0<br />

BFW DER GEW<br />

Sterbegeldversicherung ohne Gesundheitsprüfung<br />

Niedrige Beiträge durch Gruppenvertrag<br />

1 2 0 0<br />

1 2 0 0<br />

E&W 10/2005 31


BFW DER GEW<br />

Produktbeschreibung<br />

Überschussbeteiligung<br />

Ber.des Eintrittsalters<br />

Beitragszahlung<br />

Unfall-<br />

Zusatzversicherung<br />

Willenserklärungen<br />

Schweigepflichtentbindungserklärung<br />

Widerspruchsrecht<br />

Versicherungsbedingungen<br />

Einwilligungsklausel<br />

nach dem BDSG<br />

Allgemeine Hinweise<br />

Versicherungsträgerin<br />

32<br />

E&W 10/2005<br />

Die Versicherungsleistung wird beim Tod der versicherten Person fällig. Das Höchsteintrittsalter beträgt 80 Jahre. Der Versicherer verzichtet auf<br />

eine Gesundheitsprüfung; stattdessen gilt beim Tod der versicherten Person im ersten Versicherungsjahr folgende Staffelung der Versicherungsleistung:<br />

Bei Tod im ersten Monat: Rückzahlung des eingezahlten Beitrags; bei Tod im zweiten Monat: Zahlung von 1 ⁄12 der Versicherungsleistung; bei<br />

Tod im 3. Monat: Zahlung von 2 ⁄12 der Versicherungsleistung usw.; allmonatlich um 1 ⁄12 der Versicherungsleistung steigend bis zur vollen Versicherungsleistung<br />

ab Beginn des zweiten Versicherungsjahres.<br />

Stirbt die versicherte Person vor Ablauf des ersten Versicherungsjahres infolge eines im ersten Versicherungsjahr eingetretenen Unfalls, wird stets<br />

die volle Versicherungsleistung erbracht.<br />

Die von der DBV-Winterthur Lebensversicherung AG laufend erwirtschafteten Überschüsse werden in Form von Grund- und Zinsüberschussanteilen<br />

weitergegeben. Die Grundüberschussanteile werden mit den von Ihnen zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet (siehe umstehende<br />

Zuwendungserklärung). Die Zinsüberschussanteile werden verzinslich angesammelt und zusammen mit der Versicherungsleistung ausgezahlt.<br />

Beginnjahr der Versicherung minus Geburtsjahr der zu versichernden Person = Eintrittsalter.<br />

Die Beiträge sind bis zum Ende des Monats zu entrichten, in dem die versicherte Person stirbt; längstens jedoch bis zum Ende des Versicherungsjahres,<br />

in dem die versicherte Person das rechnungsmäßige 85. Lebensjahr vollendet.<br />

Monatsbeiträge in Euro für je 500 Euro Versicherungssumme<br />

Für andere Versicherungssummen ist der Beitrag entsprechend zu vervielfältigen.<br />

Dadurch können sich Rundungsdifferenzen ergeben.<br />

Produkt VG 9/2004<br />

Ein- Ein- Ein- Eintritts-<br />

Frauen Männer tritts- Frauen Männer tritts- Frauen Männer tritts- Frauen Männer<br />

alter alter alter alter<br />

15 0,46 EUR 0,54 EUR 35 0,75 EUR 0,90 EUR 55 1,50 EUR 1,93 EUR 75 5,00 EUR 6,08 EUR<br />

16 0,47 EUR 0,55 EUR 36 0,77 EUR 0,93 EUR 56 1,57 EUR 2,01 EUR 76 5,52 EUR 6,62 EUR<br />

17 0,48 EUR 0,56 EUR 37 0,79 EUR 0,96 EUR 57 1,64 EUR 2,11 EUR 77 6,14 EUR 7,27 EUR<br />

18 0,49 EUR 0,58 EUR 38 0,81 EUR 0,99 EUR 58 1,71 EUR 2,21 EUR 78 6,91 EUR 8,06 EUR<br />

19 0,50 EUR 0,59 EUR 39 0,84 EUR 1,03 EUR 59 1,80 EUR 2,32 EUR 79 7,91 EUR 9,07 EUR<br />

20 0,51 EUR 0,60 EUR 40 0,87 EUR 1,06 EUR 60 1,89 EUR 2,43 EUR 80 9,25 EUR 10,41 EUR<br />

21 0,52 EUR 0,62 EUR 41 0,89 EUR 1,10 EUR 61 1,98 EUR 2,55 EUR 81 9,54 EUR 10,73 EUR<br />

22 0,53 EUR 0,63 EUR 42 0,92 EUR 1,14 EUR 62 2,09 EUR 2,69 EUR 82 9,86 EUR 11,07 EUR<br />

23 0,55 EUR 0,65 EUR 43 0,96 EUR 1,18 EUR 63 2,20 EUR 2,83 EUR 83 10,19 EUR 11,44 EUR<br />

24 0,56 EUR 0,66 EUR 44 0,99 EUR 1,23 EUR 64 2,32 EUR 2,98 EUR 84 10,55 EUR 11,82 EUR<br />

25 0,57 EUR 0,68 EUR 45 1,02 EUR 1,27 EUR 65 2,45 EUR 3,15 EUR 85 10,94 EUR 12,24 EUR<br />

26 0,59 EUR 0,70 EUR 46 1,06 EUR 1,32 EUR 66 2,60 EUR 3,33 EUR 86 11,36 EUR 12,68 EUR<br />

27 0,60 EUR 0,71 EUR 47 1,10 EUR 1,38 EUR 67 2,76 EUR 3,53 EUR 87 11,81 EUR 13,16 EUR<br />

28 0,62 EUR 0,73 EUR 48 1,14 EUR 1,43 EUR 68 2,94 EUR 3,75 EUR 88 12,30 EUR 13,68 EUR<br />

29 0,63 EUR 0,75 EUR 49 1,18 EUR 1,49 EUR 69 3,14 EUR 3,99 EUR 89 12,82 EUR 14,23 EUR<br />

30 0,65 EUR 0,78 EUR 50 1,23 EUR 1,55 EUR 70 3,37 EUR 4,25 EUR 90 13,39 EUR 14,83 EUR<br />

31 0,67 EUR 0,80 EUR 51 1,27 EUR 1,62 EUR 71 3,62 EUR 4,54 EUR<br />

32 0,69 EUR 0,82 EUR 52 1,33 EUR 1,69 EUR 72 3,90 EUR 4,87 EUR<br />

33 0,70 EUR 0,85 EUR 53 1,38 EUR 1,76 EUR 73 4,23 EUR 5,23 EUR<br />

34 0,72 EUR 0,87 EUR 54 1,44 EUR 1,84 EUR 74 4,60 EUR 5,64 EUR<br />

Lt. den Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung ist diese Zusatzversicherung – außer bei Eintrittsaltern ab 75 Jahren – stets eingeschlossen.<br />

Der Zusatzbeitrag für die Unfall-Zusatzversicherung beträgt je 1000 EUR Sterbegeld monatlich 0,08 EUR; er ist in den entsprechenden Beiträgen<br />

der Tabelle bereits enthalten. Bei Tod infolge eines Unfalles vor dem Ende des Versicherungsjahres, in dem die versicherte Person ihr 75. Lebensjahr<br />

vollendet hat, wird das doppelte Sterbegeld gezahlt. Stirbt die versicherte Person danach, leistet der Versicherer dennoch in folgenden Fällen:<br />

Der Unfall muss bei der Benutzung eines dem öffentlichen Personenverkehr dienenden Verkehrsmittels eingetreten und das Verkehrsmittel muss<br />

diesem Unfall selbst ausgesetzt gewesen sein.<br />

Schlusserklärungen der zu versichernden Person<br />

Mir ist bekannt, dass die Vereinigung Versicherungsnehmerin ist. Sie handelt in meinem Auftrag. Ich bevollmächtige die Vereinigung zur Vertretung<br />

bei der Abgabe und Entgegennahme aller das Versicherungsverhältnis betreffenden Willenserklärungen (einschließlich der Kündigung der<br />

Sterbegeld-Versicherung beim Ausscheiden des Mitglieds aus der Vereinigung); die Vertretungsbefugnis erstreckt sich jedoch nicht auf die Empfangnahme<br />

von Versicherungsleistungen und die Änderung des Bezugsrechts.<br />

Bei höherem Eintrittsalter können die zu zahlenden Beiträge in ihrem Gesamtbetrag die versicherte Leistung unter Umständen übersteigen.<br />

Der Versicherer darf nur bei Freitod innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre oder bei einem Unfalltod die Ärztinnen/Ärzte, welche die Todesursache<br />

feststellen werden, und die Ärztinnen/Ärzte und Heilkundigen, die mich im letzten Jahr vor meinem Tod untersuchen oder behandeln<br />

werden, sowie Behörden – mit Ausnahme von Sozialversicherungsträgern – über die Todesursache oder die Krankheiten, die zum Tod geführt haben,<br />

befragen. Insoweit entbinde ich alle, die hiernach befragt werden, von der Schweigepflicht auch über meinen Tod hinaus.<br />

Ich kann dem Versicherungsvertrag bis zum Ablauf von einem Monat nach Zugang des Versicherungsscheins,der Versicherungsbedingungen<br />

und der übrigen Verbraucherinformationen widersprechen.Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.<br />

Für die Versicherung gelten die Allgemeinen Bedingungen für die Gruppen-Sterbegeld-Versicherung nach Sondertarifen (Vertragsgrundlage 260),<br />

die Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung (Vertragsgrundlage 500) und die Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG. Diese werden<br />

mit dem Versicherungsschein und einer Kopie des Antrags übersandt; auf Wunsch können die Allgemeinen Bedingungen auch schon bei Antragstellung<br />

ausgehändigt werden. Maßgeblich für den Versicherungsvertrag sind ausschließlich die bei Policierung ausgehändigten Unterlagen.<br />

Ich willige ein, dass die Versicherer der DBV-Winterthur Gruppe allgemeine Antrags-, Vertrags-, Abrechnungs- und Leistungsdaten in gemeinsamen<br />

Datensammlungen führen, soweit dies der ordnungsgemäßen Durchführung meiner Versicherungsangelegenheiten dient.<br />

Auf diesen Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Die zuständige Aufsichtsbehörde ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />

(BAFin), Postfach 13 08, 53003 Bonn.<br />

Besondere Vereinbarungen sind nur mit Zustimmung des Versicherers wirksam.<br />

Eine bestehende Versicherung aufzugeben und dafür eine neue Versicherung abzuschließen, ist für die zu versichernde Person im allgemeinen unzweckmäßig<br />

und wird daher von den Versicherungsunternehmen nicht gewünscht.<br />

DBV-Winterthur Lebensversicherung<br />

Aktiengesellschaft<br />

Sitz: Wiesbaden (AG WI – 21 HRB 7501)<br />

Anzeige


Wohin die Wut führt<br />

E&W-Interview mit dem Filmemacher Martin Keßler<br />

E&W: Was war der Anlass für Sie, den Dokumentarfilm<br />

„neueWUT“ zu drehen?<br />

Keßler: Wir haben bereits im Herbst<br />

2003 mit den Dreharbeiten begonnen,<br />

konkret war die Finanznot vieler deutscher<br />

Städte und deren Folgen für die<br />

Bürger der Anlass. Uns hat interessiert,<br />

wie die Menschen auf die sozialen Einschnitte<br />

reagieren, ob sie Widerstand<br />

zeigen. Meine Recherchen fingen mit<br />

den massiven Protesten gegen das Kürzungsprogramm<br />

der hessischen Landesregierung<br />

an, dann<br />

verfolgte ich die<br />

Studentenproteste<br />

im Winter gegen<br />

Studiengebühren<br />

und schließlich<br />

2004 die Hartz-<br />

Proteste. Für unser<br />

Martin Keßler<br />

Foto: Privat<br />

Filmteam hat sich<br />

dann immer stärker<br />

verdichtet, dass<br />

wir bestimmte Per-<br />

sonen über einen längeren Zeitraum begleiten,<br />

die bei diesen Protesten sehr aktiv<br />

gewesen sind.<br />

E&W: Die Helden in ihrem Film sind Arbeitslose.<br />

Welche Geschichte erzählt er über sie?<br />

Keßler: Der Film erzählt, dass Menschen<br />

aus ganz unterschiedlichen Milieus<br />

wütend reagieren und protestieren,<br />

die nicht einverstanden sind damit, was<br />

„von oben politisch verordnet“ wird.<br />

Ob das jetzt Andreas Erhold ist, der als arbeitsloser<br />

Bürokaufmann als erster überhaupt<br />

die Proteste gegen Hartz IV initiiert<br />

hat. Oder Paul Fröhlich als Opel-Arbeiter,<br />

der zwar noch nicht arbeitslos,<br />

aber der von der Situation bedroht ist,<br />

seine Arbeit zu verlieren. Es sind Men-<br />

schen aus ganz verschiedenen Milieus,<br />

die auch politisch unterschiedlich aktiv<br />

geworden sind. Gemeinsam ist ihnen,<br />

dass sie sagen „wir sind nicht länger einverstanden<br />

mit der Politik, wir machen<br />

das nicht mehr mit“. Das Spannende an<br />

unserem Projekt war, dass wir unsere<br />

Filmhelden über einen längeren Zeitraum<br />

mit der Kamera beobachtet haben.<br />

Uns interessierte, ob es sich nur um<br />

einen momentanen Wutausbruch handelt,<br />

ob diese Wut in Resignation endet<br />

oder sich daraus doch ein längerfristiges<br />

Engagement entwickelt. Wir erlebten –<br />

das zeigt der Film auch – sehr unterschiedliche<br />

Konsequenzen unserer<br />

„Helden“.<br />

E&W: Hat der Film nach der Bundestagswahl<br />

etwas Patina angesetzt?<br />

Keßler: Nein, denn er zeigt, was sich an<br />

sozialem Protest in dem letzten Dreivierteljahr<br />

ereignet hat. Die Bundestagswahl<br />

hat ja deutlich gemacht: Die Wut<br />

der Bürger ist nach wie vor da und nicht<br />

besänftigt.<br />

E&W: Wie ist bislang die Resonanz?<br />

Keßler: Die Resonanz ist überwältigend.<br />

Wir hatten innerhalb weniger Wochen<br />

fast 50 Veranstaltungen. Und obwohl<br />

der Film 90 Minuten dauert, haben<br />

danach häufig noch eineinhalbstündige<br />

Diskussionen mit dem Publikum<br />

stattgefunden. Das heißt, der Film<br />

kommt an – übrigens auch sehr gut an<br />

Schulen. Interview: hari<br />

Über die Website www.neuewut.de kann der Film als DVD<br />

oder VHS bestellt werden: 17,- Euro für Studenten/Schüler/<br />

Arbeitslose, Normalpreis 27,50 Euro (zzgl. 3,50 Euro Versand).<br />

Der Film kann privat oder im Seminar gebührenfrei<br />

gezeigt werden, bei öffentlicher Vorführung muss man sich<br />

mit dem Filmemacher in Verbindung setzen – Website unter<br />

„Termine“. Hier sind auch alle Zeitpunkte und Orte ersichtlich,<br />

an denen der Film gezeigt wird.<br />

40 Jahre Auto Club Europa<br />

Der Auto Club Europa (ACE), der Autoclub<br />

der Gewerkschaften, hat sein 40jähriges<br />

Jubiläum gefeiert. ACE-Vorsitzender<br />

Wolfgang Rose übergab im Rahmen<br />

der Jubiläumsveranstaltung Bundesverkehrsminister<br />

Manfred Stolpe<br />

(SPD) einen sieben Punkte umfassenden<br />

Forderungskatalog. Darin verlangt<br />

der ACE, die Verkehrsinfrastruktur<br />

zu erhalten, zu modernisieren<br />

und auszubauen. Rose wies darauf hin,<br />

dass die Steuer- und Abgabepolitik sozialverträglich,<br />

maßvoll und berechenbar<br />

bleiben müsse. Eine Erhöhung der<br />

Mehrwertsteuer lehnt der ACE ab. Der<br />

ACE hat rund 550000 Mitglieder. Familienangehörige<br />

mitgerechnet haben<br />

mehr als 1,2 Millionen Verkehrsteilnehmer<br />

Anspruch auf Hilfe durch den<br />

Club. Über 80000-mal jährlich leistet<br />

der ACE europaweit Pannenhilfe. Für<br />

schnelle Unterstützung sorgen mehr als<br />

70 Frauen und Männer im Callcenter<br />

rund um die Uhr. Deren Logistik stützt<br />

sich allein in Deutschland auf 3500 Pannenhelfer.<br />

Alle weiteren Infos zum ACE<br />

finden Sie im Internet unter www.aceonline.de.<br />

Neuer Kooperationspartner<br />

Ab Mitte Oktober 2005 bietet die<br />

GEW einen neuen Mitgliederservice:<br />

Urlaub mit dem Gemeinnützigen Erholungswerk<br />

der IG BAU. Ab sofort<br />

gelten die IG BAU-Mitgliedspreise<br />

zuzüglich einer geringen Buchungsgebühr<br />

auch für alle Mitglieder der<br />

GEW.<br />

Seit mehr als 40 Jahren steht das Gemeinnützige<br />

Erholungswerk (GEW) der<br />

IG BAU für erholsamen Urlaub in eigenen<br />

Hotels und Ferienanlagen. Heute<br />

besitzt das GEW Ferienzentren auf Sylt,<br />

Usedom, an der Müritz, im Allgäu und<br />

an der Côte d’Azur sowie vier Ferienhotels<br />

in Berlin, am Chiemsee, in Kärnten<br />

und im Harz. Daneben bietet das GEW<br />

eigene komfortable Mobilheime in<br />

Kroatien in der Nähe von Porec. Einige<br />

Häuser verfügen über Schwimmbad<br />

und Wellnessbereich, Sporteinrichtungen,<br />

interessante Spielplätze oder Animation.<br />

Die Häuser sind landschaftlich<br />

schön gelegen, die Umgebung lässt<br />

reichlich Raum für interessante Ausflüge.<br />

Skifahrer sind auf der schneesicheren<br />

Turracher Höhe im gleichnamigen<br />

Panoramahotel gut aufgehoben. Fantastische<br />

Loipen gibt es in St. Andreasberg<br />

(Harz) und in Maierhöfen (Allgäu).<br />

Aber auch ein Jachthafen mit 100 Liegeplätzen<br />

für Sportboote und 18 Ferienwohnungen<br />

steht an der Müritz für den<br />

Urlaub im größten europäischen Naturpark<br />

bereit. Außerdem können Hausboote<br />

gemietet werden. Der Campingfreund<br />

ist dagegen gut in den komfortablen<br />

Mobilheimen in Istrien untergebracht.<br />

Die Perle des GEW ist zweifellos das<br />

Belle-Epoque-Schlösschen „Les Tourelles“<br />

am Golf von St. Tropez. Exklusives<br />

Wohnen: im Schloss oder in den terrassenförmig<br />

angelegten Bungalows, die<br />

ein wenig an die Meisterhäuser des Dessauer<br />

Bauhauses erinnern. „Les Tourelles“<br />

empfiehlt sich für Singles und Paare<br />

ebenso wie für Familien oder Seniorengruppen.<br />

Ähnlich wie hier sind alle<br />

Häuser des GEW so angelegt, dass Eltern,<br />

ausgelassene Kinder und Ruhebedürftige<br />

gleichermaßen auf ihre Kosten<br />

kommen.<br />

Ausführliche Informationen erhalten Sie direkt<br />

beim Gemeinnützigen Erholungswerk<br />

e.V. Benzstraße 11, 61352 Bad Homburg,<br />

im Callcenter unter : 01805 – 439 337 oder<br />

im Internet www.ferien-igbau.de<br />

MARKTPLATZ<br />

E&W 10/2005 33


ANSCHLAGTAFEL<br />

Veranstaltungen<br />

Umsteuerung des Bildungswesens<br />

Die Universität Frankfurt am Main lädt am 10.<br />

Oktober von 12.30 bis 17 Uhr zu einer Zusammenkunft<br />

von Erziehungswissenschaftlern<br />

und Pädagogen zum Thema „Das Bildungswesen<br />

ist kein Wirtschafts-Betrieb – Fünf Einsprüche<br />

gegen die technokratische Umsteuerung<br />

des Bildungswesens“ ein (Hörsaal IV,<br />

Mertonstr. 17-21, Hauptgebäude, Gebäudeteil<br />

D). Veranstalter sind Andreas Gruschka und<br />

Frank-Olaf Radtke. Weitere Informationen:<br />

Birgit Fischer, Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft<br />

(WE I), Telefon: 069/798-23 716,<br />

Fax 798-28 766,<br />

E-Mail: b.fischer@em.uni-frankfurt.de<br />

Integration<br />

Die GEW (Landesverband Berlin und Hauptvorstand)<br />

veranstaltet in Kooperation mit anderen<br />

Institutionen am 12. November in Berlin<br />

die Fachtagung „Von der Integration zur Inklusion.<br />

Kinder und Jugendliche mit Behinderungen gehören<br />

auch in der Schule dazu“. Nach 30 Jahren positiver<br />

Erfahrungen sind der gemeinsame Unterricht<br />

und die gemeinsame Erziehung von Kindern<br />

und Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigungen<br />

an Deutschlands Schulen noch<br />

immer nicht Normalität. Die Fachtagung soll<br />

klären helfen, was in der Praxis und in der Bildungspolitik<br />

zu tun ist, damit sich dies ändert.<br />

Kostenbeitrag: 20,— Euro (inklusive Verpflegung).<br />

Programm und alle weiteren Informationen:<br />

GEW Berlin, Ahornstraße 5, 10787 Berlin,<br />

Telefon: 030/2 19 99 30, Fax 21 99 93 50,<br />

E-Mail: info@gew-berlin.de<br />

„jugend creativ“<br />

Der weltweit größte Jugendwettbewerb „jugend<br />

creativ“, der zum 36. Mal stattfindet, steht un-<br />

34<br />

E&W 10/2005<br />

ter dem Motto: „Entdecke die Welt – Menschen,<br />

Länder und Kulturen“. Sein internationaler<br />

Schirmherr: der Dalai Lama. In Deutschland<br />

können Schüler von der 1. bis zur 13. Klasse ihre<br />

Kreativität im Wettbewerbsbereich Malen/Bildgestaltung<br />

ausleben. Der Bereich<br />

Film/Video lädt Jugendliche von der 5. bis zur<br />

13. Klasse ein, das Motto in bewegte Bilder umzusetzen.<br />

Die Unterlagen werden zum Wettbewerbsstart<br />

am 7. November bei allen teilnehmenden<br />

Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />

erhältlich sein. Dort können auch die Wettbewerbsbeiträge<br />

vom 7. November bis 3. März<br />

2006 bzw. bis zum 3. Februar 2006 in Bayern<br />

eingereicht werden. Weitere Informationen im<br />

Internet:<br />

www.jugendcreativ.bvr.de oder www.vr-networld.de<br />

KZ Sachsenhausen<br />

Seit 1990 befinden sich vor allem die ostdeutschen<br />

Gedenkstätten nach kontroversen politischen<br />

Diskussionen in einem intensiven Umgestaltungsprozess.<br />

Wie, mit welchen Ansprüchen,<br />

Vermittlungskonzepten und Angeboten<br />

des selbsttätigen Lernens dort heute pädagogisch<br />

gearbeitet wird, soll am Ort und im Gespräch<br />

mit Mitarbeitern und Augenzeugen<br />

vom 1. bis 4. November 2005 in Oranienburg erkundet<br />

werden. Das Programm kann im Internet<br />

unter www.hu-bildungswerk.de eingesehen<br />

werden. Anmeldung und Information: Bildungswerk<br />

der Humanistischen Union, Kronprinzenstraße<br />

15, 45128 Essen, Telefon: 0201-227982,<br />

E-Mail: buero@hu-bildungswerk.de<br />

Pädagogische Konferenz<br />

Die 6. Pädagogische Konferenz findet vom 14.<br />

bis 16. November 2005 in Bad Herrenalb statt.<br />

Unter dem Motto „Zwischen Job und Berufung<br />

– Anfragen an das berufliche Selbstverständnis<br />

der Lehrer/innen“ – Berufsverbände und Gewerkschaften<br />

in der Diskussion statt. Die Konferenz<br />

wird sich vor allem mit der Person, der<br />

Persönlichkeit der Lehrerin, des Lehrers in der<br />

zurzeit stattfindenden Bildungsreform ausei-<br />

nandersetzen. AEED, DKV, GEW und diesmal<br />

zum ersten Mal der Fachverband Ethik e.V.<br />

führen mit dieser Konferenz ihren Dialog<br />

zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />

Gruppen fort.<br />

Anmeldungen bis 14.10.2005 an: GEW Hauptvorstand/Parl.<br />

Verbindungsbüro, Antje Lindner,<br />

Wallstraße 65, 10179 Berlin,<br />

Telefon 030/235014-11, Fax: 030/235014-10,<br />

E-Mail: antje.lindner@buero-berlin.gew.de<br />

Pisa und die Folgen<br />

Auf der fünften GEW-Herbstakademie in Weimar<br />

geht es um die Zweite Chance für Spätstarter<br />

und Benachteiligte.<br />

„Weiterbildung als zweite Chance?! – Konsequenzen<br />

aus der Bildungs- und Beschäftigungskrise“<br />

ist das Thema der fünften GEW-<br />

Herbstakademie, die vom 24. bis 26. November<br />

im Jugend- und Kulturzentrum „Mon ami“ in<br />

Weimar stattfindet. Im Mittelpunkt der Tagung<br />

stehen die Fragen: Was bedeuten die Pisa-Ergebnisse<br />

für das lebenslange Lernen? Kann und<br />

soll Weiterbildung die Defizite der Schulabgängerinnen<br />

und Schulabgänger kompensieren?<br />

Neue Erkenntnisse zur Lernfähigkeit im<br />

Erwachsenenalter aus Sicht der Hirnforschung<br />

werden ebenso einbezogen wie die Erfahrungen<br />

mit der Weiterbildung Benachteiligter in<br />

anderen Ländern, zum Beispiel Dänemark. In<br />

vier Workshops wird über Konzepte zur Alphabetisierung,<br />

über den Zweiten Bildungsweg,<br />

kulturelle und politische Bildung sowie über<br />

die Weiterbildung erwachsener Migranten diskutiert.<br />

Die abschließende Podiumsdiskussion<br />

beschäftigt sich mit den Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

der Weiterbildung<br />

nach der Bundestagswahl. Informationen und<br />

Anmeldung: Brigitte Kramer 069/789 73-327.<br />

http://www.gew.de/Veranstaltungen_im_Bereich_<br />

Weiterbildung.html<br />

Wanderausstellung<br />

„Auschwitz und ich“ lautet der Titel einer Wanderausstellung<br />

der Aschaffenburger Außenstel-<br />

le des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt<br />

der bayerischen evangelischen Kirche. Auf 30<br />

Stellwänden werden die Geschichte des Vernichtungslagers<br />

Auschwitz-Birkenau sowie die<br />

der Häftlinge dargestellt.<br />

Die Ausstellungsmacher haben die Gefühle<br />

und Eindrücke von Teilnehmern von Seminarfahrten<br />

nach Auschwitz festgehalten. Wissenschaftlich<br />

und pädagogisch wurde das Projekt<br />

vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt (Main),<br />

dem hessischen Landesjugendring und dem<br />

Evangelischen Bildungswerk Regensburg begleitet.<br />

Die Ausstellung war bereits in mehreren<br />

deutschen Städten zu sehen und eignet sich besonders<br />

für Gruppen als Vorbereitung zu Fahrten<br />

in die KZ-Gedenkstätte Oswiencim.<br />

Kontakt und Verleih: www.auschwitz-und-ich.de,<br />

KDA Aschaffenburg, Kolpingstraße 7, 63739<br />

Aschaffenburg, Telefon 06021-25284, Fax 06021-<br />

362902<br />

Buchtipps<br />

LesePeter<br />

Der LesePeter ist eine Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Jugendliteratur und Medien<br />

(AJuM) der GEW für ein herausragendes, aktuelles<br />

Buch der Kinder- und Jugendliteratur. Die<br />

ausführliche Rezension (mit pädagogischen<br />

Hinweisen) ist im Internet unter www.<br />

AJuM.de (Datenbank) oder www.LesePeter.de<br />

abrufbar. Im Monat Oktober 2005 erhält den<br />

LesePeter das Jugendbuch:<br />

Karin Gündisch: „Cosmin. Von einem, der auszog,<br />

das Leben zu lernen“<br />

München, dtv (Reihe Hanser) 2005, 192 Seiten,<br />

TB, 7,50 €<br />

Im Monat November 2005 erhält den Preis das<br />

Sachbuch Anne Möller: „Nester bauen, Höhlen<br />

knabbern. Wie Insekten für ihre Kinder sorgen.“<br />

Zürich: Atlantis bei Orell Füssli 2004. 32 Seiten,<br />

geb., 14,90 €


Erziehung und Wissenschaft<br />

Diesmal<br />

40<br />

E&W 10/2005<br />

PISA-E: Kultusminister bringen sich in Stellung<br />

Cartoon: Klaus Stuttmann

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